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C & E eundc.de Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten Stiftung SPI 5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete „Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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C&E eundc.deEntwicklung und Chancenjunger Menschen in sozialen Brennpunkten

Stiftung SPI

5. Zielgruppenkonferenz

der Vertreter/innen von

Städten und Gemeinden

der E&C-Gebiete

„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal

sozialräumlicher Arbeit

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5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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Impressum

Herausgeber: Regiestelle E&C der Stiftung SPISozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May“Narzarethkirchstraße 5113347 BerlinTelefon 0 30. 457 986-0Fax: 0 30. 457 986-50Internet: http://www.eundc.de

Ansprechpartner: Andreas Hemme

Layout:MonteVideo Mediadesign

Redaktion:Andreas Hemme, Antje Klemm

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5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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Inhalt:

Vorwort

Andreas Hemme, Regiestelle E&C, Stiftung SPI, Berlin

Bildung für Nachhaltigkeit – Lernofferten für

junge Menschen in sozialen Brennpunkten

Dr. Gregor Lang-Wojtasik, Universität Erlan-gen

Handlungsfeld Partizipation

Partizipation von Kindern und Jugendlichen –

Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit

Matthias Bartscher, Kinderbüro Stadt Hamm

Handlungsfeld Ökonomie-Ausbildung-Arbeit

Übergänge nachhaltig schaffen

Heike Wolff, Ausbildungsgemeinschaft Neubrandenburg

Nachhaltigkeit im kommunalen Dialog

Verfahren und Instrumente eines Qualitäts-

prozesses

Rolf-Joachim Heger, Stiftung SPI, Berlin

Ist die Nachhaltigkeitsdebatte eine Diskus-

sion der „Alten“ über die „Jungen“?

Jugendbeteiligung im Nachhaltigkeits-

prozess aus der Sicht junger Menschen

(Wir diskutieren mit, wenn über uns disku-

tiert wird)

Ina Epkenhans, Jugendbündnis für Johannes-burg

Programm

Teilnehmer/-innen

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Andreas Hemme,

Regiestelle E&C, Stiftung SPI, Berlin

Vorwort

Ziel nachhaltigen Handelns ist eine ausgewo-gene Balance zwischen den Bedürfnissen derheutigen Generationen und den Lebensper-spektiven künftiger Generationen. „Generatio-nengerechtigkeit“, „Zukunftsdiebstahl“ und„Zukunft als Ressource“ sind zentrale Begriffein der Nachhaltigkeitsdebatte und lösten in denletzten Jahren ein Umdenken auch in der ju-gendpolitischen Diskussion und ein Nachden-ken über nachhaltige Handlungsstrategien inder Jugendhilfe aus. Die Krise des Arbeits-marktes und der sozialen Sicherungssystemesowie die allgemeine Bedrohung der natürli-chen Lebensgrundlagen haben für Kinder undJugendliche eine herausragende Bedeutung.Gerade in benachteiligten Stadtteilen kumulie-ren Chancenungleichheiten für Kinder und Ju-gendliche. Dies betrifft vor allem den Bildungs-bereich, den Zugang zur gesundheitlichen Ver-sorgung, die Chance auf einen Ausbildungs-oder Arbeitsplatz, die Möglichkeit an Beteili-gungsverfahren mitzuwirken, die höhere Be-troffenheit von Umweltbelastungen usw. Fürjunge Menschen in benachteiligten Stadtge-bieten ist deshalb eine nachhaltige Entwicklungin allen Lebensbereichen von besondererDringlichkeit.

Diese Dokumentation soll konkrete Hand-lungsansätze zum Thema „Nachhaltigkeit imE&C-Prozess“ vorstellen und zum Erfahrungs-austausch anregen. Dazu werden nachhaltigeStrategien insbesondere in den Feldern Bil-dung, Partizipation, Ausbildung und kommu-nales Handeln präsentiert. Gregor Lang-Wojta-sik von der Universität Erlangen gibt Anregun-gen für eine nachhaltige Bildungsagenda undentwickelt Qualitätskriterien, mit denen dieNachhaltigkeit einer Bildungsmaßnahme ge-messen werden kann. Matthias Bartscher vomKinderbüro der Stadt Hamm führt aus, wie Par-tizipation von Kindern und Jugendlichen aufein nachhaltiges Fundament gestellt werdenkann und welche Anforderungen sich auf derindividuellen und auf der staatlich-institutio-nellen Ebene ergeben. Darüber hinaus wirdüber konkrete Erfahrungen mit Beteiligung be-richtet. Heike Wolff von der Ausbildungsge-meinschaft Neubrandenburg stellt dar, wienachhaltige Strukturen zur Integration benach-teiligter Jugendlicher in Arbeit und Ausbildunggeschaffen werden können. Darüber hinauspräsentiert Rolf-Joachim Heger von der Stif-tung SPI konkrete Verfahren und Instrumenteeines Qualitätsprozesses, um einen kommuna-len Nachhaltigkeitsdialog zu strukturieren undzu begleiten. Ganz besonders beeindruckend

ist es schließlich, wenn Ina Epkenhans vom Ju-gendbündnis für Johannesburg die Sichtweiseder Jugend auf die Nachhaltigkeitsdebatte dar-stellt, die ja zumeist von den älteren Genera-tionen dominiert wird. Mit diesem Angebothoffen wir, den inflationär genutzten Begriff der„Nachhaltigkeit“ mit konkreten Handlungs-empfehlungen zu füllen und allen engagiertenAkteuren Mut zu machen, nachhaltige Strate-gien im Sinne der Kinder und Jugendlichen zuunterstützen und voranzutreiben.

Ein herzlicher Dank gilt allen Referent/innenund Teilnehmer/innen für die aktive Mitgestal-tung der Konferenz.

5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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Gregor Lang-Wojtasik, Universität Erlangen-

Bildung für Nachhaltigkeit.

Lernofferten für junge

Menschen in sozialen Brenn-

punkten

Vorbemerkungen

Bei der Vorbereitung meines Vortrages ist mireine kürzlich erschienene Publikation aufgefal-len, die mich „nachhaltig“ beeindruckt hat. DasBuch „Jugend schreibt Zukunft“ des Rates fürNachhaltige Entwicklung ist vor wenigen Tagenerschienen und ich möchte es Ihnen nachhaltigempfehlen. Unter der Fragestellung „Was be-deutet nachhaltige Entwicklung für mich?“ sindsehr unterschiedliche Texte in Schreibwerk-stätten mit Jugendlichen entstanden. EinenText werde ich zu Beginn, einen weiteren amEnde meiner Ausführungen präsentieren.

Nachhaltige Entwicklung

Christina Gramss, 18 Jahre, Frohburg

„Nachhaltige Entwicklung ist die Balance zwi-schen GEBEN und NEHMEN!Dieses Gleichgewicht sollte in zwischen-menschlichen Beziehungen, im Verhältnis zurNatur und all ihren Lebewesen sowie in allenpolitisch-sozialen Geschehnissen VERWIRK-LICHT werden!!Es ist nie zu spät, dazu etwas beizutragen – obJUNG oder ALT!Denn die Zukunft liegt in unseren Händen!Wir können es uns nicht leisten, damit VER-ANTWORTUNGSLOS umzugehen!Vielleicht ist nachhaltige Entwicklung für unsdie LETZTE CHANCE!!!“ (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2002, S. 113)

Mit diesen einleitenden Worten ist der Kontextmeines Thema bereits umrissen. Ich werde inmeinem Beitrag auf drei Themenkomplexe ein-gehen:■ Was sind die Hauptaspekte des Nachhaltig-

keitskonzeptes und einer Bildung für nach-haltige Entwicklung?

■ Was ermöglicht Menschen Bildung fürNachhaltigkeit?

■ Wie kann das Konzept einer Bildung fürNachhaltigkeit für die Praxis konkretisiertwerden?

Hauptaspekte des Nachhaltigkeits-

konzeptes und von Bildung für Nach-

haltigkeit

a) Begriff ‚Nachhaltigkeit’

Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, denNachhaltigkeitsbegriff immer wieder neu zu de-finieren, die Vielzahl der Definitionen hervorzu-heben und die Begriffsgeschichte des Nachhal-tigkeitsbegriffes erneut zu wiederholen. Vordem Hintergrund der Rio-Konferenz von 1992und der Johannesburg-Konferenz von 2002lege ich folgendes Verständnis von Nachhaltig-keit zugrunde: „Nachhaltige Entwicklung wirdallgemein als eine Entwicklung verstanden, die‚die Bedürfnisse der heutigen Generation be-friedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Ge-nerationen ihre Bedürfnisse nicht mehr befrie-digen können“ (Hauff 1987). Verbunden istdamit die Aufforderung, Umwelt- und Entwick-lungsinteressen zu vereinen sowie ökologischeZielsetzungen mit sozialen Zielen zur Deckungder Grundbedürfnisse und Verbesserung desLebensstandards aller Menschen zu verbinden.Dies setzt eine funktionierende und zugleichwettbewerbsfähige Wirtschaft voraus. ZurNachhaltigkeit gehört eine Vorstellung von Ge-rechtigkeit, die sich auf den Ausgleich zwi-schen den Generationen genauso bezieht wieauf den innerhalb einer Generation (Altner/Mi-chelsen 2001). Generell strebt nachhaltige Ent-wicklung eine Verbindung von Umweltschutz,Wirtschaftswachstum und sozialer Entwicklungan […] (Bericht der Bundesregierung 2001, S. 6 –7).

Nachhaltigkeit oder Nachhaltige Entwicklungbasiert in diesem Verständnis auf drei Grund-prinzipien: ■ Prinzip der Generationenverantwortung; be-

inhaltet die Beachtung der Belange nachfol-gender Generationen

■ ntegrationsprinzip; Verknüpfung sozialer,ökonomischer und ökologischer Ziele

■ Partizipationsprinzip; Stärkung der Eigen-verantwortung der verschiedenen Akteure(Wirtschaft, Wissenschaft, gesellschaftlicheGruppen, einzelne Bürgerinnen und Bürger)(ebd., S. 7).

5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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Nachhaltigkeit

Generationenverantwortung

Integration (Ökonomie, Ökologie,Soziales)

Partizipation allergesellschaftlichenAkteure

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b) Nachhaltigkeit als umfassende gesellschaft-

liche Herausforderung und Bildungsauftrag

Bisher ist das Nachhaltigkeitskonzept vor allemim Solidaritätsbereich verankert – sowohl imUmwelt- als auch im Entwicklungsbereich. Diegesellschaftliche Debatte um Nachhaltigkeitbietet diesen engagierten Gruppen und Institu-tionen zweifellos die Chance, stärker in denFokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit zurücken und neue Formen der Zusammenarbeitzu finden.

Es besteht gleichwohl die Gefahr, dass dasThema nur bei diesen Gruppen bleibt – geradeweil es hier in der Regel moralisch sehr „auf-geladen“ kommuniziert wird. Es ist aber vonentscheidender Bedeutung, unterschiedlichegesellschaftliche Kräfte zu integrieren und ge-meinsam dazu beizutragen, dass das Konzeptin der Breite der Gesellschaft, bei Entschei-dungsträgern und Meinungsführern zuneh-mend auf Resonanz stößt.

Bildung für Nachhaltigkeit blickt auf eineTheorietradition zurück (z.B. De Haan 2002;Seitz 2002; Scheunpflug/Schröck 2000). Ohnean dieser Stelle auf die einzelnen Debatten ein-gehen zu wollen, sei Folgendes erwähnt. ImJahre 1996 erschien die Studie „Zukunftsfähi-ges Deutschland“ (BUND/Misereor 1996). Erstin der Folge bemühte man sich darum, überUmsetzungsmöglichkeiten im Rahmen von Bil-dungsprozessen und Lernmöglichkeiten nach-zudenken (Scheunpflug 1997).

Unter dem Dach einer Bildung für Nachhal-tigkeit lassen sich zwei Konzeptionen bündeln,die aus unterschiedlichen Theorielinien stam-men, die weit vor der Studie „ZukunftsfähigesDeutschland“ ihren Anfang haben. Beide Kon-zeptionen bieten heute vor dem Hintergrundeines erweiterten Verständnisses von Nachhal-tigkeit verschiedene Offerten, Nachhaltigkeitals Bildungskonzept zu formulieren:

Bildung für nachhaltige Entwicklung mitihrem Ursprung in der Umwelterziehung und -bildung (Überblick: z.B. Rost 2002).

Globales Lernen mit seinem Ursprung in derentwicklungspolitischen Bildung, seinem Schwer-punkt auf globaler Gerechtigkeit und mit engenBezügen zur „Dritte-Welt“-Pädagogik, Entwick-lungspädagogik, zum ökumenischen Lernen, zurinterkulturellen Bildung, Friedenspädagogik undökologischen Bildung (Überblick: z. B. Lang-Wo-jtasik/Lohrenscheit 2003)1

Wichtiger als die Debatte um die Geschichteund Wertigkeit von Begriffen ist meines Erach-tens das Nachdenken über Kriterien für Nach-haltigkeit im Allgemeinen und über Kriterieneiner Bildung für Nachhaltigkeit im Besonde-ren. Ich werde dies im Folgenden vor allem ausSicht des zweiten Theoriestranges – des Glo-balen Lernens – tun.

c) Kriterien für Nachhaltigkeit

Die eingangs vorgestellte Definition vonNachhaltigkeit mit dem Prinzip der Generatio-nenverantwortung, dem Integrations- sowiePartizipationsprinzip bietet an manchen Stellengroßen Interpretationsspielraum. Bereits beieinem Blick in verschiedene Medien fällt auf,dass Nachhaltigkeit in aller Munde zu seinscheint, z.B.:■ Nachhaltige Umgestaltung der Sozialversi-

cherungssysteme: Darunter verstehen ei-nige die Sanierung der Staatsfinanzen alskurzfristiges Projekt, andere eine gerechtereVerteilung der Belastung und Erträge. Washeißt aber in diesem Zusammenhang über-haupt Generationengerechtigkeit?

■ Nachhaltige Energieversorgung: Einige ver-stehen darunter die Förderung regenerati-ver Energien im Sinne einer Ressourcen-schonung, andere denken an den Ausbauder Atomkraft, da diese – kurzfristig gedacht– im Vergleich zur Kohlenutzung wenigerEmissionen erzeugt, ohne aber gleichzeitigan die langfristigen Folgen eines Super-Gaus oder die Endlagerungsfrage zu den-ken.

■ Nachhaltige Verkehrspolitik: Darunter ver-stehen einige die Förderung schadstoffär-merer und ressourcensparender Autossowie eine massive Förderung des öffentli-chen Personennahverkehrs, andere meinendamit eine Stärkung der Autoindustrie zurSicherung von Arbeitsplätzen.

■ Nachhaltige Demokratie: Einige verstehendarunter die Möglichkeit des Wählens undGesprächs mit dem Wahlkreisabgeordne-ten, andere denken bei diesem Begriff anaktive Basisdemokratie, die sich in partizi-pativen Prozessen bis hin auch zu Volksent-scheiden ausdrückt.

Es gäbe eine Vielzahl weiterer Beispiele. Fest-zuhalten ist, dass „Nachhaltig“ ein Label zusein scheint, dass auf Vieles geklebt werdenkann, ohne im Sinne des oben dargelegtenNachhaltigkeitsverständnisses als nachhaltigeingeschätzt werden zu können.

Welche Kriterien sollen aber für ein Thema gel-ten, das als ‚Nachhaltigkeit’ bezeichnet wird?Es gibt mehrere Ansätze – auch auf Ebene derUN oder der EU –, Kriterien oder Indikatoren-systeme zu entwickeln. Sie alle nehmen eineEingrenzung der Handlungsfelder vor und ver-suchen dabei, ökologische, ökonomische, poli-tische, soziale und kulturelle Kriterien zuberücksichtigen. In der Regel sollen sie politi-sches Handeln orientieren.

1) Die Zeitschrift fürInternationaleBildungsforschungund Entwicklungs-pädagogik (ZEP)beschäftigt sich mitFragen von Ent-wicklung, Umweltund anderenQuerschnittsprob-lemen sowie ihrerVermittlungsproble-matik, wie sie seit1987 unter demBegriff nachhaltigeEntwicklung dis-kutiert werden, seitEnde der 70erJahre. Für das hier disku-tierte Thema seienzwei Ausgabenempfohlen:Rio + 10. 10 Jahre nach demWeltgipfel’ – ZEP 25(2002)1,‚Jugend undGlobalisierung’ – ZEP 25(2002)3;Bezug: IKO-Verlag, Postfach 90 04 21,60444 Frankfurt/M.

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d) Nachhaltigkeit als Herausforderung für

Menschen in vier Sinndimensionen

Auch für eine Bildungsagenda wäre es meinesErachtens wichtig, sich vorläufig auf einige zen-trale Kriterien der Nachhaltigkeit zu verständi-gen. Im Folgenden möchte ich eine Systemati-sierung (im Anschluss an Scheunpflug 1996;Scheunpflug/Hirsch 2000) vorschlagen, die derKomplexität, die mit dem Nachhaltigkeitsdis-kurs einhergeht, am umfassendsten Rechnungträgt. Bildung für Nachhaltigkeit stellt die Le-bensmöglichkeiten von Menschen in den Mit-telpunkt. Sie sind auf verschiedenen Ebenenmit Aspekten der Nachhaltigkeit konfrontiert.Hilfreich ist es daher, vier Sinndimensionen zuunterscheiden: Sache, Raum, Zeit, Sozial. MitHilfe dieser Sinndimensionen beschreibe ich ineinem ersten Schritt Nachhaltigkeit als Heraus-forderung für Menschen und denke ich ineinem zweiten Schritt über Lernmöglichkeitenals Umgang mit diesen Herausforderungennach.Sachdimension

Bildung für Nachhaltigkeit fokussiert ökologi-sche, ökonomische, politische, soziale und kul-turelle Aspekte. Damit ist in der Sachdimensiondie Auseinandersetzung mit verschiedenenPhänomenen verbunden – z.B. Globalisierung,Arbeitslosigkeit, Ressourcenverbrauch, Um-weltverschmutzung, Migration und Entwick-lungsfragen. Diese Aspekte berühren alle Men-schen weltweit in verschiedenem Ausmaß.Eine Auseinandersetzung mit ihnen stellt fürviele Menschen eine Überforderung dar, weilfür sie die gesamte Komplexität der Aspektenicht durchdringbar scheint.Raumdimension Bildung für Nachhaltigkeit fragt nach den Le-bensmöglichkeiten für Menschen in räumlicherDimension. Es geht um die Lebensmöglichkei-ten aller Menschen. Damit kommen nicht nurdie Wohlhabenden in den Blick, sondern vorallem jene, die nicht am Wohlstand teilhabenkönnen. Es geht um die Lebensbedingungender Armen – im kirchlichen Sinne gesprochenum die „Option für die Armen“. Mittlerweilereicht aber die Option von Solidarität zwischenNord und Süd nicht mehr. Vielmehr kann dieDiskrepanz zunehmend nicht auf den „armenSüden“ und den „reichen Norden“ beschränktwerden. Armut ist als globales Phänomensichtbarer geworden. Es geht also generell umjene, die weniger haben, als man selbst. Zeitdimension

Bildung für Nachhaltigkeit verweist in der zeit-lichen Dimension auf die Zukunft. Es gehtdarum, im Jetzt die Lebensmöglichkeiten dernachfolgenden Generation im Auge zu behal-ten. Gerade vor dem Hintergrund eines sich be-schleunigenden sozialen Wandels und damit

einhergehender weltweiter Veränderungenwird dies zunehmend schwieriger. Sozialdimension

Bildung für Nachhaltigkeit verweist in der so-zialen Dimension auf die Überzeugung, dassLeben mit Blick auf die Zukunft nur gemeinsamgelingen kann. Durch die Betonung der Le-bensmöglichkeiten aller Menschen wird damitgleichzeitig die Natur deutlich in den Dienst desMenschen gestellt. Naturschutz, Klimaschutz,Biodiversivität etc. sind zwingend notwendig –sie sind es aber um der Menschen willen undnicht per se. Die Option der Armen und damitdie Frage nach der Gerechtigkeit für men-schenwürdiges Leben ist die Perspektive, ausder heraus Umweltschutz, Naturschutz und Kli-makonventionen abgeleitet werden. Gleichzei-tig verändern sich – v.a. durch den rasanten so-zialen Wandel – individuelle Lebensweltenmassiv. Fremdheit und Vertrautheit werden zurEinheit in der Differenz. Kontingente Lebens-welten werden sichtbarer.

Wie kann diesen nachhaltigen Herausforderun-gen konstruktiv begegnet werden?

e) Lernen als Umgang mit globalen Heraus-

forderungen

Bildung für Nachhaltigkeit stellt das Lernen vonMenschen in den Mittelpunkt. Bildung fürnachhaltige Entwicklung, bzw. der Text derAgenda 21 interpretiert den Handlungsbedarffür nachhaltige Entwicklung – implizit – letztlichals eine Lernkrise. Menschen handeln nicht of-fenkundig von sich aus nachhaltig, sondernmüssen dieses lernen. Gelernt werden müssenneue Inhalte und Themen der Nachhaltigkeit.Dies alleine wäre aber deutlich zu wenig. Viel-mehr geht es vor allem um zentrale Schlüssel-kompetenzen:■ In der Sachdimension geht es darum, den

Umgang mit Wissen und Nichtwissen zulernen und angesichts großer gesellschaft-licher Komplexität zu lernen, Entscheidun-gen unter Unsicherheit zu fällen sowie Wir-kungen und Nebenwirkungen zu bedenken.Der Umgang mit Komplexität wird zur zen-tralen Herausforderung für Lernen.

■ In der Raumdimension geht es um den Um-gang mit Offenheit und Begrenzung in einersich globalisierenden Weltgesellschaft mitall ihren Begleiterscheinungen. Die indivi-duelle Lebenssituation hängt eng mit Men-schen zusammen, die nur bedingt Teil dereigenen Lebenswelt sind. Die intensive Be-schäftigung mit Widersprüchen der Weltge-sellschaft und das kennen lernen andererPerspektiven sind eine Herausforderung fürpädagogische Prozesse.

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■ In der Zeitdimension geht es um den Um-gang mit Ungewissheit. Der Umgang mitUnsicherheit und das Lernen, diese auszu-halten, ohne fundamentalistischen Lösun-gen den Vorzug zu geben, wird eine zen-trale Schlüsselqualifikation der Zukunft.Selbstsicherheit in einer weltgesellschaft-lich offenen Welt zu erreichen, die sichgleichzeitig offen auf gesellschaftlichenWandel einlässt, ist eine große pädagogi-sche Herausforderung.

■ In der Sozialdimension geht es um den Um-gang mit Vertrautheit und Fremdheit. Men-schen müssen lernen, mit Fremdem ange-messen umzugehen und Vertrautes nichtper se als einzig Richtiges zu akzeptieren –eine anspruchsvolle Lernaufgabe. Sozialer-ziehung erhält eine bisher noch nicht da ge-wesene abstrakte Dimension, Solidaritäteine Haltung, die über den Nahbereich hin-ausgeht.

Wie können diese Lernaufgaben mit dem Prin-zip von Partizipation in Verbindung gebrachtwerden?

f) Partizipatives Lernen

Diese Lernnotwendigkeiten mögen vielleichtdann in seltsamer Spannung zum Anspruchauf Partizipation stehen, wenn dieser auf denLernanlass ausgedehnt wird. Die Lernheraus-forderungen einer Bildung für Nachhaltigkeitverlangen eine hohe Abstraktionsleistung imKontext gesellschaftlicher Entwicklungen undsozialer Zusammenhänge. Kulturell ist derMenschheit in vielen Gebieten der Naturwis-senschaften bereits eine gewaltige Abstrakti-onsleistung gelungen, beispielsweise als sichdurch Galileio Galileii die abstrakte Erkenntnisder Erdbahn jenseits der unmittelbaren An-schauung durchsetzte. Auch heute müssen wirlernen, hinsichtlich sozialer Entwicklungen vonunserem unmittelbaren Menschenverstand zuabstrahieren. Brunnen bohren kann den Was-serstand senken und das Trinkwasser gefähr-den, Altkleiderexporte und Hilfe kann die Pro-duktivität einer Gesellschaft senken, die Sub-ventionierung der Landwirtschaft in Deutsch-land – zunächst unmittelbar einsichtig – ge-fährdet weltweit Arbeitsplätze etc. Diese kom-plizierten Zusammenhänge zu verstehen, mussgelernt werden. Es ist davon auszugehen, dasseine solche Lernanstrengung nicht motivatio-nal von alleine entsteht. Von daher muss Bil-dung für Nachhaltigkeit der selbstverständlicheBildungsanspruch einer Gesellschaft, unab-hängig von den persönlichen und individuellenInteressen von Schülern, Lehrern, im sozialenBereich Tätigen, Bürgern und Politikern wer-

den.Dieser Bildungsanspruch kann aber – und

das ist bemerkenswert – nur angemessen inpartizipativen Lernprozessen umgesetzt wer-den, will er nicht zu einer leeren Hülse verkom-men. Mathematik lernt man durch rechnen –und ein abstraktes Verständnis der Weltgesell-schaft durch gesellschaftliches Handeln! Miteiner solch „zweiten Kopernikanischen Revolu-tion“ (Annette Scheunpflug) wird deutlich: Bil-dung für Nachhaltigkeit ist Bildungsauftrag undzugleich partizipatives Angebot.

Insofern verknüpfen sich hier typische Lern-merkmale aus dem formalen Bildungswesenmit dem zivilgesellschaftlichen Lernen in Nicht-regierungsorganisationen, Jugendverbändenund anderen Institutionen. Kompetenzen fürNachhaltigkeit werden sich nur in innovativenLernprozessen entwickeln lassen und nur inGesellschaften und Institutionen, die sich sel-ber als „lernende“ definieren.

g) Bildung für Nachhaltigkeit und das Pro-

blem der Überforderung

Ein solches Lernkonzept ist extrem anspruchs-voll, sowohl im Hinblick auf die ethische undkognitive Dimension, als auch im Hinblick aufHandlungskompetenzen. Es birgt das Problempotenzieller Überforderung. Schließlich lebenund arbeiten Menschen nicht im luftleerenRaum, sondern sie erleben in ihrem Alltagsle-ben enorme Sachzwänge – hinsichtlich der Ent-scheidungsspielräume in Firmen, des eigenenfinanziellen Rahmens, der eigenen Suche nachArbeit und so fort. Vor diesem Hintergrundsteht Bildung für Nachhaltigkeit im Spagat, ei-nerseits Ansprüche formulieren zu müssen, umetwas zu erreichen, auf der anderen Seite abergleichzeitig nicht zu überfordern. Die Sichtbar-machung von schon kleinen Erfolgen ist des-halb ebenso unabdingbar wie Barmherzigkeitmit den eigenen Konzepten und Ansprüchen.

Das Engagement für Bildung für Nachhaltig-keit bedarf deshalb dringend staatlicher und zi-vilgesellschaftlicher Unterstützung. Bund undLänder investieren zur Zeit erhebliche Ressour-cen in die konzeptionelle Ausformulierung undErprobung eines solchen Konzepts im Kontextschulischen Lernens. Das BLK-Programm „21 –Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (Laufzeit:1999 – 2004) bietet eine Konkretisierung deshier beschriebenen Bildungskonzeptes. Derzeitwerden Strukturen der Implementierung diesesBildungsbereichs erprobt und stabilisiert.

Interessen und Motive – Was ermöglicht

Menschen Bildung für Nachhaltigkeit?

Um zu wissen, was Menschen Bildung fürNachhaltigkeit didaktisch leichter macht, lohnt

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sich ein Blick auf Grundfragen des Lernens(vgl. zusammenfassend Scheunpflug 2001).Wie bereits ausgeführt, muss Bildung für Nach-haltigkeit vor dem Hintergrund globalen Ler-nens als eine Lernherausforderung begriffenwerden. Soziale Zusammenhänge werden vonMenschen in ihrer angeborenen Vernunft überNahbereichspräferenzen bearbeitet – was wirkennen, das können wir beurteilen, dafür kön-nen wir sorgen, das ist uns ans Herz gewach-sen. Fremde Menschen und gesellschaftlicheZusammenhänge umsorgen wir eher weniger.Zudem sind Menschen aus biologischer Per-spektive individuelle Nutzen-Optimierer. Siehandeln meist aus Eigennutz – und sei er sehrlangfristig oder auf die eigene Familie bezogen.Biologen haben inzwischen sogar empirischsehr gesättigt zeigen können, dass Altruismusim engeren Sinne des Wortes, d.h. ohne jedenEigennutz, kaum existiert.

Aber, und das ist das entscheidende: es gibtdurchaus häufig egoistisches Handeln, dasdem Nutzen aller dient. Es gibt Ärzte, Kranken-schwestern, Politiker, etc. die ihren eigenenEgoismus leben, aber damit dennoch Wohl-fahrt für viele ermöglichen.

Es ist zu erwarten, dass Bildungsanstrengun-gen für Nachhaltigkeit dann eine umso höhereWirksamkeit erreichen, wenn sie unmittelbaram Nutzen für den Einzelnen ansetzen. DieserNutzen kann sich auf unterschiedlichen Ebenenzeigen:■ Durch die Energiesparmaßnahmen am

Haus, in der Schule oder anderen Einrich-tungen kann Geld gespart werden, dass fürandere Projekte dann zur Verfügung steht(Fifty-Fifty).

■ Bildung für nachhaltige Entwicklung kannFreude und Spaß machen und sinnstiftendfür das eigene Leben wirken.

■ Bildung für Nachhaltigkeit kann zu Qualifi-kationen führen, die Menschen als ‚Kom-plexitätsmanager’ ausweisen oder interkul-turelle Kompetenz deutlich machen.

■ Bildung für Nachhaltigkeit kann zu interes-santen Erlebnissen führen.

■ Bildung für Nachhaltigkeit kann soziale An-erkennung bringen. Dann ist es nötig, ent-sprechendes Engagement sichtbar zu ma-chen und zu würdigen.

Was kann dies konkret für Aktivitäten an derBasis, also auch konkret im Kontext des E&C-Prozesses bedeuten?

Anregungen für eine nachhaltige

Bildungsagenda

a) Rahmenüberlegungen

Zunächst lohnt es, zu überlegen, in welchemRahmen und auf welcher Basis nachhaltigeLernprozesse ermöglicht werden können. Dazuein paar Vorschläge – ohne Anspruch auf Voll-ständigkeit (in Anlehnung an einen Vortrag vonReißmann/Scheunpflug 2002):■ Regeln von Gruppen und Institutionen auf

Nachhaltigkeit ausrichten: Innerhalb sozia-ler Gruppen und Institutionen ist es mög-lich, Regeln aufzustellen und daran anknüp-fende gemeinsame Normen festzulegen.Viele Schulen z.B. verfügen über Verhal-tensregeln, viele Institutionen über ein Leit-bild. Es ist hilfreich, diese Regeln auf dasLeitbild der Nachhaltigkeit zu orientieren.Wichtig ist die Erfahrung, dass sich Zusam-menleben auch nach Kriterien der Nachhal-tigkeit organisieren lässt.

■ Ermöglichung komplexer Wissens- und

Verstehenshorizonte: Es ist bekannt, dassmehr Wissen nicht unbedingt zu einer Ver-haltensänderung führen muss. Gleichwohlist davon auszugehen, dass besseres Ver-ständnis von Zusammenhängen der Bereit-schaft förderlich ist, gesellschaftliche Auf-gaben eher wahrzunehmen – z.B. politischeVereinbarungen und Maßnahmen zur Nach-haltigkeit mitzutragen. Wichtige Aspektedieses Wissens und Verstehens sind Einü-bung in „vernetztes und antizipatorischesDenken“, Kennen lernen von Perspektiven-wechseln, Einübung in selbstreflexives Han-deln sowie anwendungsorientierte Verbin-dung abstrakter Sachverhalte mit prakti-schen Problemen.

■ Praxisbeispiele und Modelle als konkrete

Handlungsperspektiven: Bedeutsam ist,dass Menschen immer wieder und in mög-lichst allen gesellschaftlichen Bereichen dieErfahrung machen können, dass es über-zeugende oder zumindest interessante Bei-spiele für zukunftsfähige oder nachhaltigeInnovationen oder Problemlösungen gibt –dazu zählen z.B. neue Technologien, neueProduktions- und Lebensformen.

■ Individuelle Möglichkeiten der Mitgestal-

tung: Im Rahmen der hier beschriebenenBildung für Nachhaltigkeit und ihrerpädagogischen Konsequenzen ist die Ent-wicklung vielfältiger Aufgaben und Ange-bote hilfreich, die unterschiedliche, indivi-duelle, vielfältige Fähigkeiten und Interes-sen ansprechen und auch durch diesesCharakteristikum mit dem Konzept vonNachhaltigkeit in Verbindung gebracht wer-

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den können. Der Phantasie sind keine Gren-zen gesetzt. Dabei wird von einem selbst-ständigen und selbstverantworteten Lernenausgegangen, z.B.:1. der „Computerfreak“ schart Gleichgesin-nte um sich und gemeinsam werden sie zu‚Energiemanagern’ der Schule oder deraußerschulischen Einrichtung, 2. der eher künstlerisch interessierte Schü-ler initiiert – zusammen mit seinem Mode-ratoren-Kollektiv – das „Radio Nachhaltig-keit“, das einmal im Monat auf Sendunggeht und Berichte über Aktivitäten im Be-reich nachhaltiger Entwicklung in Schuleund Stadtteil bringt, 3. die eher ökonomisch orientierte Schüle-rin wird die Sprecherin des „Eine Welt La-dens“ und organisiert – zusammen miteiner AG – die „Schülerfirma Weltladen“.

■ Nachhaltigkeit als Alltagskonzept: Nach-haltigkeit ist eigentlich etwas Alltägliches.Als solches muss es wahrscheinlich stetsneu kommuniziert werden. Denn in der All-täglichkeit liegt gleichzeitig die Innovation:Nachhaltigkeit fordert täglich zu neuenIdeen heraus – ganz selbstverständlich, all-täglich eben. Hierin liegt die Chance ver-schiedener Bildungseinrichtungen und diebesondere Möglichkeit der Kooperationschulischer und außerschulischer Einrich-tungen. Hierzu kann auch gehören, dass er-innernde Sonderaktionen (auch mit Preisenund Auszeichnungen) durchgeführt werdenoder an die Alltagsrituale stets erinnertwird.

■ Kooperation und Netzwerkbildung: Nebender konkreten Arbeit in Schulen ist die engeZusammenarbeit aller denkbaren Träger imBildungs- und Sozialbereich notwendig, umgemeinsame Strategien zu verfolgen undvernetzte Aktivitäten zu ermöglichen. Hierkönnen verschiedene Aspekte eine Rollespielen, die in Zusammenarbeit von Schuleund außerschulischen Einrichtungen durch-geführt werden – z.B. Auseinandersetzungmit neuen Medien, Erkundungen im Stadt-teil und Organisation von Führungen für dieBewohner/innen des Stadtteils. Die ver-schiedenen Programme sollten idealer-weise in eine Netzwerkstruktur eingebettetsein, um sich über die eigenen Grenzen hin-aus profilieren zu können. Ein spezifischesnachhaltiges Schulprofil (z.B. Umwelt-schule, Agenda-Schule, Eine-Welt-Schule)oder Profil einer außerschulischen Bil-dungsinitiative eröffnet noch mehr Poten-tial, wenn dies in lokale, regionale, natio-nale und/oder internationale Partnerschaf-ten und Netzwerke eingebunden ist.

■ Offensive Öffentlichkeitsarbeit: Darüber

hinaus ist eine breite Öffentlichkeitsarbeitwünschenswert, die durch die Kommunika-tion des Nachhaltigkeitskonzeptes über denTellerrand der konkreten Institution hinausvielfältige Lernmöglichkeiten schafft (z.B.Stadtteilzeitung, Stadtteilradio, Homepa-ges).

■ Auseinandersetzung mit und Infragestel-

lung von Rahmenbedingungen: Das Kon-zept der Nachhaltigkeit fordert ausdrücklichzur Partizipation auf. Dazu kann z.B.gehören, sich aktiv an politischen Gestal-tungsprozessen zu beteiligen, die Nachhal-tigkeit beeinflussen – im Rahmen vonSchule oder außerschulischen Bildungsein-richtungen (z.B. Kinder- und Jugendparla-ment). Darüber hinaus ist die Teilhabe anGestaltungsprozessen in kommunalen Ent-scheidungsgremien denkbar. Auch ist vor-stellbar, nationale und internationale Steue-rungsinstrumente zur Debatte zu stellen(z.B. Ökosteuer, Tobin-Steuer), diese kritischzu reflektieren und in einem kleinen Maß-stab zu erproben.

Um diese Ideen im Sinne des hier vertretenenNachhaltigkeitskonzeptes nutzen zu können,sind Kriterien hilfreich, an denen Lernoffertenim Sinne von „Bildung für Nachhaltigkeit“ ge-messen werden können. Abschließend werdendaher vier Qualitätskriterien vorgeschlagen, diezur Bewertung von Maßnahmen im Kontexteiner Bildung für Nachhaltigkeit auf der Grund-lage Globalen Lernens fungieren können.

b) Qualitätskriterien

Wie oben bereits ausgeführt: Nicht alles istnachhaltig, was als solches bezeichnet wird.Daher möchte ich vier Qualitätskriterien nen-nen, an denen die Nachhaltigkeit einer Bil-dungsmaßnahme gemessen werden kann:1. Lebensmöglichkeiten von Menschen im

Mittelpunkt:

Bildung für Nachhaltigkeit stellt die Optionfür die Lebensmöglichkeiten von Menschenin den Vordergrund. Dabei müssen die Le-bensmöglichkeiten der jeweils anderenMenschen in räumlicher und zeitlicher Di-mension stets mitgedacht werden.

2. Umgang mit Abstraktheit und Komplexität:

Die Lernprojekte sollen einen Beitrag leistenzur Einübung in komplexes – und damit ab-straktes – soziales Denken. Da Menschenals Nahbereichswesen verstanden werdenkönnen, werden viele Bildungsvorhabendieses vermutlich auf konkreten Wegen tun– in konkreter Solidaritätsarbeit oder in kon-kreter Begegnungsarbeit. Diese Projektewerden aber ihrem Bildungsauftrag nicht

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ganz gerecht, wenn sie die gemachte Erfah-rung nicht zumindest von Zeit zu Zeit ineine abstrakte Dimension überführen oderdiskutieren.

3. Nachhaltiger Nutzen des Engagements und

Spaß am Tun:

Bildung für Nachhaltigkeit sollte den Nutzender Arbeit jeweils deutlich machen. Nutzenkann ein Engagement in vielfältigen Per-spektiven haben – es sollte aber immerdaran gedacht werden, dass der individu-elle Nutzen auch sichtbar gemacht wird –und genossen werden darf.

4. Umgang mit Ungewissheit:

Globales Lernen ist in seinen individuellenund gesellschaftlichen Folgen immer unge-wiss. Es kann alles ganz anders kommen alsman denkt – und das muss mitgedacht wer-den. Das Wissen um die Ungewissheit istzwar schwierig auszuhalten, baut abergroßer emotionaler Enttäuschung undwachsendem Fundamentalismus vor.

Nachhaltigkeit in sachlicher, räumlicher, zeitli-cher und sozialer Dimension ist eine Heraus-forderung für das menschliche Lernen und dasBildungswesen!

Zum Abschluss möchte ich einen weiterenKurztext einer Schülerin präsentieren, die sichin einer Schreibwerkstatt mit „Nachhaltigkeit“beschäftigt hat.

Glashaus

Jutta Schitke, 17 Jahre, Borna

„Manchmal kommt es mir vor, als würden wirin einem Glashaus sitzen – jedoch mit verspie-gelten Innenwänden, so dass uns alles klar unddurchsichtig erscheint – mit uns als einzig wah-rer Realität.Wir leben in unserer eigenen Welt, abgekapseltvon der Wirklichkeit, ein Leben in unseren Vorstellungen, ohne auchnur einen Blick nach rechts oder links zuwagen.Können wir überhaupt noch zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden? In dieser Schutz-atmosphäre verschließen wir die Augen.Diese sterile Umgebung ist frei von sozialenProblemen wie Armut, Obdachlosigkeit, Behin-derung, Gewalt, Konfrontation mit Andersden-kenden, anderen Kulturen, Religionen, Lebens-auffassungen.Dafür haben wir ein bequemes, komfortablesLeben.Nun sollte dann niemand den Fehler machen,dieses Haus zu verlassen, denn dann müsste ererkennen, wie schnell das Glas zerspringenkann und wie scharf diese Scherben sind.“ (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2002, S. 11)

Literatur

Bericht der Bundesregierung zur Bildung für einenachhaltige Entwicklung. Bonn 2001; veröffentlichtunter: ftp://ftp.bmbf.de/011212bfne_bericht_kabinett-fassung.pdf, 25.4.2002.

BUND/Misereor (Hg.): Zukunftsfähiges Deutschland.Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung.Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt undEnergie. Basel/Boston/Berlin: Birkhäuser 1996.

De Haan, Gerhard: Die Kernthemen der Bildung fürnachhaltige Entwicklung. In: Zeitschrift für Internatio-nale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik(ZEP) 25(2002)1, S. 13-20.

Lang-Wojtasik, Gregor/Lohrenscheit, Claudia: Entwick-lungspädagogik – Globales Lernen – InternationaleBildungsforschung. 25 Jahre ZEP. Frankfurt/M.: IKO2003 (im Erscheinen).

Rat für nachhaltige Entwicklung (Hg.): Jugend schreibtZukunft. Gedanken und Bilder zur Nachhaltigkeit.München: ökom 2002.

Reißmann, Jens/Scheunpflug, Annette: HamburgerKongress 10 Jahre nach Rio. Bildung für eine nachhal-tige Entwicklung 10 Jahre nach Rio: Eine Bildungs-agenda für Hamburg. Unveröffentlichtes Manuskript.Hamburg 2002.

Rost, Jürgen: Umweltbildung – Bildung für eine nach-haltige Entwicklung. Was macht den Unterschied? In:Zeitschrift für Internationale Bildungsforschung undEntwicklungspädagogik (ZEP) 25(2002)1, S. 7-12.

Scheunpflug, Annette: Biologische Grundlagen desLernens. Berlin: Cornelsen Scriptor 2001.

Scheunpflug, Annette: Die Entwicklung zur Weltgesell-schaft als Herausforderung für das menschlicheLernen, In: Zeitschrift für Internationale Bildungsfor-schung und Entwicklungspädagogik 19(1996)1, S.9-14.

Scheunpflug, Annette: ‚Zukunftsfähiges Deutschland’ –eine verpaßte Lernchance? Anmerkungen aus evoluti-onstheoretischer Sicht. In: Noormann, Harry/Lang-Wojtasik, Gregor (Hg.): Die Eine Welt der vielen Wirk-lichkeiten. Pädagogische Orientierungen. Festschrift fürAsit Datta. Frankfurt/M.: IKO 1997, S. 187-198.

Scheunpflug, Annette/Hirsch, Klaus (Hg.): Globalisie-rung als Herausforderung für die Pädagogik. Frank-furt/M.: IKO 2000.

Scheunpflug, Annette/Schröck, Nikolaus: GlobalesLernen. Einführung in eine pädagogische Konzeptionzur entwicklungsbezogenen Bildung. Stuttgart 2000.

Seitz, Klaus: Bildung in der Weltgesellschaft. Gesell-schaftstheoretische Grundlagen Globalen Lernens.Frankfurt/M.: Brandes & Apsel 2002.

ZEP – Zeitschrift für Internationale Bildungsforschungund Entwicklungspädagogik 25(2002)1 – Schwerpunkt‚Rio + 10. 10 Jahre nach dem Weltgipfel’.

ZEP 25(2002)3 – Schwerpunkt ‚Jugend und Globalisie-rung’.

Dr. phil Gregor Lang-Wojtasik, geb. 1968 inWitten, Grund- und Hauptschullehrer, Wissen-schaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Allge-meine Pädagogik der Erziehungswissenschaft-lichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürn-

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berg, Veröffentlichungen u.a.: „Konstrukte oderRealität? – Perspektiven Interkultureller Bil-dung“ (Hg., zus. mit Hartmut Griese, 1996),„Die Eine Welt der vielen Wirklichkeiten.Pädagogische Orientierungen“ (Hg., zus. mitHarry Noormann, 1997), „Bildung zu Self-Reli-ance. Reformpädagogische Ansätze aus demSüden. Hannover (Hg., zus. mit Asit Datta,1998), „Bildung für alle! Bildung für alle? ZurTheorie non-formaler Primarbildung am Bei-spiel Bangladesh und Indien“ (2001), „Bildungzur Eigenständigkeit. Vergessene reform-pädagogische Ansätze aus vier Kontinenten“(Hg., zus. mit Asit Datta, 2002), „Entwicklungs-pädagogik – Globales Lernen – InternationaleBildungsforschung. 25 Jahre ZEP“ (Hg., zus.mit Claudia Lohrenscheit, 2003, im Erscheinen).

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Matthias Bartscher, Kinderbüro Stadt Hamm

Partizipation von Kindern

und Jugendlichen – Ein

Beitrag zur Nachhaltigkeit!?

Der Vortrag am Vormittag hat deutlich ge-macht, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ fach-liche Implikationen hat, die ihn von dem allge-meinen Sprachgebrauch dieses Wortes unter-scheiden. Auf dem Hintergrund der Agenda 21geht es um die Berücksichtigung globaler Zu-sammenhänge, um Generationengerechtigkeitund das Zusammenspiel wirtschaftlicher, so-zialer und ökologischer Faktoren zu einer sozialgerechten und ökologischen Entwicklung.„Nachhaltigkeit“ kennzeichnet Entwicklungen,die diese Aspekte berücksichtigen.

Die Partizipation von Kindern und Jugendli-chen nimmt in der Agenda 21 eine herausra-gende Stellung ein, wie die Abschlussreferen-tin ausführlich deutlich machen wird. IhreThese ist, dass eine Partizipation von Kindernund Jugendlichen im Sinne der Agenda überdie heutigen Standards der Beteiligung hin-ausgeht. Während die durch KJHG und UN-Kinderrechtskonvention fundierte Beteiligungvon Kindern und Jugendlichen immer nochsehr starke pädagogische Implikationen hat,weil Erwachsene definieren, welche InhalteKinder und Jugendliche betreffen und wie Al-tersunterschiede angemessen berücksichtigtwerden, zielt die Agenda 21 auf eine umfas-sende politische Beteiligung aller Kinder undJugendlichen im Hinblick auf alle Zukunftsfra-gen ab, weil nur sie stellvertretend für diezukünftigen Generationen Entscheidungen mitgroßer Reichweite verantworten können.

In diesem Horizont bewegt sich mein Vor-trag. der versucht, auf der theoretischen EbeneAntwort auf die Frage zu geben, ob und wie diePartizipation von Kindern und Jugendlichen einBeitrag zur Nachhaltigkeit ist, und auf der prak-tischen Ebene Erfahrungen zu skizzieren, dieAnsatzpunkte für Nachhaltigkeit bieten.Fragestellung

Vor diesem Hintergrund leiten zwei Fragestel-lungen meinen Vortrag:1. Wie kommen wir zu einer Nachhaltigkeit

der „Partizipation von Kindern und Jugend-lichen“? Denn bis heute gibt es kaum ge-sellschaftlich durchgreifende und dauer-hafte Ansätze der Beteiligung von Kindernund Jugendlichen. Vielmehr sind die mei-sten praktischen Beispiele temporär, sindals Modellprojekte zeitlich befristet, hängenvon der politischen Modernität oder vomEngagement konkreter Personen ab.

2. Welche Ansatzpunkte für Nachhaltigkeit imSinne des Eröffnungsvortrages lassen sich

bei der „Partizipation von Kindern und Ju-gendlichen in benachteiligten Stadtteilen“entdecken? Mein besonderes Interesse galtin den letzten Jahren der Verbesserung derBeteiligung von Kindern und Jugendlichenin benachteiligten Stadtteilen; durch meineArbeit als Stadtteilkoordinator1 in einemE&C-Gebiet in Verbindung mit meiner Rolleals Kinderbeauftragter richtete sich meinAugenmerk auf die Beteiligung von Kindernund Jugendlichen, die sich nicht automa-tisch daraus ergab, dass über der HammerStadtteilarbeit die Überschrift „sozial- undbewohnerorientiert“ stand. Der Vortrag bie-tet einen willkommenen Anlass, in den Er-fahrungen nach „Nachhaltigkeits-Spuren“zu suchen.

Vorbemerkungen

■ Partizipation von Kindern und Jugendlichenist überwiegend eine temporäre Angele-genheit. Es gibt weder einen hinreichendkonkreten Rechtsrahmen2 noch dauerhafttragfähige Strukturen bei Trägern und inKommunen (vgl. DJI 1999, Bartscher 1998).

■ Selbst Ansätze mit dem Anspruch derNachhaltigkeit unterliegen den gleichenRahmenbedingungen und sind damit nichtnachhaltig. In Hamm gab es eine intensivePhase der Auseinandersetzung mit derAgenda 21; gerade der Kinder- und Jugend-bereich, organisiert in einer speziellen Un-tergruppe des Arbeitskreises Agenda 21,legte den Schwerpunkt auf die Umsetzungder Partizipationsforderungen. Auf demHöhepunkt der Entwicklung trafen sich 150Fachkräfte zu einer Fachtagung und disku-tierten über Konsequenzen, wie die Partizi-pation von Kindern und Jugendlichen zuverbessern sei. Zwei Jahre später ist dasThema von der Tagesordnung verschwun-den, von der Qualitätsdebatte in den Kin-dertageseinrichtungen und der Jugendar-beit und dem Pisa-Drama in den Schulenverdrängt. Auffällig ist, dass über Qualitätund Schulentwicklung nun wieder ohneEinbeziehung der Betroffenen geredet wird.

■ Diese Phänomene beziehen sich nicht nurauf die Partizipation von Kindern und Ju-gendlichen, sondern auf die Demokratisie-rungsphänomene insgesamt.

Grundsätzliches

Ich baue hier auf Überlegungen auf, die ich ananderer Stelle (Bartscher 1998, 2000, 2001) aus-führlich veröffentlicht habe und hier nur the-senartig zusammenfasse:1. Grundsätzlich gibt es in der politischen Par-

tizipation zwei Perspektiven: einerseits dieindividuelle, subjektive Perspektive von Ein-zelnen oder Gruppen, andererseits diestaatliche Perspektive, in der Entschei-

1) bundesweit hatsich eher der Be-griff des Quartiers-managers durchge-setzt.

2) Hier ist sicher zuunterscheidenzwischen der ge-nerellen Kinder-rechtssituation, dienicht mehr so be-klagenswert istwie vor 15, 20oder 30 Jahren,und konkretenAusführungsbe-stimmungen fürdie Umsetzungdes generellenRechtsanspruchsauf Beteiligung vonKindern und Ju-gendlichen (vgl.Bartscher/Kriener2001)

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dungsträger gesetzliche Beteiligungsräumeorganisieren oder neue Beteiligungsräumeschaffen. Diese Perspektiven stehen einan-der oft unvermittelt, manchmal auch unver-mittelbar gegenüber.

2. Ein vernachlässigtes Thema ist das der po-litischen Verantwortung in der politischenPartizipation. Während über die Verantwor-tung des Staates und von Politikern gernund oft geredet wird, mehr Handlungsspiel-räume zu eröffnen, Beteiligung ernst zunehmen und Ressourcen für Partizipationzu schaffen, steht der Aspekt der individuel-len Verantwortung jedes Mitgliedes einerpolitischen Gemeinschaft – dass ein Ge-meinwesen nur funktionieren kann, wennsich politisch Handelnde nicht nur auf dieDurchsetzung egoistischer Interessen be-schränken, sondern Gemeinwohlaspekte re-spektieren und mitbedenken – meist weni-ger im Vordergrund der Diskussion.

3. Demokratie funktioniert heute leider nichtmehr idealerweise so, dass diejenigen, diepolitische Entscheidungen treffen, von denFolgen der Entscheidung betroffen sind,während die jeweils Betroffenen praktischkeinen Einfluss auf die Entscheidungenhaben (vgl. hierzu auch Meyer 1994: 29ff.).Aufgrund des Repräsentationsprinzips un-serer parlamentarischen Demokratie sindEntscheidungsmacht und Betroffenheitvoneinander abgekoppelt, so dass in denmeisten politischen Entscheidungen dieje-nigen, die die Auswirkungen spüren, kaumeine Möglichkeit haben, unmittelbar Ein-fluss zu nehmen und die Entscheidung zuihren Gunsten zu gestalten. Mit repräsenta-tiven Beteiligungsformen in der Kinderpoli-tik wird diese ungünstige Politikstruktur re-produziert und fortgeschrieben. Das gleichegilt für Anhörungen und Sprechstunden,bei denen die Kinder und Jugendlichennichts mehr mit der Bearbeitung und Um-setzung ihrer Anliegen zu tun haben. AlsKonsequenz ergibt sich hieraus, dass einePolitik mit Kindern sich nicht ausschließlichauf repräsentative Verfahren und Aktionender Meinungsäußerung beschränken sollte.

Wenn auf dem Hintergrund dieser Überlegun-gen das Ziel ist, eine Nachhaltigkeit der Beteili-gung von Kindern und Jugendlichen zu errei-chen, ergeben sich folgende Aspekte für einepolitische Partizipation, die man analog zu dervorherigen Differenzierung unterscheiden kannin Anforderungen an politische Individuen undAnforderungen an die staatliche Gestaltungvon Beteiligung:

A: Anforderungen auf der individuellen Ebene:

■ Entwicklung der Haltungen, des Wissens

über und der strategischen Fähigkeiten fürBeteiligungsmöglichkeiten: Auch wenn aufSeiten der staatlichen Institutionen bezogenauf die Beteiligung von Bürgerinnen undBürgern Manches im Argen liegt, so sollteman nicht verleugnen, dass es auch bei denpolitischen Individuen subjektiv zu verant-wortende Defizite gibt. Egoistische Haltun-gen („nur mein Anliegen zählt“), das ver-breitete St.-Floriansprinzip („Zünd´s Hausdes Nachbarn an“), Ignoranz und Arroganzin Unkenntnis realer politischer Bedingun-gen sind weit verbreitet und verhindern ge-lungene politische Prozesse. Darüber hin-aus führen mangelnde strategische Fähig-keiten dazu, dass politisches Engagementoft auch bei bestem Wollen und guten Ab-sichten erfolglos bleibt. Auch wenn Ansätzezur politischen Bildung heute auf weiterFront fehlen und auch nicht am Horizont er-kennbar sind, so sind sie doch für eine dau-erhafte politische Belebung unumgänglich.

■ Dauerhafte Bereitschaft zu gemeinweseno-

rientiertem Engagement: Zu dem vorherGesagten gehört auch, dass sich eine posi-tive Veränderung in Richtung mehr Demo-kratie nur einstellen kann, wenn mehr Men-schen als bisher bereit sind, sich für das je-weilige Gemeinwesen zu engagieren – egalob in der Schule, im Verein oder in kommu-nalen Institutionen.

■ Erlebbare Vorbilder politischen Engage-

ments für Kinder und Jugendliche in der

Lebenswelt sind als Voraussetzung zu einerpolitischen Motivierung von Kindern undunabdingbar notwendig. Wenn es richtigist, dass das Vorbild von Menschen in derFamilie und im sozialen Nahbereich eineder stärksten Prägungskräfte ist (und zwarunabhängig von ihren verbalen Bekundun-gen und Belehrungen), dann gilt dies auchfür die politische Sozialisation. Dies betrifftnicht nur Eltern und Familienangehörige,sondern auch Lehrer/innen,Sozialarbeiter/innen und Erzieher/innen.Unter ihnen ist bei der Partizipation vonKindern und Jugendlichen die Gefahr be-sonders groß, politisches Engagement vonKindern einzufordern, ohne eine politischeExistenz vorzuleben.

B: Auf der staatlich-institutionellen Seite

■ Eine nachhaltige Verbesserung der politi-schen Partizipation von nennenswertenGruppen der Bevölkerung wird nur durcheine Verstärkung der partizipativen Aus-

richtung des politischen Systems zu errei-chen sein. Das betrifft sowohl die Entschei-dungen auf Bundes- und Landesebene, ob-wohl hier aufgrund des gegenläufigen

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Trends der Globalisierung und Internationa-lisierung wenig Hoffnung auf kurzfristigeBesserung besteht, als auch den kommuna-len Raum und insbesondere den derpädagogischen Institutionen. Verstärktepartizipative Strukturen sind hier in vielfa-cher Weise denkbar und möglich. Aller-dings kann dieser Weg nur erfolgreich sein,wenn nicht nur die Seite der individuellenBeteiligungsrechte verbessert wird, son-dern durch die entsprechenden Strukturenauch die Notwendigkeit zu einer verstärktenÜbernahme von Verantwortung für Ge-meinwesenbelange berücksichtigt wird.

■ Dauerhafte Schaffung und Verbesserung

von Beteiligungsrechten: Dies betrifft eben-falls vor allem den kommunalen Raum. Dieentsprechenden kommunalen Satzungenund Beschlüsse bilden die Basis der ver-stärkten partizipativen Ausrichtung.

■ Verbesserung der Mitarbeiter/innenkom-

petenzen und der Mitarbeiter/innenmoti-

vation (auch und gerade bei pädagogischenFachkräften): Ein zentraler Faktor für den Er-folg von Kinder- und Jugendbeteiligung,aber auch der Bürgerbeteiligung ist dieQualifizierung der durchführenden Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter. Ob politischeKonflikte erfolgreich moderiert werden, obEntscheidungsabläufe zur Zufriedenheitmöglichst vieler laufen, ob Beteiligungsvor-aussetzungen (aufgrund von Alter, Sozial-schicht oder sprachlicher Einschränkungen)berücksichtigt werden, hängt auch von derFähigkeit der jeweiligen Mitarbeiter ab, Par-tizipationsprozesse erfolgreich zu moderie-ren.

Ob diese Voraussetzungen irgendwann einmalerfüllt sein werden und ob wir dem Ideal einerdemokratischen Gesellschaft einmal näherkommen, bleibt mehr als fraglich. Doch bildensie Hürden, ohne deren Überwindung dieAgenda 21 nicht umgesetzt werden wird.

Erfahrungen und Entwicklungen in

Hamm – Nachhaltigkeit als dauer-

hafte Absicherung von Rahmenbe-

dingungen und Strukturen

Im folgenden möchte ich thesenartig auf einigeErfahrungen und Ergebnisse der Arbeit inHamm eingehen:

Stadtteilarbeit als Rahmen

Partizipation macht insbesondere in benachtei-ligten Stadtteilen wenig Sinn, wenn sie als iso-lierte oder einmalige Strategie realisiert wird.Weder bringen die Bewohner/innen unmittel-

bare Bereitschaft und Fähigkeiten mit, noch be-stehen aktuelle Umsetzungschancen für diegeäußerten Interessen und Bedürfnisse. Zu-dem besteht die Gefahr, dass aufgrund dermeist hohen Konfliktträchtigkeit die Ergebnisseder einen Gruppe (z.B. ein erneuerter Spiel-platz) von einer konkurrierenden Gruppe wie-der zerstört werden. Heute gilt es als Standard,dass in „Stadtgebieten mit besonderem Ent-wicklungsbedarf“ nur integrierte Strategienhilfreich sind, in denen Institutionen verschie-dener Handlungsfelder, Ämter und Träger ko-operativ zusammenarbeiten. Die Entwicklungstadtteilorientierter Arbeitsstrukturen bildetsomit eine unverzichtbare Vorbedingung füreine erfolgreiche Partizipation von Kindern undJugendlichen (vgl. Stadt Hamm 2002a und b,Bartscher 2001).

Beispiel für die langfristigen Wirkungen vonPartizipationsprojekten, die durch die Stadtteil-arbeit ermöglicht wurden, sind zum Beispieldie Auswirkungen der Streifzüge mit Kindernund Jugendlichen, die im Hammer Norden1993 und 1994 bei der Erarbeitung des städte-baulichen Rahmenplans durchgeführt wurden.Der Rahmenplan griff eine Reihe von Themenaus den Streifzügen auf; ihre Umsetzung er-folgte aber dann vor allem durch die langfri-stige beharrliche Arbeit engagierter Akteure ineinem Klima guter fachbereichsübergreifenderArbeit. So wurden Bebauungspläne, die imSiedlungsrandgebiet Hochhausbebauung vor-sahen, geändert, um Brachflächen zu schützen,die einen hohen informellen Spielwert hatten.Eine Wohnungsbaugesellschaft griff – nachmehrfachen neuen Initiativen des Stadtteil-büros – das Thema „Wohnungsnahes Spielen“auf und sanierte das Wohnumfeld umfassendunter dem Primat der Bespielbarkeit. Gefähr-dungspunkte im Verkehr wurden durch denBau von Querungshilfen beseitigt, und seit2001 wird an der Umgestaltung von drei inner-städtischen Plätzen mit dem Ziel der spieleri-schen Aufwertung gearbeitet.

Nachhaltigkeit der Rahmenbedingungen:

Das Beispiel der Stadtteiljugendhilfe

Ein zentrales Problem von modellgeförderterStadtteilarbeit ist die Tatsache, dass die Finan-zierungen befristet sind. Ziel des Programms„Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbe-darf“ in NRW ist es, kommunale Verantwor-tung für die Übernahme der unter der Modell-förderung entwickelten Arbeitsansätze heraus-zufordern. Dies ist oftmals schwierig, weil diefinanziellen kommunalen Rahmenbedingungendies selten zulassen.

Im Hammer Norden war seit Ende der neun-ziger Jahre klar, dass die Förderung durch Land

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und Bund in absehbarer Zeit auslaufen würde.Die Signale der kommunalen Entscheidungs-träger deuteten an, dass eine Weiterförderungim gleichen Umfang kaum realisierbar seinwürde, dass aber die Arbeit getragen wurdeund im Kern weitergeführt werden sollte. Sobegann ein spannender Arbeits- und Aushand-lungsprozess der beteiligten Träger und derkommunal Verantwortlichen, in dem es gelang,zielorientiert und kooperativ Lösungen für eineWeiterführung der Projekte zu entwickeln.Während der Prozess für das Stadtteilbüro unddie Spiel- und Lernhilfe eine Reduzierung derLeistungen und Angebote im Umfang bedeu-tete, ohne die Konzeption und Trägerschaft zuändern, wurde im Bereich der Jugendarbeit, indem zuvor vier verschiedene Träger mit einemhohen Koordinationsaufwand tätig waren, dasKonzept und die Trägerstruktur völlig überar-beitet, um unter dem Ziel der Effektivität undder Erhaltung eines bewährten Kernangeboteseine Weiterarbeit zu gewährleisten.

Im Ergebnis wurde eine Fördersituation ent-wickelt, in der die Kommune im Umfang von

ca. 65% des bisherigen Umfangs die sozialenProjekte auf Dauer finanziert (Stadt Hamm2002c). Mit den Trägern wurde ein Erpro-bungszeitraum von drei Jahren für die neuenStrukturen vereinbart mit der Option, dass dieVerträge anschließend auf Dauer abgeschlos-sen werden. Hierbei ist davon auszugehen,dass die realen Einschränkungen nicht bei 35%liegen, sondern erheblich geringer ausfallen.Auf der einen Seite wird durch stabile Förder-bedingungen eine größere Stabilität für dieMitarbeiter/innen geschaffen (die Personalfluk-tuation war zuvor aufgrund der kurzen Stellen-befristungen erheblich), auf der anderen Seiteist für die Zeit vorher ein Experimentier- undKonzeptionsentwicklungsaufwand einzurech-nen, der mit der Festschreibung der Konzep-tion aufgrund der gemachten Erfahrungen sonicht mehr anfällt.

Die Nachhaltigkeit von Stadtteilarbeit: Strate-

gische Erweiterung des Kommunalreform-

prozesses

Eine weitere Ebene von Nachhaltigkeit kenn-zeichnet die Frage, welche Spuren Modellför-derungen wie die oben genannten sonst ineiner Kommmune hinterlassen. Bleiben die An-sätze der Stadtteilarbeit beschränkt auf Stadt-teile, die die Modellförderung erhalten, odertransferieren Kommunen diese Erfahrungenauch innerhalb ihres Verantwortungsbereichs?

In Hamm werden zur Zeit Überlegungen an-gestellt, was aus den Erfahrungen der Stadt-teilarbeit im Hammer Norden und Westen fürdie gesamte Kommunalentwicklung gelerntwerden kann. Es werden strategische Überle-gungen angestellt, die in ihrer Gesamtausrich-tung als eine Erweiterung des Kommunalrefor-mprozesses um die Berücksichtung des sozia-len Raums betrachtet werden können. Wennman die verschiedenen Ebenen von Stadtteil-arbeit betrachtet, so gibt es acht Bausteine, dieauf die Arbeit in anderen Stadtteilen transfe-riert werden können (vgl. Schaubild 1).

Die Umsetzung dieses Transfers kann aufverschiedenen Ebenen geschehen: durch eineWeiterentwicklung der kommunalen Organisa-tionsstrukturen, durch einen intensiven Perso-nalentwicklungsprozess und durch die fachlich-konzeptionelle Anpassung der maßgeblichenFachstandards (vgl. hierzu ausführlicher Bart-scher 2001).Annäherung aus der Arbeit in Hamm – Ansatz-

punkte für eine Nachhaltigkeit im Sinne der

Agenda 21

Deutlich wird in dieser Tagung, dass die zuvoraufgeführten Aspekte der Nachhaltigkeit nichtden strengen Kriterien der Agenda 21 entspre-chen, da es bisher eher um Nachhaltigkeit imSinne von Langlebigkeit oder Dauerhaftigkeitging. Zentrale Kriterien für Nachhaltigkeit imSinne der Agenda 21 sind, wenn ich es rechtverstanden habe, die Verknüpfung sozialer,wirtschaftlicher und ökologischer Aspekte mit

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Stadtteilarbeit als

strategische Ausrichtung

der wichtigen

k l

Baustein B

Ressort-übergreifender

Ansatz

Baustein G

UnabhängigeStadtteil-Gremien

Baustein EstärkereBürger-

Bete iligungund

Aktivierung

Baustein EstärkereBürger-

Bete iligungund

Aktivierung

Baustein D

Fachlich-konzeptionelleAnpassungen

Baustein C

Organisations-und Personal-entwicklung

Schaubild 1: Bausteine der Stadtteilarbeit

Baustein A

Verortung derSozialenDienste

Baustein H

Stadtteil-Marketing

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der globalen Perspektive, wie sie sich in derDevise „Global denken – lokal handeln“ aus-drückt.

Auch in Hamm gab es vielfache Aktivitätenzur Agenda 21, entsprechende Foren und Ar-beitskreise und eine Vielzahl konkreter Aktivitä-ten. Ich habe selbst den Arbeitskreis „Kinderund Jugendliche“ geleitet, der in den Jahren1998-2000 eine Reihe von Aktivitäten zur Im-plementierung der Ideen der Agenda in Schu-len, Tageseinrichtung und Jugendarbeit zumZiel hatte, zum Teil mit dauerhaftem Erfolg. Al-lerdings gingen die meisten Aktiven nach die-ser Phase zu den nächsten Themen der aktuel-len gesellschaftlichen Tagesordnung über.

Spannender ist aber in diesem Kontext dieFrage, wie es sich in der Arbeit in den benach-teiligten Stadtgebieten verhält. Nach meinerErfahrung war der Agenda-Prozess fast aus-schließlich mittelschichtsorientiert und vonMenschen getragen, die der „bildungsge-wohnten“ Bevölkerungsschicht zuzuordnensind. Doch gerade in den benachteiligten Stadt-gebieten, deren glückliche in den letzten Jah-ren im Rahmen des Bund-Länder-Programmsgefördert und unterstützt werden, spiegeln sichglobale Veränderungen und Bezüge für die Be-wohner und Bewohnerinnen hautnah wieder.Globale Flucht- und Wanderbewegungen –egal ob aus wirtschaftlichen Motiven oder alsFlucht vor Krieg und Verfolgung - haben in densozialen Brennpunkten unserer Kommunenihren Endpunkt gefunden, und es existierenvielfach reale familiäre Beziehungen zu denElends- und Kriegsgebieten auf allen Kontinen-ten. Eigentlich müsste diesen Menschen derGedanke einer sozial gerechten und friedlichenWelt am nächsten liegen, doch in der Realitätist das Verhältnis der Agenda-Akteure zu die-sen Zielgruppen ähnlich wie das der Studen-tenbewegung und Linken der 60er und 70erJahre zur Arbeiterklasse.

So bin ich im Vorfeld und der Nachbereitungdieser Tagung der Frage nachgegangen, wel-che Spuren sich in der Arbeit in den benachtei-ligten Stadtteilen finden lassen, die zwar nichtexplizit unter der Überschrift „Agenda 21“ ste-hen, aber doch in die richtige Richtung weisen.An einigen Stellen bin ich fündig geworden.

Der Schweigemarsch nach dem 11.9.2001

Beeindruckend war ein statt des am 15.9.2001geplanten Stadtteilfestes spontan organisierterSchweigemarsch zum Gedenken an die Opferdes Attentats am 11.9.2001 in New York. Dieweltweiten Reaktionen spiegelten sich auch imHammer Norden wider: auf der einen Seite beider deutschen und nicht-moslemischen Bevöl-kerung Misstrauen und die Frage, wie eine Re-

ligion eine solche Tat rechtfertigen kann, undauf Seiten der Moslems Angst vor Repressionund Rückzug, aber auch bei einigen Gruppen(z.B. auch den Jugendlichen, mit denen wir inunseren Projekten arbeiteten) Triumph undIdentifikation mit den Tätern. So drohte derKonflikt in Nordamerika auch im Hammer Nor-den zu eskalieren.

In dieser Situation bewährten sich die effek-tiven Arbeitsstrukturen. Allen Beteiligten warklar, dass etwas geschehen und ein Zeichen ge-setzt werden musste. Die Idee zu einemSchweigemarsch statt des geplanten Stadtteil-festes lag nah, und es war auch schnell allenselbstverständlich, dass die moslemischenGlaubensgemeinschaften einbezogen werdensollten. Die Kontakte mussten in dieser Situa-tion erst geknüpft werden, konnten aber sehrschnell gefunden werden, weil bei den mosle-mischen Moscheevereinen ein hohes Interessedaran bestand, sich dem Schweigemarsch undProtest gegen sinnlose Gewalt anzuschließen.

Der Schweigemarsch und das vorausge-hende Friedensgebet wurden zu einem intensi-ven Erlebnis. Nacheinander gesprochene Ge-bete von den evangelischen und katholischenPfarrern und dem türkischen Hodscha unterAnwesenheit von 400 Menschen aus dem ge-samten Hammer Norden im gleichen Geistmachten eine Solidarität spürbar, die sich aufalle Anwesenden übertrug. In diesem Momentspielten Nationalität und Herkunft keine Rollemehr.

Integration und Solidarität in der „Schotti"

Jugendliche haben in der Jugendarbeit imHammer Norden in den letzten Jahren zuneh-mend die Möglichkeit erhalten, Arbeitsweisen,Programme und Aktivitäten mitzugestalten.Durch eine aktivierende Befragung, durch einJugendforum und Folgeprojekte wurden sie inden Prozess der Neukonzeption eingebunden;ein großes Gewicht lag allerdings auf dem An-gebot, bei der Gestaltung und dem Betrieb desoffenen Angebotes mitzutun und Verantwor-tung zu übernehmen. Dafür bestand die Mög-lichkeit, die Räume teilweise ohne hauptamtli-che Betreuung und damit zu Zeiten, die sonstnicht möglich sind, zu nutzen (vgl. Stadt Hamm2002b).

Man mag einwenden, dass eine Partizipationder Jugendlichen im Aushandlungsprozess mitden hauptamtlichen Mitarbeiter/innen, beidenen sie sogar aufgefordert werden, unbe-queme Dinge zu tun, weil die Mitarbeiter/innendiese zunehmend verweigerten, nicht den Par-tizipationskriterien der Agenda entspricht, weilsie zu stark von den Erwachsenen vorgeformtsei. Doch liegt der Kern dieser Entwicklung

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darin, dass das Ziel besteht, traditionelle sozi-alstaatliche Versorgungsmuster aufzubrechen,die sich in den Arbeitsstrukturen offener Ju-gendarbeit mit einer immer stärker differen-zierten Angebotsmentalität widerspiegeln, dieJugendliche tendenziell zu Konsumenten undnicht zu Akteuren des Geschehens machen.

Die realen Erfahrungen zeigen denn auch,dass die Jugendlichen die Einladung, mehrVerantwortung zu übernehmen, impulsiv undmit hoher Motivation annehmen. Die Schwie-rigkeiten bestanden eher zwischen den sozial-pädagogischen Mitarbeiter/innen verschiede-ner Projekte, die von den Jugendlichen gegen-einander ausgespielt wurden und sich auf die-ses Spiel auch einließen. Trotzdem wurden Par-tizipationsstrukturen entwickelt, aber auch in-dividuelle Haltungen in Richtung Gemeinwe-senverantwortung angeregt. Diese stellen dieBasis für weitergehende Partizipationsaktivitä-ten dar, die noch mehr dem Sinn der Agenda21 entsprechen.

Ansatzpunkte für die Zukunft

Zu fragen bleibt, ob in der Stadtteilarbeit wei-tere Ansatzpunkte für Nachhaltigkeit bestehen,die vielleicht in Zukunft genutzt und entwickeltwerden können. Grundsätzlich bleibt zunächstdie Skepsis, ob Menschen, die sehr stark dar-auf ausgerichtet sind, die alltäglichen und ma-teriellen Bedürfnisse zu realisieren, die als all-gemein erstrebenswert gelten und deretwegenviele Menschen hierher gekommen sind, bereitsind, sich auf eine globale Perspektive des Den-kens einzulassen. Auf der anderen Seite fügtsich die Idee einer weltweit gerechten und so-lidarischen Weltordnung nahtlos in die Grundi-deen einer aktivierenden und sozialen Stadttei-lentwicklung ein. Mit den Partizipationsprojek-ten wurden Voraussetzungen dafür geschaffen,dass Jugendliche Verantwortung für Gegen-wart und Zukunft übernehmen können. So gibtes Ansatzpunkte, die weiter zu verfolgenwären:■ Die Beschäftigung mit der Lebenssituation

in den Herkunftsländern der Menschen, diebei uns leben, ergäben erste Anhaltspunkte.Wie ist die Situation dort? Wie wird dort ge-arbeitet? Welche wirtschaftliche Situationtrieb die Menschen dort weg? DerartigeVeranstaltungen und Projekte könntengleichzeitig auch zur Verbesserung der Be-ziehungen hier beitragen.

■ Das Themenspektrum der Partizipations-projekte kann erweitert und im Sinne derAgenda differenziert werden. Welches sinddie Belange ihrer Zukunft? Wie sind sie ineinem globalen Interessengefüge zu bewer-ten?

■ Das Thema „Arbeit“ ist für die Stadtteilar-beit zentral. Neben den aktuellen Arbeits-marktprojekten könnten Projekte stehen, diesich mehr mit den globalen Zusammenhän-gen und den lokalen Handlungsmöglichkei-ten beschäftigen. Die Idee eines Tau-schrings (der Tausch von Dienst- und Sach-leistungen auf der Basis einer Verrech-nungseinheit, wobei die Tauschwerte ineinem gemeinsamen Diskussionsprozessdefiniert werden) und alternativer Arbeits-formen steht immer wieder mal im Raum,lässt sich aber unter dem aktuellen Hand-lungsdruck bisher nicht realisieren.

Insgesamt sehe ich die Chance, in der Stadt-teilarbeit dem Thema „Nachhaltigkeit“ näherzu kommen, nur dann, wenn das zentraleMotto umgekehrt wird: „Lokal handeln – globaldenken (lernen).“

Literatur

Bartscher, Matthias (1998): Partizipation von Kindern inder Kommunalpolitik, Freiburg

Bartscher, M. (2000): Chancen und Grenzen derBeteiligung von Kindern und Jugendlichen – Ermuti-gung zur Partizipation in der Stadtteilarbeit; in: Regie-stelle E&C der Stiftung SPI (Hg.)(2000): Chancen undMöglichkeiten der Beteiligung von Kindern und Jugend-lichen im Rahmen des Quartiersmanagements. Doku-mentation der Veranstaltung vom 5.-6.12.2000 inBerlin, Berlin (download unter:http://www.eundc.de/seiten/info/pub_doku.html)

Bartscher, M. (2000): Politische Beteiligung von Kin-dern und Jugendlichen – Ermutigung zur Partizipationdurch Stadtteilarbeit; in: Kern, U. M./Waldmann, K.(Hg.): fit for politics – Projekte lebensweltorientierterpolitischer Jugendbildung, Bonn

Bartscher, Matthias (2001): Sozialraumorientierung alsKonzept der solidarischen Stadt –

Beiträge der Jugendhilfe zur Stadtteilarbeit; in: Vereinfür Kommunalwissenschaften - Arbeitsgruppe Fachta-gungen Jugendhilfe(Hg.): Auf dem Weg zur solidari-schen Stadt - Kooperation von Stadtentwicklung undJugendhilfe, Berlin

Bartscher, Matthias; Kriener, Martina (2001): Rechtevon Kindern und Jugendlichen als Herausforderung andie Jugendhilfe; in: Schröer/Struck/Wolff (Hg.): Hand-buch Kinder- und Jugendhilfe, Weinheim

DJI – Deutsches Jugendinstitut (1999): Beteiligung vonKindern in der Kommune – Ergebnisse einer bundes-weiten Befragung

MAGS – Ministerium für Arbeit, Gesundheit undSoziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.)(1995a): Mehr Demokratie durch Kinderbeteiligung.Chancen und Probleme der Partizipation von Kindern,Düsseldorf

Meyer, Thomas (1994): Die Transformation des Politi-schen, Frankfurt

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Stadt Hamm (2000): Lebenslagen benachteiligterMenschen in Hamm – Kommunaler Armutsbericht,Hamm

Stadt Hamm (2002a): Das sozial- undbewohner(innen)orientierte Stadtteilentwicklungspro-jekt 1992-2002 - Kurzdarstellung, Hamm

Stadt Hamm (2002b): Konzeption für die Stadtteilju-gendhilfe im Hammer Norden, Hamm

Stadt Hamm (2002c): Weiterführung der gemeinwese-norientierten Projekte ab 2003 (Beschlussvorlage2622/02), Hamm

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Heike Wolff, Ausbildungsgemeinschaft

Neubrandenburg

Handlungsfeld Ökonomie-

Ausbildung-Arbeit – Über-

gänge nachhaltig schaffen

Nachhaltigkeit: lange Wirkung …

„Nachhaltige Entwicklung heißt, mit Visionen,Phantasie und Kreativität die Zukunft zu gestal-ten und dabei auch Neues zu wagen und unbe-kannte Wege zu erkunden.

Es geht um einen schöpferischen Dialog dar-über, wie wir in Zukunft leben wollen, wie wirauf die Herausforderungen der globalisiertenWelt in Wirtschaft und Gesellschaft antwortenwollen.“ (Perspektiven für Deutschland – Derrote Faden für das 21. Jahrhundert, Bundes-kanzler Gerhard Schröder)

Wie können wir wirksame und anhaltendeProjektstrukturen schaffen, die eine Integrationder jungen Menschen mit den unterschiedlich-sten Voraussetzungen in die Gesellschaft unddamit in Arbeit und Ausbildung schaffen?

Ausgangssituation in Mecklenburg/Vorpom-

mern, Neubrandenburg

Neubrandenburg – drittgrößte Stadt in Meck-lenburg Vorpommern, Verwaltungs- und Wirt-schaftszentrum in Ost-Mecklenburg und wirt-schaftliches, politisches und kulturelles Zen-trum in der Landesplanungsregion Mecklen-burger Seenplatte.

Nach 1990 fanden erhebliche Umstrukturie-rungen statt. Die Wirtschaft wird von kleinenund mittleren Unternehmen bestimmt, eine ra-sche Entwicklung der Dienstleistungsberufekonnte den Wegfall zahlreicher Arbeitsplätzeim produzierenden Gewerbe nicht abfangen.Der Wegzug junger Menschen gehört zur Ta-gesordnung, jede/r 4. erwerbsfähige Bürger/inist arbeitslos, die Anzahl der Sozialhilfeemp-fänger/innen wächst stetig (z. Z. sind statistischgesehen 47 von 1.000 Bürger/innen unsererStadt Sozialhilfeempfänger/innen) und ein wirt-schaftlicher Aufschwung ist nicht in Sicht …

Unter den gegebenen Bedingungen der krän-kelnden Wirtschaft und der demografischenEntwicklung zeigen sich in der Gegenwart undin der Zukunft schwierige Bedingungen für denEinstieg in Berufsleben. Besonders junge Men-schen ohne entsprechende Berufserfahrunghaben es schwer, in den Prozess der Arbeitlangfristig integriert zu werden. Der Anspruchan das lebenslange Lernen aller Bürger wirdaufgrund der Komplexität, die von heutigen Ar-beitnehmern gefordert wird, immer höher. Wer

sich diesem Prozess entzieht, der wird keineChance auf dauerhafte Beschäftigung haben.

Was geschieht nun mit den jungen Men-schen, die schon mit ungünstigen sozialen undpersönlichen Voraussetzungen an den Startgehen? Die öffentlichen und freien Träger derjeweiligen Kommunen sind auf vielfältige Artund Weise bemüht, im Rahmen von Jugend-hilfe und Jugendsozialarbeit diesen Jugendli-chen besonders zu helfen.

Welche Übergänge sind am auffälligsten?

Im besonderen Brennpunkt dieser Arbeitsind Berufsorientierung und –vorbereitungbeim Übergang von der Schule zur Ausbildungund von der Ausbildung und in das Berufsle-ben. Allgemein spricht man von der ersten undzweiten Schwelle, die die jungen Menschen zumeistern haben. An diesen Schnittstellen derLebenskurve eines jeden Menschen werdenWeichen gestellt, die von großer Tragweite fürdie persönliche Entwicklung sind. Fehlent-scheidungen in der Berufswahl, Ausbildungs-versuche über lange Zeiträume, die Nichtein-bindung in ein intaktes Arbeitsleben bringennicht nur existenzielle Probleme für den Einzel-nen, sondern sind immer ein Hemmschuh fürdie wirtschaftliche Entwicklung unserer Regionund wirken sich auf den weitern Lebenswegganzer Familien aus.Unzureichende Ausbildung ■ keine oder gering bezahlte Arbeit ■ finanzielle Nöte ■ eingeschränktes Konsumverhalten■ eingeschränkte Teilhabe am gesellschaftli-

chen Leben■ persönlicher Rückzug

...Je mehr Menschen von einer solchen Entwick-lung betroffen sind, umso mehr werden Men-schen inaktiv im gesellschaftlichen Kontextleben. Die soziale Sicherung, die für den Notfallgeschaffen wurde, wird zu Normalität und zur„Sozialen Hängematte“. Diese Entwicklung istallen bekannt. Es sind in unserer täglichen Ar-beit die Konsequenzen aus dieser nicht bewäl-tigten ersten und zweiten Schwelle deutlich zumerken.

Hier möchte ich den Ansatz für Nachhaltig-keit unserer Arbeit einfügen.

Wenn es uns gelingt, möglichst viele jungeMenschen bei ihrer Berufswegeplanung zu be-gleiten und eine gezielte Berufswahl und be-wusste Ausbildung bei den Jugendlichen zuunterstützen, leisten wir einen Beitrag zur Ent-wicklung unsrer regionalen und überregiona-len Wirtschaft. Wir schaffen natürlich im Zu-sammenhang mit anderen Komponenten derGesellschaft Voraussetzungen für eine effektive

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Einbindung der jungen Generation in die wirt-schaftliche Entwicklung unseres Landes.

Jugendberufshilfe als Faktor der Wirtschafts-

förderung?

Die Schwerpunkte der Jugendberufshilfe fin-den sich in allen Regionen unseres Landes aufder kommunalen Ebene. Hier werden großeSummen von Fördermitteln eingesetzt, die aufden verschiedensten Förderebenen und auchvon den öffentlichen Trägern bereitgestelltwerden.Zahlreiche Maßnahmen der: ■ Berufsorientierung■ Berufsfrühorientierung■ Berufsvorbereitung■ Grundausbildung■ Erstausbildung■ ausbildungsbegleitenden Hilfen■ Integrations- und Beschäftigungshilfen■ Übergangshilfen zur Eingliederung in den

Arbeitsmarkt… sollen helfen, diesen wichtigen Lebensab-schnitt zu meistern.

Die Ausgangslagen der Jugendlichen sindsehr unterschiedlich. Die Bedingungen der re-gionalen Wirtschaft bieten verschiedene Vor-aussetzungen und die Trägerlandschaft zurUmsetzung von Projekten ist in jeder Regionanders. Deshalb gibt es sicher keine Patentre-zepte für eine nachhaltige Arbeit auf diesemGebiet. Ich möchte an einem Beispiel eineMöglichkeit aufzeigen, die meiner Ansicht nacheine Nachhaltigkeit von einzelnen Projekter-gebnissen aber auch des gesamten Eingliede-rungsprozesses sichert.

Die Ausbildungsgemeinschaft Industrie, Han-del und Handwerk Neubrandenburg e. V. (ABG)wurde am 28. August 1990 gegründet. Die In-dustrie- und Handelskammer zu Neubranden-burg und die Handwerkskammer Ostmecklen-burg-Vorpommern sind neben 19 anderen Ver-tretern Mitglied der Ausbildungsgemeinschaft.Seit dem 5. Oktober 1993 sind wir Träger derfreien Jugendhilfe der Stadt Neubrandenburg,Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft regio-nal-örtlicher Träger, der Landesarbeitsgemein-schaft Jugendsozialarbeit und der Arbeitsge-meinschaft Jugendsozialarbeit der Stadt Neu-brandenburg. Seit 2001 sind wir eine „staatlichanerkannte Einrichtung der Weiterbildung“und „Träger des FSTJ“. Die ABG widmet sichin großem Umfang der Erstausbildung von Ju-gendlichen in der Benachteiligtenförderungund alternativen Formen der beruflichen Erst-ausbildung. Diese Ausbildung findet zu zweiDritteln in Betrieben statt und wird als großerVerbund organisiert. Zur Zeit bilden wir ca.

1.700 Jugendliche in 46 Berufen aus. Dabei ste-hen wir mit über 520 Betrieben und 17 Bil-dungsträgern und freien Trägern in verschie-denen Standorten in Kooperation. Diese Ko-operation ist und bleibt Basis einer erfolgrei-chen Arbeit.

Seit 1994 widmet sich die ABG dem Bereichder Jugendsozialarbeit in Form von Jugend-projekten. In den Lebensräumen fast aller Ju-gendlichen gibt es keine existenzsichernden Al-ternativen jenseits der Berufsausbildung. Trotzder bei den meisten vorhandenen positiven Ar-beits- und Ausbildungseinstellungen finden wirbei vielen Jugendlichen eine große Orientie-rungs- und Hilflosigkeit, wenn es darum geht,ihren Berufseinstieg konkret zu planen und an-zugeben. Dies gilt besonders für sozial schwa-che Jugendliche aus benachteiligten Milieus.Die ABG nutzt den Ansatz individueller ganz-heitlicher Einzelfallhilfen:■ Frühorientierung■ Entwicklung von Vertrauensbasis■ Fachkompetente Beratung/Angebot der ver-

schiedensten Integrationshilfen einbeziehen■ Stärkung des Selbstbewusstseins und des

Selbsthilfepotentials■ Relativierung von Über- und Unterschät-

zung der eigenen Möglichkeiten■ Langfristige Entwicklung von Kompetenzen■ Orientierungshilfen ■ Abbau von Schwellenängsten.So ist es möglich, Jugendliche über einen lan-gen Zeitraum zu begleiten, der mit der Arbeits-aufnahme nach der Probezeit endet. Der Be-reich der Jugendsozialarbeit ist durch Netz-werkarbeit geprägt und umfasst folgende Auf-gabenfelder:■ Jugendberufshilfe nach § 13 KJHG■ Aufsuchende Jugendsozialarbeit nach § 11

und § 13 KJHG■ Mädchensozialarbeit nach § 13 KJHG■ Jugendsozialarbeit / Beratung nach § 13

KJHG■ Berufsorientierung nach SGB III § 33■ Berufsvorbereitung nach SGB III■ Erstausbildung nach BBiG und SGB III■ Integrationshilfen nach Job-Aqtiv-Gesetz

und andere Eingliederungshilfen der Wirt-schaftsförderung

Im Zusammenhang mit der Ausbildung stelltensich verschiedene Problemlagen der Jugendli-chen dar, die einen Ausbildungsabbruch be-günstigten. Deshalb begannen wir mit beglei-tenden Maßnahmen.

Ungenügende Berufswahl > Unzufriedenheit inder Ausbildung > Abbruchgefahr!>>> Frühe Berufsorientierung für Hauptschüler

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Trägervorstellung: Ausbildungsgemeinschaft Industrie, Handel und Handwerk Neubrandenburg e.V.

Entwicklung der Projektarbeit

„2. Schwelle“Integrationsprojekt für jungeArbeitslose

Beginn: 1994

„RAZ“Berufsfrüh-und Lebens-orientierungfür Haupt-schüler

Beginn: 1996

„ANIKA“

Integrationsprojekt füralleinerzie-hende Mäd-chen undjunge FrauenBeginn: 1997

„Kompaß“Berufsfrüh-orientierungfürRealschüler

Beginn: 1998

„Take off“FörderungjungerBerufsanfänger

BetrieblicheArbeits-erprobung

Kompaß

Beginn: 1999

BetrieblicheArbeitserprobungRAZ

Beginn: 2000

Projektende am31.08.00

Erstausbildung

„Viele Wege“Berufsorientierung fürGymnasiasten

Beginn: 2002

„Tandem“aufsuchendeArbeit mitberatungsunwilligen Jugendlichen

Beginn: 2000 „FSTJ“

Beginn: 2001

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Netzwerk der Jugendsozialarbeit�Step up�

Sonderprogramme

SCHULE

AUSBILDUNG

ARBEIT

ANIKA

KOMPAß

RAZ

Betrieb-

liche

Arbeitser

-probung

Tandem

take

off

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Kind bekommen in der Ausbildung > neueRolle als Mutter und Auszubildende > Ab-bruchgefahr! >>> Hilfe und Begleitung von bekannt werden

der Schwangerschaft bis zum Ausbildungsab-

schluss

u.s.w

Auf diesem Wege entstanden Projekte, dieAusbildung vorbereiten, begleiten und bei derIntegration in den Arbeitsmarkt helfen.

Besonderer Stellenwert „Tandem“ (siehe Ab-bildungen)Projekt zum Aufsuchen beratungsunwilligerjunger Menschen, die bei der Berufsberatungnicht mehr auftauchen und auch andere Bera-tungsangebote nicht annehmen.Warum Schwerpunkt: Anzahl nimmt zu■ Problemlagen dieser Jugendlichen werden

immer komplizierter ■ Häufig soziale Problemfamilien im Hinter-

grund ■ Jugendliche sind ohne Hilfe meist zum so-

zialen Abstieg verurteilt Der Erfolg der Maßnahme in Neubrandenburgveranlasste andere Ämter über diesen Ansatznachzudenken und diese Form der aufsuchen-den Arbeit zu unterstützen.Nur die Vernetzung brachte Erfolge bei diesenTeilnehmern.Datenaustausch nach Einwilligung des Teilneh-mers.Verbindung von Fördermöglichkeiten um Ar-beitsergebnisse zu sichern (Ausbildungsinter-esse ist wieder vorhanden), dann muss naht-lose Berufsorientierung unter Betreuung mög-lich sein.

Das parallele Arbeiten an Schuldenabbau mitder Schuldnerberatung, die Aufarbeitung vonnegativen Erfahrungen bei Ämterbesuchen, dieLösung von Wohnungsproblemen und auchdie Schaffung von Sozialkompetenzen durchveränderte Verhaltensmuster sind einige Bei-spiele der komplexen Aufgaben, die nur in Zu-sammenarbeit aller Partner zu realisieren sind.Auf der anderen Seite sind die einzelnen Pro-blemfelder nicht einzeln abzuarbeiten. OhneWohnung und Geld mache ich mir keine Ge-danken um eine Ausbildung, ohne Wohnsitzwird es schlecht mit Arbeit klappen…

Aus dem Tandem-Projekt entstanden Folge-maßnamen wie das „FSTJ“ und „Das Echolot-Projekt“ für Sozialhilfeempfänger. Häufig über-schneiden sich die Zuständigkeiten der Ämterbei einem Klienten. Als Träger versuchen wirhier zu moderieren. Die einzelnen Hilfen sindzum richtigen Zeitpunkt unter den entspre-chenden Bedingungen so zu koordinieren, dasssie nach und nach dem Grundsatz „ Hilfe zur

Selbsthilfe“ gerecht werden und dieKlient/innen wieder eigenständig am gesell-schaftlichen Leben teilnehmen können. EinAuflockern der Betreuungsstruktur, ein Weiter-leiten der Betreuung an andere Träger, ein ge-meinsames Abstimmen mit Trägern, die mitTeilnehmer/innen weiterarbeiten sind für un-sere Mitarbeiter/innen ist nicht immer einfachaber Grundlage einer langen Wirksamkeit dererreichten Veränderungen im Sinne einer Wei-terentwicklung unserer Jugendlichen.

Heike Wolff, Dipl. Sozialpädagogin

Geschäftsführerin der Ausbildungsgemein-schaft Industrie, Handel und Handwerk Neu-brandenburg e.V.Feldstrasse 317033 Neubrandenburg

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Rolf-Joachim Heger, Stiftung SPI

„Nachhaltigkeit – ein

Qualitätsmerkmal sozial-

räumlicher Arbeit“

Nachhaltigkeit im kommu-

nalen Dialog

1. Das Problem der Begrifflichkeit

1.1 Über Nachhaltigkeit gibt es eine „stille“

Übereinkunft

Die Karriere des Begriffs Nachhaltigkeit ist be-eindruckend. Mittlerweile wird vieles – umnicht zu sagen fast alles – als nachhaltig etiket-tiert: die Arbeit der Bundesregierung, die Pro-duktion von Gartenmöbel, die Anlage vonSpielflächen, die Ausbildung junger Menschen,die Organisation von Arbeitsabläufen etc. Diegroßflächige Vereinnahmung des Begriffsdurch Wissenschaft und Politik macht das oh-nehin diffuse Konzept der Nachhaltigkeit nochkomplizierter. Es ist deshalb kaum verwunder-lich, dass die Definitionen – oder besser: dieDefinitionsversuche - über Nachhaltigkeit inihrem Erscheinungsbild, in ihrer Ausführlich-keit, in der Perspektive und in ihrer Präzisionerheblich changieren. So gibt es gibt zumeinen Versuche, Nachhaltigkeit durch andereBegriffe zu umschreiben („...Nachhaltige Ent-wicklung kann verstanden werden als ein Mu-ster von sozialen und strukturellen ökonomi-schen Veränderungen, bei dem das in der Ge-genwart beanspruchte Bündel von ökonomi-schen und sozialen Gütern optimiert wird...“),zum andern werden Begriffsbestimmungenvorgenommen, die davon ausgehen, dass sichNachhaltigkeit nicht streng definieren lässt,dass lediglich die Sache erläutert werden kann,die durch das Wort bezeichnet wird („...Nach-haltigkeit ist ein weitreichendes Phänomen,das ethische Normen einschließt, die das Über-leben alles Lebendigen betreffen sowie dieRechte künftiger Generationen, und die Institu-tionen, die dafür verantwortlich sind, dass die-sen Rechten Nachachtung verschafft wird...“).

Insgesamt zeichnet sich aber eine „stille“Übereinkunft ab, zum einen auf die Definitionder Brundtland-Kommission (1987) abzustellen:„...Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung,die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt,ohne zu riskieren, dass zukünftige Generatio-nen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigenkönnen...“ und in Erweiterung derselben aufdie der Europäischen Union (2001): „...hierzuist es erforderlich, die Wirtschafts-, Sozial- undUmweltpolitik so zu gestalten, dass sie sich ge-

genseitig verstärken. Gelingt es nicht, Tenden-zen umzudrehen, die die künftige Lebensqua-lität bedrohen, so werden die Kosten für dieGesellschaft drastisch ansteigen oder dieseTendenzen werden unumkehrbar...“.

Inhaltlich bedeutet das, dass sich hierbei viergrundsätzliche Koordinaten herauskristallisie-ren:

■ die Gerechtigkeit innerhalb einer und zwi-schen den Generationen

■ die internationale Gerechtigkeit■ die Abstimmung zwischen sozialen, ökono-

mischen und ökologischen Interessen – ergänzend werden u.a. auch kulturelle noch ge-nannt■ die Beteiligung aller gesellschaftlicher

Gruppen am Prozess der Strategiefindungund - umsetzung.

Damit orientiert sich die Nachhaltigkeitsdiskus-sion an einer gleichrangigen Berücksichtigungder drei resp. vier Dimensionen sozial, ökono-misch, ökologisch und kulturell, räumt Fragender sozialen Integration und Gerechtigkeit einegroße Bedeutung ein, sieht die Rolle des Staa-tes in Relation zu anderen Akteursgruppen,baut auf interdisziplinäre Ansätze und gibt derKommunikation mit gesellschaftlichen Grup-pen und Organisationen einen hohen Stellen-wert. Dies legt den Grundstein für die Einsicht,dass im Zeichen der Nachhaltigkeit grundle-gende politische und institutionelle Erneuerun-gen angestrebt werden müssen. Erste Ansätzesolcher Innovationsschritte stellen zum einendie jeweils nationalen Nachhaltigkeitsstrate-gien dar, sofern sie, wie die Beispiele ausFrankreich, Großbritannien und Deutschlandzeigen, einen Trend in Richtung der themati-schen Breite, der Einführung qualifizierterSelbstverpflichtungen der Regierungen undschließlich hinsichtlich der partizipativen Ver-fahren setzen.1 Zum andern sind Entwicklungenauch in der Unternehmenspolitik sichtbar. Vorallem global agierende Unternehmen erken-nen, dass sie künftig stärkere Verantwortungfür soziale und ökologische Aufgaben über-nehmen müssen.

Allein diese Ansprüche an Nachhaltigkeit zei-gen eine „beachtliche Eingriffstiefe“2 in alle ge-sellschaftlichen Bereiche auf. Aber die Realitätspiegelt diese Anforderungen bisher nur mini-mal wider: nach wie vor dominieren in diesenZusammenhängen die naturwissenschaftlich-technischen Zieldefinitionen und Umsetzungs-vorschläge, werden umweltrelevante Daten alsMaßstäbe für Nachhaltigkeit ausgegeben, istdas Thema weniger ein vernetztes als ein addi-tives, wird eher defensiv im Sinne des „don’tdamage“ verfahren, also möglichst nichts

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falsch zu machen oder nicht aufzufallen. Selbstder von der Bundesregierung eingesetzte „Ratfür Nachhaltige Entwicklung“ erkennt selbst-kritisch, dass Nachhaltigkeit vorwiegend immernoch „ein ökologisch ausgefüllter Begriff seiund dass von einer gleich starken Aufnahmesozialer Themen nicht die Rede sein könne“.3

Auch in den vielen lokalen Agenda 21-Initiati-ven, die Ansätze zur Entwicklung von Leitbil-dern einer nachhaltigen Entwicklung im regio-nalen oder örtlichen Rahmen an Hand von vie-len Beispielen verdeutlicht haben, werdendiese vorrangig im ökologischen Kontext bear-beitet. Die gebotene Verknüpfung mit Wirt-schaft und Sozialem ist auch hier nicht einge-löst. Folgerichtig bezeichnet die Bundestags-Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerli-chen Engagements“ die nachhaltige Entwick-lung einschränkend als „Leitbegriff der Um-weltpolitik.“4

Aber ausschlaggebend ist eben nicht alleindie Maximierung der ressourcenorientiertenSparpotentiale, sondern die Optimierung allerdrei rsp. vier Dimensionen in ihrem Verhältniszueinander. Nachhaltige Entwicklung funktio-niert nur im Zusammenspiel aller Aspekte undnicht in der Überbetonung einer einzelnen undder nachrangigen Bedeutung der anderen.Und: Es müssen die Möglichkeiten zur politi-schen Gestaltung der Nachhaltigkeit als einersozialen und ökonomischen Kompetenz undals Diskursfähigkeit mit zivilgesellschaftlichenOrganisationen genutzt und umgesetzt wer-den.

1.2 Kommunaler Dialog als entscheidende

Wegmarke

Im Abschlussdokument „Agenda 21“ der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Riode Janeiro (1992) wurden die Kommunen auf-gefordert, in einem Konsultationsprozess mitallen kommunalen Akteuren eigene Pläne füreine nachhaltige Entwicklung zu verabschie-den: „Jede Kommunalverwaltung soll in einenDialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisa-tionen und der Privatwirtschaft eintreten undeine „kommunale Agenda 21“ beschließen.

Durch Konsultation und Herstellung einesKonsens würden die Kommunen von ihrenBürgern und örtlichen Organisationen, vonBürger-, Gemeinde-, Wirtschafts- und Gewer-beorganisationen lernen und für die Formulie-rung der am besten geeigneten Strategien dieerforderlichen Informationen erlangen“.5 Danachhaltige Entwicklung nicht einfach vonoben herab verordnet werden kann, wird dergesellschaftlichen Diskussion und der Verstän-digung über Leitbilder, Handlungsfelder und

Projekte in den einzelnen Kommunen ein deut-licher Vorrang eingeräumt. Dies wurde auch inden zurückliegenden Jahren erfolgreich ange-gangen: Nach einer ersten umfassenden Dar-stellung lokaler Agenda 21-Prozesse6 habenüber 1.900 Städte und Gemeinden einen Be-schluss zur Agenda getroffen, fast drei Viertelvon ihnen auch bereits ein Leitbild zur nach-haltigen Entwicklung verabschiedet oder pla-nen dieses zu tun. Quantitativ gesehen kanndurchaus von einer steigenden „Nachhaltig-keitsbewegung“ auf kommunaler Ebene ge-sprochen werden. Bei den inhaltlichen Schwer-punkten dominieren aber nach wie vor die„klassischen“ Umweltthemen wie Klima, Ener-gie, Verkehr und Versorgung („Aus der Regionfür die Region“).

Hinter den – durchaus – hohen Ansprüchendes Programms bleibt die Umsetzung in vielenStädten und Gemeinden bisher jedoch weitzurück. Dabei kristallisieren sich unterschiedli-che Problemlagen und besonders auch Ver-ständnisebenen heraus: Zum einen wird immerwieder betont, dass Nachhaltigkeit angesichtsder kommunalen Situation(en) ein „Lu-xusthema“ sei, dass „Umweltthemen dominie-ren und messbare Erfolge bei Projekten der so-zialen Nachhaltigkeit rar seien“, dass beson-ders „die Unternehmen vor Ort stärkere An-reize zu sozialen und ökologischen Investitio-nen vermitteln müssten um sich so in die re-gionale Entwicklung konsequenter einzufügen“und schließlich „sei eine Bündelung der Kräftefür eine bessere Kommunikation darüber, wasNachhaltigkeit ist“, notwendiger denn je. „Manmüsse vom Verzichtsgedanken wegkommenum mit einem positiveren Image zur Umge-staltung des Lebenswandels zu motivieren. Zurbesseren Kommunikation über Nachhaltigkeitmüsse eine Zusammenarbeit und Öffentlich-keitsarbeit auf nationaler Ebene erfolgen.“7

Die Intensivierung des kommunalen Dialogswird auch vom Nachhaltigkeitsrat der Bundes-regierung gesehen, betont er doch, dass esdabei nicht um ein einfaches „add on“ gehenkann, sondern es müssen „die Aussagen zumdialogischen Charakter der Nachhaltigkeit mitkonkreten Angeboten und Schritten (verbun-den werden) und diese (sind) nicht außerhalbder üblichen Mittel politischer Meinungsbil-dung anzusiedeln, sondern (in einem) strategi-schen Zusammenhang zu konstruieren“.8

Dies ist durchaus präzise diagnostiziert, undso lassen sich vor dem Hintergrund auch wich-tige Entwicklungsperspektiven formulieren9,wie ein solch dialogisches Verhältnis, oder bes-ser: ein kommunaler Nachhaltigkeitsdialog,auszusehen hat: Da sind zum einen organisatorische Veranke-rungen durch institutionelle Reformen notwen-

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dig, denn insgesamt verläuft die Mobilisierungder verschiedenen Akteure/innen in solchenProzessen sehr phasenorientiert, d.h. hohesEngagement und Interesse wechseln sich mitverhaltener Bereitschaft und Ratlosigkeit ab.Und so bedarf es des Aufbaus stabiler kommu-naler aber auch regionaler Strukturen10, dieeine kontinuierliche Motivation und ein kon-kretes Interesse fördern. Seien dies bestimmteAgenturen oder in den Ämtern ressortüber-greifende Kompetenzzentren, die eine lokaleZukunftsfähigkeit der Kommunalpolitik fördern.Die Vielheit der Ideen und Vorstellungen zu be-stimmten Themen gilt es durch diese Stellen zukoordinieren, aber auch den Austausch von Er-fahrungen und Best-Practice-Beispielen zu er-möglichen. Insgesamt handelt es sich hierbeium den Aufbau einer spezifischen Form einesNetzwerkes, bei dem sich vertikale Strukturen(Kommune, Land) mit horizontalen Strukturen(z.B. Träger) vermischen. Dies setzt zum zwei-ten effiziente Partizipationsmöglichkeiten nachinnen und außen voraus, so dass z.B. ressortü-bergreifende Arbeitskreise für die anstehendenKonsultations- und Aushandlungsprozesse wieauch die Einrichtung von Bürgerforen, RundenTischen, öffentlichen Dialogen, Zukunftswerk-stätten, Open Space-Veranstaltungen, Pla-nungszellen und ähnliche Instrumente angebo-ten werden müssen und dass über die bereitsaktiven Bürger/innen mit guter Ausbildung hin-aus auch und gerade die Beteiligung von Ju-gendlichen, Frauen und benachteiligten Grup-pen eine besondere Förderung erfährt. Wichtigfür die Motivation zur Mitwirkung muss die ra-tionale Erkenntnis sein, dass eine Teilnahmedem Gesamtnutzen aller Akteure/innen förder-licher ist als eine Nichtteilnahme, analog der„Rational-Choice-Theorie“. Damit wird aber –als dritter Aspekt - auch ein verändertes Rol-lenverständnis öffentlicher Verwaltungen er-wartet. Der kommunale Dialog zwingt geradedazu, auch eigene Instrumente der „Qualitäts-politik“ zu entwickeln und/oder fortzuschrei-ben. Nachhaltige Entwicklung muss zu einerQuerschnittsaufgabe und damit in den Prozessder Verwaltungsmodernisierung eingebundenwerden. Das beinhaltet aber die Modifikationkommunaler Entscheidungsstrukturen und -prozesse, um vordringlich die geforderte underwartete thematische Integration und damitVerknüpfung von Wirtschaft, Umwelt, Sozialesund Kultur innerhalb der Kommune zu ermög-lichen.11

Kommunaler Dialog heißt, die Bemühungenum nachhaltige Entwicklung – besonders vordem Hintergrund der bisherigen Erfahrungenmit den Agenda-Prozessen – so zu intensivie-ren, dass nicht wieder nur Appelle und nochmehr Papiere produziert werden und dies auf

Dauer eher einer ausnahmslos symbolischenPolitik zuzuordnen ist, sondern dass bereits amAnfang der Prozesse geklärt werden muss, inwelcher Form die Ergebnisse in den kommu-nalen Willensbildungs- und Entscheidungspro-zess einfließen und dort zu Konsequenzenführen müssen. Kommunaler Dialog heißt,dass prioritäre Handlungsfelder für eine nach-haltige Entwicklung festzulegen sind – z.B. sol-che aus den Zusammenhängen der Pro-gramme „Soziale Stadt“ und/oder „E&C“. Diedabei erzielten Wirkungen müssen für einezukünftige Entwicklung und kommunale Hand-lungsmöglichkeit die entscheidenden Grundla-gen sein und die Absicherung der notwendigenRessourcen gewährleisten.

Kommunaler Dialog heißt einzugestehen,dass sich die Erwartungen auf schnelle sicht-bare Erfolge für die beteiligenden Bürger/innenund Vertreter/innen der Träger und der Kom-mune nicht automatisch einstellen. Die wichti-gen „Partizipationsressourcen“12müssen konti-nuierlich gepflegt und einen entsprechend ge-stalteten gesellschaftlichen Rahmen erhalten,in dem die vielfältigen, auch wechselnden so-zialen Beziehungen und Gruppen gemeinsamarbeiten können und – nach Möglichkeit – zeit-lich synchrone Nachhaltigkeitsprozesse inGang setzen und/oder vorantreiben.

Kommunaler Dialog heißt, dass trotz objektivzunehmender Einengung der kommunalenHandlungsspielräume durch Verordnungen,Gesetze und sonstige Standards sowie der an-dauernden Haushaltskrise die Option auf Bün-delung von Interessen und die Zusammen-führung von Ressourcen und Informationenverstärkt aufrecht erhalten werden muss, umso zu einer transparenteren Abstimmung undletztlich zu einer Stärkung der kommunalenIdentität, Politik, Wirtschaft und Kultur als we-sentlichem Eckpunkt eines nachhaltigen Ge-sellschaftsmodells zu gelangen. Damit lassensich dann auch – zumindest teilweise – die ver-lorenen Gestaltungsmöglichkeiten wiederge-winnen.

Kommunaler Dialog heißt letztlich auch, dieChance zu ergreifen, gegen die allgemein zukonstatierende Mentalität des Festhaltens anbestehenden Strukturen anzugehen, die Hal-tung der eingespielten Routinen zu durchbre-chen, die Dominanz mikropolitischer Strategienzu unterbinden, um so dem Anspruch der ko-operativen Leistungserbringung – von Kom-munen, Bürger/innen, Trägern und Einrichtun-gen – gerecht zu werden.

Angesichts dieser umfassenden gesellschaft-lichen Veränderungsprozesse, die einer nach-haltigen Ausgestaltung vorausgehen müssen,ist die Frage nach den dazu notwendigen An-sätzen und Instrumenten aktueller denn je.13

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2. Ansätze zu kommunalen Nachhal-

tigkeitsstrategien

2.1 Indikatorenmodell

In den letzten Jahren wurden Indikatoren ver-stärkt als Planungs- und Aussageinstrumenteder Politik entdeckt und genutzt, wobei sie vorallem mit quantifizierbaren Zielvorgaben ver-knüpft werden. So soll beispielsweise dieGanztagsbetreuung im Jahre 2010 für 30% derKindern bis zu 12 Jahren zur Verfügung stehen,oder der Anteil der ausländischen Schulabgän-ger/innen ohne Hauptschulabschluss vonheute 16,7% auf 9% im Jahre 2020 gesenktwerden, oder es wird Bezug genommen aufrein statistische Daten ohne konkrete Zielvor-gaben, etwa die Anzahl der Krankenhausbettenpro 1.000 Einwohner/innen oder der Anteil derversiegelten Flächen an der Gesamtfläche einerStadt.Generell gilt, dass Indikatoren drei unterschied-liche Orientierungen ausdrücken können:■ sie legen Bestimmungsfaktoren fest

(driving force indicators)■ sie dokumentieren einen Zustand

(state indicators)■ sie richten sich auf Maßnahmen aus

(response indicators).

Die Auswahl der geeigneten Indikatoren solltesich nach der Zielsetzung, der Verfügbarkeitvon Daten und ihrer „methodologischen Ro-bustheit“14 richten. Dabei gilt es zu beachten,dass Indikatoren nicht vorbehaltlos geeignetsind, objektive Aussagen über den Zustandeines (Teil-)Systems zu machen, sondern dassausschließlich Konsens darüber besteht, dasssie dazu in der Lage sind. Indikatoren sind alsosubjektiv und damit abhängig von der Übe-reinkunft derer, die sie aufstellen und benützen.Deshalb ist Auswahl und Definition schwierig,gerade weil durch scheinbar kleine Detailsschwerwiegende Vorentscheidungen in langfri-stiger Perspektive getroffen werden. Dennochlassen sich Voraussetzungen für die erfolgrei-che Aufstellung von Indikatoren formulieren:■ Indikatoren sollen so gewählt werden, dass

konkret erkennbar ist, durch welche (Mess-)Werte sie ausgefüllt werden sollen. (Die„Abwasserqualität“ ist als Indikator untaug-lich, solange unklar ist, an Hand welcher Pa-rameter diese Qualität gemessen werdensoll. Wird z.B. die Ammonium-Konzentra-tion genommen, kann dies ein anderes Bildergeben, als wenn der Stickstoffgehalt ge-messen wird).

■ Indikatoren sollen so gewählt werden, dasssie mit Daten hinterlegt bzw. die erforderli-chen Berechnungen oder Erhebungen se-riös durchgeführt werden können. („Versie-

gelte Fläche“ wird in der Regel an Hand derim Flächennutzungsplan ausgewiesenenSiedlungs- und Verkehrsflächen gemessen.Die tatsächliche Fläche dürfte aber – beson-ders in Gebieten mit hohem Eigenheiman-teil – deutlich geringer sein).

■ Indikatoren sollen so gewählt werden, dasssie auf die geforderte Integration von öko-nomischen, ökologischen, sozialen und kul-turellen Aspekten abgestellt werden. Dabeisind durchaus Zielkonflikte vorprogram-miert, die in einem gesellschaftlichen Pro-zess (= kommunaler Dialog) ausgehandeltwerden müssen. (Für die Schaffung neuerArbeitsplätze mag die Ausweisung von zu-sätzlichen Gewerbeflächen als richtig er-achtet werden, für die Erhaltung des Natur-potentials hingegen die Reduzierung desFlächenverbrauchs. Der nachhaltig rele-vante Indikator kann hier nur darin beste-hen, zu messen, ob Flächeneinsatz und er-strebter Nutzen in einem akzeptablen Ver-hältnis zueinander stehen).

■ Indikatoren sollen so gewählt werden, dasssie für alle Beteiligten „überschaubar“ an-gelegt sind; d.h., ein detailreiches Indikato-rensystem mag für Expert/innen aussage-fähig sein, für die meisten anderen Beteilig-ten ist es das nicht mehr. (Masse ist nichtgleich Klasse und deshalb müssen auch Re-duktionen vorgenommen werden, um dieerforderliche Kommunikation und Verstän-digung zu erleichtern).

■ Nicht nur die Auswahl der einzelnen Indika-toren enthält eine Wertung, sondern auchdie Zusammenstellung des gesamten Indi-katorensystems. Ein gängiger „Fehler“ istdabei die Betonung von Fragen, die oh-nehin bearbeitet werden resp. immer schonin Bearbeitung sind. Es muss darauf abge-stellt werden, dass ein (zahlenmäßig) aus-gewogenes Verhältnis besteht. (Wenn dieHälfte aller Indikatoren sich nur auf einenSektor des lokalen Umweltschutzes konzen-triert, etwa die Abfallwirtschaft, so werdenin der Auswertung abfallpolitische Aspektedie Bewertung der Ergebnisse dominieren).

■ Indikatoren sollen so gewählt werden, dasseine Kontinuität im Berichtswesen möglichist. Um zu vermeiden, dass schon in kurzenAbständen immer wieder Anpassungen derIndikatoren notwendig werden, ist es wich-tig, sich im Vorfeld mit den Indikatoren kri-tisch auseinander zu setzen und ein konsi-stentes, (möglichst) dauerhaftes Konzept zuerstellen.

Bei der Verwendung von Indikatoren als Instru-ment nachhaltiger kommunaler Politik ergebensich sehr unterschiedliche Herausforderungen

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für die jeweilige Administration. Zum einen be-steht die Gefahr, sich leicht erreichbare anstattsachlich notwendige Ziele zu setzen, umschnelle Erfolge vorweisen zu können. Zwei-tens bringt das Erreichen von Zielvorgaben mitsich, dass eventuelle andere Bereiche vernach-lässigt werden. Ein weiteres Problem bestehtdarin, dass Daten oft „geschönt“ wiedergege-ben werden, was die Überprüfung von Indika-toren mit zunehmender Zahl deutlich er-schwert.15 Umsetzungsprobleme können auchentstehen, wenn die Verfahren zur Indikatore-nerfassung auf eher freiwilliger Ebene erfolgenund damit nicht so stark bindenden Charakterhaben wie andere, bereits etablierte Instru-mente. Und dies weist noch auf einen anderenPunkt hin: neu hinzukommende Planungsin-strumente müssen ihre Relevanz für die kom-munale Praxis erst beweisen, zumal sie oftfeste Entscheidungsabläufe in Frage stellenund darin erworbene Fähigkeiten entwertenkönnen. Damit verbunden ist aber auch die Ge-fahr, dass Interaktionen zwischen den Verwal-tungs- resp. Politikbereichen nicht genügendrealisiert werden. Deshalb gilt festzuhalten,dass eine sorgfältige Auswahl und Definitionder Indikatoren eine zentrale Komponente fürden Erfolg einer kommunalen Nachhaltigkeits-strategie ist. Nicht nur in der Definition der Po-litikinhalte, sondern auch in der Definition derIndikatoren ist es notwendig, eine längerfristigePerspektive im Hinblick auf Klarheit, Komple-xität, Konsistenz, Kompatibilität und Konti-nuität einzunehmen. Nur wenn die Ziele dieserStrategie klar definiert werden, kann auch ge-zielt auf die Erreichung derselben hingearbeitetwerden.16

Wie unterschiedlich Indikatoren gewählt underhoben werden – und damit an Transparenzbesonders im internationalen Vergleich verlie-ren – zeigt folgender Ausschnitt:17

Trotz differierender Auslegungen von Indikato-ren zur Nachhaltigkeit gibt es Bestrebungen zuihrer Vereinheitlichung – besonders auf trans-nationaler Ebene – und teilweise unter Einbe-ziehung von Kommunen, die bereits Indikato-rensets in der Praxis erproben resp. erprobthaben. Hervorzuheben sind hier:18

■ European Common Indicators Initiative, In-itiative Sustainable Cities der EU. 72 Städteaus Europa haben bereits angekündigt,diese Indikatoren einzusetzen. Die In-itiativeist Teil der „Sustainable Cities Campaign“,die alle europäischen Städte um-fasst, wel-che die Charta von Aalborg unterzeichnethaben.

■ Global Urban Observatory, Indikatoren derUNCHS zur Messung der Lebensqualität inden Städten weltweit. In der Datenbanksind Informationen von 230 Städten in 110Ländern abrufbar. Zudem können Städtedie Funktion eines „Local Urban Observa-tory“ übernehmen, das dem „Global UrbanObservatory“ Daten übermittelt und zudemin ein weltweites Netz der Information unddes Erfahrungsaustauschs einbezogen ist.

■ Urban Audit, eine Initiative der Generaldi-rektion Regionalpolitik und EUROSTAT derEU-Kommission mit dem Ziel, einen Städ-tevergleich innerhalb der EU zu ermögli-chen. 58 der größten Städte der EU werdenin den Vergleich mit einbezogen.

■ Zukunftsfähige Kommune, um Kommunenbei ihren Lokalen Agenda 21-Prozessen zuunterstützen, wurden von der DeutschenUmwelthilfe Instrumente zur Bewertung derAgenda-Aktivitäten in einem Set von Nach-haltigkeitsindikatoren entwickelt.

■ Städte der Zukunft, das Forschungsfeld„Städte der Zukunft“ des deutschen Bun-desministeriums für Verkehr, Bau- undWohnungswesen verfolgt das Ziel, durchwissenschaftlich gestützte Strategien undempfehlenswerte Maßnahmen zu einernachhaltigen Entwicklung in den Kommu-nen beizutragen.

■ PASTILLE ist ein Forschungsprojekt mit vierPartnern: Vertreter/innen der Stadtverwal-tungen Winterthur, Lyon, Wien und Londonsowie je eine ortsansässiges Forschungs-einrichtung. Das Projekt beschäftigt sich mitder Entwicklung und Wirkung von Nachhal-tigkeitsindikatoren.

■ European Foundation for Improvement ofLiving and Working Conditions, diese Stif-tung hat einen Vorschlag für ein Indikato-renset für Nachhaltigkeit vorgelegt, das be-sonders in mittelgroßen Städten erprobtwerden soll.

■ Common Assessment Framework, ein nicht

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UNO-Kommission zur

nachhaltigen Entwick-

lung

Europäische Union

Bundesregierung

Verhältnis des Durch-schnittsverdienstesvon Frauen und Männern

Verhältnis der Stun-denverdienste vonFrauen zu jenen vonMännern, Erwerbstä-tigkeit von mehr als15 Std. pro Woche

Verhältnis der Brutto-jahresverdienstevollzeitbeschäftigterFrauen und Männer(35-39)

Lohnungleichheit von Männern und Frauen:

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ausschließlich auf Nachhaltigkeit orientier-tes Qualitätsmanagementsystem für den öf-fentlichen Sektor, bei dem eine Selbstbe-wertung durchgeführt und Vergleichbarkeitim europäischen Verbund hergestellt wer-den soll.

■ Customer Contracts, sogenannte Qualitäts-garantien – wie bereits in Braintree/ Groß-britannien und in Hämeenlinna/Finnlandumgesetzt – eröffnen den Bürger/innen die– einklagbare – Gewährleistung von Qua-lität in den Bereichen der Bearbeitung undUmsetzung von Anträgen (Servicegaran-tien). Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitein durchaus relevanter Aspekt.

Die Vielzahl der Ansätze zeigt, dass es nach wievor keinen einheitlichen Standard für Nachhal-tigkeitsindikatoren gibt und von daher ein sehrheterogenes Feld an Zugängen, Umsetzungen,Versuchen und auch Optionen existiert. Zentralbleibt aber die Frage, wie sich ein praktikablesIndikatorensystem in den kommunalen Verwal-tungsalltag einbinden lässt?

Beispiel 1: Im Zusammenhang mit Wettbewer-ben und Kampagnen zur Unterstützung der Lo-kalen Agenda 21 wurde das Projekt „Zukunfts-fähige Kommune“ von der Deutschen Umwelt-hilfe initiiert. Dabei konnten über 20 Kommu-nen gewonnen werden, ein Indikatoren-Set zuentwickeln und zu erproben, wobei differen-ziert wurde nach Städte und Gemeinden mitüber und mit unter 15.000 Einwohner. Für diegroßen Kommunen ergaben sich 41 Indikato-ren und 11 sogenannte „Sternchen“-Indikato-ren, für die kleineren Städte und Gemeinden 21Indikatoren und 6 mit „Sternchen“. Zwar sindalle Indikatoren für die Bewertung der Nach-haltigkeit gleich wichtig, doch die entsprechen-den Daten werden nicht in allen Kommunen er-fasst oder die Datenlage ist nicht ausreichend.Deshalb die Idee der „Sternchen“ als notwen-dige aber gegenwärtig noch nicht zu erfüllendeVoraussetzung. Die Indikatoren gliedern sich indie Leitkategorien „Wohlbefinden“, „SozialeGerechtigkeit“, „Umweltqualität und Ressour-ceneffizienz" sowie „Wirtschaftliche Effizienz“.Für diese Kategorien gibt es jeweils sechs biszwölf Standard-Indikatoren und die „Stern-chen“-Indikatoren, die sowohl positive als auchnegative Tendenzen anzeigen können.

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Städte unter 15.000 EinwohnerStädte über 15.000 Einwohner

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1. Flächen zur Erholung2. Vereinsleben3. Bevölkerungswandel4. Fahrradwege innerhalb der Kommune5. Kfz-Dichte6. Verkehrsunfälle mit Kindern7. Kriminalitätsrate

Sternchenindikatoren

8. Kinder mit Übergewicht9. Erschließung mit Bus und Bahn10. Wohnungsnahe Grundversorgung11. Aufenthaltsqualität auf innerstädtischenPlätzen12. Lärmbelästigung

Betreuung von Kindern14. Geschlechtergerechtigkeit15. Kommunales Engagement für Jugendliche16. Engagement für Behinderte17. Bildungschancen für Migranten18. Empfänger von Hilfen zum Lebensunterhalt19. Bezahlbarer Wohnraum

Sternchenindikator

20. Kommunales Eine-Welt-Engagement

1. Betreuung von Kindern2. Kulturelles Leben3. Bevölkerungswandel

Sternchenindikatoren

4. Erschließung mit Bus und Bahn5. Wohnungsnahe Grundversorgung6. Kinder mit Übergewicht

7. Geschlechtergleichstellung in der Kommu-nalpolitik8. Kommunales Engagement für Jugendliche9. Empfänger von Hilfen zum Lebensunterhalt

Sternchenindikator

10. Kommunales Eine-Welt-En-gagement

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Die Ergebnisse der einzelnen Indikatoren wur-den in einem Wettbewerbsverfahren von einerJury auf einer Skala von 1-10 bewertet und dieEinzelwerte dann zueinander in Beziehung ge-setzt. In der Gesamtbewertung der Nachhaltig-keit flossen die Ergebnisse dieses „Benchmar-kings“ zu 80% ein. Eine weitere Rolle – ohnequantitative Zuordnung – spielte dann noch dieBeteiligung gesellschaftlicher Gruppen sowieder Stellenwert der Agenda 21 im politischenDiskurs in den jeweiligen Kommunen.19

Das Indikatorenmodell hat einen entschei-denden Vorteil: Es ist von Praktiker/innen mitentwickelt worden und von daher darf eine ge-wisse Praxistauglichkeit vermutet werden. Be-trachtet man nun aber die einzelnen Indikato-ren genauer, so stellt sich doch eine ziemlicheUneinheitlichkeit und Beliebigkeit der Aussa-gefähigkeit zur Nachhaltigkeit heraus. Zwarsind die Indikatoren im Bereich der Umwelt-qualität durchaus auf Nachhaltigkeit orientiert,doch diese stehen gleichberechtigt neben „Ver-einsleben“ und „Kindern mit Übergewicht“.Auch ist irreführend, dass „Kommunale Schul-den“ als nachhaltiger Indikator gilt, ohne hier-bei auf die starke Abhängigkeit dieses Wertesvon den exogenen Kräften (d.h. Landes- undBundespolitik) abzustellen und/oder dies auchin Abhängigkeit des Indikators „Empfänger von

Hilfe zum Lebensunterhalt“ zu sehen. Diese fehlende Interdependenz zeigt, dass es

nicht gelungen ist, integrierte Indikatoren zuentwickeln, die also gleichzeitig etwas überUmweltverträglichkeit und ökonomische Effizi-enz ausdrücken. Außerdem spiegeln die Nach-haltigkeitsindikatoren nicht wider, inwieweiteine Kommune überhaupt die Möglichkeit hat,bestimmte Trends zu beeinflussen (z.B. die Zahlder Sozialhilfebeziehenden in Regionen mitstrukturell hoher Arbeitslosigkeit) und auch woihre Entwicklungs- und Innovationskerne lie-gen, deren Potential ausreichend erscheint, umeinen wesentlichen Entwicklungsimpuls fürNachhaltigkeit zu geben.20

Beispiel 2: Die Stadt Zürich hat Indikatoren auf-gestellt, die den Versuch der gegenseitigen Ab-hängigkeit stärker betonen und darauf ausge-richtet sind, dass eine „eindeutige Verbindungzum übergeordneten Leitbild Nachhaltigkeit“21

vorhanden ist. Im Rahmen einer Fachstelle fürStadtentwicklung wurden 21 Indikatoren iden-tifiziert, wobei diesen eine Beschreibung derBevölkerungsentwicklung vorgeschaltet ist, dieals Grundlage für alle anderen Indikatoren gilt.Die Ergebnisse der Datenerhebungen werdenin einem jährlich erscheinenden Nachhaltig-keitsbericht dokumentiert und fortgeschrieben.

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Städte unter 15.000 EinwohnerStädte über 15.000 Einwohner

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21. Geschützte Natur22. Flächenverbrauch23. Bodenschutz24. Biologische Qualität der Fließgewässer25. Trinkwasserverbrauch im Haushalt26. Abfallaufkommen27. Kommunaler Energieverbrauch28. Umwelt- und ressourcenschonende Ener-gieerzeugung

Sternchenindikatoren

29. Treibhaus-Emissionen30. Verkehrsmittelwahl „Modal Split“31. Bäume auf der Siedlungsfläche32. Vorkommen der Mehlschwalbe

33. Ausbildungschancen34. Arbeitslose Jugendliche35. Existenzgründungen36. Ausgeglichene Wirtschaftsstruktur37. Kommunale Schulden38. Arbeitslosenquote39. Öko-zertifizierte Unternehmen40. Flächeneffizienz der Wirtschaft

Sternchenindikator

41. Ökologische Landwirtschaft

11. Geschützte Natur12. Flächenverbrauch13. Bodenschutz14. Umwelt- und ressourcenschonende Ener-gieerzeugung

Sternchenindikator

15. Vorkommen der Mehlschwalbe

16. Arbeitslose Jugendliche17. Ausgeglichene Wirtschaftsstruktur18. Kommunale Schulden19. Arbeitslosenquote

Sternchenindikatoren

20. Arbeitsplatzangebot21. Öko-zertifizierte Unternehmen22. Ökologische Landwirtschaft

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Diese Indikatoren zeichnen sich durch meh-rere Aspekte aus: Zum einen können die vomIndikator abgebildeten Sachverhalte – zumin-dest mittelbar – tatsächlich durch Aktivitätender Kommune beeinflusst werden und nurdamit ein sinnvolles Monitoring gewährleisten.Zum andern sind die Daten für die Indikatorenfür das gesamte Stadtgebiet verfügbar, so dassderen Aktualisierung mit vertretbarem Auf-wand kontinuierlich erfolgen kann. Da sich dieIndikatoren sowohl an die eigene Verwaltungals auch an die Öffentlichkeit richten, sind sieanschaulich darstellbar und ohne Spezial-kenntnisse verständlich, was die Sensibilisie-rung und Akzeptanz bei den Abnehmer/innenfördert. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Erst-malig werden in den Beschreibungen auch die

weiblichen Schreibweisen benutzt. Dies deutetnicht automatisch auf einen vorhandenen Ein-bezug des Themas Geschlechterverhältnis indie Nachhaltigkeitsdebatte, aber ein ersterSchritt scheint es zu sein. Denn sonst wirdnoch immer konsequent dieses Thema in derDiskussion ausgeklammert oder nur am Randegeführt.22

Für die Datenerhebung hat die Stadt Zürichnun die jeweiligen Inhaltsbereiche und die zu-gehörigen Indikatoren noch weiter differenziertund vereinheitlicht, um den Ansprüchen dereinfachen Erhebung, der Transparenz und derVerknüpfung zur Nachhaltigkeit gerecht zu wer-den. Ausschnitthaft ein Beispiel aus dem Feld(18) „Materielle Gleichstellung“:

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IndikatorName

Bevölkerungsentwicklung

WIRTSCHAFT

WertschöpfungArbeitsplätze

ArbeitslosigkeitSteuereinnahmenVerschuldung der städtischen HaushalteMaterieller Wohlstand

Wohnfläche

UMWELT

Globale ErwärmungMobilität

WasserverbrauchAbfall

LuftqualitätLärmbelastungBodenversiegelung

GESELLSCHAFT

ZufriedenheitSozialleistungenSicherheitMaterielle Gleichstellung

Kinderbetreuung

Integration von AusländerInnen

Internationale Solidarität

Wohnbevölkerung

Wertschöpfung pro EinwohnerInDurchschnittliche Anzahl der Beschäftigten imsekundären und tertiären Sektor pro JahrArbeitslosenquoteReale Steuereinnahmen pro EinwohnerInReale Schulden pro EinwohnerInDurchschnittliches reales steuerbares Ein-kommen pro SteuerpflichtigenBruttogeschossfläche Wohnen pro EinwohnerIn pro qm

CO2-Emmissionen pro EinwohnerInAnteil mit ÖV und Langsamverkehr zurückge-legte Personenkilometer pro TagWasserverbrauch pro Einwohnerin und TagNicht verwertbarer Siedlungsabfall pro Ein-wohnerIn und TagAnzahl Tage mit guter LuftqualitätAnteil lärmbelasteter EinwohnerInnenVersiegelte Fläche pro EinwohnerIn

Beliebtheit der Stadt Zürich als WohnortSozialleistungsquoteGewaltstraftaten pro 1.000 EinwohnerInnenUnterschied zwischen dem Einkommen von Män-nern und Frauen in vergleichbaren TätigkeitenKinder (von 0-6 Jahren) pro Betreuungsplatzin KindertagesstättenEheschließungen zwischen AusländerInnenund Einheimischen in % aller Eheschlies-sungen von AusländerInnenFinanzieller Beitrag der Stadt Zürich zur internationalen Solidarität

12

3456

7

89

1011

121314

15161718

19

20

21

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2.2 Selbstbewertungsmodell

Ein anderer Ansatz zur Erfassung kommunalerNachhaltigkeitsstrukturen orientiert sich amMuster der Selbstbewertung des sogenanntenEFQM-Modells (European Foundation for Qua-lity Management); d.h. an Hand von Kategorienwerden erreichte Ergebnisse ermittelt unddurch eine (Selbst-)Bewertung in ihrer Rele-vanz dargestellt. Damit wird gewährleistet,dass die Kommune ihre Bewertungsschritte inkonkrete Arbeitspakete überführt und, anstattsich in einer Ansammlung von Einzelmaßnah-men und Aktivitäten zu verlieren – wie es beiden Indikatorenmodellen schnell der Fall seinkann – verwaltungsspezifisch und problemori-entiert zu strukturieren und umzusetzen.

Beispiel 1: Ein EFQM-Modell, das im Rahmender Agenda 21-Aktivitäten entstand,23 geht vonneun Kriterienbereichen mit unterschiedlicherGewichtung im Gesamtzusammenhang aus,die sich auf Führung (Gewichtung 10%), nach-haltige Kommunalpolitik und -strategie (Ge-wichtung 8%), Bürger- und Mitarbeiterorientie-rung (Gewichtung 9%), Ressourcen, Prozessm-anagement (Gewichtung 14%), allgemeine Bür-ger- und Mitabeiterzufriedenheit (Gewichtung9%), Zufriedenheit der Agenda-Aktiven (Ge-wichtung 20%), gesellschaftliche Wirkungen(Gewichtung 6%), und Ergebnisse (Gewichtung15%) beziehen. Dabei reicht die Bewertungeines Erreichungs- oder Einschätzungsgrades

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Indikator

Definition

Einheit

Bedeutung für die Nachhaltigkeit

Übergeordnete Ziele

Datenquelle

Verfügbarkeit

Periodizität

Probleme

Links zu anderen Indikatoren

Hilfsindikatoren für die Interpretation

Vergleichbarkeit

Unterschied zwischen dem Einkommen von Männernund Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten im KantonZürichGemessen wird der durchschnittliche Unterschied zwi-schen dem Median des monatlichen Bruttolohns imKanton Zürich von Männern und Frauen für vergleich-bare Tätigkeiten (Basis Vollzeitarbeitsplätze).Sfr.Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allenBereichen der Gesellschaft ist ein wesentliches Anlie-gen der sozialen Gerechtigkeit und damit der nachhal-tigen Entwicklung. Gleicher Lohn für gleichwertige Ar-beit ist aber selbst in der hochentwickelten Schweiznach wie vor keine RealitätBundesverfassung Art.8,3: Mann und Frau sind gleich-berechtigt (...). Mann und Frau haben Anspruch aufgleichen Lohn für gleichwertige ArbeitBundesamt für Statistik, Lohnstrukturerhebung (Stat. Jahrbuch der Stadt Zürich)ab 1994alle 2 JahreDieser Indikator ist nur für den Bezugsraum KantonZürich erhältlich. Zwar unterscheiden sich die Stadtund der Kanton in Bezug auf das Erwerbsverhalten derFrauen (mehr Vollzeitbeschäftigte, mehr hochqualifi-zierte ujd gut bezahlte Arbeitsplätze in der Stadt). DieAussage – weniger Lohn für gleiche Arbeit – stimmt je-doch tendenziell für die Stadt Zürich. Der Indikatorwird mit dem Hinweis auf den Kanton verwendetMaterieller WohlstandErwerbsquote von Frauen der Stadt Zürich (Stat. AmtStadt Zürich)Erwerbsquote von Frauen im Kanton Zürich (Stat. AmtKanton Zürich)Anteil Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigte der Stadt Zürich(Stat. Jahrbuch der Stadt ZürichAnteil Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigte im Kanton Zürich(Stat. Amt Kanton Zürich) Die Lohnstrukturerhebung bezieht sich auf siebenGroßregionen in der Schweiz. Für diese Regionen istder Indikator somit vergleichbar

Materielle Gleichstellung

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von 0% (keinerlei Aktivitäten oder Maßnah-men) über 25% (es gibt einige Anzeichen bzw.erste Schritte werden unternommen) zu 50%(Aktivitäten wurden eingeleitet und Maßnah-men ergriffen) zu 75% (Aktivitäten sind Be-standteil der täglichen Arbeit und Kultur) bishin zu 100% als vollständige Umsetzung unddementsprechend vorbildliche Praxis.

Die einzelnen Kriterien des Modells enthaltennoch jeweils eine Reihe von Unterkriterien, diemögliche Ansatzpunkte für ein detaillierteresVerständnis des jeweiligen Kriteriums aufzei-gen und so eine Art Leitfaden für die praktischeUmsetzung darstellen. Die Selbstbewertunghat gegenüber dem ausschließlichen Indikato-renmodell nennenswerte Vorteile:■ Es wird der gesamte Prozess der Aktivitäten

zur nachhaltigen Entwicklung in einer Kom-mune oder einer einzelnen Abteilung/einemeinzelnen Amt bewertet.

■ Dabei stehen neben den Kategorien derFührung und der Mitarbeiter/innen-Betei-li-gung auch die nachhaltigkeitsorientierte Po-litik und Strategie auf dem „Prüfstand“,werden hier doch die Weichen für eine op-timale Verwendung der Ressourcen undeine flexible Führung aller Prozesse gestellt.Daraus resultierende Ergebnisse schlagensich in einer steigenden Bürger/innen- undMitarbeiter/innen-Zufriedenheit nieder undspiegeln den Wert „Nachhaltigkeit“ genauin seiner tatsächlichen Nachhaltigkeit widerbzw. in der Resonanz auf interne und ex-terne Einschätzungen.

■ Dies kann und muss systematisch erfasstund in seiner Entwicklung über die Zeit hin-weg verfolgt werden.

■ Somit bietet sich für die Kommune dieChance, ein aufeinander abgestimmtes und

in ihren Strukturen verankertes Systemnachhaltiger Entwicklung zu erstellen unddurch die laufende Bewertung in Verbesse-rungsressourcen zu investieren bzw. hier-durch erst ein sinnvolles Nachhaltigkeits-Controlling der Leitbilder, Qualitätsziele und-daten zu realisieren.

Ebenso wie bei den Indikatorenmodellen sindzwischenzeitlich zahlreiche Ansätze analog derEFQM-Vorgehensweise entwickelt worden, inletzter Zeit auch insbesondere in Verbindungmit E-Government.24

Beispiel 2: Ein auf die nachhaltige Entwicklungim kommunalen Zusammenhang ausgerichteteBewertung bietet auch nachfolgendes Modell.25

Hier wird zunächst auf die einzelnen Kriterienabgestellt, die sich auf die Realisierung nach-haltiger Aktivitäten und deren Umsetzung inebensolchen Strukturen beziehen. Dieser „Leit-faden“ führt dann zu einem Selbstbewertungs-bogen, in dem die Einschätzungen vorgenom-men werden können, aber auch – und das isteine neue Dimension in der Nachhaltigkeits-diskussion – über die Profilbildung von Stärkenund Schwächen (und der berechtigten Nach-frage nach dem „Überdenken der vorgenom-menen Betrachtung und Begründung“) nach-gedacht wird und als Konsequenz hieraus Akti-vitäten und Projekte zur Verbesserung formu-liert werden. Die dargelegte Situation kommu-naler Nachhaltigkeitsaktivitäten wird im Rah-men einer „Evaluationsspinne“ erfasst und fürden Ermittlungszeitraum fixiert. Diese Markie-rungen stellen den Ausgangspunkt für dienächste Überprüfung dar, um so sukzessiveeinen immer höheren Grad der Vervollkomm-nung nachhaltiger Entwicklung zu erreichen.

5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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Kriterien

1. Gesamtbild

2. Strategie

Fragen

Wird die Nachhaltigkeitspolitik der Kommune auf der Basis der umfassendenNutzung von Informationen aus allen relevanten Quellen (Bürger/innen, In-teressensgruppen / Träger / Mitarbeiter/innen / Medien, Nachbarkommunen /Landkreise entwickelt und angepasst?Sind im kommunalen Arbeitsprozess die wichtigen, zielführenden und quer-schnittsbezogenen Ablaufprozesse ermittelt und beschrieben, so dass die Zu-ständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Beurteilungsmaßstäbe für den Erfolgdes Arbeitsprozesses eindeutig sind?

Hat die Kommune ein eindeutig definiertes Leitbild – oder etwas ähnliches?Wird die Strategie der Kommune in angemessener Form nach innen undaußen kommuniziert?Werden die vorhandenen Strukturen der Kommune den gesetzlichen Vorga-ben z.B. durch das KJHG, den Forderungen des 11. Jugendberichts, den fach-lichen Anforderungen und den gegebenen und noch zu erwartenden gesell-schaftlichen Entwicklungen gerecht?

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5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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3. Partizipation

4. Resonanz

intern

5. Resonanz

extern

6. Wirkungs-

dauer

7. Kontinuität

8. Vernetzung

9.Ressourcen

10.

Gesellschaft-

liche Wirkungen

Lässt sich innerhalb der bestehenden Strukturen in der Kommune eine bes-sere und primär an den Lebenszusammenhängen und Wünschen der Bür-ger/innen ausgerichtete Kooperation der verschiedenen Arbeitsbereiche derKommune/seiner einzelnen Ämter verstärken oder neu entwickeln? Sind bis-lang gesellschaftlich nicht ausreichend berücksichtigte Gruppen stärker in dieArbeit integriert (Gender Mainstreaming)? Z.B. ist Jugendhilfe in erster LinieDienstleistung, die im Zusammenwirken mit von Nutzer/innen und Mitarbei-ter/innen zustande kommt. Daher sind die Nutzer/innen als Ko-Produzen-ten/innen ernst zu nehmen. Ist die Mitwirkung an der Gestaltung der Dienst-leistung ausreichend gesichert?

Ist die Idee des „internen Kunden“ in der Kommune bekannt und wird danachgehandelt; d.h. existiert eine Gleichberechtigung im Austausch von Leistun-gen?Werden in der Kommune Umfragen / Diskussionen betreffs der Zufriedenheitder Mitarbeiter/innen durchgeführt, ausgewertet und Maßnahmen abgelei-tet?

Werden in der Kommune Umfragen / Diskussionen betreffs der Zufriedenheitder Bürger/innen der Träger durchgeführt, ausgewertet und Maßnahmen ab-geleitet?Nutzt die Kommune diese Ergebnisse für Verbesserungsmaßnahmen?

Werden Entwicklungen und problematische Veränderungen der Lebensver-hältnisse und der Sozialräume schneller erkannt und in Bezug auf einen ent-stehenden Bedarf umfassender interpretiert und umgesetzt? Erfüllt die Kom-mune die Anforderungen gegenüber den freien Trägern und anderen Koope-rationspartnern in Bezug auf umfassende Information, faire Kommunikation,Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit?

Wird die geforderte partnerschaftliche Kooperation z.B. zwischen Jugendamt– als Gesamtverantwortlichem für die Jugendhilfe – und den freien Trägernrealisiert?Regen die Führungskräfte der Kommune kontinuierliche Verbesserungen anund wirken sie aktiv mit, wenn es darum geht, die Qualität der Ergebnisseund Abläufe zu steigern?

Verfügt die Kommune über Regeln und Methoden, um kontinuierlich festzu-stellen, ob die Partner/Träger/Lieferanten den Leitlinien nachhaltigen Wirt-schaftens entsprechen? Werden in der Kommune Qualitätszirkel oder ähnli-che Gruppen genutzt, in denen Verbesserungsvorschläge für die Prozessop-timierung z.B. der Bürgerbeteiligung oder der lokalen Agenda 21 entwickeltwerden?

Steht die Ausgaben- und Finanzpolitik im Einklang mit den formulierten Qua-litätszielen?Werden in der Kommune die räumlichen und betrieblichen Ressourcen opti-mal genutzt?Verfügt die Kommune über Methoden, Regeln und Vorschriften, mit denenbestehende Technologien oder Know-how ständig weiter entwickelt werdenund neue Verfahren hinsichtlich ihres Nutzens ermittelt, erprobt und einge-setzt werden? Kann die Kommune zeitnah oder nur mit minimalem Ressour-cenzuwachs auf veränderten oder neuen Bedarf reagieren?

Findet zwischen der Kommune und den Trägern des relevanten gesellschaft-lichen, kulturellen, sozialen und politischen Umfelds ein regelmäßiger Dialogstatt, in dem es darum geht, das gegenseitige Verhältnis dauerhaft zu ver-bessern? Kann die Kommune ein aktuelles Programm zur Umsetzung einernachhaltigen Ressourcen- und Entwicklungspolitik vorweisen?

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5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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11. Ergebnisse

und Indikatoren

Verfügt die Kommune über materielle Messgrößen für die Ermittlung des Er-folgs der Nachhaltigkeitspolitik (Ökobilanzen, finanzielle Qualitäten, wirt-schaftliche Entwicklung, Sozialraumorientierung)? Verfügt die Kommune überimmaterielle Messgrößen für die Ermittlung des Erfolgs der Nachhaltigkeits-politik (Auszeichnungen, kulturelle Bedeutung der Kommune, Zustimmungs-quoten, Projektintensitäten)

Deutlich wird bei diesem Modell, dass es meh-reren Ansprüchen genügt:■ es orientiert sich an relevanten Bereichen

nachhaltiger Entwicklung, in denen dieKommunen aktiv sein müssen;

■ dabei werden zunächst keine Indikatoren inden Mittelpunkt der Einschätzungen/Bewer-tungen gestellt, sondern der Versuch einer„Anschlussfähigkeit“ an die gesellschaftli-chen Transformationsprozesse über dieAuseinandersetzung und Beurteilung kom-munaler Gestaltungs- und Lösungswegeunternommen. Da mit Indikatoren immerauch die jeweilige Zielsetzung mit intendiertist, wird gerade bei der Selbstbewertungdiese erst im Zusammenspiel der einzelnenAktivitäten transparent;

■ dies setzt voraus, dass mit den ermitteltenKriterien auch die notwendige Stärkung der

kommunalen Identität, Politik, Wirtschaft,des Jugendbereichs und der Kultur als diewesentlichen Eckpunkte eines nachhaltigenModells ermöglicht wird;

■ hierzu wird eine starke Gewichtung auf par-tizipative Elemente gelegt. Die Selbstbe-wertung ist so angelegt, dass sie ämterbe-zogen erfolgen kann, um im Ergebnis allerBewertungen dann eine zeitlich synchronewechselseitige Beförderung des Ziel nach-haltiger Entwicklung auf allen kommunalenEbenen zu verstärken;

■ gerade der kommunale Dialog ermöglichtes, diesen Anforderungen gerecht zu wer-den durch das Bestreben, neue Bindungenzwischen sozialen, ökonomischen, ökologi-schen und kulturellen Innovationen imSinne nachhaltiger Entwicklung zu fördern.

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Anmerkungen:

1) Vgl. G. Bachmann: Nachhaltigkeit: Politik mit gesell-schaftlicher Perspektive; in: aus Politik und Zeitge-schichte, Beilage zum Parlament (B 31-32/2002), S. 3ff.

2) M.Schäfer, S.Schön: Nachhaltigkeit als Projekt derModerne; Berlin 2000, S. 11.

3) E. Müller: Der Stellenwert sozialer Themen in dernationalen Nachhaltigkeitsstrategie; in: BMFSFJ (Hg.):Zivilgesellschaft und soziale Nachhaltigkeit – Forum zurnationalen Nachhaltigkeitsstrategie; Berlin 2002, S. 13.

4) Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft desbürgerlichen Engagements“; in: Bts.Drs. 14/8900, S.88.

5) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit; Berlin o.J., S. 252.

6) Vgl. hierzu H. Heinelt, E. Mühlich (Hg.): LokaleAgenda 21-Prozesse. Erklärungsansätze, Konzepte undErgebnisse; Opladen 2000.

7) Vgl. zu den Zitaten: Podiumsdiskussion „SozialeNachhaltigkeitspolitik – nachhaltige Sozialpolitik; in:BMFSFJ (Hg.), Zivilgesellschaft und soziale Nachhaltig-keit – Forum zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie,a.a.O.,26 ff.

8) E. Müller: Der Stellenwert sozialer Themen in dernationalen Nachhaltigkeitsstrategie; in: BMFSFJ (Hg.):Zivilgesellschaft und soziale Nachhaltigkeit – Forum zurnationalen Nachhaltigkeitsstrategie; a.a.O., S. 16.

9) Vgl. hierzu insbesondere: Bericht der Enquete-Kommission, a.a.O., S. 88 ff.

10) Interessant ist in diesem Zusammenhang, dassangesichts der Reform- und Transformationsnotwen-digkeiten, die sich aus der Nachhaltigkeitsdiskussionergeben, die Forderung nach Stärkung des föderalenSystems erwächst: Nachhaltigkeit ist Ländersache, sodie Aussage! Gleichzeitig weitet sich aber der globaleKontext immer stärker aus und bestimmt bereitsunzählige Bereiche. Wie unter diesen Bedingungennachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftsformenentwickelt werden können, ist durchaus offen. Vgl.hierzu: E. Schramm: Nachhaltige Entwicklung in denBundesländern; in: Zeitschrift Kommune, 18. Jg.,11/2000.

11) Vgl. H. Brocke: Soziale Arbeit als Koproduktion. 10Empfehlungen zur Nachhaltigkeit sozial(räumlich)erIntegration. Journal der Regiestelle E&C, Nummer 7(26.08.2002), S. 3f.

12) J. Bogumil, L. Holtkamp: Entscheidungs- undImplementationsprobleme bei Sozialraumbudgets auspolitikwissenschaftlicher Sicht; Expertise im Auftragder Regiestelle E&C der Stiftung SPI, Berlin 2002, S. 6.

13) Vgl. hierzu auch: Projektgruppe WANJA (Hg.):Handbuch zum Wirksamkeitsdialog in der offenenKinder- und Jugendarbeit; Münster 2000, S. 268 ff.Dort werden u.a. Prinzipien eines Wirksamkeitsdialogsformuliert wie Multiperspektivität, Partizipation, Trans-parenz, Fachlichkeit und Nutzerorientierung.

14) Ch. Behrendt: Indikatoren im Sozialen Bereich ineuropäischer Perspektive; in: BMFSFJ (Hg.), Zivilgesell-schaft und soziale Nachhaltigkeit – Forum zur nationa-len Nachhaltigkeitsstrategie; a.a.O., S. 37

15) Ein aussagekräftiges Beispiel verdeutlichtdies:“...Wenn eine Statistik (...) erstellt wurde, über-prüfte man immer, ob die Zahlenangaben so weiterge-geben werden konnten, damit nicht irgendwo in einemOrt die Wogen hochgehen, weil der (...) Bürgermeisteranruft und sich genauer erkundigt, was da in seinerGemeinde vorgeht...“. Zitiert nach: J.Bogumil, L.Holtkamp: Entscheidungs- und Implementationspro-bleme bei Sozialraumbudgets aus politikwissenschaftli-cher Sicht; a.a.O., S. 8.

16) Damit wird auch das allgemein bekannte Phäno-men weitestgehend umgangen, dass Kommunalpolitikund Verwaltungsspitzen häufig für neue Planungs-ansätze zu begeistern sind, sofern dabei nicht dieZielerreichungsgrade gemessen werden.

17) Vgl. hierzu Ch. Behrendt, a.a.O., S. 42.

18) Vgl. hierzu: Nachhaltigkeitsindikatoren Stadt Zürich;ORL-Institut der ETH Zürich; Zürich o.J., S. 8 ff.

19) Es sind eine Vielzahl von sogenannten „gutenBeispielen nachhaltiger Entwicklung“, aus der Agenda21-Bewegung hervorgegangen. So z.B. eine Nachhal-tigkeitsinventur der Stadt Nienburg/Weser, ein Nachhal-tigkeitscheck von Ratsvorlagen aus Rheinfelden/Badenund Schweiz sowie ein Kompass Nachhaltigkeit derStadt München.

20) Vgl. hierzu u.a.: K. Lindloff, L. Schneider: Handbuchnachhaltige regionale Entwicklung; Dortmund 2001.

21) Nachhaltigkeitsindikatoren Stadt Zürich; a.a.O., S.10.

22) Vgl. hierzu besonders: M. Schäfer, S. Schön, a.a.O.,S. 239 ff.

23) Fragebogen zur (Selbst-)Evaluation von Agenda 21-Prozessen nach dem Qualitätsmodell der EFQM;Richard Häusler, TU WAS; o.O., o.J.

24) Hier hat insbesondere die Bertelsmann Stiftungeinen Balanced E-Government Index entwickelt, beidem Kommunen online eine Selbstevaluation ihrerVerwaltungsleistungen in Bezug auf Nutzen, Effizienz,Partizipation, Transparenz und Change Managementdurchführen können. Gegenwärtig sind 187 bewertbareEinträge erfolgt und der selbsterstellte „Notendurch-schnitt“ beträgt 2,9 (Schulnotenskala!). BertelsmannStiftung: Balanced E-Government. Update zur Ergebnis-auswertung der Begix-Online Selbstevaluation; Güters-loh 2002.

25) Vgl. hierzu ANHANG „Selbstbewertungsmodell“.

5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete„Nachhaltigkeit“ – Ein Qualitätsmerkmal sozialräumlicher Arbeit

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Anhang

„Selbstbewertung Nachhaltige Entwicklung“

Vorbemerkung

Die folgende Selbstbewertung gliedert sich in die folgenden Abschnitte:1. Gesamtbild2. Strategie3. Partizipation4. Resonanz (1)5. Resonanz (2)6. Wirkungsdauer7. Kontinuität8. Vernetzung9. Ressourcen10. Gesellschaftliche Wirkungen11. Ergebnisse und Indikatoren

Die Selbstbewertung stellt eine erste Einschätzung dar. Sie zeigt in den dargelegten Einschät-zungen, wie weit die organisatorisch/institutionelle Struktur der Kommune/des jeweiligenAmtes/seiner Abteilungen wirksam ist.

Als Einschätzung (=Kriterien der Auswahl) wird vorgeschlagen, dass die Stufe (4) „in mehrerenPunkten“ dann gewählt wird, wenn deutlich weniger als die Hälfte des Gesamtpotentials erreichtwurde. Ebenso sollte die Stufe (5) „Trifft überwiegend zu“ dann gewählt werden, wenn deutlichmehr als die Hälfte des Gesamtpotentials erreicht wurde. Die anderen Einschätzungen erklärensich von selbst.

Die Selbstbewertung kann von jeder Person einzeln gemacht werden. Interessanter ist jedochdie gemeinsame Bewertung in einer Gruppe. Die Bewertungen erfolgen im Konsens. Die in dieDiskussion eingebrachten Anmerkungen werden in einer „Auswertungsspinne“ festgehalten,die – über einen bestimmten Zeitverlauf hinaus – die (Weiter-)Entwicklung der Aktivitäten desJugendamtes im Bereich Nachhaltigkeit dokumentiert.

Stufe 1

Trifft absolutnicht zuErklärung:Wie angege-ben

Stufe 2

Trifft in einemPunkt zuErklärung:Wie angege-ben

Stufe 3

Trifft in einzel-nen Punkten zuErklärung:Wie angege-ben

Stufe 4

Trifft in mehre-ren Punkten zuErklärung:Deutlich weni-ger als dieHälfte des Ge-samtpotentials

Stufe 5

Trifft überwie-gend zuErklärung:Deutlich mehrals die Hälftedes Gesamt-potentials

Stufe 6

Trifft absolut zu

Erklärung:Wie angege-ben

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Profil der Kommune

In diese Evaluationsspinne können die ermit-telten Werte der einzelnen Nachhaltigkeitsbe-reiche eingetragen werden und dokumentierendamit den aktuellen Stand der nachhaltigenEntwicklung einer Kommune. Aus den Diffe-renzen zu der maximalen Wertigkeit „trifft ab-solut zu“ sind die Aktivitäten und Maßnah-men/Leistungen abzulesen, die es zukünftigumzusetzen gilt, analog den gemachten Vor-schlägen bei den einzelnen Scherpunkten.

Ein solches „Bild“ ermöglicht auf der Zeit-schiene auch die jeweiligen Entwicklungs-schritte und/oder Rückschritte zu veranschauli-chen.

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66

6

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0123456789

101. Gesamtbild

2. Strategie

3. Partizipation

4. Resonanz 1

5. Resonanz 2

6. Wirkungsdauer7. Kontinuität

8. Vernetzung

9. Ressourcen

10. Wirkungen

11. Ergebnisse

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1. Gesamtbild

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Ihrer Zufriedenheit mit den Ergebnissen nachhaltigerAktivitäten in Ihrem Jugendamt.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Aktivitäten(Regelangebote, Projekte,Maßnahmen) tragen vieldazu bei, dass dem Zieleines auf Nachhaltigkeit

ausgerichtetenJugendamtes nähergekommen wird.

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Komune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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2. Strategie

Dieser Abschnitt fragt nach einer systematischen Verfolgung nachhaltiger Ziele in IhrerKommune.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

In der Kommune gibtes eine Strategie zursystematischenVerfolgungnachhaltiger Ziele.

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihres Jugendamtesliegen könnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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3. Partizipation

Dieser Abschnitt beschäftigt sich nun im besonderen mit der Beteiligung vonBürgern/innen, Mitarbeiter/innen und anderen Betroffenen in den genanntenAktivitäten.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Beteiligung vonBürgern/innen,Mitarbeitern/innenund anderenBeteiligten istausgezeichnet

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihres Jugendamtesliegen könnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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4. Resonanz (1)

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Resonanz innerhalb der Kommune aufdie Aktivitäten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Resonanz auf dieArbeit innerhalb derKommune istausgezeichnet

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihres Jugendamtesliegen könnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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5. Resonanz (2)

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Resonanz außerhalb der kommunalenEinrichtungen auf die Aktivitäten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Resonanz auf dieArbeit außerhalbkommunalerEinrichtungen istausgezeichnet

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Kommune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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6. Wirkungsdauer

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Wirkungsdauer der (Regel-) Angebote /Projekte / Maßnahmen.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die (Regel-)Angebote, Projekte,Maßnahmen habeneine langfristigeWirkung.

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihres Jugendamtesliegen könnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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7. Kontinuität

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der langfristigen Absicherung nachhaltigerAktivitäten, z.B. im Hinblick auf

• die Weitergabe der Arbeitsergebnisse und -erfahrungen an Gremien(Jugendhilfeausschuss u.a.)• einen kommunalen Beitrag im Sinne der Qualitätssicherung einzelner Aktivitäten /Projekte / Maßnahmen.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Kontinuität derArbeitsergebnisse /Projekte u.ä. istgesichert.

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Kommune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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8. Vernetzung

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Vernetzung nachhaltiger Aktivitätenuntereinander und der Einbindung in andere kommunale Tätigkeiten.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die einzelnenAktivitäten sind gutin anderekommunaleTätigkeiteneingebunden

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Kommune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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9. Ressourcen

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Nutzung der vorhandenen Ressourcen IhrerKommune (Zeit, Geld, Räume, Personal, Partnerschaften etc.) für die Realisierung derAktivitäten / Projekte.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Ressourcen derKommune werdenoptimal für dieAktivitäten/Projektegenutzt

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Kommune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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10. Gesellschaftliche Wirkung

Dieser Abschnitt fragt nach einem kommunalen �Nachhaltigkeitsmarketing�; d.h.Übernahme von Verantwortung im Zusammenhang mit globaler Gerechtigkeit.

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6In der Kommune gibt eseinNachhaltigkeitsmarketing, das über dieunmittelbaren lokalenBelange hinaus fürglobaleEntwicklungsaufgaben,kulturellen Austausch undweltweite Gerechtigkeitin entsprechendenProjekten eintritt

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Kommune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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11. Ergebnisse und Indikatoren

Dieser Abschnitt fragt nach kommunalen Messgrössen in Ihrer Kommune für dieErmittlung des Erfolgs ihrer Nachhaltigkeitspolitik (Beteiligungsquoten, Öko-Bilanzen,Ressourceneinsparungen, wirtschaftliche Entwicklung).

Trifft die folgende Aussage zu? Markieren Sie Ihre Einschätzung auf dem Pfeil.

1 2 3 4 5 6

Die Kommune verfügtüber Messgrößen für dieMessung des Erfolgs(Messzahlen,Zustimmungsquoten,Imagefaktor u.ä.)

Denken Sie nun bitte noch einmal über Ihre Bewertung nach. Auf welche Tatsachen stützt sie sich?

Müssen Sie nach Betrachtung der Begründung Ihre Bewertung überdenken?

Bitte denken Sie an dieser Stelle darüber nach, wo besondere Stärken Ihrer Kommune liegenkönnten und wo Sie gegebenenfalls Schwächen sehen.

Stärken:

Schwächen:

Gibt es Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen?

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Ina Epkenhans,

Jugendbündnis für Johannesburg

Ist die Nachhaltigkeits-

debatte eine Diskussion der

„Alten“ über die „Jungen“?

Jugendbeteiligung im Nach-

haltigkeitsprozess aus der

Sicht junger Menschen

Niemand will soviel Reformen durchführen wieKinder (Franz Kafka)

Wenn wir über Kinder und Jugendliche undNachhaltige Entwicklung sprechen, so sindzwei unterschiedliche Ebenen auszumachen.Zum einen meint Nachhaltige Entwicklung eineEntwicklung für die Zukunftschancen derzukünftigen Generationen und damit auch derjungen Generation (inhaltliche Dimension).Und zum anderen meint Nachhaltige Entwick-lung eine Entwicklung mit Kindern und Ju-gendlichen, sprich eine Entwicklung, in der Kin-der und Jugendliche die Zukunft mitgestalten(methodische Dimension).

I. Nachhaltigkeit als eine Entwicklung

für Kinder und Jugendliche

„Nachhaltige“ oder „zukunftsfähige Entwick-lung“ hat zum Ziel, gegenwärtigen und nach-rückenden Generationen eine Zukunft in Frei-heit zu ermöglichen, eine gesunde Zukunft ineinem sicheren Lebensraum. Angesichts derTatsache, dass die zukünftigen Generationenihre Interessen nicht artikulieren können, sinddiejenigen, die die längste Lebenszeit noch vorsich haben, also Kinder und Jugendliche, Re-präsentanten dieser Zukunftsinteressen. Mottoist: Wir Kinder und Jugendliche machen 50Prozent der Weltbevölkerung aus, aber 100 Pro-zent der Zukunft.

Doch wir sind nicht nur von einer Zukunft inFreiheit für ‚noch Ungeborene’, sondern auchvon einer ‚freien’ Zukunft für die lebende jungeGeneration weit entfernt. Zu viele politischeEntscheidungen mit unwiderruflichen und ein-deutig negativen Konsequenzen wurden nichtnur, sondern werden noch immer getroffen.Wir ‚Jungen’ sehen uns Folgen wie etwa hor-renden Verschuldungssummen in Ländern undGemeinden, die nur schwer abzubauen sindund einer bevorstehenden Klimakatastrophe,die nur schwer zu verhindern ist, ausgesetzt.

Wir ‚Jungen’ und unsere Interessen steheneben nicht im Zentrum der Entscheidungen der‚Alten’, sondern nach wie vor wird kurzfristigenInteressen Vorrang eingeräumt und die Zukunft

der ‚Jungen’ wissentlich geopfert.

II. Nachhaltigkeit als eine Entwick-

lung mit Kindern und Jugendlichen

Umso wichtiger ist und wird die aktive Einbe-ziehung von Kindern und Jugendlichen in dieökologische, wirtschaftliche und soziale Ent-wicklung unserer Gesellschaft. Damit wirdnicht nur eine höhere Demokratiestufe erklom-men und wirkliche Demokratie gelebt (norma-tive Dimension), sondern die Beteiligung vonjungen Menschen ist auch von essentiellerfunktionaler Bedeutung.

Warum ist unsere Beteiligung wichtig?

Wir Kinder und Jugendliche bringen mit unse-ren langfristigen Interessen die ‚Zukunftsdi-mension’ und damit die Dimension der ‚Ge-rechtigkeit zwischen den Generationen’ in denpolitischen Diskurs ein. Wir sind gemessen anunserer Lebenszeit die von den politischen Ent-scheidungen am stärksten Betroffenen.

Dabei ist die Verankerung der ‚Zukunftsdi-mension’ insbesondere vor dem Hintergrunddes demographischen Wandels in Deutschlandwichtig. Die zum Großteil nicht wahlberechtig-ten Jugendlichen sind eine immer kleiner wer-dende Minderheit und ihre Interessen laufenGefahr, kaum noch vertreten zu werden. Diesführt nicht nur zu einem Vertrauensschwundder jungen Menschen in das demokratische Sy-stem und seinen Wohlfahrtsinstitutionen –nicht umsonst hat man ja bereits eine ‚Institu-tionenverdrossenheit’ bei Jugendlichen festge-stellt – sondern kann auch zu Generationskon-flikten führen. Beteiligung wird damit zur Be-dingung für die Stabilität des demokratischenSystems in Deutschland, damit Kinder und Ju-gendliche wieder die Gewissheit bekommen,dass ihre Interessen im politischen SystemGehör finden.

Angesichts der zahlreichen Zeugnisse desverantwortungslosen Umgangs mit der Zu-kunft ist Beteiligung dabei nicht Selbstzweck,sondern für die Jugend ein demokratischesMittel, sich sowohl für die ihrigen, als auch fürdie Lebensbedingungen der zukünftigen Gene-rationen einzusetzen. In dem Moment, wo die‚Alten’ die Interessen der ‚Jungen’ nicht aus-reichend vertreten und berücksichtigen, wirddas ‚Sich-Einsetzen’ von Kindern und Jugend-lichen zur Notwendigkeit.

Und aus diesem Gefühl heraus, dass wirnicht nur ein Recht auf Selbstvertretung, son-dern auch eine Verpflichtung gegenüber derZukunft haben, schöpfen viele Jugendliche, diemit mir im Nachhaltigkeitsbereich aktiv sind,ihre Motivation und ihren kontinuierlichen Ta-

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tendrang. Lange haben sich nicht mehr so vieleJugendorganisationen und -vereine kritisch indie politischen Debatten eingebracht, wie inden vergangenen zwei Jahren. Nur zwei Bei-spiele sollen an dieser Stelle genannt sein: Alsdie Riester-Rente verabschiedet wurde, organi-sierte die Jugendorganisation Yois Deutsch-land eine Protestaktion in Berlin, in der siesymbolisch die junge Generation zu Grabetrug, um auf diesem Wege auf die Konsequen-zen der Riester-Rente für die ‚Jungen’ aufmerk-sam zu machen. Und im August diesen Jahreskamen Greenteamer auf dem Alexanderplatzzusammen, um auf die schleppenden Verhand-lungsfortschritte der UN-Konferenz für Nach-haltige Entwicklung in Johannesburg aufmerk-sam zu machen. Sich um eine Pappmaché-Weltversammelnd, verteidigten sie bei dieser Ak-tion, auf Sandsäcken sitzend, die Welt vor dendrohenden Fluten.

Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt istferner, dass Beteiligung von Kindern und Ju-gendlichen eine unabdingbare Voraussetzungfür einen echten Generationendialog darstellt.Wir brauchen nicht eine Gesellschaft, in der die‚Alten’ über die ‚Jungen’ und die ‚Jungen’ überdie ‚Alten’ reden, wir brauchen einen Aus-tausch und ein Miteinander. Will die deutscheGesellschaft eine zukunftsorientierte Gesell-schaft sein, dann muss sie Kinder und Jugend-liche um ihrer selbst willen beteiligen.

III. Ist Jugendbeteiligung immer auch

‚nachhaltig’ im Sinne der Agenda 21?

Traditionelle Beteiligung versus Beteiligung

im Rahmen der Lokalen Agenda 21

Meine These ist – und im folgenden soll sie zu-gespitzt dargelegt werden – dass, wenn mansich Kinder- und Jugendpartizipation inDeutschland ansieht, eine Zweiteilung nichtnur in der wissenschaftlichen Literatur und imöffentlichen Diskurs, sondern vor allem auch inder Praxis deutlich wird:■ Zum einen gibt es die traditionelle Beteili-

gung von Kindern und Jugendlichen, diesich etwa auf die Kinderrechtskonvention(KRK) und das Kinder- und Jugendhilfege-setz (KJHG) beruft und sich bis auf refor-mpädagogische Ansätze in den 1920er Jah-ren zurückverfolgen lässt.

■ Zum anderen gibt es die Beteiligung vonKindern und Jugendlichen im Rahmen derAgenda 21 seit der Rio-Konferenz 1992.

Traditionelle Beteiligung

Im Zentrum der ‚traditionellen’ Jugendbetei-ligung stehen Paragraph 8 des Kinder- und Ju-

gendhilfegesetzes, „Kinder und Jugendlichesind entsprechend ihrem Entwicklungsstand anallen sie betreffenden Entscheidungen der öf-fentlichen Jugendhilfe zu beteiligen“ und Arti-kel 12 der Kinderrechtskonvention „Die Ver-tragspartner sichern dem Kind [...] das Rechtzu, [seine] Meinung in allen das Kind berühren-den Angelegenheiten frei zu äußern, und be-rücksichtigen die Meinung des Kindes ange-messen und entsprechend seinem Alter undseiner Reife“.

In den vergangenen Jahren hat sich bei derUmsetzung dieser Vorgaben Einiges getan.Laut einer Untersuchung des Deutschen Ju-gendinstituts (1999) gibt es in 38 Prozent derKommunen Beteiligungsformen für Kinder undJugendliche. Man kann allerdings noch langenicht von einer flächendeckenden rechtlichenVerankerung von Kinder- und Jugendbeteili-gung in allen Landes- und Gemeindeverfas-sungen sprechen oder gar von einem flächen-deckenden und auf allen politischen Ebenenwirksamen Beteiligungsangebot. Doch dies seian dieser Stelle auch nur erwähnt, um nichtden Gedanken aufkommen zu lassen, der Sta-tus quo sei befriedigend. Denn Anspruch ist,dass jede/r Jugendliche, der sich beteiligenmöchte, auch die Möglichkeit dazu bekommt.

Es soll jedoch vielmehr erörtert werden, wieim Vergleich zu dieser ‚traditionellen’ Beteili-gung von Kindern und Jugendlichen, Beteili-gung im Kontext der Agenda 21 zu sehen ist,um die Frage ‚Ist Beteiligung immer auch nach-haltig’ im Sinne der Agenda 21 beantworten zukönnen.

Beteiligung im Rahmen der Lokalen Agenda 21

Für die Beteiligung von Kindern und Jugendli-chen im Rahmen der Agenda 21 steht dasAgenda-Kapitel 25. Hier heißt es (25.2): „Es istzwingend erforderlich, dass Jugendliche ausallen Teilen der Welt auf allen für sie relevantenEbenen aktiv an den Entscheidungsprozessenbeteiligt werden, weil dies ihr heutiges Lebenbeeinflusst und Auswirkungen auf ihre Zukunfthat.“

Damit geht die Agenda 21 einen Schritt weiterals etwa das KJHG oder die KRK. Während lautKJHG und der KRK Kinder und Jugendliche ‚zubeteiligen sind’ und ‚das Recht haben sich zuäußern’ ist die Agenda 21-Formulierung weitausbeteiligungsenthusiastischer. Beteiligung wirdzum ‚zwingenden Erfordernis’. Denn, (25.1):„[d]ie Einbeziehung der heutigen Jugend in um-welt- und entwicklungspolitische Entschei-dungsprozesse und ihre Beteiligung an der Um-setzung von Programmen ist mitentscheidendfür den langfristigen Erfolg der Agenda 21“.

Kinder- und Jugendbeteiligung steht damit

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nicht mehr allein im Kontext der Realisierungeiner neuen Demokratie- und Bürgergesellschaftund in dem Bewusstsein, dass Kinder und Ju-gendliche ein unveräußerliches Recht auf Betei-ligung haben, sondern zusätzlich vor dem Hin-tergrund, dass ohne Jugendbeteiligung dieseWelt keine Zukunft hat. Dies wirft ein ganz an-deres Licht auf Kinder- und Jugendbeteiligung.

Doch die Agenda 21 spricht Kinder- und Ju-gendbeteiligung nicht nur eine viel essentiellereBedeutung zu, sie stellt Beteiligung auch ineinen neuen Zusammenhang. Denn zentrale An-liegen der Agenda 21 sind: ■ die Übernahme einer Verantwortung für die

‚Eine Welt’ (d.h. die Entwicklung in einemTeil der Erde darf nicht auf Kosten der Ent-wicklung in anderen Teilen der Erde gehen)

■ und gelebte Generationengerechtigkeit (d.h.gesellschaftliche Bedürfnisse dürfen nichtdadurch erkauft wird, dass kommende Ge-nerationen ihre Bedürfnisse nicht mehr be-friedigen können).

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen be-kommt dadurch verstärkt eine inhaltliche Di-mension. Sie ist der Weg um das Ziel Nachhal-tige Entwicklung zu erreichen und muss deshalbbeispielsweise auch das Nachspüren sozialerund wirtschaftlicher Zusammenhänge, eineAuseinandersetzung mit der Umwelt und ein‚Sich-Einsetzen’ für die ‚Eine Welt’ sowie echtenGenerationendialog beinhalten.

Dies sind hohe Ansprüche an Beteiligung,doch dass sie keine Utopie darstellen, zeigt kei-ner besser als das Münchener Ökoprojekt - Mo-bilSpiel e.V. (www.mobilspiel.de/Oekoprojekt),auf das an dieser Stelle nur verwiesen sei.

In Deutschland stehen wir nur leider vor derSituation, dass Kinder- und Jugendbeteiligungim Rahmen der Lokalen Agenda 21 eher dieAusnahme als die Regel ist. Laut dem ‚LokaleAgenda 21-Netzwerk Deutschland’ (2002) sindhöchstens 16% der ca. 14.200 deutschen Kom-munen überhaupt aktiv mit Nachhaltigkeitsü-berlegungen im Sinne der Agenda 21 befasst.Und dann ist zwar noch nicht evaluiert worden,in wie vielen lokalen Agenda 21 Prozessen Kin-der und Jugendliche eingebunden sind – wasan sich schon aussagekräftig ist –, doch aus un-seren Erfahrungen als Nachhaltigkeitsakteure,die wir ein ganzes Jahr versucht haben Kon-takte und Beziehungen zu lokalen Agenda 21-Kinder- und Jugendgruppen herzustellen, kön-nen wir sagen, dass die große Mehrzahl keineKinder- und Jugendgruppen hervorgebrachthat. Kinder- und Jugendbeteiligung scheinteher als sporadisches Nebenprodukt, denn alsessentieller Programmpunkt in die LokalenAgenden Eingang gefunden zu haben.

Nachdem wir also ohne Erfolg versucht hat-ten, etablierte Lokale Agenda 21-Kinder- und Ju-

gendgruppen zu finden, versuchten wir uns mitaus der ‚traditionellen’ Beteiligung hervorge-gangenen Jugendgruppen zu verbünden undsie für Nachhaltigkeit zu interessieren. Diesscheiterte jedoch daran, dass diese zum über-wiegenden Teil noch nie von der Agenda 21gehört hatten.

Das heißt: Es gibt auf der einen Seite Jugend-liche, die sich beteiligen, aber leider nichts vonder Agenda 21 wissen, und auf der anderenSeite gibt es eine Lokale Agenda 21, die Ju-gendbeteiligung vernachlässigt.

In der Türkei verhält es sich ganz anders. Hierist die lokale Agenda 21 zu dem Ort der Beteili-gung von Kindern und Jugendlichen geworden.Und Kinder- und Jugendbeteiligung ohne Ge-nerationendialog und ohne eine globale oderökologische Perspektive ist in der Türkei nichtdenkbar. Dies mag allerdings sicherlich auchdarauf zurückzuführen sein, dass erst mit derAgenda 21 breite Demokratisierungsprozesseeinsetzten und nicht wie in Deutschland, Kinder-und Jugendbeteiligung schon vor Verabschie-dung der Agenda 21, also vor 1992, Fürsprecherhatte.

Zurück aber zur Frage: Ist Beteiligung immerauch ‚nachhaltig’ im Sinne der Agenda 21? Mei-ner Meinung nach Nein! Denn Nachhaltige Ent-wicklung meint mehr als eine breitangelegte De-mokratisierungs- und Partizipationsbewegung.Sie meint auch eine Auseinandersetzung mitden Anliegen der Agenda 21 und beinhaltet dar-über hinaus eine stärker fordernde Beteili-gungsphilosophie, nämlich die, dass (25.1)„[d]ie Einbeziehung der heutigen Jugend in um-welt- und entwicklungspolitische Entschei-dungsprozesse und ihre Beteiligung an der Um-setzung von Programmen [...] mitentscheidend[ist] für den langfristigen Erfolg der Agenda 21“und damit für die Zukunft dieser Welt.

Was folgern wir daraus?

Wünschenswert ist, dass in Zukunft die Agenda21 Anliegen sehr viel stärker als bisher in tradi-tionelle Beteiligungsmodelle auf lokaler Ebeneintegriert werden. Eine Verknüpfung bringt Vor-teile: Die traditionellen Beteiligungsmodelle er-fahren eine Aufwertung. Sie ermöglichen nichtnur wie bisher Kindern und Jugendlichen ander Gesellschaft aktiv teilzuhaben und den ei-genen Lebensraum mitzugestalten. Sie ma-chen darüber hinaus Kinder- und Jugendbetei-ligung auch zu einem Beitrag für globale Ge-rechtigkeit und eine lebenswerte Zukunft. Aufder anderen Seite ermöglicht eine Verknüp-fung, dass die Leitideen der Agenda 21 eineVerbreitung erfahren und dies ist unbedingteVoraussetzung für den Erfolg der Agenda 21.

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Resümee

Beteiligung, die den Ansprüchen der Agenda21 genügen will, muss beinhalten: 1. Beteiligungsangebote, die gleichzeitig An-

gebote der Bildung für Umwelt und die ‚Eine

Welt’ darstellen

Etwa beim Aufbau eines Spielplatzes ist nebenden Interessen und Bedürfnissen der Kinder zu-sätzlich zu berücksichtigen und mit den Kin-dern zu diskutieren, was für Materialen ver-wendet werden, ob sie beispielsweise einenlangen Transportweg hinter sich haben undwiederzuverwerten sind.2. Horizontale und vertikale Vernetzungen von

Kinder- und Jugendgruppen auf allen Ebenen

Vernetzungen auf lokaler, nationaler und inter-nationaler Ebene von Kinder- und Jugendgrup-pen soll helfen die globale Dimension desNachhaltigkeitsgedankens zu verdeutlichenund Austausch zu fördern. Eine beispielhafteInitiative ist etwa der Global Youth Service Day.An einem Wochenende, im kommenden Jahrwird es das Wochenende vom 11. bis zum 13.April 2003 sein, werden überall auf der WeltKinder und Jugendliche ihre Arbeitskraft imSinne des Generationengerechtigkeitsgedan-kens einsetzen. 3. Die Förderung eines kontinuierlichen Dia-

logs zwischen den Generationen

So plant etwa der Verein Yois Deutschland, imRahmen des Global Youth Service Day Ju-gendgruppen zu mobilisieren, die Angehörigender älteren Generation ein Wochenende langComputerkurse anbieten.4. Eine neue Beteiligungsphilosophie, die Be-

teiligung als ‚zwingendes Erfordernis‘ sieht

Die ‚pädagogische’ Beteiligung von Kindernund Jugendlichen muss durch konsequente‚politische’ Beteiligung abgelöst werden undKinder und Jugendliche als gleichberechtigtePartner im politischen Prozess anerkannt wer-den.

Ist die Nachhaltigkeitsdebatte eine Diskus-

sion der ‚Alten’ über die ‚Jungen’?

Abschließend noch einmal zu der Frage: Ist dieNachhaltigkeitsdebatte eine Diskussion der‚Alten’ über die ‚Jungen’? Betrachtet man dieDesiderata der Agenda 21 muss man miteinem ganz klaren Nein antworten: Es gibtwohl kein Dokument, das wie die Agenda 21den Generationendialog herausstellt und dieBedeutung von Kinder- und Jugendbeteiligunghervorhebt. Doch Praxis und Theorie liegt wieso oft auch hier weit auseinander. Wir sindnoch sehr weit davon entfernt, Lokale Agendenin Deutschland flächendeckend vorzufinden.Die existierenden Initiativen binden Kinder-und Jugendliche noch nicht ausreichend ein.

Eine stärkere Verknüpfung ‚traditioneller’ Be-teiligungen mit dem Agenda 21-Gedankenwäre ein wichtiger Schritt in die richtige Rich-tung, um zum einen Nachhaltigkeit verstärkt inalle Arenen der Gesellschaft einzubringen undzum anderen die Diskussionen der ‚Alten’ überdie ‚Jungen’ zu einer Diskussion miteinanderwerden zu lassen.

Ina Epkenhans ist Studentin der Sozialwissen-schaften in Münster, 23 Jahre alt, seit 2001 imVorstand des Vereins Futur X – Gesellschaft fürGenerationengerechtigkeit e.V. und Koordina-torin des Jugendbündnisses für Johannesburg. Veröffentlichungen: Jugendliche auf dem Weltgipfel für nachhaltigeEntwicklung. In: kontra. 10/2002. S. 37.Es ist unsere Zukunft über die Ihr entscheidet.In: Provo. Publik-Forum. 5/2002. S. 3-4.Der Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung inJohannesburg. Um was geht es? In: Fluter – Bundeszentrale für Politische Bildung. Juli/Au-gust 2002.

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5. Zielgruppenkonferenz der Vertreter/innen von Städten und Gemeinden der E&C-Gebiete

"Nachhaltigkeit" � ein Qualitätsmerkmalsozialräumlicher Arbeit

12. Dezember 2002

HeiligkreuzkircheZossener Str. 65

10961 Berlin-Kreuzberg

10.30 Tagungsbüro eröffnet

11.00 Begrüßung:Andreas Hemme, Regiestelle E&C

11.15 Einführender Vortrag:Bildung für Nachhaltigkeit � Lernofferten für junge Menschen in sozialenBrennpunktenDr. Gregor Lang-Wojtasik, Universität Erlangen

12.15 Mittagessen

13.15 Arbeitsgruppen

Handlungsfeld PartizipationPartizipation von Kindern und Jugendlichen � Ein Beitrag zurNachhaltigkeitImpuls:Matthias Bartscher, Kinderbüro Stadt HammModeration: Regiestelle E&C

Handlungsfeld Ökonomie-Ausbildung-ArbeitÜbergänge nachhaltig schaffenImpuls:Heike Wolff, Ausbildungsgemeinschaft NeubrandenburgModeration: Regiestelle E&C

Nachhaltigkeit im kommunalen DialogVerfahren und Instrumente eines QualitätsprozessesImpuls:Rolf-Joachim Heger, Stiftung SPIModeration: Regiestelle E&C

15.00 Kaffeepause

15.20 Ist die Nachhaltigkeitsdebatte eine Diskussion der �Alten� über die�Jungen�?Jugendbeteiligung im Nachhaltigkeitsprozess aus der Sicht jungerMenschen(Wir diskutieren mit, wenn über uns diskutiert wird)Vortrag:Ina Epkenhans, Jugendbündnis für Johannesburg

16.00 Abschlussworte und Verabschiedung

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Teilnehmer/-innen

Grimm Peter Landkreis Bitterfeld Mittelstraße 20 06749 Bitterfeld

Kempf Rolf Stadtverwaltung Heidelberg Forum 1 69126 Heidelberg 06221-356333 [email protected]

Kühn Marion Jugendamt Neubrandenburg Friedrich-Engels-Ring53

17033Neubrandenburg

0395-5552043 [email protected]

Becker Michael BA-Friedrichshain-Kreuzberg Frankfurter Allee 35/37 Berlin 030-23244689 [email protected]

Fischer Horst Stadt Siegen Weidenauer Str. 211 57076 Siegen 0271-4042225 [email protected]

Ziegler Bernd Stadt Kassel Obere Königstr. 8 34112 Kassel 0561-7877008 [email protected]

Sauermann Frank Stadt Halle (Saale) Schopenhauerstr. 4 06114 Halle 0345-2215661 [email protected]

Schober Alexander Gemeinde Schwalbach Ensdorfer Str. 2a Schwalbach 0170-7388584 [email protected]

Lenz Martin Stadt Karlsruhe Rathaus West 76133 Karlsruhe 0721-1335028 [email protected]

Stieglbauer Peter Stadt Karlsruhe Rathaus West 76133 Karlsruhe 0721-1335410 [email protected]

Rödenbeck Eckhard Stadt Lüneburg Am Ochsenmarkt 1 21335 Lüneburg 04131-309318 [email protected]

Jente Elisabeth Amt Lübbenau/Spreewald Kirchplatz 1 Lübbenau 03542-85102 [email protected]

Henkel Joachim Amt für Kinder, Jugend und Familie Johannisstr. 66-80 50668 Köln 0221-22125416

[email protected]

Reuß Thomas Diakonisches Werk Kempten Schwalbenweg 71 87439 Kempten 0831-5124427 [email protected]

Stankewitz Manfred Stadt Dortmund Südwall 2-4 44122 Dortmund 0231-5025758 [email protected]

Nahuwandi Doris BA Frh-Kreuzberg Abt. Jugend Frankfurter Allee 35/37 10216 Berlin 030-23244583 [email protected]

Emmelmann Karin Jugendamt Stadt Oldenburg Bergstr. 25 26105 Oldenburg 0441-2352328 [email protected]

Schaffeld Werner Jugendamt Hamburg-Mitte Billstedter Hauptstr. 12 22111 Hamburg 040-428547541

[email protected]

Hinze Gudrun Stadtverwaltung Fontanestadt Neuruppin Karl-Liebknecht-Str. 33 16816 Neuruppin 03391-355668 [email protected]

Stickel Jürgen Stadtteilmanagement Neuburg/Donau Danziger Str. 5 86633 Neuburg 08431-642820 [email protected]

Fietz Claudia Jugendamt Dresden Riesaer Str. 7 01129 Dresden 0351-4884605 [email protected]

Saribas Hakan Stadt Krefeld Von-der-Leyen-Platz 1 Krefeld 02151-863491 [email protected]

Kümmel Volker Kreisjugendamt Neunkirchen Wilhelm-Heinrich-Str.2

Neunkirchen 06824-906189 [email protected]

Severin Uta Ausbildungsgemeinschaft IVB e.V. Feldstr. 3 17033Neubrandenburg

0395-5581257 [email protected]

Lang-Wojtasik

Gregor Universität Erlangen [email protected]

Petri Friedhelm Stadt Northeim Scharnhorstplatz 1 37154 Northeim 05551-2610 [email protected]

März Harald Stadt Northeim Scharnhorstplatz 1 37154 Northeim 05551-966270

Rose Gerd Jugendamtsleiter Stadt Rosenheim Reichenbachstr. 8 83022 Rosenheim 08031-361515 [email protected]

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Teilnehmer/-innen

Andre Ruth Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern

Postfach 106022 70049 Stuttgart 0711-6375443 [email protected]

Geller Jörg Hansestadt Lübeck Braunstr. 21-23 23539 Lübeck 0451-1225110 [email protected]

Hofmann Bärbel Bürgerbüro 'Soziale Stadt' Leipziger Str. 3 09113 Chemnitz 0371-3350520

Pabst H.-W. Jugendamt Magdeburg Lübecker Str. 32 39124 Magdeburg 0391-5406091

Stolp Anette Stadt Chemnitz Amt für Jugend und Familie Bahnhofstr. 53 09106 Chemnitz 0371-4885153 [email protected]

Keese Brigitte Nachbarschaftshaus Camboy-Tümpelgarten Am Tümpelgarten 21 63452 Hanau 06181-304558 [email protected]

Weisleder Hans-Georg

Stadt Osnabrück Notruper Torwall 2 Osnabrück 0541-3234193 [email protected]

Zohren Heinz Stadtjugendamt Aachen Adalbertsteinweg 59 52058 Aachen 0241-4325132 [email protected]

Gottschalk Ingo Landeshauptstadt Magdeburg Kroatenwuhne 2 39116 Magdeburg 0391-540104 [email protected]

Rietz Kerstin BA Mitte von Berlin Stadtplanungsamt Iranische Str. 3 13347 Berlin 030-200945720

[email protected]