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Liebe Studentinnen und Studenten! Ich mache Sie hiermit darauf aufmerksam, dass das Skriptum (von Studentinnen und Studenten des Jahrgangs 2006/07 angefertigt) nicht den gesamten Semesterstoff abdeckt. Die Prüfungsfragen richten sich nach den in der Vorlesung durchgenommenen Lerninhalten. Mit herzlichen Grüßen Rudolf Jungwirth Stilkunde und Aufführungspraxis 1 (Stoff des 1. Semesters – Zusammenfassung durch die StudentInnen des Wintersemesters 05/06) Stilkunde beschäftigt sich mit wichtigen musikwissenschaftlichen und in der Musizierpraxis erprobten Erkenntnissen für eine angemessene Spielweise mit dem Ziel, Werke der „alten Musik“ ihrem inneren Anspruch gemäß interpretieren zu können. Unter „Alter Musik“ verstehen wir jene Musikstücke, die nicht mehr als „zeitgenössisch“ gelten können. Bei Wiederaufführungen „alter Musikstücke“ in den Zeiten vor ~ 1900 war das übliche Verfahren die Bearbeitung (Anpassung an den jeweiligen Zeitgeschmack). Beispiele: Joh. Sebastian Bachs Matthäuspassion – gekürzt und bearbeitet (Änderungen bzw. Anpassungen an den neuen Zeitgeschmack vor allem bezüglich der Instrumentation) von F. Mendelssohn-Bartholdy. Im Mittelpunkt stehen Meisterwerke der Vergangenheit. (J.S.Bach – Palestrina „Missa sine nomine“; W. A: Mozart – G. Fr. Händel Kantate „Das Alexanderfest“; Ch. Gounod – J.S. Bach „Praeludium Nr. 1 WTClav. ....) Das Interesse für die Renaissance- und Barockmusik (16., 17. und 18. Jh.) – auch für Werke sogenannter „Kleinmeister“ – nimmt nach 1900 stark zu! Ausgelöst durch: 1

Stilkunde 1.Semester

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Klassical music

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Liebe Studentinnen und Studenten!

Ich mache Sie hiermit darauf aufmerksam, dass das Skriptum (von Studentinnen und Studenten des Jahrgangs 2006/07 angefertigt) nicht den gesamten Semesterstoff abdeckt. Die Prüfungsfragen richten sich nach den in der Vorlesung durchgenommenen Lerninhalten.

Mit herzlichen GrüßenRudolf Jungwirth

Stilkunde und Aufführungspraxis 1 (Stoff des 1. Semesters – Zusammenfassung durch die StudentInnen des Wintersemesters 05/06)

Stilkunde beschäftigt sich mit wichtigen musikwissenschaftlichen und in der Musizierpraxis erprobten Erkenntnissen für eine angemessene Spielweise mit dem Ziel, Werke der „alten Musik“ ihrem inneren Anspruch gemäß interpretieren zu können.

Unter „Alter Musik“ verstehen wir jene Musikstücke, die nicht mehr als „zeitgenössisch“ gelten können.Bei Wiederaufführungen „alter Musikstücke“ in den Zeiten vor ~ 1900 war das übliche Verfahren die Bearbeitung (Anpassung an den jeweiligen Zeitgeschmack).Beispiele: Joh. Sebastian Bachs Matthäuspassion – gekürzt und bearbeitet (Änderungen bzw. Anpassungen an den neuen Zeitgeschmack vor allem bezüglich der Instrumentation) von F. Mendelssohn-Bartholdy.Im Mittelpunkt stehen Meisterwerke der Vergangenheit. (J.S.Bach – Palestrina „Missa sine nomine“; W. A: Mozart – G. Fr. Händel Kantate „Das Alexanderfest“; Ch. Gounod – J.S. Bach „Praeludium Nr. 1 WTClav. ....)

Das Interesse für die Renaissance- und Barockmusik (16., 17. und 18. Jh.) – auch für Werke sogenannter „Kleinmeister“ – nimmt nach 1900 stark zu!Ausgelöst durch: Jugendmusikbewegung:Den gelebten Protest der Jugend (besonders in den Großstädten Deutschlands) am Beginn des 20. Jahrhunderts, der sich gegen die Verflachung und Mechanisierung des Lebens richtete, nennt man die dt. Jugendbewegung. In diesem, von der Jugend getragenen Gemeinschaftsleben, spielte die Musik und das Musizieren eine große Rolle.Wiederentdeckt wurde vor allem das dt. Volkslied; Die Instrumente Laute und Gitarre erlangten in kürzester Zeit große Popularität.

ChorbewegungNeben der, als zu banal kritisierten "Volksliedkultur“ entstand bald ein starkes Interesse an originaler Chorliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts und 18. Jahrhunderts (H. Schütz, J.S.Bach).

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Große Interpretenbeginnen sich für Alte Musik zu interessieren und experimentieren mit historischem Instrumentarium.Wanda Landowska, eine bekannte polnische Pianistin, spielte J.S.Bachs Clavierwerke auf einem modernisierten Cembalo (ab 1904).Christian Döbereiner, ein bekannter Cellist, interpretiere eine K. Fr. Abel - Sonate auf einer Viola da Gamba (Neubau ohne Bünde wie beim Violoncello!)Landowska und Döbereiner waren Ausnahmeerscheinungen, legten aber die Basis für zahlreiche Nachfolger.

OrgelbewegungEine besonders wichtige Persönlichkeit im Zusammenhang mit der Wiederbelebung alter Musik war Albert Schweitzer (zusammen mit dem OrganistenEmil Rupp). Schweitzer verfasste eine umfangreiche Biographie mit Werkbetrachtungen über Johann Sebastian Bach und beschäftigte sich am Anfang des 20. Jh. mit historischen Orgeln. Er kam zu der Erkenntnis, dass barocke Orgeln sich wesentlich besser für die polyphonen Strukturen der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts eigneten als die Instrumente des 19. Jahrhunderts. Diese verfügten dagegen über eine breitere Palette an dunklen Klangfarben und einen orchestralen Charakter. Das im späten 19. Jh. geforderte Legatospiel war auf ihnen optimal realisierbar.Durch diese Idee, alte Musik auf zeitgemäßen Instrumenten zu spielen und nicht zuletzt durch Schweitzers Anregungen und persönlichen Einsatz, wurden im frühen 20. Jh. erstmals Orgeln restauriert.

Das Praetorius-Orgelprojekt (1921) ( Universität Freiburg im Breisgau)Michael Praetorius veröffentlichte 1619 den 2. Band des sogenannten „Syntagma Musicum“ mit dem Untertitel „de organographia“ – eine Instrumentenkunde. Hierin beschreibt Praetorius unter anderem auch Orgeln seiner Zeit. Ein Abschnitt ist sehr detailreich dem Orgelbau gewidmet. 1921 versuchte der Orgelbauer Oscar Walcker unter der wissenschaftlichen Leitung von Wilibald Gurlitt eine „Orgel des 16. Jahrhunderts“ nachzubauen. Diese sogenannte „Praetorius-Orgel“ erregte ob ihrer eigenwilligen Klangfarben großes Aufsehen in der damaligen Musikwelt (1944 bei Bombenangriff zerstört).Aufgrund einiger beim Bau eingegangener Kompromisse (z.B. pneumatische statt mechanische Traktur) und wegen Irrtümern bei der Pfeifenintonation entstand ein zwar klanglich den Barockorgeln nahestehendes Instrument, das aber doch eine neu Art von Orgel darstellte: die sogenannte „orgelbewegte Orgel“.Jahrzehntelang (bis in die 70er Jahre war nun der Orgelbau von diesem historisierenden, neo-barocken Klangstil geprägt.

Im Krieg wurden viele historische Instrumente zerstört. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte eine massive und nunmehr profunde Restaurierungswelle ein. Auch zahlreiche (gelungene) Kopien alter Orgeln wurden gebaut.Auch Cembali und viele andere Instrumente (Blas- und Streich- Zupf- und Schlaginstrumente) wurden originalgetreu nachgebaut. (= Alte Musik auf „Originalinstrumenten“.)

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Kompositionen vor allem der Barockepoche, aber auch der Renaissance, des Mittelalters und schließlich der Klassik und Romantik wurden wieder möglichst werkgetreu aufgeführt. Paul Hindemith forderte beispielsweise in seiner Rede zum Bachfest 1950 bereits die Wiederverwendung von Darmsaiten auf Streichinstrumenten, um einen möglichst authentischen Klang zu erhalten. Man verlangte nunmehr vehement, die Vorstellung des Komponisten (Tempi, Besetzung, Verzierungen, Artikulation, Agogik,...) zu berücksichtigen.

Unterschiede bei verschiedenen Noten-Editionen:

Es gibt eine Fülle unterschiedlicher Qualitäten der Editionen von Alter Musik;dazu einige Beispiele: 1.) Im Zuge der Jugendmusikbewegung wurden vor allem in Zeitschriften und Hausmusikverlagen Werke der Alten Musik publiziert (z.B.: „Der Zupfgeigenhansl“).Aufgrund pädagogischer Überlegungen wurde der Notentext meist vereinfacht. (Technische Schwierigkeiten wurden beseitigt.)

2.) Verlag Ugrino – Hamburg (gegründet 1921 von Hans Henny-Jahnn und Christhard Mahrenholz): Ausgaben , die sich an das Original halten; der Notentext wurde 1 : 1 übernommen. Diese Ausgaben Alter Musik gelten als erste Urtextausgaben.

3.) Bis zur Musik des Barock wurden von den Komponisten kaum Zeichen für Artikulation und Dynamik verwendet. Hof-, Kirchen- und Theatermusiker spielten fast ausschließlich Werke zeitgenössischer Komponisten. (Meist unter der Leitung des Komponisten). Für sie erübrigten sich aufführungspraktische Hinweise im Notentext.Aufgrund fehlender Angaben bezüglich Artikulation, Phrasierung, Dynamik, Tempo und Ausführung der Verzierungen, wurden diese Zeichen nicht selten von Herausgebern (oft nach persönlichem Gutdünken und Geschmack) ergänzt. Beispiele: Ausgabe der Orgelwerke von Johann Nikolaus Hanff (1665 – 1712) durch den Thomaskantor Karl Straube (1873 – 1950). Straube ergänzt (stillschweigend) fehlende Vortragsbezeichnungen und animiert zu einem eher „romantisch-symphonischen“ Vortrag. Ähnliches ist bei der Ausgabe der Klavierwerke Joh. Seb. Bachs durch Julius Röntgen (1855 – 1932) zu beobachten. Röntgen ergänzt unter anderem auch Metronomangaben.

4.) Gesamtausgaben (darunter versteht man die Ausgabe sämtlicher überlieferter Werke eines Komponisten; z.B.: H. Schütz, J. S. Bach, W.A. Mozart.....- z. B.: Jubiläumsausgaben) – Oft wissenschaftlich akribische und daher sehr teure Ausgaben. (Bibliotheken)Es gibt auch Spezialeditionen bis dato vergessener Werke:Bsp.: seit 1883 wird eine eigene Reihe herausgebracht mit dem Titel Denkmäler der österreichischer Tonkunst. (G. Muffat, H. Schmeltzer, H. I. F. Biber ... im Urtext)

5.) Faksimile-Ausgaben – sind Drucke von Handschriften (Tabulaturen) und Stichen.Tabulatur = Griffschrift; zeigt keine Noten, sondern mittels Zeichen wie die Töne gegriffen werden müssen.(Regionale Unterschiede).

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Diese Ausgaben sind äußerst aufschlussreich bei der intensiven Auseinandersetzung mit Werken; - für das praktische Musizieren sind sie aber eher ungeeignet (beeinträchtigte Lesbarkeit, alte Notenschlüssel ...)In manchen Ausgaben werden Autograph (Faksimile) und Übertragung in moderne Notation werden im Druck gegenübergestellt.

Quellen zur Aufführungspraxis der Alten Musik

Bildliche Darstellungen:Abbildungen aus verschiedenen Zeiten und Epochen z.B.: Genter Altar – mittelalterliche Orgeldarstellung (sehr genau!)

Schubertiade – Liedbegleitung am Klavier (Deckel geschlossen) Bildliche (allegorische) Darstellung der Musik (Buch-Miniatur nach 1400). Oben im Bild die himmlischen Instrumente: Psalter, Harfe, Fiedel. In der Mitte: ein Portativ (tragbare Orgel), Tamburin, Klappern (Tanz).

Unten (die archaischen Instrumente): Pauken, Trompeten, Schalmei, Dudelsack.(Hier sehen wir Instrumente, die zwischenzeitlich völlig in Vergessenheit gerieten.)

Verschiedene Aufstellungsarten bei Orchester und ChörenCembalo als Generalbassinstrument (Deckel offen bzw. Deckel entfernt) Bauweise alter Musikinstrumente (abgebildete Baupläne – z.B. M. Praetorius – Syntagma musicum)

Original-InstrumenteInstrumente, die im Originalzustand erhalten geblieben sind (meist in Museen, Kirchen, Adelssitzen...)Instrumente die verändert wurden (z.B.: historische Orgeln, die umgebaut wurden, um ihren Klang dem veränderten Zeitgeschmack anzupassen, oder auch Streichinstrumente, die aus demselben Grund verändert wurden.In den letzten Jahrzehnten begann man Instrumente zu restaurieren bzw. wieder in ihren Originalzustand zurück zu bauen. Man kopiert heute auch wieder diverse alte Instrumente des authentischen Klangs wegen.Viele Instrumente wurden im Laufe der Zeit nicht mehr verwendet:weil sich Klangvorstellungen veränderten, gerieten manche Instrumente in Vergessenheit.

Archivmaterial in BibliothekenAutographe (Handschrift des Komponisten bzw. Autors)Kopien / Abschriften Erstdrucke (nur die „besten Werke“ (aus der Sicht des jeweiligen Komponisten) wurden gedruckt); häufig mit wichtigem Vorwort des Komponisten. (Aufführungspraxis, Verzierungen...)Traktate Die Musiker waren meist auch Komponisten und Musiktheoretiker. Manche schrieben eine sogenannte „Instrumental- oder Gesangsschule“ um ihr musikalisches Umfeld zu beschreiben

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(z.B.: Johann Joachim Quantz (war in Berlin um die Mitte des 18. Jahrhunderts einer der besten Flötisten (Lehrer Friedrichs II. v. Preußen) und einer der führenden Komponisten im deutschsprachigen Raum. Er verfasst 1762 eine berühmte Flötenschule („Versuch einer Anweisung die Traversflöte zu spielen“): Wenige Notenbeispiele, aber viel Text über die allgemeine musikalische Aufführungspraxis der Zeit (Tempi, Verzierungen, Artikulation, Basso continuo – Besetzung und Ausführung ...). Vom 16. bis 19. Jh. entstanden ähnliche wichtige Traktate (siehe „Primärquellen zur Aufführungspraxis verschiedener Epochen“).Diese meist als „Schulen“ ausgewiesenen Schriften sind im Prinzip Handbücher zur Aufführungspraxis der Musik der jeweiligen Zeit und Region.

Die wichtigsten Traktate und Quellen für die Aufführungspraxis und Verzierungslehre(pro Epoche sollen mindestens 3 Traktate (Titel) gewusst werden)

…der Musik der Renaissance (16. Jh.)

1452 Conrad Paumann: Fundamentum organisandi1535 Sylvestro Ganassi: La Fontegara1553 Diego Ortiz: Tratato de Glosas sobre Clausulas1565 Tomas de Santa Maria: Arte de taner Fantasia1591 Giovanni Bassano: Motetti, Madrigali e Canzoni1594 Ludovico Bovicelli: Regole passagi di musica

...der Musik des Frühbarock (1600 – 1670)

1601 Giulio Caccini: Le Nuove Musiche1614 Antonio Brunelli: Varii Esercitii1619 Michael Praetorius: Syntagma Musicum1636 Le Pere Mersenne: De l´Harmonie Universelle1648 Christoph Bernhard: Von der Singeschule od. Manier1658 Christopher Simpson: The Divisions Violist

…der Musik des Hochbarock (1670 – 1750)

1676 Jacques Ch. De Chambonnieres: Pieces de Clavecin (Verzierungstabelle)1689 Jean-Henri d´Anglebert: Pieces de Clavecin (Verzierungstabelle)1687 Jean Rousseau: Traite de Viole1695 Georg Muffat: Florilegium Musicum1700 Jean-Pierre Freillon-Poncein: La véritable manière d´apprendo a jouer en perfecton du hautbouis...1702 Michel de Saint-Lambert: Lee principes du clavecin...1707 Jacques Martin Hotteterre: Principes de la Flute traversière1708 Johann Gottfried Walther: Kompositionslehre 1710/11 Arcangelo Corelli: Sonata a violino solo e violone o cimbalo op. 51711 David Heinichen: Generalbassschule1717 Francoise Couperin: L´art de toucher le clavecin1719 Jacques Martin Hotteterre: L´art de préluder...1720 Johann Sebastian Bach: Clavier-Büchlein vor Wilhelm Friedemann Bach (Verzierungstabelle)1723 Franz P. Tosi: Opinioni de cantori antichi e moderni1724 Jean-Philipp Rameau: Pièces de clavecin1728/32 Georg Philipp Telemann: Sonates methodiques1730/31 Peter Prelleur: The modern musick-master or the universal musican1732 Johann Gottfried Walther: Musikalisches Lexikon1735 Michel Corette: Mothode pour apprende aisement...1739 Johann Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

…der Musik der Frühklassik (1750 – 1780)

1751 Francesco Geminiani: The art of playing the violin

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1752 Johann Joachim Quantz: versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen1753/62 Carl Philipp Emanuel Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen (Band I und II)1756 Leopold Mozart: Gründliche Violinschule1757 Johann Friedrich Agricola: Anleitung zur Singkunst 1763 Friedrich Wilhelm Marpurg: Anleitung zur Musik überhaupt und zur Singkunst insbesondere1767 Johann Samuel Petri: Anleitung zur praktischen Musik1771 Giuseppe Tartini: Traitè des agréments de la musique…1780 Johann Adam Hiller: Anweisung zum musikalisch-zierlichen Gesange1789 Daniel Gottlob Türk: Calvierschule1791 Johann Georg Trollitz: Ausführlicher und gründlicher Unterricht die Flöte zu spielen1795 Johann Ernst Altenburg: Versuch einer Anleitung zur heroisch-musikalischen Trompeter- und Pauker-

Kunst…

Das historische Instrumentarium (Vergleich „alt-neu“)

Die Entwicklung der Instrumentalmusik:Zunächst entwickelte sich die abendländische Musik auf dem Gebiet der vokalen Kirchenmusik (Gregorianischer Gesang – Entstehung der Mehrstimmigkeit) Als erstes Instrument mit unterstützender und solistischer Funktion (Alternatimpraxis) (ab 11./12. Jh.) wurde die Orgel verwendet. Der Klang ihrer „Labial(=Lippen)pfeifen“ kam dem menschlichen Gesang am nächsten.Im 15./16. wurden die Einzelstimmen in den polyphonen Chorwerken durch das sogenannte „Collaparte-Spiel“ verschiedener Instrumente unterstützt und klanglich bereichert.Schwieg der Chor stellenweise, entstanden reine Instrumentalstücke (Consort-Stil).In England differenzierte man:broken consort = man verwendete klanglich sehr unterschiedliche Instrumente aus verschiedenen Instrumentenfamilien ( z.B.: Fidel, Blockflöte, Pommer, Gambe)Auf Orgeln der Zeit durch 2 bis 3 Manuale und Pedalklaviatur imitierbar!whole consort = ( eine einheitliche Klangfarbe (z.B.: nur Gamben; nur Krummhörner; nur Blockflöten ...) das entspricht auf der Orgel dem Spiel auf einem Manual in einer bestimmten Registrierung; z.B.: Blockflöte oder Krummhorn .... )

Bis ins 19. Jh. ist die Orgel in der Lage verschiedenste Ensembles bis hin zum Orchester zu imitieren. („Die Orgel ist mein Orchester“)

Gründe, die zum Verschwinden oder zum Umbau von Instrumenten führten:Ein zu „extremer“ Klang (z.B.: die Schalmei, ein zu schreiender und lauter Klang; im Vergleich zum weichen, vornehmen Klang der Chalumeauinstrumente).Häufig ein zu geringer Tonumfang der Instrumente.Intonation bzw. Klangqualität der einzelnen Töne innerhalb des Instrumentes (helle und dunkle (gedeckte) Töne durch komplizierte Gabelgriffe oder diverse Anblastechniken)

Viele Instrumente wurden deshalb umgebaut, andere Instrumentenfamilien verschwanden zur Gänze ( z.B.: Krummhorn, Serpent, Zink....)

Veränderung der Klangästhetik:

In der Barockepoche kommt es zur Bildung eines standardisierten Ensembles, des sogenannten (Barock-)Orchesters. Es zeigt bereits den Aufbau eines Orchesters des 19. bzw. 20. Jh.

Streicher:

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Viole da brazzo: Violinen, Bratschen, Violoncelli (Oberhand-Bogenhaltung)

von den Viole da gamba-Instrumenten (Kniehaltung, Unterhand-Bogenhaltung) bleibt nur der Kontrabass (der Violone grande) im Orchesterverband .

Holzbläser : Oboe(n) , Fagott, Blockflöte, Traversflöte, Klarinette (zunächst noch selten)

Blechbläser : Trompete(n) (fast immer mit Pauken), Hörner, Posaunen

Akkordinstrumente : sind zahlreich vertreten: Claviere (= alle Instrumente mit Tasten: Orgel, Cembalo, Hammerflügel, …) Lauten (Chitarrone, Theorbe,...), Harfe

Barockorchester (18.Jh.) : (~Größe der Besetzung)

ca. 5 Violinen 1 +1 Oboe 1 (colla parte)ca. 4 Violinen 2 (+1 Oboe 2) (c. p.)ca. 3 Bratschen ((selten +1 Oboa da caccia)) (c. p.); bei Teilung (Vla 1 und Vla 2): 2/2

2 Violoncelli +1 Fagott1 Violone oder Kontrabass (transp. 1 Okt. nach unten1 Cembalo/Orgel/Laute = harmonisches Akkordgerüst

Zu diesem homogenen Klangkörper können folgende „Farben“, ähnlich den Registern bei einer Orgel, dazukommen (je nach Anlass):

2 bis 3 Trompeten + Pauken (feierlich, festlich)(2) Blockflöten (pastoral)2 Hörner 2 Traversflöten (bei J.S.Bach oft unisono geführt als Klangverstärkung) 2 bis 3 Posaunen 2 Klarinetten (ab 1730 immer häufiger) – typisch frühklassisch

Entwicklung des Basso continuo: Musik wurde im 15. und 16. Jh. in der sogenannten prima pratica (= Kontrapunkt – jede Stimme ist eine autonome musikalische Linie; Vokalpolyphonie) geschrieben. In Italien entstand kurz vor 1600 die Oper (orientiert am antiken Drama): die Kompositionsweise bildeten zunächst ausschließlich monodische Gesangsstücke (Monodie = Singstimme + begleitende Akkorde ausgehend von einer Bassstimme), die sogenannte seconda pratica. (G. Caccini – Le Nuove Musiche, 1601)

Claudio Monteverdi kombinierte beide Kompositionspraktiken. (Oper: L´Orfeo, 1607)Neben dem linearen, kontrapunktischen Denken wird das harmonische Gefüge einer Komposition wichtig. (= horizontales (lineares) und vertikales (akkordisches) Gefüge!)Der Bass (von dem die Harmonie ausgeht wird zur wichtigsten Stimme) – Basso seguente, Basso principale.Er wird von mehreren Bassinstrumenten (Violoncello, Fagott, Kontrabass (eine Oktave tiefer – wird, in Anlehnung an die Tonhöhen-Bezeichnung bei Orgeln, 16 Fuß genannt ),...) und Akkordinstrumenten (Cembalo, Orgel, Laute, ...) gleichzeitig ausgeführt und heißt

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Basso Continuo- Gruppe/GeneralbassGeneralbass

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Generalbass oder Basso continuo (B.c.).

Notiert wird nur eine Bassstimme; diese wird beziffert. (z.B.: 6 = Sextakkord; 2 = Sekundakkord ...); d.h.: der Clavierspieler hat bei der Realisierung des B.c. gewisse Freiheiten (Lage der Akkorde, figuriertes Spiel).Je nach Region und Zeit ist die Generalbassbezifferung unterschiedlich.

Die wichtigsten Instrumente der Barockzeit im Vergleich mit dem sogenannten „modernen“ Instrumentarium:

Generalbassinstrumente:

Clavier: Sammelbegriff für alle Tasteninstrument im Barock (clavis = Schlüssel, Taste)dazu gehören:alle Orgeln verschiedener Größe:

Die Orgel wurde in der Antike (3. Jh vor Chr.) erfunden. (Hydraulos – Winddruck wirddurch Wasserdruck erzeugt). Ab dem 11. Jh. wird die Orgel das Kircheninstrument schlechthin. Sie wird im Wechsel mit dem Chor (Schola) gespielt (Alternatimpraxis). Um 1350 entstehen die ersten schriftlichen Aufzeichnungen der damals hauptsächlich improvisierten Orgelmusik. Ab der Renaissance (frühes 16. Jh.) finden starke regionale Entwicklungen vor allem bezüglich des Klangs und der Größe (mehrere Manuale, gr. Pedalumfang) der Instrumente statt. Es entstehen völlig unterschiedliche Orgeltypen in den Regionen Frankreich, N- u. S- Deutschland, Österreich, Italien....

Das Orgelpositiv und die Truhenorgel sind Kleininstrumente vor allem für das Basso- continuo-Spiel.Eine typisch mittelalterliche Kleinorgel ist das Organetto (auf dem linken Unterarm getragene Orgel, mit der rechten Hand zu spielen, geringer Tonumfang).Das Regal hatte seine Blütezeit vom Mittelalter bis zum Frühbarock. Das Instrument besitzt kurzbechrige Pfeifen bei denen mithilfe von Zungen (ähnlich einem Rohrblatt) ein stark schnarrender Ton entsteht. (Wird auch als Orgelregister in gr. Instrumenten gebaut)

Cembalo oder Clavicymbal (Erfindung im MA (Schafdarmsaiten)):Flügelartiger Holzkorpus (daher auch Kielflügel genannt) mit längs gespannten Saiten, diedurch einen Mechanismus (Tasten, Springer, Springerleiste, Kiel) angerissen werden. Saiten aus Messing- oder Eisendraht unterschiedlicher Stärke.Das Cembalo war nicht nur Continuo- sondern auch Soloinstrument (ein- und zweimanualige Instrumente). Im 16./17. Jh. Gemeinschaftsrepertoire Orgel-Cembalo.

Zwischen französischen, flämischen, deutschen und italienischen Cembali gibt es gewisseBau- und Klangunterschiede. Kleine cembaloartige Instrumente sind das Spinett und das Virginal (Saiten quer zur Tastatur).

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ClavichordWegen der geringen Lautstärke ist dieses Instrument weniger als Continuoinstrument verwendet worden; es war aber das wichtigste Übeinstrument (vor allem für Organisten, dann häufig mit einem eigenen am Boden liegenden Pedalclavichord) bis in die Zeit Mozarts.Es ist mit Messingsaiten quer zur Tastatur bespannt. Am Ende jeder Taste sitzt ein Metallplättchen (Tangente). Damit wird die Saite angeschlagen und verkürzt. (Möglichkeit eines Vibratos (Bebung) durch variablen Druck mit dem Finger.Möglichkeit einer stufenlosen Dynamik in einem aber sehr bescheidenen Rahmen.Dieses Clavierinstrument erfreute sich bis in die Mozartzeit großer Beliebtheit.(Vor allem auch in der Frühklassik – galanter und empfindsamer Stil)

Claviorganum

Ist eine Kombination aus Cembalo und Orgel und besteht aus einer Orgeltruhe auf die man das Cembalo „aufsetzen“ kann. (Kann auch fix kombiniert sein.) Das Orgelinstrument greift dabei von der eigenen Mechanik ausgehend in die Cembalomechanik ein. Fortepiano (= Pianoforte oder Hammerflügel)Das Klavier heißt auch Hammerflügel, da der Ton durch ein befilztes (oder auch beledertes) Hämmerchen erzeugt wird, das die Saite anschlägt. Bereits um 1440 Pläne eines Hammerflügels (aus dem Brabant (Belgien)).In der 1. Hälfte des 18. Jhs. schreiben Komponisten erstmals ausdrücklich für dieses Instrument.Das Fortepiano sieht zunächst äußerlich wie ein Cembalo aus (z. B.: bei Bartolomeo Cristofori, 1720) Es besitzt Metallsaiten, die mit Hämmerchen angeschlagen werden. Sehr geringer Tastentiefgang und geringer Widerstand. Während des ganzen 18. Jh. bevorzugt man das „Fingerspiel“.So wie es für Cembalo und Orgel lange Zeit ein gemeinsames Repertoire gab, gilt dasselbe später für Cembalo und Hammerclavier; dieses wurde ab ca. 1760/70 erst strikt voneinander getrennt.Bachs Urteil über das Fortepiano (von Gottfried Silbermann): Er bewundere den Klang und die Mechanik, aber in der Höhe sei es zu leise und schnelle Repetitionen seien problematisch (unausgereifte Technik der Instrument Silbermanns – das ist vielleicht der Grund, warum Bach keine Werke explizit für Hammerklavier vorsah).Vor allem die Bach-Söhne wendeten sich dem Fortepiano zu (neuer Zeitgeschmack).Die Themen und Motive der frühklassischen Werke sind charakterisiert durch größere Tonumfänge („Mannheimer Rakete“). Auch wurde ein stufenweise Crescendo („Mannheimer Walze“) gefordert. (1730: Im empfindsamen und im galanten Stil (Frühklassik) erfreuten sich in der Klavierkammermusik neben Streichinstrumenten vor allem auch Klarinette und Traversflöte zunehmender Beliebtheit.)Das Instrument hatte mehrere Spielhilfen (Pedale, Kniehebel oder Züge) die z. B. Filze an die Saiten legten etc., um den Klang zu verändern (= Moderatoren).Der Klavierbau machte während der Beethovenzeit große Entwicklungschübe durch. Jedes der 5 Klavierkonzerte von Beethoven verlangt quasi einen anderen Klaviertypus. (immer größerer Tastenumfang, stärkere Saitenspannung bringt Lautstärkezuwachs ...)In der Romantik verändert sich die Klangvorstellung grundlegend und das Klavier wird wiederum für einen neuen anderen Klang umkonzipiert.Das Generalbassspiel auf dem Hammerflügel bleibt bis in die Haydn/Mozart Epoche bestehen. (z.B.: Basso continuo während der reinen Orchesterteile in Mozarts Klavierkonzerten)

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(Haydn – Die Schöpfung – als Begleitinstr. Für die Rezitative; in jeglicher Orchestermusik (Sinfonien) als B.c. möglich).

Aufgaben des Hammerflügels um 1800:1. solistisch: bei Solostücken, z. B. von Beethoven, Schubert (Sonaten) 2. Liedbegleitung: als Partner der Singstimme z. B. bei Schubertliedern; es gibt dafür

obligate Stimmen für den Hammerflügel; gleichbedeutend der Singstimme 3. Kammermusik: obligater Part mit anderen Instrumenten 4. Dirigierfunktion: der Hammerflügelspieler übernimmt vom Cembalospieler die

Funktion, z. B. das Tempo mithilfe des Basso continuo-Spiels zu steuern.

Tafelklavier: etwas kleineres Klavierinstrument (auch Tischklavier); Saiten quer zur Tastatur. Stimmungen von Tasteninstrumenten

Die Stimmung der Tasteninstrumente ist deshalb so wichtig, weil ab der Barockzeit fast immer mit einem Tasteninstrument (B.c.-Spiel) musiziert wurde.Schon der Philosoph Pythagoras beschäftigte sich im 6. Jahrhundert vor Christus mit dem Problem der Stimmung. Er versuchte die sieben Töne der Heptatonik (z.B. c d e f g a h ) in einer Oktav in einen bestimmten Abstand zueinander zu bringen. Dabei benützte er Halbton – und Ganztonabstände.Mithilfe eines Monochords, eines einsaitigen Instruments, entdeckte er Gesetzmäßigkeiten. Wenn man eine Saite genau in ihrer Mitte teilt, klingen die beiden halbierte Teile der Saite eine Oktave höher als der Grundton (die ganze Saite). Das Verhältnis 2:3 läßt die Quinte entstehen; das Verhältnis 3:4 die Quarte; 4:5 die Großterz, 5:6 die Kleinterz …Für Pythagoras war die Musik ein „akustischer Spiegel“ der Welt.Zum Stimmen benützte er die Quinte, da sie das Intervall ist, bei dem Abweichungen in Form von Schwebungen am besten zu hören sind. Eine völlig reine Quinte nennt man schwebungsfrei.Sechs (schwebungsfreie) Quinten übereinander (f-c-g-d-a-e-h) ergeben eine siebentönige Tonleiter mit Halb- und Ganztonschritten. (a-h-c-d-e-f-g) = „Pythagoraische Simmung“. Die Stimmgrenzen dieser Stimmung sind das „b“ (von f – Quinte nach unten und das „fis“ (von h – Quinte nach oben). Stimmt man in reinen Quinten weiter (von „b“ bis „as“ abwärts und von „fis“ bis „gis“ aufwärts, so erhält man ein „gis“ ≠ „as“. Den dabei entstandenen Abstand nennt man das „pythagoreische Komma“.In der so genannten „Gleichschwebend temperierten Stimmung“ (Moderne Stimmung) wird das pythagoräische Komma auf alle 12 Quinten aufgeteilt; jede Quinte wird „fast unmerklich“ kleiner (enger).

Erstmals wurde auch Musik für Tasteninstrumente (13.Jh.) komponiert. In dieser Stimmung klingen die Stücke völlig anders als auf der heute meist gebräuchlichen gleichschwebend temperierten Stimmung.

Um 1500, im Zuge der Weiterentwicklung der Kompositionstechniken, wurde eine neue Stimmung erfunden, weil die pythagoräische Stimmung für polyphones und vor allem chromatisches Spiel nicht geeignet ist. Der Tonraum sollte vergrößert werden und vor allem die Dreiklänge und da vor allem die Terz, wohlklingend sein sollte. In der Vokalmusik wurden Terzen in Dreiklängen schon lange schwebungsfrei (rein) intoniert. (In Anlehnung an die „reine Stimmung“ (Intervalle werden nach den Obertönen des „Grundtones“ der Stimmung gestimmt.- am Tasteninstrument unbrauchbar.)Die Terzstimmung oder „Mitteltönige Stimmung“ wurde entwickelt.

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Erst werden die Quinten (c g d a e) etwas zu eng gestimmt (mitteltönige Quinten), von diesen Tönen aus wurde dann jeweils eine große Terz nach oben und nach unten schwebungsfrei gestimmt. z.B.: Die mitteltönige Stimmung nach Arnolt Schlick (1521).Resultat:8 Durdreiklänge (qualitativ gleich klingend) – schwebungsfreie Großterz + etwas zu enge Quinte7 Molldreiklänge (qualitativ gleich klingend)4 Durdreiklänge und 5 Molldreiklänge sind nicht verwendbar! (klingen total verstimmt) Aufgrund des erweiterten Modulationsradius ab dem 17. Jh. komponierten Tastenstücke, wurden die sogenannten „Temperierten Stimmungen“entwickelt. Die bekanntesten temperierten Stimmungen sind Werckmeister III und Kirnberger III. (Gültig für die Musik des späten 17., des 18. und auch noch Anfang des 19. Jahrhunderts. Dabei werden jeweils 4 Quinten etwas enger (unterschwebend) und die übrigen 8 Quinten schwebungsfrei (rein) gestimmt. Die Terzen klingen dadurch ungleich gespannt.Johann Sebastian Bach stimmte seine Tasteninstrumente indem er 5 Quinten schwebend und die restlichen 7 schwebungsfrei legte (- die heute sogenannte „Bach-Stimmung“).

Bei all diesen verschiedenen „Wohltemperierten Stimmungen“ entsteht Tonarten-charakteristik aufgund der unterschiedlichen Qualität der Dur- und Molldreiklänge!z.B.: C-Dur = freche Tonart; D-Dur = feierlich; e-moll = Tonart der Trauer (aber nicht ohne Trost); c-moll = Ruhe, Schlaf; d-moll = düster; Tonart des Todes…

Im 19. Jh. setzte sich allmählich die (gleichstufig) gleichschwebende Stimmung (Temperatur) durch.

Streichinstrumente: (Barock)Violine: Vorläufer waren Instrument mit 3 – 4 Saiten und bundloser (senza tasti) Quintenstimmung. Dies ist auch der Unterschied zu den Viole da Gamba-Instrumenten, welche Bünde (con tasti) haben.Die Violine wurde im 16. Jh. nördlich der Alpen entwickelt und stellte im Laufe des 16. Jh. in Italien das wohl bedeutendste Instrument dar. (Berühmte Geigenbauer)Die Violine ist Hauptträger der damaligen Musik (auch solistisch) und wird in der Barockzeit das wichtigste Orchesterinstrument neben den anderen Streichern: der (Barock)Viola, dem (Barock)Violoncello (Violone piccolo) oder dem Violone grande bzw. Kontrabass (= Viola da gamba).Auf der Violine ist sehr virtuose Musik möglich und daher entstand sehr anspruchsvolle Literatur, die von Geigenvirtuosen (in Österreich z. B.: H. I. Fr. Biber, H. Schmelzer) komponiert wurde.Bis ca. 1700 werden die Streichinstrumente in zeitlichen Schüben immer wieder baulich verändert. Zunächst um sie noch virtuoser zu machen und nicht um die Klangfarbe zu verändern.Wichtigste Unterschiede zu „modernen“ Instrumenten: Darmsaiten statt Stahlsaiten - bis in die Zeit Anton Bruckners (nur e-Saite aus Stahl)Beim mod. Instr. größere Saitenspannung – daher Verstärkungen am KorpusDer Klang ist bei den Barockinstrumenten etwas schärfer (obertonreicher) aber leiser.Der Barockbogen ist wesentlich leichter. Das Spiel wird dadurch sprechender (Artikulation).

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Im späten 18., aber vor allem im 19. Jh. erfolgten Veränderungen zur Erlangung einer größeren Klangkraft (vgl. Hammerklavier). Verantwortlich für den ästheischen Wandel in der Musik war nicht zuletzt der gesellschaft-liche Wandel am Beginn des 19. Jh. (Revolutionen – Bürgertum – neue bürgerliche Musikkultur – größere Konzertsäle …)

Viole da Gamba: Instr.familie vom Diskant- bis zum Bassinstrument; Bünde (con tasti), 6 bis 7 Saiten, Unterhandhaltung des Bogens. (Verliert ab der Mitte des 18. Jh. an Bedeutung! – zu leise; veränderter Geschmack)

Holzblasinstrumente:

Traversflöte, Barockoboe, Barockfagott, Klarinette (Klarinettenvorläufer: Chalumeau)Die wichtigsten Eigenschaften:Material – Holz (vgl. moderne Böhmflöte (Metall)) Grifflöcher, nur wenige Klappen, (vgl. moderne Instrumenten – Klappenmaschinerie)bei alterierten Tönen – Gabelgriffe – veränderter Klang (gedeckt, dumpf) – klingen holzig, streichend, rohrig (durch dünnwandigere Bauweise, z.B. Fagott)

Zink (Cornett): (Holz, Elfenbein): Blockflötentechnik, TrompetenmundstückSehr virtuos spielbar, extrem vokaler Klang, beliebt im 17. Jh. (In frühbarocke Sonaten können die Melodie(Sopran)stimmen häufig unterschiedlich besetzt werden - durch Violine, Blockflöte od. Zink)Der Zink bleibt ein wichtiges Instrument bis 1790 bei der Formation der sogenannten „Stadtpfeiffer“ (ein 4-köpfiges Ensemble (whole-consort), so benannt nach der musikalischen Zunft der Stadtpfeiffer in dt. Städten) bestehend aus Zink + 3 Posaunen (Alt-, Tenor- und Bassposaune.)

Blechblasinstrumente:

Trompeten:

treten meist zusammen mit Pauken auf (diese Kombination geht auf Kriegsmusik zurück.)

Die wichtigsten Eigenschaften:Kann im Prinzip nur die Naturtöne spielen. Viel enger mensuriert als moderne Instrumente, dadurch etwas leiser, aber schmetternder Klang. Nur in der dritten Oktave über dem Grundton können Tonleitern gespielt werden (Obertöne). Daher sehr hoher Klang (Clarinblasen!); die „falschen“ Obertöne müssen durch verschiedene spieltechnische Tricks „sauber“ intoniert werden. Sehr schwer zu bewerkstelligen!Material – Messing (kurzfristig Klappen (Haydnzeit), später Ventile)

(Trumscheit: ist ein Saiteninstrument und diente als Trompetenersatz; vor dem Steg war ein Metallplättchen montiert Ò erzeugte schnarrenden Klang)

Zur Pauke:paarig verwendet (in Dominant/Tonika-Stimmung);es wurden nur harte Schlägel (Holz oder Elfenbein) verwendet bis in die Klassik steilwandiger Kupferkessel mit Tierfell bespannt („knalliger“ Klang im forte!)

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Posaunen: enge Mensur, Klang nicht so voluminös und massiv wie bei moderner Posaunebestens geeignet zum Collaparte-Spiel bei Chorstücken (hohe Mischfähigkeit)

Horn:Naturinstrument, sehr eng mensuriert, es gab verschiedene Stimmbügel, Halbtöne nur durch „Stopfentechnik“ (Hand in den Trichtersturz) möglich. Komponisten kommen meist mit den Naturtönen aus (nur 11 saubere Töne!). 2 Hörner werden in der Frühklassik zur Harmoniestütze im Orchester (in gewisser Weise übernehmen sie dadurch Generalbassfunktion!

Artikulation:

Artikulation ist die „Aussprache“ (Kürze bzw. Länge des klingenden Anteils) der einzelnen Töne. Die Phrasierung hingegen betrifft die Zusammengehörigkeit mehrerer Töne zu einer Sinneinheit, zu einer Phrase. Artikulation und Phrasierung sind zu unterscheiden!

Die Artikulation in der Renaissance: Auf den Tasteninstrumenten wurde, - mit Ausnahme des Akkordspiels, durch die ausschließlich Verwendung der drei mittleren Finger jeder Hand (= länger als Daumen und kleiner Finger) artikuliert. „Tonleiterartiges Spiel“ (bei Diminutionen) kommt somit ohne die Finger 1 und 5 aus. (Diese werden fast nur bei Akkorden und größeren Intervallen verwendet. Man spricht vom sogenannten „historischen Fingersatz“. (Zeitlich und regional unterschiedlich!)Dadurch entsteht bei gleichen Notenwerten die Hierarchie: schwer (betont) – leicht (unbetont)Diese Artikulation (schwer-leicht) gibt es auch bei allen anderen Instrumentengruppen. Im Prinzip wird jeder Ton artikuliert! Jeder Ton besteht also aus einem Klangteil und einer folgenden Artikulationspause. Die Grundartikulation ist ein ganz leichtes Non-legato!In der Renaissance sind die Begriffe „staccato” oder „legato“ noch unbekannt.Eine unterschiedliche Balkung (z.B. bei den Clavierwerken Girolamo Frescobaldis) lässt darauf schließen, dass bestimmte Noten „enger“ (dichter) artikuliert werden sollen (Noten mit einem Balken darüber) oder auch umgekehrt (Noten mit Fähnchen (bzw. Geltungsstrichen)).

Bei Streichinstrumenten ergibt sich die Artikulationart (schwer-leicht) durch den Unterschied von Ab- und Aufstrich. Viole da brazzo Instrumente – Oberhandhaltung beim Bogen: der Abstrich (nobiles – nobel (edel) im Klang) ist bei den betonten Noten zu spielen, der Aufstrich ist leichter und somit unbetont (viles – arm im Klang);bei den Viole da gamba Instrumenten (Unterhandhaltung des Bogens) ist es genau umgekehrt.Bis zu Beginn des 17. Jh. (Beginn der Barockepoche) wurden bei den Streichinstrumenten keine zwei Noten zusammengehängt. Sogar jede noch so kleine Verzierungsnote erhielt einen eigenen Bogenstrich. Diese Regel wurde nur verletzt, wenn man eine Strichkorrektur vornahm. Auch wurden sehr lang ausgehaltene Töne mehrmals im Takt neu angestrichen.(1620 tauchen in einem italienischen Traktat (Instrumentalschule) die ersten Bögen über mehrere Noten hinweg auf.

Bei den Blasinstrumenten ergibt sich die Artikulation durch das Sprechen verschiedener Silben. Hier gibt es 4 verschiedene Arten von Artikulation:

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1. Die „einfache“ Zunge: Dies wird durch Sprechen der Silbe „te“ erreicht. Dieser Klang ist eher hart und daher gibt es auch noch die weichere Version ; die Silbe „de“

2. die gerade Zunge (lingua dritta): „tere“ oder „dere“; und die lingua riversa: lereJ. J. Quantz (Frühklassik) rät die Silbe „did’ll“ statt „tere“.

3. Die Doppelzunge: teche oder daga (wurde im 16. Jahrhundert nur bei den Trompetern aufgrund der bessere Ansprache der Instrumente angewandt)

4. lingua morta (tote Zunge): wurde als „bauernhaft“ (Dudelsack) bemängelt und war somit verpönt.

Veränderung der Artikulation im Barock:

Die durch und durch pathetische und theatralische Musik des Barock führte auch zu einerdifferenzierteren Art der Artikulation. Der Ausgangspunkt, die Grundartikulation blieb besonders bei den Clavieristen das leichte Non-legato-Spiel.Viele Kriterien führen zu einer recht bunten Palette von möglichen Artikulationsarten.Dieser Trend verstärkt sich in der Spätbarockzeit bis in die frühklassische Epoche hinein! – Siehe: Artikulations-Übungen in Leopold Mozarts Violinschule) Ab ca. 1720 setzt sich auf Tasteninstrumenten allmählich der moderne Fingersatz durch.Neu ist vor allem das sogenannte „Schleiffen“, bzw. „Ziehen“ = sehr starkes Verbinden von Tönen - das Legato und das Überlegato)

In der Barockzeit unterscheidet man zwischen schwerer und leichter Artikulation:Kriterien dafür sind unter anderem

1. die Raumakustik (Nachhall größer = leichter artikulieren)2. die geschriebenen Notenwerte (schnelle, figurative Noten sind kürzer, längere Noten

verlangen ein dichteres Non-Legato; Leopold Mozart schreibt, dass jeder Ton wie ein Glockenton verklingen soll („in eine sich verlierende Stille“)

3. Die Taktart (je größer Zählzeit umso dichter die Artikulation; 3/2 = schwer 3/8 = leicht)

4. Tempoangaben: Die Tempoangaben waren zunächst als Affektangaben zu verstehen (Allegro = leicht/lustig Adagio = ruhig/schwer)

5. Dynamik: Schwer artikuliert, viel Klang, forte; leicht artikuliert, weniger Klang, piano; die Melodieführung: Sprünge eher gestoßen und Läufe eher zusammenhängend artikuliert.

Die Barockzeit versteht Musik in mehrerlei Hinsicht als Sprache; demnach ist ein sprechender Vortrag angemessen und wird praktiziert und gelehrt. Zunächst passiert dies ohne schriftliche Anweisungen. Nach und nach werden Artikulationszeichen zunächst dort verwendet, wo der Komponist eine Artikulation gegen die Gewohnheit der ausführenden Musiker fordert.Auch haben z.B. J. S. Bach und A. Vivaldi für ihre auch aus Schülern (= noch nicht so versierte Spieler) bestehenden Ensembles relativ oft Artikulationszeichen im Aufführungsmaterial (vor allem eben in den Einzelstimmen) eingetragen.

Folgende Artikulationszeichen wurden verwendet: DER BOGEN Hatte eine andere Bedeutung als im 19. und 20. Jh.. Wenn mehrere Noten verschiedener Tonhöhen durch einen Bogen miteinander „verbunden“ wurden, bedeutete dies, dass die

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1. Note am stärksten anzugreifen war, und die darauf folgenden immer schwächer zu spielen („anzugreiffen“) waren. Erst zweitrangig war das legato, welches nicht die Bedeutung hatte wie heute. Es bedeutete lediglich, dass die Noten dicht zu spielen seien.Wenn mehrere Noten mit Bogen und Punkten (heute staccato) gleichzeitig abgebildet waren, bedeutete dies ein sog. mensuriertes Vibrato (= damals: Tremolo). Es waren leicht bemessene Impulse, welche den Effekt der Trauer oder Lieblichkeit innehatten. Im Barock galt das Vibrato als Verziehrung!

DER PUNKT Hatte im Barock verschiedene Bedeutungen.Er war in erster Linie ein Kürzungszeichen; daneben aber auch ein Betonungszeichen. Punkte über mehreren Noten hintereinander bedeuteten meist ein die Forderung eines ganz gleichmäßigen Spiels; also keine Ungleichheit (Inégalité) im Spiel (= Stoff des 2. Semesters!)

2) gestoßene Noten Bei Bach hatte der Punkt auch noch eine andere Bedeutung: Oft waren seine Bogen sehr „schlampig“ gesetzt. Deshalb war häufig ein Punkt über der letzten Note unter dem Bogen und zeigte das Ende des Bogens an.

DER KEIL Den Keil findet man heute häufig in werkgetreuen Ausgaben wieder (z.B. bei W.A. Mozart und J. Haydn). Er war ein Kürzungszeichen. Ein schmaler Keil bedeutete, dass die Note kurz und schwach zu spielen sei, ein breiter Keil kurz uns stark.

DIE BAROCKE PHRASIERUNG

Die barocke Phrasierung hat in der Sprache ihre Entsprechung im Satzbau. (Hauptsatz, Nebensätze, Beifügungen ...) In der Sprache: durch Satzzeichen (Beistrich, Punkt...). Joh. Mattheson (18. Jh.) bezeichnet die Musik als Klangrede; Musik sei eine „echte und jedem (also international) verständliche Sprache“!Die Akzentuierung erfolgte vor allem durch ein Betonungs- und Regelsystem. Sie war das wichtigste Regulativ in der Dynamik (1600-1800). Es wurden nur sehr selten p und f Zeichen angegeben; entscheidend für die Dynamik war die Sprachlichkeit der Musik.

Die GRUNDAKTZENTUIERUNG (ca. 1600-1650)Die Musik vor 1600 (z.B.: Renaissance) wird nicht nach diesem Schema akzentuiert.(Das Denken in Takten ist dieser Musik fremd – Volkalpolyphonie) Die Barockzeit entwickelt den sogenannten Akzentuierungstakt (unterschiedliche Betonung der jeweiligen Taktschläge)

1. Grammatikalischer Akzent Ist das Fundament der Akzentuierung! Im Großen: Taktarten C (=Halbkreis) (4/4) 1 2 3 4 - zwei Akzente!

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Unser heutiges alla breve Zeichen (2/2) 1 2 3 4 nur 1 Akzent; in Bezug auf den 4/4 Takt bedeutet das nicht, dass das Tempo doppelt so schnell zu nehmen ist! (dies trifft nur zu, wenn zusätzlich zum Halbkreis mit Diminutumstrich die Anweisung „alla breve“ steht!!Bei den 3er Takten gab es 3 verschiedene Akzentuierungsmöglichkeiten:1) schwer / leicht/ leicht2) schwer/ leicht/ schwer3) schwer/ schwer/ leichtWelche Akzentuierung verwendet wurde, war von der Melodie abhängig!6/8 und 12/8 Takte waren Sonderfälle in der Grundakzentuierung!Bach kombinierte häufig C 12/8 ( 2 Akzente ). Das bedeutete: 12/8 Takt mit der Grundakzentuierung des 4/4 Taks! Oder aber: C durchgestrichen 12/8 (nur 1 Akzent!!) Im Kleinen: Rhythmische Figuren Die Hierachie der Töne wurden in diesen Figuren übernommen!Bei Läufen: schwer/ leicht/ schwer/ leicht oder schwer/ leicht/ leichtBei Verzierungen wurde das nicht mehr gemacht, da das Tempo zu schnell war!

2. Pathetischer Akzent Hatte auch 2 Bedeutungen: Er war 1.) die Verstärkung des Grammatikalischen Akzentes und 2.) ein Entgegenwirken des Grammatikalischen Akzentes (Synkope, dissonante Akkorde…).

3. Logischer Akzent Ist eine Hervorhebung von formalen Strukturen welche eine neue Phrase bilden. Oft Akzentuierung durch die Harmonie gegeben (= Hemiole).

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