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STRAHLENTHEMEN Röntgenstrahlung – eine bahnbrechende Entdeckung Vor mehr als 100 Jahren hat Wilhelm Conrad Röntgen die später nach ihm benannten Strahlen entdeckt. Diese bahnbrechende Entdeckung wurde damals begei- stert gefeiert: Man konnte erstmals ohne Operation ins Innere des menschlichen Körpers sehen – ein gewalti- ger Fortschritt in der medizinischen Diagnostik! Daraufhin setzte eine stürmische Entwicklung ein. Nach den ersten einfachen Röntgenaufnahmen und der Durchleuchtung unmittelbar am Leuchtschirm wurde die Film-Folien-Technik entwickelt. Dabei erhöhen fluo- reszierende Substanzen in sogenannten Verstärkerfolien die fotografische Wirkung auf einem Röntgenfilm. Bildverstärker-Geräte gestatteten später die Durchleuch- tung auch bei Tageslicht und deutlich verminderter Dosisleistung. Kontrastmittel wurden entwickelt, um Hohlorgane und Blutgefäße darstellen zu können und den natürlicherweise geringen Kontrast zwischen den Organen zu steigern. Inzwischen ist es mit digitalen Techniken möglich, Blutgefäße mit sehr geringen Men- gen von Kontrastmitteln deutlich sichtbar zu machen. Die Computertomografie schließlich liefert überlage- rungsfreie Darstellungen des menschlichen Körpers in Querschnittsbildern. Bald nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen wurden aber auch ihre schädlichen Wirkungen bekannt. Des- halb sollten Ärzte und Patienten bemüht sein, die An- zahl der Röntgenuntersuchungen und deren Dosis so gering wie medizinisch vertretbar zu halten. Röntgendiagnostik – schädlich oder nützlich? Titelbilder: Am häufigsten wird die Röntgendiagnostik bei Verletzungen oder Erkrankungen der Knochen eingesetzt; abgebildet ist ein Knochenbruch im Bereich des Unterschenkels vor (links) und nach der Operation („Fixierung“, rechts).

STRAHLENTHEMEN - ifbm-koeln.de · positionen herangezogen. Die jährliche Dosis der natür-lichen Strahlung kann bis 10 Millisievert (mSv) reichen und liegt in Deutschland im Mittel

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STRAHLENTHEMEN

Röntgenstrahlung – eine bahnbrechende Entdeckung

Vor mehr als 100 Jahren hat Wilhelm Conrad Röntgendie später nach ihm benannten Strahlen entdeckt.Diese bahnbrechende Entdeckung wurde damals begei-stert gefeiert: Man konnte erstmals ohne Operation insInnere des menschlichen Körpers sehen – ein gewalti-ger Fortschritt in der medizinischen Diagnostik!

Daraufhin setzte eine stürmische Entwicklung ein. Nachden ersten einfachen Röntgenaufnahmen und derDurchleuchtung unmittelbar am Leuchtschirm wurdedie Film-Folien-Technik entwickelt. Dabei erhöhen fluo-reszierende Substanzen in sogenannten Verstärkerfoliendie fotografische Wirkung auf einem Röntgenfilm. Bildverstärker-Geräte gestatteten später die Durchleuch-

tung auch bei Tageslicht und deutlich verminderterDosisleistung. Kontrastmittel wurden entwickelt, umHohlorgane und Blutgefäße darstellen zu können undden natürlicherweise geringen Kontrast zwischen denOrganen zu steigern. Inzwischen ist es mit digitalenTechniken möglich, Blutgefäße mit sehr geringen Men-gen von Kontrastmitteln deutlich sichtbar zu machen.Die Computertomografie schließlich liefert überlage-rungsfreie Darstellungen des menschlichen Körpers inQuerschnittsbildern.

Bald nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen wurdenaber auch ihre schädlichen Wirkungen bekannt. Des-halb sollten Ärzte und Patienten bemüht sein, die An-zahl der Röntgenuntersuchungen und deren Dosis sogering wie medizinisch vertretbar zu halten.

Röntgendiagnostik – schädlich oder nützlich?

Titelbilder: Am häufigsten wird die Röntgendiagnostik bei Verletzungen oder Erkrankungen der Knochen eingesetzt; abgebildet ist ein Knochenbruch im Bereich desUnterschenkels vor (links) und nach der Operation („Fixierung“, rechts).

Die Deutsche Röntgen-Gesellschaft hat festgestellt, dassdie Hälfte der Röntgenaufnahmen in Deutschland über-flüssig ist. Das stellt auch eine finanzielle Belastung fürdas Gesundheitswesen dar.

Gezielt durchgeführte Röntgendiagnostik bringt für denjeweils betroffenen Patienten einen Nutzen. Dieser Nut-zen rechtfertigt in vielen Fällen das mit Röntgenunter-suchungen verbundene Strahlenrisiko. Dennoch mussdas Strahlenrisiko stets sorgfältig bedacht werden, dieBelastung ist zu minimieren und Nutzen und Risikosind sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Das vorlie-gende Faltblatt informiert daher auch über Möglichkei-ten, wie die aus röntgendiagnostischen Maßnahmenresultierende Strahlenexposition – und damit das Strah-lenrisiko – verringert werden kann.

Vom Nutzen der Röntgendiagnostik

Wer krank ist oder sich krank fühlt, sucht seinen Arztauf, um Hilfe zu erlangen. Der Arzt kann Patientenaber nur behandeln, wenn er Informationen über siehat. Nach Erheben der Vorgeschichte und der klini-schen Untersuchung setzt der Arzt die Röntgendiagno-stik ein, wenn mit anderen Verfahren wie Labor-, Ultra-schall- oder endoskopischen Untersuchungen keineeindeutige Diagnose zu erhalten ist.

Mit der Röntgendiagnostik wird oft erst die genaue Dia-gnose ermöglicht oder erhärtet bzw. der Befund präzi-siert. Welche enorme Bedeutung die Röntgendiagnostikdabei für den einzelnen Patienten haben kann, zeigeneinige Beispiele:

• Zur sicheren Diagnose eines Knochenbruchs sind fastimmer Röntgenaufnahmen notwendig. Ist eine Einrich-tung des Bruchs oder gar eine Operation erforderlich,sind Röntgenaufnahmen zur Kontrolle der richtigenEinstellung durchzuführen. Sonst kann es zur Fehlstel-lung des Knochens und dadurch später zu Schmerzenund Arthrose kommen.

• Nach einem Unfall mit Kopfverletzung können Übel-keit, Kopfschmerzen und Benommenheit auftreten. Siekönnen durch eine Gehirnerschütterung hervorgerufenwerden, aber auch durch Blutungen innerhalb desSchädels. Eine rechtzeitige Operation kann den Patien-ten heilen. Eine unnötige Operation fügt dem PatientenSchaden zu. Erfolgt eine notwendige Operation zu spät,so führt das zu einem bleibenden Hirnschaden, wennnicht sogar zum Tod des Patienten. Deshalb ist es zurAbklärung des Befundes erforderlich, schnell und sichereine Diagnose zu bekommen. Eine geeignete Maßnah-me dafür ist im akuten Stadium eine Röntgenuntersu-chung in Form einer Computertomografie (CT). EineMagnetresonanz-(Kernspin-) Untersuchung ist erst ineinem späteren Stadium aussagekräftig.

• Wird der Brustkrebs einer Frau zu spät erkannt, sokann er oft trotz Operation, Bestrahlung und Chemo-therapie zum Tod der Patientin führen. Wird der Tu-mor jedoch rechtzeitig erkannt, ist er mit der hohenWahrscheinlichkeit von über 90 Prozent heilbar. Mitder Mammografie ist es derzeit möglich, einen Brust-krebs so früh zu erkennen, dass die Patientin noch guteHeilungschancen hat. Alternative Untersuchungsverfah-ren wie z.B. die Sonografie und die Magnetresonanzto-mographie (MRT) haben für die Krebsfrüherkennungderzeit noch keine ausreichende Aussagekraft.

• Blutgefäß-Veränderungen, vor allem Verengungen derBlutgefäße, sind eine weit verbreitete Krankheit mitschwerwiegenden Folgen. Verengen sich die Herzkranzge-fäße, so führt das zum Herzinfarkt, der in schweren Fällentödlich verläuft. Mit der Angiografie, einer speziellenRöntgentechnik, können Gefäßverengungen rechtzeitigerkannt und einer geeigneten Therapie zugeführt werden.Dadurch sinkt das Risiko eines Herzinfarktes erheblich.

• Zusätzlich zur Angiografie kann eine sogenannteIntervention durchgeführt werden: Dabei wird z.B. eindehnbarer Katheter unter Durchleuchtungskontrolle indas verengte Gefäß eingeführt, um dieses aufzudehnen. Die Durchblutung normalisiert sich wieder, Schadenwird vom Patienten abgewendet.

Die Diagnose ist mit Hilfe der Computertomografie oft schnell undsicher möglich.

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Gleichzeitig vermeidet man eine Operation, die sonsterforderlich gewesen wäre. Das Risiko einer solchenOperation mit Narkose wäre deutlich höher als diebeschriebene Maßnahme der Gefäßerweiterung.

Wie häufig wird geröntgt?

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Anzahl derRöntgenuntersuchungen ermittelt. Von den etwa 148Millionen Röntgenuntersuchungen pro Jahr (Mittelwertüber die Jahre 1996 bis 2001) entfällt etwa ein Drittelauf die Zahn- und Kieferdiagnostik. Etwa ein Fünftelder Untersuchungen wird in Krankenhäusern durchge-führt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschlandbezüglich der Häufigkeit röntgendiagnostischer Maß-nahmen im oberen Bereich. Über den Zeitraum 1996bis 2001 verändern sich die geschätzten Werte für dieHäufigkeit nur wenig. Allerdings hat der Anteil dosisin-tensiver Untersuchungsverfahren, insbesondere derComputertomographie (CT), im Laufe der Jahre deutlich

zugenommen. Dies spiegelt die hohe diagnostische Aus-sagekraft sowie das Verlangen von Arzt und Patientnach umfassender Diagnostik wider.

Die meisten Röntgenuntersuchungen betreffen das Ske-lett, die Zähne und den Brustkorb. Die sehr aussagekräf-tige, jedoch dosisintensive Computertomografie (CT)weist eine starke Zunahme auf.

Das Prinzip Rechtfertigung

Der Nutzen der Röntgendiagnostik muss deutlich grö-ßer als ihr Risiko sein. In der Röntgenverordnung (RöV)ist daher festgelegt, dass jede einzelne Strahlenanwen-dung vorher ärztlich gerechtfertigt sein muss („rechtfer-tigende Indikation“). Die Abwägung von Nutzen undRisiko in der Röntgendiagnostik hängt dabei stark vonindividuellen Verhältnissen des einzelnen Patienten ab.Eine Röntgenuntersuchung ist gerechtfertigt, wenn derPatient aus der Röntgendiagnostik einen erheblichenNutzen zieht und das Strahlenrisiko demgegenübergering einzuschätzen ist.

Das ist der Fall, wenn die Untersuchungsmethodegeeignet ist, die diagnostische Fragestellung zu beant-worten und kein alternatives Verfahren zur Verfügungsteht. Die oben beschriebenen Beispiele zeigen dies.Würde man in diesen Fällen die Röntgenuntersuchungunterlassen, so könnte sich daraus für den Patientenein erhebliches Gesundheitsrisiko ergeben.

Um zu gewährleisten, dass nur notwendige und sinnvol-le Röntgenuntersuchungen durchgeführt werden, ist esdem fachkundigen Arzt vorbehalten, eine rechtfertigen-de Indikation zu stellen.

Er muss sich dabei in jedem Fall fragen, welche Infor-mationen er über den Patienten benötigt und mit wel-cher Untersuchungsmethode er diese erhalten kann.

Prinzipdarstellung einer röntgendiagnostischen Anordnung.

Prozentualer Anteil der Röntgen-Untersuchungen an der Häufigkeit und an der kollektiven effektiven Dosis in Deutschland für das Jahr 2001

33%

15%35%

2%4%

4%

6%1%

8,3%

17,1%12,5%

1,0%

11,1%0,2%

48,2%

1,6%

Zahnmedizin Thorax

Skelett Mammographie

Verdauungs-/Harn-/Gallentrakt Angiographie & Intervention

CT Sonstiges

Häufigkeit Effektive Dosis

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Er muss sich aber auch folgende Kontrollfrage stellen: Istdie gleiche oder eine gleichwertige Information auch miteiner anderen, einfacheren Untersuchungsmethode –ohne die Anwendung von Röntgenstrahlen – zu erhalten?

Maßstab für den Nutzen sind dabei die Folgen, die sichfür die Behandlung des Patienten durch den Arzt erge-ben: Auch sehr gute, detailgenaue Informationen sind fürPatienten nutzlos, wenn sich damit die Behandlungsmög-lichkeiten nicht verbessern. Der diagnostische Gewinnkann unterschiedlich eingestuft werden: Er reicht voneiner nützlichen Kontrolle des Heilverlaufs über die Absi-cherung einer Verdachtsdiagnose bis hin zu therapieent-scheidenden Erkenntnissen und akut lebensrettendenMaßnahmen.

Röntgenuntersuchungen sollten nicht durchgeführtwerden• als sogenannte „Routine-Untersuchungen“;• bevor nicht alle anderen bisher erhobenen Befunde

kritisch bewertet worden sind und feststeht, dass nurdie Röntgendiagnostik die noch fehlende Informationliefern kann;

• ausschließlich als Beweismittel aus haftungsrechtlichenoder versicherungsrechtlichen Gründen.

Wird die Indikation in dieser Weise eingeschränkt, sobringt die Röntgendiagnostik ihren höchsten Nutzen.

Was ist Röntgenstrahlung?

Röntgenstrahlung gehört zur „ionisierenden Strahlung“.Seit jeher ist der Mensch ionisierender Strahlung ausnatürlichen Quellen ausgesetzt. Zusätzlich wirken heuteauch ionisierende Strahlen aus medizinischer und tech-nischer Anwendung auf ihn ein. Dazu gehören sowohldie Röntgenstrahlen als auch die Gammastrahlen in derStrahlentherapie.

Die Exposition durch natürliche Strahlung setzt sich ausinnerer und äußerer Strahlenexposition zusammen. Dieäußere Strahlenexposition umfasst Strahlung, die vonnatürlichen radioaktiven Stoffen im Boden ausgeht, diesogenannte terrestrische Strahlung. Auch die kosmischeStrahlung ist Quelle der äußeren Strahlenexposition. DieHöhe des Aufenthaltsortes und die Beschaffenheit desgeologischen Untergrundes wirken sich also auf dasAusmaß der natürlichen Strahlenexposition aus.

Über die Atemluft und die Nahrung nimmt der Menschstets natürliche radioaktive Stoffe in den Körper auf.Diese verursachen eine innere Strahlenexposition.

Der natürlichen Strahlung kann sich niemand entzie-hen. Seit seiner Existenz ist der Mensch ohne seinZutun dieser Strahlung ausgesetzt, die auch für Krebser-krankungen verantwortlich sein kann. Sie wird deshalbteilweise als Vergleichsmaßstab für andere Strahlenex-

Die durchschnittliche Strahlenexposition der Bürger aus natürlichen Strahlenquellen beträgt etwa 2,1 Millisievert im Jahr (mSv/a). Die einzelnen Beiträge sind alsMittelwerte in der Grafik dargestellt. Der Wert für die Medizin bezieht sich auf das Jahr 2001.

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positionen herangezogen. Die jährliche Dosis der natür-lichen Strahlung kann bis 10 Millisievert (mSv) reichenund liegt in Deutschland im Mittel bei etwa 2,1 mSv.

Um verschiedene Strahlenexpositionen bewerten undmiteinander vergleichen zu können, wurde der Begriffder „effektiven Dosis“ eingeführt. Die effektive Dosisberücksichtigt die unterschiedliche Empfindlichkeit derOrgane und Gewebe bezüglich der sogenannten stocha-stischen Strahlenwirkung, d.h. der strahlenbedingtenAuslösung einer Krebserkrankung oder eines geneti-schen Defekts. „Sievert“ ist die Einheit der effektivenDosis, bei kleinen Dosen ist die Bezeichnung Millisievert(mSv) gebräuchlich. 1 mSv = 0,001 Sievert (ein Tausend-stel Sievert).

Strahlendosis von Röntgenuntersuchungen

Die Fortschritte in der Röntgentechnik haben in denletzten 30 Jahren bei den meisten Röntgenuntersuchun-gen zu einer erheblichen Herabsetzung der Dosisgeführt. Besonders die Entwicklung empfindlichererFilm-Folien-Systeme, die moderne Generator- und Bild-verstärkertechnik und neuerdings digitale Systeme tra-gen zur Verringerung der Strahlenexposition desPatienten bei einer notwendigen Röntgenuntersuchungbei. Der trotz dieser Fortschritte zu verzeichnendeAnstieg der mittleren Strahlenexposition der Bevölke-rung ist daher hauptsächlich auf die zunehmende Häu-figkeit von dosisintensiven Röntgenuntersuchungen wieder Computertomographie (CT) zurückzuführen.

Die Dosiswerte für ein und dieselbe Untersuchungsartschwanken jedoch von Fall zu Fall stark. Ursache sindindividuelle Unterschiede der Patienten, etwa ihr Kör-perbau und ihr Gewicht, aber auch medizinische unddiagnostische Faktoren. Ein wesentlicher Faktor ist dieErfahrung der Ärzte und der Medizinisch-TechnischenRadiologieassistent/innen sowie die Qualität ihrerWeiterbildung. Unterschiedliche Röntgentechnikbewirkt ebenfalls verschiedene Dosiswerte.

Wirkungen ionisierender Strahlung

Aus den Folgen der Atombombenabwürfe in Hiroshimaund Nagasaki weiß man, dass ionisierende Strahlen imBereich hoher Dosen bösartige Erkrankungen wie Krebsoder Schädigungen von Ungeborenen im Mutterleibverursachen können. Steigt die Dosis, so steigt auch dieWahrscheinlichkeit für eine Krebsentstehung. Verschie-dene Gewebe und Organe haben dabei unterschiedli-che Strahlenempfindlichkeiten.

Dies sind gesicherte Tatsachen. Diese Kenntnisse wur-den allerdings nur bei Dosiswerten von 200 Millisievertund darüber gewonnen. Solche Dosiswerte kommen inder Röntgendiagnostik üblicherweise nicht vor. Wiesich Strahlenexpositionen mit geringer Dosis auf die

Gesundheit auswirken, darüber liegen keine gesicher-ten Erkenntnisse vor; teilweise ist man auf Vermutun-gen und Modelle angewiesen.Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP),der namhafte Wissenschaftler aus allen Forschungsge-bieten über ionisierende Strahlung angehören, gehtvon einem linearen Zusammenhang zwischen Dosisund Wirkung ohne Schwellenwert aus. Das bedeutet:Auch bei niedrigen Dosen können Schäden nicht ausge-schlossen werden. Selbst kleinste Dosen haben ein –wenn auch geringeres – Risiko.

Die Wahrscheinlichkeit einer Krebsentstehung ist nichtfür alle Personen gleich. Es gibt individuelle Unterschie-de, beispielsweise bedingt durch stärkere oder schwä-chere Abwehr des Körpers gegen Krebszellen. Außer-dem spielt das Alter der Betroffenen eine Rolle.Einerseits ist das Gewebe von älteren Menschen weni-ger anfällig gegenüber Strahlenwirkungen als das vonjüngeren Personen, andererseits ist die Entstehungeiner Krebserkrankung mit einer Verzögerungszeit ver-bunden. Das ist mit ein Grund dafür, warum ältereoder schwer kranke Menschen weniger von den Strah-lenrisiken der Röntgendiagnostik betroffen sind. IhreLebenserwartung ist oft kürzer als die jahre- oder jahr-zehntelange Entstehungszeit einer strahlenbedingtenKrebserkrankung. Überwiegend werden Röntgenuntersuchungen an älte-ren Patienten durchgeführt, besonders solche mit einerhohen Dosis. Schon aus diesem Grund wäre es falsch,

Bereiche mittlerer Werte für die effektive Dosisfür häufige Röntgenuntersuchungen an Standard-patienten (70 ± 5 kg Körpergewicht) in Millisievert(mSv)

Zahnaufnahme < 0,01Knochendichtemessungen < 0,01- 0,3Brustkorbaufnahme (Thorax) 0,02 – 0,08Extremitäten (Gliedmaßen) < 0,01 – 0,1Schädelaufnahme 0,03 – 0,1Hüfte 0,07 - 0,4Mammografie (Brustuntersuchung) 0,2 – 0,6Beckenübersicht 0,5 – 1,0Wirbelsäule 0,1 – 1,8Bauchraum (Abdomen) 0,6 – 1,1Magen 6 - 12Darm 10 - 18Galle 1 - 8Harntrakt 2 - 5Bein-Becken-Phlegographie 0,5 – 2Arteriographie und Interventionen 10 - 30

Computertomografie (CT)CT Schädel 2 - 4CT Wirbelsäule 2 - 11CT Brustkorb (Thorax) 6 - 10CT Bauchraum (Abdomen) 10 -25

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sämtliche Strahlenexpositionen beim Röntgen rechne-risch gleichmäßig über die gesamte Bevölkerung zu ver-teilen, um daraus ein mittleres Risiko pro Einwohnerbestimmen zu wollen.

Risiken im Vergleich

Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) hatRisikokoeffizienten erarbeitet, mit deren Hilfe strahlen-bedingte Risiken abgeschätzt werden können. Mit Hilfedieser Koeffizienten lässt sich beispielsweise das Risikonotwendiger Röntgenuntersuchungen mit Risikendurch andere Untersuchungsmethoden vergleichen.Daraus eine bestimmte Anzahl von Toten abzuschätzenist fragwürdig, da nicht nur wesentliche Risikofaktorenunbekannt sind, sondern auch zu berücksichtigen ist,dass unterlassene Röntgenuntersuchungen schwereKrankheiten und sogar Todesfälle nach sich ziehen kön-nen. Die alleinige Abschätzung des Strahlenrisikos ohneGegenüberstellung des Nutzens, der aus der Röntgendi-agnostik erwächst, macht keinen Sinn.

Die Röntgendiagnostik sollte somit nicht als kollektivesRisiko betrachtet werden. Das Risiko bleibt auf den einzelnen Patienten beschränkt, der auch den indivi-duellen Nutzen daraus zieht. Wird dennoch ein hypo-thetisches kollektives Risiko bezogen auf ein Jahr abge-schätzt (wie z.B. das strahlenbedingte Risiko für dieGesamtdosis aller röntgendiagnostischen Maßnahmenin Deutschland für ein Jahr bezogen auf die gesamteBevölkerung), so ist dieses hypothetische Risiko geringim Vergleich zu anderen Gesundheitsrisiken. Im Jahr2002 starben in Deutschland etwa 840.000 Menschen,hiervon etwa ein Viertel an einer bösartigen Erkran-kung. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Institutes sindetwa 25% bis 30% der etwa 210.000 Krebstodesfälledurch Rauchen verursacht, also rund 58.000 Fälle.

In einer aktuellen Studie berechnen die Autoren, dassetwa 2.000 Krebserkrankungen (etwa 1.500 Krebstodes-fälle) pro Jahr bei Personen bis zu 75 Jahren in Deutsch-land durch die Röntgendiagnostik verursacht seinkönnten.

Wie wird das Strahlenrisiko verringert?

Der medizinische Strahlenschutz hat eine zentraleBedeutung für die Bevölkerung. Nahezu 100 Prozentder zivilisatorischen Strahlenbelastung kommt aus demmedizinischen Bereich. Deshalb muss das mit demRöntgen verbundene Strahlenrisiko verringert werden.Primäres Ziel muss es sein, unnötige Untersuchungenzu vermeiden und so die Anzahl an Röntgenuntersu-chungen zu reduzieren.

Bei jeder Röntgenuntersuchung sind stets der Nutzenfür den einzelnen Patienten und die persönlichen Risi-kofaktoren, z.B. sein Alter, gegeneinander abzuwägen,die sich für ihn aus der Untersuchung ergeben.

Die individuellen Risiken des Rauchens oder einergefährlichen Sportart beruhen auf freien Entscheidun-gen. Entscheidet man sich dagegen, so geht ihr Risikogegen Null. Lässt man jedoch eine klinisch indizierte,also gerechtfertigte Röntgenuntersuchung nicht durch-führen, so ist das Risiko, aus diesem Grund eine Krank-heit gar nicht oder erst zu spät zu erkennen, höher alsdas mit der Röntgendiagnostik verbundene Strahlenrisi-ko. Unter diesen Gesichtspunkten können Nutzen undRisiko beim Röntgen gegeneinander abgewogen wer-den.

Röntgenuntersuchungen sollten allerdings nur durchge-führt werden, wenn sie zu diagnostischen Aussagenführen, die auch Folgen für die Art der Behandlunghaben. Darüber hinaus ist stets zu überlegen, ob mitalternativen Untersuchungsverfahren ohne Anwendungvon Röntgenstrahlen (wie z.B. der Sonografie, Endosko-pie oder der Magnetresonanztomografie, MRT) nichtgleichwertige oder sogar bessere diagnostische Informa-tionen gewonnen werden können.

Die Dosis für eine Röntgenuntersuchung lässt sich redu-zieren, wenn alle Maßnahmen der Qualitätssicherungergriffen werden, die sowohl die Apparatetechnik alsauch die Durchführung der Untersuchungen umfassen.Solche Maßnahmen sind durch die Röntgenverordnungvorgeschrieben: Selbstverständlich muss die Röntgen-einrichtung in technisch einwandfreiem Zustand sein.Ihre ordnungsgemäße Funktion wird durch regelmäßi-ge Prüfungen überwacht. In den für alle Ärzte verbind-lichen „Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitäts-sicherung in der Röntgendiagnostik“ sind medizinischeund technische Hinweise zur optimalen Einstellung vonRöntgenaufnahmen und zur Durchführung von Durch-leuchtungen beschrieben.

Die „Ärztlichen Stellen“ als Teil der berufsständischenSelbstverwaltung sind verantwortlich für die Qualitätssi-cherung bei der Anwendung von Röntgenstrahlung amMenschen. Dazu fordern sie stichprobenartig Patienten-aufnahmen sowie die dazugehörigen Aufzeichnungenan. Von den Ärztlichen Stellen werden die technischeBildqualität, die medizinische Aussagekraft der Aufnah-men sowie die rechtfertigende Indikation für dieAnwendung von Röntgenstrahlen am Menschen beur-teilt. Darüber hinaus überprüfen sie auch die Patienten-dosis und vergleichen diese mit den vom BfS festgeleg-ten „Diagnostischen Referenzwerten“. Den Ärztenwerden gegebenenfalls Vorschläge zur Verringerungder Strahlenexposition gemacht.

Beispiel: Urologische Durchleuchtung: Röntgenunter-suchungen, bei denen Durchleuchtungen notwendigsind, sind mit einer höheren Strahlendosis verbunden.Es werden daher mehrere Maßnahmen zur Herabset-zung der Dosis ergriffen: Moderne Generatoren erzeu-gen statt kontinuierlicher eine gepulste Strahlung, diezur Erzeugung des Bildes ausreicht. Ein elektronischerBildverstärker mit anschließender Fernseheinheit ver-stärkt das Durchleuchtungsbild, das auf einem Fernseh-

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monitor im nur schwach abgedunkelten Raum sichtbarist. Bleigummidecken – hier unter dem Patienten –schützen nicht untersuchte Körperbereiche vor derStrahlung, die in diesem Fall von unten kommt.

Der Arzt schützt sich durch eine Bleiglasbrille, einenSchilddrüsenschutz, eine rundum schützende Bleigum-mischürze sowie zusätzlich durch eine Bleigummi-decke, die zwischen ihm und der Röntgenröhre amUntersuchungstisch angebracht ist.

(1) Röntgenröhre(2) Tiefenblende zur Begrenzung des Röntgenstrahl-

bündels(3) Bleigummi-Abschirmung zum Schutz nicht unter-

suchter Körperbereiche des Patienten(4) Strahlentransparente Patientenlagerungsplatte(5) Fernsehmonitor(6) Elektronischer Bildverstärker(7) Fernseh-Aufnahmeröhre(8) Bleiglasbrille des Untersuchers mit Seitenschutz(9) Schilddrüsenschutz (10) Strahlenschutzschürze des Untersuchers

(Rundum-Schürze)(11) Bleigummi-Lamellen zum Strahlenschutz des

Untersuchers

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Was können Sie selbst tun?

Auch Sie als Patient können einiges tun, um die Anzahlunnötiger Röntgenaufnahmen zu verringern und denStrahlenschutz zu optimieren:

Röntgenuntersuchungen, bei denen nur Röntgenaufnahmen angefertigt werden,sind mit vergleichsweise niedrigen Dosiswerten verbunden – wie etwa die Unter-suchung des Kopfes, der Gliedmaßen oder hier das Bild des Brustkorbes. Stetssollte mit einer möglichst geringen Dosis die Bildqualität erzielt werden, die aus-reicht, um die erforderlichen Strukturen für die Diagnose sichtbar zu machen. Esist nicht Ziel des Röntgens, Bilder in größter Zeichenschärfe zu erzeugen. Dieswäre durch Erhöhen der Dosis ohne weiteres möglich, zur diagnostischen Beurtei-lung des Bildes ist es aber oft nicht erforderlich. Eine Bleischürze schützt dienicht untersuchten strahlenempfindlichen Körperteile des Patienten.

Das Führen des Röntgenpasses ist freiwillig, wird jedoch von Ärzten, Krankenkas-sen und Strahlenschutzbehörden empfohlen.

Impressum

Bundesamt für StrahlenschutzPostfach 10014938201 SalzgitterTelefon: +49 (0) 1888 - 3 33 - 0Telefax: +49 (0) 1888 - 3 33 - 18 85Internet: www.bfs.deE-Mail: [email protected]

Bildrechte: BfSBildmaterial, Grafik: BfS mit Unterstützung der Krankenhäuser Salz-dahlumer Straße, Braunschweig und Salzgitter-Bad NordDruck: Harzdruckerei GmbH WernigerodeStand: August 2005

Gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier.

• Sagen Sie dem Arzt, ob in der letzten Zeit bei Ihnenbereits ähnliche Röntgenuntersuchungen gemacht wor-den sind! Ärztliche und zahnärztliche Praxen und Kini-ken, die Röntgenuntersuchungen durchführen, müssengemäß § 28 RöV einen Röntgenpass bereithalten unddiesen den Patientinnen und Patienten anbieten. LassenSie sich bitte diesen Pass aushändigen und legen Sieihn zu jeder Untersuchung wieder vor. Auch beimBundesamt für Strahlenschutz können Sie kostenloseinen Röntgenpass anfordern.

• Bringen Sie Ihrem Arzt frühere Aufnahmen mit oderlassen Sie diese anfordern! Ein Arzt ist verpflichtet, vonihm angefertigte Röntgenaufnahmen bzw. Kopiendavon dem weiterbehandelnden Arzt oder dem Patien-ten vorübergehend leihweise zu überlassen. Sie sindaber verpflichtet, diese zurückzugeben. Sie können –auch als Privatpatient – kein Eigentumsrecht an denRöntgenbildern erwerben.

• Lassen Sie sich von Ihrem Arzt die Notwendigkeit dergeplanten Röntgenuntersuchung und das damit ver-bundene Risiko erklären!

• Frauen sollten während einer Schwangerschaft nur inbesonders begründeten Ausnahmefällen geröntgt wer-den: Sagen Sie dem Arzt vor der Röntgenuntersuchung,ob eine Schwangerschaft besteht oder vermutet wird!Der Arzt ist nach der Röntgenverordnung verpflichtet,die Frage nach einer Schwangerschaft zu stellen.

• Achten Sie bei der Aufnahme darauf, dass an denStrahlenschutz für die nicht untersuchten Körperteilegedacht wird (z.B. Bleischürze, Keimdrüsenschutz)!

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