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| Der Radiologe 9·98 Freies Thema 774 C. Zwicker 1 · M. Hering 2 · J. Brecht 3 · M. Bjørnsgård 4 · H.-J. Kuhne-Velte 4 · A. Kern 5 1 CT/MRT Abteilung, Hegau Klinikum Singen (Leiter: Priv.-Doz. Dr. C. Zwicker) 2 Röntgenologisches Zentralinstitut, Hegau Klinikum Singen (Leiter: Prof. Dr. U. Goerttler) 3 Anästhesiologisches Institut, Hegau Klinikum Singen (Leiter: Prof. Dr. G. Hack) 4 Strahlentherapeutische Belegabteilung, Klinikum Konstanz (Leiter: Prof. Dr. H.J. Zwicker) 5 Neurologische Praxis Singen (Dr. A. Kern) Strahlentherapie der Peri- arthritis humeroscapularis mit ultraharten Photonen Vergleich mit kernspintomographischen Befunden gnose des Behandlungserfolges einer Strahlentherapie zulassen. Material und Methode Es wurden in diese Studie prospektiv 77 Patienten (27 männlich und 50 weib- lich, Durchschnittsalter: 58 ± 10 Jahre) aufgenommen, bei denen im Mittel seit 15 Monaten eine schmerzhafte Bewe- gungseinschränkung einer Schulter be- stand und degenerative Veränderungen der HWS mit einer CT ausgeschlossen wurden. Die MRT-Untersuchungen und Strahlentherapien erfolgten von Januar 1995 bis Januar 1997. Zwischen der MRT und der Radiatio lag ein Zeitintervall von 3 bis 30 Tagen. Die MRT-Untersuchungen erfolgten an einem Magnetom SP 42 (Siemens) und flexiblen Ringspulen (Durchmesser 17 cm) mit folgendem standardisiertem Untersuchungsprotokoll: anguliert koronare T1w- SE-Sequenz (TR: 660 ms/TE: 15 ms) parallel zur Skapula; 3 mm Schichtdicke, 180 mm FOV, Meßzeit: 5,41 min; anguliert koronare T2w- SE-Sequenz (TR: 2000 ms/TE: 70 ms) parallel zur Die Strahlenbehandlung benigner Er- krankungen weist seit den Hinweisen von Sokoloff aus dem Jahre 1898 eine sehr lange Tradition auf [18]. Weitere Publikationen an größeren Patienten- zahlen erfolgten von Staunig 1925 [19]. Von Pannewitz führte 1933 erste experi- mentelle Untersuchungen bei degene- rativen Veränderungen des Skelettes und der periartikulären Weichteile durch [24, 25]. Die Publikation von Brown u. Abbatt (1955) wies jedoch eine leicht erhöhte Leukämierate nach Strahlenbehandlungen der Wirbelsäule bei jungen Patienten mit M. Bechterew nach, so daß die Indikationen zur Reiz- bestrahlung in der Folgezeit deutlich zurückhaltender gestellt wurden [1]. Der chronische Schulterschmerz, die Periarthritis humeroscapularis, zeigt sich in einer schmerzhaften Bewe- gungseinschränkung des Schulterge- lenks mit einer Anamnese über Monate oder Jahre. Der Periarthritis hume- roscapularis können unterschiedliche Ursachen wie eine primäre Omarthose, aber auch Alterationen des Kapsel- bandapparates und insbesondere der Supraspinatussehne zu Grunde liegen. Ziel dieser prospektiven Studie war festzustellen, welchen therapeutischen Nutzen die Strahlenbehandlung bei der Periarthritis humeroscapularis auf- weist und ob die MRT morphologische Kriterien erfassen kann, die eine Pro- Freies Thema Radiologe 1998 · 38:774–778 © Springer-Verlag 1998 Zusammenfassung Fragestellung: Aussagefähigkeit der MRT vor Strahlentherapie der Periarthritis hume- roscapularis. Methodik: 77 Patienten mit Periarthritis hu- meroscapularis wurden prospektiv vor der Strahlentherapie mit einem Linearbeschleu- niger MR-tomographisch untersucht. Ergebnisse: 6 Monate nach Beendigung der Radiatio waren 34% der Patienten be- schwerdefrei. 35% zeigten eine wesentliche Besserung. 20% waren nur geringfügig ge- bessert, während bei 12% der Patienten die Symptomatik unverändert fortbestand. Eine positive Korrelation der MR-Befunde mit dem Therapieerfolg bestand bei akuten Tendinitiden,Usuren sowie kompletten und inkompletten Rupturen der Supraspinatus- sehne. Schlußfolgerungen: Die Strahlentherapie ist neben operativen Verfahren eine weitere wertvolle Methode zur Behandlung der Peri- arthritis humeroscapularis. Die MRT ist zur Indikationsstellung sinnvoll. Schlüsselwörter Strahlentherapie · Periarthritis humeroscapularis · MRT Priv.-Doz. Dr. C. Zwicker CT/MRT Abteilung, Hegau Klinikum Singen, Virchowstraße 10, D-78221 Singen& / f n - b l o c k : & b d y :

Strahlentherapie der Periarthritis humeroscapularis mit ultraharten Photonen

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Page 1: Strahlentherapie der Periarthritis humeroscapularis mit ultraharten Photonen

| Der Radiologe 9·98

Freies Thema

774

C. Zwicker1 · M. Hering2 · J. Brecht3 · M. Bjørnsgård4 · H.-J. Kuhne-Velte4 · A. Kern5

1 CT/MRT Abteilung, Hegau Klinikum Singen (Leiter:Priv.-Doz.Dr.C.Zwicker)2 Röntgenologisches Zentralinstitut, Hegau Klinikum Singen (Leiter:Prof.Dr.U.Goerttler)3 Anästhesiologisches Institut, Hegau Klinikum Singen (Leiter:Prof.Dr.G.Hack)4 Strahlentherapeutische Belegabteilung, Klinikum Konstanz (Leiter:Prof.Dr.H.J.Zwicker)5 Neurologische Praxis Singen (Dr.A.Kern)

Strahlentherapie der Peri-arthritis humeroscapularismit ultraharten PhotonenVergleich mit kernspintomographischenBefunden

gnose des Behandlungserfolges einerStrahlentherapie zulassen.

Material und Methode

Es wurden in diese Studie prospektiv 77Patienten (27 männlich und 50 weib-lich, Durchschnittsalter: 58 ± 10 Jahre)aufgenommen, bei denen im Mittel seit15 Monaten eine schmerzhafte Bewe-gungseinschränkung einer Schulter be-stand und degenerative Veränderungender HWS mit einer CT ausgeschlossenwurden. Die MRT-Untersuchungen undStrahlentherapien erfolgten von Januar1995 bis Januar 1997. Zwischen der MRTund der Radiatio lag ein Zeitintervallvon 3 bis 30 Tagen.

Die MRT-Untersuchungen erfolgtenan einem Magnetom SP 42 (Siemens)und flexiblen Ringspulen (Durchmesser17 cm) mit folgendem standardisiertemUntersuchungsprotokoll:

● anguliert koronare T1w- SE-Sequenz(TR: 660 ms/TE: 15 ms) parallel zurSkapula; 3 mm Schichtdicke, 180 mmFOV, Meßzeit: 5,41 min;

● anguliert koronare T2w- SE-Sequenz(TR: 2000 ms/TE: 70 ms) parallel zur

Die Strahlenbehandlung benigner Er-krankungen weist seit den Hinweisenvon Sokoloff aus dem Jahre 1898 einesehr lange Tradition auf [18]. WeiterePublikationen an größeren Patienten-zahlen erfolgten von Staunig 1925 [19].Von Pannewitz führte 1933 erste experi-mentelle Untersuchungen bei degene-rativen Veränderungen des Skelettesund der periartikulären Weichteiledurch [24, 25]. Die Publikation vonBrown u. Abbatt (1955) wies jedoch eineleicht erhöhte Leukämierate nachStrahlenbehandlungen der Wirbelsäulebei jungen Patienten mit M. Bechterewnach, so daß die Indikationen zur Reiz-bestrahlung in der Folgezeit deutlichzurückhaltender gestellt wurden [1].

Der chronische Schulterschmerz,die Periarthritis humeroscapularis,zeigt sich in einer schmerzhaften Bewe-gungseinschränkung des Schulterge-lenks mit einer Anamnese über Monateoder Jahre. Der Periarthritis hume-roscapularis können unterschiedlicheUrsachen wie eine primäre Omarthose,aber auch Alterationen des Kapsel-bandapparates und insbesondere derSupraspinatussehne zu Grunde liegen.Ziel dieser prospektiven Studie warfestzustellen, welchen therapeutischenNutzen die Strahlenbehandlung bei derPeriarthritis humeroscapularis auf-weist und ob die MRT morphologischeKriterien erfassen kann, die eine Pro-

Freies ThemaRadiologe1998 · 38:774–778 © Springer-Verlag 1998

Zusammenfassung

Fragestellung: Aussagefähigkeit der MRT

vor Strahlentherapie der Periarthritis hume-

roscapularis.

Methodik: 77 Patienten mit Periarthritis hu-

meroscapularis wurden prospektiv vor der

Strahlentherapie mit einem Linearbeschleu-

niger MR-tomographisch untersucht.

Ergebnisse: 6 Monate nach Beendigung der

Radiatio waren 34% der Patienten be-

schwerdefrei. 35% zeigten eine wesentliche

Besserung. 20% waren nur geringfügig ge-

bessert, während bei 12% der Patienten die

Symptomatik unverändert fortbestand. Eine

positive Korrelation der MR-Befunde mit

dem Therapieerfolg bestand bei akuten

Tendinitiden, Usuren sowie kompletten und

inkompletten Rupturen der Supraspinatus-

sehne.

Schlußfolgerungen: Die Strahlentherapie ist

neben operativen Verfahren eine weitere

wertvolle Methode zur Behandlung der Peri-

arthritis humeroscapularis. Die MRT ist zur

Indikationsstellung sinnvoll.

Schlüsselwörter

Strahlentherapie ·

Periarthritis humeroscapularis · MRT

Priv.-Doz. Dr. C. ZwickerCT/MRT Abteilung, Hegau Klinikum Singen,

Virchowstraße 10, D-78221 Singen&/fn-block:&bdy:

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C. Zwicker · M. Hering · J. Brecht

M. Bjørnsgård ·H.-J. Kuhne-Velte · A. Kern

Value of radiotherapy in treatmentof humeroscapular periarthritis.Comparison with MRI findings

Summary

Purpose: Evalution of MRI in radiotherapy of

humeroscapular periarthritis.

Patients and methods: Seventy-seven

patients with humeroscapular periarthritis

prospectively underwent MRI before radio-

therapy.

Results: Six months after radiotherapy, 34%

of the patients had achieved complete pain

relief, 35% major pain relief.Twenty percent

had only slight improvement and 12% no

improvement. Positive correlation of radio-

therapy outcome and MRI findings could be

shown for acute tendinitis, erosions, and

complete and incomplete ruptures of the

supraspinatus tendon.

Conclusions: Radiotherapy is highly effec-

tive in the treatment of humeroscapular

periarthritis.The indication can be improved

using MRI.

Key words

Radiotherapy · Humeroscapular periarthritis ·

MRI

Monat, 3 Monate und 6 Monate nachRadiatio untersucht. Es wurde dabeider Behandlungserfolg durch Prüfungder Ab- und Adduktion sowie Antefle-xion und Dorsalextension in folgendeGruppen aufgeteilt:

● völlige Rückbildung der Bewegungs-beschränkung und Beschwerdefrei-heit = ++;

● wesentliche Besserung (Beschwerde-linderung über 50%) = +;

● geringfügige Besserung (Beschwer-delinderung unter 50%) = (+);

● keine Besserung = −.

Die Ergebnisse wurden statistisch nachdem Fisher’s Exact Test, der keine nor-malverteilten Daten voraussetzt, unterdem Aspekt einer möglichen Korrelati-on des Behandlungsergebnisses mit derDauer der Symptomatik, des Ge-schlechtes und Alters der Patienten so-wie MR-morphologischer Veränderun-gen ausgewertet.

Ergebnisse

Direkt nach Abschluß der Strahlenthe-rapie waren 22% (17 Patienten) komplettbeschwerdefrei, während bei 33% (25Patienten) eine wesentliche Besserungder Symptomatik über 50% auftrat. Bei23% (18 Patienten) war nur eine gering-gradige, unter 50%ige Beschwerdelinde-rung festzustellen, während in 22% (17Patienten) keine Besserung der Sympto-matik festzustellen war (Tabelle 1).

Einen Monat nach Beendigung deRadiatio waren 33% (25 Patienten) be-schwerdefrei, während 35% (27 Patien-ten) eine wesentliche Besserung und21% (16 Patienten) eine geringfügige

Skapula; 3 mm Schichtdicke, 180 mmFOV, Meßzeit: 8,41 min;

● transversale T2* GE-Sequenz (520ms/18 ms/20° Flipwinkel, 250 mmFOV, 5,52 min Meßzeit);

● sagittale T1w SE-Sequenz (TR: 450ms/TE: 15 ms) parallel zum Glenoid,3 mm Schichtdicke, 180 FOV, 3,24 minMeßzeit.

Die Strahlentherapie wurde mit einemLinearbeschleuniger (Mevatron, Fa. Sie-mens) mit 6 MV Photonen nach folgen-dem Protokoll durchgeführt:

● 1 Gy Einzeldosis/einmal pro Wocheüber 6 Wochen (6 Gy Gesamtdosis)

● ventrales Stehfeld, 12 x 12 cm Feld-größe, 3–4 cm Referenztiefe.

Die Auswertung der MRT Untersuchun-gen erfolgte nach folgenden Kriterien:

● Gelenkerguß,● akute Tendinitis mit Ödem der Su-

praspinatussehne (SS-Sehne),● chronische Tendinitis mit Fetteinla-

gerungen der Supraspinatussehne,● Impingement mit Einengung des sub-

akromialen Raumes unter 6 mm,● Hypertrophie des Akromioklaviku-

largelenks,● komplette Ruptur der Supraspinatus-

sehne mit vollständiger Kontinuitäts-unterbrechung,

● inkomplette Ruptur der ventralen Su-praspinatussehne mit unvollständi-ger Kontinuitätsunterbrechung,

● Usur am Tuberkulum maius (Ansatzder Supraspinatussehne).

Alle Patienten wurden unmittelbarnach Abschluß der Bestrahlung, einen

Radiologe1998 · 38:774–778 © Springer-Verlag 1998

Tabelle 1

Klinisches Beschwerdebild nach Radiatio in Prozent (n = 77; ++,völlige Rückbildung der Bewegungsbeschränkung und Beschwerde-freiheit; +, wesentliche Besserung (Beschwerdelinderung über 50%);(+), geringfügige Besserung (Beschwerdelinderung unter 50%);–, keine Besserung

Zeitraum Klinische Beschwerden nach Radiatio

− (+) + ++

Sofort 22 23 33 221 Monat 12 21 35 333 Monate 12 20 35 346 Monate 12 20 35 34

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| Der Radiologe 9·98

Freies Thema

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Besserung aufwiesen. 12% (9 Patienten)zeigten einen Monat nach Abschluß derStrahlentherapie unveränderte Be-schwerden (Tabelle 1).

Die Ergebnisse 3 und 6 Monatenach Beendigung der Radiatio unter-schieden sich nicht. Es waren hier 34%(26 Patienten) vollständig beschwerde-frei, während 35% (27 Patienten) einewesentliche Beschwerdelinderung er-fuhren. 20% (15 Patienten) wiesen nureine geringfügige Besserung ihrer Sym-ptomatik auf, während bei den 12% (9Patienten), die nach einem Monat keineBesserung zeigten, auch nach 3 und 6Monaten keine weiteren Veränderun-gen auftraten (Tabelle 1).

Ein statistischer Zusammenhangzwischen Dauer der Beschwerdesym-ptomatik und Ergebnis der Bestrahlungkonnte nicht belegt werden. Auffallendwar eine positive Korrelation des Be-strahlungserfolges (p ≤ 0,05) mit demAlter der Patienten (Tabelle 2). Weiterepositive, statistisch signifikante Korre-lationen bestanden bei dem Anspre-chen der Strahlentherapie bei Frauen,bei akuten Tendinitiden mit ödematö-sen, im T1-gewichteten Bild signalar-men und T2-gewichtet signalreichenEinlagerungen in der Supraspinatus-sehne (n = 34 Patienten, p ≤ 0,05) (Ta-belle 2, Abb. 1).

Bei der chronischen Tendinitis derSupraspinatussehne (n=32), der Einen-gung des subakromialen Raumes(n=63), einem Erguß (n=43) und einerHypertrophie des Akromioklavikular-gelenks (n=30) bestanden keine positi-

töse Behandlung mit Antiphlogistika,Cortison wie auch krankengymnasti-sche Maßnahmen, welche bei 44 Patien-ten (57%) durchgeführt wurde, wieskeinen statistisch signifikanten Zusam-menhang mit dem Erfolg einer Strah-lentherapie auf (Tabelle 2).

Diskussion

Die Strahlentherapie der Periarthritishumeroscapularis ist eine seit vielenJahren bekannte Methode zur Therapiedegenerativer Gelenkerkrankungen, wo-bei gerade der akut entzündliche bzw.exazerbierte entzündliche Charakterauf eine Reizbestrahlung anzusprechenscheint [3, 4, 6, 11]. Der Mechanismusdieser analgetischen Wirkung ist je-doch nicht geklärt, so daß unterschiedli-che Aspekte diskutiert werden, wie z. B.die Verbesserung der Gewebsperfusion,die Zerstörung von Entzündungszellen,die Beeinflussung des autonomen/vege-tativen Nervensystems, Zusammenhän-ge mit der Zytokinproduktion undniedriger Strahlendosis bzw. der spezi-fischen Wirkung auf bestimmte Lym-phozytenpopulationen und die Um-wandlung einer Gewebsazidose in eineGewebsalkalose [6, 7, 20].

Bei jüngeren Patienten mit Periar-thritis bieten sich primär operative Ver-fahen zur Beseitigung der Ursachen derBeschwerden, wie z. B. die Versorgung ei-ner Rotatorenmanschettenruptur oderdie zunehmend arthroskopisch durchge-führte subakromiale Dekompression an.

Die Besonderheit unseres Patien-tenkollektives mit einem hohen mittle-

ven Korrelationen zum Erfolg der Reiz-bestrahlung (Tabelle 2).

Dagegen konnte bei einer komplet-ten Ruptur der Supraspinatussehne (n =5) ein statistisch signifikanter Zusam-menhang zum Bestrahlungserfolg fest-gestellt werden (Abb. 2). Auch bei einerinkompletten Ruptur der Supraspina-tussehne, welche immer die ventraleSehne betraf (n = 16), konnte ein signi-fikanter Zusammenhang belegt werden(Abb. 3). Eine Usur im Ansatzbereichder Supraspinatussehne am Tubercu-lum majus fand sich bei 30 Patienten(Abb. 1). Auch hier konnte eine statisti-sche Signifikanz zum Ergebnis der Ra-diatio festgestellt werden (Tabelle 2).

Eine konservative Therapie vor derBestrahlung, wie z. B. eine medikamen-

Tabelle 2

Statistische Korrelation einzelner Faktoren mittels Fisher’s Exact Tests zu einempositiven Behandlungsergebnis durch die Radiatio (0, kein signifikanter Zusam-menhang; +, signifikanter Zusammenhang)

Zahl d. Patienten statistische Variable Signifikanz

Vorbehandlung 44 w = 0,880 0Geschlecht w = 50 w = 0,957 + p ≤ 0,05

m = 27Alter 58 ± 10 Jahre w = 0,968 + p ≤ 0,05Beschwerdedauer 15 Monate w = 0,804 0Gelenkerguß 43 w = 0,649 0Akute Tendinitis 34 w = 0,966 + p ≤ 0,05Chron.Tendinitis 32 w = 0,264 0Impingement 63 w = 0,795 0AC-Gelenkhypertroph. 30 w = 0,493 0Usur am Tub. maius 30 w = 0,985 + p ≤ 0,01Inkomplette Ruptur 16 w = 1 + p ≤ 0,001Komplette Ruptur 5 w = 1 + p ≤ 0,001

a b

Abb. 1a, b m 42jährige Patientin mit Periarthritis humeroscapularis rechts seit 6 Monaten. AkuteTendinitis der Supraspinatussehne. Völlige Beschwerdefreiheit nach Bestrahlung. a T1w- SE-Se-quenz, anguliert koronar: signalarme Auftreibung der Supraspinatussehne. Kleine Usur am Tuberku-lum majus (→). b T2w- SE-Sequenz, anguliert koronar: Signalintensitätserhöhung in der Sehne desM. Supraspinatus (→)

Page 4: Strahlentherapie der Periarthritis humeroscapularis mit ultraharten Photonen

Der Radiologe 9·98 | 777

rem Lebensalter von 58 Jahren bestehtdarin, daß sämtliche Bestrahlungen mithochenergetischen Photonen an einemLinearbeschleuniger (6 MV) durchge-führt wurden, die nach den Ergebnis-sen von Gärtner mit Telekobalt bessereErgebnisse als die Orthovolt-Therapieversprechen [3]. Nach unseren Ergeb-nissen zeigten sich jedoch keine Unter-schiede gegenüber den Resultaten vonSchäfer und Hess an Orthovoltgeräten[6, 7, 15]. Schäfer, der nicht zwischenvölliger Beschwerdefreiheit und we-sentlicher Besserung gemäß von Pan-newitz, differenzierte, konnte bei 42 Pa-tienten in 33% eine sofortige Besse-rung, bei 50% nach 2 Monaten einewesentliche Besserung bzw. Beschwer-defreiheit und darüber hinaus nach 5Monaten bei 70% eine Besserung bzw.völlige Beschwerdefreiheit erzielen [15,24, 25]. Die Ergebnisse von Hess anhandvon 124 Patienten mit Periarthritis wie-sen eine sofortige Schmerzlinderungbei 33% und eine absolute Schmerzfrei-heit von 52% auf, während 17% der Fälleresistent waren [6]. Herauszustellen ist,daß Hess trendmäßig, jedoch nicht sta-tistisch signifikant, ein besseres An-sprechen der Patienten in den ersten 6Monaten nach Beschwerdebeginn fest-stellte, während wir bei unseren Patien-ten diesen Zusammenhang nicht bele-gen konnten [6]. In unserem Patienten-kollektiv zeigte sich bereits sofort nachTherapieende bei 55% der Patientendeutlich häufiger als bei Hess mit 33%eine wesentliche Besserung bzw. völlige

lungserfolges mit dem Patientenalter.Vergleichsresultate anderer Arbeits-gruppen unter diesem Aspekt liegennicht vor. Da im Bereich der Schulterre-gion keine kritischen Organe liegen unddie Ovarialdosis weniger als 0,1% unddie der Testes weniger als 0,05% derEinstrahldosis beträgt, wie Hess am Al-derson-Phantom bei Telekobalttherapienachweisen konnte, sind die Beachtungder Strahlenschutzmaßnahmen auchbei ultraharten Röntgenstrahlen keinekurz- oder längerfristigen Schädigun-gen zu erwarten [6, 7, 8, 12].

Dennoch erschien es um im Hin-blick auf die zunehmenden entzündli-chen degenerativen Erkrankungen desSchultergelenkes,gerade bei jungen Pati-enten, sinnvoll festzustellen, ob mittelsder Kernspintomographie relevanteVoraussagen zu dem Ansprechen einerStrahlentherapie bei der Periarthritishumersoscapularis gemacht werdenkönnen. Die Beurteilung ansatznaherVeränderungen der Supraspinatussehneist nach den Ergebnissen von Ericksonund Vahlensieck durch Magic-angle-Ar-tefakte erschwert [2, 21, 22]. Hierbei han-delt es sich um Signalerhöhungen desAnsatzes der Supraspinatussehne be-sonders in T1w- und protonengewichte-ten Sequenzen abhängig von der Aus-richtung der Sehne im Magnetfeld. DieDiagnostik einer Teilruptur der Supra-spinatussehne unterliegt somit kern-spintomographisch methodischenSchwierigkeiten [9, 14, 17]. Nach den Er-gebnissen von Kreitner kann jedoch dieDifferenzierung ausgeprägter Tendiniti-den und partieller Rotatorenmanschet-tenrupturen durch intraartikuläre Gd-DTPA Applikation gegenüber der nati-ven Untersuchung verbessert werden[10]. Wegen der fehlenden Zulassungder intraartikulären Gd-DTPA-Injekti-on wurde unsere Aussage nur auf ein-

Beschwerdefreiheit. Werden jedoch dieLangzeitergebnisse 3–6 Monate bzw.über 6 Monate nach Therapieabschlußverglichen, waren annähernd ähnlicheErgebnisse von unterschiedlichen Ar-beitsgruppen festzustellen. In unseremKollektiv zeigten sich bei insgesamt32% der Fälle entweder keine oder einegeringfügige Besserung, während Hessmit insgesamt 29% eine Therapieresi-stenz in diesem Zeitintervall angab undSchäfer in 30% keine Verbesserungnach Strahlentherapie feststellen konn-te [6, 15]. Die Ergebnisse von Seegen-schmiedt bei der Radiotherapie derEpikondylopathia humeri mit Ortho-volt-Technik zeigten bei insgesamt 74%der Patienten (104 Fälle) ein gutes An-sprechen auf die Strahlentherapie (we-sentliche Besserung bzw. völlige Be-schwerdefreiheit) [16].

Auch wenn die Ergebnisse nicht di-rekt auf die Periarthritis humeroscapu-laris zu übertragen sind, so zeigen siedoch mit unseren Ergebnissen (69%langfristige wesentliche Besserung, bzw.völlige Beschwerdefreiheit) weitgehen-de Übereinstimmung. In Übereinstim-mung mit den Arbeitsgruppen von See-genschmiedt, Schäfer und Hess ist inden ersten Monaten nach Abschluß derRadiatio eine weitere Beschwerdere-gression zu erwarten, so daß eine Min-destnachbeobachtungszeit von 6 Mona-ten zur endgültigen Beurteilung desTherapieerfolges notwendig erscheint[6, 15, 16]. Auffallend war bei uns einestatistische Korrelation des Behand-

2 3a b

Abb. 2 m 53jähriger Patient mit Periarthritis humeroscapularis rechts seit 14 Monaten. WesentlicheBesserung der Symptomatik nach Bestrahlung. T1w- SE-Sequenz, anguliert koronar: komplette Rup-tur der Sehne des M. Supraspinatus mit Hochstand des Humeruskopfes

Abb. 3a, b m 63jährige Patientin mit Periarthritis humeroscapularis links seit 18 Monaten. Wesentli-che Besserung der Symptomatik nach Bestrahlung. a T1w- SE-Sequenz, anguliert koronar: Ausdün-nung der Supraspinatussehne mit partieller Konturunterbrechung (→). b T2w- SE-Sequenz, angu-liert koronar: Auffassung der Supraspinatussehne mit signalreichen und -armen Einschlüssen (→)

Page 5: Strahlentherapie der Periarthritis humeroscapularis mit ultraharten Photonen

deutig reproduzierbare und morpholo-gische Veränderungen, wie chronischdegenerative Tendinitiden mit Fettein-lagerungen und Signalerhöhungen imT1- und T2- gewichteten Bild infra-akromial sowie akute Tendinitiden mitÖdem und Auftreibung bei signalarmenEinlagerungen im T1- und signalreichenEinlagerungen im T2-gewichteten Bildbeschränkt.

Eine positive Korrelation zwischenAnsprechen auf Strahlentherapie undMR-Morphologie konnte bei einer in-kompletten und kompletten Ruptur derSupraspinatussehne sowie bei einerUsur und einer akuten Tendinitis mit ei-nem Ödem beobachtet werden, währendbei chronisch degenerativen fettigenEinlagerungen, Erguß, Hypertrophie desAkromioklavikulargelenkes und Impin-gement kein Zusammenhang nachge-wiesen werden konnte. Damit scheinenakute Supraspinatustendinitiden undkomplette bzw. inkomplette Rupturenund eine Ödematisierung besondersgünstig für das Ansprechen einer Strah-lenbehandlung, während anatomischeVarianten bzw. chronisch degenerativeVeränderungen ein schlechteres Anspre-chen erwarten lassen. Einschränkendsind unsere Ergebnisse trotz der statisti-schen Signifikanz wegen der kleinenStichproben in den Subgruppen nur alsTrendmeldungen zu werten, so daß wei-tere Untersuchungen an größeren Kol-lektiven erfolgen sollten.

Weiterhin zeigten Patientinnen inunserem Kollektiv im Gegensatz zuHeß ein signifikant besseres Anspre-chen, wobei dieses aber mit hoherWahrscheinlichkeit auf das annähernddoppelt so große weibliche Kollektivzurückzuführen ist [6].

Zusammenfassend ist nach unse-ren Ergebnissen festzuhalten, daß dieRöntgenweichteilbestrahlung degene-rativer Veränderungen des Schulterge-lenks im Vergleich zu anderen Thera-piemodalitäten weiterhin indiziert ist,wobei Versagerquoten von 20 bis 30%in Kauf genommen werden müssen.Die MRT ermöglicht in den meistenFällen eine sichere Diagnosestellungund ist vor Strahlentherapie sinnvoll,um anatomische Fehlbildungen, bzw.Varianten wie Einengung des sub-akromialen Raumes und Hypertrophiedes Akromioklavikulargelenks auszu-schließen, welche primär einer operati-ven Versorgung, wie z. B. subakromiale

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Dekompression, zugeführt werden soll-ten. Allerdings sind die Doppelblind-studien von Plenk, Goldie und Valtonenzu bedenken, welche die Wirksamkeitder Bestrahlung einer Scheinbestrah-lung gegenüberstellen [4, 13, 23]. DerenErgebnisse stehen im Widerspruch zuden positiven Berichten der meistenNachbeobachtungsstudien. Nach Plenkist die Periarthritis humeroscapulariseine selbstlimitierende Erkrankung, diein der Regel spontan ausheilt [13]. Somitist letztendlich die Frage zu stellen, obes sich bei der Entzündungsbestrah-lung um einen Plazeboeffekt handeltund Spontanremissionen als Behand-lungserfolg gewertet werden. In weite-ren Studien sollte daher geprüft wer-den, ob eine zusätzliche MRT-Untersu-chung nach Abschluß der Strahlenbe-handlung Veränderungen objektivierenkann, die deren Wirksamkeit unter-mauern können.

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