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Strukturaufklärung von Naturstoffen aus Bakterien der Gattung Streptomyces vorgelegt von Diplom-Chemiker Jonny Nachtigall aus Hamburg Von der Fakultät II – Mathematik und Naturwissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften - Dr. rer. nat. - genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Thomas Friedrich Erster Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Roderich D. Süßmuth Zweiter Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Hans-Peter Fiedler Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 27.01.2012 Berlin 2012 D 83

Strukturaufklärung von Naturstoffen aus bakterien der ... · Penicillin G . Sulfamidochrysoidin . Abbildung 1: Strukturformeln von a) Penicillin G und b) Sulfamidochrysoidin. Zwar

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Strukturaufklärung von Naturstoffen aus Bakterien der

Gattung Streptomyces

vorgelegt von

Diplom-Chemiker

Jonny Nachtigall

aus Hamburg

Von der Fakultät II – Mathematik und Naturwissenschaften

der Technischen Universität Berlin

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Naturwissenschaften

- Dr. rer. nat. -

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss:

Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Thomas Friedrich

Erster Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Roderich D. Süßmuth

Zweiter Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Hans-Peter Fiedler

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 27.01.2012

Berlin 2012

D 83

2

3

4

5

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit werden acht neue Naturstoffe aus vier verschiedenen

Bakterienstämmen der Gattung Streptomyces in ihrer chemischen Struktur

beschrieben. Zur Strukturaufklärung wurden umfangreiche massenspektrometrische

und NMR-spektroskopische Analysemethoden eingesetzt. Bei den Naturstoffen

handelt es sich zum einen um sieben Vertreter der Klasse I-Polyketide, zu anderen

um einen Vertreter der Aranciamycine, welche aus einem kondensierten,

hocharomatischen System der Klasse II-Polyketide bestehen.

Die Bakterienstämme sind ausschließlich der Gattung Streptomyces zuzuordnen,

wobei diese jedoch aus völlig unterschiedlichen Habitaten isoliert wurden. Während

die eine Gruppe von Stämmen aus einem mitteleuropäischen Nadelwald isoliert

worden ist, kommt ein weiterer Stamm aus der Atacamawüste, welche mit ihren

extremen klimatischen Bedingungen eine der trockensten Orte der Erde darstellt.

Im Anschluss an ihre strukturchemische Charakterisierung wurden die Verbindungen

in verschiedenen biologischen Testsystemen auf ihre Wirkung hin untersucht. Dabei

zeigte sich ein breites Wirkspektrum der unterschiedlichen Substanzen bei

antibakteriellen, antitumor- und enzyminhibierenden Testierungen. Die hierbei

gewonnen Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis über Struktur und

Wirkung von Naturstoffen bei.

6

7

Teile der vorliegenden Arbeit wurden bereits veröffentlicht:

D. Schulz, J. Nachtigall, J. Riedlinger, K. Schneider, K. Poralla, J.F. Imhoff, W. Beil,

G. Nicholson, H.-P. Fiedler, R.D. Süssmuth, Piceamycin and its N-acetylcysteine

adduct is produced by Streptomyces sp. GB 4-2

J. Antibiot., 2009, 62, 513-518.

J. Nachtigall, D. Schulz, W. Beil, R.D. Süssmuth, H.-P. Fiedler, Aranciamycin

anhydride, a new anthracycline-type antibiotic isolated from Streptomyces sp. Tü

6384

J. Antibiot., 2010, 63, 397-399.

J. Nachtigall, A. Kulik, S. Helaly, A.T. Bull, M. Goodfellow, J.A. Asenjo, A. Maier,

J. Wiese, J.F. Imhoff, R.D Süssmuth, H.-P. Fiedler, Atacamycins A-C, 22-membered

antitumor macrolactones produced by Streptomyces sp. C38

J. Antibiot., 2011, 64, 775 – 780.

D. Schulz, J. Nachtigall, U. Geisen, H. Kalthoff, J.F. Imhoff, H.-P. Fiedler, R.D.

Süssmuth, Silvalactam, a 24-membered macrolactam antibiotic produced by

Streptomyces sp. Tü 6392

J. Antibiot., accepted

8

9

Für meine Familie

10

Danksagung

Herrn Prof. Dr. Roderich D. Süßmuth danke ich für die Aufnahme in die

Arbeitsgruppe, die interessante Themenstellung, die sehr guten Arbeitsbedingungen

sowie für die Betreuung der Arbeit.

Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Fiedler möchte ich herzlich für die sehr gute

Zusammenarbeit bei allen gemeinsamen Projekten und für die Übernahme des

Zweigutachtens danken. Des Weiteren möchte ich mich bei allen Mitarbeitern des

Arbeitskreises von Prof. Fiedler herzlich für die freundliche und konstruktive

Zusammenarbeit bedanken, insbesondere bei Dr. Dirk Schulz, Andreas Kulik und

Nadine Horlacher.

Herrn Prof. Dr. Thomas Friedrich danke ich für die bereitwillige Übernahme des

Prufüngsvorsitzes.

Bei Kati Winter möchte ich mich für die gute Organisation im Arbeitskreis Süßmuth

bedanken. Bei Dr. Maria Schlangen und Christine Klose vom Institut für organische

Chemie an der Technischen Universität Berlin möchte ich mich herzlich für die

Unterstützung bei den hochauflösenden Massenspektrometrie- und den IR-

Messungen bedanken. Dr. Reinhard Zeisberg und Dr. Jennifer Thuma danke ich für

die tatkräftige Unterstützung bei den NMR-Experimenten.

Prof. Dr. Johannes F. Imhoff vom Kieler Wirkstoffzentrum des IFM-GEOMAR und

seinen Mitarbeitern, insbesondere Dr. Heidi Zinecker, möchte ich für die

Durchführung der Bioaktivitätsassays und die gute Zusammenarbeit danken.

Dr. Graeme Nicholson von der Universität Tübingen möchte ich für die Durchführung

der GC-MS-Analysen und der FT-ICR-MS-Messungen danken.

Allen meinen Kollegen im Arbeitskreis Süssmuth möchte ich für die nette und

kollegiale Arbeitsatmosphäre danken, besonders Dr. Soleiman Helaly, Dr. Joanna

Krawczyk, Dr. Wolfgang Müller, Dr. Anne Hänchen, Dr. Georg Sambeth und

Alexander Denisiuk.

11

Für ihre unermessliche Geduld, antreibenden Worte und die schöne Zeit während

des Zustandekommens dieser Arbeit danke ich meiner Frau Stephanie Nachtigall.

12

Inhaltsverzeichnis

13

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ................................................................................... 17

1.1 Entwicklung der Naturstoffforschung, Entdeckung der Antibiotika

und Resistenzbildung .................................................................................17

2 Grundlagen ................................................................................ 21

2.1 Chromatographische Trennmethoden........................................................21

2.1.1 Retentionsmechanismen ........................................................................22

2.1.2 Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) ................................24

2.2 Massenspektrometrie[15-19]..........................................................................27

2.2.1 Aufbau eines Massenspektrometers.......................................................27

2.2.2 Ionenerzeugung......................................................................................28

2.2.3 Elektrospray-Ionisation (ESI) ..................................................................30

2.2.4 Massenauftrennung[15-19].........................................................................32

2.2.5 Detektion.................................................................................................42

2.3 Kernresonanz-Spektroskopie .....................................................................42

2.3.1 Experimentelle Grundlagen ....................................................................43

3 Zielsetzung................................................................................. 52

4 Strukturaufklärung des Piceamycins und seines N-

Acetylcystein-Addukts aus Streptomyces sp. GB 4-2 ........... 53

4.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces sp.

GB 4-2........................................................................................................53

4.1.1 Chemisches Screening ...........................................................................54

4.1.2 Fermentation und Isolierung ...................................................................56

4.2 Strukturaufklärung ......................................................................................58

4.2.1 HPLC-ESI-MS.........................................................................................58

4.2.2 Bestimmung der Summenformel ............................................................58

4.2.3 Aminosäureanalytik.................................................................................59

4.2.4 NMR-Spektroskopische Untersuchungen ...............................................59

4.3 Biologische Aktivität ...................................................................................62

4.4 Diskussion..................................................................................................63

5 Strukturaufklärung des Aranciamycin-Anhydrids aus

Streptomyces TÜ 6384.............................................................. 68

Inhaltsverzeichnis

14

5.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces sp.

TÜ 6384 .....................................................................................................68

5.1.1 Chemisches Screening ...........................................................................69

5.1.2 Isolierung und Reinigung ........................................................................71

5.2 Strukturaufklärung ......................................................................................72

5.2.1 HPLC-ESI-MS.........................................................................................72

5.2.2 Bestimmung der Summenformel ............................................................72

5.2.3 Zuckeranalytik.........................................................................................73

5.2.4 NMR-spektroskopische Untersuchungen................................................74

5.2.5 Biologische Aktivität ................................................................................75

5.3 Diskussion..................................................................................................76

6 Strukturaufklärung der Atacamycine A, B und C aus

Streptomyces sp. C-38.............................................................. 80

6.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces sp.

C-38 ........................................................................................................80

6.1.1 Chemisches Screening ...........................................................................81

6.1.2 Isolierung und Reinigung ........................................................................83

6.2 Strukturaufklärung ......................................................................................84

6.2.1 HPLC-ESI-MS.........................................................................................84

6.2.2 Bestimmung der Summenformel ............................................................84

6.2.3 NMR-spektroskopische Untersuchungen................................................85

6.3 Biologische Aktivität ...................................................................................91

6.4 Diskussion..................................................................................................93

7 Strukturaufklärung von TÜ 6392 A2 und TÜ 6392 D aus

Streptomyces sp. TÜ 6392........................................................ 96

7.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces sp.

TÜ 6392 .....................................................................................................96

7.1.1 Chemisches Screening ...........................................................................97

7.1.2 Isolierung und Reinigung ......................................................................100

7.2 Strukturaufklärung von TÜ 6392 A2 .........................................................102

7.2.1 HPLC-ESI-MS.......................................................................................103

7.2.2 Bestimmung der Summenformel ..........................................................104

7.2.3 NMR-Spektroskopische Untersuchungen .............................................104

7.3 Biologische Aktivität .................................................................................112

Inhaltsverzeichnis

15

7.4 Diskussion................................................................................................112

7.5 Strukturaufklärung von TÜ 6392 D ...........................................................114

7.5.1 HPLC-ESI-MS.......................................................................................114

7.5.2 Bestimmung der Summenformel ..........................................................115

7.5.3 NMR-Spektroskopische Untersuchungen .............................................116

7.5.4 Biologische Aktivität ..............................................................................118

7.6 Diskussion................................................................................................119

8 Experimenteller Teil ................................................................ 125

8.1 Chemisches Screening mittels HPLC-DAD..............................................125

8.2 HPLC-DAD-ESI-Massenspektroskopie ....................................................125

8.3 GC-MS .....................................................................................................126

8.4 ESI-FT-ICR-Massenspektrometrie ...........................................................127

8.5 HPLC-ESI-FT-Orbitrap-Massenspektrometrie..........................................127

8.6 NMR-Spektroskopie .................................................................................128

9 Anhang ..................................................................................... 129

9.1 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................129

9.2 Literaturverzeichnis ..................................................................................132

9.3 NMR-spektroskopische Daten der in dieser Arbeit

strukturaufgeklärten Verbindungen ..........................................................137

9.3.1 Piceamycin ...........................................................................................137

9.3.2 N-Acetyl-Piceamycin.............................................................................144

9.3.3 Aranciamycin-Anhydrid .........................................................................149

9.3.4 Atacamycin A........................................................................................155

9.3.5 Atacamycin B........................................................................................162

9.3.6 Atacamycin C........................................................................................168

9.3.7 TÜ 6392 A2...........................................................................................174

9.3.8 TÜ 6392 D ............................................................................................182

16

Einleitung

17

1 Einleitung

Naturstoffe sind aufgrund ihrer potenziellen Wirksamkeit seit jeher von großer

Bedeutung. Seit der Entdeckung des Penicillins und dem Beginn der

wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Antibiotika sind in der Natur

vorkommende Wirkstoffe aus unserem heutigen Verständnis von Pharmazeutika

nicht mehr wegzudenken. Mehr als 75 % der in den letzten 30 Jahren eingeführten

antibakteriellen Wirkstoffe und über die Hälfte aller zugelassenen

Antitumormedikamente sind Naturstoffe oder Naturstoffderivate.[2]

1.1 Entwicklung der Naturstoffforschung, Entdeckung der

Antibiotika und Resistenzbildung

Noch vor 100 Jahren waren die Heilungschancen für die meisten aller

Infektionskrankheiten verschwindend gering, bedeutete doch eine bakterielle

Infektion meist den sicheren Tod des Patienten. Seit der Frühgeschichte sind immer

wieder verheerende Epidemien überliefert, die gerade in den eng bebauten und

hygienisch schlecht gestellten Armenvierteln der Städte in aller Welt einen Großteil

der Bevölkerung dahinrafften. Mit der Verbesserung der Hygiene und der strikten

Trennung zwischen Trink- und Brauchwasser konnten zunächst die

Überlebenschancen der erkrankten Menschen verbessert werden und die

Verminderung von Infektionskrankheiten im Allgemeinen erreicht werden. Die

stärkste Waffe gegen Infektionskrankheiten wurde jedoch im Jahr 1928 entdeckt, als

Sir Alexander Fleming aus dem Schimmelpilz Penicillium notatum das Penicillin als

erstes eingesetztes Antibiotikum isolierte.[3] Mit diesem Medikament konnten zum

ersten Mal verschiedene Arten von bakteriellen Infektionen geheilt werden, die ohne

Medikation den sicheren Tod für den Patienten bedeutet hätten. Allerdings kannte

und nutzte die Menschheit die Vielseitigkeit der Natur schon seit der Antike.[4] Meist

wurden Extrakte aus Pflanzen als Schmerzhemmer, Aphrodisiakum oder

Rauschmittel verwendet und bilden somit die antike Vorgeschichte der heutigen

Pharmazie.[5]

Einleitung

b) a)

Penicillin G Sulfamidochrysoidin

Abbildung 1: Strukturformeln von a) Penicillin G und b) Sulfamidochrysoidin.

Zwar konnte die bakterizide Wirkung des Penicillins durch mikrobiologische Versuche

rasch hinreichend bewiesen werden, die Struktur des Wirkstoffs hingegen konnte erst

1944 durch Dorothy Hodgkin mittels Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt und somit für

weitere semisynthetische Ansätze zur Verbesserung der Pharmakologie zugänglich

gemacht werden (Abbildung 1). Dabei zeigte sich, dass die pharmakophore Gruppe

des Penicillins ein β-Lactam darstellt, wonach diese Wirkstoffgruppe β-Lactam-

Antibiotika genannt wurden.

Antibakterielle Wirkstoffe sind jedoch nicht nur ausschließlich in der Natur zu finden.

Gerhard Domagk entdeckte mit dem Sulfamidochrysoidin bereits 1935 einen gänzlich

synthetischen Arzneistoff, indem er verschiedene Azofarbstoffe an mit Streptokokken

infizierte Mäuse verabreichte.[6] Die Sulfonamide wirken jedoch im Gegensatz zu den

β-Lactam-Antibiotika nur bakteriostatisch, weswegen sich bei den Sulfonamiden

zügig eine Resistenz ausbilden kann und diese heutzutage im Gegensatz zu den

Penicillin-Derivaten seltener als Wirkstoff in der Humanmedizin zu finden sind. Diese

Meilensteine markieren den Anfang des wissenschaftlichen Forschens zur

Entdeckung und Strukturaufklärung von biologisch aktiven Naturstoffen.

Inzwischen sind insgesamt sieben große Gruppen von antibiotischen Wirkstoffen

bekannt und ihre Anzahl wächst stetig weiter.[7] Dem gegenüber steht jedoch die

ebenso steigende Zahl an resistenten bakteriellen Erregern. Schon Anfang der 50er

Jahre wurden die ersten Penicillin-resistenten Bakterienstämme entdeckt, die durch

natürliche Mutationen an den Penicillin-Wirkorten oder durch Penicillin-

Inaktivierungsprozesse entstanden.[7, 8] Im Jahr 2005 infizierten sich allein in Europa

drei Millionen Menschen an resistenten Keimen, die durch kein zugelassenes

Medikament behandelt werden konnten – 50.000 davon starben.[9]

18

Einleitung

O

HN

O

H ONH

ONH

H

OO

O

HN

HO

NHH

OH

NH

HO2C

H

HN

O

O

Cl

H H

Cl

NH2

O

O

OHOH

CH2OH

OH

HO

CH3

O

OH3C

HOH2N

CH3

OH

b) a)

Vancomycin Oxacillin

Abbildung 2: Strukturformeln der Antibiotika a) Vancomycin und b) Oxacillin.

Zu den gefährlichsten humanpathogenen Erregern gehört der Stamm

Staphylococcus aureus, von dem manche Arten bereits Resistenzen gegen die

Antibiotika Vancomycin und Oxacillin ausgebildet haben und die vermehrt in

Krankenhäusern gefunden werden können (Abbildung 2). Vancomycin und Oxacillin

gehören zu der sogenannten Gruppe der Reserveantibiotika, welche nur gegen

Infektionen verabreicht werden, die mit der Verabreichung von anderen Antibiotika

nicht behandelt werden können. Somit kann Oxacillin als Endpunkt des

therapeutischen Erfolgs der Klasse von β-Lactam-Antibiotika angesehen werden,

sollte nicht noch ein wirksamer Nachfolger gegen multiresistente Erreger gefunden

werden.

a) b)

Linezolid Tigecyclin

Abbildung 3: Strukturformeln der Antibiotika a) Linezolid[10] und b) Tigecyclin[11].

19

Einleitung

Nach und nach verlieren ehemalige Reserveantibiotika ihre Stellung an neu

entwickelte, wirksame Vertreter wie Linezolid[10], Tigecyclin[11] (Abbildung 3) oder

Daptomycin[12] (Abbildung 4), welche heutzutage zur Ersttherapie gegen

multiresistente Bakterienstämme verwendet werden, da gegen viele Erreger kein

anderes Medikament noch Wirkung zeigt.[13]

HN

HN

NH

HN

NH

HN

NH

NH2O

HN

NHOO

NH

CONH2

O

O

CO2HO

HO

O

O

O

CO2H

O CO2H

NH

O

NH

HN

OH

O

O

CO2H

NH

O

O

NH2

10

Abbildung 4: Strukturformel von Daptomycin[12].

Somit ist ein Ziel der wissenschaftlichen Suche nach neuen Wirkstoffen auch das

Streben nach einer möglichst hohen Anzahl an wirksamen Medikamenten, um den

Wettlauf gegen die neuen multiresistenten Keime nicht zu verlieren.

20

Grundlagen

21

2 Grundlagen

2.1 Chromatographische Trennmethoden

Die Chromatographie wurde zuerst von dem russischen Botaniker Michail

Semjenowitsch Tswett im Jahr 1903 beschrieben, als er einen Chlorophyll-Extrakt

aus Pflanzen mittels einer Säule aus Calciumcarbonat in seine Bestandteile

auftrennte. Aufgrund der auftretenden farbigen Banden nannte er die neue Technik

Chromatographie, nach den griechischen Worten chroma „Farbe“ und graphein

„schreiben“. Erstaunlicherweise blieben die Ergebnisse von Tswett lange von der

Fachwelt unbeachtet. Anfang der 30er Jahre griff die Arbeitsgruppe von Richard

Kuhn am Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg diese

Technik wieder auf, um ein Farbstoffgemisch aus Carotinoiden und Xanthophyllen

aus Pflanzenextrakten aufzutrennen. 1938 wurde Richard Kuhn der Nobelpreis für

seine allgemeine Arbeit zu den Carotinoiden und Vitaminen verliehen.

Seitdem wird die Entwicklung neuer Chromatographiemethoden stetig

vorangetrieben. Archer J.P. Martin und Richard L.M. Synge erhielten 1952 den

Chemie-Nobelpreis für die im Jahre 1941 vorhergesagte Verteilungschromatographie

zwischen einer mobilen gasförmigen und einer stationären flüssigen Phase. Diese

Entdeckung führte in den 1950er Jahren zu der Entwicklung von

Gaschromatographen.

In den 1960er Jahren erfolgte dann die Entwicklung der

Hochdruckflüssigchromatographie (HPLC). Hierzu wurden zunächst unpolare

Alkanketten über eine Etherbindung an das Kieselgel-Trägermaterial geknüpft, um

eine genügend unpolare stationäre Phase zu bilden. Durch diese Modifizierung

konnte nun ein Großteil der organischen Substanzen auf dieser Art von Säulen

retardiert werden, da für eine Wechselwirkung mit unmodifiziertem Kieselgel die

meisten Naturstoffe zu unpolar waren. Des Weiteren wurde die Druckstabilität der

Chromatographieanlagen enorm gesteigert, so dass nun eine höhere Trennleistung

möglich war. Die andauernde Entwicklung der Technik und Methodik der

Chromatographie hat diese zu einer Standardmethode für die Auftrennung von

verschiedensten Substanzen werden lassen. Durch die Nutzung verschiedener

Grundlagen

stationärer Phasen und Trenntechniken lässt sich heutzutage beinahe jedes

Stoffgemisch durch die Chromatographie in seine Bestandteile auftrennen. Auch in

der Zukunft wird daher die Chromatographie aus der Analytik – insbesondere der

Bioanalytik – nicht wegzudenken sein.

2.1.1 Retentionsmechanismen

Die Technik der chromatographischen Trennung beruht auf der unterschiedlichen

Wechselwirkung des Stoffgemischs mit der stationären Phase. Die hierdurch

hervorgerufene Retention kann anhand des dominierenden Mechanismus bei der

Trennung charakterisiert werden, jedoch handelt es sich bei den meisten Verfahren

um eine Kombination verschiedener Mechanismen. Die grundlegenden in dieser

Arbeit angewendeten Mechanismen sollen hier kurz vorgestellt werden.

2.1.1.1 Verteilungschromatographie

Die chromatographische Trennung bei der Verteilungschromatographie beruht auf

dem Gesetz der multiplen Verteilung. Ein Analyt A ist in der stationären und der

mobilen Phase unterschiedlich gut löslich, sodass sich nach dem Nernst’schen

Verteilungsgesetz ein Gleichgewicht einstellt.

AM AS

Daher kann für jede Substanz im Stoffgemisch eine Verteilungskonstante Kc

angegeben werden, welche sich aus der Konzentration eines Stoffs in der

stationären Phase cS und der mobilen Phase cM zusammensetzt.

SC

M

cK

c

Aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur von Substanzen in einem

Gemisch haben diese alle unterschiedlich große Verteilungskonstanten. Genau

22

Grundlagen

23

dieser Effekt wird bei der Verteilungschromatographie ausgenutzt: Die Substanzen

verteilen sich unterschiedlich in der stationären und mobilen Phase und werden somit

aufgetrennt. Ein prominenter Vertreter dieser Trenntechnik ist die

Gaschromatographie. Hierbei wird die unterschiedliche Löslichkeit der Analyten im

Trägergas (mobile Phase) zu einem Flüssigkeitsfilm (stationäre Phase) ausgenutzt,

um die Analyten voneinander zu trennen.

2.1.1.2 Adsorptionschromatographie

Die Trennung der Analyten bei der Adsorptionschromatographie beruht auf der

unterschiedlichen Bindung der Stoffe an eine feste stationäre Phase. Bei dieser

Bindung kann es sich um Van-der-Waals-Kräfte, Wasserstoffbrückenbindungen,

Dipol-Dipol-Wechselwirkungen oder Ionenbindungen handeln, weshalb hierbei auch

häufig polare stationäre Phasen wie silikabasierende Materialien (SiO2) oder

Aluminiumoxide (Al2O3) zum Einsatz kommen. Die Auftrennung der Analyten erfolgt

über die unterschiedlich starke Bindung der Analytmoleküle an die stationäre Phase.

2.1.1.3 Größenausschlußchromatographie

Diese Trennmethode nutzt die unterschiedliche Größe der Analytmoleküle in Lösung

aus. Bei dem Säulenmaterial handelt es sich um hochvernetzte, poröse Materialien

mit einer je nach Substanzgemisch definierten Porenweite. Kleine Moleküle können

in die Poren diffundieren, während großen Molekülen weniger Porenvolumen zur

Verfügung steht und daher die Säule schneller passieren. Aufgrund dieses

Retentionsprinzips eluieren große vor kleinen Molekülen, da diesen eine kürzere

Wegstrecke in der Säule zur Verfügung steht.

2.1.1.4 Ionaustauschchromatographie

Der Trennmechanismus bei der Ionaustauschchromatographie beruht auf der

ionischen Wechselwirkung zwischen geladenen Analytmolekülen und entgegensetzt

geladenen Ionen, welche zumeist an eine polymere Matrix gebunden sind. Aufgrund

Grundlagen

24

der unterschiedlich starken Ausprägung der ionischen Wechselwirkungen zwischen

den Analyten und der stationären Phase kommt es zu unterschiedlicher Retention

der Analytmoleküle und somit zur Auftrennung.

2.1.2 Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC)

Die Abkürzung HPLC wurde ursprünglich für high pressure liquid chromatography

gewählt, da bei der Entwicklung dieser Technologie die hohen Drücke bis 400 bar die

entscheidende Neuerung darstellten. Inzwischen hat sich die HPLC als System

weitestgehend etabliert, so dass man heutzutage von high performance liquid

chromatography spricht, da durch den Einsatz von druckstabilen Säulen und Geräten

ein wesentlich besseres Trennungsvermögen im Gegensatz zur normalen

Säulenchromatographie erreicht wird. Neuerdings werden sogar Anlagen und Säulen

bis 1200 bar eingesetzt. Hierbei spricht man von UHPLC (ultra high performance

liquid chromatography), die durch den Einsatz von kleineren Partikelgrößen der

Trennsäulen eine höhere Trennleistung und eine kürzere Analysenzeit bieten.

Aufgrund der schnellen Analysenzeiten muss auch der Detektor eine genügend

schnelle Messgeschwindigkeit besitzen, was jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht von

allen Massenspektrometern erreicht werden kann.

Aufbau

Eine HPLC-Anlage besteht im Wesentlichen aus vier Teilen (Abbildung 5):

• Pumpe

• Probenaufgabesystem

• Säule

• Detektor

Grundlagen

Abbildung 5: Schematischer Aufbau einer HPLC-Anlage.

Pumpe

Die Pumpe fördert die zur Analyse benötigten Lösungsmittel aus den Vorratsgefäßen

und baut den zur Trennung nötigen Druck auf. Um Reproduzierbarkeit zu

gewährleisten, werden die Lösungsmittel zuerst von gelösten Gasen wie Stickstoff

und Sauerstoff mittels eines online-Entgasers befreit. Um die Trennung des Analyten

zu optimieren, wird in der HPLC sehr häufig mit Gradientenelution gearbeitet, d.h. die

Zusammensetzung der Lösungsmittelgemische ändert sich mit der Zeit der Messung.

Dieses resultiert in einer steigenden Elutionskraft der mobilen Phase, schärferen

Peaks und kürzeren Laufzeiten. Die Zusammenführung der Lösungsmittel findet zu

meist hinter den Pumpen in einer Mischkammer statt.

Probenaufgabe

Die Probenaufgabe erfolgt im Allgemeinen über eine Probenschleife, auf die die

flüssig vorliegende Probe aufgetragen und anschließend in die mobile Phase

eingekoppelt wird. Die mobile Phase trägt dann die Probe im Fluss mit sich durch die

Trennsäule. Im Speziellen wird dieser Vorgang entweder durch ein Sechswegeventil

oder einen Autosampler realisiert. Bei einem Sechswegeventil spritzt man die Probe

mittels einer Injektionsnadel in die Schleife, bei einem Autosampler wird die Probe in

einem separaten Gefäß vorbereitet und automatisch in die Schleife injiziert. Dieses

Prinzip ist aufgrund der hohen Automatisierbarkeit besonders gut geeignet, um hohe

Durchsatzraten zu erzielen.

25

Grundlagen

26

Säule

Grundsätzlich lassen sich in einer HPLC-Anlage Säulen von allen

Chromatographiearten betreiben, sofern die Säule selbst und das darin befindliche

Säulenmaterial den erhöhten Druck widerstehen können. Allerdings bedeutet eine

Trennung bei erhöhtem Druck nicht für jede Chromatographieart zwangsläufig einen

Vorteil, weswegen sich die die HPLC-Trennung hauptsächlich adsorptionsbasierte

Trennmechanismen eignen. Hierzu zählen zum einen die Normalphase (NP, normal

phase), und zum anderen die Umkehrphase (RP, reversed phase). Eine

Normalphasensäule enthält meist Kieselgel (SiO2), wobei diese stationäre Phase

eine polare Oberfläche besitzt und somit als Laufmittel unpolare oder wenig polare

organische Lösungsmittel benutzt werden. Zur Verbesserung der

Trenneigenschaften ist die Form der Kieselgelpartikel meist sphärisch und besitzt

eine geringe Größenverteilung. Der Trennmechanismus bei der Normalphase

basierend auf Adsorptionswechselwirkungen ist mit dem einer herkömmlichen

Kieselgelsäule vergleichbar. Aufgrund der besseren Stabilität und Permeabilität

werden neuerdings auch monolithische Kieselgelsäulen als Säulenmaterial

verwendet.[14]

Die Umkehrphase hingegen besitzt eine unpolare stationäre Phase und eine polare

mobile Phase. Das Säulenmaterial besteht aus einem oberflächenmodifizierten

Kieselgel. Dabei werden die Hydroxygruppen an der Oberfläche der Kieselgelkugeln

mit Alkylketten definierter Länge versehen. Je nach Polarität der Analyten werden mit

Octadecyl- (C18) Octyl- (C8) oder Butylresten (C4) modifizierte Säulen eingesetzt.

Aufgrund der sehr guten Trenneigenschaften für kleine Moleküle ist die

Umkehrphasechromatographie inzwischen zu der Standardtrenntechnik in der

Bioanalytik avanciert.

Detektor

Die Detektion der getrennten Komponenten erfolgt meist über einen UV/Vis-Detektor

oder einem leistungsstärkeren Diodenarraydetektor (DAD), in manchen Fällen erfolgt

eine Kopplung mit einem Massenspektrometer. Das Prinzip eines UV/Vis-Detektors

beruht auf der Lichtabsorption nach dem Lambert-Beer’schen Gesetz, nach dem die

Extinktion proportional zur Konzentration der Probe und zur Länge des

Strahlengangs ist. Aus dem kontinuierlichen, elektromagnetischen Spektrum kann

Grundlagen

27

durch einen Monochromator eine Wellenlänge herausgefiltert werden, so dass diese

in Abhängigkeit von der Retentionszeit gemessen und daraus ein Chromatogramm

erstellt werden kann. Ähnlich, jedoch leistungsfähiger, arbeiten

Diodenarraydetektoren. Bei einem DAD ist es nicht nötig, eine bestimmte

Wellenlänge herauszufiltern. Hier wird das Spektrum über einen Polychromator in

seine einzelnen Wellenlängen zerlegt und über ein Diodenfeld detektiert. Somit erhält

man alle Wellenlängen in Abhängigkeit der Retentionszeit.

Eine weitere Möglichkeit zur Detektion ist der Anschluss eines Massenspektrometers

an die HPLC. Dieses beruht heutzutage überwiegend auf dem Prinzip der

Elektrospray-Ionisation (ESI), bei dem das Lösungsmittel verdampft und die Moleküle

über eine geladene Metallkapillare ionisiert und in das Hochvakuum geleitet werden.

Das Prinzip dieser massenspektrometrischen Technik wird im folgenden Kapitel

ausführlich erklärt.

2.2 Massenspektrometrie[15-19]

2.2.1 Aufbau eines Massenspektrometers

Die Massenspektrometrie ist ein Verfahren zur Messung des Verhältnisses von

Masse zu Ladung m/z von Teilchen. Ist die Ladung z bekannt, kann aus dem

Verhältnis die Masse m des Teilchens berechnet werden. Dafür werden aus den zu

untersuchenden Molekülen zunächst über verschiedene Methoden positive oder

negative Ionen erzeugt, die anschließend nach ihrem Masse-/Ladungsverhältnis

getrennt und schließlich nachgewiesen werden (Abbildung 6).

Grundlagen

Vakuumsystem

Massen-

analysator

Ionenquelle Detektor

Einlass-

System

Daten-

system

Abbildung 6: Schematischer Aufbau eines Massenspektrometers.

2.2.2 Ionenerzeugung

Während der Entwicklung der Massenspektrometrie wurde eine Vielzahl von

Ionisationtechniken für unterschiedlich vorliegende Probenmoleküle entwickelt

(Abbildung 7). Generell lässt sich die Ionisation mit fünf verschiedene Methoden

erreichen, wovon hier die wichtigsten beschrieben sind.

Ionenquelle Analysator Detektor

- Elektronenstoß-Ionisation (EI)

- Chemische Ionisation (CI)

- Fast Atom Bombardment (FAB)

- Elektrospray-Ionisation (ESI)

- Matrix-unterstützte Laser-

desorption (MALDI)

- Atmospheric pressure chemical

Ionisation (APCI)

(Ionencyclotron, ICR)

- Quadrupol (Q)

- Magnetisches Sektorfeld

- Elektrisches Sektorfeld

- Flugzeitanalysator (TOF)

- Elektrische Ionenfalle

(ion trap, Orbitrap)

-Elektromagnetische Ionenfalle

- Vielkanalplatte

- Szintillationszähler

Vervielfacher (SEV)

- Faraday-Cup

- Sekundärelektronen-

- Felddesorption (FD)

- Feldionisation (FI)

Abbildung 7: Übersicht über Ionisations-, Analysator- und Detektortechniken.

Elektronenstoßmethoden

28

Grundlagen

29

Zu dieser Methode gehören die heute weit verbreiteten Ionisationsmethoden

Elektronenstoß- (EI) und chemische Ionisation (CI). Bei der Elektronenstoßionisation

werden aus einem Filament heraus mittels einer angelegten Spannung Elektronen

beschleunigt und durch die gasförmig vorliegende Probe geleitet. Dabei werden die

Probenmoleküle ionisiert und zerfallen spontan in kleine Molekülfragmente, welche

anschließend detektiert werden können. Bei der hiervon abgeleiteten chemischen

Ionisation wird ein Primärgas durch Elektronenstoßionisation geladen, welches

anschließend in einer Sekundärreaktion den Analyten ionisiert.

Feldionisationsmethoden

Bei der Feldionisation wird die Analyten zwischen zwei Elektroden durchgeleitet, an

denen eine hohe elektrische Spannung (10 – 20 kV) angelegt ist. Die Analytmoleküle

diffundieren in die fein verzweigte Struktur der Ionisationselektrode, wo sie durch das

gebildete elektrische Feld ionisiert und in Richtung des Analysators geleitet werden.

Liegt der Analyt gasförmig vor, so spricht man von Feldionisation (FI), liegt er flüssig

oder als Lösung vor, von Felddesorption (FD).

Teilchenbeschussmethoden

Durch den Beschuss von flüssigen oder festen Analyten mit schnellen Atomen oder

Ionen werden aus diesem Elektronen herausgeschlagen und es bilden sich

detektierbare Ionen. Bei der Verwendung von Atomen nennt sich diese Technik fast

atom bombardment (FAB), bei der Nutzung von Ionen spricht man von secondary ion

mass spectrometry (SIMS).

Photoionisationsmethoden

Die gebräuchlichste Photoionisationsmethode in der Bioanalytik ist die Matrix-

unterstützte Laser-Desorption/Ionisation (MALDI). Hierbei wird der Analyt in eine

Matrix mit definierter Anregungswellenlänge eingebettet und diese dann

kokristallisiert. Die Matrixmoleküle sind zumeist aromatische Verbindungen (wie z.B.

α-Cyano-4-hydroxyzimtsäure oder 2,5-Dihydroxybenzoesäure), da diese besonders

gut mittels Laserstrahlung angeregt werden können und relativ gut homogen

kristallisieren. Bei der anschließenden Bestrahlung der Matrix mit Laserlicht

absorbiert diese dann die Energie, was zur Verdampfung des Matrixmaterials und

schließlich zum Herauslösen des ionisierten Analyten führt.

Grundlagen

30

Sprühmethoden

Die Sprühmethoden gliedern sich in zwei unterschiedliche Methoden zur Ionisation.

Bei der Elektrospray-Ionisation (ESI) wird die Analytlösung zerstäubt, ionisiert und

die Lösungsmittelreste entfernt, so dass der Analyt als Ion vorliegt. Aufgrund der

herausragenden Bedeutung der Elektrospray-Ionisation für diese Arbeit soll diese im

nächsten Kapitel ausführlich behandelt werden. Eine weitere Sprühmethode ist die

atmospheric pressure chemical ionisation (APCI). Im Gegensatz zur ESI-Technik

wird hier zuerst die Lösung verdampft, bevor der Analyt ionisiert wird.

2.2.3 Elektrospray-Ionisation (ESI)

Elektrospray bezeichnet das Verfahren zur Zerstäubung einer Flüssigkeit mit Hilfe

eines elektrostatischen Feldes. Das hierdurch generierte Aerosol setzt sich aus polar

geladenen Tropfen mit monodisperser Größe zusammen. Zur Erzeugung wird die

Analytlösung durch eine Metallkapillare geleitet, an die eine hohe elektrische

Spannung angelegt ist. Die Analytlösung wird von dem elektrischen Feld

durchdrungen und die sich in ihr befindlichen Ionen wandern auf die Gegenelektrode

zu. Aufgrund der Anwesenheit von vielen gleichgeladenen Ionen an der

Kapillarspitze bildet sich dort ein Taylor-Kegel aus, in dem die Analytlösung nun als

Aerosol vorliegt. Durch zusätzlich eingebrachtes Trägergas wird das Lösungsmittel

verdampft, die Tröpfchenanzahl vergrößert und die Stabilität des Aerosols bis an die

Grenze geführt (Raleigh-Limit). Eine weitere Verkleinerung der Oberfläche führt zu

einer stark erhöhten Oberflächenladung und somit zum Kollaps der Tröpfchen

(Coulomb-Explosion).[16, 17]

Grundlagen

Abbildung 8: Schematische Darstellung einer positiven Elektrospray-Ionisation.[15]

Durch das mehrmalige Wiederholen dieses Vorgangs entstehen Tröpfchen mit ca.

10 nm Durchmesser. Anschließend erfolgt die Bildung der freien Analytionen, wofür

es zwei verschiedene Modelle gibt. Bei dem charge residue model (CRM, Modell des

geladenen Rückstandes) geht man davon aus, dass Tröpfchen von 1 nm

Durchmesser entstehen, die nur ein ionisiertes Analytmolekül beinhalten.[16, 18] Das

ion evaporation model (IEM, Ionenevaporationsmodell) nimmt an, dass aus größeren

Tröpfchen bereits Analytionen in die Gasphase emmitiert werden.[16, 18] Liegen die

Analytmoleküle als Ionen in der Gasphase vor, werden diese durch die

Potentialdifferenz in das Massenspektrometer geführt (Abbildung 8).

Der gesamte Ionisationsprozess ist bei der ESI-Ionisation im Gegensatz zu den

vorher genannten Methoden sehr sanft. Somit können mit dieser Methode auch

empfindliche Biomoleküle praktisch ohne Quellenfragmentierung ionisiert werden,

was erstmals die massenspektrometrische Detektion von gelösten Proteinen

31

Grundlagen

ermöglichte.[15] Ein weiterer, großer Vorteil dieser Technik ist die Möglichkeit,

Analytströme online zu ionisieren, also der Ionenquelle einen konstanten Strom an

gelösten Analyten zuzuführen. Dieses ermöglicht eine Kopplung von ESI-

Massenspektrometern mit HPLC-Systemen, welche die flüssige Probe vor der

Detektion säulenchromatographisch auftrennen.

2.2.4 Massenauftrennung[15-19]

Durch ionenoptische Bauteile werden die Ionen zum Massenanalysator hin

beschleunigt und dabei durch das unterschiedliche Masse-zu-Ladungsverhältnis

(m/z) ihrer Quasimolekülmasse nach aufgetrennt. Dafür werden bei den meisten

Analysatoren elektrische oder magnetische Felder eingesetzt, um die Ionen aufgrund

ihrer Massenträgheit bzw. der damit verbundenen längeren Flugzeit massenselektiv

zu unterscheiden. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen sind verschiedene

Bauarten von Massenanalysatoren entwickelt worden:

Magnet- (B)/ oder Sektorfeld (E/B)

Bestimmung der Flugzeit (TOF)

Ionencyclotronresonanz (ICR)

Ionenfalle (T)

Quadrupol (Q)

Orbitrap

Die wichtigsten Kenngrößen bei Massenanalysatoren sind Massenbereich,

Auflösungsvermögen und Scangeschwindigkeit, welche für die benutzten Geräte

verglichen werden.

Die Auflösung R eines Massenanalysators ist gegeben durch die Formel

m

Rm

wobei m die Nominalmasse und dm die Differenz zwischen zwei gerade noch

getrennten Massenpeaks darstellt. Bei den unterschiedlichen Analysatortypen

32

Grundlagen

wurden allerdings unterschiedliche Definitionen zur Peaktrennung verwendet, so

dass diese nicht direkt miteinander vergleichbar sind.

a) b)

Abbildung 9: Definition des Auflösungsvermögens eines Massenspektrometers, a) 10%-

bzw. 50%-Tal-Definition, b) Full Width at Half Maximum (FWHM)-Definition.[15]

Bei den sehr hochauflösenden Sektorfeld-Massenspektrometern wird die

Peaktrennung über das 10%-Tal definiert (Abbildung 9, a), bei den Quadrupol-

Massenspektrometern, die im Allgemeinen eine niedrige Auflösung bieten, gilt die

50%-Tal-Definition. Zur Messung der Auflösung eines Massenspektrometers anhand

nur eines Peaks wird die Auflösung der Halbwertsbreite (FWHM, full width at half

maximum) eines Massenpeaks m gemessen (Abbildung 9, b). Dies wird häufig bei

den TOF- und Orbitrap-Massenspektrometern angewendet und bietet den Vorteil, die

Auflösung an nur einem Peak zu bestimmen.

2.2.4.1 Quadrupol-Analysator

Der Quadrupol-Analysator arbeitet basierend auf dem Prinzip von Massenselektion

und -detektion, bestehend aus einem Bauteil zur Selektion einer definierten Masse

und dem Detektor zur Messung der Signalintensität.

Der Massenfilter besteht aus vier parallelen, auf einem Radius r angeordneten

Stäben entlang einer Achse z. An gegenüberliegenden Stäben liegt jeweils dieselbe

Polarität einer Gleichspannung U an, welche durch die gleiche Polarität einer

Wechselspannung (V cos2f t) mit der Frequenz f moduliert wird (Abbildung 10).

33

Grundlagen

Abbildung 10: Anordnung der Stabelektroden in einem Quadrupol-Massenfilter.[15]

Die nebeneinander liegenden Stäbe besitzen eine um 180° versetzte Phase mit

entgegengesetzter Polarität. Nahe der z-Achse kann das Potential daher wie folgt

beschrieben werden:

2

22

tf2cosVU),,(r

yxtyx

mit r = Radius

f = Frequenz

x,y = Raumkoordinaten

t = Zeit

U = Gleichspannung

V = Wechselspannung

Durch eine anliegende Spannung von 10-20 V erhalten die Ionen eine

Translationsenergie entlang der z-Achse. Die Bewegung in x- und y-Richtung kann

durch die beiden Gleichungen

xtfVU

)2cos(

r

ez

dx

dΦze

dt

xdmmaF

22

2

x

ytfVU

)2cos(

r

ez

dy

dΦze

dt

ydmmaF

22

2

y

34

Grundlagen

mit m = Masse des Ions

e = Elementarladung

z = Anzahl der Ladungen

a = Beschleunigung

beschrieben werden. Durch die Einführung der beiden Definitionen

2)(

2

rfm

Ueza

und 2)( rfm

Vezq

können diese Gleichungen als Mathieusche Gleichungen beschrieben werden:

0)2cos2()(d

xd2

2

xtfqatf

0)2cos2(

)(d

yd2

2

ytfqatf

Diese beiden Differentialgleichungen definieren den stabilen bzw. den instabilen

Bereich des Quadrupolfeldes für gegebene m/z-Verhältnisse, abhängig von den

Parametern a und q. Durch den Quotienten a/q ergibt sich

V

U

zeV

rfm

rfm

Uez

q

a 2)(

)(

2 2

2

dass bei gleicher Ladung z alle Massen m auf der so genannten Arbeitsgeraden

liegen.

Abbildung 11: Stabilitätsdiagramm eines Quadrupolfeldes in x- und y-Richtung.

35

Grundlagen

Nun werden Gleichspannung U und Amplitude V der Wechselspannung unter

Konstanthaltung von U/V und a/q entlang der Arbeitsgeraden so verändert, dass

nacheinander Ionen unterschiedlicher Masse im stabilen Bereich des

Quadrupolfeldes liegen. Somit kann der gesamte gewünschte Massenbereich

gescannt und die Ionen detektiert werden (Abbildung 11).

Moderne Quadrupol-Massenspektrometer bestehen häufig aus vier hintereinander

liegenden Quadrupolen, sogenannten Triple-Quadrupol- oder Tandem-

Massenspektrometern (Abbildung 12). Dieses ermöglicht die gezielte Strukturanalyse

von Ionen durch die massenselektive Filterung vorgeschalteter Quadrupole. Q0 wird

als reines ionenoptisches Bauteil ohne Gleichstrom-Komponente verwendet, um die

davor erzeugten Ionen zu stabilisieren und für Q1 zu fokussieren. Der Q1 ist der

erste Messquadrupol zum Scannen der Ionen. Q2 führt die Ionen durch eine

Kollisionskammer, die mit inertem Kollisionsgas (Stickstoff, Helium oder Argon)

gefüllt werden kann. Durch Kollision mit dem Gas fragmentieren die Ionen, wobei die

Molekülmassen der entstandenen Fragmentionen in dem nachfolgenden Quadrupol

Q3 analysiert werden können.

Abbildung 12: Schematischer Aufbau eines Triple-Quadrupol-Massenspektrometers.[15]

Mit einem Triple-Quadrupol-Massenspektrometer lassen sich nun neben dem

einfachen Trennen und Detektieren von Ionen (full scan) weitere verschiedene, auch

als MS/MS-Analysen oder Tandem-MS bezeichnete Experimente durchführen.

Bei einer Produkt-Ionen-Analyse (daughter ion scan, Abbildung 13) werden im

Quadrupol Q1 Ionen einer bestimmten Masse ausgewählt.[15] Diese Vorläuferionen

werden im Q2 fragmentiert und die generierten Tochter- oder Produktionen

36

Grundlagen

anschließend in Q3 analysiert. Aufgrund der charakteristischen Fragmentierung kann

durch die Produkt-Ionen-Analyse gezielte Strukturinformation zu dem Zielmolekül

gewonnen werden. Je nach Aufbau und Verbrückung eines Moleküls bilden sich

unterschiedliche Fragmentspektren, die durch die Abstände der Produkt-Ionen

zueinander interpretiert werden können. Aufgrund dieser Information ist die Produkt-

Ionen-Analyse die am häufigsten genutzte massenspektrometrische Analyse bei der

Strukturaufklärung von Biomolekülen.

Abbildung 13: Prinzip einer Produkt-Ionen-Analyse.[15]

Die Vorläufer-Ionen-Analyse verläuft von der Schaltung der Quadrupole genau

entgegengesetzt der Produkt-Ionen-Analyse (Abbildung 14).[15] In Q1 wird das

gesamte Massenspektrum transferiert und anschließend in Q2 sequenziell

fragmentiert. Q3 ist auf eine bestimmte, ausgewählte Fragmentmasse eingestellt.

Nun werden die durchgeleiteten Ionen in Q1 und Q3 verglichen und somit analysiert,

welche Vorläufer-Ionen dasselbe Fragment in Q3 zeigen. Mit diesem Messmodus

lassen sich Strukturanaloga aus komplexen Analyten identifizieren.

Abbildung 14: Prinzip einer Vorläufer-Ionen-Analyse.[15]

37

Grundlagen

Ähnlich funktioniert auch die Neutralverlust-Analyse (Abbildung 15).[15] Hierbei

werden Q1 und Q3 in normalen Scan-Modus gestellt, Q2 arbeitet ebenso als

Kollisionszelle. Q3 ist allerdings um die zu beobachtende Neutralverlustmasse

kleiner eingestellt als Q1. Somit lassen sich diejenigen Ionen detektieren, welche bei

Fragmentierung ein spezifisches Neutralteilchen abspalten.

konstant

Abbildung 15: Prinzip einer Produkt-Ionen-Analyse.[15]

Die neueste der Tandem-Analysen ist das multiple reaction monitoring (MRM).[15]

Es dient meist dem hochselektiven Nachweis von Analyten und nicht der

Strukturbestimmung. Dabei werden Q1 und Q3 jeweils ausschließlich auf eine

bestimmte Vorläufer- und Fragment-Masse eingestellt (Abbildung 16). Aufgrund

dieser genauen Einstellung ist das MRM hochsensitiv gegenüber dem gewünschten

Analyten. Bei der neuesten Entwicklung werden die MRM-Übergänge mit der

Retentionszeit des gewünschten Analyten verknüpft, so dass sich mit dieser Methode

praktisch unendlich viele Analyten mit einer chromatographischen Injektion

detektieren lassen (scheduled MRM, sMRM).

38

Grundlagen

Abbildung 16: Prinzip des multiple reaction monitoring (MRM).[15]

2.2.4.2 Quadrupol-Ionenfalle[16]

Als ein weiterer Massenanalysator kann die Ionenfalle genutzt werden. Diese besteht

aus einer Ringelektrode und zwei Endkappen, an die Wechselspannungen angelegt

wird und zentriert Ein- und Austrittslöcher für die Ionen eingelassen sind (Abbildung

17). Bildlich lässt sich eine Ionenfalle als einen zum Kreis gebogenen Quadrupolstab

vorstellen, dessen freie Seiten durch zwei gegenüberliegende Stäbe des Quadrupols

begrenzt sind. Für die Entwicklung der Ionenfalle wurde an Wolfgang Paul und Hans

Georg Dehmelt 1989 der Nobelpreis für Physik verliehen.

Abbildung 17: Prinzipieller Aufbau eines Ionenfallenmassenspektrometers.[15]

Das Funktionsprinzip der Ionenfalle ist vergleichbar mit dem eines Quadrupols. Die

numerischen Lösungen der Mathieuschen Differentialgleichungen definieren auch

hier den Bereich, in dem die Ionen stabile Bahnen innerhalb der Falle durchlaufen

39

Grundlagen

(Abbildung 18). Im Stabilitätsdiagramm wird der stabile Bereich durch die beiden

Endkappen und die Ringelektrode definiert. Anders als bei einem Quadrupol gibt es

hier jedoch nicht nur stabile Bereiche für ausgewählte Ionen, sondern der gesamte

Massenbereich kann gleichzeitig abgedeckt werden. Der größte Massenbereich kann

erreicht werden, wenn a = 0 ist, d.h. keine Gleichspannung angelegt ist. Ionenfallen

werden daher meist nur mit Wechselspannung betrieben. Durch Anlegen einer

Wechselspannung an der Ringelektrode entsteht im Inneren ein quadrupolares Feld,

welches durch eine räumlich ausgedehnte Potentialmulde die Ionen in der Mitte der

Ionenfalle stabilisieren. Allerdings reichen diese elektrischen Felder zur Fixierung der

einströmenden Ionen nicht aus. Um die stark beschleunigten Ionen bei dem Eintritt in

die Ionenfalle abzubremsen und zu verhindern, dass diese auf der

gegenüberliegenden Elektrode deionisieren, wird Helium bei einem Druck von ca.

3x10-6 bar in die Quelle geleitet. Durch die Kollision mit den Heliumatomen werden

die Ionen abgebremst und können so effizient in der Falle eingefangen werden.

Abbildung 18: Stabilitätsdiagramm der Mathieuschen Gleichungen für die Ionenfalle.[15]

Zur Analyse werden während eines Zyklus die Ionen in der Falle gesammelt. Ist die

Falle gefüllt, d.h. ist die Anzahl der Ionen optimal, so wird die weitere Aufnahme von

Ionen durch eine Änderung des Potentials verhindert. Zur Detektion werden die

40

Grundlagen

41

Ionen mit aufsteigender Molekülmasse mit Hilfe von Multipolfeldern aus der

Austrittsöffnung zu einem Detektor (z.B. Sekundärelektronenvervielfältiger, SEV) hin

herausgeschleust. Die Multipolfelder (z.B. Okta-, Dekapole usw.) entstehen durch die

Kopplung des quadrupolaren Feldes an der Ringelektrode mit einem dipolaren Feld

an den speziell geformten Endkappen und induzieren mit dem Anstieg von q eine

starke Resonanz der Ionen. Dadurch können die Ionen rasch kinetische Energie

aufnehmen und schnell aus der Falle hinaus beschleunigt werden.

In modernen Ionenfallenanalysatoren mit dieser Technik können so

Scangeschwindigkeiten von bis zu 26 000 unit/s erreicht werden, 20mal schneller als

bei einem Quadrupolsystem. Des Weiteren kann das zum Abbremsen eingefüllte

Heliumgas auch als Kollisionsgas verwendet werden. Unter Nutzung der angelegten

Hochfrequenzspannung können die gewünschten Vorläufer-Ionen innerhalb der Falle

isoliert werden.

2.2.4.3 Orbitrap-Ionenfalle[16]

Die Orbitrap besteht aus einer massiven, spindelförmigen Elektrode in der Mitte und

einer ebenfalls spindelförmigen Elektrode als Umhüllung (Abbildung 19).[20] Durch

das Anlegen eines den Ionen entgegengesetzten Potentials an der inneren Elektrode

halten diese sich auf stabilen Kreisbahnen (Orbits), wenn sich Zentrifugalkraft und

Anziehungskraft gerade aufheben. Aufgrund der dezentralen Injektion der Ionen in

die Kammer oszillieren diese relativ zu ihrer Molekülmasse entlang der

Spindelelektrode. Die Frequenzen des harmonischen Oszillators sind unabhängig

von der Ionengeschwindigkeit und induzieren einen Strom, der wiederum relativ zu

ihrer Molekülmasse ist. Durch eine Fouriertransformation kann aus den überlagerten

Frequenzen aller Ionen in der Orbitrap ein Massenspektrum generiert werden.

Grundlagen

Abbildung 19: Schematischer Aufbau eines Orbitrap-Massenspektrometers.[21]

Aufgrund des Wegfalls der räumlichen Trennung von Massenselektion und –

Detektion sind diese Geräte - ähnlich wie FT-ICR-Massenspektrometer - äußerst

empfindlich und besitzen zudem eine sehr hohe Massenauflösung.[22]

2.2.5 Detektion

Die Detektion von Ionen erfolgt über die Umwandlung des Ionenstroms in einen

elektrischen Strom. Hierfür stehen verschiedene Detektoren wie Photomultiplier,

Sekundärelektronenvervielfacher oder ein Faraday-Becher zur Verfügung. Bei den

räumlich nicht getrennten Fouriertransformationsdetektoren wird der durch die Ionen

induzierte Strom gemessen und anschließend zu einem Massenspektrum

prozessiert.

2.3 Kernresonanz-Spektroskopie

Die Kernresonanzspektroskopie beruht auf dem Phänomen, dass Atomkerne in

einem homogenen Magnetfeld eine Aufspaltung ihrer Energieniveaus erfahren. Im

Jahre 1924 wurde von Wolfgang Ernst Pauli zum ersten Mal die theoretische

Grundlage für die NMR-Spektroskopie postuliert, nachdem manche Atomkerne einen

ungeraden Spin haben und somit eine Aufspaltung im magnetischen Feld erfahren

sollten.[23] Experimentell konnte die These 1933 durch das Molekularstrahlexperiment

42

Grundlagen

43

von Otto Stern nachgewiesen werden, bei dem ein Silberatom- bzw. ein

Protonenstrahl durch ein Magnetfeld in zwei Gruppen – entsprechend ihres

Spinzustandes - geteilt wird.[24] Diese Arbeit wurde 1943 mit dem Nobelpreis für

Physik ausgezeichnet. Im Jahre 1946 gelang es den beiden Arbeitsgruppen von

Bloch und Purcell unabhängig voneinander, diese Aufspaltung im Magnetfeld durch

die Energieabsorption elektromagnetischer Strahlung nachzuweisen. Für die

Entdeckung erhielten Bloch und Purcell 1952 gemeinsam den Nobelpreis für Physik.

Das von einem Atomkern erfahrene Magnetfeld ist allerdings nicht nur vom dem

angelegten homogenen Magnetfeld abhängig, sondern unterscheidet sich auch

durch die unterschiedliche chemische Anordnung eines jeden Kerns im Molekül.[25]

Dadurch lassen sich von einem Spektrum Rückschlüsse auf die Molekülstruktur der

Probe ziehen, was sich Chemiker in der Strukturbestimmung zu Nutze machen

können. 1953 wurde daher das erste kommerzielle Kernspinspektrometer der Firma

Varian Associates auf den Markt gebracht. Durch die Entwicklung von immer

stärkeren supraleitenden Magneten und die Entwicklung der

Fouriertransformationsspektrometer (FT-NMR) durch Richard Robert Ernst 1964

konnte die Empfindlichkeit stark gesteigert werden, was zu einem zusätzlichen

Bedeutungsgewinn für die Kernresonanzspektroskopie in der Strukturaufklärung

führte.[26] Zum Anfang der Technik waren die Experimente auf eindimensionale

Spektren beschränkt. Durch den steigenden Einsatz dieser Methode zur

Strukturbestimmung in den 1970er Jahren wurden zweidimensionale Experimente

entwickelt, was zu einer noch größeren Bedeutung in der analytischen Chemie

führte. Aufgrund dieser technischen Weiterentwicklungen kann heutzutage mit der

Kernresonanzspektroskopie neben der Strukturaufklärung beispielsweise die Faltung

von Proteinen gemessen werden.[27]

2.3.1 Experimentelle Grundlagen

Das einfachste aller NMR-Experimente ist das eindimensionale (1D-)Experiment,

welches sich aus den beiden Phasen Präparation und Detektion zusammensetzt

(Abbildung 20, a). Während der Präparation wird durch elektromagnetische

Manipulation das Spinsystem des Analyten in einen definierten Zustand gebracht,

anschließend misst man bei der Detektion das Ergebnis des Experiments.

Grundlagen

a) b)

Abbildung 20: a) Schematische Darstellung einer eindimensionalen NMR-Pulssequenz, b)

Wirkung eines 90°-Pulses auf z-Magnetisierung.[15]

Die Präparation des Spinsystems besteht im einfachsten Fall aus einem kurzen,

starken Anregungsimpuls auf die Gleichgewichtsmagnetisierung Mz aus der x-

Richtung. Bei geeigneter Pulsdauer verändert sich die Magnetisierung entlang der z-

Achse vollständig zur y-Achse hin (Abbildung 20, b). Nach diesem so genannten 90°-

Puls präzedieren die Kerne des Spinsystems mit ihren Lamorfrequenzen um die z-

Achse und induzieren in dem Empfangsgerät eine Spannung. Aufgrund der

transversalen Relaxation nimmt diese Spannung mit der Zeit ab, weshalb das

aufgezeichnete Signal als FID (free induction decay, freier Induktionszerfall)

bezeichnet wird. Nach der vollständigen Relaxation des Spinsystems in seinen

Grundzustand kann das Experiment beliebig oft wiederholt und das Signal addiert

werden, um die Empfindlichkeit des Gerätes zu verbessern. Anschließend wird aus

dem FID (Zeitdomäne) mittels Fourier-Transformation das aufgenommene Spektrum

(Frequenzdomäne) erzeugt.

Aufgrund der häufig auftretenden Signalüberlagerung reichen 1D-Experimente zur

Strukturaufklärung allein jedoch nicht aus. Daher wird zusätzlich die Technik der

zweidimensionalen NMR-Experimente genutzt, bei der zu den beiden

Experimentphasen Präparation und Detektion noch die indirekte Evolutionszeit t1 und

die Mischzeit hinzugefügt werden (Abbildung 21).

44

Grundlagen

45

Abbildung 21: Schematische Darstellung der Pulssequenz eines 2D-NMR Experiments.[15]

Während der Evolutionszeit t1 können die Spins frei präzedieren. Hierbei wird

gleichzeitig die Magnetisierung mit der chemischen Verschiebung des ersten Kernes

verbunden. Anschließend wird durch die Mischsequenz zunächst der Zustand der

Magnetisierung am Ende von t1 abgefragt und weiterhin die Magnetisierung vom

ersten Kern auf einen anderen Kern übertragen. Der Transfer der Magnetisierung

erfolgt über zwei verschiedene Mechanismen: die skalare Kopplung oder die dipolare

Wechselwirkung. Im Anschluss erfolgt dann die Datenakquisition, bei der die

Magnetisierung mit der chemischen Verschiebung des zweiten Kerns markiert wird.

Nach Fouriertransformation in t2-Richtung erhält man ein vom 1D-NMR-Experiment

bekanntes Bild, das eine Momentaufnahme bei der Zeit t1 darstellt. Nun werden

verschiedene Einzelexperimente mit unterschiedlicher t1-Zeit aufgenommen, so dass

die zeitliche Evolution des Spinsystems in einem Experiment abgebildet werden kann

(Abbildung 22, a). Durch eine weitere Fouriertransformation in t1-Richtung entsteht so

ein zweidimensionales Höhenkonturdiagramm. (Abbildung 22, b)

Grundlagen

b)

a)

Abbildung 22: a) Zwischen den aufeinanderfolgenden 1D-Experimenten eines 2D-

Experiments wird jeweils die t1-Zeit inkrementiert. Dadurch wird die indirekte Zeitdomäne

schrittweise abgetastet.[15] b) Nach Fouriertransformation in t2 entsteht eine Serie

eindimensionaler Spektren, die in t1 moduliert sind.[15]

Je nachdem, ob es sich hierbei um eine Kopplung zwischen gleichen

(homonuklearen) oder ungleichen (heteronuklearen) Kernen handelt, erhält man ein

zur Diagonale symmetrisches oder unsymmetrisches 2D-Spektrum.

46

Grundlagen

b)

a)

Abbildung 23: a) Schnitt durch die Daten aus Abbildung 22 parallel zu t1 durch die

jeweiligen Maxima der Signale. Dies entspricht einem free induction decay (FID) in der

indirekten Zeitdimension[15]. b) Nach Fouriertransformation auch der indirekten Dimension (t1)

entsteht eine zweidimensionale Absorptionslinie, links in dreidimensionaler Darstellung,

rechts in Aufsicht in der Darstellung als Konturplot mit Höhenlinien.[15]

Aufgrund der großen Bedeutung der verschiedenen 2D-NMR-Experimente für die

Strukturaufklärung sollen die wichtigsten ausführlich vorgestellt werden.

2.3.1.1 Das 1H,1H-COSY-Experiment

Das zweidimensionale homonukleare (1H,1H)-korrelierte NMR-Experiment liefert

NMR-Spektren, bei denen auf beiden Frequenzachsen 1H-chemische

Verschiebungen miteinander korreliert sind.[28] Hierbei erfolgt der

Magnetisierungstransfer über skalare Spin-Spin-Wechselwirkungen. Im COSY-

Experiment erhält man Information über 1H-1H-Kopplungen, d.h. über

Nachbarschaftsbeziehungen von Protonen. Allerdings sind bei diesem Experiment

nur Signale von Protonen sichtbar, die maximal drei Bindungen voneinander getrennt

sind (2J- und 3J-Kopplung). Bei dem einfachsten aller 2D-NMR-Experimente besteht

47

Grundlagen

die Pulssequenz nur aus zwei durch eine Evolutionszeit t1 getrennten 90°-Pulsen

(Abbildung 24).

Abbildung 24: Schematische Darstellung der Pulssequenz für das 1H,1H-COSY-

Experiment.[29]

Da es sich bei dem COSY-Experiment um ein homonukleares NMR-Experiment

handelt, zieht sich eine Diagonale durch das Spektrum, welche ein eindimensionales 1H-Experiment abbildet. Zusätzlich gibt es so genannte Kreuzsignale beidseitig der

Diagonalen, welche die Information aus dem COSY-Spektrum widerspiegeln. Für ein

AX-System (zwei Kerne mit großer unterschiedlicher chemischer Verschiebung)

können daher insgesamt 4 Signale beobachtet werden: die zwei Signale auf der

Diagonalen mit den Koordinaten A, A bzw. X, X und die Kreuzsignale beidseitig

der Diagonalen mit den Koordinaten A, X und X, A.

Aufgrund der enormen Bedeutung des COSY-Experiments für die Strukturaufklärung

sind eine Reihe von weiteren, ähnlichen Pulssequenzen entwickelt worden. Ein

Nachteil des COSY-Experiments ist, dass bei geringer chemischer Verschiebung der

Signale zueinander die interessanten Kreuzsignale durch die intensiveren

Diagonalsignale überlagert werden. Bei Verbindungen mit vielen, sich überlagernden

Signalen wird daher häufig das COSY-45-Experiment angewendet; hierbei wird der

zweite 90°-Puls durch einen 45°-Puls ersetzt (Abbildung 25, a). Die Magnetisierung

wird dabei so transferiert, dass die ungewünschten Diagonalsignale im Vergleich zu

den Kreuzsignalen abgeschwächt werden. Allerdings geht dieser Vorteil auch mit

einem Empfindlichkeitsverlust einher.

Bei dem long-range COSY-Experiment wird vor und nach dem zweiten 90°-Puls eine

definierte Wartezeit ∆ eingefügt. Während dieser Wartezeit können sich auch

schwache Kopplungen zwischen weit entfernten Protonen entwickeln, die im

eindimensionalen 1H-NMR-Experiment keine skalare Kopplung zueinander zeigen

(Abbildung 25, b).

48

Grundlagen

Zur Unterdrückung störender Sigulettsignale im Spektrum, z.B. des

Lösungsmittelsignals, wird häufig das DQF-COSY-Experiment (double quantum

filtered) angewendet. Hierzu wird nach dem zweiten 90°-Puls eine kurze Wartezeit ∆‘

und ein weiterer 90°-Puls eingefügt. Dadurch werden die

Magnetisierungsbestandteile von Singulettsignalen unterdrückt, während die Signale

von Spinsystemen detektiert werden können (Abbildung 25, c).

c)

b)

a)

Abbildung 25: Schematische Darstellung der Pulssequenz für das a) COSY-45-Experiment

b) Long-Range-COSY-Experiment c) DQF-COSY-Experiment[15]

2.3.1.2 Das TOCSY-Experiment

Im TOCSY-Experiment (Total Correlation Spectroscopy, vollständige Korrelations-

spektroskopie) wird die Magnetisierung durch mehrstufigen sukzessiven Transfer

über skalare J-Kopplung über das ganze Spinsystem verteilt, d.h. das TOCSY

korreliert alle Protonen eines Spinsystems miteinander.[28] Man erhält folglich

Informationen über die gesamten Spinsysteme eines Moleküls. Das TOCSY-

Experiment wird häufig bei der Strukturaufklärung von Peptiden bzw. Proteinen

eingesetzt, da beim TOCSY-Experiment charakteristische Spektrenmuster

entstehen, welche sich gut den enthaltenen Aminosäuren zuordnen lassen.

Die TOCSY-Pulssequenz ist vergleichbar mit der des COSY-Experiments, allerdings

wird hier der zweite 90°-Puls durch ein Spin-Lock ersetzt. Während der Dauer des

Spin-Locks befinden sich die Kerne nur im schwachen Hochfrequenzfeld B1, die

chemischen Verschiebungsdifferenzen der Protonen werden sehr klein und die

49

Grundlagen

50

skalaren Kopplungen überwiegen. Nun können sich die Spinzustände mischen,

Magnetisierung kann von einem zum anderen Kern übertragen werden und dieser

Transfer als Signal detektiert werden. Die Reichweite der

Magnetisierungsübertragung innerhalb eines Moleküls hängt direkt von der Dauer

des Spin-Locks ab. Durch die Verkürzung oder Verlängerung des Spin-Locks lässt

sich selektiv ein bestimmter Abschnitt eines Spinsystems anregen, wodurch die

Strukturaufklärung von Molekülen mit vielen, überlagerten Protonen ermöglicht wird.

Üblicherweise variiert die Dauer des Spin-Locks von wenigen 10 ms bis zu 300 ms.

Die eindimensionale Variante des selektiven TOCSY wird aufgrund der gezielten

Anregung von Signalen auch selTOCSY (selective Total Correlation Spectroscopy,

selektive vollständige Korrelationsspektroskopie) genannt.

2.3.1.3 Das HMQC/HSQC-Experiment

Das HMQC-Experiment[30] (Heteronuclear Multiple Quantum Coherence) verwendet

die Übertragung der Magnetisierung auf einen Heterokern und die Rückübertragung

auf den Ursprungskern.[28] Es handelt sich um ein inverses, zweidimensionales,

heteronukleares H,X-korreliertes NMR-Experiment (X = 13C, 15N). Charakteristisch für

alle inversen Verfahren ist, dass Kohärenzen im Kanal der unempfindlichen Kerne

(13C, 15N) erzeugt und dann auf die empfindlichen Kerne (im allgemeinen 1H)

übertragen werden, deren Resonanzen dann gemessen werden. Sehr ähnlich zu

dem HMQC-Experiment ist das HSQC-Experiment (Heteronuclear Single Quantum

Coherence,

Abbildung 26). Im Gegensatz zum HMQC-Experiment, bei der sich die

Magnetisierung des Heterokerns und des Protons während der Evolutionszeit

ändern, ändert sich bei dem HSQC-Experiment nur die Magnetisierung des

Heterokerns. Bei beiden Experimenten erhält man als Information die Korrelation

zwischen direkt gebundenen Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen (1J-Kopplungen).

Grundlagen

2.3.1.4 Das HMBC-Experiment

Das HMBC-Experiment[31] (Heteronuclear Multiple Bond Correlation) unterscheidet

sich von dem HSQC-Experiment lediglich durch eine größere Wartezeit zwischen

dem ersten Protonenpuls und dem ersten Kohlenstoffpuls für die Entwicklung der

heteronuklearen Kopplung.[28] Durch die Verlängerung der Wartezeit können sich

während dieser Zeit Fernkopplungen über zwei bzw. drei Bindungen entwickeln.

Diese Korrelation von entfernt liegenden Atomen ist gerade für die Strukturaufklärung

von Naturstoffen von großer Bedeutung, da so die verschiedenen Strukturfragmente

zu einem Strukturvorschlag zusammengeführt werden können. Des Weiteren kann

mithilfe von HMBC-Experimenten auch die Lage von Heteroatomen bestimmt

werden, sofern das Molekül genug Protonen für die inverse Detektion enthält. Um

möglichst alle in einem Molekül vorhandenen Fernkopplungskonstanten (ca. 1-25 Hz)

abzudecken, wird meist ein mittlerer Wert von 60 ms (ca. 8 Hz) gewählt. Des

Weiteren verwendet man häufig einen so genannten low pass filter, um die

störenden 1JC-H-Kopplungen zu unterdrücken.[32]

Abbildung 26: Schematische Darstellung der Pulssequenz für das HSQC- bzw. HMBC-

Experiment, hier: 15N-HSQC.[15]

51

Zielsetzung

52

3 Zielsetzung

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Strukturaufklärung von

Sekundärmetaboliten durch massenspektrometrische und

kernresonanzspektroskopische Analysen. Gesammelte Bakterienstämme aus

verschiedenen Habitaten wurden zuvor in der Arbeitsgruppe von Prof. H.-P. Fiedler

an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen mittels der HPLC-DAD-Analytik

charakterisiert. Anhand der arbeitskreisinternen UV/Vis-Datenbank konnten die zu

identifizierenden Verbindungen gegen eine Vielzahl von bekannten Naturstoffen

verglichen werden.[33] Hierbei wurden zahlreiche neue, nicht in der Datenbank

enthaltene Verbindungen entdeckt, welche als uncharakterisierte Naturstoffe

klassifiziert wurden. Nach der Isolierung dieser Substanzen in Reinform sollten diese

im Folgenden strukturaufgeklärt werden, um Information über die Wirkstofffamilie und

die chemische Struktur dieser neuen Stoffe zu erhalten. Ausgehend von der

vorliegenden Struktur sollten mit Hilfe von Kooperationspartnern mit den

aufgereinigten Stoffen verschiedene antibakterielle, antitumor- und enzymatische

Testierungen durchgeführt werden, um Informationen über die Wirksamkeit zu

erlangen.

Ergebnisse und Diskussion

4 Strukturaufklärung des Piceamycins und seines N-

Acetylcystein-Addukts aus Streptomyces sp. GB 4-2

4.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces

sp. GB 4-2

Zur Untersuchung von rhizosphären Bodenbakterien wurden in der Arbeitsgruppe

von Prof. Karl Poralla an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Erdproben von der

Rhizosphäre junger Fichten (Schönbuch, Tübingen) genommen. Als Rhizosphäre

wird im Allgemeinen der Bereich um eine Pflanzenwurzel im Waldboden bezeichnet.

Aufgrund der starken Interaktion zwischen der Pflanze und des umliegenden

Waldbodens kommt es in diesem Bereich zu einer starken Häufung von

Mikroorganismen, die sowohl pflanzenfördernder (auxiliar, symbiotisch) als auch

pflanzenschädlicher (parasitär, pathogen) Natur sein können.[34, 35] Die hohe

Organismendichte in diesem Lebensraum zwingt die Mikroorganismen verstärkt zur

Bildung von Sekundärmetaboliten, um potentielle Konkurrenten zu bekämpfen und

sich selbst gegen andere Arten zu behaupten. Aus diesen Erdproben wurde der

Stamm Streptomyces sp. GB 4-2 isoliert und in der Arbeitsgruppe von Prof. Hans-

Peter Fiedler von Dr. Julia Riedlinger[36] taxonomisch und von Dr. Dirk Schulz[1]

bezüglich seiner Sekundärmetabolitproduktion untersucht (Abbildung 27).

Abbildung 27: Lichtmikroskopische Aufnahmen von Stamm Streptomyces sp. GB 4-2

(Kolonien auf der Agarplatte).[1]

53

Ergebnisse und Diskussion

54

4.1.1 Chemisches Screening

Zur Identifizierung von möglichen Zielkomponenten wurde in der Arbeitsgruppe von

Prof. Hans-Peter Fiedler der Bakterienstamm in unterschiedlichen Nährmedien

angezogen und die Produktion der Sekundärmetabolite in Myzel- und Kulturfiltrat

mittels HPLC-DAD-Analytik vermessen. Während des chemischen Screenings

konnten insgesamt sechs Verbindungen charakterisiert werden, deren UV/Vis-

Spektren keine Übereinstimmung mit bekannten Sekundärmetaboliten in der

Datenbank zeigte.[33] Aufgrund der identischen UV/Vis-Spektren von fünf der sechs

Verbindungen handelte es sich hierbei jedoch höchstwahrscheinlich um

Stereoisomere. Diese wurden daraufhin als GB 4-2 A1 bis A5 bezeichnet, die

sechste Verbindung als GB 4-2 B (Abbildung 28). Während der Bearbeitung des

Stammes konnte beobachtet werden, dass die Verbindungen A2 bis A5 durch

Lichteinwirkung aus der Verbindung A1 entstehen. Daher wurden nur die

Komponente A1 mit der Retentionszeit von Rt = 10.1 min und die Komponente B mit

der Retentionszeit von Rt = 8.2 min als Zielkomponenten identifiziert.

Ergebnisse und Diskussion

55

Ab

bild

un

g 2

8: H

PLC

-DA

D-C

hro

mat

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mm

de

s K

ultu

rfilt

rate

xtra

ktes

des

Sta

mm

es

GB

4-2

un

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V/V

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der

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bind

ung

GB

4-2

A1

und

GB

4-2

B.[1

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ktre

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GB

4-2

A2

– A

5 se

hen

fast

iden

tisch

zu

GB

4-2

A1

aus.

Ergebnisse und Diskussion

4.1.2 Fermentation und Isolierung

Bei der von Dr. Dirk Schulz durchgeführten Produktionsoptimierung mit den drei

unterschiedlichen Nährmedien 500, SGG und OM im Schüttelkolben zeigte sich,

dass die gewünschten Metabolite in guten Ausbeuten in dem Nährmedium OM

gebildet wurden.[1] Die maximale Konzentration des Metaboliten GB 4-2 B konnte

nach 166 h mit einer Ausbeute von 2.8 mg/L erreicht werden. Zur anschließenden

Anzucht des Stammes im Bioreaktor wurden weiterhin fünf verschiedene

Bioreaktoren (New Brunswick, Biostat S, Biostat E, Biostat b20) mit dem Stamm

angeimpft und der Reaktor mit der höchsten Ausbeute bestimmt. Hierbei erwies sich

der Bioreaktor New Brunswick mit einer Ausbeute von 3.9 mg/L als bester Bioreaktor

zur Fermentation. Die Bioreaktoren Biostat S und Biostat E zeigten eine

vernachlässigbar geringere Produktion der gewünschten Verbindungen an, so dass

diese ebenfalls zur Fermentation des Stammes genutzt werden konnten.

b) a)

Schema 1: Isolierungsschema der Substanzen a) GB 4-2 A1 und b) GB 4-2 B.[1]

56

Ergebnisse und Diskussion

57

Die Isolierung der Verbindung GB 4-2 A1 erfolgte analog zu Schema 1. Nach der

Ernte wurde die Kulturbrühe zunächst mittels Druckfiltration in Kulturfiltrat und Myzel

getrennt und das Myzel verworfen. Anschließend wurde das Kulturfiltrat zunächst auf

pH 4 eingestellt und dreimal mit Ethylacetat extrahiert. Die vereinigten organischen

Phasen wurden unter Vakuum bis zur Trockne eingeengt und der erhaltene

Rohextrakt mit einem Stufengradienten von 0 %, 1 %, 2 % und 5 % an LiChroprep

Diol chromatographiert. Die Elutionsfraktionen wurden nun wiederum bis zur Trockne

eingeengt und anschließend ein 200 mg Aliquot an Sephadex LH-20 in Methanol

aufgetrennt. Der dadurch erhaltene Rohextrakt wurde schließlich mittels präparativer

RP-HPLC an C18-Material mit einem isokratischen Gradienten von 52 % Acetonitril

aufgereinigt, wodurch 5 mg GB 4-2 A1 erhalten werden konnten. Aufgrund der

starken Isomerisierung der Verbindung GB 4-2 A1 zu den isomeren Verbindungen

A2 bis A5 bei Lichteinwirkung musste der gesamte Prozess der Isolierung möglichst

unter Lichtausschluss erfolgen.

Zur Isolierung der Verbindung GB 4-2 B wurde nach der Filtration eine

Adsorptionschromatographie an Amberlite XAD-16 durchgeführt und die

Elutionsfraktion anschließend bis zum wässrigen Rückstand unter reduziertem Druck

eingeengt. Die wässrige Phase wurde nun auf pH 4 eingestellt und dreimal mit

Ethylacetat extrahiert. Hierbei ging die Verbindung in die organische Phase über, das

Lösungsmittel wurde anschließend unter reduziertem Druck entfernt. Der erhaltene

Rohextrakt wurde nun in Methanol aufgenommen und an Sephadex LH-20

chromatographiert. Der nach der Einengung der Elutionsfraktionen erhaltene

Rohextrakt II wurde anschließend in Methanol an Fractogel TSK HW-40

chromatographiert, wodurch 23 mg Rohprodukt erhalten werden konnten. Dieses

wurde dann in einem letzten Aufreinigungsschritt mittels präparativer RP-HPLC an

C18-Material mit einem linearen Gradienten von 30 - 60 % Acetonitril mit 0.1 %

Ameisensäure aufgereinigt. Hierdurch konnten 5.7 mg reines GB 4-2 B erhalten

werden.

Ergebnisse und Diskussion

58

4.2 Strukturaufklärung

4.2.1 HPLC-ESI-MS

Mit Hilfe von HPLC-ESI-MS-Untersuchungen konnten zunächst die nominalen

Molekülmassen der beiden Zielderivate bestimmt werden. Hierzu wurden Proben der

reinen Verbindungen im positiven und negativen Ionisationsmodus untersucht. In

beiden Modi war die Ionenausbeute zufriedenstellend. Daher wurde - sofern beide

Ionisationmodi ein stimmiges Ergebnis ergaben - zur vereinfachten Darstellung nur

der Positivionenmodus beschrieben. Das Derivat GB 4-2 A1 zeigte bei einer

Retentionszeit von Rt = 10.1 min ein Positiv-Molekülion [M+H]+ bei m/z 432.1, das

Derivat GB 4-2 B ein Positiv-Molekülion [M+H]+ von m/z 595.1 bei der Retentionszeit

Rt = 8.2 min. Die UV/Vis-Spektren und die Retentionszeiten stimmten mit den

experimentellen Daten aus dem chemischen Screening überein.

4.2.2 Bestimmung der Summenformel

Zur weiteren Strukturaufklärung wurde nach den HPLC-ESI-MS-Untersuchungen die

Summenformel der beiden Zielderivate GB 4-2 A1 und GB 4-2 B mittels FT-ICR-MS

bestimmt. Die Messung erfolgte durch Dipl.-Ing. Graeme J. Nicholson an der

Universität Tübingen im Positiv-Ionenmodus. Für die Berechnung der Summenformel

wurden die Elemente Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Stickstoff (N), Sauerstoff (O)

und Schwefel (S) zugelassen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Tabelle

1 dargestellt.

Ergebnisse und Diskussion

59

Tabelle 1: Physikochemische Eigenschaften von GB 4-2 A1 und GB 4-2 B.

GB 4-2 A1 GB 4-2 B

FT-ICR-MS 432.21697 gemessen [M+H]+

432.21694 theoretisch

∆ = 0.07 ppm

595.24699 gemessen [M+H]+

595.24725 theoretisch

∆ = 0.44 ppm

Summenformel C27H29NO4 C32H38N2O7S

UV max (MeOH) 295, 410 295, 330 (sh)

4.2.3 Aminosäureanalytik

Zum Nachweis von Aminosäure-Einzelbausteinen wurde eine GC-MS-Analytik durch

Dipl.-Ing. Graeme J. Nicholson an der Universität Tübingen durchgeführt. Hierzu

wurde eine Probe beider Zielverbindungen zunächst säurekatalytisch hydrolysiert

(6 M HCl, 110 °C, 20 h), das getrocknete Hydrolysat zum N-(O-)TFA/Ethylester

derivatisiert und anschließend mittels chiraler GC-MS analysiert. Bei dem Derivat

GB 4-2 A1 konnte kein Aminosäurebaustein nachgewiesen werden, GB 4-2 B wies

hingegen die Aminosäure L-Cystein auf. Die Identifizierung erfolgte durch

Retentionszeitvergleich zu L-Cystein und der Übereinstimmung des

charakteristischen EI-Fragmentspektrums von Cystein.

4.2.4 NMR-Spektroskopische Untersuchungen

Die weiterführende Strukturaufklärung der Zielkomponenten wurde mit Hilfe von ein-

und zweidimensionalen kernresonanzspektroskopischen Experimenten durchgeführt.

Zunächst konnten die durch die FT-ICR-MS-Untersuchungen gefundenen

Summenformeln durch die 1H- und 13C-NMR-Spektren bestätigt werden. Die

detaillierte Analyse der COSY-, HSQC- und HMBC-NMR-Spektren ermöglichte die

Bestimmung aller in Abbildung 29 gezeigten 1H- und 13C-Signale. Die 1H-, 13C- und

HSQC-NMR-Spektren der Zielkomponente GB 4-2 A1 (im weiteren Verlauf als

Piceamycin bezeichnet) zeigten insgesamt 21 sp2-hybridisierte, zwei Methylen- und

Ergebnisse und Diskussion

zwei Methyl-Kohlenstoffatome, zusätzlich dazu ein aliphatisches Methin- und ein

aliphatisches, quartäres Kohlenstoffatom. Das Derivat GB 4-2 B (im weiteren Verlauf

als N-Acetylcystein-Piceamycin bezeichnet) zeigte darüber hinaus zwei weitere sp2-

hybridisierte Kohlenstoffatome, ein weiteres aliphatisches Methin-, ein weiteres

Methylen- und ein weiteres Methyl-Kohlenstoffatom.

b)

R =S

NH

O

OH

O

HN

O

O

O OH

R

: COSY: HMBC

3

5

11

19

2313

15

17

1'

2'

3'

1''

3''

5''

a)

HN

O

O

O OH

: COSY: HMBC

3

5

11

19

2313

15

17

1'

2'

3'

Abbildung 29: COSY- und HMBC-Korrelationen von a) Piceamycin und b) N-Acetylcystein-

Piceamycin.

Aus den COSY-NMR-Spektren konnten zwei zusammenhängende Spinsysteme für

die Komponente GB 4-2 A1 (H-2 bis H-7, H-14 bis H-26 und H-3’) und drei

zusammenhängende Spinsysteme für die Komponente GB 4-2 B (zusätzlich H-1’’ bis

NH-4’’) identifiziert werden. Mit Hilfe der HMBC-NMR-Spektren konnten die beiden

Spinsysteme von Komponente A1 über die Korrelation des Amidprotons verbunden

werden. Die Cyclopentenonstruktur konnte durch die gezeigten Signale von H-1’ zu

C-7, C-8, C-9 und C-12 und durch die Korrelation von H-9 zu C-1’, C-7, C-8, C-10

und C-12 bestimmt werden. Die 13C-NMR-chemischen Verschiebungen stehen in

sehr guter Übereinstimmung zu einem in der Literatur beschriebenen α-Hydroxy-

Carbonylfragment[37] im Gegensatz zum einem β-Hydroxy-Carbonylfragment.[38]

60

Ergebnisse und Diskussion

Durch die detaillierte Auswertung der COSY- und HMBC-Korrelationen konnte die

gesamte Reihenfolge der Kohlenstoffatome mit Ausnahme von Korrelationen

zwischen C-12 und C-13 bestimmt werden. Weiterführende 4J-HMBC-Experimente

mit erweiterten Mischzeiten und constant time inverse-detected gradient accordion

rescaled-HMBC-Experimente (J = 3-12 Hz und J = 3-8 Hz) zur Detektion einer

Kopplung über die Bindung C-12/C-13 führten ebenfalls nicht zum Erfolg.[39]

Allerdings konnte die charakteristische NMR-Verschiebung von C-12 (138.6 ppm)

einem olefinischen Kohlenstoffatom in vicinaler Position zu einer Carbonyleinheit

zugeordnet werden und die Verknüpfung somit indirekt abgeleitet werden. Zur

Messung der Kopplungskonstanten von überlappenden Signalen wurden selTOCSY-

Experimente aller olefinischen Protonen mit einer Mischzeit von 70 bis 270 ms

durchgeführt. Dadurch konnte die Konfiguration der Doppelbindungen bei GB 4-2 B

als 2Z, 4Z, 6E, 16E, 18Z, 20E, 22Z und zusätzlich bei GB 4-2 A1 als 14E bestimmt

werden. Aufgrund der Isolierung des Stammes aus einem Fichtenwald (Fichte, lat.

Picea abies) wurde die Substanz GB 4-2 A1 Piceamycin und die Substanz GB 4-2 B

N-Acetylcystein-Piceamycin genannt (Abbildung 30).

a) b)

NH

O

O

O OH

1

3

5

71'

9

11

13

15

17

19

21

23

25

3'

2'

(E)

(E)

(E)

(E)

(Z)

(Z)

(Z)

(Z)

R =S

NH

O

OH

O

1''

3''

5''

NH

O

O

O OH

1

3

5

71'

9

11

1315

17

19

21

23

25

3'

2'

(E)

(E)

(E)

(Z)

(Z)

(Z)

(Z)

R

Abbildung 30: Strukturformeln von a) Piceamycin und b) N-Acetylcystein-Piceamycin.

61

Ergebnisse und Diskussion

62

4.3 Biologische Aktivität

Piceamycin und N-Acetylcystein-Piceamycin wurden am Kieler Wirkstoffzentrum

KiWiZ am Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar in der Arbeitsgruppe von

Prof. Johannes F. Imhoff gegen Gram-positive und Gram-negative Bakterien sowie

gegen Eukaryoten und ausgewählte Enzyme getestet. Des Weiteren wurde in

Zusammenarbeit mit Prof. Winfried Beil an der Medizinischen Hochschule Hannover

Piceamycin gegen ausgewählte humane Krebszelllinien getestet. Dabei zeigte

Piceamycin antibakterielle Aktivität gegen die Gram-positiven Bakterien Bacillus

subtilis, Staphylococcus aureus, S. epidermidis, S. lentus und gegen das Gram-

negative Bakterium Xanthomonas campestris (Tabelle 2).

Tabelle 2: Minimale Inhibierungskonzentration von Piceamycin gegen Gram-positive

Bakterien.

Organismus MIC [µg/ml] MIC [µM]

Bacillus subtilis DSM 10 0.43 1.00

Bacillus subtilis DSM 347 0.31 0.72

Staphylococcus aureus DSM 20231 0.14 0.33

Staphylococcus lentus DSM 6672 0.45 1.05

Staphylococcus epidermidis DSM 20044 0.11 0.25

Antifungale Aktivität von Piceamycin konnte gegen die Stämme Saccharomyces

cerevisiae, Candida glabrata und Botrytis cinerea nachgewiesen werden.

Ergebnisse und Diskussion

63

Tabelle 3: Wachstumsinhibierung von Piceamycin gegen ausgewählte humane

Krebszelllinien.

Zelllinie GI50 [µg/ml] TGI [µg/ml]

AGS 0.80 3.4

HepG2 0.30 1.5

MCF 7 0.28 0.7

GI50: 50% Wachstumsinhibierung; TGI: 100% Wachstumsinhibierung

Des Weiteren zeigte das Piceamycin eine cytostatische Aktivität gegen verschiedene

humane Krebszelllinien (Tabelle 3) und eine enzymhemmende Aktivität gegen die

humane Tyrosin Phosphatase 1B (human recombinant protein tyrosine phosphatase

1B, PTP1B) mit einem IC50-Wert von 10.1 µM.[40] Kleine Moleküle zur Inhibierung der

PTP1B sind aufgrund der potentiellen therapeutischen Anwendung gegen Diabetes,

Adipositas und Krebs interessant.

Interessanterweise konnte für das N-Acetylcystein-Piceamycin weder antimikrobielle,

noch cytostatische oder enzymhemmende Aktivität nachgewiesen werden.

4.4 Diskussion

Insgesamt konnten in dem Kulturfiltrat des Stammes Streptomyces sp. GB 4-2 sechs

Verbindungen durch HPLC-DAD-Analysen nachgewiesen werden, welche aufgrund

des negativen Abgleichs mit der UV/Vis-Datenbank als potentiell neue Naturstoffe

angesehen werden konnten.[33] Während der zeitlichen Beobachtung der

Fermentation stellte sich heraus, dass die Verbindungen GB 4-2 A2 – A5 aus dem

Piceamycin entstehen. Da die Verbindungen identische UV/Vis-Spektren zu

Piceamycin zeigen, handelt es sich hierbei höchstwahrscheinlich um Stereoisomere

zu dieser Verbindung, bei denen durch Lichteinfluss einer der cis-Doppelbindungen

des Makrolactamrings in die stabilere trans-Form umgewandelt wird. Vermutlich ist

jedoch nur die Umwandlung von einer Doppelbindung möglich, da für die

Umwandlung von mehreren Doppelbindungen die Ringgröße des Makrolactams nicht

ausreichend ist. Piceamycin enthält insgesamt vier cis-Doppelbindungen, welches

Ergebnisse und Diskussion

auch das Auftreten von vier Stereoisomeren hierzu erklären könnte. Aufgrund der

nicht natürlichen Produktion der vier weiteren Isomere wurden diese nicht zur

Strukturaufklärung aufgereinigt.

Ein Literaturvergleich der aufgeklärten Struktur des Piceamycins mit anderen

makrocyclischen Polyketiden ergab, dass eine strukturelle Verwandtschaft mit dem

Hitachimycin vorliegt (Abbildung 31). Hitachimycin ist ein 19-gliedriges

Makrolactamantibiotika, welches aus dem Kulturüberstand von Streptomyces

scabrisporus isoliert wurde.[41]

HN

O

O OHOHO

24

7

10

14 1620

Abbildung 31: Strukturformel von Hitachimycin aus Streptomyces scabrisporus.[41]

Anstelle einer Methylgruppe an Position C-24 trägt das Hitachimycin jedoch einen

Phenylrest und weist weitere Unterschiede im Makrolidrückgrat auf. Zum Einen ist

ein Proton am C-8 durch eine Methyleinheit im Hitachimycin ersetzt, ebenso die

Carbonyleinheit am C-10 durch eine Methoxygruppe. Zum anderen liegt die

Kohlenstoffkette ab C-14 vollständig reduziert und an C-15 durch eine

Hydroxygruppe substituiert vor. Dieser strukturelle Unterschied führt dazu, dass das

Hitachimycin kein Michaelsystem an Position C-13 bis C-15 besitzt. Weitere

Cysteinaddukte konnten im Kulturüberstand nicht gefunden werden, was dafür

spricht, dass C-15 die am stärksten elektrophile Position des Piceamycins ist. Mit

HPLC-MS untersuchte Mikroderivatisierungsversuche von Piceamycin mit L-Cystein

zeigten, dass sich unter Standardbedingungen ein Cysteinaddukt bildet. Aufgrund

dieser Ergebnisse konnte bewiesen werden, dass das oben genannte Michael-

System für die antibakterielle und cytostatische Aktivität des Piceamycins

verantwortlich ist.

Ähnliche Beobachtungen konnten auch bei den Mycinamicinen gemacht werden.[42]

Hierbei handelt es sich wie das Piceamycin ebenfalls um ein Makrolid, welches in

seinem Kohlenstoffrückgrat ein Michaelsystem enthält (Abbildung 32). Zunächst

64

Ergebnisse und Diskussion

wurde von Hayashi et al. Mycinamicin I und II aus Micromonospora griseorubida

aufgeklärt, 11 Jahre später konnten N-Acetylcysteinderivate beider Verbindungen

nachgewiesen werden. Bei den Mycinamicinen handelt es sich um 16-gliedrige

Makrolide, welche an zwei Positionen glykosyliert vorliegen. An Position C-9 befindet

sich eine Ketogruppe, welche zusammen mit der Doppelbindung an C-10 und C-11

ein Michaelsystem bildet.

O

O

O

O

O

O O

OCH3

HO

OCH3

OHO

N

1

5

9

14

1'

1''R

Mycinamicin I: R = HMycinamicin II: R = OH

Abbildung 32: Strukturformeln von Mycinamicin I und II.[42]

Die später aufgeklärten Mycinamicine X und XI zeigen eine Addition eines N-

Acetylcysteins an C-11, analog zu der Verknüpfung des N-Acetylcysteins am C-15

des Piceamycins (Abbildung 33).[43]

O

O

O

O

O

O O

OCH3

HO

OCH3

OHO

N

1

5

9

14

1'

1''

S

NH

HO

O

O

Mycinamicin X: R = HMycinamicin XI: R = OH

R

Abbildung 33: Strukturformeln von Mycinamicin X und XI.[43]

65

Ergebnisse und Diskussion

Auch die Mycinamicine X und XI zeigen gegenüber Gram-positiven Bakterien

antibakterielle Aktivität, allerdings um ca. eine Größenordnung geringer im Vergleich

zu den Mycinamicinen I und II.[43] Der deutliche Unterschied in biologischer Aktivität

deutet auch bei den Mycinamicinen auf biologische Relevanz des Michaelsystems

hin, welches bei den Mycinamicinen X und XI durch die N-Acetylcysteinaddition

blockiert ist.

Ein weiterer Vertreter der N-Acetylcystein-Antibiotika sind die Paldimycine. Deren

Grundgerüst stellen die Paulomycine dar, welche 1982 aus Streptomyces paulus

isoliert worden sind.[44] Diese enthalten eine Isothiocyanat-Gruppe mit einem

elektrophilen Kohlenstoffatom, an das durch einen nukleophilen Angriff das

Acetylcystein angreifen kann und eine Dithiocarbamat-Gruppe bildet. Die so

entstandenen Verbindungen wurden später ebenfalls aus Streptomyces paulus

isoliert und Antibiotic 273a2α genannt.[45] Die Paldimycine entstehen durch eine

erneute Addition eines Acetylcysteins an Antibiotic 273a2α. Hierbei greift das

nukleohile Thiolat-Anion jedoch an der Didehydrobutyrineinheit des Paulomycins an

(Abbildung 34).

O

OH

RHO

O

O

NH2

COOH

O

OCH3

H3C

OH

OO

OO

O

O

N

O

O

HN

SC

S

SCOOH

HN

O

O

O

HN

S

SCOOH

HN

OS

HNHOOC

O

Paulomycin A:

R =

Antibiotic 273a2

R =

Paldimycin A:

R =

Abbildung 34: Strukturformeln von Paulomycin A, Paldimycin A und Antibiotic 273a2α.[45]

Des Weiteren sind mehrere Metabolite beschrieben, bei denen das N-Acetylcystein

mit einem Aromaten verknüpft ist.[46] Als Beispiel ist Abbildung 35 in das Phenazin

SB 212305 gezeigt, bei dem das N-Acetylcystein an das C-3 gebunden ist.

66

Ergebnisse und Diskussion

67

bbildung 35: Strukturformel von a) SB 212305 und b) SB 212021.[46]

nthese von SB 212305 ist bis heute unbekannt. Da aus dem

tand des produzierenden, nicht näher beschriebenen Streptomyceten

ebenfalls die freie Verbindung isoliert werden konnte, kann eine Bildung von

t t werden.

a) b)

N

N

COOH

COOMe

HO 1

3

56

9N

N

COOH

COOMe

HO

SNH

COOHO

1

3

56

9

A

Die Biosy

Kulturübers

SB 212305 aus SB 212021 gegen Ende der Biosynthese vermu e

Ergebnisse und Diskussion

5 Strukturaufklärung des Aranciamycin-Anhydrids aus

Streptomyces TÜ 6384

5.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces

sp. TÜ 6384

Der Stamm Streptomyces TÜ 6384 wurde ebenfalls in der Arbeitsgruppe von Prof.

Karl Poralla an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen aus einer Erdprobe eines

Fichtenwaldes bei Tübingen-Bühl isoliert.[1] Die weitere taxonomische

Charakterisierung erfolgte von Dr. Julia Riedlinger[36] und die Untersuchung

hinsichtlich der Sekundärmetabolitproduktion von Dr. Dirk Schulz[1] in der

Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe von Prof. Hans-Peter Fiedler. Die Kolonien auf der

Agarplatte bilden ein hellbeiges Substratmyzel aus, das Luftmyzel und die Sporen

sind weiß (Abbildung 36).

Abbildung 36: Lichtmikroskopische Aufnahmen von Stamm Streptomyces sp. TÜ 6384

(links: Kolonie auf der Agarplatte; rechts: Myzelpellets in der Submerskultur).[1]

Aufgrund der chemotaxonomischen und molekularbiologischen Charakteristika

konnte der Stamm der Gattung Streptomyces zugeordnet werden. Aus dem

Stoffwechsel konnte die LL-Diaminopimelinsäure, die Hauptmenachinone MK-9 und

die gesättigten iso- und anteiso-Fettsäuren mit einer C-15- und C-17-Kettenlänge

68

Ergebnisse und Diskussion

69

bestimmt werden. Durch Partialsequenzierung der 16S-rRNA konnte ebenfalls die

Gattung Streptomyces bestimmt werden.

5.1.1 Chemisches Screening

Zur Untersuchung des Stammes TÜ 6384 auf Produktion von Sekundärmetaboliten

wurde ein chemisches Screening durchgeführt. Der Stamm wurde zunächst in drei

verschiedenen Kulturmedien fermentiert und anschließend mittels HPLC-DAD-

Experimenten analysiert.[1] Bei dem Vergleich mit der UV/Vis-Stoffdatenbank ergab

sich, dass der Stamm zunächst das bekannte Antibiotika SEK 43 (Rt = 6.5 min)

produziert.[47] Des Weiteren konnte bei einer Retentionszeit von Rt = 10.4 min die

Produktion eines weiteren, unbekannten Sekundärmetaboliten nachgewiesen

werden, welcher in der Folge als TÜ 6384 A bezeichnet wurde (Abbildung 37). Das

UV/Vis-Spektrum der Substanz zeigte eine sehr gute Übereinstimmung mit dem

bekannten Metaboliten Aranciamycin, allerdings ergab die Retentionszeit von

Rt = 10.4 min keine Übereinstimmung. Aufgrund dieses Befunds wurde davon

ausgegangen, dass es sich bei der Substanz TÜ 6384 A um ein Aranciamycin-

Derivat handeln könnte.[48]

Ergebnisse und Diskussion

70

Ab

bild

un

g 37: H

PLC

-DA

D-C

hrom

atogramm

des K

ulturfiltratextrakts des Stam

mes T

Ü 6384 und U

V/V

is-Spektrum

der Verbindung T

Ü 6384

A.

Ergebnisse und Diskussion

5.1.2 Isolierung und Reinigung

Zur Isolierung der Verbindung TÜ 6384 A wurde der Stamm zunächst im 10 Liter-

Maßstab im Biostat-S Bioreaktor mit dem Kulturmedium OM fermentiert.[1] Nach einer

Inkubationszeit von 142 h wurde die Kulturbrühe zunächst mittels Druckfiltration in

Kulturüberstand und Myzel getrennt und das Myzel verworfen (Schema 2).

Schema 2: Isolierungsschema der Substanz TÜ 6384 A.

Das Kulturfiltrat wurde anschließend an Amberlite XAD-16 mit Ethanol

chromatographiert. Die Elution erfolgte nach dem Waschen mit 40 % Ethanol mit

100 % Ethanol. Der eingeengte Extrakt wurde anschließend an LiChroPrep Diol mit

einem Stufengradienten von 0 % bis 5 % DCM in Ethanol weiter aufgereinigt. Ein

50 mg Aliquot des Rohextraktes wurde anschließend mittels einer präparativen RP-

HPLC mit einem linearen Gradienten von 40 % auf 80 % Acetonitril

chromatographiert.

71

Ergebnisse und Diskussion

72

5.2 Strukturaufklärung

Augrund der starken Ähnlichkeit des UV/Vis-Spektrums mit Aranciamycin konnte

zunächst davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Substanz TÜ 6384 A um

ein Derivat des Aranciamycins handelt (Tabelle 4). Das aufgenommene IR-Spektrum

zeigte sowohl dem Aranciamycin zugehörige, als auch weitere, nicht dem

Aranciamycin zugehörige Banden (Tabelle 4).

5.2.1 HPLC-ESI-MS

Die Auswertung von HPLC-ESI-MS-Untersuchungen ergab für das Derivat

TÜ 6384 A ein Negativmolekülion [M-H]- von m/z 709.2 und ein Positiv-Molekülion

[M+H]+ von m/z 711.2. Diese Ergebnisse zeigten ebenfalls, dass es sich bei der

Verbindung nicht um das schon literaturbekannte Aranciamycin handeln konnte, da

dies eine Molekülmasse von m/z 544.2 besitzt.

5.2.2 Bestimmung der Summenformel

Zur Bestimmung der Summenformel wurde durch Dipl.-Ing. Graeme J. Nicholson an

der Universität Tübingen eine massenspektrometrische Analyse an einem FT-ICR-

Massenspektrometer durchgeführt. Für die Berechnung der Summenformel wurden

die Elemente Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Stickstoff (N) und Sauerstoff (O)

zugelassen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Tabelle 4 dargestellt. Im

Vergleich zum Aranciamycin besitzt TÜ 6384 A ein zusätzliches C8H6O4-Fragment.

Ergebnisse und Diskussion

Tabelle 4: Physikochemische Eigenschaften von TÜ6384 A.

TÜ 6384 A

Aussehen Rot-oranges Pulver

Drehwert 20][ Da = + 82° (c = 0.05, MeOH)

709.17728 gemessen [M-H]–

709.17741 berechnet [M-H]–

FT-ICR-MS

∆ = 0.13 ppm

C35H34O16 Summenformel

UV max (MeOH) nm (log ε) 240 (4.48), 260 (4.44), 435 (4.08)

IR νmax [cm-1] 3503, 2977, 2933, 1766, 1715, 1675, 1625, 1448,

1415, 1380, 1290, 1247, 1191, 1170, 1135, 1109,

1083, 1031, 1001, 957, 840, 758, 735

5.2.3 Zuckeranalytik

Zur Bestätigung der Stereochemie des in der Verbindung TÜ 6384 A enthaltenen

Zuckerbausteins wurde eine GC-MS-Analytik durch Dipl.-Ing. Graeme J. Nicholson

an der Universität Tübingen durchgeführt. Durch die vergleichende Analyse des

Zuckerbausteins des Aranciamycins zur Verbindung TÜ 6384 A sollte die

Stereochemie aufgeklärt werden. Hierzu wurde eine Probe von Aranciamycin und der

Verbindung TÜ 6384 A zunächst säurekatalytisch hydrolysiert (6 M HCl, 110 °C, 20

h), das getrocknete Hydrolysat zum N-(O)TFA/Ethylester derivatisiert und

anschließend mittels chiraler GC-MS-Experimente analysiert. Durch einen Vergleich

beider Analyseergebnisse konnte der in der Verbindung TÜ 6384 A enthaltene

Zucker als β-2-O-Methyl-L-Rhamnose identifiziert werden.[49]

73

Ergebnisse und Diskussion

5.2.4 NMR-spektroskopische Untersuchungen

Die abschließende Strukturaufklärung von TÜ 6384 A wurde mit Hilfe von ein- und

zweidimensionalen kernresonanzspektroskopischen Experimenten durchgeführt.

Zunächst konnte die durch die FT-ICR-MS-Untersuchung gefundene Summenformel

durch 1H- und 13C-NMR-Spektren bestätigt werden. Die detaillierte Analyse der

COSY-, HSQC- und HMBC-NMR-Spektren ermöglichte die Bestimmung aller in

Abbildung 38 gezeigten 1H- und 13C-Signale. Die 1H-, 13C- und HSQC-NMR-Spektren

der Zielkomponente TÜ 6384 A zeigten insgesamt 30 an Kohlenstoff gebundene

Wasserstoffatome, darunter fünf Methyl-, zwei Methylen- und elf Methin-

Kohlenstoffatome.

O

OCH3HO

H3CO

O

O

O

O

CH3

O

OOH OH

O

OCH3

O

OHCH3

: COSY: HMBC

1

36 8 10

17

1513

3''

5''9''

11''

12''

1'

2'

6''

7''

1''

Abbildung 38: COSY- und HMBC-Korrelationen von TÜ 6384 A.

74

Im Vergleich zum Aranciamycin besitzt TÜ 6384 A daher fünf quartäre, zwei

Methylen- und ein zusätzliches Methylkohlenstoffatom. Das COSY-Spektrum zeigte

insgesamt vier isolierte Spinsysteme, darunter zwei Ethyl-, eine Phenyl- und eine

Hexoseeinheit. Durch den Vergleich der zweidimensionalen NMR-Spektren (COSY,

HSQC und HMBC) mit den literaturbekannten NMR-spektroskopischen Daten des

Aranciamycin konnte zunächst die Struktur des Chromophors bzw. der Zuckereinheit

bestimmt werden. Die Verbindung beider Einheiten konnte durch die wechselseitige

HMBC-Korrelation zwischen Position 10 am Chromophor und der α-Position

Ergebnisse und Diskussion

(Position 1’’) des Zuckers nachgewiesen werden. Über die COSY-Kopplung von H-9’’

zu H-10’’ und die HMBC-Kopplungen von H-9’’ zu C-8’’, C-10’’, C-11’’ und H-10’’ zu

C-8’’, C-14’’ und H-15’’ zu C-11’’, C-12’’ und C-13’’ konnte die in Abbildung 39

beschriebene Anhydrid-Struktur beschrieben werden.[50] Durch die HMBC-Korrelation

von H-4’’ zu C-8’’ konnte die Verknüpfung der Anhydrid-Einheit mit dem Zucker

nachgewiesen werden. Aufgrund der starken Ähnlichkeit mit dem Aranciamycin und

der zusätzlichen Anhydrid-Struktur wurde die Verbindung Aranciamycin-Anhydrid

genannt.

O

OCH3

HO

H3CO

O

O

O

O

CH3

O

OOH OH

O

OCH3

O

OHCH31

36 8 10

17 15 13

12

3''

5''9''

11''

12''

1'

2'

6''

7''

1''

Abbildung 39: Strukturformel von Aranciamycin-Anhydrid.

5.2.5 Biologische Aktivität

Das antimikrobielle Wirkspektrum des Aranciamycin-Anhydrids wurde in einem

Agardiffusionstest gegen die Stämme Bacillus subtilis DSM 10, Escherichia coli K12,

Saccharomyces cerevisiae ATCC 9010 und Botrytis cinerea TÜ 157 mit einer

Konzentration von 0.1 bis 1 mg/ml getestet. Ähnlich wie Aranciamycin zeigte das

Aranciamycin-Anhydrid schwache antibakterielle Aktivität nur gegen Bacillus subtilis.

Die Inhibierung des Wachstums von verschiedenen Tumorzellen wurde mit

Aranciamycin selbst verglichen. Dabei wies Aranciamycin-Anhydrid eine schlechtere

Aktivität auf (Tabelle 5).

75

Ergebnisse und Diskussion

Tabelle 5: Wachstumsinhibierung von Aranciamycin-Anhydrid und Aranciamycin (µg ml-1)

gegen ausgewählte humane Krebszelllinien.

Aranciamycin-Anhydrid Aranciamycin

Zelllinie GI50 TGI GI50 TGI

HM02 6.5 >10 0.62 1.35

HepG2 7.2 >10 1.15 3.2

MCF 7 >10 >10 1.3 3.3

GI50: 50% Wachstumsinhibierung; TGI: 100% Wachstumsinhibierung

5.3 Diskussion

Das Aranciamycin-Anhydrid stellt ein weiteres Mitglied der Anthracyclin-Familie dar,

zu der noch weitere, auch in der Krebstherapie eingesetzte Verbindungen gehören.

Zu erwähnen sind hier neben dem Aranciamycin das Daunorubicin,[51] das

Doxorubicin[52] und das Epirubicin. Allen gemein ist eine charakteristische

Anthrachinon-Einheit als pharmakophore Gruppe und die Isolierung aus Bakterien

der Gattung Streptomyces.[53]

a) b)

O

OCH3

HO

H3CHO

O

OOH OH

O

OCH3

O

OHCH3

O

NH2

H3C

O

OO OH O

HOO

HO

H3C

OH

Abbildung 40: Strukturformeln von a) Aranciamycin[48] und b) Daunorubicin.[51]

76

Ergebnisse und Diskussion

Alle genannten Verbindungen werden in der Humanmedizin als Zytostatika

eingesetzt, ihre primäre Wirkungsweise beruht auf ihrer Interkalation in die DNA und

der damit verbundenen Inhibierung der DNA-synthetisierenden Topoisomerase IIα.

Des Weiteren werden die Wirkstoffe im Körper transformiert, was zur Bildung von

freien Radikalen und dies wiederum zur Spaltung der Doppelstrang-DNA führt.

Aufgrund dieses Wirkmechanismus sind die Anthracycline sowohl stark cytotoxisch

als auch mutagen. Durch die höhere Zellteilung von Krebszellen treten diese

Wirkungen zunächst hier auf, jedoch sind davon auch alle anderen, nicht mutierten

Zellen im Körper betroffen, was zu schweren, teils irreversiblen Beeinträchtigungen

führen kann. Aufgrund dieser starken Nebenwirkungen werden alle Verbindungen

dieser Klasse – obwohl auch antibiotisch aktiv – nicht als antibakterielle Wirkstoffe

eingesetzt. Im Vergleich zu Aranciamycin besitzt das hier aufgeklärte Aranciamycin-

Anhydrid eine ca. sechs- bis zehnfach verminderte Aktivität gegen humane

Krebszelllinien. Dies mag zunächst verwundern, ist doch der einzige Unterschied

zwischen beiden Verbindungen nur die zusätzliche Anhydrid-Einheit im

Aranciamycin-Anhydrid. Das Anthrachinon als primäres Pharmakophor ist

unverändert und in beiden Verbindungen identisch. Allerdings lässt sich die

unterschiedlich starke Bioaktivität sehr gut anhand der Strukturanaloga Doxorubicin

und Epirubicin aus derselben Wirkstoffklasse erläutern. Beide Stoffe sind konstitutiv

identisch, unterscheiden sich jedoch an einem stereogenen Zentrum am Saccharid

(Abbildung 41). Die Hydroxygruppe des Doxorubicins besitzt am Zucker eine S-, die

des Epirubicins eine R-Konfiguration.

O

OO OH O

HOO

H3C

OH

OH

(S)

O

NH2

OH

CH3

O

OO OH O

HOO

H3C

OH

OH

(R)

O

NH2

OH

CH3

b)a)

Abbildung 41: Strukturformeln von a) Doxorubicin und b) Epirubicin.

77

Ergebnisse und Diskussion

Dieser kleine strukturelle Unterschied äußert sich jedoch in einer wesentlich

gesteigerten Verträglichkeit des Epirubicins im Vergleich zum Doxorubicin. Die

Cardiotoxizität und somit die Verträglichkeit ist bei Epirubicin stark verringert. Somit

kann die Anhydrid-Einheit beim Aranciamycin-Anhydrid durchaus für die verminderte

Aktivität verantwortlich sein.

Weitere bekannte Naturstoffe mit einer Anhydrideinheit stellen das Tautomycin bzw.

sein Strukturanaloga Tautomycetin dar.[54, 55] Beide Naturstoffe wurden aus

Streptomyceten isoliert und zeigen sehr ähnliche Bioaktivitäten (Abbildung 42).

O

OH O

O

OH O OH O

O

O

O

O

O

O

OH O OH O OH

O

O

OO

a)

b)

Abbildung 42: Strukturformeln von a) Tautomycin[54] und b) Tautomycetin.[55]

Tautomycin und Tautomycetin sind nur sehr schwach aktiv gegen Bakterien, zeigen

jedoch antifungale Eigenschaften und eine cytotoxische Wirkung gegen humane

Leukämiezellen des Typs 562.[56] Der Anhydridteil beider Verbindungen ähnelt dem

des Aranciamycin-Anhydrids, beim Tautomycin bzw. Tautomycetin ist jedoch formal

ein Wassermolekül an die Doppelbindung addiert. Durch Fütterungsstudien mit

markiertem Acetat, Propionat, Methionin, Isobutyrat, Glycin und Glutamat konnte der

biosynthetische Ursprung von Tautomycin und Tautomycetin inklusive des

Anhydridteils aufgeklärt werden.[57] Dabei stellte sich heraus, dass der Anhydridteil

aus einer Propionat- und einer C5-Einheit zusammengesetzt wird. Aufgrund der

unterschiedlich hohen Einbauraten der Kohlenstoffatome in der C5-Einheit wurde α-

Ketoglutarat als Vorläuferbaustein vorgschlagen, welches aus Acetatbausteinen im

Krebszyklus entsteht. Eine direkte Fütterung mit Glutamat, dem unmittelbaren

Vorläufer von α-Ketoglutarat, konnte diese These bestätigen. Als Biosyntheseschritte

wird eine Aldolkondensation des α-Ketoglutarats an die Methyleneinheit des

Propionat-Coenzym A vorgeschlagen, gefolgt von einer Dehydratisierung zur Bildung

78

Ergebnisse und Diskussion

des Maleinsäureanhydrids. Im Falle von Aranciamycin-Anhydrid erfolgt nun eine

Dehydrierung, im Falle von Tautomycin bzw. Tautomycetin eine Hydratisierung zur

Bildung des Maleinsäureanhydrid-Bausteins. Aufgrund der Ähnlichkeit des

Anhydridteils von Aranciamycin-Anhydrid und Tautomycin bzw. Tautomycetin kann

dieser biosynthetische Ursprung und Reaktionsweg ebenfalls für das Aranciamycin-

Anhydrid postuliert werden.

Das Antibiotikum SEK 43 wurde ebenfalls im Kulturfiltratextrakt des Stammes

Streptomyces sp. TÜ 6384 gefunden. Dabei handelt es sich um ein

Benzophenonderivat, welches zuerst 1995 von Bindseil et al. aus Streptomyces sp.

P6417 isoliert worden ist.[58] Weitere Untersuchungen zur Biosynthese von

Anthracyclinen zeigten, dass SEK 43 von denselben Enzymen wie die Anthracycline

selbst produziert werden und durch eine alternative Zyklisierung des gleichen

Vorläufers entstehen, aus dem auch die Anthracycline produziert werden.[59]

OOH

HO

O

O

OH

HO

Abbildung 43: Strukturformel von SEK 43.[58]

79

Ergebnisse und Diskussion

6 Strukturaufklärung der Atacamycine A, B und C aus

Streptomyces sp. C-38

6.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces

sp. C-38

Der Stamm Streptomyces sp. C-38 wurde aus einer Bodenprobe aus der Atacama-

Wüste, Peru, isoliert.[60] Aufgrund der örtlichen Lage westlich der Anden am

Humboldtstrom gilt die Atacamawüste als eines der regenärmsten Gebiete der

Welt.[61] Diese extremen klimatischen Bedingungen bilden die Grundlage zur

Produktion von neuartigen Wirkstoffen von extremophilen Bakterien.

Die Kolonien des isolierten Stamms zeigten auf Agar-Festmedium ein beiges

Substratmycel, weißes Luftmycel und graubraune Sporen. Die Partialsequenzierung

der 16S-rRNA des Stammes ergab eine Zugehörigkeit zu der Gattung Streptomyces.

Die phylogenetische Analyse des Stamms ergab eine große Ähnlichkeit zum Stamm

Streptomyces griseosporus DSM 40562.[60]

Abbildung 44: Lichtmikroskopische Aufnahmen von Stamm Streptomyces sp. C-38 (links:

Kolonie auf der Agarplatte; rechts: Nahaufnahme einer Kolonie).[62]

80

Ergebnisse und Diskussion

81

6.1.1 Chemisches Screening

Zur Untersuchung des Stamms C-38 auf Produktion von Sekundärmetaboliten wurde

von Andreas Kulik von der Arbeitsgruppe Fiedler an der Universität Tübingen ein

chemisches Screening durchgeführt. Der Stamm wurde zunächst in drei

verschiedenen Kulturmedien (SGG, OM, 410) fermentiert und nach 168 h mittels

HPLC-DAD analysiert.[1] Hierbei zeigte sich, dass der isolierte Stamm C-38 drei

Verbindungen produziert, die keine Übereinstimmung mit bekannten Verbindungen in

der UV/Vis-Datenbank zeigten (Abbildung 45). Aufgrund der späten Retentionszeit

und den charakteristischen Signalen des UV/Vis-Spektrums wurde zunächst

angenommen, dass es sich bei den drei Verbindungen um Polyketidantibiotika

handelt. Die drei Zielverbindungen mit einer Retentionszeit von Rt = 13.1 min,

Rt = 13.7 min und Rt = 15.0 min wurden Atacamycin A, B und C benannt.

Ergebnisse und Diskussion

Ab

bild

un

g 45: H

PLC

-DA

D-C

hrom

atogramm

des K

ulturfiltratextrakts des Stam

mes C

-38 und UV

/Vis-S

pektrum der V

erbindung Atacam

ycin

A. D

ie UV

/Vs-S

pektren der Verbindungen A

tacamycin B

und C sehen fast identisch zu A

tacamycin A

aus.

82

Ergebnisse und Diskussion

6.1.2 Isolierung und Reinigung

Die Isolierung und Aufreinigung der drei Zielverbindungen wurde von Andreas Kulik

von der Arbeitsgruppe Fiedler an der Universität Tübingen durchgeführt. Zur

Isolierung der drei Zielsubstanzen wurde der Stamm im 10-Liter Biostat-S Bioreaktor

mit dem Komplexmedium NL SGG fermentiert. Nach einer Wachstumszeit von 168 h

wurde die Kulturbrühe durch Filtration in Myzel und Kulturüberstand getrennt und der

Überstand verworfen (Schema 3). Das Myzel wurde dann mit einer 1:1-Mischung

(v:v) Methanol/Aceton extrahiert, der konzentrierte Extrakt mit 3 N HCl auf pH 7

eingestellt und mit Cyclohexan extrahiert. Ein Aliquot des eingeengten

Cyclohexanextrakts wurde anschließend an Sephadex LH-20 mit Methanol als

mobile Phase chromatographiert, wobei 174 mg Rohextrakt erhalten werden

konnten. Aus diesem konnten abschließend mittels präparativer HPLC die

Atacamycine A, B und C erhalten werden.

1 g Aliquot Chromatographie an Sephadex LH-20 MeOH

174 mg Rohextrakt II

RP-PHPLC an Reprosil Pur Basic, Wasser /Methanol mit 0.1% HCOOH linearer Gradient 75-100 %

16 mg Atacamycin A 18 mg Atacamycin B 13 mg Atacamycin C

3.1 g Rohextrakt I

Konzentration unter Vakuum Einstellen auf pH 7 mit 3 N HCl 2x Extraktion mit 250 mL Cyclohexan

2.58 L Myzelextrakt

3x Extraktion mit 1 L 1:1 Methanol/Aceton

650 g Myzel

Schema 3: Isolierungsschema der Atacamycine A, B und C.

83

Ergebnisse und Diskussion

84

6.2 Strukturaufklärung

Die UV/Vis-Spektren aller drei Verbindungen zeigten zwar hohe Übereinstimmung

untereinander, jedoch keine Übereinstimmung beim Abgleich mit der UV/Vis-

Datenbank des chemischen Screenings. Aufgrund der Absorptionsmaxima bei

= 310 nm wurde zunächst ein Polyketid-Grundkörper vermutet. Die starke

Retention aller drei Verbindungen an einer C18-Phase deutet darauf hin, dass es sich

um sehr unpolare Strukturen ohne ionische oder polare funktionelle Gruppen

handelt.

6.2.1 HPLC-ESI-MS

Über HPLC-ESi-MS-Untersuchungen konnte zunächst die Molekülmasse der drei

Zielverbindungen ermittelt werden. Das MS-Spektrum von Atacamycin A wies ein

Positiv-Molekülion [M+H]+ von 501.2, Atacamycin B ein Positiv-Molekülion [M+H]+

von 471.3 und Atacamycin C ein Positiv-Molekülion [M+H]+ von 455.2 auf. Aufgrund

der charakteristischen Molekülmassendifferenzen von 30 amu und 16 amu konnte

davon ausgegangen werden, dass es sich bei Derivat B um ein Demethyl-deoxy-

atacamycin A und bei Derivat C um das Deoxy-atacamycin B handelt.

6.2.2 Bestimmung der Summenformel

Die Summenformel der drei Verbindungen wurde am Institut für organische Chemie

der TU Berlin mittels einer LTQ Orbitrap XL bestimmt. Für die Berechnung der

Summenformel wurden die Elemente Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O)

und Stickstoff (N) zugelassen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 6 dargestellt.

Ergebnisse und Diskussion

Tabelle 6: Physikochemische Eigenschaften von Atacamycin A, B und C.

Atacamycin A B C

Aussehen weißes Pulver weißes Pulver weißes Pulver

Molekülmasse 500.3 470.3 454.3

Summenformel C30H44O6 C29H42O5 C29H42O4

ESI-Orbitrap-MS

gemessen

berechnet

523.30272 [M+Na]+

523.30301

493.29240 [M+Na]+

493.29245

477.29608 [M+Na]+

477.29753

UV maxMeOH [nm] 221,310 221,308 222,307

(ε[cm2µmol-1]) -46.2 (c 0.6) +3.1 (c 0.1) -8.0 (c 0.7) 20][ Da (MeOH)

IR vmax (cm-1) 3460, 2964, 2930,

2875, 1700, 1606,

1452, 1375, 1263,

1094, 1068, 981

3406, 2963, 2927,

2876, 1710, 1635,

1457, 1378, 1259,

1171, 1050, 977

3443, 2960, 2935,

2873, 1713, 1626,

1457, 1376, 1270,

1171, 1103, 971

Die Ergebnisse der Summenformelbestimmung konnten die zunächst vermuteten

strukturellen Unterschiede der Atacamycin-Derivate bestätigen. Im Vergleich zu

Atacamycin B besitzt Atacamycin A eine weitere CH2O-Einheit und Atacamycin C ein

Sauerstoff-Atom weniger.

6.2.3 NMR-spektroskopische Untersuchungen

Die Konstitution aller drei Polyketidverbindungen konnte abschließend über ein- und

zweidimensionale NMR-Spektroskopie bestimmt werden. Durch die Auswertung der

eindimensionalen Wasserstoff- und Kohlenstoff-NMR-Spektren konnte zunächst die

über die hochauflösende Massenspektrometrie ermittelten Summenformeln bestätigt

werden. Das Wasserstoff-NMR-Spektrum der Komponente C zeigte insgesamt vier

Methyl-, vier Methylen-, fünf aliphatische Methin-, ein Methoxy-, und 13 olefinische

Wasserstoffsignale. Ein weiteres, breites Signal konnte einer Hydroxygruppe

zugeordnet werden. Im Vergleich dazu besitzt die Komponente B eine

Hydroxygruppe mehr und anstelle der vier Methylen- und fünf Methingruppen drei

85

Ergebnisse und Diskussion

Methylen- und sechs aliphatische Methineinheiten. Die Komponente A hingegen

zeigte im Vergleich zu Komponente B anstelle einer Methyl- eine Methingruppe und

eine weiteres Methoxysignal. Das eindimensionale Kohlenstoff- und das DEPT-NMR-

Spektrum von Komponente C zeigte neben fünf CH3-, vier CH2- und 18 CH-Signalen

nur ein quartäres, olefinisches und ein Carbonsäureester-Kohlenstoffatom. Daraus

ergibt sich eine ungewöhnlich niedrige Anzahl an Heteroatomen im Vergleich zur

Absolutanzahl der Kohlenstoffatome, welches ebenfalls die Vermutung bestätigt,

dass die Verbindungen zu der Gruppe der Polyketide gehören.

Das zweidimensionale COSY-NMR-Spektrum zeigte für die Komponenten B und C

insgesamt drei isolierte Spinsysteme: ein Ethylensystem (C5), ein C13-System und ein

verzweigtes C10-System (Abbildung 46). Für die Komponente A wurden jedoch

anstelle des C10-Systems zwei C5-Systeme angezeigt. Aufgrund der schon bei den

Komponenten B und C sehr schwach zu ermittelnden Kopplung zwischen den beiden

Protonen der jeweiligen C5-Systeme wurde zunächst davon ausgegangen, dass es

sich auch bei Komponente A um ein zusammenhängendes C-10-System handelt und

die Kopplung nur durch veränderte geometrische Einflüsse nicht gemessen werden

konnte.

O

O

OH

HO

MeO

OMe

27

29

11

15

16

21 25

17a)

O

O

OH

HOOMe

1H-1H COSY

HMBC

b)

OH

86

Abbildung 46: COSY- und HMBC-Korrelationen von a) Atacamycin A, b) Atacamycin B und

c) Atacamycin C.

O

O

OMe

c)

Ergebnisse und Diskussion

87

Durch die Auswertung der HMBC-Spektren der drei Verbindungen konnten die

ermittelten COSY-Spinsysteme und alle weiteren singulären Einheiten miteinander

verknüpft und die Struktur aufgeklärt werden. Beide Protonen der Ethyleneinheit (C-

2, C-3) zeigten einerseits Korrelation zu dem Carbonsäureester-Kohlenstoffatom (C-

1), andererseits konnte eine Verbindung zu dem quartären Kohlenstoffatom (C-4), zu

einer weiteren olefinischen CH-Gruppe (C-5) und zu einer singulären Methyleinheit

nachgewiesen werden. Diese zeigte ebenfalls wechselseitige Korrelation zur

Ethyleneinheit, des Weiteren auch eine Korrelation zur endständigen CH-Gruppe aus

dem C10-System und zu dem olefinischen Kohlenstoffatom. Durch diese bei allen drei

Verbindungen sichtbare Korrelation konnten die ersten beiden Fragmente

miteinander verbunden werden.

Während der weiteren HMBC-NMR-spektroskopischen Auswertung wurde der erste

Unterschied zwischen den Komponenten B, C und der Komponente A ersichtlich.

Derivat B und C zeigten beide die zusammenhängende C10-Einheit, während Derivat

A eine Kopplung weniger und dadurch formal zwei C5-Einheiten zeigte. An der

Verbindung beider Teilstücke an C-9 besitzt Derivat A anstelle eines Protons eine

Methoxygruppe, die durch die Kopplung von H-28 zu C-9 zugeordnet werden konnte.

Die Verbindung des nächsten Fragments erfolgt über die HMBC-Kopplung von H-29

zu C-13. Hierbei stellte sich heraus, dass die Kopplung zwischen H-12 und H-13

ebenfalls im COSY-NMR-Spektrum hätte erwartet werden können. Die weitere

Konstitution wurde anhand der COSY- und HMBC-NMR-Spektren aufgeklärt. Ein

weiterer struktureller Unterschied von Atacamycin A und B zu Atacamycin C war die

Präsenz einer Hydroxygruppe an C-14. Somit konnte durch NMR-Spektroskopie die

Differenz der Summenformeln auch in der Struktur vollständig aufgeklärt werden

(Abbildung 47). Durch die Kopplung von H-21 zu C-1 konnte die Ringverknüpfung

des Makrolactons nachgewiesen werden.

Ergebnisse und Diskussion

O

(E)O

(E)(E)

(E)

OH

OMe

R3

R2

(Z)

(E)

R1

(E)

14

7

11

13 15

17

20

2627

29

(E)

(E)

OMe

H

H

R1 R2 R3

A (1)

B (2)

C (3)

OH

OH

H

Abbildung 47: Strukturformeln der Atacamycine A, B und C.

Die Stereochemie der Doppelbindungen der Komponenten sollte zunächst durch die

in den 1H-NMR-Spektren gezeigten Kopplungskonstanten der olefinischen Protonen

bestimmt werden. Aufgrund der teilweisen Überlagerung mehrerer aufgespalteter

Signale im olefinischen Bereich war die Bestimmung aller

Doppelbindungskonfigurationen aus den 1H-NMR-Spektren jedoch nicht möglich.

Daher wurde zur Bestimmung der Kopplungskonstanten von überlagerten Signalen

ein selTOCSY-Experiment durchgeführt. Dazu wurde zunächst die Einstrahlfrequenz

eines Protons in räumlicher Nähe zu dem Proton gewählt, von dem die

Kopplungskonstante bestimmt werden sollte. Hierbei ist es wichtig, dass die

Einstrahlfrequenz keine Überlagerung mit weiteren Signalen zeigt, da dies sonst zu

schwer interpretierbaren Ergebnissen führt. Daraus konnten die folgenden

Kopplungskonstanten von J2,3 = 15.5 Hz, J6,7 = 15.2 Hz, J10,11 = 15.8 Hz,

J16,17 = 10.7 Hz, J18,19= 14.7 Hz und J22,23 = 15.7 Hz und die Konfiguration dieser

Doppelbindungen als 2E, 6E, 10E, 16Z, 18E und 22E bestimmt werden. Zur

Bestimmung der Stereochemie der Doppelbindung an C-4 und C-5 wurde ein

NOESY-Experiment durchgeführt. Eine Kopplung von H-3 zu H-5 zeigte dabei die

4E-Konfiguration der Doppelbindung (Abbildung 47).

Zur Aufklärung der absoluten Stereochemie der sieben stereogenen Zentren des

Atacamycin A wurde dies zunächst in verschiedenen Lösungsmitteln und -gemischen

zur Kristallisation angesetzt. Leider konnten aus diesen Ansätzen auch bei

verminderter Temperatur (4°C) keine für die Einkristallanalyse brauchbaren Kristalle

erhalten werden.

88

Ergebnisse und Diskussion

O

O

OH

OMeHO

MeO * *

*

**

**

Abbildung 48: Die drei stereochemischen Fragmente zur Berechnung der Stereochemie am

Beispiel Atacamycin A.

Experimente zur Bestimmung der relativen Stereochemie mittels NOESY-Spektren

und gleichzeitigen strukturchemischen Berechnungen wurden ebenfalls durchgeführt.

Aufgrund der großen Anzahl an Stereozentren wurde die Modellverbindung

Atacamycin A zunächst in drei Strukturfragmente aufgeteilt, da andernfalls die

strukturchemischen Berechnungen zu umfangreich gewesen wären (Abbildung 48).

Die experimentell beobachteten NOESY-Kopplungen zwischen den für die

Stereochemie relvanten Zentren waren jedoch nicht eindeutig einer Konfiguration

zuzuordnen, so dass die Bestimmung der Stereochemie mit dieser Methode keine

verlässlichen Aussagen geben konnte.

Weiterführende Experimente mit NMR-spektroskopischen Ansätzen zur Aufklärung

der absoluten Stereochemie des Atacamycin A nach Murata[63] wurden ebenfalls

durchgeführt. Diese Methode basiert darauf, dass in azyklischen Systemen die

Konformation von zwei benachbarten asymmetrischen Zentren durch gestaffelte

(„staggered“) Rotamere bestimmt wird, und dass deren relative Stereochemie durch

die Auswertung von Kohlenstoff-Proton-Spinkopplungskonstanten (2,3JC,H) und

Proton-Proton-Spinkopplungskonstanten (3JH,H) aufgeklärt werden kann. Durch

Vergleichen dieser Kopplungskonstanten kann das vorwiegende Rotamer aus den

sechs möglichen Positionen für die threo- und erythro-Form bestimmt werden.

Die Anwendbarkeit dieser Methode für zyklische Systeme hängt jedoch stark von der

Ringspannung des Moleküls ab. Ist die Ringspannung zu stark, ist eine freie

Drehbarkeit der Rotamere nicht gegeben und die erhaltenen Kopplungskonstanten

können nicht mit den in der Murata-Methode beschriebenen Kopplungen in

89

Ergebnisse und Diskussion

90

Übereinstimmung gebracht werden. Bei den hier aufgeklärten Atacamycinen handelt

es sich um 22-gliedrige Makrolactone mit einer hohen Anzahl an Doppelbindungen

und asymmetrischen Kohlenstoffatomen im Ring. Sowohl Doppelbindungen als auch

stereogene Zentren können zu einer hohen Ringspannung beitragen, weswegen die

Methode vom Murata beim Atacamycin A als eine unsichere Methode betrachtet und

nicht angewendet wurde.

Eine weitere NMR-spektroskopische Analyseverfahren zur Bestimmung der

Stereochemie ist die Methode nach Kishi[64]. Hierbei wird die zu untersuchende

Verbindung in seine stereochemischen Fragmente (Abbildung 48) unterteilt und

diese einzeln mit NMR-Spektroskopie charakterisierten, synthetischen Substanzen

verglichen. Hierbei wird angenommen, dass stereochemische Einflüsse

näherungsweise nur bis zu einem Abstand von einer Methyleneinheit beachtet

werden müssen. Sind stereogene Zentren weiter entfernt voneinander, wird der

gegenseitige Einfluss vernachlässigbar. Zum Vergleich der synthetischen

Verbindungen mit dem Naturstoff werden nur die 13C-chemischen Verschiebungen

genutzt, und aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass die Vergleichssubstanzen

genau mit der Struktur der Fragmente übereinstimmen, da eine kleine

strukturchemische Änderung eine große Änderung der 13C-chemischen

Verschiebung bedeutet. Beim Atamcamycin A handelt es sich um die Abfolge Methyl-

Methoxy (C-8 und C-9) und Methyl-Hydroxy-Hydroxy-Methoxy (C-12, C-13, C-14 und

C-15). Leider sind für diese Abfolgen keine synthetischen Vergleichssubstanzen

erhältlich, so dass die Methode nach Kishi zur Aufklärung der Stereochemie der

Atacamycine nicht angewendet werden konnte.

Ebenfalls angewendet wurde eine relativ neue in der Strukturaufklärung von

Naturstoffen eingesetzte NMR-spektroskopische Technik, welche die Präsenz von

dipolarer Restkopplung (RDC, residual dipolar coupling) in einem asymmetrischen

Molekül zu Konfigurationsanalyse nutzt.[65] Hierbei wird während des NMR-

Experiments in dem Naturstoff eine dipolare Restkopplung erzwungen, die sich in die

Konfiguration des jeweiligen stereogenen Zentrums umrechnen lässt. Aufgrund der

Neuheit der Technik werden dafür NMR-Pulstechniken verwendet, die eine Avance-

Konsole erfordern und aufgrund unkompatibler NMR-Spektrometer nicht an dem

500-MHz NMR-Spektrometer des Instituts für Chemie der TU Berlin durchgeführt

werden konnten.

Ergebnisse und Diskussion

91

6.3 Biologische Aktivität

Die Atacamycine gehören zu der Stoffklasse der Makrolactone, die häufig für ihre

antiproliferative Wirkung gegen Tumorzellen bekannt sind.[66] Aufgrund dessen

wurden Atacamycin A und B bei der Firma Oncotest GmbH, Freiburg, gegen eine

Vielzahl von Tumorzellen getestet. Die Ergebnisse der Testierung sind in Tabelle 7

zusammengefasst.

Tabelle 7: Antiproliferative Aktivität der Atacamycine A (1) und B (2) gegen 42 humane

Tumorzelllinien.

IC50 [µM]

Typ des Tumors Zelllinie Atacamycin A Atacamycin B

Harnblase BXF 1218L 8.37 13.7

BXF 1352L 17.1 17.3

BXF T-24 12.0 17.4

Dickdarm CXF 269L 22.5 25.0

CXF DIFI 5.93 15.0

CXF HCT-116 16.8 18.6

CXF HT-29 27.5 30.0

CXF RKO 12.4 8.5

Magen GXF 251L 13.9 25.6

GXF MKN45 24.2 27.5

Kopf und Nacken HNXF CAL-27 10.0 11.1

Leber LIXF 575L 17.7 30.0

Lunge LXF NCI-H460 27.5 30.0

LXFA 289L 16.6 27.5

LXFA 526L 10.4 20.2

LXFA 629L 10.1 22.1

LXFL 1121L 9.04 22.7

LXFL 529L 7.59 14.3

Brust MAXF 401NL 2.66 11.5

MAXF MCF7 12.3 22.9

MAXF MDA-MB-231 13.4 15.1

Ergebnisse und Diskussion

92

Fortsetzung Tabelle 7:

Melanom MEXF 1341L 12.5 17.7

MEXF 276L 14.8 17.1

MEXF 462NL 9.20 21.4

Eierstock OVXF 899L 30.0 30.0

OVXF NIH:OVCAR-3 13.6 28.0

Pankreas PAXF 1657L 21.2 20.3

PAXF 546L 15.1 25.0

PAXF PANC-1 15.3 24.7

Prostata PRXF 22Rv1 7.96 19.2

PRXF DU-145 11.1 18.2

PRXF LNCaP 8.46 13.7

PRXF PC3M 16.6 23.7

Mesotheliom PXF 1118L 14.1 30.0

PXF 1752L 27.5 23.2

PXF 698L 10.5 17.6

Niere RXF 1781L 21.7 30.0

RXF 393NL 29.1 27.5

RXF 486L 23.8 26.6

Sarkom SXF Saos-2 15.3 17.9

SXF TE671 10.7 18.1

Gebärmutter UXF 1138L 5.32 17.0

Mittelwert IC50 13.4 20.4

Beide Verbindungen zeigten überdurchschnittliche bis gute antiproliferative Wirkung

gegen eine Vielzahl der getesteten Krebszelllinien. Die geringste mittlere

inhibitorische Konzentration (IC50) von Atacamycin A konnte gegen die

Brustkrebszelllinie MAXF 401NL ermittelt werden. Des Weiteren zeigte es gute Werte

gegen Dickdarm- (CXF DIFI) und Gebärmutterkrebszelllinien (UXF 1138L). Die

höchste Hemmwirkung von Atacamycin B konnte gegen die Zelllinie CXF RKO mit

einer mittleren inhibitorischen Konzentration von 8.5 µM beobachtet werden. Im

Vergleich beider Verbindungen zeigte Atacamycin B eine um Faktor 1.5 bis 2fach

schlechtere Aktivität als Atacamycin A.

Des Weiteren sollen die Atacamycine in ihrer Wirkung als Enzyminhibitoren getestet

werden. Diese Testierung wird von der Arbeitsgruppe Imhoff am Kieler Wirkstoff-

Ergebnisse und Diskussion

Zentrum, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, IFM-GEOMAR, Kiel durchgeführt

und war zum Zeitpunkt der Drucklegung der Dissertation noch nicht abgeschlossen.

6.4 Diskussion

Die Atacamycine konnten in dieser Arbeit als neuartige Makrolidantibiotika in ihrer

Struktur aufgeklärt werden. Die Grundstruktur der Makrolide ist eine kurze (C7) bis

sehr lange (C61) Kohlenstoffkette, welche über eine Carbonsäureestereinheit zu

einem Lacton verknüpft ist.[67] Durch die unterschiedliche Anordnung von

Doppelbindungen und Methyl-, Hydroxy-, Methoxy-, Zucker- oder weiteren

dekorativen Bausteinen ist ihre strukturelle Vielfalt nahezu unbegrenzt. Die

Atacamycine zeigen hohe strukturelle Ähnlichkeit zu Dictyostatin, welches ebenfalls

einen 22-gliedrigen Ring als Grundgerüst und ein ähnliches exozyklisches Fragment

besitzt (Abbildung 49).[68]

O

(E)O

(E)(E)

(E)

OH

OMeHO

MeO

(Z)

(E)

R1

R1 =

(E)a) b)

O O

OH

OH OH

HO

Abbildung 49: a) Strukturformel von Dictyostatin aus einem Stamm der Gattung Spongia

sp., b) zum Vergleich Atacamycin A.

Dictyostatin zeigt Aktivität gegen humane Krebszelllinien im nanomolaren Bereich

und wurde anfang der 90er Jahre aus einem marinen Schwamm der Gattung

Spongia sp. isoliert.[69] Weitere Untersuchungen zeigten, dass die überaus starke

Wirkung des Dictyostatins auf eine Hemmung des Abbaus der Mikrotubuli und

dadurch verursachte Störung der Zellteilung zurückzuführen ist.[70] Dieser

Wirkmechanismus wird aufgrund der ähnlichen Struktur und biologischen

Wirksamkeit ebenfalls für die Atacamycine angenommen. Zur Klärung des genauen

Wirkortes und –mechanismus sind allerdings weiterführende experimentelle

93

Ergebnisse und Diskussion

Untersuchungen nötig. Weitere bekannte Makrolide mit einem 22-gliedrigen

Grundgerüst stellen die Wortmannilactone[71] dar, welche ebenfalls aus Schwämmen

isoliert wurden (Abbildung 50). Das Swinholide[72] wird ebenfalls als ein 22-gliedriges

Lacton synthetisiert, anschließend erfolgt die Konjugation von zwei Lactoneinheiten

zu einem Dimer. Dadurch entsteht der aussergewöhnliche Naturstoff mit einer C2-

Rotationsachse.

O

OO

O

OMe

OH OH O

O

MeO

OHOH

O

OMe

OOHHO

OHOH

OMeb)

a) HO

HO

OH

O

O

OH

Abbildung 50: Strukturformeln von a) Wortmannilacton A[71] und b) Swinholide A.[72]

Die Swinholide zeigen ebenfalls ein dem Dictyostatin ähnliches Wirkspektrum.[73]

Aufgrund der schwierigen und kostspieligen Gewinnung von Sekundärmetaboliten

aus Schwämmen ist jedoch eine pharmazeutische Anwendung des Dictyostatins

nicht abzusehen. Die ebenfalls sehr kosten- und zeitaufwendige Totalsynthese kann

aufgrund der vielen Stereozentren nicht als einfache Alternative angesehen werden.

Da es sich bei dem Produktionsstamm der Atacamycine um einen terrestrischen

Actinomycetenstamm handelt, können diese Naturstoffe relativ einfach und in großen

Mengen gewonnen werden.

Leider konnte im Rahmen dieser Arbeit die Stereochemie der Atacamycine nicht

aufgeklärt werden, obwohl unterschiedliche Ansätze hierzu verfolgt worden sind.

Aufgrund ihrer hohen strukturellen Flexibilität ist eine Einkristallzüchtung von

Makrolactonen nur schwer möglich. Zur Vermeidung von weiteren Substanzverlusten

wurden daher die Versuche zur Kristallisation ohne Ergebnis eingestellt. Generell ist

die Bestimmung der absoluten Stereochemie von Makrolactonen aufgrund der oben

94

Ergebnisse und Diskussion

genannten Probleme schwierig und wird meist erst Jahre nach der ersten

Veröffentlichung der Substanz beschrieben. Zwei der heute noch verwendeten

Vertreter dieser Gruppe, das Nystatin[74] und das Erythromycin A,[75] wurden erst 31

bzw. 12 Jahre nach der ersten Erwähnung vollständig in ihrer Stereochemie

beschrieben (Abbildung 51).[76, 77] Die erste Veröffentlichung des Dictyostatins enthält

eine Strukturformel, die in einer späteren Publikation als inkorrekt widerlegt wurde.

Letztendlich bleibt nur die Totalsynthese als finales Mittel, um sowohl die Konstitution

als auch die Konfiguration des Naturstoffes abschließend zu klären.[78]

95

b) a)

Abbildung 51: Strukturformeln von a) Nystatin und b) Erythromycin A.

Ergebnisse und Diskussion

7 Strukturaufklärung von TÜ 6392 A2 und TÜ 6392 D aus

Streptomyces sp. TÜ 6392

7.1 Herkunft und Taxonomie des Bakterienstammes Streptomyces

sp. TÜ 6392

Der Stamm Streptomyces sp. TÜ 6392 wurde ebenfalls wie der Stamm Streptomyces

sp. TÜ 6384 aus einer Erdprobe eines Fichtenwaldes bei Tübingen (Rammert, Bühl)

isoliert.[1] Abbildung 52 zeigt eine lichtmikroskopische Aufnahme des Stammes auf

der Agarplatte. Das Substratmyzel der Bakterien ist beige, das Luftmycel weiß und

die Sporen sind ebenfalls weiß gefärbt. Die Sporenketten sind spiralförmig (Spira-

Typ).

Abbildung 52: Lichtmikroskopische Aufnahmen von Stamm Streptomyces sp. TÜ 6392

(links: Kolonie auf der Agarplatte; rechts: filamentöses Myzel in der Submerskultur).[1]

Die taxonomische Charakterisierung des Stammes erfolgte durch Dr. Dirk Schulz,

AG Fiedler, an der Universität Tübingen. In der Zellwand des Stammes konnte LL-

Diaminopimelinsäure nachgewiesen und der Stamm daher chemotaxonomisch der

Gattung Streptomyces zugeordnet werden. Des Weiteren konnten die

Hauptmechaninone MK-9 (H6, H8), gesättigte und ungesättigte iso- und anteiso-

96

Ergebnisse und Diskussion

97

Fettsäuren nachgewiesen werden, welche ebenfalls charakteristisch für Stämme der

Gattung Streptomyces sind. Durch die Partialsequenzierung der 16S-rRNA konnte

die Einordnung bestätigt werden.[1]

7.1.1 Chemisches Screening

Zur Untersuchung des Stammes auf Produktion von Sekundärmetaboliten wurde von

Dr. Dirk Schulz von der Arbeitsgruppe von Prof. H.-P. Fiedler an der Universität

Tübingen ein chemisches Screening durchgeführt. Der Stamm wurde zunächst in

drei verschiedenen Kulturmedien (SGG, OM, 410) fermentiert und nach 120 h mittels

HPLC-DAD analysiert.[1] Bei der Analyse des Kulturfiltrats konnte ein Analyt mit der

Retentionszeit von Rt = 8.7 min identifiziert werden, welche keine Übereinstimmung

mit bekannten Verbindungen in der UV/Vis-Datenbank zeigte.

Ergebnisse und Diskussion

98

Ab

bild

un

g 53: H

PLC

-DA

D-C

hrom

atogramm

des K

ulturfiltrats von Streptom

yces sp. TÜ

6392 und UV

/Vis-S

pektren der Verbindung T

Ü 6392

A2. [1]

Ergebnisse und Diskussion

Ab

bild

un

g 5

4: H

PLC

-DA

D-C

hro

mat

ogra

mm

de

s K

ultu

rfilt

rate

xtra

kts

von

Str

epto

myc

es s

p. T

Ü 6

392

und

UV

/Vis

-Spe

ktre

n de

r V

erbi

ndun

gen

639

2 B

1, B

2, D

und

F.[1

]

99

Ergebnisse und Diskussion

Bei der ebenfalls durchgeführten Analyse des Kulturfiltratextrakts konnten die

Verbindungen TÜ 6392 B1 (Rt = 12.2), B2 (Rt = 12.4), B3 (Rt = 10.4), D (Rt = 11.4)

und F (Rt = 7.8) gefunden werden, welche keine positive Übereinstimmung mit der

UV/Vis-Datenbank ergaben.[1] Die Substanz TÜ 6392 A2 konnte nur im Kulturfiltrat

nachgewiesen werden. Durch eine weiterführende Recherche in der

Naturstoffdatenbank Dictionary of Natural Products[79] konnte jedoch für alle bis auf

einen Analyten eine bereits bekannte Verbindung zugeordnet werden. Die

Verbindung TÜ 6392 B1 konnte aufgrund ihres UV/Vis-Spektrums dem Naturstoff

A88696 C,[80] die Verbindung TÜ 6392 B2 dem Naturstoff A88696 F und die

Verbindung TÜ 6392 F als Germidicin A[81] identifiziert werden. Zur

Strukturaufklärung sollten insgesamt zwei von dem Stamm Streptomyces TÜ 6392

produzierten Verbindungen (TÜ 6392 A2 und D) in Reinform isoliert werden.[1]

100

Abbildung 55: Strukturformeln von a) A88696 C,[80] b) A88696 F und c) Germicidin A.[81]

7.1.2 Isolierung und Reinigung

Die Fermentation und Isolierung der Zielverbindungen wurde von Dr. Dirk Schulz,

Arbeitsgruppe Fiedler, Universität Tübingen, durchgeführt.[1] Hierzu wurde der

Stamm Streptomyces sp. TÜ 6392 im 20 Liter Maßstab in einem Biostat b20-

Bioreaktor fermentiert. Als bestes Medium zur Produktion der beiden

Zielverbindungen im Bioreaktor zeigte sich SGG ohne Calciumcarbonat, welches als

Produktionsmedium verwendet wurde. Nach der optimalen Inkubationszeit von 168 h

wurde die Fermentation gestoppt und die Kulturbrühe mittels Druckfiltration in

Kulturfiltrat und Mycel getrennt. Das Kulturfiltrat wurde zunächst an Amberlite XAD-

16 chromatographiert, wodurch die beiden Zielverbindungen getrennt werden

b)

O

H3CCH3

CH3

OH

CH3H3C

O

OH

O

H3CCH3

CH3

OH

CH3H3Ca) c)

O

O

HO

O

Ergebnisse und Diskussion

101

konnten (Schema 4). Die Verbindung A2 adsorbierte nicht an das Material, während

die Verbindung D mit 100 % Methanol eluiert werden konnte. Zur Gewinnung von A2

wurde der Durchlauf auf pH 8 eingestellt, mit Ethylacetat extrahiert und die

organische Phase anschließend unter Vakuum eingeengt. Der so erhaltene

Rohextrakt wurde dann an LiChroPrep-Diol chromatographiert, dabei eluierte die

Verbindung A2 mit 10 % Methanol. Anschließend wurde das Rohprodukt mittels

präparativer HPLC an Nucleosil-100 C18-Material mit einem linearen Gradienten von

35-65 % Acetonitril mit 0.5 % Ameisensäure isoliert. Aufgrund der starken

Lichtempfindlichkeit der Verbindung A2 wurden alle durchgeführten Schritte unter

Lichtausschluss durchgeführt.

Die Verbindung TÜ 6392 D konnte bei der Chromatographie an Amberlite XAD-16 in

der 100 %-Methanol-Elutionsfraktion erhalten werden. Zur weiteren Aufreinigung

wurde der eingeengte Rohextrakt ebenfalls chromatographisch an LiChroPrep-Diol

aufgereinigt und der eingeengte Rohextrakt anschließend an Sephadex LH-20 in

Methanol aufgetrennt. Der so erhaltene Rohextrakt wurde zuletzt über eine

präparative C18-HPLC mit einem linearen Gradienten von 50 – 80 % Acetonitril mit

0.1 % Ameisensäure aufgereinigt, um die Verbindung TÜ 6392 D in Reinform zu

erhalten.

Ergebnisse und Diskussion

102

Schema 4: Isolierungsschema der Substanzen TÜ 6392 A2 und TÜ 6392 D.

Kulturfiltrat 14 Liter

Chromatographie an Amberlite XAD-16 Elution mit 100 % MeOH, Konzentration unter Vakuum

994 mg Rohextrakt

Chromatographie an LiChroPrep Diol Dichlormethan/MeOH Stufengradient 0 %, 2 %, 5 %, 10 % MeOH

416 mg Rohextrakt I

Chromatographie an Sephadex LH-20 MeOH

123 mg Rohextrakt II

RP-PHPLC an Nucleosil-100 C-18, Wasser /Acetonitril mit 0.1 % HCOOH linearer Gradient 50-80 %

9 mg TÜ 6392 D

7.2 Strukturaufklärung von TÜ 6392 A2

Aufgrund der stark unterschiedlichen UV/Vis-Spektren und Retentionszeiten wurde

zunächst nicht davon ausgegangen, dass es sich bei den beiden Verbindungen TÜ

6392 A2 und D um Strukturisomere handelt. Aufgrund der raschen Zersetzung der

Substanz TÜ 6392 A2 unter Lichteinwirkung wurde möglichst unter Lichtausschluss

gearbeitet. Analysen, die starke Lichtquellen als Energiequelle nutzen, konnten mit

Rücksicht auf die Substanz nicht durchgeführt werden. Des Weiteren zeigte sich,

dass die Substanz TÜ 6392 A2 bei zunehmender Aufreinigung zur Aggregation

neigte.

Ergebnisse und Diskussion

7.2.1 HPLC-ESI-MS

Zur Bestimmung der Molekülmasse der zwei Zielverbindungen wurden zunächst

HPLC-ESI-MS-Analysen durchgeführt. Hierbei zeigte sich für die Verbindung TÜ

6392 A2 ein Positivmolekülion [M+H]+ von 637.6. Ein ebenfalls durchgeführtes

Tochterionen-Experiment ist in Abbildung 56 gezeigt. Charakteristisch sind hierbei

die mehrmalige Abspaltung von Wasser (m/z 18) und ein Fragment m/z von 145.

Diese Befunde lassen darauf schließen, dass das Molekül zumindest eine

unverbrückte Hydroxygruppe und eine Glykosideinheit enthält.

[M+H]+

-211

-18

-18 H2O

-18 H2O

-145

H2O

Abbildung 56: Tochterionenspektrum der Verbindung TÜ 6392 A2 im Positivionenmodus.

103

Ergebnisse und Diskussion

104

7.2.2 Bestimmung der Summenformel

Die Summenformel der Verbindung TÜ 6392 A2 wurde von Dr. Dirk Schulz in der

Arbeitsgruppe von Prof. Johannes F. Imhoff im Kieler Wirkstoffzentrum KiWiZ am

Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar an einem MicrOTOF-II bestimmt. Für

die Berechnung wurden die Elemente Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Stickstoff (N)

und Sauerstoff (O) zugelassen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Tabelle

8 dargestellt.

Tabelle 8: Physikochemische Eigenschaften von TÜ 6392 A2.

TÜ 6392 A2

Aussehen weißes Pulver

Molekülmasse 636.4

Summenformel C38H56N2O6

ESI-TOF-MS

gemessen

berechnet

637.4194 [M+H]+

637.4211

UV maxMeOH [nm] (ε[cm2µmol-1]) 315 (4.53)

7.2.3 NMR-Spektroskopische Untersuchungen

Zur Strukturaufklärung der beiden Zielverbindungen wurden beide zunächst in

DMSO-d6 gelöst und ein eindimensionales 1H-NMR-Spektrum bei 25 °C

aufgenommen. Von der Verbindung TÜ 6392 D konnte ein interpretierbares

Protonenspektrum und im Anschluss ein kompletter Spektrensatz in DMSO-d6

aufgenommen werden. Die Verbindung TÜ 6392 A2 allerdings koagulierte im NMR-

Röhrchen, sodass kein auswertbares 1H-NMR-Spektrum gemessen werden konnte

(Abbildung 59).

Ergebnisse und Diskussion

Ab

bild

un

g 5

7: 1H

-NM

R-S

pekt

rum

von

639

2 A

2 in

DM

SO

-d6

bei 2

98 K

.

105

Ergebnisse und Diskussion

106

Zur Vermeidung der Koagulation wurden verschiedene NMR-Lösungsmittel (CD3OD,

ACN-d3, DCM-d2, CDCl3, Pyridin-d5, Benzol-d6) und Mischungen daraus zur NMR-

Messung verwendet, ohne die Koagulation unterbinden zu können. Ein weiterer

Ansatz zur Umgehung der Koagulation stellte das Messen bei veränderter

Temperatur dar. Hierzu wurde die Verbindung zunächst in DMSO-d6 gelöst und

anschließend bei 360 K ein eindimensionales 1H-NMR-Spektrum aufgenommen.

Dieses Spektrum konnte aufgrund der Schärfe der Signale im Gegensatz zum

Spektrum bei 298 K ausgewertet werden (Abbildung 58). Bei einem

Stabilitätsversuch bei 360 K über mehrere Stunden zeigte sich jedoch, dass die

Verbindung nicht ausreichend temperaturstabil ist, um die gesamte Messdauer von

ca. 60 h ohne Zerfall zu überstehen. Die weiteren, zur Strukturaufklärung

notwendigen ein- und zweidimensionalen Spektren konnten daher nicht bei 360 K

aufgenommen werden.

Ergebnisse und Diskussion

Ab

bild

un

g 5

8: 1H

-NM

R-S

pekt

rum

von

639

2 A

2 in

DM

SO

-d6

bei 3

60 K

.

107

Ergebnisse und Diskussion

108

Anstelle einer Temperaturerhöhung zur Umgehung der Koagulation wurde nun

versucht, durch eine Messung bei niedriger Temperatur ein auswertbares NMR-

Spektrum aufzunehmen. Hierzu wurde die Substanz TÜ 6392 A2 in DCM-d2 gelöst

und die Probe während des NMR-Experiments auf 273 K temperiert (Abbildung 59).

Dieser Ansatz führte zu auswertbaren Spektren, so dass die zeitintensiven ein- und

zweidimensionalen Spektren auch über einen längeren Zeitraum ohne

Substanzverlust durchgeführt werden konnten.

Ergebnisse und Diskussion

Ab

bild

un

g 5

9: 1H

-NM

R-S

pekt

rum

von

639

2 A

2 in

DC

M-d

2 be

i 273

K (

vgl.

Abb

ildun

g 10

5).

109

Ergebnisse und Diskussion

Das 1H-NMR-Spektrum der Verbindung TÜ 6392 A2 zeigte insgesamt 15 Signale im

olefinischen Bereich, drei Signale zwischen 4 - 5 ppm und 17 Signale im

aliphatischen Bereich. Die Integration aller Signale des 1H-NMR-Spektrums ergab

eine Summe von 52 Protonen. Die Signale bei δH 3.59, δH 2.03, δH 1.76, δH 1.70, δH

1.21, δH 1.14, δH 0.85 und δH 0.83 ppm konnten durch eine Integralsumme von

jeweils drei Protonen zu Methylgruppen zugeordnet werden, das Signal bei δH 2.50

ppm durch die Integralsumme von zwei Protonen zu einer Methyleneinheit. Die 13C-,

DEPT- und HSQC-NMR-Spektren zeigten zwei zusätzliche Methyleneinheiten bei δC

65.6 ppm und δC 32.3 ppm. Insgesamt konnten so acht Methyl-, drei Methylen-, 21

Methin- und sechs quartäre Kohlenstoffatome zugeordnet werden. Aufgrund des

Fehlens der Kopplung im HSQC-Spektrum und der starken Verschiebung im

olefinischen Bereich wurde bei dem Signal bei δH 5.55 ppm davon ausgegangen,

dass es sich hierbei um ein Säureamidsignal handelt. Durch die detaillierte Analyse

der COSY-, HSQC-, und HMBC-Experimente konnte die Struktur von TÜ 6392 A2

vollständig beschrieben werden (Abbildung 60).

HNOHO

O

O

NH2O

HO

1H-1H COSY

HMBC

Abbildung 60: COSY- und HMBC-Kopplungen von TÜ 6392 A2.

Das COSY-NMR-Spektrum zeigt insgesamt sechs voneinander getrennte

Spinsysteme: eine Isobutyl-, zwei Pentenyl-, eine Ethenyl-, eine Isopentyl- und eine

Hexoseeinheit. (H-5 bis H-9, H-11 bis H-15, H-17 bis H-19, H-21 bis NH-1 und H-32,

H-24 bis H-27 und H-1’ bis H-5’). Fünf der isolierten Spinsysteme konnten durch die

HMBC-Korrelation der Methylsignale H-28, H-29, H-30 und H-31 verbunden werden

und bilden so das Kohlenstoffgerüst des Polyketid-Aglykons. Die Verbindung der

verbleibenden Hexoseeinheit an das Aglykon konnte durch die HMBC-Korrelation

von H-1’ zu C-11 hergestellt werden. Die chemische Verschiebung von δC 55.3 ppm

110

Ergebnisse und Diskussion

an C-2’ der Hexoseeinheit ist charakteristisch für eine α-Aminogruppe. Des Weiteren

ergab die stereochemische Auswertung der Hexoseeinheit, dass alle trans

zueinander stehen, da sämtliche Protonen zueinander eine Kopplungskonstante von

7.2 Hz oder mehr zeigen (J1’,2’ax = 7.2 Hz, J2’,3’ax = 7.6 Hz, J3’,4’ax = 8.1 Hz, J4’,5’ax =

11.1 Hz). Durch die HMBC-Kopplung von H-6’ zu C-3’ konnte die Konstitution der

Methoxyeinheit an C-3’ ermittelt werden. Aufgrund dieser Ergebnisse konnte der

Aminozucker als 2-Deoxy-2-Amino-3-Methoxy-β-Xylopyranose aufgeklärt werden.

Die Stereochemie der Doppelbindungen des Aglykons wurde weiterhin durch

selTOCSY- und NOESY-Experimente aufgeklärt (Abbildung 61).

HNOHO

O

O

NH2O

HO

selTOCSYNOESY

Abbildung 61: selTOCSY- und NOESY-NMR-Kopplungen von TÜ 6392 A2.

Durch Kopplungskonstanten von J6,7 = 15.6 Hz, J8,9 = 15.0 Hz, J12,13 = 11.2 Hz,

J14,15 = 15.6 Hz, J18,19 = 14.9 Hz konnten die Doppelbindungen als 6E, 8E, 12Z, 14E

und 18E identifiziert werden. Die beobachteten NOE-Signale zwischen H-3/H-5, H-

15/H-17 und H-19/H-21 führten zu einer Bestimmung von 2E, 4E, 16E und 20E der

entsprechenden Doppelbindungen (Abbildung 62).

HNOHO

O

O

NH2O

HO

18

13 21

2428

29

30 31 321'4'

6'

Abbildung 62: Strukturformel von TÜ 6392 A2.

111

Ergebnisse und Diskussion

7.3 Biologische Aktivität

Die Arbeiten zur Bestimmung der biologischen Aktivität gegen Gram-positive und

Gram-negative Bakterien, Eukaryoten, humane Krebszelllinien und ausgewählte

Enzyme werden von Dr. Dirk Schulz in der Arbeitsgruppe von Prof. Johannes F.

Imhoff am Kieler Wirkstoffzentrum KiWiZ am Institut für Meereswissenschaften IFM-

Geomar koordiniert und dauern zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Dissertation

noch an.

7.4 Diskussion

Der Sekundärmetabolit TÜ 6392 A2 konnte im Rahmen dieser Arbeit

strukturaufgeklärt werden. Dabei handelt es sich um ein 24-gliedriges Makrolactam,

welches mit einer Xylopyranose-Zuckereinheit verknüpft ist. Vergleichbar mit den

vorher beschriebenen Atacamycinen können Makrolactame durch unterschiedliche

Anordnungen von Doppelbindungen, Kohlenwasserstoffketten oder

Zuckerbausteinen eine nahezu unbegrenzte Anzahl an möglichen Naturstoffen

bilden. Durch die aufgeklärte Struktur von TÜ 6392 A2 lassen sich die bei der

Isolierung beobachteten Schwierigkeiten erklären. Durch eine hohe Anzahl an

konjugierten Doppelbindungen (> 4) ist das Molekül empfindlich gegenüber

kurzwelligem Licht. Der starke Unterschied zwischen dem sehr hydrophoben Aglykon

und dem relativ hydrophilen Zuckerbaustein erklärt die starke Neigung zur

Koagulation bei Raumtemperatur.

Eine Literaturrecherche ergab eine Ähnlichkeit zu dem ebenfalls 24-gliedrigen

Makrolactam Incednine, welches 2008 von Futamura et al. aus Streptomyces sp.

ML694-90F3 aufgeklärt wurde (Abbildung 63).[82] Abgesehen von der Gruppe an C-2

(Methoxy- statt einer Isobutyleinheit) ist das Aglykon identisch zu TÜ 6392 A2.

HN

O

OHO

O

O

NHHOO

ONH

Abbildung 63: Strukturformel von Incednine.[82]

112

Ergebnisse und Diskussion

Die α-Zuckereinheit beider Verbindungen unterscheidet sich nur durch die

unterschiedliche Verknüpfung der Methylgruppe (Position 2’ statt Position 3’ beim TÜ

6392 A2). Des Weiteren ist beim Incednine eine Disaccharid- anstelle einer

Monosaccharid-Einheit an das Aglykon verknüpft. Für Incednine werden ebenfalls

große Probleme bei der Aufreinigung und Vermessung beschrieben.

Interessanterweise wird in der Literatur die Messung ebenfalls bei -5 °C

durchgeführt, analog zur Strukturaufklärung von TÜ 6392 A.

Incednine wurde auf seine Suppression gegen die antiapoptotische Wirkung von Bcl-

2 und Bcl-xL getestet. Bcl-xL-überexprimierende Ms-1-Zellen zeigen Resistenz zu

einer Vielzahl von Antitumorwirkstoffen, z.B. Inostamycin[83] oder Vinblastin[84]

(Abbildung 64). Diese Resistenz konnte allerdings durch Koapplikation des

Antitumorwirkstoffs mit 100 nM Incednine vermieden werden, wohingegen eine

einzelne Gabe von Incednine keine Apoptose induzieren konnte. Diese

Untersuchungen weisen darauf hin, dass Incednine die anti-apoptotische Funktion

von Bcl-2/Bcl-xL durch einen einzigartigen Wirkmechanismus inaktivieren kann.

O

HO

OH O

OH

O

OO

HO

HO

a) b)

Abbildung 64: Strukturformeln von a) Inostamycin und b) Vinblastin.

Aufgrund der starken Ähnlichkeit von TÜ 6392 A2 zu Incednine sollen dieselben

Tests ebenfalls mit TÜ 6392 A2 durchgeführt werden. Fehlende

Vergleichsexperimente zu dem Zeitpunkt dieser Arbeit lassen eine nähere

Untersuchung nicht zu.

113

Ergebnisse und Diskussion

114

7.5 Strukturaufklärung von TÜ 6392 D

Im Gegensatz zur Verbindung TÜ 6392 A2 zeigte die Verbindung TÜ 6392 D bei

ihrer Strukturaufklärung weder Lichtempfindlichkeit noch Neigung zur Koagulation.

Das charakteristische UV/Vis-Spektrum beider Verbindungen zeigte ebenfalls keine

Übereinstimmung, weswegen zunächst davon ausgegangen wurde, dass es sich bei

der Verbindung TÜ 6392 D nicht um ein Derivat der Verbindung TÜ 6392 A2 handelt.

7.5.1 HPLC-ESI-MS

Die durchgeführten HPLC-ESI-MS-Experimente zeigten für die Verbindung

TÜ 6392 D ein Positiv-Molekülion [M+H]+ von 456.3 und ein Negativ-Molekülion [M-

H]- von 454.3. Zur Strukturaufklärung wurden ebenfalls Tandem-MS-Experimente im

Positiv- und Negativ-Ionenmodus aufgenommen. Aufgrund der besseren

Fragmentierung ist im Folgenden nur das Negativ-Fragmentspektrum gezeigt

(Abbildung 65). Ausgehend von dem Pseudomolekülion mit m/z = 454.3 ist eine

Abspaltung von m/z = 44 zu sehen, was dem Verlust einer CO2-Einheit entspricht.

Ein zweites, wenn auch deutlich schwächeres Fragment von m/z = 44 ist zwischen

m/z = 191.2 und m/z = 147.1 zu sehen. Aus dieser Information lässt sich ableiten,

dass die Verbindung TÜ 6392 D eine freie Carbonsäureeinheit besitzt. Darüber

hinaus beinhaltet das Molekül eine verbrückte Carbonsäureestereinheit, die jedoch

erst durch die fortschreitende Fragmentierung des Moleküls detektiert wird. Die

weiteren beobachteten Fragmente liefern aufgrund ihrer unspezifischen Größe keine

Information zur Strukturaufklärung der Verbindung TÜ 6392 D.

Ergebnisse und Diskussion

Abbildung 65: Tochterionenspektrum der Verbindung TÜ 6392 D im Negativionenmodus.

-42 -37 -44

CO2

-37 -140

[M-H]-

-44

CO2

7.5.2 Bestimmung der Summenformel

Die Summenformelbestimmung der Verbindung TÜ 6392 D wurde ebenfalls von Dr.

Dirk Schulz in der Arbeitsgruppe von Prof. Johannes F. Imhoff im Kieler

Wirkstoffzentrum KiWiZ am Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar an einem

MicrOTOF-II durchgeführt. Für die Berechnung wurden die Elemente Kohlenstoff (C),

Wasserstoff (H), Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) zugelassen. Eine

Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Tabelle 9 dargestellt

115

Ergebnisse und Diskussion

116

Tabelle 9: Physikochemische Eigenschaften von TÜ 6392 D.

TÜ 6392 D

Aussehen weißes Pulver

Molekülmasse 455.3

Summenformel C27H37NO5

ESI-TOF-MS

gemessen

berechnet

456.2632 [M+H]+

456.2744

UV maxMeOH [nm] (ε[cm2µmol-1]) 234 (3.40)

275 (3.53)

7.5.3 NMR-Spektroskopische Untersuchungen

Im Gegensatz zur Verbindung TÜ 6392 A2 konnten von Verbindung TÜ 6392 D

auswertbare NMR-Spektren (1H-, 13C-, DEPT-, COSY-, HSQC-, und HMBC-NMR-

Spektrum) in DMSO-d6 bei 25 °C erhalten werden. Zur Strukturaufklärung wurden

zusätzlich noch alle notwendigen zweidimensionalen NMR-Spektren in CD3OD

aufgenommen, da dieses Lösungsmittel im Vergleich zu DMSO-d6 feinere

Aufspaltungsmuster zeigte. Die gesamte, im Folgenden dargestellte

Strukturaufklärung erfolgte auf der Basis der in CD3OD aufgenommenen NMR-

Spektren (Tabelle 19). Das 1H-NMR-Spektrum der Verbindung TÜ 6392 D zeigte drei

Signale im olefinischen, ein Signal im mittleren und 19 Signale im aliphatischen

Bereich. Die Integration aller Signale ergab eine Anzahl von 37 Protonen, wobei die

Signale bei δH 0.89, δH 0.93, δH 1.15, δH 1.70 und δH 0.83 ppm zu je einer

Methylgruppe zugeordnet werden konnten. Die 13C-, DEPT- und HSQC-NMR-

Spektren zeigten insgesamt fünf Methyl-, sechs Methylen-, drei olefinische und vier

aliphatische Methin- und neun quartäre Kohlenstoffatome. Durch detaillierte

Auswertung des HSQC-Experiments konnten die Signale bei δH 1.55, δH 0.88,

δH 1.43, δH 1.18, δH 1.55, δH 1.28, δH 1.66, δH 1.43, δH 2.51 und δH 1.62 ppm zu fünf

Methyleneinheiten zugeordnet werden. Zusammen mit dem Signal bei δH 1.04 ppm,

welches eine Integralsumme von zwei Protonen zeigte, konnten somit alle

Methylenprotonen zugeordnet werden. Durch die im Folgenden beschriebene

Ergebnisse und Diskussion

detaillierte Analyse der COSY-, HSQC-, und HMBC-Experimente konnte die Struktur

von TÜ 6392 D vollständig aufgeklärt werden (Abbildung 66).

O

H3CCH3

CH3

OH

CH3H3C

O

O

OH

HN

916

1718

19

20

22

1'

3'

5'

1H-1H COSY

HMBC

Abbildung 66: COSY- und HMBC-NMR-Kopplungen von TÜ 6392 D.

Das COSY-Spektrum zeigte insgesamt drei voneinander getrennte Spinsysteme,

wobei das Spinsystem H-17 – H-5 – H-6 – H-7 – H-18 ein charakteristisches

strukturelles Merkmal aus dem Naturstoff Abyssomicin darstellt.[85] Die HMBC-

Kopplungen von H-4 zu C-2, C-3, C-16 und von H-15 zu C-1 und C-2 konnten als

Tetronsäurestruktur aufgelöst werden. Durch die intensive HMBC-Kopplung von H-

11, H-14 und H-15 zu C-1 konnte die spiroartige Verknüpfung eines sechsgliedrigen

Rings zum Tetronsäurebaustein nachgewiesen werden, wodurch ein Spirotetronat

als Grundstruktur aufgeklärt werden konnte. Durch die HMBC-Kopplungen von H-12

zu C-10, von H-10 zu C-8 und die COSY-Kopplung von H-8 zu H-3 konnte ferner die

Struktur des elfgliedrigen Hauptrings aufgeklärt werden. Dieser bis jetzt aufgeklärte

Baustein konnte als identisch zum Antibiotikum A88696 C identifiziert werden,

welches im Jahr 1993 von der Arbeitsgruppe um Bonjouklian in den Lilly Research

Laboratories aus dem Stamm Streptomyces sclerotialus aufgeklärt worden ist.[80]

Aufgrund dieser starken Ähnlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass

A88696 C und TÜ 6392 D denselben Biosyntheseweg besitzen und damit auch die

Stereochemie der beiden Naturstoffe identisch ist. Im Vergleich zu A88696 C besitzt

TÜ 6392 D jedoch eine zusätzliche C5H3NO2-Einheit. Durch die COSY-Kopplung von

H-2’ zu H-3’, die HMBC-Kopplungen von H-2’ zu C-1’, C-3’, C-4’ und von H-3’ zu C-

117

Ergebnisse und Diskussion

1’, C-2’, C-4’ und dem charakteristischen Verlust einer CO2-Einheit im

Tochterionenspektrum konnte der Baustein als eine Tetradehydroprolin-Einheit

aufgeklärt werden. Die HMBC-Kopplung von H-4 zu C-1’ und die große chemische

Verschiebung von C-4 (δC 34.3 ppm) im Vergleich zur vergleichbaren Position in der

Verbindung A88696C (δC 28.7 ppm)[80] konnte die Verknüpfung der Einheit an C-4

bestätigen. Die Struktur von TÜ 6392 D ist in Abbildung 67 zusammenfassend

dargestellt.

O

H3CCH3

CH3

OH

CH3H3C

O

1

3

57

9

12

15

16

1718

1920

22

O

OH

HN1'

3'

5'

Abbildung 67: Strukturformel von TÜ 6392 D.

7.5.4 Biologische Aktivität

Die Arbeiten zur Bestimmung der biologischen Aktivität gegen Gram-positive und

Gram-negative Bakterien, Eukaryoten, humane Krebszelllinien und ausgewählte

Enzyme werden von Dr. Dirk Schulz in der Arbeitsgruppe von Prof. Johannes F.

Imhoff im Kieler Wirkstoffzentrum KiWiZ am Institut für Meereswissenschaften IFM-

Geomar koordiniert und dauern zum Zeitpunkt dieser Dissertation an. Bisher konnte

die molekulare Zielstruktur bzw. eine entsprechende biologische Aktivität von TÜ

6392 D nicht gefunden werden.

118

Ergebnisse und Diskussion

7.6 Diskussion

Die Verbindung TÜ 6392 D besitzt hohe strukturelle Ähnlichkeit zu dem Antibiotikum

A88696 C (Abbildung 68). Dieses wurde Anfang der 1990er Jahre bei einem

biologischen Screening zur Entdeckung neuer gastrischer Adenosintriphosphatasen

(ATPase) in den Lilly Research Laboratories strukturaufgeklärt.[80] ATPasen stellen

durch Hydrolyse von Adenosintriphosphat (ATP) zu Adenosindiphosphat (ADP)

Energie zur Verfügung, wodurch weitere enzymatische Prozesse im Körper ablaufen

können. Gastrische H+/K+-ATPasen sind im Magen für die Regulierung des

Säuregehaltes zuständig. Durch eine Fehlfunktion dieser Protonenpumpen ist der

Säurehaushalt des Magens lokal gestört. Kommt hierzu eine Infektion der

Magenschleimhaut, meist durch das Bakterium Heliobacter pylori, führt dies zu einer

Gastritis (Magenschleimhautentzündung).[86] Zur Behandlung einer Gastritis werden

daher häufig Protonenpumpen-Inhibitoren verabreicht, in Kombination mit einer

Heliobacter pylori-Infektion zusätzlich Antibiotika. Der wichtigste Protonenpumpen-

Inhibitor Omeprazol bzw. seine enantiomerenreine S-Form Esomeprazol ist in

Abbildung 68 gezeigt.[87]

a) b)

O

H3CCH3

CH3

OH

CH3H3C

O

Abbildung 68: Strukturformel von a) A88696 C und b) Esomeprazol.

Protonenpumpen-Inhibitoren wirken durch die kovalente Bindung an die gastrischen

H+/K+-ATPasen und blockieren somit die Funktion des Enzyms.[88] Der Naturstoff

A88696C zeigte in vitro ebenfalls eine Inhibierung von Protonenpumpen. Aufgrund

der strukturellen Ähnlichkeit von TÜ 6392 D ist eine vergleichbare Wirkung nicht

ausgeschlossen. Leider konnte aufgrund des äußerst speziellen biochemischen

119

Ergebnisse und Diskussion

Testaufbaus eine Testierung gegen gastrische H+/K+-ATPasen nicht realisiert

werden.[89]

Eine weitere strukturelle Ähnlichkeit besitzt TÜ 6392 D gegenüber den

Abyssomicinen (Abbildung 69). Diese wurden zuerst im Jahr 2004 in unserer

Arbeitsgruppe aus dem Actinomyceten Verrucosispora AB 18-032 isoliert und

strukturaufgeklärt.[85]

120

a) b)

O

CH3H3C

O

O

O

OH

CH3

HO

O

N

O

CH3H3C

O

O

O

OH

CH3

O

d) c)

Abbildung 69: Strukturformeln des a) Abyssomicin B, b) C, c) D und d) E.[85, 90]

Als weiterer Vertreter der Gruppe der Abyssomicine wurde im Jahr 2007 das

Abyssomicin E aus einem Streptomyceten isoliert.[90] Das Abyssomicin besitzt im

Vergleich zu TÜ 6392 D zusätzlich ein Oxabicyclo[2.2.2]octansystem, welches

wahrscheinlich durch eine nukleophilen Angriff des 2-OH an C-13 entsteht. Seine

antibiotische Wirkung beruht auf der Inhibierung der Biosynthese von para-

Aminobenzoesäure (pABA), indem es beide für die Konvertierung von Chorismat in

pABA verantwortlichen Enzyme, die 4-Amino-4-deoxychorismat-Synthase (ADC-

Synthase) und die 4-Amino-4-deoxychorismat-Lyase (ADC-Lyase) hemmt.[91] In dem

postulierten Mechanismus beruht die Bioaktivität des Abyssomicins auf der

OH

CH3H3C

O

O

O

OH

CH3

O OH

CH3H3C

HO

O O

OO

H3CO

CH3

OH

Ergebnisse und Diskussion

offensichtlichen Ähnlichkeit des Oxabicyclooctansystems zur Konformation des

Chorismats in Lösung (Abbildung 70).

COOH

O

HO

HOOC

COOH

OH

O

COOH

=

Abbildung 70: Diaxiale Konformation von Chorismat in wässriger Lösung.

Des Weiteren scheint das Michael-System an C7 – C9 für die antibakterielle Aktivität

verantwortlich zu sein, vergleichbar mit dem Michael-System des Piceamycins. Das

antibiotisch inaktive Abyssomicin B besitzt ähnlich wie das N-Acetylcystein-

Piceamycin eine Substitution an dieser Stelle, einhergehend mit dem Verlust der

Bioaktivität.

Die Biosynthese von pABA ist essentieller Teil der Biosynthese von

Tetrahydrofolaten.[92] Aufgrund des Vorkommens dieses Biosynthesewegs in

Bakterien, Pilzen und Pflanzen, jedoch nicht in Menschen, ist die para-

Aminobenzoesäuresynthese ein bevorzugtes Ziel für Antibiotika. Aufgrund der

strukturellen Ähnlichkeit zu den Abyssomicinen sollte die Verbindung TÜ 6392 D

ebenfalls gegen die Aminodesoxychorismat-Synthase getestet werden. Die Arbeiten

hierzu dauern zum Zeitpunkt der Dissertation an.

Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit kann ausgehend von der Biosynthese von

Abyssomicin C die Biosynthese von TÜ 6392 D postuliert werden. Die Biosynthese

von Polyketiden wird historisch gesehen in drei Gruppen aufgeteilt, welche aufgrund

ihrer Abfolgen und der Art ihrer Enzyme charakterisiert werden. Polyketidsynthasen

des Typs I (PKS-I) sind in Modulen organisierte Enzyme, wobei jeses Modul für einen

kettenverlängerten Schritt verantwortlich ist. Bei Polyketidsynthasen des Typs II

(PKS-II) handelt es sich hingegen um Multienzymkomplexe, die aus einem einzigen

Satz von iterativ wirkenden Enzymen bestehen und meist hocharomatische

Polyketide produzieren. Polyketidsynthasen des Typs III (PKS-III) besitzen im

Vergleich zu den beiden vorher genannten PKS einen etwas anderen

Biosyntheseweg. Während bei Typ I- und Typ II-Polyketidsynthasen die Bausteine

zunächst durch eine Addition an eine Phosphopantetheineinheit eines

121

Ergebnisse und Diskussion

Acylcarrierproteins (ACP) aktiviert werden muß, können die Enzyme der Typ-III

Polyketidsynthasen (PKS-III) die Substrate direkt umsetzen.

Bei den Abyssomicinen handelt es sich um Produkte der Typ-I Polyketidsynthase.

Aufgrund von durchgeführten Fütterungsexperimenten konnte der Ursprung jedes

einzelnen Kohlenstoffatoms des Abyssomicins aufgeklät werden. Insgesamt wird

Abyssomicin C aus zwei Propionat-, einer Glucose- und fünf Acetateinheiten

zusammengesetzt. Zu der Verbindung TÜ 6392 D kann ebenfalls eine Hypothese zur

Biosynthese aufgestellt werden, ausgehend auf einem strukturchemischen Vergleich

von Abyssomicin C und TÜ 6392 D. Eine Hypothese zum Aufbau des linearen

Polyketidvorläufers von TÜ 6392 D ist in Abbildung 71 gezeigt.

O

KS AT ACP KS AT

DH KR

ACP

SO

KS

SO

AT

DH KR

ACP KS

SO

AT

DH KR

ACP KS

SO

ER

AT

DH KR

ACP KS

S

ER

O

AT

DH KR

ACP KS

S

ER

O

AT

DH KR

ACP

S

ER

BeladungModul 1

Modul 2Modul 3

Modul 4Modul 5

Modul 6

Abbildung 71: Hypothese zum Aufbau des linearen Polyketidvorläufers von TÜ 6392 D.

Das Kohlenstoffgerüst von TÜ 6392 D wird linear von einer Typ-I Polyketidsynthase

aus fünf Propionat- und zwei Acetateinheiten synthetisiert. Zunächst wird eine

Propionateinheit mit der Beladungseinheit verknüpft, anschließend erfolgt die

zweifache Kettenverlängerung mit Propionateinheiten, welche beide zum Alken

reduziert werden. Die folgende Kettenverlängerung erfolgt durch einen

Acetatbaustein, welcher vollständig zum Alkan reduziert wird. Im Anschluß erfolgt

durch Modul 4 und 5 die Verknüpfung von zwei weiteren Propionateinheiten, welche

ebenfalls beide vollständig reduziert werden. Abschließend wird eine weitere

Acetateinheit als siebter Baustein angefügt und ebenfalls vollständig reduziert.

122

Ergebnisse und Diskussion

Zuletzt wird die Enolpyruvateinheit eingebaut und dabei gleichzeitig der lineare

Baustein vom dem Multienzymkomplex getrennt. Für das Abyssomicin wurden zwei

unterschiedliche Mechanismen zur Verknüpfung vorgeschlagen, welche beide zum

gewünschten Produkt führen (Abbildung 72). Zum einen kann die Freisetzung der

linearen Polyketidkette durch den nucleophilen Angriff der Hydroxygruppe des

Enoylpyruvats stattfinden, bei der ein Ester gebildet wird. Im Anschluß findet die

Cyclisierung zur Tetronsäureeinheit statt.

O S

ACP

HO

SOACP

O O

O SACP

OO

OH

O S

ACP

HO

SOACP

O SOH

OO

OH

OH

ACP

Glykolyse Glykolyse

a) b)

Abbildung 72: Hypothese zur Biosynthese des linearen Tetronatbaustein von TÜ 6392 D

nach a) Jia et al.[93], b) nach Keller et al.[94]

Beim alternativen Mechanismus erfolgt zunächst ein nukleophiler Angriff der

Polyketidkette auf die Enolpyruvateinheit unter Ausbildung einer Kohlenstoff-

Kohlenstoff-Bindung, im Anschluß würde das Lacton gebildet werden. Zur

Ausbildung des Spirotetronats erfolgt dann zwischen der exozyklischen

Doppelbindung des Tetronatbausteins und den beiden Doppelbindungen des

Olefinrests eine Diels-Alder-Reaktion. Im letzten Schritt erfolgt die Addtion einer

formalen Tetradehydroprolineinheit an C-4 von TÜ 6392 D (Abbildung 73).

123

Ergebnisse und Diskussion

OO

HO

O

O

HO

HN

O

OH

[4+2]-Cyclo-Addition

O

O

HO

HN

O

HO

Abbildung 73: Hypothese zur Zyklisierung des linearen Vorläufers analog zur Abyssomicin-

Biosynthese.[94]

124

Experimenteller Teil

125

8 Experimenteller Teil

8.1 Chemisches Screening mittels HPLC-DAD

Die Sekundärstoffanalytik wurde mit einer Methode, die von Fiedler et al. 1993

etabliert wurde, durchgeführt.[33] Die HPLC-DAD-Experimente wurden mit einer

Agilent HP 1090M Anlage mit thermostatisiertem Autosampler und Diodenarray

Detektor (Agilent Technologies, Waldbronn) durchgeführt. Sofern nicht anders

angegeben, wurden als Detektionswellenlängen = 210, 230, 260, 280, 310, 360,

435, 500 nm und als Pilotwellenlänge = 210 nm gewählt. Die Flussrate lag bei

2 mL/min. Injiziert wurden jeweils 10 µL Analytlösung. Die verwendeten Parameter

sind in Tabelle 10 zusammengefasst.

Die unterschiedlichen Sekundärmetabolite wurden anhand ihres UV/Vis-Spektrums

und ihrer Retentionszeiten charakterisiert. Die UV/Vis-Spektren wurden mit den

Spektren der HPLC-UV/Vis-Datenbank der Arbeitsgruppe Fiedler verglichen,[33] um

auszuschließen, dass bereits bekannte Substanzen isoliert werden.

Tabelle 10: HPLC-Parameter für die Sekundärstoffanalytik.

Säulenmaterial Korn-

größe

Maße der

Hauptsäule

Maße der

Vorsäule Mobile Phase Gradient

Nucleosil 100 C-18

(Maisch,

Ammerbuch)

5 µm 125 mm x

4.6 mm I.D.

20 mm x

4.6 mm I.D.

0.1 % H3PO4

(A),

CH3CN (B)

0 % - 100 %

B in 15 min

8.2 HPLC-DAD-ESI-Massenspektroskopie

Für die massenspektrometrischen Experimente wurde ein QTRAP 2000-

Massenspektrometer (MDS Sciex/Applied Biosystems, Darmstadt), das mit

Elektrospray-Ionisation ausgestattet ist, verwendet. Das Massenspektrometer wurde

mit der Analyst-Software Version 1.4.1 gesteuert und alle Experimente mit dieser

Software ausgewertet.

Experimenteller Teil

126

Gekoppelt wurde das Massenspektrometer mit einer Kapillar 1100-HPLC-Anlage von

Agilent Technologies (Waldbronn) mit DAD-Detektor. Die Flussrate betrug 60 µL/min.

Injiziert wurden 10 µL. Eine Zusammenfassung der Parameter ist in Tabelle 11

angegeben. Ein Gradient von 0 % B bis 100 % B in 10 min wurde als

Routinegradient verwendet.

Tabelle 11: HPLC-Parameter für die Kapillar-HPLC-DAD-ESI-MS-Kopplung.

Säulenmaterial Partikel-

größe

Poren-

größe Säulemaße Mobile Phase

Luna RP C-18

(Phenomenex,

Aschaffenburg)

3 µm 100 Å 50 mm x

1 mm I.D.

H2O + 0.1 % HCOOH (A),

MeOH + 0.1 % HCOOH (B)

8.3 GC-MS

Sämtliche GC-MS-Experimente wurden von Dipl.-Ing. Graeme Nicholson am Institut

für Organische Chemie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen durchgeführt.

Die entsprechenden Proben (ca. je 100 µg) wurden unter Stickstoff hydrolysiert

(200 µL 6 N HCl und 5 µL Phenol, 110 °C, 24 h) und das Hydrolysat im

Stickstoffstrom zur Trockne eingeengt. Das Hydrolysat wurde mit 200 μL 15 %

Acetylchlorid in abs. Ethanol für 30 min bei 110 °C behandelt und im Stickstoffstrom

zur Trockne eingeengt. Anschließend wurde mit 100 μL Dichlormethan und 50 μL

Trifluoressigsäureanhydrid für 10 min bei 110 °C behandelt, wieder zur Trockne

gebracht und mittels eines Agilent 5975 GC-MS (Agilent Technologies, Waldbronn)

mit einer Chirasil Kapillarsäule (20 m x 0.25 mm, 0.13 μm Filmdicke) analysiert.

Experimenteller Teil

127

8.4 ESI-FT-ICR-Massenspektrometrie

Die hochauflösenden Massenspektren wurden von Dipl.-Ing. Graeme Nicholson an

der Universität Tübingen durchgeführt. Für die ESI-FT-ICR-MS-Messung wurde ein

APEX II FT-ICR-Massenspektrometer (Bruker-Daltonics, Bremen) mit Elektrospray-

Ionisierung im Positivionenmodus verwendet. Die Proben wurden in Methanol in

einer Konzentration von ca. 1 µg/mL gelöst.

8.5 HPLC-ESI-FT-Orbitrap-Massenspektrometrie

Weitere hochauflösende Massenspektren, ergänzend zur ESI-FT-ICR-

Massenspektrometrie, wurden an der Technischen Universität Berlin an einer LTQ

Orbitrap XL (Thermo Scientific, Bremen) mit Elektrospray-Ionisierung durchgeführt.

Dem Massenspektrometer wurde zur chromatographischen Trennung eine Agilent

1200 HPLC-Anlage (Agilent Technologies, Waldbronn) vorgeschaltet. Die genauen

chromatographischen Parameter sind in Tabelle 12 gezeigt. Die Flussrate betrug 1.0

mL/min. Injiziert wurden 10 µL. Ein Gradient von 5 % B bis 100 % B in 25 min wurde

als Routinegradient verwendet. Zur Auswertung der HPLC-MS-Spektren wurde die

Software Xcalibur des Geräteherstellers verwendet.

Tabelle 12: Verwendete HPLC-Parameter für die ESI-FT-Orbitrap-MS-Kopplung.

Säulenmaterial Partikel-

größe

Poren-

größe Säulemaße Mobile Phase

Eclipse XDB-C18

(Agilent, Waldbronn) 5 µm 100 Å

150 mm x

4.6 mm I.D.

H2O + 0.1 % HCOOH (A),

MeOH + 0.1 % HCOOH (B)

Experimenteller Teil

128

8.6 NMR-Spektroskopie

Für die NMR-spektroskopischen Experimente wurde ein DRX 500 NMR-

Spektrometer (Bruker, Karlsruhe) mit einem BBI-Probenkopf mit z-Gradienten

verwendet. Zur Auswertung aller ein- und zweidimensionaler Spektren wurde die

Topspin-Software verwendet. Die chemischen Verschiebungen sind in δ-Werten

(ppm) relativ zum Restsignal der undeuterierten Lösungsmittelanteile angegeben.

Die Kopplungskonstanten J sind in Hertz (Hz) angegeben. Das Lösungsmittel ist

zusammen mit den spektroskopischen Daten aufgeführt. Die Spektren wurden,

sofern nicht anders angegeben, bei 298 K aufgenommen. Die 13C-NMR-Spektren

wurden mit einer 1H-Breibandentkopplung aufgenommen.

Abkürzungen

129

9 Anhang

9.1 Abkürzungsverzeichnis

Å Ångström

ACP acyl carrier protein

AT Acyltransferase

ATP Adenosintriphosphat

ADP Adenosindiphosphat

COSY correlated spectroscopy

CRM charged residue model

Da Dalton

DAD Dioden Array Detektor

DBE Doppelbindungsäquivalente

DEPT distortionless enhancement by polarisation transfer

DH Dehydratase

DNA Desoxyribonucleinsäure

DMSO Dimethylsulfoxid

DQF-COSY COSY mit Doppelquantenfilter (double quantum filtered

COSY)

EMS enhanced MS

EPI enhanced product ion scan

ER Enoylreduktase

ESI Elektrospray-Ionisation

FID free induction decay

FT-ICR-MS Fourier-Transform-Ionen-Zyklotron-

Massenspektrometer/Massenspektrometrie

Abkürzungen

130

GC Gaschromatographie

HMBC heteronuclear multiple bond correlation

HMQC heteronuclear multiple quantum coherence

HPLC High performance liquid chromatography

(Hochleistungsflüssigkeitschromatographie)

HSQC heteronuclear single quantum coherence

Hz Hertz

IC50 mittlere inhibitorische Konzentration

I.D. Innendurchmesser

IEM ion evaporation model (Ionenevaporationsmodell)

J Kopplungskonstante

K Kelvin

KR Ketoreduktase

KS Ketosynthase

LC Flüssigkeitschromatographie

m Masse

m/z Masse zu Ladungs-Verhältnis

MALDI Matrix-assisted laser desorption/ionisation (Matrix-

unterstützte Laserdesorption/Ionisation)

mAU milliabsorbance units

MeOH Methanol

MHz Megahertz

MIC minimale Hemmkonzentration

min Minuten

mL Milliliter

MLEV Entkopplungssequenz nach Malcom Levitt

mm Millimeter

Abkürzungen

131

MS Massenspektrometer/Massenspektrometerie

nm Nanometer

NMR nuclear magnetic resonance (Kernspinresonanz)

NOESY nuclear overhauser enhancement spectroscopy (Kern-

Overhauser-Effekt-Spektroskopie)

PKS Polyketidsynthase

ppm parts per million

RNA Ribonucleinsäure

RP reversed phase (Umkehrphase)

Rt Retentionszeit

T Temperatur

TIC Totalionenchromatogramm

TOCSY total correlated spectroscopy

TOF time of flight

TPPI time proportional phase increment (zur Evolutionszeit

proportionales Phaseninkrement)

UV ultraviolettes Licht

Vis sichtbares Licht

XIC extracted ion chromatogram

Wellenlänge

Literaturverzeichnis

132

9.2 Literaturverzeichnis

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136

Anhang

137

9.3 NMR-spektroskopische Daten der in dieser Arbeit

strukturaufgeklärten Verbindungen

9.3.1 Piceamycin

Tabelle 13: 1H- and 13C-NMR-Signale von Piceamycin und N-Acetyl-Piceamycin in DMSO-d6

(* aus HMBC erhalten).

Piceamycin N-Acetyl-Piceamycin

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm] δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm]

1 - 164.4 - 165.8

2 5.08 (d, 11.4) 122.5 5.57 (d, 10.1) 122.8

3 6.22 (t, 11.8) 132.5 6.66 (t, 15.6) 131.1

4 7.21 (t, 11.7) 124.2 6.66 (t, 15.6) 123.3

5 6.10 (dd, 10.1, 14.6) 133.8 5.86 (t, 11.7) 133.9

6 6.00 (m) 121.3 6.42 (m) 121.8

7 6.00 (m) 143.9 5.64 (d, 15.2) 143.2

8 - 43.4 - 41.3

9 2.42 (d, 5.53) 49.2 2.33; 2.53 (d, 19.6) 48.1

10 - 202.7* - 204.5*

11 - 154.3* - 156.3*

12 - 138.6 - 138.1

13 - 191.8 - 196.5

14 7.24 (m) 129.2 2.49 (m) 45.5

7.07 (dd, 11.2, 15.2) 142.4 3.48 (dd, 12.1; 14.8) 45.5

15 6.56 (dd, 11.1, 14.7) 129.8 3.79 (dt, 11.2, 2.96) 43.9

16 7.22 (m) 138.5 5.24 (dd, 10.4; 14.8) 132.7

17 6.20 (t, 10.9) 127.7 6.35 (dd, 11.4; 14.5) 127.9

18 6.34 (t, 10.2) 134.2 5.82 (t, 11.1) 127.6

19 6.65 (m) 127.2 5.92 (t, 10.2) 130.1

20 6.61 (m) 132.2 6.44 (m) 127.6

21 6.06 (t, 9.9) 129.3 6.44 (m) 129.5

22 5.14 (t, 10.2) 136.3 6.05 (t, 10.5) 129.3

23 2.68 (m) 33.5 5.11 (t, 10.5) 136.3

24 3.37; 2.65 43.8 3.09 (m) 31.6

25 7.54 (d,10.2) - 2.76 (m) 31.3

1.58 (s) 28.6 3.15 (d, 2.57) 31.3

26-NH 11.2 (s, br) - 7.79 (t, 8.84) -

1’ 0.96 (d, 6.34) 17.8 1.45 (s) 25.0

Anhang

138

2’-OH - - 11.5 (s, br) -

3’ - - 0.92 (d, 6.48) 17.9

1’’ - - 2.74 (m) 31.3

- - 2.63 (dd, 8.57;13.5) 31.3

2’’ - - 4.33 (m) 51.6

3’’ - - - 172.2

4’’-NH - - 8.26 (d, 8.0) -

5’’ - - - 169.4

6’’ - - 1.85 (s) 22.1

Anhang

Ab

bild

un

g 7

4: 1 H

-NM

R-S

pekt

rum

von

Pic

eam

ycin

in D

MS

O-d

6.

139

Anhang

Ab

bild

un

g 75: 13C

-NM

R-S

pektrum von P

iceamycin in D

MS

O-d

6 .

140

Anhang

Ab

bild

un

g 7

6: C

OS

Y-N

MR

-Spe

ktru

m v

on P

icea

myc

in in

DM

SO

-d6.

141

Anhang

Ab

bild

un

g 77: H

MQ

C-N

MR

-Spektrum

von Piceam

ycin in DM

SO

-d6 .

142

Anhang

Ab

bild

un

g 7

8: H

MB

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on P

icea

myc

in in

DM

SO

-d6.

143

Anhang

9.3.2 N-Acetyl-Piceamycin

Ab

bild

un

g 79: 1H

-NM

R-S

pektrum von N

-Acetyl-P

iceamycin in D

MS

O-d

6 .

144

Anhang

Ab

bild

un

g 8

0: 13

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on N

-Ace

tyl-P

icea

myc

in in

DM

SO

-d6.

145

Anhang

Ab

bild

un

g 81: C

OS

Y-N

MR

-Spektrum

von N-A

cetyl-Piceam

ycin in DM

SO

-d6 .

146

Anhang

Ab

bild

un

g 8

2: H

SQ

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on N

-Ace

tyl-P

icea

myc

in in

DM

SO

-d6.

147

Anhang

Ab

bild

un

g 83: H

MB

C-N

MR

-Spektrum

von N-A

cetyl-Piceam

ycin in DM

SO

-d6 .

148

Anhang

149

9.3.3 Aranciamycin-Anhydrid

Tabelle 14: 1H- and 13C-NMR-Signale von Aranciamycin-Anhydrid in CDCl3.

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm]

1 7.88 (d, 7.5) 120.9

2 7.75 (t, 7.9) 138.5

3 7.34 (d, 8.3) 125.3

4 - 163.2

5 - 115.9

6 - 193.2

7 - 119.1

8 - 162.5

9 - 133.3

10 5.19 (d, 2.4) 72.4

11 3.72 (d, 2.5) 85.9

12 - 76.9

13 - 198.9

14 - 136.3

15 8.41 (s) 118.0

16 - 134.0

17 - 180.6

18 - 133.6

1’ 3.54 (s) 60.3

2’ 1.54 (s) 23.1

1’’ 5.65 (s, br) 100.5

2’’ 3.53 (dd, 1.4; 3.6) 80.3

3’’ 3.59 (dd, 3.6; 9.8) 69.6

4’’ 4.87 (dd, 9.8; 9.8) 75.1

5’’ 3.92 (dq, 9.8; 6.2) 67.6

6’’ 1.23 (d, 6.2) 17.7

7’’ 3.56 (s) 59.0

8’’ - 171.8

9’’ 2.77 (m) 31.3

10’’ 2.78 (m) 19.9

11’’ - 142.0

12’’ - 142.6

13’’ - 166.1

14’’ - 165.8

15’’ 2.10 (s) 9.7

Anhang

150

Ab

bild

un

g 84: 1H

-NM

R-S

pektrum von A

ranciamycin-A

nhydrid in CD

Cl3 .

Anhang

Ab

bild

un

g 8

5: 13

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

ranc

iam

ycin

-Anh

ydrid

in C

DC

l 3.

151

Anhang

Ab

bild

un

g 86: C

OS

Y-N

MR

-Spektrum

von Aranciam

ycin-Anhydrid in C

DC

l3 .

152

Anhang

Ab

bild

un

g 8

7: H

SQ

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

ranc

iam

ycin

-Anh

ydrid

in C

DC

l 3.

153

Anhang

154

Ab

bild

un

g 88: H

MB

C-N

MR

-Spektrum

von Aranciam

ycin-Anhydrid in C

DC

l3 .

Anhang

155

9.3.4 Atacamycin A

Tabelle 15: 1H- and 13C-NMR-Signale von Atacamycin A in DMSO-d6.

Atacamycin A

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm]

1 - 165.8

2 5.68 (m) 117.0

3 7.05 (d, 15.6) 149.1

4 - 131.9

5 6.07 (d, 11.0) 139.8

6 6.42 (dd, 11.3, 15.1) 126.1

7 5.87 (dd, 9.0, 14.8) 145.2

8 2.61 (m) 41.3

9 3.49 (dd, 3.9, 8.0) 86.0

10 5.23 (8.0, 15.9) 126.2

11 5.66 (dd, 15.7, 8.3) 135.5

12 2.72 (m) 35.7

13 3.69 (9.4, 5.2) 72.7

14 2.94 (t, 9.0) 74.6

15 4.40 (d, 10.4) 73.6

16 5.51 (t, 10.9) 126.9

17 6.24 (t, 11.3) 132.8

18 6.62 (dd, 11.7, 14.7) 128.7

19 5.68 (m) 117.1

20 2.48 (m) 37.9

21 5.19 (m) 72.8

22 5.48 (dd, 15.6, 6.0) 128.4

23 5.73 (6.6, 15.7) 134.8

24 2.00 (q, 6.9) 25.2

25 0.93 (t, 7.3) 13.8

26 1.79 (s) 12.4

27 0.96 (d, 6.8) 14.2

28 3.16 (s) 56.0

29 1.07 (d, 6.9) 16.6

30-OH 4.58 (d, 5.2) -

31-OH 4.56 (d, 8.9) -

32 3.13 (s) 55.7

Anhang

Ab

bild

un

g 89: 1H

-NM

R-S

pektrum von A

tacamycin A

in DM

SO

-d6 .

156

Anhang

Ab

bild

un

g 9

0: 1

3 C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in A

in D

MS

O-d

6.

157

Anhang

Ab

bild

un

g 91: C

OS

Y-N

MR

-Spektru

m von A

tacamycin A

in DM

SO

-d6 .

158

Anhang

Ab

bild

un

g 9

2: H

MQ

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in A

in D

MS

O-d

6.

159

Anhang

Ab

bild

un

g 93: H

MB

C-N

MR

-Spektrum

von Atacam

ycin A in D

MS

O-d

6 .

160

Anhang

Ab

bild

un

g 9

4: :

NO

ES

Y-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in A

in D

MS

O-d

6 m

it ei

ner

d8-M

isch

zeit

von

500m

s.

161

Anhang

162

9.3.5 Atacamycin B

Tabelle 16: 1H- and 13C-NMR-Signale von Atacamycin B in DMSO-d6.

Atacamycin B

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm]

1 - 165.7

2 5.71 (m) 116.5

3 7.02 (d, 15.5) 148.7

4 - 130.7

5 6.02 (d, 11.3) 139.3

6 6.33 (dd, 11.7, 15.6) 122.7

7 6.13 (dd, 5.7, 15.5) 146.3

8 2.32 (m) 33.9

9 2.20, 1.70 (m) 41.2

10 5.38 (m) 126.9

11 5.34 (dd, 15.5, 8.1) 133.7

12 2.62 (m) 37.1

13 3.56 (m) 72.8

14 3.04 (t, 9.1) 74.1

15 4.44 (d, 10.5) 72.8

16 5.55 (t, 10.7) 126.3

17 6.28 (t, 11.1) 131.7

18 6.64 (dd, 11.7, 14.7) 127.7

19 5.71 (m) 134.5

20 2.50 (m) 37.9

21 5.11 (m) 72.3

22 5.49 (dd, 15.6, 6.0) 127.4

23 5.74 (m) 134.0

24 2.01 (q, 6.8) 24.4

25 0.94 (t, 7.4) 12.9

26 1.80 (s) 11.7

27 1.07 (d, 6.6) 18.6

28 - -

29 1.01 (d, 7.2) 18.2

30-OH 4.58 (d, 5.8) -

31-OH 4.30 (d, 9.0) -

32 3.13 (s) 55.1

Anhang

Ab

bild

un

g 9

5: 1H

-NM

R-S

pekt

rum

von

Ata

cam

ycin

B in

DM

SO

-d6.

163

Anhang

Ab

bild

un

g 96: 13C

-NM

R-S

pektrum von A

tacamycin B

in DM

SO

-d6 .

164

Anhang

Ab

bild

un

g 9

7: C

OS

Y-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in B

in D

MS

O-d

6.

165

Anhang

Ab

bild

un

g 98: H

MQ

C-N

MR

-Spektrum

von Atacam

ycin B in D

MS

O-d

6 .

166

Anhang

Ab

bild

un

g 9

9: H

MB

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in B

in D

MS

O-d

6.

167

Anhang

168

9.3.6 Atacamycin C

Tabelle 17: 1H- and 13C-NMR-Signale von Atacamycin C in DMSO-d6.

Atacamycin C

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm]

1 - 165.7

2 5.70 (d, 15.5) 133.5

3 7.02 (d, 15.5) 148.7

4 - 130.9

5 6.06 (d, 11.2) 139.3

6 6.33 (dd, 11.2, 15.2) 122.9

7 6.13 (dd, 5.3, 15.2) 145.8

8 2.32 (m) 34.3

9 2.23, 1.68 (dt, 13.0, 3.1) 41.2

10 5.33 (m) 127.7

11 5.33 (m) 134.2

12 1.97 (m) 43.4

13 3.72 (s, br) 68.9

14 1.40 (dd, 4.6, 6.8) 43.3

15 4.36 (m) 71.2

16 5.07 (t, 10.7) 129.3

17 6.18 (t, 10.7) 131.1

18 6.61 (dd, 10.7, 14.7) 127.6

19 5.68 (m) 132.8

20 2.48 (m) 37.9

21 5.12 (m) 72.6

22 5.49 (dd, 15.7, 6.0) 127.5

23 5.74 (m) 134.1

24 2.01 (q, 7.0) 24.4

25 0.93 (t, 7.4) 12.8

26 1.80 (s) 11.6

27 1.07 (d, 6.6) 18.5

28 - -

29 1.00 (d, 6.8) 19.0

30-OH 4.49 (d, 4.6) -

31-OH - -

32 3.11 (s) 54.7

Anhang

Ab

bild

un

g 1

00: 1

H-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in C

in D

MS

O-d

6.

169

Anhang

Ab

bild

un

g 101: 13C

-NM

R-S

pektrum von A

tacamycin C

in DM

SO

-d6 .

170

Anhang

Ab

bild

un

g 1

02: C

OS

Y-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in C

in D

MS

O-d

6.

171

Anhang

Ab

bild

un

g 103: H

MQ

C-N

MR

-Spektrum

von Atacam

ycin C in D

MS

O-d

6 .

172

Anhang

Ab

bild

un

g 1

04: H

MB

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on A

taca

myc

in C

in D

MS

O-d

6.

173

Anhang

174

9.3.7 TÜ 6392 A2

Tabelle 18: 1H- and 13C-NMR Signale von TÜ 6392 A2 in DCM-d2 bei 273 K.

TÜ 6392 A2

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm], mult.

1 - 171.6 (s)

2 - 137.1 (s)

3 6.15 (1H, s) 135.1 (d)

4 - 134.2 (s)

5 5.93 (1H, d, 11.3) 137.2 (d)

6 6.42 (1H, dd, 11.3, 15.6) 127.0 (d)

7 6.03 (1H, dd, 11.3, 15.6) 135.9 (d)

8 6.28 (1H, dd, 11.3, 15.0) 127.7 (d)

9 5.82 (1H, d, 15.0) 141.7 (d)

10 - 77.8 (s)

11 4.07 (1H, d, 5.9) 88.8 (d)

12 5.61 (1H, dd, 5.9, 11.2) 125.7 (d)

13 6.29 (1H, t, 11.2) 133.4 (d)

14 6.95 (1H, dd, 11.2, 15.6) 128.9 (d)

15 6.24 (1H, d, 15.6) 137.0 (d)

16 - 136.5 (s)

17 6.24 (1H, d, 11.2) 131.0 (d)

18 6.53 (1H, dd, 11.2, 14.9) 124.3 (d)

19 6.40 (1H, d, 14.9) 137.1 (d)

20 - 139.2 (s)

21 5.72 (1H, dd, 4.4, 11.1) 126.7 (d)

1.98 (1H, m) 22

3.04 (1H, m) 32.3 (t)

23 4.11 (1H, m) 44.6 (d)

24 2.50 (2H, d, 6.9) 36.0 (t)

25 1.60 (1H, tqq, 6.4, 6.7, 6.9) 29.3 (d)

26 0.85 (3H, d, 6.4) 22.4 (q)

27 0.83 (3H, d, 6.7) 22.2 (q)

28 2.03 (3H, s) 15.9 (q)

29 1.14 (3H, s) 24.8 (q)

30 1.76 (3H, s) 12.9 (q)

31 1.70 (3H, s) 12.5 (q)

32 1.21 (3H, d, 6.8) 19.1 (q)

1-NH 5.55 (1H, d, 7.7)

Anhang

175

1’ 4.41 (1H, d, 7.2) 106.7 (d)

2’ 2.76 (1H, dd, 7.2, 7.6) 55.3 (d)

3’ 3.01 (1H, dd, 7.6, 8.1) 85.1 (d)

4’ 3.72 (1H, m) 69.5 (d)

3.23 (1H, dd, 11.1, 11.4) 5’

3.92 (1H, dd, 4.7, 11.4) 65.6 (t)

6’ 3.59 (3H, s) 59.9 (q)

Anhang

Ab

bild

un

g 105: 1H

-NM

R-S

pektrum von T

Ü 6392 A

2 in DC

M-d

2 bei 273 K.

176

Anhang

Ab

bild

un

g 1

06: 1

3 C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on T

Ü 6

392

A2

in D

CM

-d2

bei 2

73 K

.

177

Anhang

Ab

bild

un

g 107: C

OS

Y-N

MR

-Spektrum

von TÜ

6392 A2 in D

CM

-d2 bei 273 K

.

178

Anhang

Ab

bild

un

g 1

08:

HS

QC

-NM

R-S

pekt

rum

von

639

2 A

2 in

DC

M-d

2 be

i 273

K.

179

Anhang

Ab

bild

un

g 109: H

MB

C-N

MR

-Spektrum

von TÜ

6392 A2 in D

CM

-d2 bei 273 K

.

180

Anhang

Ab

bild

un

g 1

10:

: NO

ES

Y-N

MR

-Sp

ektr

um v

on T

Ü 6

392

A2

in D

CM

-d2

bei 2

73 K

mit

eine

r d8

-Mis

chze

it vo

n 50

0ms.

181

Anhang

182

9.3.8 TÜ 6392 D

Tabelle 19: 1H- and 13C-NMR Signale von TÜ 6392 D in MeOD-d4.

TÜ 6392 D

Position δ (1H) [ppm], J in Hz δ (13C) [ppm], mult.

1 - 89.0 (s)

2 - 182.4 (s)

3 - 103.5 (s)

4 4.14 (1H, d, 7.2) 34.3 (d)

5 2.38 (1H, m) 34.6 (d)

6 1.55, 0.88 (2H, m) 42.4 (t)

7 1.23 (1H, m) 27.4 (d)

8 1.04 (2H, m) 37.7 (t)

9 1.43, 1.18 (2H, m) 20.8 (t)

10 1.55, 1.28 (2H, m) 39.5 (t)

11 - 39.9 (s)

12 4.98 (1H, s) 132.5 (d)

13 - 135.6 (s)

14 2.03 (1H, m) 41.9 (d)

15 2.51, 1.62 (2H, dd, 8.4, 14.4) 34.2 (t)

16 - 177.2 (s)

17 0.89 (3H, d, 6.6) 20.1 (q)

18 0.93 (3H, d, 6.8) 21.9 (q)

19 1.15 (3H, s) 22.8 (q)

20 1.70 (3H, s) 22.2 (q)

21 1.66, 1.43 (2H, m) 26.0 (t)

22 0.83 (3H, t, 7.4) 13.3 (q)

1’ - 140.2 (s)

2’ 5.92 (1H, d, 2.7) 109.5 (d)

3’ 6.77 (1H, d, 2.7) 116.8 (d)

4’ - 123.1 (s)

5’ - 164.6 (s)

Anhang

Ab

bild

un

g 1

11: 1

H-N

MR

-Spe

ktru

m v

on T

Ü 6

392

D in

MeO

D-d

4.

183

Anhang

Ab

bild

un

g 112: 13C

-NM

R-S

pektrum von T

Ü 6392 D

in MeO

D-d

4 .

184

Anhang

Ab

bild

un

g 1

13: C

OS

Y-N

MR

-Spe

ktru

m v

on T

Ü 6

392

D in

MeO

D-d

4.

185

Anhang

Ab

bild

un

g 114: H

SQ

C-N

MR

-Spektrum

von TÜ

6392 D in M

eOD

-d4 .

186

Anhang

Ab

bild

un

g 1

15: H

MB

C-N

MR

-Spe

ktru

m v

on T

Ü 6

392

D in

MeO

D-d

4.

187