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XXXIX. Studion tiber Diabetes. "rOll Marcus, Pyrmont. In der Folge habe ich fiber in der Ilydrotherapeutisehen Anstalt dot Universitiit Berlin yon nfir angestellte Untersuehungen zu beriehten, die die Beziehungen des Antitrypsingehalts des Blutes zum l)iabetes mellitus zum Oegonstande haben. WenngIeich diese 1Jntersuehungen nooh nicht zum Absehlusse gekommen sind, haben sic doeh bereits zu einigen be- merkenswerthcn Ergebnissen gefiihrt, die ich schon jetzt zur Ehrung yon Ludwig Brieger, der reich ,vie andere seiner Mitarbeiter oft auf noeh unerforschte wissenschaftliche Pfade hingewiesen und sie uns mit seinem reiehcn Wissen und K6nnen geebnet hat, bel~annt geben m6chte. Die betreffenden Untersuehungen wurden mittels derselben Methode ausgefiihrt, mit der ieh in den letzten Jahren in der Ilydrotherapeutisehen Universitiitsanstalt gearbeitet, und fiber die in den Ver6ffentlichungen aus diesem Institut bereits mehrfaoh yon mir berichtet worden istl). ]oh will an die Methode selber hier nur andeutend erinnern: Ein in be- stimmter Weise yon mir hergestellte,', Trypsin in Lgsung haltender Teat- kiirper ruft, auf eine Loefflerplatte getupff, Dellen hervor; die Dellen bleiben aus, wenn zu dem Testk6rper menschliches Blut in e~nem be- stimmten VerMltniss hinzugesetzt wird; aus dcr Menge des Blutes, die man hinzusetzen muss, um die D ellenbildung zu verhindern, bestimmt man den quantitativen Gehalt des Blutes an Antitrypsin. Auf dieselbe Weise k6nnen aueh andere K6rpersiifte, Secrete und Excrete qualitativ und quantitativ atff Gehalt an Trypsin und Antitrypsin gepriift werden. 31ittels jones Verfahrens hatte ieh bei einer Anzahl yon Diabetes- fiillen eino Vorminderung des Antitrypsins im Blute gefunden, wenn der Diabetes nicht mit noeh anderen schweren L'asionen, wie Nephritis, mit ausgebreiteten Itautaffeetionen (Psoriasis) oder sohr vorgeschrittoner Kachexie complicirt war. Diese Verarraung des Blutes an Antitrypsin beim Diabetes konnte mit tier Steigerung tier Urinausseheidung zusammen- hiingen, und ich stellte deshalb Untersuchungen an, ob in dem Urin Antitrypsin ausgeschieden werde. Das Ergebniss war tin negatives: Der zuckerhaltige Urin hatto keine antitryptisehe Wirkung; denn die Dellen- 1) Borlinerklinisehe Woohonschrift. 1908. No. 14. 1909. No. 4.

Studien über diabetes

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Page 1: Studien über diabetes

XXXIX.

Studion tiber Diabetes.

"rOll

Marcus, Pyrmont.

In der Folge habe ich fiber in der Ilydrotherapeutisehen Anstalt dot Universitiit Berlin yon nfir angestellte Untersuehungen zu beriehten, die die Beziehungen des Antitrypsingehalts des Blutes zum l)iabetes mellitus zum Oegonstande haben. WenngIeich diese 1Jntersuehungen nooh nicht zum Absehlusse gekommen sind, haben sic doeh bereits zu einigen be- merkenswerthcn Ergebnissen gefiihrt, die ich schon jetzt zur Ehrung yon Ludwig Brieger , der reich ,vie andere seiner Mitarbeiter oft auf noeh unerforschte wissenschaftliche Pfade hingewiesen und sie uns mit seinem reiehcn Wissen und K6nnen geebnet hat, bel~annt geben m6chte.

Die betreffenden Untersuehungen wurden mittels derselben Methode ausgefiihrt, mit der ieh in den letzten Jahren in der Ilydrotherapeutisehen Universitiitsanstalt gearbeitet, und fiber die in den Ver6ffentlichungen aus diesem Institut bereits mehrfaoh yon mir berichtet worden istl). ]oh will an die Methode selber hier nur andeutend erinnern: Ein in be- stimmter Weise yon mir hergestellte,', Trypsin in Lgsung haltender Teat- kiirper ruft, auf eine Loefflerplatte getupff, Dellen hervor; die Dellen bleiben aus, wenn zu dem Testk6rper menschliches Blut in e~nem be- stimmten VerMltniss hinzugesetzt wird; aus dcr Menge des Blutes, die man hinzusetzen muss, um die D ellenbildung zu verhindern, bestimmt man den quantitativen Gehalt des Blutes an Antitrypsin. Auf dieselbe Weise k6nnen aueh andere K6rpersiifte, Secrete und Excrete qualitativ und quantitativ atff Gehalt an Trypsin und Antitrypsin gepriift werden.

31ittels jones Verfahrens hatte ieh bei einer Anzahl yon Diabetes- fiillen eino Vorminderung des Antitrypsins im Blute gefunden, wenn der Diabetes nicht mit noeh anderen schweren L'asionen, wie Nephritis, mit ausgebreiteten Itautaffeetionen (Psoriasis) oder sohr vorgeschrittoner Kachexie complicirt war. Diese Verarraung des Blutes an Antitrypsin beim Diabetes konnte mit tier Steigerung tier Urinausseheidung zusammen- hiingen, und ich stellte deshalb Untersuchungen an, ob in dem Urin Antitrypsin ausgeschieden werde. Das Ergebniss war tin negatives: Der zuckerhaltige Urin hatto ke ine antitryptisehe Wirkung; denn die Dellen-

1) Borliner klinisehe Woohonschrift. 1908. No. 14. 1909. No. 4.

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bildung, auf der Loeff[erplatte wurde tinter Zusatz yon Zuckerharn zum TestkSrper nieht anders beeinflusst, als wenn ieh statt "seiner destillirtes Wasser in derselben Menge zum TestkSrper hinzugcsetzt hatte. Ich priifte aueh, ob mit dem Zuckerharn vielleieht Trypsin aus dem KSrper ausgesehieden werde; denn aueh mit der M6gliehkeit musste gerectmet werden, dass die Verlninderung des Antitrypsins im diabetischen Blute dureh den Abgang von Trypsin im Urin hervorgerufen werde, indem der dadureh verringerte fermentative Reiz aueh eine geringere Bildung von Antiferment im Blute zur Folge habe. Aber aueh diese Versuehe fielen negativ aus: der diabetisehe (Jrin braehte keine Dellen auf der Loeffler- platte hervor. Es wurde also weder Trypsin noeh Antitrypsin mit dem diabetisehen Urin ausgesehieden, und die Verminderung des Antitrypsin- gehalts des Blutes konnte demnach nieht auf der gesteigerten Urinaus- scheidung bei dieser Krankheit beruhen.

Eine Reihe anderer Untersuehungen richtete ieh darauf, zu ermitteln, ob die Z u e k c r a u s s c h e i d u n g mil; dem Antitrypsingehalt des Blutes beim Diabetes in Beziehung stehe. Seehs- bis aehtw6ehige Beobaehtung mehrerer Fiille, withrend weleher in regelm'Xssigen Abstiinden der Zueker- gehalt des Urins dureh Polarisation sowohl als dutch Githrung festgestellt und gleiehzeitig der Antitrypsingehalt des Blutes ermittelt wurde, ergab regclmitssig ein umgekehrtes Verhitltniss tier Zuekerausseheidung zum Antitrypsingehalt. War der Zucker im Urin vermindert, so war das Antitrypsin im Blute vermehrt; stieg dec Zuekergehalt, so erwies sieh der Antitrypsingehalt als niedriger. Das war bei den yon mir beob- aehteten Diabetikern- ausnahmslos der Fall, und aus diesem Verhalten ergaben sieh Fingerzeige fiir t h e r a p e u t i s c h e Maassnahmen, die, wenn- gleieh noeh nieht zu Ende gefiihrt, doeh sehon Interesse finden mSchten. Hiingt ng.mlieh die Entstehung, Vermehrung oder Verminderung eines Antiferments mit dem Vorhandensein bezw. der Zu- oder Abnahme des entspreehenden Ferments im KSrper zusammen und zwar dergestalt zu- sammen, dass das Ferment stimulirend auf die Bildung von Antiferment wirkt, so lag die M6gliehkeit vor, dass die Einverleibung von Aryptisehem Ferment das bei Diabetischen verminderte Antitrypsin vermehren wiirde. Eine Zuekerkranke bekam demgemitss eine Woehe lang viermal t~lieh ~/9. TheelSffel Pankreatin, das sic mit etwas doppeltkohlensaurem Natron und Wasser nahm. W/ihrcnd dieser Zeit und hintcrher war aber der Antitrypsingehalt des Blutes nieht nut nieht gestiegen, sondern noo, h mehr herabgesetzt als vorher, und die Zuekerausseheidung hatte dabei zuge- nommen. Bei einer anderen Zuekerkranken, die innerhalb 13'rage 50 g Pankreatin bekommen hatte, war dieselbe Erseheinung eingetreten: welter herabgesetzter Antitrypsingehalt und vermehrter Zuekergehalt des Urins.

Dureh Zufubr von Ferment den Organismus zu gesteigerter Bildung yon Antiferment zu veranlassen, war also nieht gelungcn; ein giinstiges Resultat dagegen hatte ein Versueh, dureh direete Einverleibung von Antitrypsin den herabgesetzten Gehalt des Blutes an dieser Substanz zu steigern.

Wit benutzten zu diesem Zweek ein von Merck hergestelltes, fliissiges Priiparat ,,Leuaofermantin", dessen Antitrypsingehalt den des

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Blutes eines gesunden Mensehen, wie mir vergleichende Versuche gezeigt hatten, um das Doppelto fibertrifft. Der zL, letzt erwiihnten Zuckerkranken wurden an drei auf einander folgenden Tagen je 1, 2 und 3 ccm, im Ganzen also 6 ccm Leucofermantin subcutan eingespri~zt. Die Folge war ein allm/thliches Ansteigen des Antitrypsins im Blute his sehliesslich fiber das Normale und dabci ein ausserordentliches Zuriiekgehen alier Krankheitserscheinungen, und zwar nicht bloss der subjectiven, durch Sehwiichegeffihl, Gliederschmerzen und anderes charakterisirten, sondern auch der objeetiven: Das Aussehen der Patientin wurde ein auffallend besseres, ein bisheriger Foetor et ore sehwand g'g.nzlieh und der Zucker- gehalt des Urins sank stetig. Am zw61ften Tage naeh tier ersten In- jection, an dem ich die Patientin zum letzten Male untersuchen konnte, waren yon anf/tnglich 2,5 pCt. nur noah 0,8 pCt. Zucker im Urin ent- halten. Irgend eine andere Medication hatte unterdessen nicht statt- gehabt, in Sonderheit keine henderung der bisberigen Di'~t.

Es kS~nen aus einem einzigen Falle keine weitergehenden Schltisse gezogen werden; immerhin verdient die auff/tllige Heilwirku1~g, die die EinverleiMng yon Antitrypsin in diesem Diabetesfalle gehabt hat, Be- achtung und fordert zu weiteren Versueben nach dieser Richtung hin auf.

Das Merck'sche Leueofermantin entb'itlt neben der antitryptischen noch andere, fermentative Substanzen und verursacht am 2. bis 4. Tage an der Einstiehstelle der subeutanen Injection ein mehr oder minder starkes Hauterythem. Unsere Untersuchungen in der Hydrotherapeutischen Anstalt tiber die Beziehungen des Antitrypsingchalts des Blutes zum Diabetes und ihre etwaige therapeutische Verwerthbarkeit durch ein ge- eignetes Antitrypsinprii.parat werden fortgesetzt.

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