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Studien Ober Pflanzenkolloide XXlX. Ober die Wanderungsgeschwindigkeit von St rkesubstanzen. Yon M. Samec. Nach Versuchen yon D. Andri6. (Aus dem Chemischen Institut der K6nig-Alexander-Universitiit in Laibach, Jugoslawien.) = (Eingegangen alto 12. Mai 1931.) In Wasser verteilte St~rkesubstanzen sind bekanntlich im all- gemeinen negativ elektrisch geladen. Dies gilt sowohl far grobe Sus- pensionen als auch ffir Kleister und ~olloide L6sungen. Die Bewegung derselben im elektrischen Potentialgef/ille ist jedoch recht verschieden. Wird zum Beispiel eine L6sung yon Kartoffelst~trke unter Druck erhitzt, so braucht man -- bei qualitativ geftihrten Uberftilarungsversuchen (Apparat yon Landsteiner-Pauli) -- eine um so 1/~ngere Zeit, um im Anodenrohr St~rke nachzuweisen, je lXnger das Erhitzen der L6sung gedauert hat. z) Es zeigte sich ferner, dab das Amylopektin viel rascher in der Uberschichtungsfltissigkeit nachweisbar wird als die Amylo- amylosen und diese wieder rascher als die Erythrok6rper. 2) Da die Wanderungsgeschwindigkeit (sowohl vom Standpunkte der Theorie der Ionenwanderung als auch vom Standpunkte der Doppelschicht- theorie) der Ladungszahl der wandernden Teilchen direkt proportional ist, gibt uns die Bestimmung derselben ceteris paribus einen Vergleich der Ladungsverh~ltnisse. Eine Diskussion dieser Frage ist heute nun aus dem Grunde besonders interessant, da sich in letzter Zeit Meinungs- verschiedenheiten fiber den Ursprung der elektrischen Ladung bei Polysacchariden herausgebildet haben. Wir stehen auf dem Standpunkte, dab die mit dem St~irke-Poly- saccharid gekoppelte Phosphors~iure sowie die im Agar gebundene Schwefels~ure far das AusmaB der Ladung wesentlich bestimmend ist und stfitzen uns vielfach auf die Wo. Paulischen Ansichten tiber den z) M. Samec u. F.v. Hoefft, Kolloidchem. Beih. 5, 141 (1913). ~) M Samec u. M. Blinc, Kolloidchem. Beih. 30, 163 (1930).

Studien über Pflanzenkolloide XXIX

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Page 1: Studien über Pflanzenkolloide XXIX

Studien Ober Pflanzenkolloide XXlX. Ober die Wanderungsgeschwindigkeit

von St rkesubstanzen. Yon M. Samec.

Nach Versuchen yon D. Andr i6 . (Aus dem Chemischen Institut der K6nig-Alexander-Universitiit in Laibach,

Jugoslawien.) = (Eingegangen alto 12. Mai 1 9 3 1 . )

In Wasser verteilte St~rkesubstanzen sind bekanntlich im all- gemeinen negativ elektrisch geladen. Dies gilt sowohl far grobe Sus- pensionen als auch ffir Kleister und ~olloide L6sungen. Die Bewegung derselben im elektrischen Potentialgef/ille ist jedoch recht verschieden. Wird zum Beispiel eine L6sung yon Kartoffelst~trke unter Druck erhitzt, so braucht man - - bei qualitativ geftihrten Uberftilarungsversuchen (Apparat yon L a n d s t e i n e r - P a u l i ) - - eine um so 1/~ngere Zeit, um im Anodenrohr St~rke nachzuweisen, je lXnger das Erhitzen der L6sung gedauert hat. z) Es zeigte sich ferner, dab das Amylopektin viel rascher in der Uberschichtungsfltissigkeit nachweisbar wird als die Amylo- amylosen und diese wieder rascher als die Erythrok6rper. 2) Da die Wanderungsgeschwindigkeit (sowohl vom Standpunkte der Theorie der Ionenwanderung als auch vom Standpunkte der Doppelschicht- theorie) der Ladungszahl der wandernden Teilchen direkt proportional ist, gibt uns die Bestimmung derselben ceteris paribus einen Vergleich der Ladungsverh~ltnisse. Eine Diskussion dieser Frage ist heute nun aus dem Grunde besonders interessant, da sich in letzter Zeit Meinungs- verschiedenheiten fiber den Ursprung der elektrischen Ladung bei Polysacchariden herausgebildet haben.

Wir stehen auf dem Standpunkte, dab die mit dem St~irke-Poly- saccharid gekoppelte Phosphors~iure sowie die im Agar gebundene Schwefels~ure far das AusmaB der Ladung wesentlich bestimmend ist und stfitzen uns vielfach auf die Wo. Pau l i schen Ansichten tiber den

z) M. Samec u. F.v. Hoeff t , Kolloidchem. Beih. 5, 141 (1913). ~) M Samec u. M. Blinc, Kolloidchem. Beih. 30, 163 (1930).

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270 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXXIII, HEFT 5--8

Aufbau der Kolloid-ionen; H. R. K r u y t und seine Schule hingegen sehen bei den Polysacchariden kapillarelektrische Phg.nomene als marl-

gebende Aufladungsfaktoren an und glauben die Beteiligung der am

Kolloid festhaftenden Phosphat- bzw. Sulfat-Ionen gegenfiber den ersteren vernachlS;ssigen zu k6nnen. 1)

Wir hatten vielfaeh mit i0nogenen Gruppen gekoppelte Starke-

Substanzen in der Hand und vielfach Produkte, in welchen solche

Gruppen nicht anzunehmen waren, und es ergab sich die Tatsache,

dab die ersteren ausnahmslos elektrochemisch wesentlich aktiver waren

als die letzteren. Wir kSnnen heute kaum entsc!leiden, bis zu welchem

Grade an dieser Aufladung der letzteren eine Dissoziation der St~trke

als SS;ure im Sinne yon L. M i c h a e l i s und P. R o n a 2) und bis zu

welchem Grade eine rein kapillarelektrische Aufladung eine Rolle spielt,

mSchten aber a priori natfirlic!~ aueh diese letztere nicht ausschlieBen. In der vorliegenden Mitteilung vergleichen wir die Wanderungs-

gesehwindigkeit des Kartoffel-Amylopektinsa), der Amyloamylosen und

der Erythroamylosen quantitativ miteinander. Das Kartoffel-Amylopek-

tin unterscheidet sich bekanntlich yon den beiden anderen St~trkeformen

in erster Linie durch seinen Gehalt an PhosphorsS~ure. 4) Wir haben

feststellen k6nnen, dab in L6sungen extrem gereinigten Amylopektins

die potentiometriseh festgestellte H-Ionenaktivit~t in einem guten st6ehiometrischen Verh~ltnis zum Phosphor steht, dab die elektrische

Leitf~higkeit sehr nahe der aus dem Gehalte an aktiven Wasserstoff-

Ionen bereehneten LeitfS~higkeit kommt, dab bei der potentiometrischen Titration zwei DiskontinuitS~ten im Verlaufe der pn-Kurve auftreten, kurz, dab sieh die Kombination St~trke = Phosphors~ture wie eine

zweibasisehe S~ure verh~lt, in weleher der Phosphor die st6ehiometri-

sehen Verh~tltnisse bestimmt. Unsere Amyloamylosen bilden bekanntlich diejenige StS;rke-

fraktion, welehe in Kleistern aus gemahlener St~rke, in durch warmes

Wasser erhaltenen Kleistern oder in kurz unter Druck erhitzten St~rke-

16sungen mit dem kleisterbildenden Anteile (Amylopektin) koexistiert.

Jene St~rkefraktion ist phosphorfrei oder sehr arm an Phosphor (P~O 5 =

0,000 bis 0,004 Pros.), ihre L6sungen leiten den elektrischen Strom nur

1) H. R. Kruyt u. H. G. Bungenberg de Jong, Zeitschr. f. physik. Chem. 100, 250 (1922); H.G. Bungenberg de Jong, Rec. Trav. Chim. Pays Bas 33, 189 (1924) und namentlich H.R. Kruyt u. H.C.J .Tendeloo, Kolloid- chem. Beih. 29, 413 (1929).

2) L. Michaelis u. P. Rona, Biochem. Zeitschr 49, 232 (1913). 8) Aus 2prozentiger x/2 Stunde bei 1200 C bereiteter St~irkel6sung. ~) P.O 5 = etwa 0,175 Proz.

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SAMEC, STUDIEN I.)BER PFLANZENKOLLOIDE XXlX 271

wenig besser als destilliertes Wasser und auch die sonstigen am Amylo- pektin beobachteten S~iure-Eigenschaften fehlen ihr.

Die Erythroamylosen stellen wir durch l~ngerw~hrendes L6sen des Amylopektins in Wasser unter Druek dar. Auch sie enthaIten un- vergleiehlich weniger Phosphor als ihre Muttersubstanz 1) und sind konform damit elektrochemisch wenig aktiv. Zwise!~en den Amylo- k6rpern und den Erythrok6rpern bestehen aber ausgiebige kolloid- ehemisehe und enzymchemisehe Untersehiede. Vor allem deutet das Verhalten der inneren Reibung der Alkohol-Sol-Mischung auf eine st~irkere Hydratat ion und das Verhalten der Salz-Sol-Mischungen auf eine sttirkere Ladung der Amylok6rper bin. 2)

Das Amylopektin ist gegen die beiden anderen hier untersuchten StS~rkesubstanzen aut3er durch den Phosphorgehalt auch dureh eine enorme Hydratat ion untersehieden; letztere bedingt aber eine Ver- gr/5t3erung der bewegten Teilchen und hierdurch eine Abnahme ihrer Beweglichkeit. Wir haben daher ein Gegenspiel zweier Faktoren: die Steigerung der Beweglichkeit infolge Anwesenheit der ionogenen Gruppen R O P O 3 H l und die Bremsung wegen der gr6fieren Hydratation, und es ist a priori nicht abzuschS.tzen, weleher der beiden Faktoren tiberwiegt.

Die Bestimmungen der Wanderungsgeschwindigkeit fiihrten wir nach der Methode yon L. E n g e l und Wol P a u l i 3) (lurch, welche be- kanntlich auf der Hittorfschen Uberftihrung fufit.

Um eine Kontrolle der Versuehsftihrung zu haben, mat3en wir zu- n~tchst die Wanderungsgeschwindigkeit des Jod-Ions in einer 0,01 nor- malen KJ-L6sung. 1 g der L6sung ergab im Mittel 0,00243g AgJ; da das spezifische Gewicht der L6sung bei 9,50 0,99849, betr~tgt, entsprach 1 cm 3 der L6sung 0,009,43 g AgJ. Die elektrische Leitf/ihigkeit der- selben ergab sich zu 1,478 �9 10 -3 rez. Ohm.

Das spezifische Apparatvolumen (9)) wurde mit Hilfe einer Kalium- chloridl6sung ermittelt. 9,69.61g dieser L6sung lieferten im Mittel 1,359,1 g AgC1, ihr spezifisehes Gewicht betrug bei 9.50 1,0459,0. Im spezifischen Apparatvolumen fanden wir im Mittel 1,9.130 g AgCI, woraus sich (p = 8,9.660 cm a berechnete.

Die zu messende K J-L6sung wurde mit einer K 2 S O4-L6sung gleicher LeitfS;higkeit tiberschichtet (etwa 0,5 g auf 1 Liter, dann passend ver- dtinnt) und bei einem Vorversuche zun~ichst nur die Leitf~ihigkeit durch l~ngere Zeit beobachtet. Sie blieb durch 2 Stunden konstang und

1) Bei genfigender Reinigung 0,006 Proz. P205. ~) Vgl. M.Samec u. M.Blinc, Kolloidchem. Beih. 30,163 (1930), M.Samec,

Kolloidchem. Beih. 33, 103 (1931). 3) L. Engel u. Wo. Pauli, Zeitschr. f. physik. Chem. 1116, 247 (1927).

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~7~ KOLLOIDCHEMISCI-~ BEII--IEFrE BAND XXXlII, ~

betrug 1,478 �9 10 "3 rez. Ohm. Als Stromquelle diente eine Akkumulator- batterie von 100 Elementen.

Bei der nun folgenden ersten Bestimmung betrug die durch zeit- liche Mittelbildung erhaltene mittlerc Stromstitrke 2,1725.10 -3 Ampere,

die nach dem Schlieilen der H~ihne und teilweisen Entleeren des Mittelstfickes auftretende Nebenstromst~rke 8 ,84 .10 -5 Ampere, als richtige StromstArke nahmen wit die Differenz 2,084" 10 .3 Ampere

an. Die Versuchsdauer betrug 60 Minuten, die Auswaage an A g J 0,0294 g. Bei der Kontrollbestimmung war die mittlere Stromst~irke 2,1526- 10 "a, die Nebenstromstiirke 8,435" 10 -5 Ampere, die Versuchs-

dauer 60 Minuten und die Auswaage an A g J ebenfalls 0,0294 g.

Nach der Formel W x ( a ) E 1) fanden wir ftir die erste Messung

W = 75,90, far die zweite W = 76,40, im Mittel 76,15.10 -~ cm/sec, bei der Feldst~irke 1 Volt/era. Aus den Werten yon L. E n g e l und Wo. P a u l i berechnet sich W s = 77,3 �9 10 -5 era/see. 2)

Das Amylopektin mailen wir in 0,76 und in 1,22prozentiger L6sung. Es wurde elektrodialytisch extrem gereinigt und enthielt daher Wasser- stoff als Gegenionen. Wit tiberschichteten es mit einer L6sung von Ortho- phosphors~ure (0,2 g auf 1 Liter Wasser). Da die L6sung auiler dem Amylopektin keine andere Substanz enthielt, ermittelten wir den Substanzgehalt durch Abdampfen der L6sung im Vakuum bei 50 o

und Trocknen bis zur Gewichtskonstanz bei 40--500 fiber P205 (etwa 80 Stunden) im Vakuum. Der Widerstand der Fliissigkeitss~ule im Uberftihrungsapparat war etwa 3" l0 s Ohm. Die weiteren Versuchs- daten enth~ilt Tabelle I.

T a b e l l e I. A m y l o p e k t i n . 400 V o l t . 3)

Unter- a c W. 10 .5 Nr. suchungs- K'10"5 E fez. Ohm in in cm pro Coulomb daue r Gramm Gramm Volt/cm

1 2 3 4

2 h

2 h 10" 1 h 3 t

1 ~ 3.'

4,5405 4 , 5 4 0 5

7,37 7,37

0,0674 0,0665 0,1086 0,1083

0,00757 0,00757 0,0122 0,0122

0,4882 0,4394 0,7537 0,6758

5,95 5,38 6,31 6,77

1) ~ = spez. Leiff~ihigkeit in fez. Ohm, c der Substanzgehalt in 1 cm ~ L5sung, a der Substanzgehalt in der Probe nach der 0berfiihrung, q~ das spezifische Apparatvolumen und E die hindurchgegs Elektrizit~itsmenge in Coulomb. E = 7,503 bzw. 7,454.

2) Loc. cit. 3) Mittlere Stromst~irke bei Nr. 1 7,26 bei 2 6,61, bei 3 7,74, bei 4 6,97 �9 10"5A.

Nebenstromst~irken 4,799, 5,17, 5,35 bzw. 5,84.10-6.

Page 5: Studien über Pflanzenkolloide XXIX

SAMEC, STUDIEN I~BER PFLANZENKOLLOIDE X X l X 273

Aus diesen Daten folgt als Wanderun.gsgeschwindigkeit des Amylo- pektins im Mittel W = 6,1 �9 16 .5 cm/sec bei der Feldst~trke 1 Volt/cm.

Wenn schon beim Amylopektin die relativ geringe elektrische Leiff~higkeit die Versuehsftihrung etwas erschwert, so ist dies in vie!

st~rkerem Mafle bei den Amylok6rpern und namentlich bei den Erythro- kSrpern der Fall. Der Widerstand der im Uberftihrungsapparat vor- handenen Ftfissigkeitss~ule betr~gt bei den Amylok6rpern 1) 3,2, bei den ErythrokSrpern 4" 107 Ohm, so dab wir zur Erzielung einer fiber die Versuchsfehler hinausreichenden Stromst~rke mit einer 13atterie von 700 Volt arbeiten mut3ten. Hierdurch ergab sich die Gefahr, dab Iso- lationsfehler das Resultat tfiiben kSnnten; wir schalteten sie dadurch aus, dat3 wir besonders gut isolierten Draht verwendeten, jede Berfihrung der einzelnen DrS;hte ausschlossen und die Dr~hte an Seidenf~tden h~ngen liet3en. So erreichten wir eine mittlere Stromst~trke von rund 4 bis 5 . 1 0 -5 Ampere, ein Ergebnis, welches immerhin eine befriedigende Sch~tzung und namentlich einen gut brauchbaren Vergleich der beiden Lbsungen verbfirgte.

Die Einzeldaten enthalt Tabelle II.

T a b e l l e II.

A m y l o k 6 r p e r .

a c W. 10 .8 Unter- K. in in E suchungs- rez. Ohm Coulomb cm

dauer Gramm Gramm pro sec

2 h 33" 2 h 20" 2 u 30' i0" 2 h 30' 8"

8,990.10 -~ 8,990.10 -~ 8,180.10 "6 8,180.10 "~

0,0501 0,0504 0,0388 0,0390

0,005690 0,005690 0,004514 0,004514

0,5943 0,6513 0,4435 0:4932

7,875 8,160 6,060 6,186

2 h 1' 2 h 15"

E r y t h r o k 6 r p e r .

1,338.10 -5 { 0,0422 0,004994 0,7261 3,369 1,338-10-5 I 0,0424 0,004994 0,7587 3,933

Im Mittel betr/~gt die Wanderungsgeschwindigkeit also

beim Amylopektin . . . . 6,1" 10 -5 cm/see bei der Feldstarke bei den Amyloamylosen 0,7 �9 10 "5 ,, yon bei den Erythroamylosen . 0 , 4 �9 10 -5 ,, 1 Volt/cm

1) Konzentration etwa 0,5 Proz.

Page 6: Studien über Pflanzenkolloide XXIX

274~ KOLLO1DCHEMISCHE BEIHIZFTE BAND XXXIII, HEFT 5--8

II.

Diese Werte sind augerordentlich niedrig, da ja doch W o. P au li 1) zum Beispiel ftir Eiweigk6rper nach SXurezusatz etwa l l - - a 0 . 1 0 -s em/sec und L. E n g e l und Wo. P a u l i ~) far ein Aluminiumoxydsol 36,45, ftir ein Eisenoxydsol 41,31 festgestellt haben.

Unsere an den StS.rkesubstanzen beobachteten Werte deeken sich aber der GrSflenordnung nach mit den Ergebnissen yon H. R. K r u y t und H. J. C. T e n d e l o o a ) , welche durch Beobachtung der wandernden Grenzschicht mittels des Tyndallichtes die Wanderungsgeschwindigkeit yon Starke in Gegenwart yon kleinen Salzmengen gemessen haben. Sie fanden an ,,10slither Stgrke Merck" (Aschengehalt 0,28 Proz.) 4)

zum Beispiel in 5 .10 -4 normalem KC1 als Wanderungsgeschwindigkeit 3,7 �9 10 -s cm/sec per Volt/cm, also etwa die Hglfte unseres am Amylo- pektin beobachteten Wertes.

Unseren Versuchen zufolge ist also die Beweglichkeit des Amylo- pektins etwa 10mal so grog wie die der Amyloamylosen und 20real so grog wie die der Erythrosubstanzen.

Trotz der unvergleichlich stgrkeren Hydratat ion, des gr6geren Teilchenradius also, wandert das Amylopektin t0mal schneller als die durch Entfernen der PhosphorsSiure daraus erhaltenen Erythro- amylosen, welche in det Molgr6ge nach den wiederholt reproduzierten Messungen des osmotischen Druckes mit ihm im wesentlichen tiber- einstimmen. Da der eigentliche Unterschied zwischen dem Amylo- pektin und den Erythroamylosen eben in der Paarung mit Phosphor- sgure liegt, sehen wir in den mitgeteilten Messungen einen neuen Beweis unserer Ansicht, dab die mit dem Polysaccharid gekoppelte Phosphor- s~ture ftir die verschiedenen Eigenschaften der St~rke bestimmend ist.

Der Beweglichkeitswert, welehen H. R. K r u y t und H. J. C. Ten - de l oo ftir Stgrke fanden, liegt zwischen der Wanderungsgesehwindig- keit unseres Amylopektins und der unserer Ainylosen. Dies ist ohne weiteres verstSmdlich, da ~a die kgufliche 16sliehe St~rke 0,11 bis 0,13 Proz. P20~ enthS.lt, also etwa 75 Proz. jener Phosphormenge, welche im I~artoffel-Amylopektin enthalten ist. Aus LSsungen soleher partiell dephosphorylierten St~trken wandert - - wie wir beobachten kSnnen - - tier mit PhosphorsS.ure gekoppelte Anteil voraus, so dab man diesen yon dem nieht gekoppelten Polysaccharid dureh eine passend geftihrte

1) Wo Pauli , Biochem. Zeitschr. 127, 150 (1922). ~) L. Engel u. Wo. Pauli, Zeitschr. L physik. Chem. 19.6, 247 (1927). 3) Kolloidchem. Beih. 9.9, 413 (1929). 4) Vgl.H.G.Bungenberg de )ong , Rec.Trav.Chim.PaysBas4~,189 (1924).

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SAMEC, STUDIEN OBER PFLANZENKOLLOIDE XXlX ~7~

Kataphorese trennen kann. 1) Bringt man nun die ganze St~trkesubstanz als gleichm~t3ig an der Wanderung beteiligt in Reehnung, so muff eine kleinere Wanderungsgeschwindigkeit resultieren. {3berdies enthXlt die H. R. K r u y t s c h e L6sung 0,5 Milli~iquivalente Salz, welches nach- gewiesenermafien die Wanderungsgeschwindigkeit drtickt.

Auch zwischen den Amylo- und Erythroamylosen besteht ein Unterschied in der Wanderungsgesehwindigkeit; die ersten wandern um gut 100 Proz. raseher als die letzteren. Diese Feststellung deckt sich mit unseren seinerzeitigen nur grob durchgeftihrten kataphoretisehen Messungen 2) sowie mit unseren Bestimmungen der inneren Reibung in Gegenwart von Salzen: Die Reibungsdepression dureh KC1 oder BaC12 betrS.gt bei den Amylok6rpern rund 19 Proz., in L6sungen der Erythro- kSrper nut 2 bis 7 Proz. der Anfangsreibung. Weder die Amylo- noch die Erythrok6rper enthalten nennenswerte Mengen yon PhosphorsXure (P205 = 0,005 Proz.), und so entsteht die Frage nach der Ursache dieser versehieden starken Aufladung. Wir gehen nicht fehl, auch hier wie bei anderen Eigensehaften den Grund in der verschiedenen Aus- bildung der O-Ringe und in einer verschiedenen Lagerung der polaren Gruppen (wie OH-, O-) zur Molekel- bzw. Molatoberfl~iche zu suchen. Sehon hierdurch allein k6nnen die elektrischen Ladungsverh~tltnisse wesentlich ver~indert sein. Da aber die SorptionsfS~higkeit (und Hydra- tation) der Amylok6rper viel starker ist als bei den Erythrok6rpern, ist es leicht zu denken, daft der Ladungseffekt bei beiden St~trkesub- stanzen durch besondere Orientierung der Wasserdipole noch dif- ferenter wird.

Diese Versuehe seheinen uns zu beweisen, daft 1. die Koppelung des St~trke-Polysaceharids mit Phosphors/iure einen sehr starken Auf- ladungseffekt hervorbringt und 2., daft die Aufladung des freien Poly- saccharids, soweit sie rein ,,physikaliseher" Natur ist, im Vergleieh zu der durch Bindung von ionogenen Gruppen sehr gering ist.

II1.

Wir ktJnnen nun auf der Basis eines weiteren experimentellen Materials H. R. K r u y t s und unsere Ansicht tiber das Verhalten der Polysaecharide gegentiberstellen. Unser Bild basiert auf der Tatsache, dat3 in Kleister und in L6sungen von Kartoffelst~trke a) ein mit Phosphor-

1) Letzten Endes basiert ja die so gut bew/ihrte elektrodialytische Zerlegung der L6sungen yon Polysacchariden eben auf dem verschiedenen elektrischen Verhalten der Komponenten.

~) M. Samec u. M. Blinc, Kolloidchem. Beih. 30, 163 (1930). 3) und aller zu dieser St/irkegruppe geh6renden St/irkearten.

18

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2 ~ 6 KOLLOIDCHEIVIISCHE BEIHEFTE BAND XXXlll, HEFT 5~8

s/iure gekoppelter Substanzanteil existiert und ein Anteil, welcher frei oder fast frei ist von Phospliors~ture. Ffir die besonders auffglligen Eigenschaften der St/~rkel6sungen, wie die hohe innere Reibung (bzw. die Schleimigkeit), die elektrische Leitf~ihigkeit, den Charakter als Sgure und last not least far das elektrochemische Verhalten, ist eben der Phosphorsgure-Paarling maflgebend. Die mit dem Polysaccharid verbundene Phosphors~ture ionisiert und liefert Wasserstoff- (oder Metallionen) als Gegenionen in L6sung.

Auch die nicht mit Phosphors~ture verbundenen Substanzanteile sind (negativ) elektrisch geladen; die kolloiden und physikochemischen Anderungen dieses Anteiles kommen aber im allgemei~en im Verhalten einer St~trkel6sung viel weniger zum Ausdruek als die Wandlungen des Phosphors~ture-Paarlings.

H. R. K r u y t steht; wie erw~thnt, auf dem Standpunkte, daf die kapillarelektrische Aufladung bei den Polysacchariden der ausschlag- gebende Faktor ist und dab im Vergleich zu dieser der Einflut3 der ionogenen Gruppen (Phosphors~ure in der St~trke, Schwefels/~ure im Agar) keiner besonderen Berfieksichtigung bedarf.

Diese Ansicht sttitzt H. R. K r u y t auf die Tatsache, daft sich das viskosimetrische Verhalten von Agar und von St~trkel6sungen der S m o lu c h o w s k i schen Viskosit/~tsformel anpat3t.

Extrem gereinigter Agar enth~ilt aber nachgewiesenermaBcn 1,09 Proz. Schwefelsaure (SO4) und die liSsliche St~trke 0,13 Proz. Phosphors~ture (P~Os) , und so erscheint dieses Material ftir die Unter- suchung tiber die Existenz und das Ausmat3 des kapillarelektrischen Phgnomens nicht sonderlich geeignet.

Wir hatten in den Amylo- und Erythroamylosen zwei Stgrkeformen in der Hand, welche frei yon Phosphors/~ure und yon anderen ionogenen Gruppen sind, und studierten den Einfluf von Salzen und von Alkohol auf die Viskosit~t dieser Sole ganz im Anschluf an H. G. B u n g e n b e r g de Jong . Es lief sich an den Amyloamylosen eine sehr deutliche und an den Erythroamylosen eine noch nachweisbare Viskosit~ttssenkung durch Salzzusatz feststellenl), und so best~tigten wir die experimentellen Befunde yon H. G. Bu1~genberg de J o n g . Allerdings ergaben sich wesentliche quantitative Unterschiede: bei der (phosphorhaltigen) 16slic!~en St/irke ist die durch Salzzusatz bedingte ViskositS~tssenkung sehr grot3, bei den (mit starken Oberfl~ichenkrMten ausgestatteten) Amyloamylosen noch ausgiebig und bei den (mit geringer Anziehungs- kraft ausgestatteten) Erythroamylosen sehr gering. Gerade bei den

1) M. S a m e c , Kolloidehem. Beih. 83, 119~ (1931).

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SAMEC, STUDIEN OBER PFLANZENKOLLOIDE XXIX ~ 7 7

letzteren mtiBte aber die kapillarelektrische Aufladung am reinsten zum Ausdruck kommen.

Es bestehen an den StXrke- (und Agar-) L6sungen wohl beide Aufladungseffekte zu Reclit; in kleinem AusmaBe der von H. R. K r u y t postulierte physikMisehe, im ausgiebigen Mage der yon uns angenommene ,,chemische".

Auf keinen Fall kSnnten wir abet H. R. K r u y t zustimmen, wenn e re twaannehmenwt i rde , dab d i eH. G. B u n g e n b e r g de Jongschen Versuche die Theorie der Existenz kolloider Ionen und ihrer Um- setzungen in den StArkeiSsungen (oder Agarl6sungen) widerlegt h~tten.

Die Anwesenheit eines Phospl~ors~ure-Paarlings in der St~rke und eines Schwefelsiiure-Paarlings im Agar ist yon so viel Forschern naeh- geprtift und bestXtigt worden, dab heute kaum ein Grund besteht, an ihr zu zweifeln. DaB eine in L6sung vorhandene Organophosphors~ure und OrganoschwefelsXure (soweit sie nicht komplex oder anderweitig maskiert ist) die Umsetzungen einer S~ure zeigen muff, ist a priori auch klar und wurde yon uns durch so viele wiederholt reproduzierte quanti- tative Neutralisationsversuche tiberprtift, dab dartiber auch kein Zweifel besteht. Die Frage ist nur, ob die Ver~nderungen an diesen ionogenen Gruppen die auff~lligen kolloiden Zustands~nderungen der Polysaccharid-Sole bedingen, oder ob diese ver~nderungen ohne meg- bare Wirkung bleiben und die Sehwankungen in den anderweitigen elektrisclaen Ladungen begrtindet sind. In dieser Richtung gehen die Meinungen auseinander. Wir nehmen an, dab beim Ubergang der Amylophosphors~ure oder der Geloseschwefelsliure in Salze undumgekehrt Ladungsiinderungen vorkommen. Vom Standpunkte der namentlich yon W o. P a u l i entwickelten Hypothese fiber Symbasie der elektrischen Ladung und Hydratat ion 1) wtirde sich die ~-nderung der inneren Reibung eben dutch Wandel der Hydratat ion erkl~iren. H. R. K r u y t und H. G. B u n g e n b e r g de J o n g sehen abet in der Anderung des Korrektur-

gliedes ~a I K ( ~ ' ~ q ~ I unmittelbar den Grund ftir die Viskositg.ts,

beeinflussung durch Elektrolyte.

Es scheint uns nieht angezeigt, hier einen Gegensatz aufrecht- erhalten zu wollen. DaB elektriseh geladene Teilchen bei der Bewegung infolge ihrer Ladung eine Bremsung erfahren, erscheint uns ebenso ein- leuchtend, wie dab sie die Wasserdipole um sich orientieren; es wird sich nur zeigen mtissen, ob die S m o l u c h o w s k i s c h e Formulierung, welche

*) Vgl. Wo. Pauli, Elektrochemie der Kolloide, 229ff.

18"

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9 7 8 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEPWE BAND XXXIII, HEFT 5--8

auf einer recht schematischen Auffassung der Doppelschicht fugt, den tats~chlich obwaltenden Verh/iltnissen genfigend gerecht wird.

Zusammenfassung. Wir untersuchten nach der Hi t torfschen Uberfahrungsmethode

mittels der En g e 1- P au li schen Apparatur die Wanderungsgeschwindig- keit des Amylopektins, der Amylo- und Erythroamylosen aus Kartoffel- st~rke. Es zeigte sich, dab das Amylopektin trotz seiner starken Hydra- tation viel rascher wandert als die Amyloamylosen und diese wieder rascher als die Erythroamylosen. Hieraus folgt, dab die mit dem St/~rke- Polysaccharid gekoppelte Phosphors~ture einen GroBteil der elektrischen Aufl~dung bedingt.