12
Studienreise nach Sardinien – ein einzigartiges Erlebnis Nie wird einer, der einmal in Sardinien gewesen ist, dieses Land wieder vergessen. Noch immer erscheinen vor mir vom Wind niedergedrückte Steineichen, vereinzelt mächtige Schirmdächer der Pinien, in allen Blütenfarben leuchtende Oleanderbüsche, silbrig-grüne Olivenbäume, geschälte, zimtfarbene Korkeichen und blühende Feigenkakteen. Sträuche und niedere Bäume bilden die Macchia der Hügel- und gebirgigen Lagen des Mittelmeergebietes, die das Landschaftsbild Sardiniens bestimmen. So verbreitet sich über das Land der würzige Duft der Blüten und Öle: Überall gedeihen die Zistrosen, Rosmarin und Salbei, Thymian und Lavendel, Orchideen und Distelarten. Unübersehbar sind Herden von Schafen, Ziegen, Kühen, Schweinen und Esel. Noch einmal zieht alles Beeindruckende vorüber: Steilhänge, Sandstrände, bizarre Felsbuchten, zerklüftete Gebirge, massive Tafelberge, hügeliges Land und weite Ebenen. Nichts ist umzäunt, alles ist freie Landschaft. Hinzu kommt eine fast ungewöhnliche Geschichte: Diese gewaltigen Steinbauten der Nuragher, Ruinen aus phönizischer und römischer Zeit, romanische Kirchen des Mittelalters. So haben wir uns Sardinien nicht vorgestellt, es war ganz anders. Die Menschen haben wir auf dieser Reise kaum kennengelernt, außer ein paar äußerst freundlichen Bedienungen und Kellnern. Bei einem Reisebericht für alle Teilnehmer und Interessierten kann das Wetter oder die Redekunst der einzelnen Führer und Begleiter nicht berücksichtigt werden, auch interessante persönliche Erlebnisse auf der Reise müssen leider unbeachtet bleiben. Dank gebührt wie immer denen, die in hervorragender Weise geplant und organisiert haben. Da spürt man die langjährige Erfahrung, Kenntnis und auch die Leidenschaft der Begleitpersonen und Verantwortlichen. Auf der 24.000 qkm großen Insel leben etwa 1,7 Millionen Menschen. Die Griechen nannten die Insel „Ichnusa“, den Fußabdruck, italienisch heißt sie Sardegna, die Sarden selbst nennen ihre Heimat Sardinia. Was hat uns hierher gelockt? Nur die so oft angepriesenen weißen Strände an blauer See unter blauem Himmel? Man müsste viel Zeit mitbringen, um die Schönheiten und Besonderheiten genauer kennen zu lernen. Was andere in der ganzen Welt suchen, kann man hier geballt finden. Die Reise begann noch vor Sonnenaufgang. Ein paar Gesichter waren mir vertraut, bin ich doch Alle Fotos: Wolfgang Röder von Dr. Reinhard Worschech

Studienreise nach Sardinien – ein einzigartiges Erlebnis · Studienreise nach Sardinien Studienreise nach Sardinien – ein einzigartiges Erlebnis Nie wird einer, der einmal in

Embed Size (px)

Citation preview

Studienreise nach Sardinien

Studienreise nach Sardinien – ein einzigartiges Erlebnis

Nie wird einer, der einmal in Sardinien gewesenist, dieses Land wieder vergessen. Noch immererscheinen vor mir vom Wind niedergedrückteSteineichen, vereinzelt mächtige Schirmdächerder Pinien, in allen Blütenfarben leuchtendeOleanderbüsche, silbrig-grüne Olivenbäume,geschälte, zimtfarbene Korkeichen undblühende Feigenkakteen.Sträuche und niedere Bäume bilden dieMacchia der Hügel- und gebirgigen Lagen desMittelmeergebietes, die das LandschaftsbildSardiniens bestimmen. So verbreitet sich überdas Land der würzige Duft der Blüten und Öle:Überall gedeihen die Zistrosen, Rosmarin undSalbei, Thymian und Lavendel, Orchideen undDistelarten. Unübersehbar sind Herden vonSchafen, Ziegen, Kühen, Schweinen und Esel.Noch einmal zieht alles Beeindruckendevorüber: Steilhänge, Sandstrände, bizarreFelsbuchten, zerklüftete Gebirge, massiveTafelberge, hügeliges Land und weite Ebenen.Nichts ist umzäunt, alles ist freie Landschaft.Hinzu kommt eine fast ungewöhnlicheGeschichte: Diese gewaltigen Steinbauten derNuragher, Ruinen aus phönizischer undrömischer Zeit, romanische Kirchen desMittelalters. So haben wir uns Sardinien nichtvorgestellt, es war ganz anders. Die Menschen

haben wir auf dieser Reise kaumkennengelernt, außer ein paar äußerstfreundlichen Bedienungen und Kellnern.Bei einem Reisebericht für alle Teilnehmer undInteressierten kann das Wetter oder dieRedekunst der einzelnen Führer und Begleiternicht berücksichtigt werden, auch interessantepersönliche Erlebnisse auf der Reise müssenleider unbeachtet bleiben. Dank gebührt wieimmer denen, die in hervorragender Weisegeplant und organisiert haben. Da spürt man dielangjährige Erfahrung, Kenntnis und auch dieLeidenschaft der Begleitpersonen undVerantwortlichen.Auf der 24.000 qkm großen Insel leben etwa 1,7Millionen Menschen. Die Griechen nannten dieInsel „Ichnusa“, den Fußabdruck, italienischheißt sie Sardegna, die Sarden selbst nennenihre Heimat Sardinia.Was hat uns hierher gelockt? Nur die so oftangepriesenen weißen Strände an blauer Seeunter blauem Himmel? Man müsste viel Zeitmitbringen, um die Schönheiten undBesonderheiten genauer kennen zu lernen.Was andere in der ganzen Welt suchen, kannman hier geballt finden.Die Reise begann noch vor Sonnenaufgang. Einpaar Gesichter waren mir vertraut, bin ich doch

Alle Fotos: Wolfgang Röder

von Dr. Reinhard Worschech

Studienreise nach Sardinien

schon seit acht Jahren Pensionist.Erinnerungen wurden wach, so fiel mir der Vaterunseres sehr umsichtigen und freundlichenBusbegleiters Herrn Röder ein, mit dem ich michoft und gerne unterhalten habe.Im bequemen, modernen Bus fuhren wir durchsaufwachende fränkische Land, das nach demlang ersehnten Regen in satter Frische dastand.Bei einer Frühstückspause in Bregenz konntenwir einen Blick auf den Bodensee werfen. Baldwaren wir oben in den Schweizer Bergen. Dieeinzelnen Pause-Stationen bei Rotweinkuchenund Kaffee brachten erste Bekanntschaftennäher zusammen. In den Bergen führten diemeisten Flüsse nur wenig Wasser, einige sindfast ausgetrocknet gewesen.Bei der abendlichen Ankunft in Genua, dergrößten Seehandelsstadt Italiens, überraschtemich im Hafen ein merkwürdiges Gefühl vonFernweh. Vor uns liegt die „Majestic“. Diesesmächtige Fährschiff bringt uns nach PortoTorres in Sardinien. Geschäftiges Getue auf denGängen, Geschnattere und Gedränge, vielesind auf der Heimreise, andere Italiener sind aufUrlaubsreise wie wir. Es geht laut zu, bis wir zuunseren Kabinen gefunden haben. Die Nachtfällt über das unruhige Meer. Für viele geht einlanger Tag zu Ende, einige Reisefreunde ausder Aschaffenburger Gegend sind bereits seit2.00 Uhr früh auf den Beinen. Im Morgengrauenzieht es mich hinaus auf Deck. Wir fahren anKorsika vorüber. Es fiel mir der 31. Juli 1944 ein,als vor 63 Jahren der uns allen bekannteSchriftsteller Antoine de Exupéry von der InselKorsika bei seinem letzten Aufklärungsflug niemehr zurückkehrte und im Meer verschollenblieb. In seinem letzten Werk: „Die Stadt in derWüste“ schrieb er: „Das wichtigste im Leben ist,den Weg zu kennen, den du einschlagen musst,um am großen Fest teilzunehmen.“Auch unsere Studienreise wird zu einem kleinenFest. Vor der Einfahrt in den Hafen von PortoTorres kommen wir an der Insel „Asinara“vorbei, einem Naturschutzgebiet, auf dem dieweißen Esel beheimatet sind.Die Johanna, unsere Führerin aus dem Allgäuund seit 22 Jahren in Sardinien beheimatet, istsehr kundig und kennt die Geschichte der Insel.Der erste Eindruck beklemmt uns. Um denHafen von Porto Torres sollte ein Industriegebietentstehen, ohne jedoch vorher zu überlegen,dass hier die Rohstoffe fehlen. Interessanterwäre es gewesen, im Stadtinnern die größteromanische Kirche Sardiniens zu besuchen„San Gavino“. Wichtiger für uns war es, zum

heiß ersehnten Frühstück im Hotel „Dei Pini“ zufahren.Das Hotel präsentiert sich herrlich an derKorallenküste gelegen und bietet einen erstenwunderschönen Blick hinaus auf das Meer. Hierbeginnt das Gefühl für Urlaub, Freisein, gelbblühende Kakteen, Oleanderbüsche in vielerleiprächtigen Farben, stolze Pinienbäumeumgeben uns.

Das erste Ziel ist Alghero, die schönste StadtSardiniens. Zum Meer hin ist die gotisch-katalonische Altstadt von einer festenStadtmauer mit Basteien und Rundtürmenabgeschirmt.Für den Autoverkehr weitgehend gesperrt kannman als Fußgänger getrost durch die engenGassen spazieren. Treffpunkt ist meist diePiazza Sulis. Sehenswert ist die KathedraleSanta Maria, von weitem erkennbar durch denachteckigen Glockenturm, den Campanile miteinem bunten Kacheldach. Auch in der

Studienreise nach Sardinien

Franziskanerkirche, der Chiesa San Francesco,sollte man Einkehr halten. Es überraschen diebarock vergoldeten Seitenaltäre und vor allemder auffallend schöne romanische Kreuzgang

aus dem 14. Jahrhundert. Für die ganze Stadtmüsste man viel mehr Zeit haben. Das habe ichmir jetzt im Nachhinein gewünscht. Gott seiDank wurden wir köstlich und reichlich verpflegt;denn in Sardinien essen gehen ist meist einteurer Spaß.Nicht jede Gruppe hatte das Vergnügen, aufeiner Bootsfahrt hinaus zur Neptunsgrotte amCapo Caccia zu gelangen, ein ganz bestimmtunvergessliches Erlebnis. Schon die Anfahrt zurGrotta di Nettuno kann in steter Erinnerungbleiben, wenn die Gischt des Meerwassers ins

Gesicht spritzt und das Boot in den Wellen hin-und herschaukelt. Noch gewagter und rechtmühevoll ist ein Fußmarsch zur Grotte über dieEscala del Cabirol, eine in den Felsgeschlagene Treppe mit 652 Stufen. Diebekannteste Tropfsteinhöhle Sardiniens wurdevon Fischern bereits im 19. Jahrhundertentdeckt. Beeindruckend sind die bis zu 20 mhohen Stalaktiten in dem 1.200 m langenHöhlensystem.

Am Strand vor dem Hotel „Dei Pini“ konnte manden freien Nachmittag verbringen. Mutigeschwammen bei 18° ein Stück ins Meer hinaus,andere stiegen bis zu den Knöcheln im seichtenWasser herum, der Sand war so fein, hell undsauber.Am nächsten Morgen brachte uns der Busentlang der westlichen Steilküste nach Bosa.Das ist eine Panoramastrecke mit wildenFelslandschaften, keine Ortschaft auf der 42 kmlangen Straße ist zu sehen. Nur ein paarärmliche Bauernhöfe kleben an denSteilhängen. Aus den Blüten derMacchiapflanzen wird der bittere Honig, dermiele amaro gewonnen, den einige von unsrecht teuer erstanden haben. Er schmecktetwas streng, soll jedoch gesund sein.Längere Zeit halten wir uns in Bosa auf. InErinnerung blieben mir der etwasdahinsterbende Charme der Altstadt und diebunten Farben des mittelalterlichen Städtchens.Die Fotografen fanden viele Motive am CorsoVittorio Emanuele, der Hauptstraße im Zentrum.

Die Palazzi bröckeln ab, erholsamer ist es ander schattigen Palmenallee am Temo-Fluss.Nur wenige wagen einen Marsch hinauf zumKastell, dem Castello di Serravalle. Die meistenbestaunen lieber die Topfpflanzen auf denhohen Balkonfassaden oder kehren in einer der

Studienreise nach Sardinien

kleinen Weinschänken ein. Bei der Weiterfahrtkam die Gelegenheit, über die Geschichte desLandes und des Mittelmeerraums ein wenig zuerfahren. Nie hatten es die Sarden leicht, immerdrangen fremde Eroberer auf die Insel und dieMenschen wurden unterdrückt und oftausgeblutet. Da kamen die Phönizier und dieRömer, die Sarazenen und Spanier und zuletztdie Italiener. Viele Sarden wanderten aus undwurden in der Fremde krank vor Heimweh.Gerne führt man den Touristen die Geschichteeiner kämpferischen Hirtenkultur vor, dienuraghische Kultur (1800 – 300 v. Chr.), weilman an den etwa 7.000 Nuraghen soanschaulich die sardische Bronzezeit erklärenkann. Bis heute sind diese megalithischenSteinwerke als kegelförmige Wohn- undAbwehrbauten zu bestaunen. Sie sind dieWahrzeichen Sardiniens und stehen felsenfestda, geheimnisumwittert als eindrucksvolleRelikte der Frühezeit.Extra geschaffen für Busfahrten ist derPicknickplatz beim bedeutsamenBrunnenheiligtum Santa Cristina. Zugleich isthier endlich einmal eine öffentliche Toilette, eineRarität auf Sardinien. Das nur nebenbei, dasWesentliche sind die uralte Kultstätte und dieRuinen eines Nuraghendorfes. Schade, dasswir die kleine Kirche Santa Cristina aus dem 12.Jahrhundert nicht anschauen können. DerAnziehungspunkt von Santa Cristina ist dasBrunnenheiligtum (Pozzo Sacro), von denNuraghen um 1000 v. Chr. erbaut. Eintrapezförmig gemauerter Einlass in die Erdeführt hinunter zum Brunnenraum. Es ist einWunderwerk der Baukunst. Dieser Brunnenwurde erst vor 20 Jahren entdeckt.

Auf einer Schnellstraße geht die Reise weiterzur Nuraghe Santu Antine, in einerquellenreichen Weidesenke gelegen. In der

Touristik heißt das Gebiet nun Valle dei Nuraghi.Die Königsnuraghe „Santu Antine“ beherrschtdie Ebene. Aus mächtigen Basaltblöcken derumliegenden Tafelberge wurde die Anlage im13./12. Jahrhundert v. Chr. errichtet. Auf einerWendeltreppe gelangt man auf die offenePlattform oben auf der Spitze.

Auf dem Weg ins Hotel „Dei Pini“ besuchten wirschließlich die berühmteste Kirche vonSardinien, die Santissima Trinitá di Saccargià“,allein liegt sie auf weiter Flur, weithin erkennbarmit dem hoch aufragenden Kirchturm und dermarkanten Zebrahaut aus weißem Kalk undschwarzem Basalt. Unsere Gruppe hatte daseinmalige Erlebnis, am Vorabend desDreifaltigkeitssonntags für kurze Augenblickeeine Bischofsmesse mitzuerleben. InErinnerung bleibt mir die Wandmalerei imChorraum: Christus als Pantokrator, von Engelnund den zwölf Aposteln umgeben.

Am vierten Tag der Reise verließen wir dieWestküste in Richtung Castelsardo auf demalten Weg nach Porto Torres. Ich musstefeststellen, wie schnell man sich an eine neueLandschaft gewöhnen kann: An Palmen, Pinien,Oliven, Feigen, Zypressen, an Weinfelder,

Studienreise nach Sardinien

Bauerngehöfte, zerfallene Häuser. Die meistenFelder sind bereits abgeerntet, Schafherdenfinden so neue Weideflächen.Die Städte Porto Torres und Sassari ließen wiraußer Acht und kamen entlang des Golfs vonArinasa nach Castelsardo. Zuvor aber einAbstecher zum „Roccia dell’ Elefante“, demElefanten von Castelsardo. Es ist einverwitterter Trachytfels, der im Laufe der Zeit dieGestalt eines Elefanten angenommen hat. Dakann ein Fantasiebegabter oder ein Fotografnicht vorbeifahren. Ich kann es jedoch kaumglauben, dass es sich am Fuße des Steins umvorgeschichtliche Grabkammern aus dem 3./2.Jahrtausend v. Chr. handeln könnte.

In der Stadt Castelsardo gehörte ich nicht zudenen, die zum hoch erhabenen genuesischenKastell hinaufsteigen. Es ist Sonntag gewesen

und der öffentliche Bus ist ausgefallen. Auch amFeiertag sind die Kunstwerks- undSouvenirläden geöffnet. Zu einem kostenlosenLikör wird man hineingelockt und auch zumKauf von vielerlei Kitsch verleitet.Dafür wird man auf der Weiterfahrt durch dieGallura tausendfach entschädigt.Felsformationen von sagenhafter Schönheit

tauchen auf, versteckte Buchten, wild geformteGranitklippen und immer wieder die grüne,duftende Macchia zwischenabwechslungsreichen Bergketten machen dieLandschaft so einzigartig und wunderschön.Besonders beeindruckend wirkt auf alle dasMondtal, das Valle della Luna.

Das Picknick bei Aggius verliert auch bei Regenseinen Reiz nicht, es ist ein ganz besondererPlatz zwischen Felsen, Bäumen, Blumen,Sträuchern und einem Teich. Aggius liegt alsgräuliches Granitdorf unter einem steilenFelsen, umgeben von Korkwäldern. Es warunserer Gruppe nicht vergönnt, eine Korkfabrikzu besuchen – es ist ja Sonntag gewesen. AnStapeln von Korkrinde, die zum Trocknenaufgeschichtet werden, sind wir oftvorbeigekommen. Calangianus ist das Zentrumder Korkindustrie.Endlich sind wir in Golfo Aranci nördlich vonOlbia im Hotel „Gabbiano Azzurro“angekommen. Hier verbrachten wir einigeruhige, sehr erholsame Nächte in wohligerAtmosphäre. In knapper Form sei es gesagt:Eine edle, feine und freundliche Bedienung,Gespür für das Richtige, rechtes Wissen umeine gepflegte Gastfreundschaft, weite Räume,beste Sauberkeit, ein Hotel erster Klasse zumWohlfühlen.

Studienreise nach Sardinien

Auf diesen 5. Reisetag waren wir gespannt, hießes doch in unserem Prospekt: Sie fahren mitihrer Reisebegleitung entlang derweltberühmten Smaragdküste. Von jenerlegendären Costa Smeralda hatten wir alleschon einmal gehört, benannt nach denstrahlend türkisblauen Meeresfarben. LangeZeit war die Smaragdküste eine unberührteLandschaft, bis vor 50 Jahren stand hier keineinziges Haus. Dann entdeckte der steinreichePrinz Karim Aga Khan, 49. Nachfolger desPropheten Mohammed und Oberhaupt von 15Millionen Ismaeliten, dieses Fleckchen Erde undmachte daraus zusammen mit dem BierkönigGuinness und verschiedenen Weltbanken einFerienparadies für gehobene Ansprüche. Ergründete ein Konsortium und kaufte deneinfachen Bauern und Hirten das Land für einenSpottpreis zwischen 13 bis 35 Eurocent pro qmab (der heutige Preis liegt bei 3.500 Euroaufwärts).Als Bauform schuf man den neosardischen Stil,eine Nachahmung alter landschaftsbezogenerBauwerke: geschickt-raffiniert, gewollt schlicht,naturfarbenes ocker, braun, steingrau. DemGeldadel gefiel dieser Stil. Wenn doch dieFranken nur ein wenig von dieser einfachenTaktik des Bauens nach alter Traditionannehmen würden!An der Smaragdküste muss jeder Bauherrstreng die Bebauungspläne befolgen. KeinBaum darf ohne Genehmigung gefällt werden.Auch wir gehörten zu den Bestaunern undBewunderern, die am 55 km langen Strandentlang fuhren und ein wenig in die große weiteWelt hineinschnuppern und in das Leben derReichen hineinriechen wollten

Aber wirkliche Prominenz ist nur noch selten zuerspähen, auch der Aga Khan ist kaum noch zusehen.

Trotz alledem gehört die Smaragdküste zu denteuersten Urlaubsregionen der Welt. Mit demanderen Sardinien, das wir gesehen haben,haben diese auf alt und gemütlich aufgemotztenFeriendörfer mit ihren luxuriösen Boutiquenkaum etwas zu tun.In Porto Cervo machten wir Halt. Ein Bummelzur „La Piazza“, dem großen Piazetta PortoCervo gehört dazu. Geschickt sind die Villenübereinander gestaffelt und gut abgestimmteFarben machen den Ort zu einem beliebtenFerien- und Besucherzentrum.

Gut gelungen ist die Kirche von Porto Cervo„Stella Maris“ (Stern des Meeres). Sie stehtoberhalb des Jachthafens, zwei Statuen dessardischen Bildhauers Pinuccio Sciola zierendie Außenfront. Zu den Kostbarkeiten im Innernzählen ein altes Altarkreuz aus demOberbayerischen und ein echter El Grecco, die„Mater Dolorosa“.

Nur so nebenbei: Das Anwesen von SilvioBerlusconi steht bei Porto Cervo, es besitzt 27Zimmer, mehrere Swimmingpools, 400Kakteenarten und ein eigenes Freilufttheater.Gesättigt von allem kehrten wir ins Hotel zurück,um die Freizeit „am hauseigenen Swimmingpool

Studienreise nach Sardinien

oder aber auch am feinsandigen Strand“ inGolfo Aranci jeder auf seine Weise zu genießen.Neidisch sollte keiner auf die sein, die esanscheinend vielleicht besser haben. Amnächsten Morgen ging die Reise nach einemreichlichen Frühstück in die Region Barbargia.Allgemein bleibende Eindrücke: geheimnisvolleHöhlen, felsige Steinhänge, Eichen- undKorkwälder, kurvenreiche Sträßchen, Schaf-und Kuhherden, undurchdringlichesBuschwerk. Noch immer erzählt man sich vomLand der Banditen und Viehdiebe, aber es gibtsie längst nicht mehr.Nuoro: Es ist die Stadt auf dem Berg. Schön istsie weiß Gott nicht, mehr eine Wohn- undBeamtenstadt. Vom Museum „della Vita e delleTradizioni Populari Sarde“ bin ich rechtenttäuscht gewesen. Groß angekündigt bestehtes aus zwei Räumen mit Trachten, Schmuck,

Masken, Musikinstrumenten und verschiedenenBrotarten. Brot ist die Grundnahrung der

Sarden. In vielerlei Formen und dekorativenKompositionen wird es zu bestimmten Festengebacken.In dieser Stadt ist Sardiniens einzigeNobelpreisträgerin Grazia Deledda geboren.Sie hat 33 Romane geschrieben und erhielt1926 den Nobelpreis für Literatur. Für michselbst ist Gavino Ledda (geb. 1938) derbekannte Schriftsteller, der Sardinien soausgezeichnet beschrieben hat in seinemautobiografischen Roman „ Padre Padrone“ (dtv2003). Er ist der eigentliche Grund dafür, dassich an dieser Studienreise teilnahm.Eine 7 km lange Serpentinenstraße brachte unsauf den Hausberg von Nuoro, den 895 m hohen„Monte Ortobene“. So kann man der Stadtentkommen und den Blick über das Tal des Riud’Oliena genießen. Imposant wirkt die 7 m hoheErlöserstatue „Il Redentore“. Alljährlich am 29.August ist sie das Ziel einer Prozession undeines großen Festes.

Zu einer Reise nach Sardinien gehört unbedingtder Gang durch das berüchtigte Dorf Orgosolo.Jahrzehntelang hindurch hat die italienischeBoulevardpresse über die verwegenenBanditen von Orgosolo berichtet. In Wirklichkeitsahen wir meist ältere Männer in Grüppchenund mit Schildmützen auf dem Kopfherumhocken, viel zu schnell fahrende Autosund nahezu an jedem Haus gemalte Bilder undTexte. Sensationslustig und auch etwasbeklemmt läuft man durch den Ort.

Studienreise nach Sardinien

Steckt hinter dem Banditentum nicht einverzweifelter Widerstand der sardischenHirtendörfer gegen die Übergriffe des Staatesund die Ausbeutung durch dieGroßgrundbesitzer? Da blieb so oft nichtsanderes übrig als Raub und Mord. Berüchtigtwurde Orgoloso durch den Banditen GrazianoMesina, der 25 Morde auf dem Gewissen hatte.Nur noch die Wandbilder (murales) künden vonjener schlimmen Zeit.Ganz anders, vergnügt und entspannt, war dieFahrt auf den Monte Pratobello in dasRestaurant „Ai Monti del Gennargentu“: eingemütliches Ausflugsziel mit uraltenSteineichen, umgeben von Schweineherden

und kleinen Ferkeln. Hier erlebten wir dasAbschlussessen mit allerlei köstlichensardischen Spezialitäten und einem am Spieß

gebratenen Spanferkel. Da musste keinerdarben.

Auf der Heimfahrt ins Hotel am Meer hörten wirsardische Musik. Mehrstimmige Männerchöre,sog. „tenores“, versetzten den Zuhörer in dieZeit der Hirten in vergangenen Tagen.Vorbei waren die Übernachtungen im sauberen,gepflegten, schönen Hotel, das von drei Seitenvom Meer umgeben war. Noch einmal ging dieFahrt an der Costa Smeralda entlang hinaufüber San Pantaleo und Arzachena nach Palauzur Schifffahrt nach La Maddalena. Geschäftiggeht es am Hafen zu, alle Stunde ist eineÜberfahrt.Nach 20 Minuten erreichten wir die La-Maddalena-Inselgruppe, sehr felsig, vieleBuchten, kleine Sandstrände. Der einzige Ortauf der Insel ist La Maddalena mit historischerAtmosphäre und einer langen Fußgängerzone.In granitgepflasterten Gässchen kann manherumspazieren und zu den Piazzi mit denschmiedeeisernen Balkonen hinaufblicken. Auf

einer Busrundfahrt kommt man um die größteInsel des Archipels. Rundum ist weites Meer, inder Ferne entdeckt man immer wieder großeSchiffe. Aber das Einmalige sind die

Studienreise nach Sardinien

Felsbrocken und die wilde, halbhohe Macchia.

Mit dem 14 m langen Bus kamen wir bis zumAdlernest, dort machten wir kehrt. Unser FahrerViktor ist ein ausgezeichneter Könner am Steuergewesen.Auffallend durch seine Geschichte bleibt uns dieunbewohnte Insel Caprera in Erinnerung mitihren bizarren Granitfelsen. Dort lebte und starbGiuseppe Garibaldi, der Held des Risorgimento,der italienischen Einigungsbewegung im 19.Jahrhundert. Er kaufte sich ein Stück Land aufCaprera und starb dort 1882.Zurück auf die Insel Sardinien ging die Fahrt indie Nähe von Arzachena zum Besuch desberühmten Gigantengrabes „Coddu Vecciu“. Esstammt aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. und warein Bestattungsplatz für einen nuraghischenStamm. Kolossal wirkt die 4 m hohe, zierlichgeformte Eingangsstele mit einer kleinenÖffnung.

Das letzte Abendessen auf unserer Insel fandim Restaurant „Cala Reale“ statt, wir nahmenAbschied von einer hoch interessantenMittelmeerinsel. Die Überfahrt nach Livorno inItalien begann in Olbia.

Diese nächtliche Schifffahrt wird wohl denmeisten in langer Erinnerung bleiben. Es war einbeunruhigendes, zittriges Gewackel, einständiges Vibrieren und Gerüttel. Die Moby, sobunt und lustig sie auch angemalt war, muss

große technische Fehler aufweisen. Der Kastenist zu hoch und zu breit, ohne Eleganz undschiffsgemäßem Bau, obwohl es im Innern sehrfreundlich und gemütlich gewesen ist.Nach zweistündiger Fahrt durch Italien inRichtung Norden kamen die etwas von derNachtfahrt auf dem Mittelmeer Übermüdeten zuihrem Frühstück auf einem ruhigen Parkplatz imApennin bei Parma. Im Ristorante „Ai Portici“ inTirano im Schweizer Kanton Graubündenspeisten wir zufriedenstellend zu Mittag. Schonlange freuten wir uns auf die Bahnfahrt „Auf denSpuren des Bernina Express“, eine der steilsten

Eisenbahnen ohne Zahnrad, die von Tirano bishinauf zum Ospizio Bernina einenHöhenunterschied von 1.825 m überwindenmuss. Zwei Stunden lang konnte man vollerBewunderung auf eine herrliche Bergwelthinausblicken, auf Almwiesen, besät mitTrollblumen, Alpenrosen, Flockenblumen undeiner bunten Bergflora, oft versteckten sich die

Studienreise nach Sardinien

Berge, wie der Piz Bernina mit 4.049 m Höhein den Wolken. Begeistert rief einmal unser frohgelaunter Reisebegleiter, Herr Röder: Welch einerhabener Eindruck! Es war eine

wunderschöne, erlebnisreiche Bahnfahrt. Nachder Ankunft in Pontresina weiter unten auf1.774 m fuhren wir über den Flüela-Pass nachDavos ins vornehme Arabella Sheraton-HotelSeehof, ein letzter großer Höhepunkt unsererReise. Davos gilt als die höchst gelegene StadtEuropas (1.560 m).

Wir wurden bei einem Umtrunk mit einemherzlichen „Gruezi“ begrüßt. Das Hotel lockt

seine Gäste mit einer gut bürgerlichenSchweizer Küche und typisch bayerischenSchmankerln. „Bill Gates was here“ und vieleandere bekannte und markantePersönlichkeiten – das ist die kluge, geschickteTaktik des Hotels. So kann man daheimerzählen: Ich war schon einmal im SheratonHotel in Davos, dort, wo der Bill Gates auchabgestiegen ist. Bei einer Rundfahrt meinteWolfgang Röder beim Anblick der altenHotelpaläste, sie hätten einen gewissenmorbiden Charme.Wir betraten die Schweiz von Davos bis zurGrenze nicht. Wie in einem Film zogen Berge,Täler, Dörfer und Städte an uns vorüber.Mittagspause in Lindau am Bodensee: Auchdieses Städtchen wäre eine Reise wert.

Sehr sicher brachte uns der Viktor heim nachWürzburg. Ein besonderer Dank gilt allenReisebegleitern, Planern und Organisatoren, andieser Stelle selbstverständlich Herrn WolfgangRöder, bei dem alles in besten Händen lag undder die herrlichen Bilder fotografierte. Glücklichund zufrieden kamen wir wieder in unserervertrauten, heimatlichen Landschaft im Maintalan, wo wir unser Auskommen haben, wo wirdaheim sind.

Studienreise nach Sardinien

Sonne, Sarden und Smeralda“

Ein Lied für Johanna *

Wir Sportler aus Unterfranken,wir fahr’n in die Welt hinaus.Wir sind mit uns‘ren Gedankender Heimat stets weit voraus.I: Wir trotzen gar vielen Gefahren.Wir reisen per Schiff und per Bus,obwohl man dort während dem Fahrendie Hintertür zubinden muss. :I

Die sonnige Insel Sardinien,ein wunderschönes Landmit Eichen und Palmen und Pinienund blütenweißem Strand.I: Smaragdgrün ist seine Küstemit Felsen aus hellem Granit.Ach, wenn ich das „Wie ?“ nur wüsste,ich nähme sie alle mit. :I

Sie wusste uns viel zu erzählenvon Sarden und ihrer Kultur,was alles passiert beim Vermählen,im Leben und in der Natur.I: Johanna hat uns umgetrieben.Weiß Gott wie sie das alles schafft ?Umhegte uns, wie ihre Lieben,mit Herzblut und Leidenschaft. :I

Wer will fremde Länder bereisenmit einem so bunten Tross,muss Neugier und coolness beweisenund braucht einen guten Boss.I: Stets war er bereit, uns zu dienen.Wir hoffen, nicht er bereut’s.Zum Dank kriegt er süße Pralinenund auch das Andreas-Kreuz. :I

Wir wären so gern‘ noch geblieben,fahr’n doch in die Heimat zurückund nehmen vom sonnigen Südenviel‘ prächtige Bilder mit.I: Wir haben viel Neues gesehen– und das ist wirklich wahr:Wir freu’n uns auf’s Wiedersehen.Viel Glück bis zum nächsten Jahr ! :I

*) Melodie: „Mariechen saß weinend im Garten ...“

Ein Lied für die Reiseleiterin Johanna

von Franz Hain

Studienreise nach Sardinien

Epilog (ohne Musik)

Nicht zu vergessen in dem Eiferist der Viktor, unser driver,der gekonnt und routiniertbergauf und –abwärts Slalom fährt.Ein Mann, der alle Kurven kriegt,über Probleme stets obsiegt.Sein Nam‘ ist logisch irgendwie:„Viktor“ kommt von „victory“.