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Katholische Erwachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V. Aufgelassene bulgarische Grabsteine Trikeri, Griechenland Stuttgarter Hefte 50/51 Nr. 50/51 / Jahrgang 24 / 2010 Beiträge zur katholischen Erwachsenenbildung Alle meine Füllfedern haben aufgehört zu schreiben ... Dokumentation zum 1. Literaturpreis

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Katholische ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

Aufgelassene bulgarische Grabsteine Trikeri, Griechenland StuttgarterHefte

50/51

Nr. 50/51 / Jahrgang 24 / 2010

Beiträge zur katholischen Erwachsenenbildung

Alle meine Füllfedern habenaufgehört zu schreiben ...Dokumentation zum 1. Literaturpreis

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Katholische ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

Alle meine Füllfedern habenaufgehört zu schreiben ...Dokumentation zum 1. Literaturpreis

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Stuttgarter HefteBeiträge zur Katholischen Erwachsenenbildung

Herausgeber: Katholische ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.Jahnstraße 30, 70597 Stuttgart

Redaktion: Susanne StaerkTexterfassung: Katarzyna PregitzerDruck: Druckerei Marquart GmbH,

88326 AulendorfDas Copyright liegt bei den Autorinnen & Autoren.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dieser Ausgabe der „Stuttgarter Hefte. Beiträ-ge zur Katholischen Erwachsenenbildung“ haltenSie die Dokumentation des 1. Literaturpreises derkeb Katholische Erwachsenenbildung Diözese Rot-tenburg-Stuttgart e.V. in der Hand.Hintergrund der Ausschreibung war die Ausstel-lung „Noch mal leben…“ von Beate Lacotta undWalter Schels, die vom 1. November bis zum20. Dezember 2009 im Haus der Katholischen Kir-che in Stuttgart stattfand.230 gültige Einsendungen, zum großen Teil vonhoher Qualität, hatte die Preisjury zu lesen. DieEntscheidung war alles andere als einfach.Schließlich kristallisierte sich doch eine einstim-mige Entscheidung für die drei Preisträgerinnenheraus.

Der Jury gehörten an:– Ingrid Abele, Lektorin, jetzt Osiandersche Buch-handlung Tübingen

– Gabriele Pennekamp, Germanistin und Vorsit-zende der keb Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

– Dr. Michael Kessler, Germanist und Theologe, Di-rektor des Instituts für Fort- und Weiterbildung

– Dr. Michael Krämer, Literaturwissenschaftlerund Theologe, Leiter der keb Diözese Rotten-burg-Stuttgart e.V.

Die Zahl der Einsendungen und ihre Qualität ha-ben uns Mut gemacht, diesen Literaturpreis in Zu-kunft im Zwei-Jahres-Rhythmus auszuschreiben.Die Ausschreibung des nächsten Preises wird alsoim Januar 2011 erscheinen.

In diesem Heft finden Sie:– die Ansprache der Vorsitzenden– die Laudatio– die Beiträge der drei Preisträgerinnen– weitere 14 Beiträge, die wir gern auch gepriesenhätten

– sowie die biobibliographischen Angaben zu denAutorinnen und Autoren.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Dr. Michael KrämerLeiter

Vorwort

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Einladung und Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Laudatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Die ausgezeichneten Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17Christiane Geiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17Ilsa Knoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Margret Küllmar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Weitere Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Oskar Ansull . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Renate Axt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Peter Baumhauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Anne Bendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Delia Esian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Rita Falkenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Marion Gay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34Manfred Klinkebiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36Tabea Petersen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Elena Raulf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Sonja Viola Senghaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40Christiane Sprinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Michael Starcke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Sarah Wedler und Nadine d'Arachart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44Inken Weiand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Raoul Zimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Bio-Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Stuttgarter Hefte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

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Sehr geehrte Damen und Herren,

wir laden herzlich ein zur Verleihung des

1. LiteraturpreisesderKatholischen ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

210 Autorinnen und Autoren haben bis zum 6. Ok-tober ihre Beiträge eingereicht. Die Wettbewerbs-Jury, bestehend aus vier Mitgliedern, zwei Frauenund zwei Männern, hat aus diesen Beiträgen dreiPreisträgerinnen ausgewählt.

Das Thema des Literaturpreises war der Titel dermomentan im Haus der katholischen Kirche lau-fenden Ausstellung: „Noch mal leben ...“.Im Rahmen dieser Ausstellung findet auch diePreisverleihung statt.

Ziel des Wettbewerbs war, einer Sprache auf dieSpur zu kommen, die es auch unter gegenwärti-gen Bedingungen ermöglicht, sensibel und auf-richtig vom Sterben und vom Tod zu sprechen.

Die Preisträgerinnen sind anwesend.

Katholische ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.Jahnstraße 3070597 StuttgartTelefon: 0711/97 91-211E-Mail: [email protected]

Programm� BegrüßungGabriele Pennekamp, Vorsitzende derkeb Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V

� Musik:Es spielt das Duo Appassionato

� Vom Tod sprechen heißt vom Leben sprechenEine LaudatioDr. Michael KrämerLeiter der keb Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V

� Musik:Es spielt das Duo Appassionato

� Lesung der 1. PreisträgerinChristiane Geiser, Wil/Schweiz

� Musik:Es spielt das Duo Appassionato

� Lesung der 2. PreisträgerinIlsa Knoll, Bad Waldsee

� Musik:Es spielt das Duo Appassionato

� Lesung der 3. PreisträgerinMargret Küllmar, Fritzlar

� Musik:Es spielt das Duo Appassionato

� VerabschiedungGabriele Pennekamp, Vorsitzende derkeb Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V

Der Eintritt zur Preisverleihung ist frei.Um Anmeldung wird gebeten.

OrganisatorischesDatum: 15. November 2009Zeit: 18.00 Uhr bis 20.00 UhrOrt: Haus der katholischen Kirche,

Königstraße 7 (neben der DomkircheSt. Eberhard), 70173 Stuttgart

Veranstalterkeb Katholische ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

AnmeldungMit beiliegender Karte, telefonisch oderper Email

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Einladung und Programm

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Meine sehr geehrten Damen und Herren,

zu unserer kleinen Feier anlässlich der Verleihungdes ersten Literaturpreises der Katholischen Er-wachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart.e.V. begrüße ich Sie sehr herzlich.

Ein besonderes Willkommen gilt unseren dreiPreisträgerinnen Christiane Geiser aus Wil in derSchweiz, Ilsa Knoll aus Bad Waldsee und MargretKüllmar aus Fritzlar. Wir freuen uns, dass Sie heu-te Abend bei uns sind und dass Sie nachher IhreTexte lesen werden.

Ganz herzlich begrüße ich auch das Duo Appassio-nato, Frau Herter und Frau Schüler.

Zunächst möchte ich mich vorstellen: Ich bin Ga-briele Pennekamp, die Vorsitzende der Katholi-schen Erwachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V. – das ist der Dachverbund derErwachsenenbildung in der Diözese.

Zum ersten Mal haben wir einen Literaturwettbe-werb ausgeschrieben. Anlass war die Ausstellung„Nochmal leben“, die zur Zeit hier im Haus der ka-tholischen Kirche stattfindet. Wir wussten nicht,wie die Resonanz auf unsere Ausschreibung seinwürde. Wir hatten lediglich ein Ziel: Wir wolltenMenschen anregen, sich mittels Sprache zum The-ma Sterben und Tod zu äußern. Wir wollten damitdie sprachliche Sensibilität und die Ausdrucksfä-higkeit bei diesem Thema fördern. Und wir woll-ten Texte sammeln, in denen beides der Fall ist.

Deutung, Bedeutung – Sinn also – entsteht ja immererst aus der Vollendung eines Lebens. Lebenssinnerschließt sich erst vom Ende her, nicht im Voraus.Wenn wir als Katholische Erwachsenenbildung da-von sprechen, dass wir Menschen auf dem Weg zusich selbst begleiten wollen, dann müssen wir auchdiesen Blick aufs Leben vom Ende her fördern.

Wie gesagt: Wir wussten nicht, wie die Resonanzsein würde auf eine solche Ausschreibung. Wirsind überrascht worden: Wir hatten mit 100 Ein-sendungen gerechnet – mehr als 200 Texte sindbei uns eingegangen. Es waren viele gute Beiträ-ge unter den eingesandten Texten. Und – andersals bei manchen anderen Preisen – haben alleJury-Mitglieder alle Texte gelesen. Für dieses En-gagement ein herzliches Dankeschön an die Jury(Frau Abeln, Herr Dr. Kessler, Herr Dr. Krämer, dieVierte im Bunde war ich).

Um eine unvoreingenommene Auswahl zu ge-währleisten, haben wir bis zur Entscheidung abso-lute Anonymität gewahrt. Die Jury-Mitgliederwussten nicht, welche Personen sich hinter denChiffren verbergen, mit denen die Texte gekenn-zeichnet waren. Spannend war im Prozess der Aus-wahl, dass wir uns über unser eigenes Literatur-verständnis, auch über unsere Erwartungen andie Texte, erst verständigen mussten.

Überraschend war dann die Auflösung der Chiff-ren: Drei Frau verbargen sich dahinter. Inzwischenwissen wir, dass der Anteil der Frauen unter denEinsendenden bei etwa 80 Prozent lag. Auch dasist erstaunlich, wenn man auf den Literaturbe-trieb blickt, in dem Männer die Mehrheit ausma-chen.

Ich danke also allen, die sich durch ihre Einsen-dungen an diesem Literaturwettbewerb beteiligthaben. Und ich danke Ihnen, die Sie hier sind, fürIhr Kommen. Ein herzliches Dankeschön gilt auchdem Haus der katholischen Kirche, das uns diesenRaum hier zur Verfügung stellt.

Gabriele PennekampVorsitzende der keb Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

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Begrüßung

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Alle meine Füllfedern haben aufgehörtzu schreiben …

Anmerkungen zum Zusammenhang von Literatur,Sterben und Tod.Eine Laudatio auf die Preisträgerinnen des 1. Lite-raturpreises der keb Katholische Erwachsenenbil-dung Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

Vorbemerkung

„Der Tod ist kein Ereignis des Lebens. Den Tod er-lebt man nicht.“ So lautet einer der unbestreitba-ren Sätze aus Ludwig Wittgensteins Tractatus logi-co-philosophicus. Nur war es auch Wittgensteinbewusst, dass derlei Sätze richtig, aber wenig le-bensdienlich sind.1

Dichtung und Literatur als besondere Weisensprachlicher Artikulation haben sich seit ihren An-fängen mit dem Thema Tod und mit dem ThemaSterben beschäftigt. „Etwas wie wahres Liebenund Sterben“ (Günter Kunert) mag die beiden Poleliterarischen Sprechens beschreiben.Literatur, Dichtung zumal, hat sich nie damit zu-frieden gegeben, Sprachloses dem Schweigen an-heim fallen zu lassen. Dichtung ist wohl immerschon der Versuch gewesen, Sprache in Bereichevorzutreiben, die ihr bisher verschlossen waren.Das trifft besonders auf die Erfahrung von Leid,Sterben und Tod zu. Und so war es fast eine Not-wendigkeit, angesichts der von Beate Lacotta undWalter Schels erstellten Foto-Ausstellung zumThema „Sterben und Tod“ auch die Literatur zuWort kommen zu lassen.Die Ausschreibung des 1. Literaturpreises der kebKatholische Erwachsenenbildung Diözese Rotten-burg-Stuttgart e.V. hatte das erklärte Ziel, Men-schen anzuregen, sich sprachlich mit den Grenz-

erfahrungen Sterben, Abschied und Tod aus- ei-nander zu setzen und dabei die Möglichkeiten derSprache auszuloten.Wenn es in einem Text der Trägerin des ErstenPreises heißt: „All meine Füllfedern haben aufge-hört zu schreiben…“, dann ist das eine doch wie-der Sprache und Schrift gewordene Aussage da-rüber, dass sich das Land der Sprachlosigkeitniemals völlig der Sprache erschließen wird.

1. Dichtung als versuchter Wurfnach dem verlorenen Paradies

Als nun Adam auf dem Felde baute, von dem ergenommen war, wurde er traurig, und Eva, vollMitleid, forschte nach seinem Kummer. Adam sag-te: – Siehst du die Cherubim nicht mit ihren hau-enden blanken Schwertern, dass sie den Weg unsverwehren zum Baume des Lebens? Siehe, ichlebe und begehre das Leben, aber der Herr hat ge-sagt, ich bin Erde und soll wieder zur Erde. – Evawusste Rat:– Geh und mach ein Zeichen dem Herrn, dass erunseren Wunsch erkenne und erhöre. – Da brachAdam vom Fels einen Stein und beschlug ihn undmeißelte Zeichen seines Wunsches hinein; imSchweiße seines Angesichtes wurde ihm hierfürvon oben die Gabe der Schrift verliehen, die er inseiner Not selbst erfunden zu haben glaubte.Adam zeigte Eva den Stein, sie lobte ihn, undAdam schleuderte ihn gegen die Richtung, wo dieCherubim standen. Vom Glanz ihrer Augen undSchwertspitzen wurde Adam geblendet, dass ernicht sah, wo der Stein zu Boden fiel. Auch war einsolches Sausen in der Luft, dass er nicht hörte,wann der Stein sein Ziel erreichte.Wieder war Adam traurig, und wieder sprach Evaihm zu: – Siehe, du weißt nicht, was mit dem

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Laudatio

1 Zum Thema „Literatur und Tod“ gibt es spätestens seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Vielzahl von li-teraturwissenschaftlichen und theologischen Erörterungen. Eine der ersten war Karl-Heiz Bloching, Tod, Mainz 1970,auf theologischer Seite sind die Bücher von Jüngl, Sölle, Vorgrimmler und aus medizinischer Perspektive etwa die vonKübler-Ross zu nennen. Auch von Seiten der Geschichte, der Soziologie, der Psychologie wurden Sterben und Tod inden Blick genommen. Erinnert sei etwa an Philippe Aries, Die Geschichte des Todes, erinnert sei auch an die vielfälti-ge Literatur aus dem Umfeld der Hospiz-Bewegung.

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Stein geschehen ist. Fürchte dich nicht, behaue ei-nen neuen Stein, gib ihm das Zeichen unseresWunsches und schleudere wieder. – Adam tat, wieEva ihm geheißen. Er tat es noch oft und tat es im-mer, wenn ihn die Trauer auf seinem Felde ver-zehrte. So hat Adam, der Legende nach, den Brieferfunden, und der erste Brief war ein versuchterWurf nach dem verlorenen Paradies.

H.G. Adler, Die unsichtbare Wand 1989

Manchmal ist es gut, um besser verstehen zu kön-nen, „bei Adam und Eva“ anzufangen. Der hiervorgestellte Text von H.G. Adler ist der zweite Teileiner kleinen Legende, die sich in dem Exil-Roman„Die unsichtbare Wand“ findet.Der Mensch (als Mann und Frau) ist hier gemein-schaftlich am Werk. Ohne Eva wäre Adam in Trau-er auf seinem Feld umgekommen. Sie ist es, dieihn anregt, in die Welt der Zeichen zu gehen,wenn sich die Realität selbst schon nicht unmittel-bar ändern lässt. Und sie hört in jeder neuen ada-mitischen Verzweiflung nicht auf, Trost zu geben,nicht indem sie die Welt der Zeichen nun in Fragestellt, sondern indem sie darauf aufmerksammacht, dass Zeichen ihren Empfänger ja auch ver-fehlen können.

Ausgangspunkt für den Weg in die Schrift ist dasWissen Adams um seine Sterblichkeit und seineUnfähigkeit, sich damit abzufinden. „Im Schweißeseines Angesichts“ bebaut Adam nun nicht mehrden Erdacker, sondern das Feld der Zeichen, diesich „von oben“ her zur Schrift formieren. Dabeiergeht es Adam wie allen Schreibenden: Er weißnicht, ob sein Schreiben den Adressaten erreicht.Geblendet von allerlei Glanz – göttlichem oder ir-dischem – und taub von der Geräuschkulisse derWelt vermag Adam nicht zu erkennen, ob seineBotschaft überhaupt irgendwo angekommen ist.

„Fürchte Dich nicht“ – tröstet Eva Adam. So sprichtder biblische Text immer nur, wenn Göttliches er-scheint, wenn Transzendenz in die Immanenz ein-bricht und Verstörung hervorruft. Und tatsächlichist die Auseinandersetzung mit dem Tod und mit

der Schrift im doppelten Sinne eine Begegnungmit dem Göttlichen: „Der Herr hat gesagt ...“ Unddie „Gabe der Schrift ... von oben“.

Wer die Schrift nutzt im Sinne Adams, der – so willes der Text Adlers – nutzt ein göttliches Medium.Und so erfahren sich Dichter und Autorinnen wohlbis heute: Die Begegnung mit der Schrift und derSprache ist ihnen wie die Begegnung mit dem Nu-minosen „Tremendum et Fascinosum“ (RudolfOtto) gleichermaßen und dialektisch verwoben.

Das Sterben-Müssen, mehr noch das Wissen umdie eigene Sterblichkeit ist, so behauptet der Text,der Ausgangspunkt fürs Schreiben. („Er tat esnoch oft und er tat es immer, wenn ihn die Trauerauf seinem Feld verzehrte.“) Trauer sucht nach ei-nem Ansprechpartner, an den sie sich – Sprachegeworden – richten kann, der sie womöglich auf-zulösen in der Lage ist.

Der letzte Satz macht in besonderer Weise deut-lich, was Dichtung, was aber auch Bitte und Gebetintendieren: „So hat Adam der Legende nach denBrief erfunden und der erste Brief war ein versuch-ter Wurf nach dem verlorenen Paradies.“ Das Wort„Brief“ ist hier die Chiffre für alles, was – Spracheund Schrift geworden – in die Welt hinausgeht,Dichtung gehört jedenfalls zentral dazu.

Dichtung also ist in besonderer Weise ein „ver-suchter Wurf nach dem verlorenen Paradies“. Sieweiß immer auch um die Vergeblichkeit ihres Be-mühens, das Paradies (oder Utopia oder Versöh-nung und Erlösung) zu erreichen. Und dennochhören ihre Versuche nicht auf. „Dichtung – dieseUnendlichsprechung von lauter Sterblichkeit undUmsonst“ (Paul Celan, Der Meridian).

So hält Dichtung die Frage offen nach dem, wasdem Menschen zukommt, nach der Zukunft desMenschen also, und die Sehnsucht wach, nach ei-nem Ort des Lebens, den sie nicht herstellenkann, den sie aber mit jedem Text immer wiedereinklagt.

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2. Die Preisträgerinnen

Christiane Geiser – Erster Preis

Alle meine Füllfedern haben aufgehört zu schreiben…Es sind anscheinend leichte Texte, die ChristianeGeiser da geschrieben hat. Sie scheinen so dahinzu fließen, Ausdruck augenblicklicher Erfahrung.Doch verschmelzen sie auf eigene Art Vergangen-heit und Zukunft zu einer Gegenwart, die durchbeides bedroht scheint.

Von einer Nachricht ist die Rede und davon, dassdas Schreiben – fast fern gesteuert – aufhört. Esfolgen kleine Erinnerungen vom Tag, die unter denEindruck dieser einen unausgesprochenen Nach-richt geraten. Das „Jetzt“ scheint angefressen voneiner Zukunft, die keine Dauer mehr verspricht.

Das Ganze ist geschrieben nicht im Klageton, son-dern fast wie eine wissenschaftliche Beobach-tung. Nur der Schluss „ich fürchte“ macht die Be-wegtheit des sprechenden Ich deutlich, das bisdahin nur zwischen den Zeilen Bewegung zeigt.

Christiane Geiser erklärt – während der Laudatio –dass sie bisher „für die Schublade“ geschriebenhabe. Wer für die Schublade schreibt, schreibt zu-nächst einmal für sich selbst. Einem Gedicht scha-det das nicht, denn es entfaltet sein Ich und Du insich selbst.

Es adressiert sich eben an sich selbst und vielleichtan etwas, das irgendwo und jenseits der Spracheund ihrer möglichen Kommunikationsräume liegt.

nun bist du im anderen Himmel dem richtigenwenn du an ihn glaubst dann bist du dort

Der „richtige Himmel“? Das Gedicht behauptet,dass es den nur gibt, „wenn du an ihn glaubst“. Esist eine eigenartige Verbindung von Konditionalund Real, die deutlich macht, dass das GeglaubteRealität schafft, wenn man glaubt.

Auch hier wieder das leichthin Gesprochene, dassich zugleich als sperrig erweist, wenn man sichals Leser auf diese Worte einlässt.

Die einfachen, klaren Worte, hinter denen sich einhohes Maß an Komplexität bewegt, haben dieJury bewogen, Christiane Geiser den Ersten Preiszuzuerkennen.

Ilsa Knoll – Zweiter Preis

Das LächelnIlsa Knoll, in der bildenden wie in der schreiben-den Kunst zuhause, wurde der Zweite Preis für ih-ren Text „Das Lächeln“ zuerkannt. Welcher Gat-tung dieser Text zuzuordnen ist, lässt sich so rechtnicht sagen: Er hat durchaus erzählende Passa-gen, die aber unvermittelt wieder in eine hoch as-soziative Form des Sprechens übergehen, die eherdem lyrischen Sprechen verwandt ist.Ein Mensch am Ende seines Lebens, das gekenn-zeichnet war durch „ganz normale(n) Schwach-sinn“, ein Leben, das in sich selber bewegt ist instetem „zurück vor zurück vor“, dem Außenste-henden sinnlos, und gleichzeitig entsteht im Textdas Bild eines Menschen, dem am Ende seinerTage vor allem all das Gehörte zusammen schießt:Kinderreime, Märchen, Sätze, Gebete.Und das ist das Erstaunliche an diesem Text: Auchdie Gebetszitate, die anderswo disparat oder garpeinlich im literarischen Kontext wirken können,haben die gleiche Selbstverständlichkeit wie jedeandere Wort- und Satzerinnerung, die hier ausge-breitet wird.

sie wiegte sich hineinder mond ist rund der mond ist runder hat zwei augen nas und mundnachts im bett drehte der reimkreise kreise und tänzedas licht des rnondes hüllte sie einsie lag in seinem scheinim fieber fiebertanz streckte siedie arme aus hin zum licht

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sei unser licht herr jesu christlass uns im finstern tappen nichtsie lächelte lächelte noch als sie sie fanden

Der Text lebt von immer wieder neuen Rhythmen,die das „zurück vor zurück vor“ aufnehmen, unter-brochen nur durch die weiter leitenden Erzähl-sätze. Die Rhythmen dienen hier vor allem demZusammenhalt teilweise durchaus disparater As-soziationsketten. Und das gelingt in beeindru-ckender Weise.

Erstaunlich, dass Ilsa Knoll während der Preisver-leihung deutlich machte, dass die Arbeit in der Bil-denden Kunst sich deutlich unterscheide von ihrerArt literarischen Arbeitens.

Sicher ist: Auch der Text von Ilsa Knoll versucht dieSprache weiter zu treiben in das Randgebiet einerExistenz, die Sprache vor allem als Klang wahrge-nommen hat. Plötzlich wird dabei klar, dass Spra-che weit mehr ist, als was sie zu bezeichnen oderzu bedeuten vorgibt. Sprache kann auch als Musikwahrgenommen werden, als beruhigende Musik,die am letzten Ende noch ein Lächeln in ein Ge-sicht zaubert.

Margret Küllmar - Dritter Preis

Wo das Meer den Himmel berührt„Ach Kind“ – das ist der wiederkehrende Aus-spruch der Oma in einer kleinen Erzählung, derdeutlich macht, dass hier das Kind die Last vonUnglück und Tod tragen muss, an der die Mutterschier zerbricht.

In der Form der Rückblende wird die Geschichte ei-nes Verkehrsunfalls erzählt, nach demMutter undTochter verletzt im Krankenhaus liegen und derVater „nicht mehr wieder kommt“. Die Mutter ver-zweifelt in dieser Situation und fällt in eine De-pression. Sie zieht sich zurück. Die Oma versucht,handfest und pragmatisch Hilfe zu schaffen, dieTochter – sie steht im Zentrum – geht bei allem

unmittelbaren Nicht-Verstehen einen anderenWeg, den Weg des Traums, der Fantasie, vielleichtden Weg eines kindlichen Glaubens.

Margret Küllmar nutzt eine sehr schlichte, gerade-zu kindliche Sprache, um die Situation anschau-lich werden zu lassen. Das von der Oma resignativgesprochene „ach Kind“ ist nicht nur Strukturele-ment, es verdeutlicht auch die imaginative Leis-tung der Tochter, die sich plötzlich mit einemTraum der Mutter während eines Strandkorb-Auf-enthaltes verbindet und dadurch Leben wiedermöglich sein lässt.

Die Erzählung macht jedenfalls deutlich, in wel-cher Weise wir mit pragmatisch nicht aufhebba-ren Kontingenzen im Allgemeinen umgehen: Hiergelingt deren Aufhebung imaginativ – träumend,glaubend, hoffend.

Auch Margret Küllmar äußerte sich während derPreisverleihung zu ihrem Schreiben, und siebrachte es in Verbindung mit ihrem Garten.

3. Zum Abschluss

Unter den Einsenderinnen und Einsendern des Li-teraturpreises gibt es bekanntere, weniger be-kannte und auch völlig unbekannte Namen. Dasssich 230 (und wenn man die Zahl der verspäteteingetroffenen Texte anschaut, sogar 260) Men-schen mit dem Thema Tod und Sterben sprachlichauseinander gesetzt haben, ist der eigentliche Ge-winn dieses Literaturpreises für die Veranstalter.Um wenigstens einen Überblick über die Vielfaltder Umsetzungen zu geben und damit ansatzwei-se auch die Qualität der eingereichten Texte zuverdeutlichen, hat sich die Jury entschieden, wei-tere 14 Texte in diese Dokumentation aufzuneh-men.

Besonders gefreut hat die Veranstalter, dass sichAutorinnen und Autoren beteiligt haben, derenMuttersprache nicht Deutsch ist. Auch im deutsch-

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sprachigen Bereich waren die Beträge nicht aufdie Bundesrepublik Deutschland beschränkt.

Einsendungen kamen aus Belgien, Deutschland,Luxemburg, Österreich, Polen, Rumänien, Schweizund Tschechien.

Sowohl die Entscheidung über die Preise wie dieEntscheidung über die weiteren Texte für die Do-kumentation fiel in absoluter Anonymität.

Umso erstaunter war die Jury, dass sich drei Frau-en an die Spitze gesetzt haben. Und zugleich warbemerkenswert, dass auch ein Text einer Nicht-Muttersprachlerin aufgenommen wurde.

Ich wünsche mir, dass der Ausgang dieses Litera-turwettbewerbs Menschen Mut macht, sich auchan den kommenden Wettbewerben zu beteiligen.

Dass wir als Katholische Erwachsenenbildung unshier engagieren, hat damit zu tun, dass uns alsMenschen, die sich auf eine Buchreligion, also aufdas geschriebene Wort beziehen, Texte, gerade li-terarische Texte besonders wichtig sind.

Gleichzeitig ist es Sache der Erwachsenenbildung,Erfahrungen mitteilbar zu machen, sie klären zuhelfen und in diesem Sinne zur Selbstvergewisse-rung und Identitätsfindung von Menschen beizu-tragen.

Dafür brauchen wir Unterstützung. Der Literatur-wettbewerb ist auch das: Suche nach Bündnis-partnern, denen der Menschwerdungsprozess vonMenschen wichtig ist. Suche nach Bündnispart-nern, für die Sprache nicht nur ein beliebiges Me-dium neben vielen anderen ist, sondern etwas,das konstitutiv zumMenschsein und zumMensch-werden gehört.Wenn hier von Bündnispartnern die Rede ist,dann nicht im weltanschaulichen Sinne, sondernim Sinne einer Sprachzugewandtheit, die notwen-dig ist, um über Entscheidendes überhaupt au-thentisch sprechen zu können. „Von Gott kannman nicht sprechen, wenn man nicht weiß, wasSprache ist. Tut man es dennoch, so zerstört manseinen Namen und erniedrigt ihn zur Propaganda-formel.“ (Günter Eich in seiner Büchnerpreisrede)

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Christiane Geiser

ungesagt

Derwird nicht leichtsterbender bis zuletztWorte suchtfür das lebenslangUngesagte

Tod

Leisebist du gegangenganz kleinder Radiusam Schluss

die Einsamkeitso lautdass ich sie hören konntebis hierhin

kein Abschiedwohinhast du wohl gefunden

dein Hungerwas hätte ihnstillen können

ich trage heutedeinen Schalgegen die Kältevon außenund innen

Nachricht

Alle meine Füllfedernhaben aufgehört zu schreibenals wüssten siedass etwas stillstehtjetzt

heute Morgenam Seeuferseh ich die Haubentaucherzu zweit raschelnd im Schilfbeim Nestbau

ob du noch erlebstwie die Kleinen schlüpfenob du noch den Herbst siehstden Winter

auf einmalgibt es nur nochein kleines Morgenein schmales Jetzt

ich kann es nicht denkenich kann es nicht fühlensagst du

ich fürchte mich ein bisschen vor dem Tagan dem dues kannst

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Mutter

Es dauert jetztimmer längerbis deine Augenzurückkehrenzu dirund dann zu mirund wir uns anschauenund du sagstach da bist du ja meine Große

und kurz daraufgleitest du wieder fortund fragstaber wo bin ich denn hierhier bin ich doch nicht zuhause

bald werden auch wir unsfür immer verlierenmeine kleine Mutter

du suchst dein Zuhauseund findest es nicht

nur noch ein Hauchbist dudeine zarten Knochenunter meiner Handein Vogelohne Nest

Himmel

Heute ging ich vorbei am Cafe „Himmel“ indem wir unlängst saßen beim Tee Deinleuchtendes Gesicht unter denbunten Tüchern und Deine Freudeüber das wieder gefundene Vorwärts unddie Freiheit doch noch reisen zu können denndu wolltest nichts ändern angesichts des Todes oderwusstest auch nicht wieund deshalb wolltest du einfachweitermachen wie bisher nur die Sonntagskleiderhast du manchmal angezogenwozu aufsparen sagtest duund dann ging es plötzlich doch schnell undnun bist du im anderen Himmel dem richtigenwenn du an ihn glaubst dann bist du dort

zu dir

zu dir kind gehe ichmorgensüber beete und steinekreuz und querdie schmalen wegezum grabzu dir

schwere hitze mittagszu fuß durch die Stadtdas friedhofstor schon weitoffen für schmerzerinnerungendann totenstillebei dir

schwerer regen abendsmit dem auto übers landzurückdurch die wenigen jahredie bliebenauf dem wegzu dir

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schwere träumenachtsüber den reißenden flusszum dunklen tor des todes weitoffen in gedankenschon dortich will zu dir

schwerer himmelwieder morgensmit dem fahrrad unterwegszum Horizont will ich fahrenzum ende kommenins weite blauüber mir

zu dir kind komme ichimmerüber beete und steinezu fuß übers landdie widrigen wegezum grabwieder bei dir

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Ilsa Knoll

das lächeln

oberkörper vor oberkörper zurück vor zurück vor zurückganz normal ganz normaler schwachsinn hatten die ärzte gesagtvor zwanzig Jahren in weißen kitteln weiß das papier auf dem standganz normaler schwachsinnsie lächelte lächelte ihr lächeln das aufstieg aus dem versunkenenland weißes land gottweißsie lächelte lächelte sobald der mund frei war zu lächelnfrei von dem gummibolzen damit sie sich nicht auf die zunge bissfrei von dem plastiklöffel der die suppe in den mund transportiertefrei von dem holzspatel der den mund aufsperrte bei untersuchungenvor zurück vor zurück augen geschlossen und verschlossenkein licht von innen nach außen von außen nach innen kein lichtnur das lächelnmanchmal ein lied gesummt guter mond du gehst so stille durchdie abendwolken hineine zeit gab es da hatte sie gesungen blasser mond du gehst sostille auch mein leben ist nun hinvor zurück vor zurückdamals waren ihre Schaukelbewegungen schneller heftigernoch schneller noch heftigersie hatte sich verletzt verwundet geschunden gottwarumdie augen geöffnet ein spaltbreit leben etwas leben siehgottdann hatten sie die dosis der medikamente erhöhterhöht und nicht mehr reduziertreduziert nur sie auf ein friedliches vor zurück vor zurückohne selbstgefährdung welches selbstwas hätten sie tun sollendas letzte spüren von leben der schmerz wer weißinnen wohnen kein außen im fenster ihr lächelnwie fragen an nichtwissendesie wusste wusste gottalles

einmal vor lange das spiel mit der schwester sage nach also dermond ist rund der mond ist rund er hat zwei augen nas und mundsie sagte der mond ist rund er hat zwei augen nas und mundnein nein hör zu hör doch zubis sie begriff endlich begriffalso musste man zuvor sagendann war es richtig richtig musste es sein richtigmond mond rund rundder reim wuchs der reim füllte ihren kopf aus

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2. Preis

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der mond ist rund der mond ist rundder reim kugelte kehrte zurück sprach sich selbstim takt im rhythmus im wiegen im schaukelnvor zurück vor zurück mond ist rund nas und mundvor zurück vor zurück mutterschoß mondschoß eigner schoßso ruhig so gut so ruhig so gut kind gottkindmond so rund nas und mund mondgesicht mondgesichtzwei augen sahen sie an hielten sie fest krallten sich eingroßmutter warum hast du so große augendamit ich dich durchschauen kann kann ich kann ichgroßmutter warum hast du so eine große naseweil ich dich nicht riechen kann will nicht will nichtgroßmutter warum hast du so einen großen munddamit ich besser schreien kann schreien schreiender mond ist rund der mond ist rund vor zurück also alsoer hat zwei augen nas und mund vor zurück vor zurück alsoliebster warum hast du so große augendamit ich dich besser sehen kann ich will dich sehen ich willliebster warum hast du so eine große nasedamit ich dich besser riechen kann ich will dich riechen ich willliebster warum hast du so einen großen munddamit ich dich besser küssen kann ich will dich küssen ich willvor zurück vor zurück lächeln lächelnein frühlingslächeln wie tau zart weich gotthauchvor zurück vor zurück sie wurde kleinklein wie damals als sie den vater fragte fragtewarum der himmel so weit ist da hat er gelacht und gesagtso fragt wer nicht ganz gescheit istihre hände umfassten die schultern fassen erfassenumarmten sich selbst kaum merkliche schaukelbewegungenkleine nur wie anstöße verlorene versuchtewie damals da hat sie die mutter gefragtwarum sie so müde und matt ist die hat nur geweint und gesagtmein kind man ist froh wenn man satt istsie steckte den daumen in den mund neigte den kopf zuneigenschaukelte ein bisschen nach rechts nach linkssie hat auch den bruder gefragtwarum er so klug und gescheit ist der guckte sehr ernst und sagtman ist nur wer wenn mans weit bringtsie hat den verlobten gefragtwarum die schwangerschaft so schlimm sei da knallt er die türund sagt dass bei ihm so was nicht drin seiihre hände hielten den tisch oder hielt der tisch ihre hände oder was

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sie schaukelte wieder ganz normaler schwachsinn gotthaltvor zurück vor zurückhinunter ist der sonnenschein die finstre nacht bricht nun hereinkinderzeit konfirmandenzeit sei unser licht herr jesu christlass uns im finstern tappen nicht brautzeit rotzeit rot wie blutmit blinden augen sah sie tappte sie verstand sie nievor zurück vor zurückschlaf kindlein schlaf dein vater war ein schafdie mutter war ein schäfeleindein bruder war ein böckeleindein kind das wird im himmel seinschlaf kindlein schlafsie kehrte in ihren reim zurückwie man heimgeht gern heimgeht heimvertrauter breitete die arme aussie wiegte sich hinein der mond ist rund der mond ist runder hat zwei augen nas und mundnachts im bett drehte der reim kreise kreise und tänzedas licht des mondes hüllte sie ein sie lag in seinem scheinim fieber fiebertanz streckte sie die arme aus hin zum lichtsei unser licht herr jesu christlass uns im finstern tappen nichtsie lächelte lächelte noch als sie sie fanden

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Margret Küllmar

Wo das Meer den Himmel berührt

Gesa saß, dicht an ihre Mama geschmiegt, imStrandkorb und verhielt sich ganz ruhig. Mamaschlief endlich einmal, und Gesa wollte sie auf kei-nen Fall stören, denn Mama schlief schlecht undweinte oft, weil sie so traurig war. Gedankenverlo-ren schaute Gesa auf das Meer. Ganz ruhig war es,gleichmäßig schwappten kleine Wellen an denStrand. Die Sonne stand schon recht tief, ihreStrahlen ließen das Wasser glitzern. Alles warfriedlich und so schön, und trotzdem, auch Gesawar traurig.

Alles hatte vor zwei Monaten angefangen, an ih-rem siebten Geburtstag. Papa, Mama und sie wa-ren in die Stadt gefahren und hatten ihr Geburts-tagsgeschenk, ein Schlauchboot für den Urlauban der Ostsee, gekauft und dann noch Eis für alle.Sie hatten sich damit auf einen Brunnenrand ge-setzt. Papa wollte in Ruhe sein Eis essen undMama hatte zum Aufbruch gedrängt, weil Omaund Opa zum Kaffee eingeladen waren. Gesa hat-te ihre Eltern ein wenig nass gespritzt, alle lach-ten und waren glücklich. „Hab ich's gut“, hattesie gedacht und der drängelnden Mama beim Ein-steigen ins Auto einen Kuss gegeben.

Später, viel später wachte Gesa in einem fremdenBett in einem fremden Zimmer auf.Ihre Oma saß auf dem Bettrand und sagte: „AchKind.“ Gesa schaute sich um und fragte: „Was istdenn los?“ und Oma sagte wieder: „Ach Kind.“Dann musste sie ganz lange weinen.

Eine Frau Doktor kam und erklärte Gesa, was pas-siert war. Papa hatte ein anderes Auto überholtund den Traktor übersehen, der ihnen entgegenkam. Nun war das Auto kaputt, Mama lag mitKopfverletzungen in einem anderen Krankenhausund Gesa hatte den rechten Fuß gebrochen. „Undwas ist mit Papa?“, fragte Gesa. „Dem konntenwir leider nicht mehr helfen“, antwortete die Frau

Doktor und sah sehr ernst aus. Oma weinte wie-der und sagte: „Ach Kind.“ „Wo ist Papa?“, fragteGesa und Oma antwortete: „Der ist im Himmel.“Langsam begriff Gesa, dass Papa nie wieder kam.Sie wollte weinen, schreien, toben, aber es gingnicht. Wie versteinert lag Gesa in ihrem Bett undkonnte sich nicht rühren.

Es dauerte Wochen, bis es ihr ein wenig besserging. Als sie aus dem Krankenhaus nach Hausekam, war Mama schon da. Ganz schmal war siegeworden und sah so traurig aus. Gesa wollte dieMama trösten, aber es gelang ihr nicht. Mamahatte zu nichts Lust, sie hatte weder Hunger nochDurst, wollte nicht mehr einkaufen gehen, mitniemandem sprechen, und in den Urlaub fahrenwollte sie schon gar nicht. Oma und Opa warenfast immer da und halfen wo sie konnten. „Gesa“,sagte die Oma eines Tages, mit sehr ernstem Ge-sicht, „ich mache mir große Sorgen um deineMama, wir müssen ihr helfen, sie trösten, siemuss wieder neuen Lebensmut bekommen.“ „Wiedenn, Papa ist weg, er ist im Himmel“, antworte-te Gesa verzweifelt. „Ach Kind, ich weiß, das istsehr schlimm für dich, aber ich weiß auch, dass esden Menschen, die in den Himmel gekommensind, sehr gut geht. Deiner Mama, der geht es garnicht gut“, erwiderte die Oma. „Was soll ich denntun?“ fragte Gesa. „Die Mamamuss mal hier raus,etwas anderes sehen, sie soll mit dir an die Ostseefahren. Das willst du doch sicher auch“, antworte-te die Oma. „Und wie?“, wollte Gesa wissen. „Da-ran arbeiten wir“, sagte die Oma, und ein ver-schwörerisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.„Oma, kannst du mir sagen, wie der Papa in denHimmel gekommen ist?“, fragte Gesa. Sofort ver-schwand Omas Lächeln, sehr traurig sagte sie nur:„Ach Kind.“

Wie ist der Papa in den Himmel gekommen? Wogab es eine Verbindung zwischen Himmel undErde? Auf diese Fragen fand Gesa keine Antwort,egal wen sie fragte und obwohl sie ständig darü-

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3. Preis

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ber nachdachte und nach einer Lösung suchte.Auch jetzt hier im Strandkorb. Ihr war klar, dasssie die Mama nicht danach fragen durfte, das wür-de sie noch trauriger machen. Sie kuschelte sichnoch ein wenig enger an die schlafende Mamaund sah auf die Ostsee hinaus. Ganz weit hinten,da wo das Meer den Himmel berührt, ging geradedie Sonne unter. Sie war nur noch halb zu sehenund verschwand immer weiter. Wie gebannt sahGesa dorthin. Wo das Meer den Himmel berührt,das war es, so war der Papa in den Himmel ge-kommen. Endlich wusste sie es, beinahe glücklichlächelte sie die Sonne an, die gerade in diesemAugenblick ganz und gar verschwand. Noch ein-mal schickte sie einen dicken wunderbaren Son-nenstrahl nach oben. „Das ist ein Gruß vomPapa“, entfuhr es dem aufgeregten Mädchen. Die

Mama wurde wach. „Gesa, ich habe vom Papa ge-träumt, zum ersten Mal nach dem Unfall, er warhier und wünschte uns einen schönen Urlaub. Dusollst nicht so weit mit dem Schlauchboot hinausfahren, hat er gesagt“, erzählte die Mama, undihre Augen wurden feucht. „Nicht weinen, bitte,bitte nicht weinen, Papa will das auch nicht“, bet-telte Gesa. „Du hast ja Recht“, erwiderte dieMama und drückte ihre Tochter ganz fest an sich,„weißt du was, wir gehen jetzt in die Pizzeria undmorgen gehen wir schwimmen und anschließendmachen wir einen kleinen Einkaufsbummel.“

Auf dem Weg in die Ferienwohnung hopste Gesawie früher neben der Mama her, und sie war derMeinung, dass deren Gesicht ein kleines bisschenfroher aussah.

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Oskar Ansull

wenn deine schon so kalte hand

in meiner wärmer wirdtrocken wieder leichtdass sie nur leise winktim schlaf im traumim schonnichtmehrgehst du barfuß überschläuche und kabelmit flimmerndem herzenüber alles hinweg läufstlängst die aller hinabflussabwärts zur weserzurück in schönere tagebist ruhigen gesichtsnicht mehr da wennnach sendeschluss diegeräte ausgeschaltet werdennach und nach –– ––mein kuss berührt dichnicht mehr und alle letzten wortebestechen deine seele nichtdie glauben wirnun ruht

in kreide

hüpfend durch himmel und hölle undanschreiben lassen beim bäcker levinrechenaufgaben an der schultafel und

auf der straße wochenlang der regen-verwaschene körperumriss das kindin kreide hart an der bordsteinkante

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Weitere Texte

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Renate Axt

ALLEINGELASSEN

Alleingelassenwollte das Kinddie Wolken erreichen

Flogniemand bremste den Fall

Um die Urnen tanzen die Mückender Schnee

Und die Klage

GEHEIME AKTENNOTIZ

Vielhundert Kinderfuhren bei Tag einAngst vor den EulenDornenund Katzen mit feurigen Krallen

Fuhren bei Tag einmit Schellen und LachenGlockenbäumen und Tamburin

Atmen im Dunkel jetztwie Wasser im Bergflüchtig verloren

Am Fels wachsen tönerne BlumenFelsbild aus bräunlich verirrten StimmenVielhundert Kindermit LockenHändenund braunen Gesichtern

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Peter Baumhauer

AUF SCHATTENPFADEN

auf schattenpfadenin mirdurch mich hindurchzum tor

meine toten

sie tragen lampenaus heiter begehbaremhimmelund

locken

locken

BRÜCKEN

wir gingen hinüberzu dirzu mir

das wort mit sommerbeladenmit herbst

du bist winter gewordenschneeschweigeis

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Anne Bendig

was bleibt

ich öffne die Türund stehe einsaminmitten steriler Kälte sehevor einer weißen Trennwanddas Bett in dem du liegstschutzlos unter der dünnen Decke

in einem wenig umhüllenden Hemddein Leib der mich einst trug

es schmerzt zutiefstdich so zu sehenmich fröstelt

nur zögernd trete ich nähernehme bebenden Herzensdeine Hand inmeine Handich schaue dich an und

die Gedanken wandern schweigendzwischen offenen Türen

auf den Fluren geschäftiger AlltagSchwestern lachen und plaudernich sehne mich nach Stille

wünschte dir und mirmehr würdigere Hülle

dein Blick unterdem Wimpernschlag istfortgezogen aus dieser Welt

sehenden Augesin eine andere

du klagst über wunde Schmerzenauf Platt – deiner Mutterspracheein letztes Mal höre ichden Klang deiner Stimme

dies alles bleibt undfügt sich ein in das Bilddas mein Herz von dir malteim Lauf der Zeit

es klingt nach Abschiednicht nach Endedas was bleibt

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Delia Esian

IM ANFANG war das Wort

Und am Ende ...

Vergeblich erwartest duDas Erwachen der SteineKein Wort wirdAn kein Land stoßen

Nur uferlosSternenlos

Der Tod –

Verstümmelung

In Asche zerblasen

Nichts ist geschehenüberhaupt nichtsDer Engel steigt nicht mehrin den Teich hinabDas Wasser bleibtunbewegt

Ein blinder Spiegeldas

verbrannte Wort –

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Rita Falkenstein

OpaDer siebenjährige Lukas hockte auf der Eingangs-treppe seines Elternhauses und warf missmutigSteinchen auf den Kiesweg. Drinnen saßen die Er-wachsenen beisammen und tranken Kaffee: Oma,Mama, Papa und ein paar Onkel und Tanten. Siewaren alle schwarz angezogen und sahen aus wieverkleidet. Mama sagte: „Das macht man so beiBeerdigungen.“ Auch Lukas hatte eine schwarzeHose und ein weißes Hemd mit schwarzer Jackeanziehen müssen. Die Sachen kratzten und warenunbequem. Am liebsten hätte er sie auf der Stelleausgezogen. Aber dann würde Papa schimpfenund Mama würde wieder anfangen zu weinen. Sieweinte viel, seit Opa tot war.

Lukas weinte nicht. Er war stinksauer. Wie konnteOpa sich einfach so aus dem Staub machen? LetzteWoche hatte er Lukas noch versprochen, das kleineSegelboot so bald wie möglich fertig zu bauen, da-mit sie es bei schönem Wetter auf dem Waldseeschwimmen lassen konnten. Was man verspricht,das muss man halten, dachte Lukas wütend.

„Und wer baut mir jetzt mein Boot?“, hatte erOma vorwurfsvoll gefragt, als diese am Tag nachOpas Tod traurig bei seinen Eltern saß. Papa hatteihn angeherrscht: „Sei nicht so unverschämt!“

Immer zorniger warf Lukas die Steinchen auf denWeg. Keiner sagte ihm, warum Opa gestorbenwar. Keiner erklärte ihm, was nach dem Sterbengeschah. „Das verstehst du noch nicht“, war alles,was er zu hören bekam. Die behandeln mich wieein Baby, dachte Lukas. Dabei bin ich doch schonsieben! Oma kam zur Tür heraus. Sie hatte ganzverweinte Augen, lächelte aber, als sie zu Lukassagte: „Kommmorgen mal bei mir vorbei, ich habwas für dich. Vom Opa.“ Lukas nickte erstaunt.

Am nächsten Tag machte er sich nach der Schuleauf den Weg zum Haus seiner Großeltern. Omaging mit ihm in den Schuppen, in dem Opa immergewerkelt hatte. Lukas war meistens dabei gewe-sen. Auf dem Tisch stand das halbfertige Boot, undLukas musste schlucken, als er es sah. Oma öffneteeine Schublade. „Das habe ich gestern gefunden“,sagte sie und gab ihm einen Briefumschlag. „Anmeinen Enkel Lukas“, stand darauf. Lukas öffnetedas Kuvert. „Kannst du mir den Brief vorlesen,Oma?“, fragte er. „Ich kann das noch nicht so gut.“

Oma räusperte sich und las: „Lieber Lukas, wenndu diesen Brief liest, werde ich nicht mehr am Le-ben sein. Mein Herz ist schon lange sehr krank,und wahrscheinlich hört es bald auf zu schlagen.Und ohne Herz kann ein Mensch nicht leben. Ichweiß nicht, ob ich es noch schaffe, dein Boot fertigzu bauen. Ich wünsche es mir, aber ich fühle michsehr schlecht. Meine Kraft lässt nach. Aber du, Lu-kas, du hast noch ganz viel Kraft, denn dein Lebenfängt gerade erst an. Und du hast schon so viel beimir gelernt. Ich bin sicher, du kannst das Boot al-leine weiter bauen. Ja, du schaffst es. Hab nurMut! Du kannst so oft du willst in den Schuppenkommen, jederzeit. Immer, wenn du hier bist,werde ich bei dir sein. Und wenn du vor dem Bootstehst und überlegst, wie hätte Opa das jetzt ge-macht, dann wirst du spüren, dass ich da bin, unddir wird die Lösung einfallen. Wenn du das Bootfertig hast, geh mit ihm zum Waldsee und lass essegeln. Ich werde dabei sein und mich freuen.Mein lieber Lukas, ich wünsche dir ein glückliches,erfülltes Leben – so wie ich eines hatte. In deinemHerzen werde ich immer bei dir sein. Dein Opa.“

Oma liefen die Tränen übers Gesicht, aber Lukaswar ganz feierlich zumute. Viel feierlicher als beider Beerdigung. Er sagte: „Oma, kannst du schon

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mal ins Haus gehen? Ich komm bald nach.“ Omaputzte sich die Nase und nickte.

Als Lukas allein im Schuppen war, sagte er leise:„So, Opa. Jetzt fangen wir an. Am nächsten Sonn-tag soll es nämlich schönes Wetter geben, bis da-hin muss das Boot fertig sein.“ Er stand einen Mo-ment still wie in sich versunken. Dann lächelte erund griff zur Werkzeugkiste.

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Marion Gay

Nur ein paar BlumenSchon das dritte Mal griff er in die Hosentasche,um sich zu vergewissern, dass sie noch da wa-ren, die Schlüssel. Was für ein Tag! Die Sonneknallte vom Himmel, kein Lüftchen wehte, undnur unter den Bäumen waren kleine Schattenin-seln, durch die er sich vorkämpfte, Insel um In-sel, während die Häuser gleichförmig an ihmvorbeizogen, grau und mehrstöckig, eben typi-sche Nachkriegsbauten, schnell hochgezogen,um all die Ausgebombten unterzubringen. Erversuchte sich zu erinnern, wie früher die Bebau-ung hier ausgesehen hatte. Es wollte ihm nichteinfallen, und noch einmal tastete er nach denSchlüsseln, da waren sie, und vor Haus Nummer113 löste er sich aus der Schatteninsel, fingerteden Bund aus der Tasche, und mit unbeholfenenFingern schloss er die Tür auf.Ob sie viel Post hat? Lange hält er sich damit auf,den Blechkasten im Flur zu öffnen, es ist nicht viel,was er ihr gleich oben neben das Telefon legenwird. Ein paar Rechnungen, Reklame, nichts Per-sönliches. Doch, eine Postkarte aus Mallorca, esgeht ihn nichts an und es interessiert ihn nicht dieBohne, und trotzdem bleibt er im Flur stehen undnimmt erst die Treppe, als er alles gelesen hat.Schöne Grüße, Wetter gut, Essen gut. Ihre Woh-nung liegt ganz oben. Das Treppensteigen fälltihm schwer, und am liebsten würde er umkehren,sei mir nicht böse, aber es war so heiß und duweißt doch, die vielen Stufen, und der Doktor Be-cker... So ähnlich könnte er es ihr sagen, nächsteWoche, wenn sie wieder zurück sein würde, undes wäre schon in Ordnung, ach Gott, die paarPflanzen, und wenn schon eine vertrocknet, wassoll's? Er könnte die Post wieder in den Kastenwerfen und nach Hause fahren. Aber er hat es ihrversprochen. Und er hat es sich vorgenommen.Also schließt er die Wohnungstür auf, verharrt ei-nen Moment auf der Schwelle, atmet tief ein unddieses Chaos, diese vollgestopfte Bude, all dieseralte Kram. Von wem sie das bloß hat? Waltraudund er haben nie etwas übrig gehabt für Krempel.

Er legte die Post neben das Telefon, schob vorherdie Figürchen beiseite. Zwanziger Jahre, hatte sieihm erzählt, von einem Trödler in Düsseldorf. Dasssie so weit fuhr wegen so einem Kram, jedes Wo-chenende stöberte sie auf den Märkten herum, ankeinem Sperrmüll konnte sie vorbeifahren. Er blick-te auf die alte Schreibmaschine auf dem Bieder-meiertischchen, daneben eine Rechenmaschine,an der Wand eine vergilbte Schwarz-Weiß-Fotogra-fie. Diese Stühle mit den eingeschnitzten Gesich-tern in der Lehne, Braut- und Bräutigamstühle, hat-te sie stolz erklärt, Gründerzeit. Er hatte mitsteifem Rücken auf der Kante gesessen. Findest du,dass sie bequem sind?, hatte er vorsichtig gefragt.Damit durfte man ihr nicht kommen, das wusste erwohl, und er riss die Fenster auf, bevor er die guss-eiserne Kanne mit Wasser füllte und die Topfblu-men goss. Diese alten Sachen, sie atmeten Muffaus, es war, als wollten sie ihn ersticken mit ihrertrotzigen Anwesenheit, was hatten sie in dieserWohnung verloren? Sie waren beladen mit den Er-innerungen fremder Leute. Leute, die längst totwaren. Er schluckte gegen die trockene Luft an,schloss zögernd die Fenster, stellte die Gießkannean ihren Platz zurück. Wann hatte es angefangen,dass Susanne sich für dieses Zeug interessierte,dass sie besessen wurde von Plunder? Erst hatte erdarüber hinweg gesehen, es ging ihn ja auch nichtsan, und so selten, wie Waltraud und er zum Kaffeeeingeladen wurden, die paar Male im Jahr. Er hattees so lange ignorieren können, bis er das schwarzeMonstrum in ihrem Schlafzimmer entdeckt hatte,zufällig, als er auf dem Weg zur Toilette an der ge-öffneten Schlafzimmertür vorbei gekommen war.Er hatte versucht, sich nichts anmerken zu lassen,und sicherheitshalber hatte er die Tür geschlossen,für den Fall, dass Waltraud noch zur Toilette muss-te. Er hatte versucht, sich nichts anmerken zu las-sen. Erst als sie ihn bat, nach dem Rechten zu se-hen, während sie im Urlaub war, natürlich, meinKind, natürlich, da war ihm die Idee gekommenund er hatte sich nach dem Preis erkundigt, sagmal, dieser Wagen in deinem Schlafzimmer, was

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hat der eigentlich gekostet? Ach, du meinst denZwillingskinderwagen? Sein Herz hatte geklopft.

Nun stand er neben dem Telefon, wenigstens daswar neu, und er nahm den Umschlag aus der Ja-ckentasche, das Geld abgezählt und noch einenSchein extra, sie würde so oder so empört sein,ach was, toben würde sie vor Wut. Er platzierteden Umschlag neben dem Telefon, neben den Sta-pel mit der Post, so dass sie ihn sehen würde,dann stieß er die Tür zum Schlafzimmer auf. Ihrschmales Bett an der Wand, ein bestickter Über-wurf darüber, in den Regalen überall Puppen. Dieaufgerissenen Augen in den weißen Porzellange-sichtern starrten ihn an, aber am schlimmsten diebeiden Babypuppen, die sich in diesem schwarzenUngetüm gegenüber saßen. Mit spitzen Fingernnahm er die beiden und schob sie zu den anderenins Regal, das war gar nicht einfach, es war jakaum Platz, und als er glaubte, beide gut unterge-bracht zu haben, stürzte das eine Baby vom Brettund krachte auf den Boden. Einen Augenblick langstand er einfach nur da, unfähig sich zu rühren,dann bückte er sich, fast schon angeekelt hob erdas Püppchen auf. Dieser beigefarbene Strampel-anzug, das runde Gesichtchen mit den erschrocke-nen Augen, das halbgeöffnete Mündchen, so alswollte es gleich losschreien, das Köpfchen, soglatt, ohne ein einziges Haar.

Man hatte ihn mit einem Käppchen beerdigt, miteinem Käppchen, und Waltraud und er hattennicht gewagt, es ihm abzunehmen, und keinervon den Ärzten hatte auch nur ein Wort darüberverloren, warum dieses Käppchen. Er weinte, alser die Puppe nun sicher im Regal verstaut hatte,sich ein bisschen schwankend im Zimmer drehteund den Kinderwagen beäugte. Dieses sperrige

Ding, es ließ sich nicht zusammenklappen, natür-lich nicht, es stammte aus einer Zeit, als mannoch kein Auto hatte, ein unpraktisches schweresDing, ausgerechnet seine Tochter musste es auf-stöbern, dieses Monster, und er packte es undzerrte es auf den Flur, aus der Wohnung, vergissnicht abzuschließen, er trug es die Treppe hinun-ter, auf die Straße, und warum hatte er bloß soweit weg geparkt, und als er um die erste Häuser-ecke bog, spürte er, wie sein Körper bebte, allesbebte, der Boden unter ihm, die Schatten, alles.

Dieser kleine Junge mit seinen winzigen Händenund Füßen, noch winziger als seine Schwester, diefast eine Stunde eher geboren war, eine Stunde,in der weder die Hebamme noch der Arzt gemerkthatten, dass da noch jemand war, in WaltraudsBauch. Als sie ihn entdeckten, war es schon fast zuspät. Aber er wollte leben, dieser kleine Junge,und ein ganzes Jahr lang kämpfte er in der Klinik,ein langes Jahr, in dem Waltraud und er kaumKraft hatten, sich um Susanne zu kümmern, daslebhafte Baby, das ständig Nahrung und Aufmerk-samkeit forderte, während sie doch in Gedankenimmer bei dem Jungen waren, jede freie Minute inder Klinik verbrachten, zusehen mussten, wie erkämpfte und doch verlor.

Er stopfte den Kinderwagen ins Auto, fuhr gleichdurch zur Deponie, zwanzig Euro, hier bitte, under schleuderte das Monstrum in den Container,weit weg, und hoffte, dass es niemand mehr he-rausholen würde.

Bei Susanne war alles in Ordnung, würde er spä-ter zu Waltraud sagen. Alles in Ordnung. Sind janur die paar Blumen.

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Manfred Klinkebiel

zu dir

zu dir kind gehe ichmorgensüber beete und steinekreuz und querdie schmalen wegezum grabzu dir

schwere hitze mittagszu fuß durch die Stadtdas friedhofstor schon weitoffen für schmerzerinnerungendann totenstillebei dir

schwerer regen abendsmit dem auto übers landzurückdurch die wenigen jahredie bliebenauf dem wegzu dir

schwere träumenachtsüber den reißenden flusszum dunklen tor des todes weitoffen in gedankenschon dortich will zu dir

schwerer himmelwieder morgensmit dem fahrrad unterwegszum Horizont will ich fahrenzum ende kommenins weite blauüber mir

zu dir kind komme ichimmerüber beete und steinezu fuß übers landdie widrigen wegezum grabwieder bei dir

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Tabea Petersen

Schattenschwester, SpiegelkindIch schaue in den Spiegel, doch das Gesicht, das miraus dem matt schimmernden Rund entgegenblickt, ist nicht mein eigenes. Nicht ganz. Es siehtmeinem ähnlich, ja, nur hübscher: Die Augen einwenig größer, die Wangen ein wenig röter, die Lip-pen ein wenig mehr geschwungen. Und dann dieHaare: ihre Haare sind lockig und fast schwarz. Mei-ne sind einfach nur braun. Ich heiße Ida und werdebald vierzehn, Ida, drei Buchstaben. Ganz einfach.Das Mädchen im Spiegel ist meine Schwester Hele-ne. Meine Schattenschwester. Sie ist zwölf, nur an-derthalb Jahre jünger als ich. Besser gesagt, siewäre zwölf. Sie ist mit fünf Jahren gestorben.

Es war ein Auto auf einem Parkplatz, und dann mei-ne Schwester, die sich von meiner Hand losriss undlief. Ich wollte sie festhalten, hätte sie festhaltenmüssen, doch es ging nicht. Helene war so stark. Sovoller Leben und absolut furchtlos. Auch jetzt warkeine Angst in ihrem Blick, als das Heck des rück-wärts rollenden Autos mit einem dumpfen, hartenSchlag auf ihren Körper traf und sie zu Bodenschleuderte. Zuerst dachte ich, der Schrei käme vonihr. Es dauerte eine Weile bis mir klar wurde, dassich es war, die schrie. Ich und Mutti. Wir ranntenbeide los. Als wir bei Helene ankamen, war sieschon dabei sich aufzurappeln, in ihren großenblauen Augen lag nichts weiter als Erstaunen undeine winzige Spur Verwirrung über das, was gesche-hen war. Angst hatten wir anderen. Die blondeFrau, die am Steuer des Autos gesessen hatte, warausgestiegen. Stand nun wie erstarrt da, die Handauf den Mund gepresst, und murmelte: „Oh Gott,oh mein Gott.“ Mutti kniete neben Helene, half ihrauf die Beine und redete mit vor Furcht ganz schril-ler Stimme auf sie ein: „Schatz, kannst du aufste-hen? Kannst du laufen? Tut dir etwas weh?“ Hele-nes Blick war noch immer voller Verwunderungdarüber, die Erwachsenen derart ängstlich zu se-hen. „Mir geht's gut“, sagte sie und lächelte. Hele-nes Lächeln hatte schon immer etwas Magisches.Es war ein Zauber, wie glitzernder Feenstaub und

funkelnde Sternchen. Auch jetzt entspannte ihr Lä-cheln sofort die Situation. Sie schien den Zusam-menstoß tatsächlich völlig unbeschadet überstan-den zu haben Die blonde Frau steckte unsererMutter einen Zettel zu, ein paar zitterige blaue Li-nien auf zerknittertem gelbem Papier. „Hier, meinName und meine Telefonnummer. Falls doch ir-gendwas ... Sie gehen zum Arzt, nicht war? Sicher-heitshalber?“ Mutti nickte, dann gingen wir.

„Sieht aus, als hätte unsere kleine Prinzessin nochmal Glück gehabt“, sagte der Doktor, fuhr Helenemit der Hand über den dunklen Haarschopf undschenkte ihr einen roten Luftballon. Eine Überwei-sung zur Kinderstation schrieb er aber trotzdem.Sicherheitshalber.

Begann ich da schon etwas zu ahnen? Ich weiß esnicht. Der Gedanke, dass Helene ins Krankenhaussollte, gefiel mir jedenfalls ganz und gar nicht.Seit sie geboren wurde, waren wir nicht eineNacht getrennt gewesen. Helene selbst war vorallem beleidigt. So beleidigt, dass sie auf demWeg zum Krankenhaus nicht ein Wort sprach. Inder Vorhalle kaufte Mutti zum Trost eine TüteGummibärchen am Automaten. Ich kann noch al-les ganz genau vor mir sehen: Helene, deren klei-nes Gesicht aufleuchtete, als sie die Tüte aufriss.Meine Eltern, die einander erleichtert ansahen.Ich selbst steckte vorsichtig die Hand in die knis-ternde Tüte, die Helene mir hinhielt, und nahmmir ein paar rote Bärchen. Die mochte ich damalsam liebsten. Dann reichte ich Helene ihren Lieb-lingsteddy, den sie voller Zorn quer durchs Zim-mer geschleudert hatte, als Mutti zu Hause die Ta-sche fürs Krankenhaus packte. Ich hatte ihnaufgelesen und mitgenommen. Dankbar strahlteHelene mich an. Verschwand kurz darauf an derHand einer Krankenschwester.

Als ich sie das nächste Mal sah, lag sie regungslosin einem Metallgitterbettchen, winzig wie einePuppe, umgeben von Schläuchen und blinkenden

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Apparaten. Der Anruf aus dem Krankenhaus hatteuns mitten in der Nacht geweckt. Ich war bereitsins Auto gekrochen, bevor Vati den Hörer aufgelegthatte, versuchte mich auf dem Rücksitz unsichtbarzu machen aus Angst, dass sie mich sonst vielleichtzurücklassen würden. Tatsächlich bemerkten siemich erst in dem Moment, als Vati rückwärts ausder Einfahrt fuhr. Während der Oberarzt halblautauf meine Eltern einredete, kniff ich die Augen zu-sammen und versuchte, aus dem Alptraum aufzu-wachen, zu Hause in unserem Zimmer, mit Helenesruhigen Atemzügen im Bett neben mir. Doch nichtspassierte, und so konzentrierte ich mich auf daseinzig Vertraute in dieser kalten, weißen Welt: Denzottigen Kopf des Teddybären, der neben Heleneunter der Bettdecke hervorlugte. Selbst das Gesichtmeiner Schwester wirkte jetzt fremd, blass und leb-los. Dann, plötzlich, begannen die Apparate zu pie-pen, ein schrilles, scharfes Geräusch, das den ge-samten Raum auszufüllen schien. Das Zimmerverschwamm vor meinen Augen, ich presste dieHände auf die Ohren, um das furchtbare Geräuschnicht mehr hören zu müssen. Ich erinnere mich,dass Vati reglos dastand wie versteinert. Dass Mut-

ti den Arzt zur Seite stieß und sich über die bleicheGestalt in dem Bettchen warf.

Dann erinnere ich mich lange Zeit an nichts mehr.Irgendwann, Tage oder vielleicht Wochen später,sah ich den zerknitterten gelben Zettel auf demBoden in unserem Hausflur liegen. Er musste ausMuttis Jackentasche gefallen sein. Ich hob ihn auf.Nahm mir vor, die blonde Frau anzurufen, ihr zusagen, dass alles gut war und dass sie sich keineSorgen zu machen brauchte. Sie hatte so nett aus-gesehen. Ein paar Mal schlich ich heimlich zum Te-lefon, hielt den Hörer in der Hand, starrte auf diemit unsicherer Hand geschriebene Zahlenfolge,aber ich konnte mich nicht dazu überwinden anzu-rufen. Irgendwann riss ich den Zettel in kleineSchnipsel und warf ihn fort. Nein, die Frau traf kei-ne Schuld. Ich war schuld, ich hatte Helene nichtfestgehalten. Und doch, in gewisser Weise habeich sie festgehalten. Halte sie noch immer fest,denn ein Teil von ihr ist stets bei mir. Darum ist siemeine Schattenschwester. Darum sehe ich ihr Ge-sicht, wenn ich in den Spiegel schaue.

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Elena Raulf

Dein Gesicht

Von deinen vielen Gesichternist mir eines besondersin Erinnerung geblieben,das fremdeste.

Das fremdeste war dastote; als ich dichnicht mehrin deinen Zügen fand.

Erst da erkannte ich,dass duunsterblichbist.

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Sonja Viola Senghaus

An Klaus

III.Ungebeten kam er wurde dein BegleiterUnbemerkt nistete er sich ein in dirUnverstellt – doch Freund kann er dir nicht werden

IV.Das Winterkleid wiegtschwer auf müder Hautschwächt die Füßezerbricht den Rückenbemäntelt die Augen

Hinter der Herzwandschlägst du Alarm

VII.Dich wissendunter dem Schatteneiner BucheDer Nachtvogelsingt sein Lied:Ombra mai fu

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Christiane Sprinz

Sina-Sophie

Sophie, du bist meine große Liebe! Oder muss ichsagen: du warst meine große Liebe? Bist du ge-storben, obwohl du nicht tot bist? Bist du tot unddoch noch nicht gestorben? Unruhig gehe ich indem kleinen Raum auf und ab: Intensivstation,Universitätsklinikum. Das Piepsen der Geräte er-füllt den Raum. Auf den Monitoren zucken grüneLinien: dein Herzschlag, deine Atmung, die Sätti-gung des Bluts mit Sauerstoff – alles wird regis-triert. Nur eine Linie bleibt flach.

Du liegst da auf dem Bett. Regelmäßig hebt sichdein Brustkorb, die Maschine erledigt das Atmenfür dich. Dein Gesicht ist bleich, deine Hände undFüße sind fast schon wächsern zu nennen. Eine In-fusion tropft langsam in deine Armvene. Proteine,Glukose, Fett, Mineralstoffe, Spurenelemente – al-les, was man so zum Leben braucht. Du brauchstes nicht mehr, denn du bist tot. Aber in dir lebt un-ser Baby. Und darum musst du auch noch leben,etwas wenigstens. Die Ärzte haben mir versichert,du würdest nichts mehr spüren. Aber sie könntendas Baby retten. Wir haben uns so auf das Kind ge-freut. Weißt du noch, als wir die Kinderwagen an-geschaut haben? Den grünen wolltest du haben.Auch das Kinderzimmer wolltest du grün strei-chen. Grün ist die Hoffnung, hast du immer ge-sagt.

Hoffnung – was ist Hoffnung? Da war dieser be-trunkene Autofahrer, der die Fußgängerin nichtbeachtete, die bei Grün über die Straße ging. Da-mit starb die Hoffnung, damit starbst du.

Aber das Baby in dir lebt. Die Ärzte sagen, sieschaffen es. Die moderne Medizin kann das, einBaby im Bauch einer Toten heranwachsen lassen,bis es lebensfähig ist. Meine Einwilligung wolltensie überhaupt nicht. Sie meinten, es sei unterlas-sene Hilfeleistung, wenn sie es nicht versuchten.Es ist übrigens ein Mädchen, haben sie gesagt.

Wir wollten es erst bei der Geburt wissen. Nunweiß ich es, und du wirst es nie erfahren. Wolltestdu nicht immer eine kleine Sina haben? Ich glau-be, ich nenne sie Sina-Sophie. Sina-Sophie Winter.Ich soll meine Hände auf deinen Bauch legen, sa-gen die Ärzte, damit das Baby mich spürt. Ichhabe Angst, dich zu berühren. Aber ich tue esdoch. Dein Bauch ist überraschend warm. Ich spü-re, wie Sina-Sophie sich bewegt. „Hallo, meineKleine. Wir schaffen das schon.“

„Guten Tag, Dr. Winter. Das ist aber schön, dassSie nach Ihrem kleinen Mädchen sehen.“ Schwes-ter Renate schiebt einen Wagen mit Medikamen-ten in das Zimmer. Sie wirft einen prüfenden Blickauf einen der Monitore. „Es geht ihr gut.“ Ge-schäftig tauscht sie den Infusionsbeutel aus, ziehteine Spritze auf und injiziert die klare Flüssigkeitdurch ein kleines Ventil direkt in deine Vene. „Wasgeben Sie ihr?“, frage ich. „Das sind Hormone.Ihre Frau kann keine mehr bilden, weil ihr Gehirnnicht mehr funktioniert. Und ohne Hormone wür-de das Baby nicht mehr wachsen.“ Ich schaue siezweifelnd an. „Kann man wirklich den gesamtenStoffwechsel meiner Frau über Infusionen, Sprit-zen und Medikamente regeln?“ „Der Herr Profes-sor ist eine Koryphäe auf diesem Gebiet. Ihr Babyist in besten Händen.“ Schwester Renates Stimmeist sanft und voller Zuversicht. „Wenn Sie noch einWeilchen bleiben, können Sie ihn gerne selber fra-gen. Er kommt gegen fünf zur Visite.“ Leise klap-pern die Medizinfläschchen, als sie den Wagenwieder zur Tür schiebt. „Sie sind dann doch nochda, oder?“

Ja, ich bin dann noch da. Zu vieles geht mir durchden Kopf. Fragen, auf die ich keine Antwortenhabe. Ich bin Physiker. Ein nüchtern denkenderMensch. Meine Welt sind die Elektronen, die sichauf vorhersehbaren Bahnen bewegen, die ichschneller oder langsamer machen kann, aber im-mer werden sie von mir gesteuert. Was steuertmich hier? Wo ist die vorhersehbare Bahn? Meine

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Sophie, sie ist tot. Wir werden das Baby nicht ge-meinsamwachsen sehen. Ich werde mit dem Babyalleine sein. Kann ich das? Schaffe ich das? Wasist mit meinen Forschungsergebnissen? NächstenMonat ist der Vortrag auf dem Kongress. Kollegenaus aller Welt erwarten, dass ich fundierte Ergeb-nisse präsentiere. Ich schaffe das nicht. Ich willdas nicht.

Panisch laufe ich zur Tür. Draußen atme ich die fri-sche Frühlingsluft tief ein. Hyazinthen in den Bee-ten verströmen einen süßlichen Geruch. Gedan-ken wirbeln in meinem Kopf umher. Was passiertmit dem Baby? Stimmt es, dass es keinen Schadennimmt, wenn es im Bauch einer Toten heran-wächst? Wird es gesund sein? Wie kann eine Toteein Kind gebären? Das Baby wird viel zu früh kom-men, es muss in den Brutkasten. Wer soll es wär-men, wer soll es stillen? Was passiert später? Ichmuss arbeiten, Geld verdienen. Wird meine Mut-ter es nehmen wollen? Oder eine Tagesmutter?Nein, kommt nicht in Frage. Wenn meine Tochterdie nächste Zeit übersteht, dann kann ich sie dochnicht zu einer fremden Frau geben.

Ich schaue auf die Uhr – gleich fünf. Der Professor.Ich eile zurück ins Krankenzimmer. Dort steht er,prüft die Geräte, liest die Laborbefunde, nickt zu-frieden. „Sieht alles gut aus, Herr Winter“, sagter. „Ich bin sicher, dass wir das Kind noch eineWeile im Mutterleib halten können. Mindestenszwei Wochen, dann sollte es lebensfähig sein. Siesind doch einverstanden?“ Einverstanden? Neinoder doch ja? Ich weiß es nicht. „Ich muss Sie et-

was fragen“, bricht es aus mir heraus. „Wie wirktes sich auf das Baby aus, diese Art der Schwanger-schaft?“ Ich stocke, muss mich räuspern. „Wasmacht das mit einem Baby, wenn es die Maschi-nen lauter hört als den Herzschlag seiner Mutter?Was geschieht mit der Psyche dieses kleinenWürmchens?“ Verzweifelt stoße ich den letztenSatz hervor. „Das ist eine interessante Frage.“ DerProfessor nimmt seine Brille ab und sieht michlange an. „Eine sehr interessante Frage.“ „Eine in-teressante Frage?“ Ich schnappe nach Luft. „Mehrnicht? Sie missbrauchen meine Frau als eine ArtGebärmaschine? Wollen Sie an meinem Kind er-forschen, wie es ist, in einer Toten weiterzule-ben?“ Seelenwund schreie ich auf, Tränen stürzenin meine Augen. „Hier liegt die Frau, die ich liebe,und sie ist tot und darf doch keine Ruhe finden?“„Herr Winter, beruhigen Sie sich.“ Die sonoreStimme des Arztes durchdringt den Schleier mei-nes Schmerzes. „Ich weiß um Ihre Trauer, aber ichversuche, Ihr Kind zu retten. Ihr Kind! Und was diepsychologischen Fragen anbelangt, so werde ichmeinen Kollegen aus der Psychiatrie, Professor Pe-ters, bitten, mit Ihnen zu sprechen. Er ...“

Ein lautes Geräusch unterbricht seine Rede. DerWehenschreiber schlägt an. „Oh Gott! Das ist javiel zu früh!“ Ich werde vom Bett weggedrängt.Hektisch hantiert der Arzt mit den Spritzen, dieSchwester Renate ihm reicht. Sina-Sophies Herz-schlag kritzelt wilde Linien auf den Monitor. Dannwird die grüne Linie glatt, ganz ruhig.

Es ist vorbei.

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Michael Starcke

pfingstsonntag

der flieder vorm hausund weiße pfingstrosen,von denen jemandschwärmt am telefon.da ist eine todesnachricht,von der wir sprechen müssen,um uns zu tröstenmit erinnerungen,auf die gefahr hin,von gestirnen zu erfahren,die wir nicht kennen,einmal sahen wir,dass der steinvon einem grab entfernt worden warohne eigenes zutun.einmal sahen wir,dass das grab leer war,ohne es uns erklären zu könnenmit einem harten, kleinen lachenvon ratlosigkeit und trauer,ganz zu schweigenvom schmerz,in dem alles lichtnur noch eine vergessene liebkosungist mit behaarten armen.

pfingstsonntag,an dem ein geplanter ausflug entfällt,an dem wir uns verlassen vorkommen,vernachlässigtekomische gestalten,liebesunglücklicheverlorene damen und herren,hören wir vogelstimmenauf einer vielbefahrenen straße,hören wir gesprächewie das klopfen an eine ferne tür,ist die sprachfertigkeit des verstehensein lautloses sich-wundern,wie vom himmel gefallenohne tödliche folgen.

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Sarah Wedler und Nadine d'Arachart

Gehen lassen

Die Küche ist der einzige Raum der Wohnung, inden der Tod noch nicht gedrungen ist. Staub liegtauf allem, und die Sonnenblume auf der Fenster-bank hat sich von Dana weggedreht, aber hier drinkennt die Trauer noch Grenzen. Wie um diese Fes-tung aufrecht zu erhalten, verneint Dana trotzigalles, was hier drin tot ist, indem sie es aus ihremBlickfeld schafft. So wie den Aschenbecher, der aufdem Kühlschrank stehen muss, seit Ben im Schlaf-zimmer stirbt. Sie hat die Küche gewählt, um nach-zudenken. Durch den langen Flur ist sie weitestmöglich vom Schlafzimmer entfernt. Wenn Bennach ihr riefe, würde sie es hören, aber er ruft nie.Er glaubt, er kann das allein durchstehen, das Ster-ben. Eine Träne tropft auf die schokoladenbrauneTischplatte. Dana wischt sie schnell weg. DieWanduhr tickt hämisch und erzählt von der Zu-kunft ohne Ben, die kommen wird, zweifellos,möglicherweise schon heute. Tick Tack Tick Tack.

Heute morgen um sieben hat er sie gefragt. Nacheiner durchwachten, morphiumvernebeltenNacht. Draußen hat es die Tränen geregnet, diesie sich verboten hat, in seiner Gegenwart zu wei-nen. Seine Stimme war brüchig wie Herbstlaub,seine Augen trüb wie der Tümpel hinter demHaus, über dem jetzt, wenn sie aus dem Fensterstarrt, weißer Dunst schwebt wie eine Erschei-nung. Ihre Hände zittern noch immer, haben ei-gentlich nie aufgehört, seit er ihr die Frage ge-stellt hat, die sie nicht einmal zu denken wagte,bis er sie aussprach. Jetzt schwirren Antworten inihrem Kopf herum. Lästige, wispernde Stimmen,die flüstern: Du kannst es beenden. Ja, sie kannes. Sie könnte es. Was für eine widerliche Art derMacht. Sie lässt den Blick fahrig durch die Kücheschweifen, um sich abzulenken und die Stimmenzum Schweigen zu bringen. Das Urlaubsfotohängt noch an der Wand, den Rahmen hat sie ein-geschlagen, in einem Anfall blinder Wut auf dasLeben und den Tod. Dieser Urlaub war vor der Dia-

gnose, aber nicht vor dem Krebs. Vielleicht hättesie nicht an dieses trügerische Glück glauben sol-len, doch sie hat es getan, und jetzt sticht diesesBild ihr entgegen, ein Lehrstück blanker Ironie.

Sie hat heute Morgen einen langen Spazierganggemacht, um sich die Frage durch den Kopf gehenzu lassen, dem Undenkbaren eine Chance zu ge-ben. Wie Nadelstiche hat sie die Regentropfen aufder Haut gespürt. Sie ist durch den alten Park ge-laufen. Im Winter ein verwunschener Ort vollerGestalten im Nebel, ein Versteck für Verliebte,und sie hat sich vorgenommen, nie wieder zu lie-ben, wenn Ben erst weg ist.

Noch eine Träne auf dem schokobraunen Tisch.Sie soll es mit ihrem Insulin tun, das hat er ge-sagt. Seine Stimme war ruhig, fast zu ruhig, fastschon tot. Sie soll ihm eine Überdosis spritzen. Erklang nicht wirr, als er das von ihr verlangt hat.Als wäre es nur eine Kleinigkeit, einmal zustechenund fertig, als wäre es nichts weiter, das Leben ei-nes Menschen zu beenden.

Über dem Tümpel schweben gespenstische Forma-tionen, als sie ans Fenster tritt und in den Winterstarrt. Laub, halb verwittert, umgibt die Wasserflä-che und bietet einen passenden Rahmen für dasNebelschauspiel. Ben sieht nicht mehr aus demFenster. Er ist wie die Menschen, die Verreisendenie zum Bahnhof begleiten, um sich den Abschieds-schmerz zu ersparen. Dana ist anders. Sie ist die,die an den Gleisen steht und hinterher winkt, bisdie Rücklichter im Nirgendwo verschwinden. So einMensch ist sie, und jetzt soll sie zur Mörderin wer-den. Wie widersinnig es wäre, es zu tun. Wie egois-tisch, es nicht zu tun. Sieh den Tatsachen ins Auge,sagt sie sich und lehnt die Stirn gegen das eiskalteFenster. Gesteh dir ein, dass er nicht mehr bleibenwill. Dass er gehen will, seiner freien Entscheidungnach, solange er noch entscheiden kann. So warBen immer, ein Mann, der Entscheidungen trifft,und sie war das Mädchen, das ihm gefolgt ist, nur

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zu gern und überall hin. Nie hat sie erwachsen seinmüssen, weil er es für sie war. Nie hat sie entschei-den müssen. Sie muss an seine eingefallenen Wan-gen denken und die Knochen, die sich überall ab-zeichnen. Sie hat es nie gemocht, von Menschen zusagen, sie seien nur noch ein Schatten ihrer selbst,weil das so endgültig klingt. Heute weiß sie: Es istendgültig. Das Laub im Garten ist endgültig tot,der Sommer endgültig vorbei und Ben ein Sterben-der, Tag für Tag mehr.

Ihre Stirn hinterlässt einen beschlagenen Abdruckauf der Scheibe, aber nur für Sekunden. Die Träneauf dem Tisch ist getrocknet. Das Insulin sieht sievon seinem Platz auf dem Kühlschrank, gleich ne-ben dem Aschenbecher, fragend an. Es ist bereit.Ihre zitternden Hände sind es. Sie ist es nicht. Inmanchen Nächten spürt sie, wie er lautlos weint,wenn die Schmerzen zu schlimm werden, umSchlaf zu finden. Diese Nächte mehren sich. Siemöchte ihn dann packen und schütteln und fragen,warum er aufgehört hat zu kämpfen. Als sei es nureine Frage des Willens und der Entschlossenheit,als sei er schuld und als könne er etwas ändern.Manchmal hofft sie, dass er schon weiß, was er tutund dass er sich wieder aufrafft, die Krankheit be-siegt, wenn sie nicht damit rechnet. Aber sie weiß,dass das ein Wunschtraum ist, eine Utopie.

Sie gießt die Sonnenblume, aber die Sonnenblu-me hasst sie, seit sie nicht mehr fröhlich ist und

nicht mehr mit ihr spricht. Vielleicht sollte sie esmit dem Aschenbecher versuchen, aber der stehtneben dem Insulin, und sie hat Angst vor demFläschchen, als beinhalte es den Tod. Tut es jaauch, flüstert eine der Stimmen in ihrem Kopf.Was ist, zittern deine Hände so, weil sie wissen,wozu sie fähig sind?

Dana schüttelt hektisch den Kopf und entferntsich vom Kühlschrank. Nein, sie ist nicht fähigdazu. Vielleicht liebt sie ihn zu sehr, um es zu tun,auch wenn er behaupten wird, dass sie es nichttut, weil sie ihn nicht genug liebt. Sie wird es ihmerklären. Sie verlässt die Küche und betritt denkalten Flur. Die Schlafzimmertür ist nur ange-lehnt. Kein Laut dringt nach außen. Sie friert.Schlingt die Arme um den Oberkörper. Sein Ge-ruch schlägt ihr entgegen, ein Schauer läuft ihrüber den Rücken. Bald wird es hier nicht mehrnach ihm riechen. Sie schluckt die neuen Tränenrunter und öffnet die Schlafzimmertür ganz. Benliegt im Bett. Seine Augen sind geschlossen. Sietritt näher und erstarrt. Sein Brustkorb hebt sichnicht. Senkt sich nicht. Sie sinkt auf die Knie.Schluchzt, dass sie seinen Wunsch nicht erfüllenkann und hofft vergeblich auf eine Antwort. Baldschon wird es hier nicht mehr nach ihm riechen.Ihre Hände hören auf zu zittern, als sie sie vors Ge-sicht schlägt.

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Inken Weiand

Die Heimkehr

Als Notburga heimkehrt, ist sie austherapiert. Sohat der Arzt im Spital es ausgedrückt, ja, und sowird es auch sein. Notburga überlegt eine Weile,dann fasst sie sich ein Herz und ruft ihren Bruderan. Der Bruder lebt noch hoch oben im Tal – dort,wo auch Notburga aufgewachsen ist, wo die El-tern und Großeltern gelebt haben und gestorbensind. Der Bruder führt noch den Hof, nur als Ne-benerwerb, aber er führt ihn. Der Bruder hört Not-burgas Anliegen, ihre leise Bitte. „Ja, freilich“,sagt er. „Freilich kommst du zu uns.“ Der Nefferäumt ihr altes Zimmer, das mit dem Balkon unddem Blick über das Tal. Notburga kehrt heim.

Kräftig ist sie nicht mehr, nein. Aber sie macht Spa-ziergänge und geht der Schwägerin in der Küchezur Hand. Das kann sie noch. Wenn der Bruder insTal fährt, ins Dorf, dann nimmt er Notburga mit.Und während er seine Besorgungen macht, sitztNotburga neben dem Brunnen auf der Bank undbeobachtet die Menschen. Sie führt das eine oderandere Gespräch mit alten Bekannten. Und wennder Bruder auf die Alm fährt, mit dem rostigen Alm-auto, dann fährt Notburga mit. Und während derBruder Zäune kontrolliert und nach dem Vieh sieht,sitzt Notburga auf der Wiese am Bach und denkt anfrüher. An die Zeiten, zu denen die Großmutter siemit auf die Alm nahm. Was hat sie nicht alles ge-lernt von der alten Frau! Über das Vieh, über denHaushalt, über die Welt. Und Gottvertrauen. Ja,das Gottvertrauen der Großmutter, das war wohldas Wertvollste, was sie Notburga mitgegeben hat.„In meinem Herrgott habe ich gelebt, in meinemHerrgott werde ich einmal sterben“, pflegte dieGroßmutter zu sagen. Notburga betrachtet die Blu-men, die bunten, und denkt an die Großmutter.

Später wird Notburga schwächer. Schon kurze Spa-ziergänge werden anstrengend. Dennoch zwingtsich Notburga jeden Morgen, einen Gang über denHof zu machen. Sie sieht in den Hühnerstall, nach

dem Garten, umrundet den Stall, sieht nach denKühen auf der Weide. Eine Weile bleibt sie vor demKruzifix stehen und spricht ein stilles Gebet. Da-nach muss sie sich erst einmal ausruhen. Sie sitztauf der Bank vor dem Haus, und wenn jemand vor-beikommt, wechselt sie ein paar Worte mit ihm.Notburgas Kräfte lassen weiter nach. Eines Tagesschafft sie es nicht mehr aufzustehen. Die Beinetragen sie nicht mehr. Nun kommt jeden Morgenund jeden Abend die Gemeindeschwester. Der Bru-der rückt Notburgas Bett an das Fenster, so, dasssie die Berge sehen kann. Wenn nun Gäste kom-men, tun sie es, um Abschied zu nehmen, dasspürt Notburga. Einmal, als die Gemeindeschwes-ter sie wäscht und dazu aufsetzt, sieht Notburgaihr eigenes, eingefallenes Gesicht im Spiegel. Sieerschreckt und schlägt die Hände vor die Augen.

Am nächsten Tag deckt der Bruder den Spiegel ab.Und Notburga wendet jeden Morgen den Blick denBergen zu. Aber Notburga hat einen Traum. „Ein-mal noch auf die Alm“, seufzt sie. Da trägt der Bru-der sie noch einmal in das rostige Almauto. Er fährthinauf auf die Alm, ganz langsam, damit Notburganicht so durchgeschüttelt wird. Auf der Alm stellter das Auto auf der Wiese ab. Und Notburga sitztim Auto, auf dem Beifahrersitz, festgehalten durchden Sicherheitsgurt, sich mühsam aufrecht hal-tend. Aber sie blickt sich aufmerksam um. Dort hin-ten am Bach hat sie mit der Großmutter gesessen.Die Blumen blühen in voller Pracht, hier ein Türken-bund, dort die kleinen Kohlröschen. Notburga

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saugt den Anblick in sich ein, und auch den Duft,ja, die würzige Luft. Es ist Notburgas letzter Aus-flug, ihre Kräfte schwinden mehr und mehr. Aberjeden Morgen gilt ihr erster Blick den Bergen, ja.

Bis sie eines Morgens auf der Alm erwacht. Siewacht auf und ist auf der Alm. Die Blumen blühen,hier der Türkenbund, dort die Kohlröschen. Da hin-ten aber sprudelt der Bach. Am Bach sitzt dieGroßmutter, inmitten einiger anderer Menschen,und winkt Notburga. Und Notburga läuft auf kräf-tigen Beinen über die Wiese, auf die Großmutterzu. Notburga kehrt heim.

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Raoul Zimmer

Brief an den Tod

Seit Monaten hältst du mich mit deinen Klauenfest. Oft bist du grausam, zeigst mir deine grässli-che Fratze und bohrst mir deine spitzen Zähne insFleisch. Es kommt zuweilen vor, dass du mich be-hutsam berührst, so sacht, dass ich Gefahr laufezu hoffen, bis du mich barsch an deine Hartnäckig-keit erinnerst.

Als ich erfahren habe, dass du mich in absehbarerZeit heimsuchen würdest, fühlte ich mich wie ge-lähmt und verlor den Boden unter den Füßen.Stundenlang lief ich durch die Stadt, rauchte eineZigarette nach der anderen, zitterte am ganzenKörper. Ich beachtete mein Handy nicht, auf demSabine, meine Frau, die Kinder – ach, ich brauchesie dir nicht vorzustellen – besorgt anriefen. Ichwar unfähig, ein Wort heraus zu bekommen,wusste nicht, ob ich jemals wieder sprechen woll-te, und als ich mich gegen das Geländer lehnteund ins Tal sah, schien die Lösung einfach undnah. Ich konnte mir nicht vorstellen, dir noch län-ger ins Antlitz zu blicken, dich präsent zu wissen,ohne den Mut zu verlieren. Es war klirrend kalt,der Wind peitschte um meine Ohren und wuschteunter meine Kleider, Menschen gingen vorbei, Au-tos hupten, ein Flugzeug zog weit über meinenKopf hinweg. „Nimm mich mit in die Unendlich-keit“, dachte ich.

Eines jeden Dasein geht vorbei, und es kann pas-sieren, dass du uns ohne Ankündigung zerdrückst,ohne uns die Gelegenheit zu geben, adieu zu sa-gen, ohne letzten Blick und begleitenden Hände-druck. Wir hören von einem tödlichen Unfall, le-sen Anzeigen in der Zeitung und sind bestürzt,weil wir den Toten kannten oder mit seinen Kin-dern zur Schule gingen. Wir erschrecken, wennein junger Mensch stirbt, wenn wir von einer lan-gen Leidensgeschichte hören und nehmen unsdann vor, nicht mehr zu rauchen, weniger zu trin-ken, uns nicht mehr über Belanglosigkeiten aufzu-

regen und jeden Tag zu genießen, als sei es derletzte. Nur, was ist belanglos und was nicht? WäreLeben ohne Emotionen, ohne Stress und dessenAbbau in gemütlichen Abendstunden schön?Gäbe es Freude ohne Trauer, Mut ohne Verzweif-lung, Eifer ohne Misslingen? Könnten wir genie-ßen und würden wir ansatzweise auf unsere Ge-sundheit achten, wenn es keine Angst gäbe, keineEndlichkeit? Wären wir imstande, unseren Partnerzu würdigen, ohne schlechte Erfahrungen ge-macht, ohne Hass gespürt, ohne Aggressionen ab-bekommen zu haben?

Nun liege ich hier und sieche dahin. In manchenStunden krümme ich mich vor Schmerz und wiegemeinen innerlich zerfressenen Schädel hin und her,bis mir eine Pflegerin die nächste Prise verabreicht.

Es gibt Tage, an denen ich bereue, damals nichtgesprungen zu sein. Ich bejahe meinen Entschluss,wenn Sabine an meinem Bett sitzt und die Kleinenam Tisch ihre Schulaufgaben erledigen. Sabine hatmir erklärt, dass ihr jeder Tag etwas bedeutet, densie mit mir erleben kann. „Noch“ hätte sie hinzufü-gen müssen, aber sie wählt ihre Worte mit Be-dacht und kämpft mit den Tränen. Wahrscheinlichwar dies früher anders, was ich ihr nicht übel neh-me. Ich verstehe sie, so wie ich meine Empfindun-gen der Vergangenheit verstehe, mir verziehenhabe, dass ich manchmal ungerecht war. Ichschmiedete Pläne, hatte vor, die Welt zu bereisen,mit der Frau, mit der ich mein Leben verbringenwollte, die ich, nach einer Reihe unglücklicherLiebschaften, für die Richtige hielt und unverän-dert halte, die mir bei schönen Erlebnissen und beiStreitgesprächen versicherte, alt und grau mit mirwerden zu wollen. Ich freute mich auf die Entwick-lung der Kinder und darauf, sie in schwierigen Zei-ten begleiten zu dürfen und ihnen in jeder Lebens-lage Unterstützung zu bieten. Allein, ich erzählezu viel vom Leben, dabei ist Sterben angesagt, undalles wird ins Nichts zerfließen.

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Ich habe Angst. Nicht mehr vor dir, eher vor dem,was nach dir kommt. Früher war ich der Überzeu-gung, allein sterben zu wollen, so wie ich in mei-nem ganzen Leben allein meine Trauerphasendurchlebt habe. Die Menschen hier im Hospiz ha-ben mich eines Besseren belehrt. Mit ihnen zu re-den gibt mir Kraft, sie vermitteln mir den Ein-druck, sich in meine Lage versetzen zu können, zuwissen, was in mir vorgeht, ohne abzustreiten,dass es für sie nicht leichter wird zu gehen. Neu-lich habe ich Martina gefragt, ob sie ihrem Part-ner von ihren Patienten erzählt, ob ich manchmalin ihren Gedanken auftauche, wenn sie zu Hauseist. Sie hat mir keine Antwort gegeben, hat sichumgedreht, sich entschuldigt und das Zimmer ver-lassen.

Ich habe mich schon oft gefragt, ob Sabines Situa-tion schlimmer ist als meine und wie die Kinder zu-recht kommen werden. Es sei jetzt immer wiederschön, mich zu sehen, sagt Sabine – es kommt alsovor, dass sie sich unglücklich ausdrückt und meinzeitnahes Ende in ihren Worten mitschwingt. Mei-ne Empfindlichkeit diesbezüglich erinnert mich anunsere zahlreichen Diskussionen über den Tod, zuZeiten, in denen ich noch gesund war und mich,laut Sabine, nicht ausreichend mit der menschli-chen Begrenztheit auseinandersetzte.Was ich Sabine hoch anrechne ist die Tatsache,dass sie mir nichts vormacht. Sie verzichtet da-rauf, mein Aussehen zu kommentieren und an gu-ten Tagen über eine Besserung meines Zustandeszu mutmaßen. Genauso wenig erteile ich ihr Rat-schläge für die Zeit nach mir, weil ich ihr, in Bezugauf die Kinder, bedingungslos vertraue. Ebenfallsist es unnötig, ihr einen Freibrief für eine neue Lie-be zu geben. Sie weiß, dass ich es ihr gönne,selbst wenn die Vorstellung jetzt weh tut.

Ich bereue, in meinem Leben einiges getan undanderes unterlassen zu haben. Nichtsdestotrotzbin ich zufrieden, wie ich es gestaltet habe.Schwer erträglich ist allerdings, dass ich mich vonmeinem Traum verabschieden musste, einen Ro-man zu veröffentlichen. Nichts hat mir je eine der-art tiefe Genugtuung gegeben als das Schreiben.Es hätte mir ermöglicht, einen bleibenden Ein-druck zu hinterlassen, den Generationen nach miretwas zu schenken. In gewisser Weise hätte esmich unsterblich gemacht, dass ich es nicht bin,gibst du mir nachdrücklich zu erkennen.

Es ist eng geworden in deinen Fängen. Der Pries-ter hat eben mit mir gebetet und mir Zuversichtgeschenkt, dass nicht alles vorbei ist, wenn ich totbin. Dazu fällt mir ein, von einem Gewichtsverlustvon 21 Gramm zum Zeitpunkt des Todes und demmöglichen Entweichen der Seele gelesen zu ha-ben. Ich spüre, dass sich mein Leben zu Endeneigt. Ich habe nun weniger Angst, mit dir zu ge-hen, nur nachdenken würde ich gerne noch eineWeile, alles ein letztes Mal Revue passieren lassenund mich in Ruhe von meiner Familie verabschie-den. Wieso hast du es jetzt so eilig?

Vor meinen Augen das nasse Gesicht meiner Frau,eine Hand auf meiner Wange, kleine Finger strei-cheln meinen Arm. Das Zimmer ist dunkel, Nebeltrübt meine Sicht, es wird schwarz, bis eine wohli-ge Wärme meinen Körper ergreift. Zuerst gelbli-ches, dann weißes, grelles Licht. Ich spüre meineBeine nicht mehr, meine Brust schläft ein,Schluchzen, eine letzte Zuckung. Ich schwebe.

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Bio-Bibliographie

Oskar Ansull

Geboren 1950 in Celle/Niedersachsen. Lebt alsfreier Schriftsteller in Berlin-Pankow.

Veröffentlichungen:Gedichtbände (Auswahl):„Disparates“, Stuttgart, 1984.„Entsicherte Zeit“, Hannover/Lüneburg, 1988.„Mit Händen und Füßen“, Hannover, 1997„Gruß an Korf“, Bergen (Holland), 2009.

Nachdichtungen:„Charles Baudelaire, Spleen“(aus dem Französischen), Hannover, 1995.„Ales Rasanau – Hannoversche Punktierungen“(auas dem Weißrussischen), Hannover, 2002.„Bekim Morina – Etwas Besseres als den Tod“(aus dem Albanischen), Hannover, 2006.

Herausgaben (Auswahl):„...leichthin über Leben und Tod. Ein Programmdeutscher Lyrik“ (mit Georg Eyring), Zürich, 1998.„Zweigeist – Karl Emil Franzos. Ein Lesebuch vonOskar Ansull“, Potsdam, 2005.

Lyrjk in Zeitschriften und Anthologien (Auswahl):in: „Meine deutschen Gedichte“,

hrsg. von Hartmut von Hentig, 1999.in: „Berlin ist ein Gedicht“,

hrsg. von Peter Geißler, Frankfurt a.M., 2001.in: „Signum. Blätter für Literatur und Kritik“,

8. Jahrgang, Heft 1, Dresden, 2007.in: „die horen“,

Heft 226, Hannover/Bremerhaven, 2007.in: „Liederlich! Die lüsterne Lyrik der Deutschen“,

hrsg. von Steffen Jacobs, Berlin, 2008.in: „Seit ein Gespräch wir sind“, Bordenau, 2009.in: „Poesiealbum neu“, Leipzig, 2007–2009.

Renate Axt

Lebt und arbeitet als freie Autorin undHerausgeberin in Darmstadt/Hessen.War zuvor als Journalistin für Funk undTageszeitung tätig.

Veröffentlichungen (Auswahl):Gedichte:„Panderma“, 1960.„365 Tage“, 1971.„Ohne Angst“, 1981.„Jede Sekunde leben“, 1984.„Lichtpunkte“, 1986.„Nur im Flug aufwärts“, 2000.

Prosa:„Und wenn du weinst, hört man es nicht“, 1987.

Dramen (meist für Kinder):„Schneekönigin“, Uraufführung (UA):Darmstadt, 1970.„Wir suchen Manitou“, UA: Münster, 1974.„Kasper, pass auf“, (Musical), UA: Münster 1977.„Max und Moritz“, UA: Bad Gandersheim, 1983.„Till Eulenspiegel“, UA: Bad Gandersheim, 1985.„Der Träume Wirklichkeit“, UA: Münster, 1987.„Das tapfere Schneiderlein“, UA:Bad Gandersheim, 1988.„Der kleine Muck“, UA: Baden-Baden, 1992.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl):Münchner Literaturpreis (1981).Stadtschreiberin von Otterndorf (1988).Stipendium Künstlerhof Schreyahn.Auszeichnung des Landes Niedersachsen(1995/96).Stipendium Stuttgarter Schriftstellerhaus (2002).Künstlerwohnung Soltau (2002).

Mitgliedschaften:P.E.N.-Zentrum Deutschland.Europäische Autorenvereinigung Die Kogge.Autorenkreis Plesse.

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Peter Baumhauer

Geboren 1931 in Schwäbisch Gmünd. Studium derKatholischen Theologie sowie Studium der Ger-manistik und Anglistik. Lehrtätigkeit an einemGymnasium in Kirchheim/Teck, bis 1994 Dozentam Pädagogischen Fachinstitut und Fachseminarin Kirchheim/Teck.

Veröffentlichungen:„Der Prophet. Dichtung für Sprechstimme undOrgelimprovisationen“, 1973.„Versöhnung. Bilder zu Passion und Ostern“,(mit Josef Anselm Graf Adelmannund Siegfried Köder), 1982.„Spur eines Wortes“, (Gedichte), 1985.„Am Ufer des Zeitlands“, (Gedichte), 1985.„Schatten von weither. Gedichte, Bilder,Meditationen“, Tübingen, 1996.Zwei Gedichte in: „Gott im Gedicht. Eine Antholo-gie von 1945 bis heute“, Tübingen, 2007.„Babels Türme – Zertrümmert“, (Gedichte), 2008.

Anne Bendig

Geboren 1952 in einem Moordorf. Lebt als Lyrike-rin und Malerin im Landkreis Rotenburg/Wümme.Verheiratet, drei Kinder.

Veröffentlichungen:Gedichte:in: Bremer Weser-Kurier, 2006 und 2007.in: „Das neue Gedicht“

der Frankfurter Bibliothek, (Anthologie), 2007.in: „Werke XI“ der Bibliothek deutschsprachiger

Gedichte, (Anthologie), 2008.

Diverse Ausstellungen von Aquarell-Bildern undGedicht-Bild-Collagen, seit 2004.

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Esian Delia

Geboren am 15. Januar 1971 in Apata (Kron-stadt)/Rumänien. Studium der Germanistik undRumänistik in Iasi sowie in Konstanz und Dresden.Arbeitet als Assistentin am Lehrstuhl für Germa-nistik der Jassyer Universität in Rumänien.

Veröffentlichungen:Wissenschaftliche Beiträge (Auswahl):„Erzählstrategien in Max Frisch Roman >MeinName sei Gantenbein<“, in: Zeitschrift der Ger-manisten Rumäniens. Heft 1–2, Bukarest, 1997.„Das Frauenbild in Alfred Anderschs Romanen“,in: Analele Stiintifice ale Universitatii „AI. I. Cuza“din Iasi. Sectia Literatura, 1997–1998.„Grenzen und Möglichkeiten der Sprache bei Hel-mut Heissenbüttel“, in: Zeitschrift der Germanis-ten Rumäniens. Heft 1–2, Bukarest, 2001.„Erinnerung und Identität in >Malina<“, in: Zeit-schrift der Germanisten Rumäniens. Heft 1–2,Bukarest, 2002/2003.„Wo das Wort aufhört, beginnt die Musik. Zu In-geborg Bachmanns Freundschaft und künstleri-scher Zusammenarbeit mit Hans Werner Henze“,in: Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch3–4. Bukarest, 2004–2005.„>Im Spiegel wird Sonntag sein<. Der literarischeDialog zwischen Ingeborg Bachmann und PaulCelan“, in: Kronstädter Beiträge zur Germanisti-schen Forschung. Band XI, Kronstadt, 2009.

Übersetzung:Kühn, Manfred: „Kant. Eine Biographie“, Iasi,2009 (aus dem Deutschen ins Rumänische,in Zusammenarbeit mit Cornelia Esianu).

Rita Falkenstein

Geboren 1964 in Lampertheim/Südhessen. Lebtmit Mann und Tochter in Eltville am Rhein.Arbeitete viele Jahre als Bürokauffrau und begannerst nach der Geburt ihrer Tochter mit dem Schrei-ben.

Veröffentlichung:„Lavendel“, (Kurzgeschichte), in: „Von einigen,die auszogen das Gruseln zu lehren“, (Antholo-gie), 2009.

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Marion Gay

Geboren am 22. April 1968 in Hamm/Westfalen.Freie Autorin.

Veröffentlichungen:„Drei Sonnen über Münster. Ein Täufer-Roman“,Münster, 2009.„Türen zur Fantasie. Kreatives Schreiben im Un-terricht“, 2008.„Schimmelplantagen“,(Erzählungen), Münster, 2005.„Münsterland. Sagen von Burgen und Schlössern“,Kassel, 2005.„Unheimliche Sagen aus dem Münsterland“,Kassel, 2004.„Die schönsten Sagen aus dem Münsterland“,Kassel, 2002.

Kurzprosa und Lyrik in verschiedenen Magazinen:Muschelhaufen, Zeichen & Wunder, Konzepte,Am Erker, Wandler, ndl, dreischneuss, macondou.a.

Herausgabe:„Mittwoch, 18 Uhr 45. Ein Kursbuch“, (Texte vonTeilnehmern des Kurses „Kreatives Schreiben“,Volkshochschule Beckum).

Übersetzung:„Dame Wiggins und ihre sieben wunderbarenKatzen“, (aus dem Englischen), Berlin, 2009.

Auszeichnungen:Preis beim Wettbewerb „MoveYourself“ derLiteraturzeitschrift „Am Erker“, Münster, 2001.1. Preis bei der 5. Münsteraner Literaturmeister-schaft, 2002.3. Preis beim Literaturwettbewerb der UniversitätMünster, 2007.Preis beim Buchjournal-Literaturwettbewerb,2009.

Christiane Geiser

Geboren am 19. Oktober 1949 in Essen. Studiumder Germanistik, Geschichte und Philosophie inBochum und Zürich. Lehrtätigkeit an Gymnasienauf Spiekeroog und in Zürich (Schweiz). Psycho-therapeutische Ausbildung. Arbeitet heute alsPsychotherapeutin.Fachpublikationen und Vortragstätigkeit. Verhei-ratet, Mutter einer erwachsenen Tochter.

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Manfred Klinkebiel(Künstlername: JOPAPA)

Geboren 1954 in Bad Zwischen-ahn/Niedersachsen. Studium der Kirchenmusiksowie der Komposition und des Dirigierens. Hoch-schultätigkeit in Hildesheim und freiberuflicheMusikpraxis in Unterricht, Kompositionen, Konzer-ten, Bildpräsentationen. Lehrauftrag für Orgel,Klavier und Leitung des Hochschulchores an derUniversität Oldenburg, zugleich freiberuflichekünstlerische Arbeit.

Veröffentlichungen:„JOPAPA: Dokument und Utopie“,(Gedichte und Kurzprosa), Vechta, 2006.„JOPAPA: Anlässe“(Aufsätze und Reden), Vechta, 2009.

Auszeichnungen:1. Preis beim Kompositionswettbewerb„Otto-Ditscher-Preis“, Ludwigshafen, 2006.3. Preis beim Kompositionswettbewerbder Stadt Siegburg, 2007.

Ilsa Knoll

Geboren in Königsberg/Ostpreußen, aufgewach-sen in Niederbayern. War einige Jahre als Kranken-schwester tätig. Studium der Textilkunst, Ausbil-dung als Lehrerin. Dozentin und Seminarleiterinmit dem Schwerpunkt Textilgestaltung in der Leh-rerausbildung. Lebt heute als „Wortflechterin undHolzschneiderin“ in Bad Waldsee.

Veröffentlichungen:Anthologien:„Ich gebe meiner Trauer Atem“.„Wurzeln und Flügel“.„Glück, ein verirrter Moment“.„Traumpfade und Zeitinseln“.„Anthologie – Buchwelt“.„Bruchstücke voller Leben“, (Kurzgeschichten).„Märchen sind Frauen. Begegnungen mit Frauen“.„Ravenschnavel 1+2“(mit der Textwerkstatt in Ravensburg).„Rot. Weiß. Schwarz.“ (Projekte mit derKünstlerinnengruppe 05 in Ravensburg).

Herausgabe der didaktischen Unterrichtsreihe„Textiles Gestalten“, Hannover.

Spiralbücher:Weihnachtsbuch/Märchen danach/Naturmärchen/Gedichte/Kurzgeschichten.

Kinderbücher:„Das Geheimnis der Buchstabensuppe“.„2 x Ferien und zurück“.

Ausstellungen als Mitglied der Künstlerinnen-gruppe „Spur 09“ sowie Einzelausstellungen.

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Margret Küllmar

Geboren 1950, aufgewachsen auf einem Bauern-hof in Nordhessen. Ausbildung in der Hauswirt-schaft. Arbeitet als Lehrerin an einer Berufsschule.Verheiratet.

Veröffentlichungen:„Für den kleinen Hunger zwischendurch“,(Lyrik), Goldbach.Kurzgeschichten und Lyrik in rund25 Anthologien, seit 2005.

Tabea Petersen

Geboren 1979 in Sachsen-Anhalt. Siedelte nachdem Abitur nach Dänemark über. Ausbildung zurKultur- und Sprachmittlerin. Arbeitete als Fremd-sprachendozentin und Fachübersetzerin. Lebt mitihrem Mann und drei Kindern in Graasten naheder dänisch-deutschen Grenze.

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Elena Raulf

Geboren 1965 in Hamburg. Studium der Politik-wissenschaften in München und Hamburg. Dreh-buchautorin/freie Autorin. Zwei Kinder.

Veröffentlichungen:„Georg und die bärtige Frau“, (Roman), 2002.„El Cielo Pälido – Der bleiche Himmel“,(Roman), 2005.„Das süße Nichts“, (Roman), 2007.„Träumen von Beslan“, (Hörspiel), 2008.„Die Erstürmung des Lichts“, (Gedichte), 2009.

Sonja Viola Senghaus

Geboren 1948 in Hockenheim. Lyrikerin.

Veröffentlichungen:„Licht-Flügel-Schatten“, (Lyrikband mit Bildernvon Dorette Polnauer), 2002.„Freiräume“, Gedichte und Grafiken,(Eigenverlag), 2000.

Weitere Veröffentlichungen in diversenAnthologien und Literaturzeitschriften.

Aktivitäten:Lesungen/Wort-Bild-Klang-Performances.Gründung der Projektgruppe „TonArtLyrik“.Leitung von Schreib- und Textwerkstätten(z. Zt. Schreibwerkstatt in der JVA Bruchsal).

Mitgliedschaften:Schriftstellerverband in Ver.di, Baden-Württemberg.VS-Regio-Gruppe Rhein-Neckar-Kreis, Heidelberg.Literarischer Verein der Pfalz-Sektion Speyer.Literaturoffensive e.V. Heidelberg.GEDOK Heidelberg e.V.

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Christiane Sprinz

Geboren 1952 in Bielefeld. Studium der Lebensmit-teltechnologie. Arbeitet als freiberufliche Überset-zerin für lebensmittelwissenschaftliche Themen.

Veröffentlichungen:„Schulfreunde“/„Das Glockenspiel“/„Der schöns-te Tag“, (Kurzgeschichten), in: „Wortmälzer – DieKnochen der Salzsau“, 2007.„Reihe 7, Platz 8“/„Die Männer in Saal 4“ (ge-meinsam mit Martha Gose), (Kurzgeschichten), in:„Wortmälzer – Reihe 7, Platz 8“, Lüneburg, 2008.

Mitglied der Lüneburger Schreibgruppe „Wort-mälzer“.

Michael Starcke

Geboren 1949 in Erfurt. Arbeitet in einer Apothe-ke. Lebt in Bochum.

Veröffentlichungen:„dem himmel ins blaue herz“,(Gedichte), Bochum, 2006.„schöne erinnerung“, (Gedichte), Stolzalpe, 2008.

Beiträge in Anthologien und Zeitschriften.

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Sarah-Magdalena Wedler und Nadine d'Arachart

Geboren am 1. April 1986bzw. am 25. Oktober 1985.

Sozialwissenschaftliche Studien an der Ruhr-Uni-versität Bochum. Leben beide in Hattin-gen/Nordrheinwestfalen.

Veröffentlichungen:„Die Fremde“, (Kurzgeschichte), in:„Zwischenmenschliches“, (Anthologie, im Rah-men des Melke Schneider-Literaturpreises), 2009.

Drehbücher und Verfilmungen:„Die Ruhrtalbahn“, (Dokumentation), 2007.„Sick“, 2006.„The Hereafter”, 2005.„Unsuspected Game“, 2005.„Candy“, 2004.

Auszeichnungen:1. Platz Jurypreis, Hattinger Förderpreis, 2009.2. Platz beim Green Me Drehbuchwettbewerbim Rahmen der Berlinale, 2009.3. Platz beim Aachener Drehbuchpreis, 2008.

Inken Weiand

Geboren 1968 in Wuppertal.

Veröffentlichungen:Vorlesebücher für Kinder:„Wann wird denn endlich Weihnachten“,Lahr, 2006 (als Hörbuch 2007).„Wird morgen wieder ein schöner Tag?“,Lahr, 2007.„Ein Advent kommt selten allein“, Lahr, 2007.„Wer hat eigentlich den Heiligabend erfunden?“,Lahr, 2008.„Für Weihnachten ist niemand zu klein“,Lahr, 2009.

Jugendkrimis:„Jenny und der Schrei im Dunkeln“, Witten, 2007.„Jenny – ein Dieb auf leisen Pfoten“, Witten 2008.

Für Erwachsene:„Bettis Advent. Ein humorvolles Adventsbuch fürErwachsene“, Witten, 2008.

Kurzgeschichten:„Der Geburtstagsengel“, Lahr 2008.„Reiner Zufall. Engelgeschichten“, Lahr, 2009.„Auch heute kommt ein Weihnachtsengel“,Lahr, 2009.

Veröffentlichung mehrerer Kurzgeschichten in An-thologien und Hörbüchern.

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Raoul Zimmer

Geboren am 7. September 1972 in Luxemburg.Studium der Germanistik, Psychologieund Philosophie in Luxemburg und Trier. Seit 1995im öffentlichen Dienst tätig, seit 2005 Beamter imGesundheitsministerium in Luxemburg. Von 2006bis 2009 Studium der Belletristik an der Hambur-ger Akademie für Fernstudien.

Veröffentlichungen:„Noch“, in: Bibliothek deutschsprachiger Gedich-te. Ausgewählte Werke VIII, München, 2005.„Des Lebens Elixier“, in: Bibliothek deutsch-sprachiger Gedichte. Ausgewählte Werke IX,München, 2006.„An manchen Tagen“, in: Bibliothek deutsch-sprachiger Gedichte. Ausgewählte Werke X,München, 2007.„Es gab die Zeit“, in: Bibliothek deutschsprachigerGedichte. Ausgewählte Werke XI, München, 2008.

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Stuttgarter Hefte

Nr. 1 Literatur in der ErwachsenenbildungNr. 9/10 Ökologie lernenNr. 12/13 Ehe und FamilieNr. 14/15 AltenbildungNr. 17/18 FrauenbildungNr. 23 Mutter-Kind-GruppenNr. 25/26 Feministische FrauenbildungNr. 27 Offene Erwachsenenbildung

in katholischer TrägerschaftNr. 28/29 Religiöser TanzNr. 31/32 Gotteskrise?Nr. 33/34 Dokumentation 25 Jahre

DiözesanbildungswerkNr. 37 Älter werden – Leben gestaltenNr. 38/39 In Beziehungen leben –

Familie zwischen Chaos und UtopieNr. 40/41 Den Rollenwandel begleitenNr. 42/43 Im Übergang dazwischenNr. 44/45 Schattenfrauen und Lichtgestalten –

Eine ArbeitshilfeNr. 46/47 HeilenNr. 48/49 Glaubenssache. Zum Abschied von

Wolfgang Wieland

Nr. S 20 Jahre Bildungswerk (Sondernummer)Nr. S Handbuch Qualitätsentwicklung

(Sondernummer)

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Katholische ErwachsenenbildungDiözese Rottenburg-Stuttgart e.V.Jahnstraße 3070597 StuttgartTelefon: 0711/97 91-211E-Mail: [email protected]