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IV. Pilgerwesen In Kapitel III waren Sugers Schriften mit den Zeugnissen zum Kult drei anderer Heili- ger verglichen worden, deren Kennzeichnung als patronus und apostolus ihren beson- deren Rang zum Ausdruck brachte. Drei unterschiedliche Haltungen Sugers konnten dabei beobachtet werden: respektvolle Imitation im Blick auf die Verehrung des hl. Martin und daraus resultierende Orientierung an Tours; Rivalität im Blick auf Reims und die Absicht, den Weihebericht aus Saint-Remi zu überbieten; Gemeinsamkeit mit der enthusiastischen Reliquienverehrung Ademars von Chabannes, zugleich aber ein relativierter Apostelbegriff und die vorsichtig diskrete Vermeidung strittiger Aussagen über den Heiligen, ferner eine gewandelte Sicht des Königs, der bei Suger die Aufga- ben übernimmt, für die in der Gottesfriedensbewegung die Heiligen angerufen wur- den. Ademars Schriften belegen eine große Freude an Kostbarkeiten in der Kirche, wie sie in vielen Pilgerzentren vorhanden waren und auch Suger begeisterten. Sugers Schilde- rung seines Handelns soll nun mit einigen Texten verglichen werden, die wichtige Wallfahrtsorte behandeln. Ein anerkanntes und häufig besuchtes Pilgerziel war Santiago de Compostela mit dem Grab des Apostels Jakobus. Die dortige Basilika wurde zum Vorbild vieler Kirchen- bauten, so weist der Pilgerführer von Santiago de Compostela darauf hin, dass die Martinsbasilika in Tours ad similitudinem scilicet beati Iacobi miro opere fabricatur^. Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien besuchte Santiago häufig, sein Sohn, der Vater der französischen Königin Eleonore, unternahm jährlich eine Wallfahrt dorthin. E.S. Greenhill hat bereits 1976 die Vermutung geäußert, Königin Eleonore, die Gattin Ludwigs VII., habe Sugers Bau sowohl durch materielle Zuwendungen und das Bereit- stellen von Handwerkern gefördert als auch stilistisch durch Orientierung an Pilger- kirchen ihrer aquitanischen Heimat beeinflusst, die wiederum durch das Vorbild Sant- iagos geprägt seien 2 . Auf die Frage der materiellen Förderung werden wir im Zusam- menhang mit Sugers Aussagen über Materialbeschaffung zurückkommen 3 . Wie weit Greenhills Hypothese aus architekturhistorischer Sicht zuzustimmen ist, soll hier nicht diskutiert werden; in seinen Schriften äußert sich Suger allerdings nicht über ar- chitektonische Vorbilder seines Baus und nennt nur drei geographisch fassbare Orte, die er mit einer als vorbildhaft empfundenen Ausstattung verbindet - Jerusalem, Kon- stantinopel und Rom 4 . Es zeigt sich jedoch, dass er auch mit Texten vertraut war, die 1 J.Vielliard (ed.), Le guide du pèlerin de Saint-Jacques de Compostelle. Texte latin du Xlle siècle, édité et traduit en Francais d'après les manuscrits de Compostelle et de Ripoll, 3. éd., Mâcon 1963, p.60 2 E.S. Greenhill, Eleanor, Abbot Suger, and Saint-Denis, in: W.W. Kibler (hg.), Eleanor of Aquitaine, Patron and Politician, University of Texas, 1976, p.81-113 's. u. Kap. VIII. 1 4 adm 225 - wo er Jerusalempilger und diejenigen, die die Schätze in Konstantinopel in Augen- schein nehmen konnten, getrennt aufzählt: "Ich pflegte mich zu besprechen mit Leuten aus Jersalem und mit besonderer Freude von denen, denen die Schätze von Konstantinopel und die Kostbarkeiten der Hagia Sophia zugänglich gewesen waren, zu erfragen, ob..." - gegenüber der Ubersetzung in Speer/Binding (2000) scheint mir die Unterscheidung zwischen Pilgern und Teilnehmern am Kreuzzug geboten. Sugers besonderes Interesse verdienen sicherlich die Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 93.180.53.211 Download Date | 12/16/13 12:30 AM

Suger von Saint-Denis (Untersuchungen zu seinen Schriften Ordinatio - De consecratione - De administratione) || IV. Pilgerwesen

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IV. Pilgerwesen

In Kapitel III waren Sugers Schriften mit den Zeugnissen zum Kult drei anderer Heili-ger verglichen worden, deren Kennzeichnung als patronus und apostolus ihren beson-deren Rang zum Ausdruck brachte. Drei unterschiedliche Haltungen Sugers konnten dabei beobachtet werden: respektvolle Imitation im Blick auf die Verehrung des hl. Martin und daraus resultierende Orientierung an Tours; Rivalität im Blick auf Reims und die Absicht, den Weihebericht aus Saint-Remi zu überbieten; Gemeinsamkeit mit der enthusiastischen Reliquienverehrung Ademars von Chabannes, zugleich aber ein relativierter Apostelbegriff und die vorsichtig diskrete Vermeidung strittiger Aussagen über den Heiligen, ferner eine gewandelte Sicht des Königs, der bei Suger die Aufga-ben übernimmt, für die in der Gottesfriedensbewegung die Heiligen angerufen wur-den.

Ademars Schriften belegen eine große Freude an Kostbarkeiten in der Kirche, wie sie in vielen Pilgerzentren vorhanden waren und auch Suger begeisterten. Sugers Schilde-rung seines Handelns soll nun mit einigen Texten verglichen werden, die wichtige Wallfahrtsorte behandeln. Ein anerkanntes und häufig besuchtes Pilgerziel war Santiago de Compostela mit dem Grab des Apostels Jakobus. Die dortige Basilika wurde zum Vorbild vieler Kirchen-bauten, so weist der Pilgerführer von Santiago de Compostela darauf hin, dass die Martinsbasilika in Tours ad similitudinem scilicet beati Iacobi miro opere fabricatur^. Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien besuchte Santiago häufig, sein Sohn, der Vater der französischen Königin Eleonore, unternahm jährlich eine Wallfahrt dorthin. E.S. Greenhill hat bereits 1976 die Vermutung geäußert, Königin Eleonore, die Gattin Ludwigs VII., habe Sugers Bau sowohl durch materielle Zuwendungen und das Bereit-stellen von Handwerkern gefördert als auch stilistisch durch Orientierung an Pilger-kirchen ihrer aquitanischen Heimat beeinflusst, die wiederum durch das Vorbild Sant-iagos geprägt seien2. Auf die Frage der materiellen Förderung werden wir im Zusam-menhang mit Sugers Aussagen über Materialbeschaffung zurückkommen3. Wie weit Greenhills Hypothese aus architekturhistorischer Sicht zuzustimmen ist, soll hier nicht diskutiert werden; in seinen Schriften äußert sich Suger allerdings nicht über ar-chitektonische Vorbilder seines Baus und nennt nur drei geographisch fassbare Orte, die er mit einer als vorbildhaft empfundenen Ausstattung verbindet - Jerusalem, Kon-stantinopel und Rom4. Es zeigt sich jedoch, dass er auch mit Texten vertraut war, die

1 J.Vielliard (ed.), Le guide du pèlerin de Saint-Jacques de Compostelle. Texte latin du Xlle siècle, édité et traduit en Francais d'après les manuscrits de Compostelle et de Ripoll, 3. éd., Mâcon 1963, p.60 2 E.S. Greenhill, Eleanor, Abbot Suger, and Saint-Denis, in: W.W. Kibler (hg.), Eleanor of Aquitaine, Patron and Politician, University of Texas, 1976, p.81-113 's. u. Kap. VIII. 1 4 adm 225 - wo er Jerusalempilger und diejenigen, die die Schätze in Konstantinopel in Augen-schein nehmen konnten, getrennt aufzählt: "Ich pflegte mich zu besprechen mit Leuten aus Jersalem und mit besonderer Freude von denen, denen die Schätze von Konstantinopel und die Kostbarkeiten der Hagia Sophia zugänglich gewesen waren, zu erfragen, ob..." - gegenüber der Ubersetzung in Speer/Binding (2000) scheint mir die Unterscheidung zwischen Pilgern und Teilnehmern am Kreuzzug geboten. Sugers besonderes Interesse verdienen sicherlich die

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1. Die Historia Compostellana als Quelle für Suger 111

im Zusammenhang mit dem Jakobuskult und dem Pilgerwesen stehen. In diesem Ka-pitel soll die Historia Compostellana, die die Leistungen des (Erz)bischofs Diego Gel-mirez von Compostela dokumentieren, als Quelle für Sugers Schrift De administratio-ne besprochen werden; der im zwölften Jahrhundert entstandene Pilgerführer von Santiago de Compostela wi rd als etwa zeitgenössisches Werk im Blick auf Uberein-st immungen und signifikante Unterschiede betrachtet, und schließlich wird gezeigt, welche Anregungen Suger dem Liber miraculorum sanctae Fidis des Bernhard von An-gers verdankt - damit rückt ein Pilgerzentrum, das auf dem Weg nach Santiago de Compostela lag, in den Blick.

1. Die Historia Compostellana als Quelle für Suger

Santiago de Compostela verdankte seinen Rang der Tatsache, dass der hl. Jakobus dort ruhte, und einer Persönlichkeit, die diesen Rang tatkräftig förderte: Bischof Diego Gelmirez. A m Ende des 11. Jahrhunderts war auf Anordnung Urbans II. der Bi-schofssitz von Iria nach Santiago de Compostela verlegt worden. Die zeitweilige Er-hebung zum Erzbistum erfolgte auf Betreiben des Bischofs Diego Gelmirez5 , der, um 1068/70 geboren, nach seiner Erziehung in der Kathedralschule von Santiago als Ka-noniker der Jakobuskirche verschiedene Ämter inne hatte, bevor er 1101 zum Bi-schof von Compostela geweiht wurde. Sein besonderes Bemühen in diesem Amt war darauf gerichtet, die libertas seines Sitzes zu sichern und dessen Rang zu erhöhen6 . In seinem Auftrag wurden seine verschiedenen Aktivitäten hierzu in der als "Gesta" konzipierten Historia Compostellana7 dokumentiert, einer bis ca.1138/39 geführten, unvollendet gebliebenen Chartularchronik, die in rechtssichernder Absicht eine Viel-zahl verschiedener Uberlieferungsformen vereinigt8: Translations-, Fundations- und Mirakelberichte finden sich neben Diözesanstatuten, Akten von Provinzialkonzil ien, Schatzverzeichnissen und Kirchweihberichten. Das Werk "ist ein wichtiges Zeugnis für die Entwicklung des Selbstbewußtseins der Jakobuskirche, das in der Apostolizität des Sitzes seine Wurzeln hatte und aus dieser Tatsache die ihm innewohnende Kraft bezog"'; unter diesem Aspekt stellt es ein Vorbild für Sugers Rechenschaftsbericht dar, wie sich an einigen signifikanten Stellen zeigen wird.

Kreuzfahrer, da ihm ein zeitgenössischer Bericht zur Verfügung stand, s. dazu unten, VII.2. Rom erwähnt Suger im Zusammenhang mit den Säulen, die ihn dort beeindruckt hatten (cons 20); zu seinen Reisen nach Rom s. Einleitung.l Sugers Leben, Sugers Werke, sowie G.Annas, op. cit.. 5 s. dazu J. Garcia Oro, Art. Santiago de Compostela, III. Kirche, LexMA VII (1995),1371-1372; L. Vones, Art. Diego. 3. .Diego II.Gelmirez, LexMA III (1986), 1000s.; L. Vones, Die 'Historia Compostellana' und die Kirchenpolitik des nordwestspanischen Raumes, 1070-1130), Köln - Wien 1980 (Kölner Historische Abhandlungen, 29), ferner die Einleitung der Edition von E. Falque Rey, s.u. 6 dazu L. Vones, LexMA III (1986), 1000s 7 Historia Compostellana, ed. E.Falque Rey, Turnhout 1988 (CCCM 70) 8 cf. L.Vones, Art. Historia Compostellana, LexMA V (1991), 42s. ' L.Vones (1980), p.52

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112 IV. Pilgerwesen

Die Historia Compostellana ist in drei Bücher gegliedert, die zu unterschiedlichen An-teilen auf mindestens drei bekannte Autoren zurückgehen10. Die Kapitel 4 bis 45 des ersten Buches (mit Ausnahme von Kapitel 15) sind mit Sicherheit dem Kanoniker Nuno Alfonso zuzuschreiben, der Thesaurar der Jakobuskirche war und zu den eng-sten Vertrauten des Diego Gelmirez gehörte", später Bischof von Mondonedo wurde und 1136 starb. Seine kontinuierliche Fortführung des Registrum war bereits im Lauf der Jahre 1111 und 1112 zum Erliegen gekommen12. Kapitel 15 des ersten Buches geht auf den Archidiakon Hugo, den späteren Bischof von Porto, zurück, der bereits vor seiner Priesterweihe zum engsten Beraterstab des Diego Gelmirez gehört hatte. Sehr wahrscheinlich stammte er aus Frankreich; er un-terhielt gute Beziehungen zu Cluny sowie zur päpstlichen Kurie. Neben Diego zählte er als Bischof bis zu seinem Tod im Jahre 1136 zu den einflussreichsten Persönlichkei-ten der galizischen Kirche im nordwestspanischen Raum13. Gestalter der Gesamtkonzeption der Historia Compostellana und Verfasser der übrigen Teile ist, wie L. Vones ausführt14, der magister Giraldus, der sich selbst als Kanoniker der Jakobuskirche bezeichnet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammte auch er aus Frankreich; seine sprachliche Gewandtheit und seine Kenntnis der antiken und christ-lichen Literatur kam der Gestaltung sehr zugute. Er verfasste die Praefatio und die Prologe und meisterte die Aufgabe, das nach 1110 abgebrochene Registrum fortzuset-zen und nach einem übergreifenden Ordnungsprinzip zusammenzufassen15. Uber sei-ne letzten Lebensjahre ist nichts bekannt. Die älteste erhaltene Handschrift stammt aus dem 13. Jahrhundert16, doch können etliche verlorene Handschriften erschlossen werden. Der Tod des Bischofs Diego Gelimirez im Jahre 1140 wird nicht erwähnt, daraus ergibt sich ein mutmaßlicher Endpunkt für die Abfassungszeit der Historia Compostellana um 1139/40. Offensichtlich kannte Suger diese Chronik. Besonders augenfällig ist ein Hinweis in De administratione, als er an der großen Tafel für den Hauptaltar die "sowohl in der Form als auch im Material bewunderungswürdige Reliefarbeit" rühmt und darauf hinweist, dass manche dazu sagen könnten: materiam superabat opus". Das bekannte Ovid-Zitat18 erscheint innerhalb des dritten Buchs der Historia Compostellana zwei-mal, jeweils im Zusammenhang mit kostbaren Werken der Schatzkunst. Die erste Stelle steht im neunten Kapitel und betrifft einen Kelch, der im Anschluss an ein Aquamanile aus Kristall beschrieben und als gleichartig (eiusdem generis) bezeichnet

10 L.Vones (1980), betont die Schwierigkeit, einzelne Stellen mit Sicherheit anderen Autoren zuzuweisen, cf. p.57ss. 11 L. Vones (1980), p.45ss; E. Falque Rey, op. cit., p.XIIIs 12 Vones, p.47 13 Vones, p.50-54; E. Falque Rey, p. XIVs. 14Vones, p.55ss, bes. p.57 "Vones, p.55ss. 16 Salamanca, Biblioteca Universitaria, Ms. No. 2658; zur Überlieferung cf. Vones, p. 11-17; E. Falque Rey, p.XXXIII ss. 17 adm 218, 989s. 18 Ovid, Metamorphosen, II 5, ed. W. S. Anderson, Leipzig 1977

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1. Die Historia Compostellana als Quelle für Suger 113

wird19. Der zweite Beleg steht Sugers Interessen noch näher, denn es handelt sich um eine goldene Altartafel hinter dem Jakobusaltar: der Autor verweist auf die Absicht des Bischofs, die Ehre seiner Kirche zu mehren und sie zu schmücken, und erwähnt die Kostbarkeit, die Größe und die vorzügliche Ausführung; der Beginn der Arbeit und ihre Fertigstellung werden als bewundernswert hervorgehoben20. Die Kriterien, unter denen Suger besondere ornamenta zu beschreiben pflegt, sind also hier ebenfalls zu beobachten. Eine zusätzliche Ubereinstimmung mag in der Position der neuen Ta-fel liegen, die sich in Santiago wie in Saint-Denis hinter dem Altar bzw. an seiner Rückseite befindet21. Zuvor hatte Suger über mögliche Altarräuber eine Poenformel ausgesprochen, die auf der linken Seitentafel des Altars zu lesen war22; die darin enthaltene Anspielung auf Judas, dem der potentielle Übeltäter gleichgeordnet wird, findet sich zweimal in der Historia Compostellana, einmal im siebten Kapitel, damit also in relativer Nähe zu der oben erwähnten Verwendung des Ovid-Zitats23, einmal als Warnung an diejenigen, die möglicherweise den Tatenbericht des Bischofs Diego aus dem Schatz der Kirche ent-wenden wollen24. Die Prologe aller drei Bücher bringen die Intention zum Ausdruck, die Taten des Bi-schofs für seine Kirche vor dem Vergessen zu bewahren25, eine Sorge, die Suger für

" Historia Compostellana III 9 (ed. Falque Rey, loc. cit., p.434): Compostellanus quoque quemdam eiusdem generis calicem pretiosum et obtime laboratum, cuius opus materiam superabat, eodem fere tempore, sicut multa alia ornamenta prius contulerat, sue ecclesie contulit. 20 Historia Compostellana III 44 (p.502): Dominus Compostellanus honorem sue ecclesie summa intentione augere et decorare tarn in prosperitate quam in adversitate volens quandam retro altaris sancii Iacobi tabulam pretiosam et obtime quantitatis laboratam, cuius opus materiam superai, si-cut alia multa ornamenta prius eidem ecclesie contulerat, eodem tempore mirabiliter incepit et multo mirabilius consumavit. 21 Historia Compostellana, loc cA.:retro altare; adm 218,987 Ulteriorem vero tabulam.. 21 adm 217,985s. Si quis preclaram spoliaverit impius aram,/eque damnatuspereat lude sociatus. 23 Histora Compostellana III 7 (p.431s.):5i quis vero contra hoc factum meum venire temptaverit, a sacratissimi corporis et sanguinis Domini nostri Iesu Christi participatione alienus existât et cum luda sui Domini et magistri proditore consortium habeat. 24 Historia Compostellana, Praefatio (p. 1): .. nemo eum inde rapiat aut aliqua fraude vel invidia auferat. Quod si fecerit aut ex ignorantia rapuerit seu aliquo dolo eum destruxerit, auctoritate Omnipotentis Dei et beate Marie Virginis et beatorum apostolorum Petri et Pauli et beatissimi Ia-cobi et omnium sanctorum Dei et nostra auctoritate sit maledictus et excommunicatus et cum luda, Domini proditore, et cum Dathan et Abiron, quos vivos terra absorbuit, in inferno perpetualiter sit dampnatus. - Mit der Wahl der Formulierung damnatus ... lude sociatus stellt Sugers Vers eine Synthese der beiden Belege aus der Historia Compostellana dar. 25 Historia Compostellana I Prol.: ne diuturna vetustate aut longis temporum intervallis abolita in foveam oblivionis labefierent.[..] episcopus Didacus [..] sua quoque gesta suorum predecessorum ge-stis in hoc registro subnotari curavit, ut sui successores ea legendo comperirent, quantum ipse pro utilitate et honore atque exaltatione sue ecclesie laboraverit et quantas persecutiones atque pericula a tyrannicispotestatibuspro eius defensionepertulerit. - II Prol.: Humanas laudes oblivionis nube obtegere opere pretium neutiquam arbitramur; posteris enim, quibus est animus virtuti adhaerere, quedam sunt rudimenta virtutis. III Prol.: Quoniam virorum illustrium gesta et probitates ab in-

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114 IV. Pilgerwesen

seine eigenen Taten teilt und in De administratione, dem Bericht über seine Amtsfüh-rung, zur Sprache bringt26. Zu den herausragenden Leistungen Diegos zählt der Autor des 18. Kapitels in Buch I die Erneuerung des Jakobusaltars und die damit verbundene Umgestaltung in dessen Umgebung. Der Bischof legt Wert auf eine repräsentative Anlage und setzt sich auch über Einwendungen der Kanoniker hinweg. Die Vergrößerungsmaßnahme schildert der Chronist unter dem Aspekt der Angemessenheit: supradictum habitaculum solo tenus destituii et altare, quod modice quantitatis primitus extiterat, iam tertio miro desuper imposito lapide undique, prout decuit, augmentavit27. Ahnlich beschreibt Suger seine Maßnahmen: die vergoldeten Türen sollen der edlen Vorhalle "wohl anstehen", es "gehört sich", den Heiligen einen vornehmen Platz zu geben28. Vergleichbar sind auch die Aufmerksamkeit, die dem Weg zum Altar gewid-met wird29, und das Lob für nuancenreiche Gestaltung30, ferner der Hinweis auf die Entfernung eines Gebäudeteils, das die Kirche verdunkelt hatte, zugunsten der Chor-raumgestaltung, verbunden mit der Anbringung von Lesepulten31. Es darf damit als gesichert gelten, dass Suger den zeitgenössischen Text kannte; ange-sichts der oben erwähnten Uberlieferungslücke ist der Weg, auf dem er ihn kennen-lernte, nicht zu rekonstruieren, doch mag die französische Herkunft zweier der betei-ligten Autoren ihm den Zugang erleichtert haben. Ahnlich wie Bischof Perpetuus von Tours mit seinen Maßnahmen zugunsten des Mar-tinskultes, speziell mit deren literarischem Niederschlag in der Sylloge epigraphica, für Suger eine vorbildhafte Gestalt ist, zeigt sich auch hier, dass das Wirken eines bedeu-tenden Bischofs im Dienste eines anerkannten Heiligen den Abt von Saint-Denis be-eindruckt.

teritu oblivionis nequaquam defenduntur, nisi per scripturam aut alio modo memorie commen-dentur, idcirco dominus Compostellanus registrum fieri iussit in quo omnia, que bene gessit aut per industriam sue ecclesie acquisivit, et maiori parte descripta continentur. 26 adm 55,235; -,242; 57,249; 87,396; 173,768; 190,857 27 Historia Compostellana, 118 28 adm 170, 759s.; 198,887s 29 Historia Compostellana I 18: Pavimentum quoque cum gradibus, quibus ad altare conscenditur, plano opere et omni decore decorato rehedificare curavit-, cf. cons 48,292s ut eadem cripta superio-ritatem sui accedentibus per utrosque gradus pro pavimento offerret et in eminentiori loco sancto-rum lecticas [..] designaret.. 50 Historia Compostellana, wie vor: Cibolium etiam ad honorem apostolici altaris, quod congru-enti artificis varietate auro argentove fieri precepit..; adm 179,807 [opus] tot arcuum et colump-narum distinctione variatum 31 Historia Compostellana, I 78.2 Destructa ilia ecclesiola [..] que quasi obumbraculum totius eccle-sie esse videbatur, chorum satis competentem ibidem composuit [..]. Ipse quoque episcopus, utpote sapiens architectus, in eiusdem chori dextro capite fecit supereminens pulpitum, in quo cantores at-que subdiacones officii sui ordinem peragunt. In sinistro vero aliud, ubi lectiones et evangelia le-guntur·, cf. adm 259,1159 [Pulpitum] ad proferendum superius sancii evangelii lectionem erigi fe-cimus. In novitate siquidem sessionis nostre impedimentum quoddam, quo medium ecclesie muro tenebroso secabatur, ne speciositas ecclesie magnitudinis talibus fuscaretur repagulis, de medio sus-tolli feceramus.

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2. Der Pilgerführer von Santiago de Compostela 115

2. Der Pilgerführer von Santiago de Compostela

Neben der Historia Compostellana kommt auch dem Liber sancii Jacobi eine wichtige Rolle in der Uberlieferung der Jakobuskirche zu. Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela fanden hohe Anerkennung32. Viele Stationen der verschiedenen Wege nach Santiago und auch das Ziel selbst - die Kirche mit dem Grab des hl. Jakobus, ihre bauliche Gestaltung und ihre Ausstattung -, beschreibt der um die Mitte des 12. Jahr-hunderts verfasste Pilgerführer33, der das 5. Buch des Liber sancii Iacobi bildet34. Als bekanntes Werk eines Zeitgenossen Sugers soll dieser für die Thematik des Pilgerwe-sens35 wichtige Text kurz betrachtet werden, um Ubereinstimmungen und Unter-schiede im Blick auf Sugers Schriften festzustellen und von diesen Beobachtungen aus Sugers Ausführungen zu akzentuieren36. Der Liber sancii Iacobi - seine älteste Handschrift wird wegen der fiktiven Autorschaft des Papstes Calixtus II. (gest. 1124) und dessen als Vorwort fungierenden apokryphen Briefes auch bezeichnet als Codex Calixtinusi7 - enthält im ersten Buch liturgische Stücke, Hymnen und Predigten zu Ehren des hl. Jakobus, im zweiten Buch eine Mi-rakelsammlung, im dritten einen Bericht über das Wirken des Apostels in Spanien, über sein Martyrium und die Translation; das vierte Buch nimmt der so genannte

32 P. Caucci von Saucken (ed.), Pilgerziele der Christenheit, Stuttgart / Darmstadt 1999, darin vor allem: K. Herbers, Pilger auf dem Weg nach Jerusalem, Rom und Santiago de Composte-la, p. 103-133; J. I .Ruiz de la Pena, Die europäischen Pilgerwege nach Santiago de Composte-la, p.187-212; F. Lopez Aisina, Santiago de Compostela, p.293-320 33 J. Vielliard (ed.), Le guide du pèlerin de Saint-Jacques de Compostelle. Texte latin du Xlle siècle, édité et traduit en Francais d'après les manuscrits de Compostelle et de Ripoll, 3. éd., Mâcon 1963 34 Κ. Herbers, Art.Pilgerführer, LexMA VI (1986),.2156 35 Zur möglichen Modellfunktion von Santiago de Compostela äußert sich O. von Simson, Die gotische Kathedrale, Darmstadt 1968, 2.Aufl.l972,p.l21: "Wie Santiago de Compostela und andere Pilgerkirchen unter cluniazensischem Einfluß, sollte auch St.Denis zu einem Wallfahrtsort werden, in dem sich die Kreuzzugsidee mit den Erinnerungen an Karl den Gro-ßen verband." 36 Dabei können im Rahmen dieser Arbeit lediglich die Aussagen des Pilgerführers zu Kir-chenbau und Kirchenschmuck berücksichtigt werden, nicht jedoch z.B. die hagiographischen Zusammenhänge zwischen der Passio des hl. Eutropius zu Saintes und der Passio Dionysii-, der Pilgerführer berichtet (p.64ss. der genannten Edition), der hl. Eutropius sei als Zeitgenosse Christi Augenzeuge der Speisung der 5000 gewesen, vom hl. Petrus nach Gallien geschickt und nach seiner zeitweiligen Rückkehr nach Rom von Papst Clemens gemeinsam mit dem hl. Dionysius erneut nach Gallien entsandt worden, wo er das Martyrium erlitten habe; Diony-sius selbst habe die Leidensgeschichte des hl. Eutropius verfasst! Diese Behauptung mag auf die Akzeptanz der Passio Dionysii Hilduins verweisen, doch eine nähere Untersuchung der Zusammenhänge ist an dieser Stelle nicht möglich; s. dazu K. Herbers, Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der "Liber sancti Jacobi". Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Wiesbaden 1984 (Historische Forschungen,VII), p.42 37 s. dazu K. Herbers, Der Jakobuskult, p.16

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Pseudo-Turpin (die Historia Karoli Magni et Rotholandt) ein38. Das fünfte Buch, der Pilgerführer, ist dazu bestimmt, Jakobuspilger mit nützlichen Informationen für die Reise zu versorgen, sie auf bedeutende Heiligtümer hinzuweisen, die sie unterwegs be-suchen sollen39, und ihnen schließlich die Jakobuskirche beschreibend zu erschlie-ßen40. Das Explicit des Buches ist verbunden mit dem Hinweis: scribitur enim in compluribus locis, in Roma scilicet, in hierosolimitanis horis, in Gallia, in Ytalia, in Theu-tonica et in Frisia et precipue apud Cluniacum41; K. Herbers deutet ihn im Sinne der Angabe, dass der Liber sancii Iacobi an den genannten Orten zu finden sei42. Im Anhang (nach dem Explicit des fünften Buches) des Liber sancii Jacobi werden eini-ge musikalische Stücke überliefert; das letzte der Lieder in dieser Sammlung wird ei-nem Priester von Parthenay zugeschrieben, dessen Name mit Aymericus Picaudi an-gegeben wird; in der Handschrift folgt darauf ein angeblich von Innozenz II. verfasster Brief, der diesen Aymericus als Überbringer des Codex Calixtinus nach Compostela erwähnt; auf der Rückseite des Blattes, auf dem dieser Brief steht, findet sich eine Mi-rakelerzählung über ein Ereignis des Jahres 113943. Der erwähnte Aimery Picaud wird als Autor des Pilgerführers angesehen44; ob auf ihn die Kompilation des gesamten Liber sancii Jacobi zurückgeht, ist nicht sicher zu ent-scheiden. Herbers nahm 1980 die Fertigstellung und Uberbringung des Codex Calixti-nus nach Compostela im Zeitraum zwischen 1139 und 1143 an und erwähnt unter verschiedenen Argumenten hierzu die Tatsache, dass 1140 der Berichtzeitraum der Hi-storia Compostellana ende, die "die Jakobustradition fortwährend zur Legitimation be-sonderer Würden der Apostelstadt betont, den Liber sancii Jacobi jedoch anscheinend nicht kennt"45. Inzwischen wird ein Entstehungszeitraum zwischen 1139 und 1173 an-gegeben46. Folgt man dieser Datierung und nimmt das gleichzeitige Vorhandensein ei-ner Handschrift des Liber sancti Jacobi in Cluny an, dann könnte Suger den Text des Pilgerführers durchaus gekannt haben. Folgt man dagegen der Datierung, die P. David vorschlägt, wäre die Kompilation erst um 1150 erfolgt47; als Quelle für Suger käme der

38 J. Vielliard, op.cit., p.IXss; die besondern Probleme, die mit dem Pseudo-Turpin und seiner Beziehung zu Saint-Denis verbunden sind, können hier nicht behandelt werden; s. dazu K. Herbers, Der Jakobuskult, p.39ss. 39 Dazu gehört auch Tours mit dem Martinsgrab: op. cit. p. 60 Sarcofagum namque quo sacra-tissima eius gleba iuxta urbem Turonicam requiescit, argento et auro immenso, lapidibusque pre-ciosis fulget, et crebris miraculis elucet. Super quem ingens basilica veneranda sub eius honore ad similitudinem scilicet beati Iacobi miro opere fabricatur [..]. 40 J. Vielliard, op. cit., p.XI; zur Datierung zwischen 1139 und 1173 p.XII. - F. Lopez Aisina (op.cit., p.316) beobachtet bei der Beschreibung der unterwegs zu besuchenden Ziele eine "Abfolge von hierarchisch gegliederten Stationen, die zum Ziel der Wegstrecke, der Grabstät-te des hl. Jakobus führen. Auch im Hinblick auf die großen Heiligtümer des Okzidents ge-langt Santiago durch das Pilgerwesen zu einer herausragenden Stellung." 4 1 J . Vielliard, op.cit., p.124 42 K. Herbers, Der Jakobuskult, p.20 43 K. Herbers, p.21 44 K. Herbers, p.36 45 K. Herbers, Der Jakobuskult, p.38 46 K.Herbers, Art. Liber Sancti Iacobi, Lex MA V (1991), 1948 47 Referat der Thesen Davids bei Herbers, Der Jakobuskult, p.38ss.

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2. Der Pilgerführer von Santiago de Compostela 117

Pilgerführer nur dann in Frage, wenn man eine Verbreitung dieses Buches vor der endgültigen Zusammenstellung des Liber sancii Jacobi annehmen wollte. Die folgenden Beobachtungen werden jedoch zahlreiche Unterschiede in der Art, wie Suger und der Autor des Pilgerführers über Kirchen und ihre Ausstattung sprechen, erkennen lassen. Falls Suger tatsächlich eine vorab verbreitete Version des Pilgerführers zugänglich war - was nicht zu beweisen ist -, dann hat er sie nicht als Vorbild rezipiert. Als Dokument des Pilgerwesens bietet der Pilgerführer jedoch Material für einen Vergleich mit Sugers Schriften. Der Autor des Pilgerführers gibt sich an einigen Stellen des Werks als Franzose zu erkennen48. Innerhalb der Beschreibung der "Route de Saint-Gilles" empfiehlt er den Besuch verschiedener Stätten in Arles49, unter denen das Grab des hl. Egidius50 eine bevorzugte Stellung einnimmt. Hervorzuheben ist die Beschreibung seines kostbaren Schreins51 sowie die Mitteilung zweier Versinschriften, von denen die zweite mit Sugers Aussagen über seine kostbaren Gefäße und ihre Inschriften zu vergleichen ist:

Hoc vas egregium, gemmis auroque politum, Reliquias sancii continet Egidii.52

Quod quifrangat eum Dominus maledicat in aevum, Egidius pariter, cunctus et ordo sacer.si

Die Mitteilung dieser Ausstattungsdetails und der Inschriften hat also einen festen Platz im Umfeld bedeutender Pilgerstätten haben. Zugleich fällt an der Beschreibung des Schreins ein wesentlicher Unterschied gegenüber Sugers Ausführungen über seine Altarplatten auf: der Autor des Pilgerführers geht sehr ausführlich auf die bildlichen Darstellungen am Schrein ein - hier zeigt sich seine Intention, einen Besucher der Stätte mit Informationen zu versorgen und auf Details aufmerksam zu machen, die er wachsamen Auges wahrnehmen soll (vigilanti oculo visitandum), während Suger die Kenntnis der Details voraussetzen kann - am Abfassungsort seiner Schrift sind die erwähnten Stücke zu sehen - und Einzelheiten nur hervorhebt, sofern sie seine Leistung im Erwerben oder Bereitstellen der Kostbarkeiten dokumentieren54. Das neunte Kapitel des Pilgerführers beschreibt kurz die Lage der Stadt Compostela und zählt ihre Kirchen auf, ehe eine ausführliche Beschreibung der Jakobusbasilika er-

48 J. Vielliard, op. cit., p.XIII 49 cap.VIII De corporibus sanctorum que in ytinere sancii Iacobi requiescunt, que peregrinis eius sunt visitanda; op.cit., p.34ss 50 Saint-Gilles, cf. Vielliard, op.cit., p.36ss: Item beati Egidii piissimi confessons atque abbatis corpus dignissimum, summopere vigilanti oculo visitandum est. 51 op.cit., p.40 lngens arca aurea que est retro eius altare super ipsius corpus venerandum. 52 adm 276,1218 vasa etiam tarn de auro quam preciosis lapidibus [..] adquisivimus; cf.277,1225; 279; 1234s.; 280,1238ss cuius donationis Seriem in eodem vase gemmis auroque ornato versiculis quibusdam intitulavimus: Hoc vas sponsa dedit Aanor regi Ludovico.. 53 Vergleichbar sind Sugers Verse für die goldenen Tafeln des Hauptaltars, adm 216,979-217,986 54 adm 276,1218/1221 vasa etiam tarn de auro quam preciosis lapidibus [..] adquisivimus, magnum videlicet calicem [..] restituí elaboravimus; 277,1225 aliud etiam vas preciosissimum [..] sexaginta marcis argenti comparatum cum quibusdam floribus corone imperatricis beato Dyonisio obtulimus; 279,1234/1238 vas quoque aliud [..] ad libandum divine mense affectuosissime contulimus; 281,1243 comparavimus etiam prefati altaris officiis calicem preciosum

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118 IV. Pilgerwesen

folgt55. Der Autor teilt zunächst die Innenmaße der Kirche mit; als Maßeinheit dient die Körperlänge eines Menschen56. Neben diesen Angaben steht der außerhalb aller Messungen bleibende Eindruck überwältigender Größe, der sich beim Anbl ick des Baus von außen einstellt57. Dieser wird jedoch sogleich abgelöst von quantifizierenden Angaben zu den einzelnen Bauteilen58; dabei fällt der gegenüber Suger umfangreichere fachterminologische Wortschatz auf; der Autor verwendet die Begriffe navis, laterales naviculae, corpus, membra, capita, celum ecclesie, cindria, ciborii, palacium ecclesie, vitis, portalis55. Er legt Wert auf die sorgfältige Differenzierung zwischen Säule und Pfeiler sowie die Angabe verschiedener Materialien60; Suger erwähnt nur die Säulen, die ein besonders anspruchsvolles Baudetail darstellen61 und über deren Beschaffung er in De consecratione berichtet: auch hier geht es darum, seine Leistung hervorzuheben, die in diesem Fall durch göttliche Hilfe begünstigt wird, wie das zweifache Wunder des Ma-terialfundes und des wundersamen Transports aus dem Steinbruch deutlich macht. Zum Lob der Kirche vermerkt der Pilgerführer, dass keine Spalten oder Risse festzu-stellen seien62, ehe er Größe, Helligkeit und angemessene Proportion lobt63. Die Krite-rien sind ähnlich wie bei Suger, der die Kirche "durch Schönheit der Länge und Breite zu adeln" beabsichtigt64. Das Lob der Kirche gipfelt im Pilgerführer in der Beschrei-bung des emotionalen Resultats beim Betrachter: wer die Schönheit der Kirche be-trachtet, wi rd froh, selbst wenn er zuvor traurig war65. Darin liegt zugleich eine Emp-fehlung an den Pilger; sie weist die Kirche als sehenswerten Ort aus. Von derartigen Empfehlungen ist Suger weit entfernt: Pracht und Schönheit dienen der Ehre der Hei-

55 F. Lopez Aisina, op.cit., p.318s. 56 op.cit.,p.86 Basilica namque Sancii Iacobi habet in longitudine quinquaginta et tres hominis status, videlicet a porta occidentali usque ad Sancii Salvatoris altare; in latitudine vero habet qua-draginta unum minus, a porta scilicet Francigena, usque ad meridianam portam; altitudo vero eius quatuordecim status habet intus. 57 ibid.: Quanta sit extra eius eius longitudo et altitudo, a nullo valet comprehendi. 58 über die Vierung: loc.cit., p.86-90 (cf. Binding/Linscheid-Burdich p.396); zu Hauptschiff und Seitenschiffchen p.88ss (Binding/Linscheid-Burdich p.317); über die Säulen und Pfeiler p.88ss., p.96 (Binding/Linscheid-Burdich p. 246 u. 358); über das Paradies und seinen gepfla-sterten Boden op.cit.p.96 (Binding/Linscheid-Burdich p.388) 5' p.86-104; die genannte Ausgabe bietet neben der frz. Ubersetzung auch kommentierende Vorschläge hierzu. 60 cf. Binding/Linscheid-Burdich, p.246 u.358 61 allgemein zur Schwierigkeit, Säulen zu beschaffen, s. Binding/Linscheid-Burdich, p.245-259 62 p.90 s. In eadem vero ecclesia nulla scissura vel corrupcio invenitur; dass solche augenfälligen Schäden negativ bewertet werden, geht aus Sugers Absicht hervor, sie zu beheben, v$..adm 162, 705-710 63 p.92 mirabiliter operatur, magna, spaciosa, clara, magnitudine condecenti, latitudine, longitu-dine et altitudine congruenti, miro et ineffabili opere habetur, que etiam dupliciter velut regale pa-lacium operatur. 64 cons 47,287s. longitudinis et latitudinispulcritudine [..] nobilitare; der Aspekt der Wohlabge-wogenheit ist für Suger vor allem im Blick auf das Zusammenpassen alter und neuer Bauteile wichtig, cf. cons 21 u.48 65 ibid.: Qui enim sursumper naves palacii vadit, si tristis ascendit, visa obtima pulcritudine eius-dem templi, letus et gavisus efficitur.

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2. Der Pilgerführer von Santiago de Compostela 119

ligen66; Freude empfinden in seinen Schriften die Teilnehmer an der liturgischen Feiern, die allerdings durch den prächtigen Rahmen gewinnen67. Auf die Liturgie als wesentliche Determinante für Sugers Handeln als Bauherr wie für wichtige Züge seiner Darstellung haben vor allem A.Speer und J. P.Neuheuser in mehreren Arbeiten aufmerksam gemacht68. Der Pilgerführer hingegen beschreibt die Kirche zwar sehr sorgfältig, jedoch ohne Bezug auf die darin sich entfaltende liturgische Handlung. Die Fenster in der Jakobus-Basilika werden im Blick auf ihr Material (fenestre vitree), ihre Zahl und ihre Funktion für die Helligkeit erwähnt69; die sachlichen Angaben hierzu nehmen sich jedoch geradezu dürftig aus neben Sugers berühmten Beschreibungen, die auf die Angabe der Anzahl völlig verzichten, dafür aber die Wirkung und den Wert benennen70. Sugers hohe Wertschätzung der Fenster geht schließlich auch daraus hervor, dass er sie als Kostbarkeiten ebenso aufmerksamer Obhut von Fachleuten anvertraut wie die goldenen und silbernen ornamenta71. Auch sie werden als Teil seiner Leistung für den Schmuck der Kirche gewürdigt. Mit großer Sorgfalt listet der Pilgerführer die Türme der Kirche auf2 , bietet Angaben zur Lokalisierung sowie zum Material. Die zahlreichen Ortsangaben teilt er

66 cons 48, 292 ut eadem cripta superioritatem sui accedentibus per utrosque gradus pro pavimento offerret et in eminentiori loco sanctorum lecticas auro etpreciosis gemmis adornatas adventantibus obtutibus designaret; cons 50, 308 ordinavimus ornamentis decoram, personis celebrem processionem; cons 59, 366 ubi gloriosius adventantium obtutibus et conspicabilius transferrentur, eligentes aurifabrorum elegantia sive artis industria, auri gemmarumque preciosarum copia illustrem valde fieri Deo cooperante elaboravimus. 67 cons 93,572ss per claustrum cum candelabris et crucibus et aliis festivis ornamentis cum odis et laudibus multis processerunt, dominos suos tarn familariter quam pre gaudio lacrimabilter deportaverunt. 94,575s. Nullo unquam maiori in omnibuspotuerunt gaudio sublimari. 68 Als Beispiele seien genannt: A. Speer, Abt Sugers Schriften zur fränkischen Königsabtei Saint-Denis, in: Speer/Binding (2000), p. 13-66, bes. p. 38ss; H. P. Neuheuser, Ars aedificandi -ars celebrando. Zum pulchritudo-Verständnis in den Kirchweihbeschreibungen des Abtes Suger von Saint-Denis, in: I. Craemer-Ruegenberg/ A. Speer (Hg.), Scientia und ars im Hoch-und Spätmittelalter, Berlin/New York 1994 (Miscellanea Mediaevalia 22/2),p.981-1007 " ed. Vielliard, p.92 70 cons 49,301s. oratoriorum incremento, quo tota clarissimarum vitrearum luce mirabili et continua interiorem perlustrante pulcritudinem eniteret;adm 188,848 Qui enim inter alia maiora etiam admirandarum vitrearum operarios materiem saphirorum locupletem promptissimos sumptus fere septingentarum librarum aut eo amplius administraverit, peragendorum supplementis liberalissimus Dominus deficere non sustinebit; adm 263,1171ss Vitrearum etiam novarum preclaram varietatem ab ea prima que incipit a „Stirps lesse" in capite ecclesie, usque ad earn que superest principali porte in introitu ecclesie, tarn superius quam inferius magistrorum multorum de diversis nationibus manu exquisita depingi fecimus-,(Interpunktion gegenüber der Edition geändert); vgl. weiterhin die Beschreibung der Bildprogramme und die Mitteilung der tituli, adm 264,1175 -273,1207 71 adm 274,1208ss Unde - quia magni constant mirifico opere sumptuque profuso vitri vestiti et saphirorum materia - tuicioni et refectioni earum ministerialem magistrum sicut etiam ornamentis aureis et argenteis peritum aurifabrum constituimus [..](Interpunktion gegenüber der Edition geändert). 72 p. 104

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120 IV. Pilgerwesen

diskussionslos mit, während Suger seine Angaben mit zusätzlichen Hinweisen versieht73; die Ausführungen des Pilgerführers setzen beim Leser Sachverstand und Interesse an Einzelheiten wie z.B. Steinmaterial sowie Ziegel- und Bleideckung74

voraus, während Suger alles übergeht, was nicht unmittelbar seine Leistung für die Kirche unterstreicht. Anders als der Pilgerführer, der auch angibt, dass einige Arbeiten noch nicht abgeschlossen seien75, berichtet Suger in De aäministratione über die Kirche als ein von ihm vollendetes Werk76. Besondere Aufmerksamkeit widmet der Pilgerführer der Beschreibung des Apostelgrabes und des Jakobus-Altars77. Der Autor legt Wert auf die Feststellung, dass der Leib des Apostels vollständig hier beigesetzt sei. Neben Formulierungen, die die Weihe des Ortes betonen78, finden sich sachliche Hinweise zu den Maßen, deren Angabe der Autor mit der Bemerkung, er habe die Messung selbst vorgenommen, bekräftigt79. Dergleichen quantifizierende Angaben finden sich bei Suger nicht; er bietet Zahlenmaterial nur dann, wenn er etwas über die Steigerung der Einkünfte oder den von ihm aufgebotenen Preis mitteilt80. Die vorzügliche Ausstattung seiner Kirche nimmt Suger selbst, z.T. mit Hilfe hochrangiger Persönlichkeiten, vor; er unterlässt jedoch die Einladung zu Sachspenden für Gebrauchgegenstände beim Altardienst, wie sie der Pilgerführer ausspricht81: hier finden sich Maßangaben für Paramente, die als

73 im Bereich der Bezeichnungen für Einkünfte und Abgaben: adm 3,29 ministerium [..] quod vulgo dicitur theloneum et cambiatio; adm 155, 676 [exactores regii] quos dicunt gra/ßones; im Bereich der Architektur: adm 183,833 medium ecclesie testudinem, quam dicunt navim 74 p. 104 [Beati Iacobi ecclesia ..] Est etiam tota ex fortissimis lapidibus vivis, brunis scilicet et durissimis et marmore facta, et deintus diversis speciebus depicta et deforis teolis et plumbo obtime cooperta. 75 p.104 Sed ex his que diximus alia sunt iam omnino adimpleta, aliaque adimplenda. 76 Dagegen stellt bereits von Simson, Die gotische Kathedrale, p.177 fest, dass bei Sugers Tod noch nichts fertig gewesen sei; zur Problematik von Sugers Darstellung s. A. Speer, Sugers Baustelle, in: S. Lieb (Hg.), Form und Stil. Fs. f. G. Binding zum 65.Geburtstag, Darmstadt 2001, p.181-193 77 p.l08ss. 78 p.108 Apostolicum namque corpus totum ibi habetur, carbunculis paradisiacis divinitus illustratur, odoribus divinis indeficientibus fraglantibus honestatur, cereisque celestibus fulgentibus decoratur, angelicisque obsequiis sedule honestatur, 79 p. 108 Et super illud est altare magnum et mirabile quod habet in altitudine .ν. palmos et in longitudine .xii. et in altitudine .vii. Sic propriis manibus ego mensuravi. Der Hinweis auf die eigenhändig durchgeführte Messung verrät das Interesse eines außen stehenden Betrachters. 80 Suger gibt in De administratione die Verbesserung der Einkünfte der Abtei mit genauen Zahlen an (adm 3-159); Preisangaben für ornamenta sind z.B.adm 188,849ss [qui ..] admirandarum vitrearum - operarios, materiem saphirorum locupletem • promptissimos sumptus fere septingentarum librarum [..administraverit] (Interpunktion gegenüber der Edition verändert) adm 193,866s. In tabula illa [..] circiter quadragita duas marcas auri posuisse nos estimamus; adm 198,890ss quindecim marcas auri reponendo ulteriorem frontem eiusdem et operturam superiorem undique inferius et superius deaurari quadraginta ferme unciis elahoravimus. 81 p.110 Sed si quis coopertorium vel linteamem (sic) ad cooperiendum altare apostolicum, amore beati Jacobi mittere voluerit, de .ix. palmis in latitudine et in longitudine de .xxi. mittere debet. Si

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3. Der Liber miraculorum Sanctae Fidis 121

Spenden für den Altar des hl. Jakobus offenbar durchaus willkommen waren. Ausführlich beschreibt der Pilgerführer die große aus Gold und Silber gefertigte Tafel vor dem Altar und ihr Bildprogramm82; Suger hingegen macht keine Angaben über den Bildinhalt der Reliefs des goldenen Altars und gibt lediglich für den großen Kruzifix und den Kreuzfuß Hinweise auf die figürlichen Darstellungen83, während wir für das Bildprogramm der großen goldenen Altartafel nur durch die mitgeteilten Verse annähernde Vorstellungen gewinnen können84. Auch in Santiago nennt die Inschrift der Altartafel Stifter und Zeitgenossen85; Suger verbindet die Mitteilung mit der Bitte um Fürsprache86. Alle bisher gezeigten Details zeigen, dass Suger zwar eine Ausstattung beschreibt, wie sie in Pilgerkirchen üblich ist, dass er aber seine Darstellung nicht als Pilgerführer konzipiert, der auswärtige Besucher informieren will, sondern über sein Bemühen zu Ehren des Heiligen Rechenschaft ablegt. Diese Unterschiede ergeben sich auch aus dem höheren Grad der inneren Beteiligung Sugers im Vergleich zu der letztlich neutralen Haltung des Pilgerführers, der ja selbst nichts zu den von ihm beschriebenen Stätten und ihrem Rang beigetragen hat. Suger verbindet mit der Abfassung von De consecratione wie von De administratione die Intention, die Verehrung des hl. Dionysius als Nationalheiligen zu fördern und sich seiner Fürsprache wie auch des Gebetsgedenkens der Brüder zu versichern, indem sein Bemühen vor dem Vergessen bewahrt wird87.

3. Der Liber Miraculorum Sanctae Fidis

Bereits um 863/883 hatte die Benediktinerabtei Sainte-Foy in Conques88, gelegen in der Grafschaft Rouergue, die Reliquien der hl. Fides aus Agen erworben. Der Kult der Heiligen, die besonders von Blinden und Gefangenen angerufen wurde, machte das Kloster zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort. Conques lag zugleich an der so genannten Via Podensis, einer der Routen, auf denen Pilger aus Frankreich nach Santiago de Compostela gelangten89, und bildete ein Etappenziel. Diese Lage

vero pallium amore Dei et apostoli quis ad cooperiendum altare, scilicet in antea, miserit, videat ut eius latitude .vii. palmis fiat, et longitudo eins .xiii. 82 p.110 83 adm 203, 925ss adorandam domini salvatoris imaginent in recordationepassionis eius tamquam et adhuc pacientem in cruce ostentarent; adm 211,949ss Pedem vero quatuor evangelistis comptum-, vgl ferner die Angaben zu den in Email ausgeführten Darstellunegn auf dem Schaft, adm 211,951 salvatoris bistoriam cum antique legis allegoriarum testimoniis designatis. 84 cf. Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.130-133 85 p.110 Hanc tabulam Didacus presul jacobita secundus / Tempore quinquenni fecit episcopii. / Marcas argenti de tbesauro iacobensi / Hic octoginta quinqué minus numera, p.112 Rex erat Anfonsus, gener eius dux Raimundus, /Presulprefatus quando peregit opus. 86 adm 216,980-983 87 cf. adm 1,4-15 88 cf. G. Fournier, Art.Conques, LexMA III (1986) 142s. 89 J . I .Ruiz de la Pena, Die europäischen Pilgerwege nach Santiago de Compostela, in: P. Caucci van Saucken (hg.), Pilgerziele der Christenheit. Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela. Stuttgart - Darmstadt 1999, p. 187-212. Der Guide du pèlerin de Saint-Jacques de

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122 IV. Pilgerwesen

begünstigte die Verehrung der hl. Fides und den Zustrom weiterer Pilger. Noch vor der Mitte des 11. Jahrhunderts entstand an der Stelle des karolingischen Kirchenbaus ein bedeutender romanischer Neubau mit hervorragender Portalplastik'0. Darüber hinaus besitzt Conques den reichsten Kirchenschatz aus romanischer Zeit in ganz Frankreich; das in der 2. Hälfte des 10. Jhs. entstandene Statuettenreliquiar der Hl. Fides ist die größte Kostbarkeit unter den ornamenta der Abteikirche91. Ein literarisches Zeugnis des Fides-Kults ist der Liber Miraculorum sanctae Fidis92, eine Sammlung von Wundergeschichten, die Bernhard von Angers nach seinem ersten Besuch in Conques anzulegen begonnen hatte93. Bernhard äußert sich zu einigen Stücken des Kirchenschatzes; seine Ausführungen sind aufschlussreich auch im Blick auf Sugers Aussagen über die ornamenta seiner Kirche. Darüber hinaus machen Übereinstimmungen in der Art, wie die Heiligen dargestellt werden, Sugers Kenntnis des Liber miraculorum wahrscheinlich.

Während seines Aufenthaltes in Chartres hatte Bernhard von Angers durch Gespräche mit Fulbert von Chartres Interesse an den Wundererzählungen gewonnen, die über die in Conques verehrte hl. Fides kursierten. Die Eindrücke seiner ersten Reise nach Conques gingen in das Buch I des Liber Miraculorum ein94. Hier setzt sich der Autor mit der Frage auseinander, ob es zulässig sei, kostbare Reliquiare in Gestalt eines Heiligenbildes zu schaffen; angesichts der Statue des hl. Gerald in Aurillac und insbesondere des Bildes der hl. Fides in Conques stellt er zunächst mit Befremden fest, dass dieser "Brauch" an die Verehrung von Götzenbildern erinnere95. Diese Perikope

Compostelle (ed. J.Vielliard, Macon 1963) erwähnt (p.48) den Ort und die Verehrung der hl. Fides, macht aber keine näheren Angaben hierzu. 90 J . Bousquet, La Sculpture à Conques aux IXe et Xlle siècles. Essai de chronologie comparée. 3 Bde. (Diss.Toulouse 1971) Lille 1973 91 Fournier, loc. cit. 92 Liber Miraculorum Sánete Fidis, publié d'après le manuscrit de la Bibliothèque de Schlestadt, ed. A. Bouillet, Paris 1897 (Collection de textes pour servir à l'étude et à l'enseignement de l'histoire); cf. Liber miraculorum sanctae Fidis, ed. L. Robertini, Spoleto 1994 (Società internazionale per lo studio del Medioevo Latino. Biblioteca di Medioevo Latino, 10) " Bernhard war ein Schüler Fulberts von Chartres, wurde später Leiter der Kathedralschule von Angers und unternahm mehrere Reisen nach Conques; zur Entstehung des Liber Miraculorum und zur Person des Autors Robertini, loc.cit.p.58ss.; M. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Zweiter Teil, München 1923, p.461s. 94 wie vor 95 Liber Miraculorum,1 13 p.47 [..] Quod cum sapientibus videatur baud injuria esse supersticiosum, videtur enim quasi prisce culture deorum vel potius demoniorum servari ritus, miebi quoque stulto niebilominus res perversa legique Christiane contraria visa nimis fuit, cum primitus saneti Geraldi statuam super altare positam perspexerim, auro purissimo ac lapidibus preciosissimis insignem et ita ad humane figure vultum expresse effigiatum, ut plerisque rusticis videntes se perspicati intuitu videantur videre, oculisque reverberantibus precantum votis aliquandoplacidius favere. [..] Nam ubi solius summi et veri Dei recte agendus est cultus, nefarium absurdumque videtur gypseam vel ligneam eneamque formari statuam, excepta crucifixi Domini. Cuius imago ut affectuose, ad celebrandam Dominice passionis memoriam, sculptili sive fictili

formetur opere, saneta et universalis recepii ecclesia. Sanctorum autem memoriam humanis visibus vel veridica libri scriptura, vel imagines umbrose coloratis parietibus depicte tantum debent estendere. Nam sanctorum statuas, nisi ob antiquam abusionem atque invincibilem ingenitamque

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3. Der Liber miraculorum Sanctae Fidis 123

ist ein wichtiges Zeugnis für die mittelalterliche Beurteilung bildlicher Darstellungen in der Kirche96; für unseren Zusammenhang sind jedoch vor allem die Aussagen über das kostbare Material und über die Darstellung des Gekreuzigten interessant. Die Angabe, das Heiligenbild sei auro purissimo ac lapidibus preciosissimis insignis, erinnert bereits an die von Suger bekannten Formulierungen97; wir werden darauf zurückkommen. Bernhard erwähnt das Verbot plastischer Heiligenbilder und nennt als zulässige Ausnahme den Kruzifix. Seine Formulierung, mit der er eine realistische Darstellung des Gekreuzigten billigt (Cuius imago ut affectuose, ad celebrandam Dominice passionis memoriam, sculptili sive fidili formetur opere, sancta et universalis recepii ecclesia), scheint in Sugers Ausführungen über den großen Kruzifix seiner Abteikirche reflektiert zu sein98. Seine zunächst vorgetragenen Einwände gegen als Heiligenbild plastisch gestaltete Reliquiare revidiert Bernhard, als er zu der Uberzeugung gelangt ist, dass die Verehrung nicht dem kostbaren Bildnis der Heiligen, sondern ihrer in dem statuenförmigen Behältnis enthaltenen Reliquie gilt99. Die Verehrungswürdigkeit dieser Reliquie setzt er nun in Beziehung zur Bundeslade und gelangt zu einer Relation, die sich in gesteigerter Form in Sugers Rechtfertigung seiner kostbaren liturgischen Geräte wiederfindet100: so, wie die Heilige als Perle des Himmlischen Jerusalem nach der Ansicht Bernhards von Angers kostbarer ist als die Bundeslade, so ist für Suger das Blut Christi dem Opfer des Alten Bundes überlegen und gebietet den Einsatz noch kostbarerer Geräte, als sie für die Opferhandlungen des Alten Testaments üblich waren. Bernhard von Angers beschreibt weiter den zunehmenden Reichtum der Kirche und besonders wertvolle Stücke ihrer Ausstattung101; dabei wird die große goldene

idiotarum consuetudinem, nulla ratione patimur. Que abusio in predictis locis adeo prevalet, ut si quid tunc in sancii Geraldi imaginem aperte sonuissem, fortasse magni criminispenas dedissem.[..] 96 cf. C. Rudolph, The "Things of Greater Importance". Bernard of Clairvaux's Apologia and the Medieval Attitude Toward Art, Philadelphia 1990, p.72ss 97 cf. ord 30,155ss [qui... ecclesiam ..] tot auri et preciosarum gemmarum omamentis declaravit, insuper [..] insignibus dominice passionis [..] insignivit; cons 9,68s copiosis purissimi auri et argenti thesauris; cons 9,78 fulgurantis auri et splendorem gemmarum.. refundendo. 98 adm 203,925ss [artifices ... qui...] adorandam domini salvatoris imaginem in recordatione passionis eius tanquam et adhuc pacientem in cruce ostentarent. 95 Liber Miraculorum I 13, p.48 Verum istud vaniloquium sive parva conceptio non adeo ex bono corde procedebat, quando sacram imaginem que non ut idolum sacrificando consulitur, sed ob memoriam reverende martyris in honore summi Dei habetur despective tamquam Veneris vel Dianae appellaverim simulachrum. Et hoc ita stulte in sanctam Dei egisse valde me postea penituit. p.49 [..] Nullus ergo argumentandi locus relictus est utrum sánete Fidis effigiata species venerationi debeat haberi, cum liquido pateat qui buie exprobravit sánete martyri nichilominus detraxisse, neque id esse spurcissimum ydolum, ubi nefarius immolandi consulendive ritus exerceatur, sed sánete virginis piam memoriam apud quam multo decentius ac copiosiore fidelis cordis compunctione, eius pro peccatis efficax imploretur intercessio. 100 p.49 Vel quod prudentissimum est intelligi, sanctorum pignerum potius hec capsa est ad votum artificis cuiusvis figure modo fabricata, longe preciosiore thesauro insignis, quam olim archa testamenti. Siquidem in hac tante martiris caput servatur integerrimum, quam constat procul dubio unam eprecipuis Hierusalem celestis esse margaritam. - cf. adm 232 101 Liber Miraculorum I 17, p.53 [..] multi fideles predia sua et nonnulla beneficia sub autoritate testamenti sánete Fidi delegarunt. Ac per hoc abbatta, que pridem pauper fuerat, locupletari cepit et

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124 IV. Pilgerwesen

Altartafel eingehend gewürdigt102. Wie in Sugers Beschreibungen103 nimmt sie hinsichtlich des Materialaufwands eine Sonderstellung unter den ornamenta ein. Die kostbaren Materialien werden auch hier eingehend gewürdigt, wie es bereits oben bei der Schilderung des kostbaren Heiligenbildes zu beobachten war. In den Wundererzählungen in Buch I des Liber Miraculorum fällt die sehr aktive Rolle auf, die die hl. Fides beim Erwerb der für die Altarplatte erforderlichen Mittel spielt104: eine Pilgerin will der Heiligen einen Ring vorenthalten, indem sie ihn zu Hause lässt: durch Vision und Krankheit gelangt sie zur Umkehr105; ein Pilger will den versprochenen Ring gegen andere austauschen, was ihm auf wunderliche Weise misslingt106; eine andere Frau begeht eine Unterschlagung an einem der Heiligen zugedachten Ring und muss dafür büßen107. Alle diese Schmuckstücke gehen offenbar in der Gestaltung der prachtvollen Altarplatte auf, wie auch in einer Perikope im 19. Kapitel108 des genannten Buchs, an der die Parallele zu Sugers Darstellung besonders deutlich wird: die hl. Fides fordert hier eine vornehme Dame auf, als Vorleistung für die ersehnte Geburt eines Sohnes ihre Armreifen darzubringen. Die Dame kommt dieser Aufforderung nach: [..] ipsamet peregrini funda officio, áureos eos braciolos cum

in honorem sublimari. Tunc temporis idem ante etatem Vuitberti, neque tot capse auree vel argentee, neque tot cruces, sive abside grandes, una quidem tota aurea, cum omnígena lapidum varietate, due vero argentee, neque candelabra sive turibula, nec etiam tabula, nec tot ornamentorum genera locum exornabant. Quod autem erat precipuum ornati, hoc est decus imaginis, que ab antiquo fabricata nunc reputaretur inter minima, nisi de integro reformata in meliorem renovareturfiguram. Quid ni fieret, cumpreterhec que dixi ingentis quantitatis emineat crucifixus, argento bene examinato totus, excepto diademate et tegumento femurali, cuius aurum omni auro quod vidisse me memini ruboris vigore prestai. Ceterum argentee tabule complures, per loca auro et lapidibus insignes.[..]·, 1,17 p.54 [..] Reliqua autem cum plurima esse tarn in coronis quam in calicibus, necnon in diversi generis vasculis tute videris, non me mentitum estimabis. Pretereo plura. Nam si palliorum capparumve, ceteraque id generis expediero ornamenta, nimis declinabo a materia. 102 Altartafel: Liber Miraculorum I 17 p.53s. Restât precipui altaris tabula aurea, non minus quam Septem pedibus digitisque duobus in longitudine habens, non Ulis geometricalibus, sed et utraque manu pretensa rustici soient metiri, summis pollicibus iunctis. Tarnen sanctus Martinus Turonensis duas habet maiores quidem, sed non melius gemmis et celatura insignes. 103 cons 61s., adm 218 104 I 17,p.54 Et idcirco ánimos seniorum ad novam precipui altaris tabulam componendam congesta auri copia excitavit. Verum quia cepti operis pergrandis extitit materialis dispositio, consumpto priore auro, maiore etiam auri sive lapidum supplemento opus fuit. Et idcirco pauci qui haberent preciosum anulum seu fibulam, vel armillas, sive discriminalia, aliquidve huiusmodi in toto ilio pago relieti sunt, a quibus saneta Fides vel facili prece, vel instanti improbitate hec eadem ad opus tabule, ceu mendicans non extorqueret, apparens singulis per somnium, in pulcherrime needum adulte puelle specie. Nec minus idem et peregrinis undique confluentibus instans faciebat. Unde tarn speciosa tamque spaciosa auro et lapidibus confata est tabula, ut raro meliorem conspicari alibi potuerim, [..]. Superfuit auri plurimum, quod sacris usibus post hec fuit accomodatum. 1051 18 p.54s.,cf. 1,20 p.57s.: ein weiteres Beispiel für Darbringen eines Rings 1061 21 p.58s. 107 1 22 p.59s 1081 19, p.56s.

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3. Der Liber miraculorum Sanctae Fidis 125

summa devotione detulit, Deoque ac sánete eius obtulit [..]109 - Bernhard erwähnt auch die Geburt des Sohnes, um am Ende des Kapitels eindeutig die Verwendung der Schmuckstücke anzugeben: He postea manice in opus tabule fuerunt consumpte. Ubereinstimmend ist in Sugers Darstellung neben der Feststellung der außerordentlichen Kostbarkeit110 zunächst die Art der Gabe (Schmuck aus Privatbesitz)111, ferner der demutsvolle Gestus der Spender112, schließlich die Verwendung für die Altarplatte. Zwar schildert er seine Heiligen nicht als so zudringlich, wie Bernhard es tut, und weist immer wieder auf Liebe zu den Heiligen als Motiv der Spender hin113; dennoch fällt ihre gleichfalls fordernde Haltung auf, die er in De consecratione beschreibt114. Die Heiligen erheben Anspruch auf eine besonders prächtige Gestaltung; Suger weist ihnen jedoch zugleich eine aktive Rolle bei der Bereitstellung des kostbaren Materials zu, woraus sich für ihn die moralische Verpflichtung zum Einsatz der gebotenen Mittel ergibt. Dass die beobachteten Ubereinstimmungen mit dem Liber miraculorum nicht zufälliger Art sind, sondern eine Bezugnahme auf einen bekannten Text darstellen, erweisen zwei Motivparallelen aus den Büchern III und IV des Liber Miraculorum, die hier kurz besprochen werden sollen. In De consecratione beschreibt Suger, wie aus dem überraschend bei Pontoise entdeckten Steinbruch Säulenschäfte für die Kirche geholt werden. Dabei ereignet sich das so genannte Säulen-Mirakel; die ganze Perikope enthält zahlreiche Details über die

109 ibid., p.57 110 adm 193,866ss. In tabula ilia que ante sacratissimum corpus eius assistit circiter quadraginta duas marcas auri posuisse nos estimamus, gemmarum preciosarum multiplicem copiant, iaeinetorum, rubetorum, saphirorum, smaragdinum, topaziorum neenon et opus discriminantium unionum quantam nos reperire numquam presumpsimus. 111 cons 63,392ss Ñeque enim ipsi pontífices, qui his egregie pro officii sui dignitate potiuntur, anulos etiam pontificales mirabili preciosorum lapidum varietate gemmatos eidem imponere tabule presentes abnegabant, verum absentes a transmarinis etiam partibus sanctorum martirum amore invitati ultro delegabant-, möglicherweise erwähnt Suger die Ringe der Bischöfe in der Absicht, durch die Nennung dieser amtsgebundenen Schmuckstücke den Rang der Geschenke zu überhöhen; vgl. ferner adm 194, 871ss Videres reges et principes multosque viros precelsos imitatione nostra dígitos manuum suarum exanulare et anulorum aurum et gemmas margaritasque preciosas ob amorem sanctorum martyrum eidem tabule infigi preeipere; adm 195,874ss Nec minus etiam archiepiscopi et episcopi ipsos sue desponsationis anulos ibidem sub tuto reponentes Deo et sanctis eius devotissime offerebant. 112 adm 195,874 ...Deo et sanctis eius devotissime offerebant. 113 cons 63,392ss sanctorum martirum amore invitati ultro delegabant·, adm 194, 871ss ob amorem sanctorum martyrum eidem tabule infigi preeipere. 114 cons 62,385ss Cui etiam cum tabulam auream mediocrem tamen defectus pusillanimitate preponere proposuissem, tantam auri, tantam gemmarum preciosissimarum inopinatam et vix regibus existentem copiam ipsi sancti mártires nobis propinaverunt, ac si nobis ore ad os loquerentur 'velis nolis, optimam earn volumus', ut earn aliter quam mirabilem et valde preciosam tam opere quam materia effìcere aut non auderemus aut non valeremus-, 64,400ss. preterea tot venales ab omnibus pene terrarum partibus nobis afferebantur et unde eas emeremus Deo donante offerebatur, ut eas sine pudore magno et sanctorum offensa dimitiere nequiremus.

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126 IV. Pilgerwesen

Materialbeschaffung115, die sich auch in einem Kapitel des Liber Miraculorum finden116: beide Autoren sprechen von einem miraculum"7 und nennen ausdrücklich die Bereitstellung von Säulen118; auch im Liber Miraculorum werden die Arbeiter erwähnt, die die Steine brechen119, die Lage am Hang wird ebenso erkennbar120 wie die Zugtiere und die Menschen, die an deren Stelle unter Einsatz von Armen und Schultern mitarbeiten121, sowie die Wagen für den Transport zur Baustelle122. In beiden Berichten lesen wir, dass schließlich das Säulenmaterial dank dem Eingreifen der Heiligen zur Kirche gebracht werden kann123. Auffallende Parallelen bestehen auch zwischen zwei Heilungswundern, die im Liber Miraculorum und in De administratione beschrieben werden. Im Liber Miraculorum124

heilt die hl. Fides einen Ritter von einer infizierten Augenverletzung, in De administratione wird die Heilung einer Wassersüchtigen durch die Mutter Gottes in Notre-Dame-de-Champs geschildert. Zwar gibt es auch in der Vita Odilonis des Mönchs Iotsald eine vergleichbar spektakuläre Heilung125, doch finden sich einige Wortparallelen zwischen dem Liber miraculorum und Sugers Darstellung, die es wahrscheinlich machen, dass Suger auch diesen Text kannte: Ähnlich ist zunächst die Beschreibung der Symptome (starke Schwellung und Schmerzen)126, dann die

115 cf. Binding/Linscheid-Burdich (2002), Kap.VII.2, bes. S.226; Kap.VII.3,p.245-259, bes.249-251 116IV 24 p.219s. 117 Liber Miraculorum IV 24, p.219 Hoc tarnen miraculum, licet posteriorem mole occupet locum, non tarnen ceteris inferiori laude est predicandum.[..]; cons 24,166s Unde nobile quoddam et dignum relatione contigit miraculum, quod nos ipsi ab assistenbtibus addiscentes ad laudem omnipotentis sanctorumque suorum calamo et atramente adsignare decrevimus. 118 Liber Miraculorum, p.219 ut de vehículo epistilia deduceret, necnon et ingentes basium moles-, cons 23,160 columne 119 p.219 montem in quo lapidum cesores ad opus edificandi monasterii operi instabant; cf. cons 22,154ss Locus quippe quadrarie [..] molarum cesoribus sui questum ab antiquo offerebat.. 120 Liber miraculorum, wie vor: dum per devexum montis latus descendunf, cons 23,163ss et per medium castri declivum diversi officiales [..] obviabant 121 Liber miraculorum, p.219 montem [..] cum viginti et sex lugis boum expetiit, ut de vehículo epistilia deduceret, necnon et ingentes basium moles [..]. In hoc periculosum discrimen lapsi tribulorum prominentes stirpes cursum rotarum impediunt, ac inter cantas se mittentes, bubus virisque impedimento fiunt. Ad quem laborem sublevandum omnes qui aderant humeris lacertisque axipro gravi pondere inter modiolos fumiganti nituntur, cf. cons 23,161 tarn nostrates quam loci affines bene devoti, nobiles et ignobiles brachiis, pectoribus et lacertis funibus astricti vice trahentium animalium educebant [sc. columnas\ 122 plaustra, Liber Miraculorum p.219, cons 25,171; cons 30,186 123 Liber Miraculorum, p.220 Denique sánete virginis virtute medicatus, alacri mente ad ceptum prosilit opus et usque ad iam diete gloriose martiris basilicam saxeum deduxit onus [..]; cons 30, 185s. sed volúntate Dei et sanctorum quos invocabant suffragio extraxerunt eamque ad ecclesie

fabricam in plaustro destinaverunt. 124 III 3 p. 123s. 125 cf. Kap.V.2 126 Liber Miraculorum, p.132 Ex quo denique contigit, ut conputrescente vulnere, totum caput eius intumesceret, interclausaque interius sanie dolore intolerabili vexaretur, pene ad mortis usque periculum; adm 125,555 ss. Ydropica quedam tumida more pregnantis nec minus pre

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3. Der Liber miraculorum Sanctae Fidis 127

Genesung durch Abfließen der schädlichen Flüssigkeit127 und das Wiedergewinnen der früheren Gestalt128. Es scheint angesichts der beobachteten Parallelen offensichtlich, dass Suger den Liber miraculorum kannte und verschiedene Anregungen daraus übernahm. Die Verwendung von Elementen aus der Mirakelliteratur ist aufschlußreich bezüglich der Erwartungen, die Suger an seine Leser hatte; die Freude an Wundergeschichten, die aus Bernhards Mirakelsammlung spricht, setzt Suger offenbar gleichfalls voraus. Die Entlehnungen aus einem Text, der zugleich die Kostbarkeiten der Kirche so sehr rühmt, verweist auf eine der Wurzeln für Sugers Prachtschilderungen. Sugers Bau und seine Ausstattung stehen bewusst in der Tradition großer Pilgerkirchen.

dolore clamosa voce insanientis, premebatur enitn bumore aquatico intolerabiliter [..] ad sanctum Mariam [..] portata est-, 126, 558ss Que [..] ipso sue putredinis et corrupti elementi fetore adventantes multos reiciebat; 127,561s. [..] tumor enim et sanies ipsam etiam faciem iam fere in informitatem confierai [..]; der Gestank, den Suger erwähnt, wird im Liber Miraculorum gleichfalls genannt, s.u. 127 Liber Miraculorum, p.133 Inclusa enim putredo cum magno fetore a vulnere erumpens, tamdiu putrefactis scatebris effluxit, doñee omnis tumor capitis in naturali forma attenuatus, superna pietate assereretur exinaniri; adm 130,570ss Videres [..] tantam effusi bumoris et decursi flegmatis in terra babundantiam, ut cum scutellis et situlis et ollis illa asportare statim oporteret. 128 Liber Miraculorum, p.133 Denique brevi temporis intervallo, ita incolumis efßcitur, ut nicbil deformitatis preter modicam cicatricem in eius vultu intuentium prebeat obtutibus; adm 129,569s. [..] virgo Maria [..] tarn gracile quam nitidum cito restituii.

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