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Synthese und Konstitution von HIS 2 O 8 Martin Jansen* und Ralph Mu ¨ ller Stuttgart, Max-Planck-Institut fu ¨ r Festko ¨ rperforschung Bei der Redaktion eingegangen am 11. Januar 1999. Professor Wilhelm Preetz zum 65. Geburtstag gewidmet Inhaltsu ¨ bersicht. Durch Umsetzung von Iodsa ¨ure mit Oleum bei 210 °C wurde erstmals HIS 2 O 8 dargestellt. Nach der Ro ¨ ntgenstrukturanalyse (monoklin, P2 1 /c, a = 1172,0(2), b = 625,7(2), c = 956,0(2) pm, b = 106,50(2), Z = 4, 1083 un- abha ¨ ngige Reflexe, R 1 = 0,037, wR 2 = 0,103) sind jeweils eine Sulfat und Hydrogensulfatgruppe u ¨ ber Iod verbru ¨ ckt, so daß IO 2 -Bru ¨ cken resultieren. Die neue Heteropolysa ¨ure kann formal als durch Kondensation der hypothetischen Iod- sa ¨ure (III), HIO 2 , mit Schwefelsa ¨ ure entstanden angesehen werden. Synthesis and Constitution of HIS 2 O 8 Abstract. Novel HIS 2 O 8 has been obtained by reacting iodic acid and oleum at 210 °C. According to the results of a X- ray structure determination (monoclinic, P2 1 /c, a = 1172.0(2), b = 625.7(2), c = 956.0(2) pm, b = 106.50(2), Z = 4, 1083 re- flections, R 1 = 0.037, wR 2 = 0.103) iodine is connecting a sul- fate and a hydrogensulfate group, thus forming IO 2 bridges. This can be regarded as a condensation of hypothetical iodic acid (III), HIO 2 , with sulfuric acid. Keywords: Iodine oxygen compounds; Hydrogenbis- [tetraoxosulfatoiodat(III)]; Crystal structure of HIS 2 O 8 Einleitung Obwohl in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Oxochemie der Halogene hinsichtlich der Strukturauf- kla ¨rung im Festko ¨ rper beachtliche Fortschritte erzielt werden konnten [1], sind immer noch viele Fragen of- fen. So sind von den bina ¨ren Iodoxiden zwar einige strukturell aufgekla ¨rt [2–4], jedoch andere wie I 2 O 7 , das existenzfa ¨hig sein sollte, noch nicht dargestellt oder wie I 4 O 9 noch nicht strukturell aufgekla ¨rt [5]. Einen wohlbekannten Zugang zu den Iodoxiden stellt die Reaktion von Iodsa ¨ure mit Oleum, Phosphorsa ¨ure oder anderen stark aciden Reaktionspartnern dar. Sol- che Umsetzungen fu ¨ hren je nach Reaktionsbedingun- gen zu Iodoxiden oder Salzen mit Iodpolyoxokatio- nen. Neben den bekannten und an den Beispielen von (IO) 2 SO 4 [6] und (IO 2 ) 2 S 2 O 7 [7] strukturchemisch aufgekla ¨ rten Iodosyl- und Iodylkationen ist auch ein gemischtvalentes Iodpolyoxokation, I 3 O 6 + , in Form des I 3 O 6 HSO 4 bekannt [8]. Das in dieser Arbeit vorgestellte HIS 2 O 8 stellt eine neuartige Verbindung im System Iodsa ¨ ure/Oleum bzw. H 2 O/SO 3 /I 2 O 5 dar und gibt erstmals Hinweise auf die mo ¨ gliche Existenz von Iodsa ¨ ure (III), HIO 2 . Ergebnisse und Diskussion Die Auflo ¨ sung von Iodsauerstoffsa ¨uren in Schwefel- sa ¨ure oder Phosphorsa ¨ure als pra ¨parativer Zugang zu Iodoxiden oder Iodpolyoxokationen ist schon la ¨ ngere Zeit bekannt [8, 9]. Bei der Darstellung von Iodyldisulfat [7] aus einer Lo ¨sung von Trioxoiodsa ¨ure(V) in Oleum tritt bei ei- ner Erho ¨hung der Temperatur auf 205 °C Sauerstoff- entwicklung ein. Diese Abbaureaktion wurde nun so optimiert, daß HIS 2 O 8 reproduzierbar, in reiner, kri- stalliner Form und in Mengen bis zu einem Gramm gewonnen werden kann. Die Ergebnisse der Einkristallstrukturuntersuchung sichern Konstitution und Zusammensetzung der Ver- bindung auch hinsichtlich des Wasserstoffgehalts. Iod(III) liegt in einer neuartigen Bindungssituation vor, in der es in erster Na ¨ herung von einer Sulfatgrup- pe und einer Hydrogensulfatgruppe koordiniert ist, so daß eine IO 2 -Bru ¨ cke resultiert (Abb. 1). Diese drei- kernige Einheit kann als das Ergebnis der Kondensa- tion von einer Einheit Schwefelsa ¨ure und einer Ein- heit Hydrogensulfat mit der protonierten Form der hypothetischen Iodsa ¨ure(III) verstanden werden. Wie in anderen Fa ¨llen [7, 8] la ¨ßt sich auch hier die Koordi- nation von Iod nicht einfach abgrenzen. Bei den I–O- Absta ¨nden (Tab. 4) findet man zwei kurze (197,0 und 198,1 pm), zwei la ¨ ngere Bindungsla ¨ ngen (232,8 und 242,4 pm) sowie solche, die dem van der Waals-Ab- Z. Anorg. Allg. Chem. 1999, 625, 1081–1085 Ó WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim,1999 0044–2313/99/6251081–1085 $ 17.50+.50/0 1081 * Prof. Dr. Martin Jansen, Max-Planck-Institut fu ¨ r Festko ¨ rperforschung, Heisenbergstr. 1, D-70569 Stuttgart

Synthese und Konstitution von HIS2O8

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Page 1: Synthese und Konstitution von HIS2O8

Synthese und Konstitution von HIS2O8

Martin Jansen* und Ralph MuÈ ller

Stuttgart, Max-Planck-Institut fuÈ r FestkoÈ rperforschung

Bei der Redaktion eingegangen am 11. Januar 1999.

Professor Wilhelm Preetz zum 65. Geburtstag gewidmet

InhaltsuÈ bersicht. Durch Umsetzung von IodsaÈure mit Oleumbei 210 °C wurde erstmals HIS2O8 dargestellt. Nach derRoÈ ntgenstrukturanalyse (monoklin, P21/c, a = 1172,0(2), b =625,7(2), c = 956,0(2) pm, b = 106,50(2), Z = 4, 1083 un-abhaÈngige Reflexe, R1 = 0,037, wR2 = 0,103) sind jeweils

eine Sulfat und Hydrogensulfatgruppe uÈ ber Iod verbruÈ ckt,so daû IO2-BruÈ cken resultieren. Die neue HeteropolysaÈurekann formal als durch Kondensation der hypothetischen Iod-saÈure (III), HIO2, mit SchwefelsaÈure entstanden angesehenwerden.

Synthesis and Constitution of HIS2O8

Abstract. Novel HIS2O8 has been obtained by reacting iodicacid and oleum at 210 °C. According to the results of a X-ray structure determination (monoclinic, P21/c, a = 1172.0(2),b = 625.7(2), c = 956.0(2) pm, b = 106.50(2), Z = 4, 1083 re-flections, R1 = 0.037, wR2 = 0.103) iodine is connecting a sul-fate and a hydrogensulfate group, thus forming IO2 bridges.

This can be regarded as a condensation of hypothetical iodicacid (III), HIO2, with sulfuric acid.

Keywords: Iodine oxygen compounds; Hydrogenbis-[tetraoxosulfatoiodat(III)]; Crystal structure of HIS2O8

Einleitung

Obwohl in den letzten Jahren auf dem Gebiet derOxochemie der Halogene hinsichtlich der Strukturauf-klaÈrung im FestkoÈ rper beachtliche Fortschritte erzieltwerden konnten [1], sind immer noch viele Fragen of-fen. So sind von den binaÈren Iodoxiden zwar einigestrukturell aufgeklaÈrt [2±4], jedoch andere wie I2O7,das existenzfaÈhig sein sollte, noch nicht dargestelltoder wie I4O9 noch nicht strukturell aufgeklaÈrt [5].Einen wohlbekannten Zugang zu den Iodoxiden stelltdie Reaktion von IodsaÈure mit Oleum, PhosphorsaÈureoder anderen stark aciden Reaktionspartnern dar. Sol-che Umsetzungen fuÈ hren je nach Reaktionsbedingun-gen zu Iodoxiden oder Salzen mit Iodpolyoxokatio-nen. Neben den bekannten und an den Beispielen von(IO)2SO4 [6] und (IO2)2S2O7 [7] strukturchemischaufgeklaÈrten Iodosyl- und Iodylkationen ist auch eingemischtvalentes Iodpolyoxokation, I3O6

+, in Formdes I3O6HSO4 bekannt [8].

Das in dieser Arbeit vorgestellte HIS2O8 stellt eineneuartige Verbindung im System IodsaÈure/Oleumbzw. H2O/SO3/I2O5 dar und gibt erstmals Hinweiseauf die moÈ gliche Existenz von IodsaÈure (III), HIO2.

Ergebnisse und Diskussion

Die AufloÈ sung von IodsauerstoffsaÈuren in Schwefel-saÈure oder PhosphorsaÈure als praÈparativer Zugang zuIodoxiden oder Iodpolyoxokationen ist schon laÈngereZeit bekannt [8, 9].

Bei der Darstellung von Iodyldisulfat [7] aus einerLoÈ sung von TrioxoiodsaÈure(V) in Oleum tritt bei ei-ner ErhoÈ hung der Temperatur auf 205 °C Sauerstoff-entwicklung ein. Diese Abbaureaktion wurde nun sooptimiert, daû HIS2O8 reproduzierbar, in reiner, kri-stalliner Form und in Mengen bis zu einem Grammgewonnen werden kann.

Die Ergebnisse der Einkristallstrukturuntersuchungsichern Konstitution und Zusammensetzung der Ver-bindung auch hinsichtlich des Wasserstoffgehalts.Iod(III) liegt in einer neuartigen Bindungssituationvor, in der es in erster NaÈherung von einer Sulfatgrup-pe und einer Hydrogensulfatgruppe koordiniert ist, sodaû eine IO2-BruÈ cke resultiert (Abb. 1). Diese drei-kernige Einheit kann als das Ergebnis der Kondensa-tion von einer Einheit SchwefelsaÈure und einer Ein-heit Hydrogensulfat mit der protonierten Form derhypothetischen IodsaÈure(III) verstanden werden. Wiein anderen FaÈ llen [7, 8] laÈût sich auch hier die Koordi-nation von Iod nicht einfach abgrenzen. Bei den I±O-AbstaÈnden (Tab. 4) findet man zwei kurze (197,0 und198,1 pm), zwei laÈngere BindungslaÈngen (232,8 und242,4 pm) sowie solche, die dem van der Waals-Ab-

Z. Anorg. Allg. Chem. 1999, 625, 1081±1085 Ó WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 1999 0044±2313/99/6251081±1085 $ 17.50+.50/0 1081

* Prof. Dr. Martin Jansen,Max-Planck-Institut fuÈ r FestkoÈ rperforschung,Heisenbergstr. 1,D-70569 Stuttgart

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stand fuÈ r ein Iod-Sauerstoffpaar (350 pm [10]) ent-sprechen. Betrachtet man nur die I±O-Bindungen un-ter 200 pm, so ergibt sich fuÈ r das Iodzentrum einegewinkelte (w2-tetraedrische) Koordination. Die Bin-dungslaÈngen entsprechen Einfachbindungen. Beziehtman die Bindungen bis 250 pm ein, dann ergibt sicheine verzerrt quadratisch planare Koordination (w2-oktaedrisch) fuÈ r das Iodatom. Diese quadratisch pla-nare Umgebung kann als charakteristisch fuÈ r Iod(III)angesehen werden und wird sowohl in den Kristall-

strukturen von Iodosylsulfat als auch in dem gemischt-valenten Iod(III/V) Polyoxokation I3O6

+ vorgefunden[8]. Diese intermolekularen Bindungen verknuÈ pfen diedreikernige Einheit zu BaÈndern (Abb. 2). Die Ver-knuÈ pfung dieser BaÈnder erfolgt entlang der a-AchseuÈ ber WasserstoffbruÈ ckenbindungen. Der Abstand inder WasserstoffbruÈ ckenbindung O8±H wird mit 81 pmzu kurz gefunden, ein bekanntes PhaÈnomen bei der Be-stimmung von H-Positionen mit RoÈ ntgenbeugung. DerWinkel S1±O8±H liegt mit 112,1° in dem fuÈ r Hydro-gensulfate zu erwartenden Bereich [11, 12].

Der Einfluû des Iodatoms auf die Hydrogensulfat-bzw. Sulfatgruppe ist an den S±O-AbstaÈnden erkenn-bar. Die S±O-AbstaÈnde in der Sulfat bzw. Hydrogen-

M. Jansen, R. MuÈ ller

1082 Z. Anorg. Allg. Chem. 1999, 625, 1081±1085

Tabelle 1 Angaben zur Datensammlung und Struktur-bestimmung an HIS2O8

Raumgruppe P 21/cGitterkonstanten/pm(aus Pulverdaten)

a = 1172,0(2)b = 625,7(2)c = 956,0(2)b = 106,50(2)°

Zellvolumen/AÊ 3 672,2(3)Formeleinheiten 4roÈ ntgenographische Dichte (g/cm3) 3,162Diffraktometer Enraf-Nonius, Delft CAD4Strahlung/Monochromator Mo±Ka/GraphitKristallgroÈ ûe 0,8 ´ 0,1 ´ 0,1 mmMeûbereich 0 £ h £ 25°

h k l Bereiche±13 £ h £ 0±7 £ k £ 7±10 £ l £ 11

Reflexabtastung x/2 h-ScanMeûtemperatur 293 KScan-Breite 0,90° + /± 0,35° ´ tan hgemessene Reflexe 1152symmetrieunabhaÈngige Reflexe 1083verfeinerte Parameter 104linearer Absorptionskoeffizient 5,39 mm±1

Absorptionskorrektur numerischR1/wR2 0,037/0,103

Tabelle 2 Atomlagen und anisotrope Temperaturfaktorena)von HIS2O8

Atom x y z Ueq

I 0,83484(5) 0,91243(9) 0,75679(6) 0,0183(3)S1 0,8909(2) 0,3915(4) 0,8197(3) 0,0180(5)S2 0,6149(2) 0,9776(4) 0,8720(3) 0,0257(6)O1 0,6620(5) 0,9243(10) 0,7368(7) 0,0232(15)O2 0,8199(5) 0,2186(9) 0,7071(7) 0,0179(13)O3 0,8021(6) 0,5503(10) 0,8266(8) 0,0274(16)O4 0,9710(6) 0,4894(11) 0,7441(8) 0,0265(16)O5 0,9476(6) 0,2861(11) 0,9511(7) 0,0264(15)O6 0,4915(8) 0,9412(14) 0,8203(11) 0,0500(23)O7 0,6827(8) 0,8726(14) 0,9963(9) 0,0505(24)O8 0,6412(8) 1,2141(12) 0,8998(9) 0,0349(18)H 0,6006(85) 1,2880(162) 0,8350(104) 0,0122(252)

Atom U11 U22 U33 U23 U13 U12

I 0,0210(4) 0,0124(4) 0,0220(4) ±0,0031(2) 0,0074(2) ±0,0017(3)S1 0,0213(11) 0,0111(11) 0,0231(11) ±0,0012(9) 0,0086(9) ±0,0011(9)S2 0,0262(13) 0,0216(12) 0,0336(13) 0,0021(11) 0,0154(10) 0,0027(10)O1 0,0158(32) 0,0242(38) 0,0314(36) ±0,0024(30) 0,0095(279 ±0,0038(29)O2 0,0200(30) 0,0085(30) 0,0230(30) ±0,0006(26) 0,0025(24) ±0,0028(25)O3 0,0331(39) 0,0112(33) 0,0430(40) 0,0020(30) 0,0192(32) 0,0027(30)O4 0,0310(41) 0,0211(37) 0,0323(36) 0,0023(30) 0,0171(32) ±0,0034(31)O5 0,0372(38) 0,0159(34) 0,0220(31) ±0,0048(28) 0,0017(28) ±0,0038(30)O6 0,0314(43) 0,0449(54) 0,0763(62) ±0,0225(49) 0,0275(42) ±0,0133(41)O7 0,0691(60) 0,0503(55) 0,0363(45) 0,0249(41) 0,0218(42) 0,0324(48)O8 0,0443(45) 0,0236(41) 0,0339(40) ±0,0063(36) 0,0065(35) 0,0049(38)

a) Der anisotrope Temperaturfaktor hat die Formexp[±2p2 ´ (U11h2a*2 + U22k2b*2 + U33l2c*2 + 2 U23klb*c* + 2 U13hla*c* +2 U12hka*b*)]

Tabelle 3 Auswertung des Pulverdiffraktogramms vonHIS2O8 bis d > 290 pm, CuKa1-Strahlung, a = 1172,0(2) pm,b = 625,7(2) pm, c = 956,0(2) pm, b = 106,50(2)° a)

2 hobs/° dobs/pm Iobs h k l dcalc/pm

7,824 1129,04 100,0 1 0 0 1127,4715,710 563,65 20,3 2 0 0 563,7316,180 547,36 7,4 1 1 0 547,5017,124 517,39 4,6 0 1 1 517,5117,664 501,71 13,4 ±1 1 1 501,6719,310 459,29 83,9 0 0 2 459,3919,973 444,19 67,5 1 1 1 444,2121,185 419,04 5,0 2 1 0 419,0022,872 388,50 37,4 1 0 2 388,6723,153 375,78 32,9 3 0 0 375,8226,008 342,33 57,0 ±3 0 2 342,2926,989 330,11 5,0 1 1 2 330,2527,668 322,15 3,4 3 1 0 322,2628,484 313,11 10,9 0 2 0 313,1530,126 296,40 39,3 0 2 1 296,41

a) Weitere Daten in [16]

Tabelle 4 BindungsabstaÈnde/pm und winkel/° in HIS2O8

I S1 S2

O1 198,1(6) O2 158,5(6) O1 157,9(6)O2 197,0(6) O3 145,3(7) O6 140,9(9)O3 242,4(7) O4 147,2(7) O7 139,2(8)O4 232,8(6) O5 140,7(7) O8 151,9(8)

O6±H 183,8O8±H 81,0

I O1 O2 O3

O2 85,5(3)O3 79,9(3) 165,0(3)O4 164,9(3) 79,5(2) 115,2(2)

S1 O2 O3 O4

O3 104,7(4)O4 103,6(4) 107,6(4)O5 108,0(4) 116,3(4) 115,3(4)

S2 O1 O6 O8

O6 104,0(5)O7 110,6(4) 120,3(6) 105,8(6)O8 104,3(4) 110,9(5)

S2±O8±H 112,1(7)

Page 3: Synthese und Konstitution von HIS2O8

Synthese und Konstitution von HIS2O8

sulfatgruppe variieren deutlich, lassen sich aber in Ab-haÈngigkeit der kristallchemischen Funktion der betei-ligten Atome verstehen. Die kuÈ rzesten Bindungenvon 140 pm fuÈ hren zu terminalen O-Atomen, die laÈng-sten S±O-AbstaÈnde (158 pm) fuÈ hren zu den uÈ ber IodverbruÈ ckten O-Atomen, waÈhrend die AbstaÈnde zuden an H-BruÈ cken beteiligten zwischen diesen Grenz-werten liegen.

Schwingungsspektroskopische Untersuchungen

Abbildung 3 zeigt ein IR- und ein Raman-Spektrumvon HIS2O8. Beide sichern zweifelsfrei das Vor-handensein des Protons in der Verbindung. Die im

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Abb. 1 Struktur der dreikernigen Einheit I(SO4)(HSO4)[13]

Abb. 2 Blick auf ein HIS2O8-Band. Die BaÈnder sind uÈ ber WasserstoffbruÈ ckenbindungen zu Schichtpaketen verknuÈ pft [14]

Abb. 3 (oben) Infrarotspektrum von HIS2O8. AufloÈ sung2 cm±1, 200 scans; (unten) Ramanspektrum von HIS2O8.WellenlaÈnge des Erregerlichtes: 1064 nm, Laserleistung400 mW, AufloÈ sung 1 cm±1, 256 scans

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IR-Spektrum auftretende OH-Valenzschwingung liegtbei 2895 cm±1 und ist fuÈ r Hydrogensulfate charakteri-stisch [8, 11, 12]. Ebenso kann die Schwingung bei456 cm±1 im Ramanspektrum einer (HO±S±O)-Defor-mationsschwingung zugeordnet werden. Die in derTabelle 5 getroffenen Zuordnungen fuÈ r HIS2O8 stuÈ t-zen sich auf die schwingungsspektroskopischen Ana-lysen der Verbindungen I3O6HSO4 [8] und a-H6IO6HSO4 [11], die ebenfalls die Hydrogensulfat-Gruppe enthalten.

Die Lage der SO- und IO-Valenzschwingungen wei-chen nicht signifikant von den erwarteten Werten abund stehen somit im Einklang mit den Ergebnissender Einkristallstrukturanalyse von HIS2O8.

Experimentelles

Darstellung der Titelverbindung. Zur Darstellung vonHIS2O8 wurden 5 mmol IodsaÈure (purum p. A. > 99%,Fluka) in 100 mmol Oleum (purum p. A., Riedl-de-HaeÈn ca.20% SO3) unter Argon in einen Spitzkolben eingebracht. In-nerhalb einer Stunde wurde auf 210 °C erhitzt und die Reak-tionsmischung eine weitere halbe Stunde bei dieser Tempe-ratur geruÈ hrt. Zur Kristallisation wurde der Ansatz an-schlieûend im Verlaufe von 2 Stunden ruhig stehend auf

Raumtemperatur abgekuÈ hlt. Die farblosen Kristalle wurdendreimal mit frisch uÈ ber P4O10 destillierter TrifluoressigsaÈuregewaschen und im Vakuum getrocknet (Ausbeute ca. 70%bzgl. eingesetzter IodsaÈure).

RoÈntgenographische Untersuchungen. Von einem geeigne-ten Kristall wurde ein vollstaÈndiger Filmsatz aufgenommen.Die gefundenen Gitterkonstanten der monoklin kristallisie-renden Verbindung wurden mit Hilfe von Pulverdaten (Pul-verdiffraktometer Stadi P, Fa. STOE, Darmstadt) zu a =1172,0(2), b = 625,7(2), c = 956,0(2) pm und b = 106,50(2)verfeinert (Tab. 3).

Der Kristall wurde auf einem automatischen Vierkreisdif-fraktometer CAD4 (Enraf Nonius, Delft) vermessen. DurchInterpretation einer Patterson-Synthese lieûen sich die Iod-lagen und mit Hilfe der nachfolgenden Differenz-Fourier-Synthese [15] die Schwefel-, Sauerstoff- und Wasserstoffla-gen gewinnen. Alle Atomlagen wurden frei anisotrop (Was-serstoff: isotrop) verfeinert1).

Schwingungsspektroskopische Untersuchungen. Die Ra-manspektren wurden mit einem FT-Raman-SpektrometerRFS 100 der Fa. Bruker registriert. Die Probe war unter

M. Jansen, R. MuÈ ller

1084 Z. Anorg. Allg. Chem. 1999, 625, 1081±1085

Tabelle 5 Vergleich der Raman- und IR-Spektren ausgewaÈhlter Hydrogensulfate mit den Spektren von HIS2O8

HIS2O8

[diese Arbeit]a-H6IO6HSO4 [11] I3O6HSO4 [8] Zuordnung

Raman IR Raman Raman IR

103 s 106 w Gitterschwingung142 w 137 w Gitterschwingung162 w Gitterschwingung189 m Gitterschwingung205 m 214 dO±I±O240 w 240 dO±I±O

252 dO±I±O278 s 280 dO±I±O305 s 310 306 dO±I±O

325 330 dO±I±O333 s 338 dO±I±O360 s dO±I±O370 sh dO±I±O395 w dHO±S±O

433 w 432 410 d I±O456 w 455 w 449 m 442 dHO±S±O513 m dO±S±O

573 s 566 w 558 dO±S±O580 w 583 m 582 dO±S±O612 w 613 w 605 w 600 dHO±S±O633 vs 643 w m I±O

641 vs m I±O645 s 647 sh m I±O

669 m I=O681 w 695 m I=O

746 m 738 w 747 755 m I=O816 w 811 m I=O

828 829 m I=O851 m 845 848 m I=O

866 m I=O886 m 886 m mS±OH

899 w mS±OH937 w 917 mS±O

1000 w 1008 m 1009 mS±O1086 m 1069 s 1044 m mS±O1151 w 1170 s 1169 mS±O

1231 s 1200 mS±O1308 w 1293 s 1232 mS±O

2850 mO±HBruÈ cke

2895 m 2915 mO±HBruÈ cke

1) Weitere Einzelheiten zur Strukturbestimmung koÈ nnenbeim Fachinformationszentrum Karlsruhe, D-76344 Eggen-stein-Leopoldshafen, unter Angabe der Hinterlegungsnum-mer CSD-407853 angefordert werden.

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Synthese und Konstitution von HIS2O8

Argon als Schutzgas in einem Glasrohr (Durchmesser 1 mm)eingeschmolzen.

Die Aufnahme der IR-Spektren erfolgte mit dem FT-IR-GeraÈt 113v der Fa. Bruker. Die Substanz (1 mg) wurde mitKBr (500 mg) zu einem Preûling verarbeitet und vermessen.

Wir danken dem Fonds der Chemischen Industrie und derDeutschen Forschungsgemeinschaft fuÈ r die UnterstuÈ tzungdieser Arbeit.

Literatur

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