Tauler Predigt 47

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  • 8/9/2019 Tauler Predigt 47

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    Johannes Tauler Predigt 47

    Diese Predigt auf den zehnten Sonntag (nach Dreifaltigkeit) aus der Epistel nach demheiligen Paulus mahnt einen jeglichen Menschen, zu prfen, zu welchem Dienst er von Gott

    berufen sei, lehrt die Werke der Liebe zu tun, die Tugenden zu ben und auf unseren eigenenWillen Verzicht zu leisten.

    DER HEILIGE PAULUS SAGT in der heutigen Epistel: "Es gibt verschiedene mter,aber der Geist ist der gleiche, der alles zu Nutz und Frommen des Menschen wirkt.Es ist wiederum derselbe Geist, der alles in aIIen Dingen wirkt. Jeder Menschempfngt eine Offenbarung des Geistes zu seinem Nutzen und Gewinn. So wird einemdie Kunst der Rede (zur Erklrung des Glaubens) in demselben Geist (wie er in einemanderen wirkt) gegeben; und der heilige Paulus nennt viele unterschiedliche gaben,aber in allen wirkt 'ein Geist, und der Apostel spricht Viel zur Bewhrung desGlaubens.

    Vormals wirkte der Geist Gottes in seinen Freunden groe, wunderbare Dinge zurBewhrung des Glaubens: es geschahen groe Zeichen und mannigfaltigeProphezeiungen; Die Heiligen vergossen ihr Blut und erlitten den Tod. Dessen ist nunheute keine Not mehr; wisset aber, da leider der wahre, lebendige wirkliche Glaube inmanchen Christen so gering ist wie bei Heiden und Juden.

    Wir betrachten jetzt das Wort des heiligen Paulus: Es gibt vielerart Werke und

    Dienste, aber in allen wirkt ein und derselbe Geist. Meine Lieben, ihr seht schonuerlich, was ein Leib ist und wie derselbe Leib viele Glieder und Sinne besitzt, undjedes Glied hat seine besondere Aufgabe und seine besondere Ttigkeit, wie das Auge,das Ohr, der Mund, die Hand und der Fu, und keines nimmt sich heraus, das anderesein zu wollen oder anders zu sein, wie Gott ihm zugeordnet hat. So sind auch wir alleein Leib und Glieder untereinander, und Christus ist das Haupt dieses Leibes; und andiesem Leib sieht man einen groen Unterschied der Glieder. Das eine ist das Auge,ein anderes die Hand, ein drittes der Fu, weitere Mund oder Ohr. Die Augen desLeibes der heiligen Christenheit sind die Lehrmeister. Das geht euch nichts an. Aber

    wir gewhnlichen Christen sollen gut prfen, was unser Anteil sei, zu dem uns derHerr gerufen und eingeladen hat, und welches die Gnade sei, die der Herr uns zugeteilthat. Denn jeder Dienst und jede Ttigkeit, wie gering sie auch sei, sind allesamtGnaden, und derselbe Geist wirkt sie zu Nutz und Frommen der Menschen.

    Beginnen wir mit dem Geringsten: einer kann spinnen, ein anderer Schuhe machen, wieder andere verstehen sich gut auf andere solcher ueren Dinge und sind daringeschftig, und ein anderer kann das nicht. Und das sind alles Gnaden, die der GeistGottes wirkt.

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    Wisset, wre ich nicht Priester und lebte nicht in einem Orden, ich hielte es fr eingroes Ding, Schuhe machen zu knnen, und ich wollte es besser machen als aIIesandere und wollte gerne mein Brot mit meinen Hnden verdienen.

    Meine Lieben! Fu und Hand sollen nicht Auge sein wollen. Jeder soll den Dienst tun,zu dem ihn Gott bestellt hat, wie schlicht er auch sei; ein anderer knnte ihn vielleichtnicht tun. So soll auch jede unserer Schwestern die ihr zugewiesene Ttigkeit ausben.Die einen knnen gut singen, die sollen ihre Psalmen singen1. Alles dies kommt vonGottes Geist. Sankt Augustinus sprach: Gott ist ein einfrmiges, gttliches, einfaches Wesen und wirkt doch alle Vielfalt und alles in allen Dingen, einer in allem, alles ineinem. Es gibt keine noch so geringe Arbeit, keine noch so verachtete und bescheideneKunstfertigkeit: auch sie kommt ganz von Gott und ist ein Erweis seiner besonderenGnade. Und jeder soll fr seinen Nchsten das tun, was dieser nicht ebenso gut kann,

    und soll aus Liebe ihm Gnade um Gnade erweisen. Und wisse: welcher Mensch sichnicht bt, nichts gibt, nichts tut fr seinen Nchsten, mu davon Gott strenge

    Rechenschaft ablegen, wie denn das Evangelium sagt, da jeder fr seine Verwaltungverantwortlich sei und von ihr Rechenschaft geben msse: was er von Gott empfangenhat, das soll und mu ein jeglicher einem seiner Brder wiedergeben, so gut er nurkann und wie es ihm Gott gegeben hat.

    Woher kommt das nun, da so viel geklagt wird und jeder sich ber seine Arbeit beschwert, als sei sie ihm ein Hindernis (fr seine Heiligung)? Ist sie ihm doch von

    Gott gegeben, und Gott legt niemandem ein Hindernis in den Weg. Woher doch dasSchelten im Inneren so mancher Menschen? Kommt nicht die Arbeit von GottesGeist? Und doch lt man sie nicht gelten und erzeugt Unzufriedenheit! Wisse: nichtdie Arbeit lt dich unzufrieden werden, sondern die Unordnung, die du in deineArbeit trgst. Ttest du deine Arbeit, wie du sie nach Recht und Billigkeit tun solltest,httest du Gott lauter und allein im Sinn und nichts des Deinigen, liebtest oderfrchtetest du, weder Gefallen noch Mifallen und suchtest du (bei deiner Arbeit)weder (eigenen) Nutzen noch (eigene) Lust, sondern nur die Ehre Gottes und dientedeine Ttigkeit Gott allein, so knnte es nie zu Tadel oder Gewissenbissen kommen.

    Und ein geistlicher Mensch sollte sich wahrlich dessen schmen, seine Arbeit sounordentlich und so unlauter getan zu haben, da sie ihn nach seinen eigenen Worten beunruhigten. Denn (auf diese Weise) erfhrt man, da seine Werke nicht in Gottnoch in rechter, lauterer Meinung getan waren, noch aus wahrer, lauterer Liebe zuGott und dem Nchsten zu Nutz. Und daran, ob du zufrieden bleibst (bei deiner Arbeit) oder nicht, sollst du auch erkennen und soll erkannt werden, ob du nur imHinblick auf Gott gearbeitet hast.

    1Weitere Beispiele gibt Tauler nicht.

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    Unser Herr tadelte Martha nicht um ihrer Arbeit willen, denndie war heilig und gut,sondern weil sie (zuviel) Sorge darauf verwandte.

    Der Mensch soll gute, ntzliche Arbeit verrichten, wie sie ihm zufllt; die Sorge abersoll er Gott anheimstellen, und seine Arbeit gar behutsam und im stillen tun. Er soll beisich selbst bleiben, Gott in sich hereinziehen und oft in sich schauen mit in sich selbstgekehrtem Gemte!2 gar innig und andchtig; und immer soll er auf sich selbst achten(und auf das), was ihn zu seiner Arbeit treibt und ihn ihr geneigt macht. Auch soll derMensch gar innerlich darauf achten, wann ihn der Geist Gottes zum Ruhen oder zum Wirken treibt, da er jedem Antrieb folge und gem der Weisung des HeiligenGeistes handle: jetzt ruhen, jetzt wirken, und da er dann seine Arbeit voll guten Willens und in Friede vornehme. Wo ein alter, schwacher, behinderter Mensch ist,dem sollte man (noch ehe er darum bittet) entgegenkommen; einer sollte dem

    anderen die Gelegenheit, ein Werk der Liebe zu tun, streitig machen und ein jeder desanderen Last tragen. Und tust du das nicht, sei gewi, Gott wird dir nehmen (was duhast3) und es einem anderen geben, der sich seiner gut bedient; und dich wird er anTugend leer und ledig lassen und ebenso an Gnade. Und erfhrst du in deiner Arbeiteine innere Berhrung, so gib auf sie in deiner Arbeit recht acht, und lerne so Gott indeine Arbeit tragen und entziehe dich nicht allsogleich jener Berhrung. So, ihrLieben, soll man lernen, sich in Tugenden zu ben. Denn ben mut du dich, willst duein Meister werden. Doch erwarte nicht, da Gott dir die Tugenden eingiee ohnedeine Mitarbeit. Man soll nie glauben, da Vater, Sohn und Heiliger Geist in einen

    Menschen einstrmen, der sich der Tugendbung nicht befleiigt. Man soll vonsolchen Tugenden auch nichts halten, solange der Mensch sie nicht durch innere oderuere bung erlangt hat.

    Ein wackerer Mann war gerade beim Dreschen seines Korns, als er in Verzckunggeriet. Htte sein Engel nicht den Dreschflegel gehalten, er htte sich selbstgeschlagen. Ihr freilich mchtet am liebsten (von jeder Arbeit) frei sein (um derBetrachtung willen, wie ihr sagt)4. Das sieht sehr nach Faulheit aus: ein jeder will Augesein; alle wollen betrachten und nicht arbeiten.

    Ich kenne einen der allerhchsten Freunde Gottes: der ist ,,all seine Tage einAckersmann gewesen, mehr denn vierzig Jahre, und ist es heute noch. Der fragte einstunseren Herrn, ob er sein Arbeit drangeben und zur Kirche gehen solle.

    2Beispiel fr das "Niederbeugen des Gemtes in den Grund". Vgl. Wyser, n. a. O. S. 234.

    3Zweckmige Einfgung nam Corin, Sermons, S.295 zu Vetter 179,5.

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    Die Einfgung in der Klammer zu Vetter 179,18 nach Corin, Sermons H,296 und Anm. 2 dient der Verdeutlichung der knappen Ausdrucksweise Taulers.

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    Da sprach dieser: Nein, das solle er nicht tun; er solle im Schwei seines Angesicht seinBrot gewinnen, zu Ehren des kostbaren Blutes des Herrn.

    Der Mensch soll sich bei Tag oder in der Nacht eine Zeitspann nehmen, in der er sichin seinen Grund senken kann, jeder nach seiner Weise. Die edlen Menschen, die inLauterkeit ohne Bilder und Formen sich in Gott versenken knnen, mgen es auf ihre Weise tun. Die anderen mgen, ein jeder auf seine Art, eine gute Stunde auf diesebung verwenden, denn wir knnen nicht alle Auge sein (nicht alle der, Beschauungobliegen).

    Dann sollen sie sich der Tugendbungen befleiigen, wie Gott sie ihnen bestimmt hat,und dies in groer Liebe, in Frieden und Gte, gem dem Willen Gottes. Wer Gottdient nach Gottes Willen, dem wird Gott antworten nach des Menschen Willen. Weraber Gott dient nach seinem eigenen, menschlichen Willen, dem wird Gott nicht

    antworten nach des Menschen, sondern nach seinem, nach Gottes Willen.

    Von diesem Verzicht auf den eigenen Willen entsteht und geht aus wesentlicherFriede, der aus der Tugendbung erworben wird. Seid dessen gewi: jeder Friede, dernicht aus der bung der Tugend kommt, ist trgerisch; der will im Innern undueren gebt werden; der Frieden, der von innen kommt, den kann euch niemandnehmen.

    Da kommen nun die eingebildeten Leute mit ihrer dnkelhaften Art: es sollte (sagen

    sie) dies so oder so sein; und sie wollen einen jeden nach ihrem Kopf beurteilen, nachihren Sinnen, auf ihre Weise. Vierzig Jahre haben sie in geistlichemGewand gelebtund wissen heute noch nicht, woran sie sind.

    Die sind viel khner als ich. Ich bin zum Lehren bestimmt; aber wenn ich diese Leutehre, frage ich, wie ihnen sei und wie sie dazu gekommen sind. Doch selbst dann wageich kein Urteil ber sie und wende mich an unsern Herrn; und erhalte ich es nicht vonihm, so sage ich: "Liebe Leute, wendet euch selbst an unseren Herrn; er wird es euchgeben." Ihr aber wollt einem jeden seinen Platz anweisen und jeden nach euerer Artund eurem Gutdnken beurteilen.

    Da kommen denn die Wrmer und fressen das gute Krutlein auf, das in GottesGarten wachsen sollte. Jene sagen dann: "Das pflegten wir so nicht zu machen; das isteine neue Art und sieht nach Neuerung aus." Und sie vergessen dabei, da ihnen die verborgenen Wege Gottes unbekannt sind. Ach, was Wunders wird man sehenhernach bei denen, die sich jetzt in Sicherheit wiegen!

    Sankt Paulus sagt: "Der Geist wirkt und verleiht die Gabe der Unterscheidung derGeister. Wer, glaubt ihr wohl, seien die Leute, denen Gott diese Gabe verleiht? Wisset:

    die Leute, denen diese zuteil wird, die sind durch und durch gebt auf jegliche Weise,

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    derart, da es ihnen durch Fleisch und Blut gegangen ist; sie haben die schrecklichstenund schwersten Versuchungen ausgehalten, der bse Feind ist durch sie gefahren undsie hinwiederum durch ihn; und so ging diese (ihre) bung (ihnen) durch Mark undBein. Diese Leute besitzen die Gabe der Unterscheidung der Geister.

    Wenn sie sich dieser Gabe bedienen wollen und sie die Leute anschauen, so erkennensie sogleich, ob ihr Geist von Gott ist oder nicht, welches fr sie die nchsten Wege(zur Heiligung) sind und was sie am Voranschreiten hindert.

    Ach, wie bringen wir uns selbst in so schdlicher Weise um die edle, hchste Wahrheit,und das um so nichtiger Dinge willen. Und immer und ewig sind wir dann jenerhchsten Wahrheit beraubt, solange Gottes Ewigkeit whrt. Was wir jetzt versumen,das wird uns nie mehr zuteil.

    Da wir alle in Wahrheit Dienst und Arbeit, die Gottes Geist uns gegeben und gelehrthat, so verrichten, ein jeder wie Gottes Geist es ihm eingegeben hat, dazu helfe unsGott.

    AM E N.