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Die Entwicklung des neuen New Holland Feldhäckslers dauerte zehn Jahre. Das ist eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass der alte Häcksler zwar eine bewährte Maschine war, aber nicht mehr mit dem neuesten Stand der Tech- nik mithalten konnte. Aus diesem Grund gab es in dieser Zeit auch im- mer wieder Gerüchte, denen zufolge New Holland die Häckslerproduktion schon bald einstellen würde. Allen Un- kenrufen zum Trotz präsentiert New Holland nun zur französischen Messe SIMA einen neuen Feldhäcksler. Er trägt die Bezeichnung FR und ist von vorne bis hinten neu konstruiert. Wer zuletzt lacht… Wenn sich der Markt so schnell ent- wickelt und das Konzept des alten Häckslers schon längst überholt ist, ist die Versuchung groß, das Entwick- lungsprogramm anzupassen und schnell mit einer neuen Maschine auf den Markt zu kommen. Nicht so bei New Holland! Dort durfte der neue Häcksler keine Zusammenstellung al- ter Ideen in einem neuen Kleid wer- den. Das neue Metalldetektorsystem MetaLoc ist nur ein Beispiel dafür. Die- se Vorgehensweise benötigt natürlich mehr Zeit, bringt aber einen großen Vorsprung gegenüber den Mitbewer- bern. Das FR-Konzept ist so ausgelegt, dass man in den folgenden Jahren noch wei- ter darauf aufbauen kann. So wurde die Maschine mit viel mehr PS getestet als sie schlussendlich freigegeben wur- de. Das Getriebe inklusive Zwischen- getriebe zwischen Motor und Pumpen ist so konzipiert, dass sich der FR auch später mit einem Bunker ausstatten lässt: Der Antrieb der Zusatzhydraulik ist schon vorbereitet. Ideen aus aller Welt Im Juni 1998 führte New Holland die ersten Kundenbefragungen zu einem neuen Häcksler durch. In den vier wich- tigsten Märkten – sie repräsentieren mehr als 70 % der verkauften Feld- häcksler – Frankreich, Deutschland, die Viel wurde gemunkelt, gerätselt, oft sogar todge- sagt. Aber Todgesagte le- ben bekanntlich länger: Was New Holland uns beim Exklusivbesuch in der Entwicklungsabtei- lung des Feldhäckslers vor der Erstpräsentation auf der SIMA gezeigt hat, verblüfft. 2 DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT • www.landwirt.com Heft 5 / 2007 TECHNIK Wie Phönix aus der Asche Von Peter MENTEN (BE), Stephan SCHMIDLIN (CH) und Johannes PAAR (A) Ein neuer stufenloser Fahrhebel und der bekannte ISOBUS-Terminal sind zentra- le Bedienelemente des neuen FR.

TECHNIK Wie Phönix aus der Asche · eines John Deere, eines Claas oder ei-nes New Holland-Häckslers mit dabei. Im Dezember desselben Jahres fand ein zweitägiges Brainstorming mit

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Die Entwicklung des neuen NewHolland Feldhäckslers dauerte zehnJahre. Das ist eine lange Zeit, wenn manbedenkt, dass der alte Häcksler zwareine bewährte Maschine war, aber nichtmehr mit dem neuesten Stand der Tech-nik mithalten konnte. Aus diesemGrund gab es in dieser Zeit auch im-mer wieder Gerüchte, denen zufolgeNew Holland die Häckslerproduktionschon bald einstellen würde. Allen Un-kenrufen zum Trotz präsentiert NewHolland nun zur französischen MesseSIMA einen neuen Feldhäcksler. Er trägtdie Bezeichnung FR und ist von vornebis hinten neu konstruiert.

Wer zuletzt lacht…

Wenn sich der Markt so schnell ent-wickelt und das Konzept des altenHäckslers schon längst überholt ist, istdie Versuchung groß, das Entwick-lungsprogramm anzupassen undschnell mit einer neuen Maschine aufden Markt zu kommen. Nicht so beiNew Holland! Dort durfte der neueHäcksler keine Zusammenstellung al-ter Ideen in einem neuen Kleid wer-den. Das neue MetalldetektorsystemMetaLoc ist nur ein Beispiel dafür. Die-

se Vorgehensweise benötigt natürlichmehr Zeit, bringt aber einen großenVorsprung gegenüber den Mitbewer-bern.

Das FR-Konzept ist so ausgelegt, dassman in den folgenden Jahren noch wei-ter darauf aufbauen kann. So wurdedie Maschine mit viel mehr PS getestetals sie schlussendlich freigegeben wur-de. Das Getriebe inklusive Zwischen-getriebe zwischen Motor und Pumpen

ist so konzipiert, dass sich der FR auchspäter mit einem Bunker ausstattenlässt: Der Antrieb der Zusatzhydraulikist schon vorbereitet.

Ideen aus aller Welt

Im Juni 1998 führte New Holland dieersten Kundenbefragungen zu einemneuen Häcksler durch. In den vier wich-tigsten Märkten – sie repräsentierenmehr als 70 % der verkauften Feld-häcksler – Frankreich, Deutschland, die

Viel wurde gemunkelt,gerätselt, oft sogar todge-sagt. Aber Todgesagte le-ben bekanntlich länger:Was New Holland unsbeim Exklusivbesuch inder Entwicklungsabtei-lung des Feldhäckslersvor der Erstpräsentationauf der SIMA gezeigthat, verblüfft.

2 DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT • www.landwirt.com Heft 5 / 2007

TECHNIK

Wie Phönix aus der AscheVon Peter MENTEN (BE), Stephan SCHMIDLIN (CH) und Johannes PAAR (A)

Ein neuer stufenloser Fahrhebel und derbekannte ISOBUS-Terminal sind zentra-

le Bedienelemente des neuen FR.

Benelux-Länder und Nord-Amerika, ak-tivierte man viel Gehirnschmalz für dieEntwicklung eines neuen Häckslerkon-zepts. Daneben befragte man auch Kun-den, die ein anderes Fabrikat fahren.Bei dieser Umfrage waren 70 Besitzereines John Deere, eines Claas oder ei-nes New Holland-Häckslers mit dabei.Im Dezember desselben Jahres fand einzweitägiges Brainstorming mit 45 Ex-perten und allen amerikanischen undeuropäischen Entwicklern, die zwischen1960 und 1998 jemals bei einer Häcks-lerentwicklung dabeiwaren, statt. ImJuni 1999 wurde ein erster Vorschlagausgearbeitet und als großer Entwurfvorgestellt. Ende 1999 wurden auchEngland und Irland bei der Konzepte-valuation einbezogen, so dass mehr als80 % des Weltmarktes in die Entwick-lung involviert waren.

Im Jahr 2000 bauten die Entwicklereinen stationären Prüfstand mit demkompletten Innenleben eines Häckslers.Alle Durchflussorgane wurden an derSeite mit Plexiglas abgedeckt, um denGutfluss beobachten zu können. EinJahr später wurde dieses perfektionier-te Innenwerk in den Rahmen eines FXeingebaut und durchlief die ersten Feld-tests. Inzwischen baute man im belgi-schen Werk Zedelgem einen Prüfstand,um die Lebensdauer des Konzeptes undder ganzen Antriebslinie zu testen. Da-bei wurde mit einem Elektromotor mit1000 PS ein simulierter Häcksler ange-trieben, um allfällige Schwachstellenausfindig zu machen. 2003 wurden 30Kunden aus den vier wichtigsten

Häckslermärkten zu einem Kabinenver-gleich eingeladen.

Der erste Prototyp, der 2003 in derPraxis eingesetzt wurde, hat inzwischenmehr als 4.000 Betriebsstunden auf demZähler. 2006 wurden die Feldtests ab-geschlossen, gleichzeitig startete dieVorserienfertigung in Zedelgem. Für2007 ist die Produktion einiger Maschi-nen für die Gras- und Maisernte ge-plant. Für 2008 ist eine Serienproduk-tion von 400 Stück in Planung – eineStückzahl, die man ab 2009 nach Be-darf erhöhen kann.

Was bietet der neue FR?

Der neue FR von New Holland be-sitzt einen in Längsrichtung eingebau-ten Motor. New Holland hat sich fürdiese Lösung entschieden, weil ein

Häcksler mit diesem Konzept eine bes-sere Gewichtsverteilung hat und mankeine Gegengewichte anzuhängenbraucht. Weil der Motor tiefer einge-baut ist, liegt der Schwerpunkt der Ma-schine niedriger. Dadurch müssen kei-

ne breiten Motorhauben und Flügel ge-baut werden. Das verbessert die Sichtauf die Maschine. Die Leistung des Mo-tors wird über ein Getriebe auf eineKeilriemenscheibe zur Tommel weiter-geleitet. Die Pumpen für den Antriebvon Vorsatzgerät und Einzugwalzen sit-zen am Getriebe. Abhängig von der ge-wünschten Leistung der Vorsatzgerätehat der Kunde die Option, auch zweiPumpen einzusetzen. In diesem Falltreibt die eine die Einzugswalzen anund die zweite wird ausschließlich fürdas Vorsatzgerät verwendet. Beim FRkann die Geschwindigkeit der Einzug-walzen und des Vorsatzgerätes stufen-los geregelt werden. Bei einem rein me-chanischen Antrieb ist diese genaue Re-gelung nicht möglich.

Groß dimensionierte Häckslertrommel in V-Form

Die V-förmige Häckslertrommel wirdelektrohydraulisch über einen Nieder-druckkreis eingeschaltet. Über Senso-ren wird die Drehzahl zwischen denverschiedenen Wellen verglichen. Wennes Rutsch geben sollte, wird die Kupp-lung nicht ein- oder selbsttätig ausge-schaltet. Mit einer Breite von 885 mmund einem Durchmesser von 710 mmist das die derzeit größte geschlosseneHäckseltrommel am Markt. New Hol-land hat sich für eine V-Trommel ent-schieden, weil auch das Gebläse nachdem inline-Konzept aufgebaut ist. DerGutfluss wird zur Mitte gezwungen,

um zentral in das Gebläse zu fließen.New Holland liefert diese Trommel indrei Ausführungen: 2 x 8, 2 x 12 oder2 x 16 Messer. Diese letzte Ausführungist die Biogasvariante, die erste wirdzB für Luzerne eingesetzt.

Heft 5 / 2007 DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT • www.landwirt.com 3

TECHNIK

Typ/Daten FR 9040 FR 9050 FR 9060 FR 9080 FR 9090Max. Motorleistung (bei 2.000 U/min) 312 kW/424 PS 368 kW/500 PS 424 kW/576 PS 504 kW/685 PS 606 kW/824 PSTyp Iveco Cursor 10 Iveco Cursor 13 Iveco Cursor 13 TCD CAT Acert C 18 Iveco Vector V8Hubraum 10,3 Liter 12,88 Liter 12,88 Liter 18,10 Liter 20,07 LiterZylinder 6 6 6 V 8 V 8Turbo / Intercooler Ja Ja Ja, plus TCD Ja JaEinspritzsystem Pumpe-Düse Pumpe-Düse Pumpe-Düse ACERT Common Rail

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Ende März erfolgt dieUmstellung von derFX-Fertigung auf dieneue FR-Fertigung.

Für die Graserntebietet New HollandPick-ups von 3 bis 5,2 Meter.F

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TECHNIK

VariFlow – höhere Beschleunigung im Gras

Mit VariFlow wird beim Umschaltenvon Mais auf Gras der Rahmen vomGebläse über ein originelles und den-noch einfaches Lenksystem näher zurHäckseltrommel gebracht. Dabei wirdder Abstand zwischen Trommel undGebläse um 60 % verringert. Messun-gen haben gezeigt, dass diese Maßnah-me nicht nur die Beschleunigung er-höht, sondern auch den Kraftbedarf re-duziert. Bei einer Leistung von 100 Ton-nen pro Stunde wurde eine Leistungs-einsparung von bis zu 30 kW/41 PS ge-messen.

Der Auswurfbogen ist 330 mm breitund kann an der oberen Seite geöffnetwerden. Auf diese Weise lassen sich Ver-schleißbleche schnell ersetzen und even-tuelle Verstopfungen rasch beheben.

Mit schönem Dächlein

Die Kabine auf dem neuen FR istkomplett neu. Es gibt keine Säule mehr,dafür aber möglichst viel Glas. Ob derAuswurfbogen jetzt links oder rechts

neben der Maschine steht, ob ein gro-ßer oder kleiner Fahrer auf dem Sesselsitzt – die Übersicht bleibt unter allenBedingungen top.

Der Dashboard und der IntelliView-Monitor sind ähnlich wie beim Mäh-drescher, obwohl es hier natürlich an-dere Funktionen gibt. So kann der Fah-rer für den Auswurfbogen verschiede-ne Positionen einprogrammieren undes steht auch eine automatische Mitten-position zur Verfügung. Es gibt keineSpielerei mehr mit dem Drehen desAuswurfturms bei Grassilage. EinKnopfdruck beim Wenden auf dem Vor-gewende, und der Turm stellt sich au-tomatisch auf die gewünschte Positionein.

Auch der Fahrhebel, bei dem Nach-vorne-drücken auch Vorwärts bedeutetund beim Rückwärtsziehen die Maschi-

ne rückwärts fährt, hat andere Funk-tionen erhalten.

Man kann es am besten vergleichenmit dem Fahrhebel bei einem stufenlo-sen Traktor: Zuerst muss die Fahrrich-tung mit einem Druckknopf unter demHebel bestätigt werden. Drückt manihn dann nach vorne, fährt die Maschi-ne vorwärts. Will man beschleunigen,muss man ihn länger vorwärts drücken,beim Verzögern zieht man ihn einfachnach hinten. Zum Rückwärtsfahren istder Bedienungsvorgang gleich und ein-fach nur in die entgegengesetzte Rich-tung auszuführen.

New Holland hat auch, wie die Bau-maschinenhersteller, eingesehen, dasseine Maschine nicht immer auf Voll-last drehen muss. Geht man davon aus,dass ein Feldhäcksler einen großen Teilder Betriebsstunden auf der Straßefährt, wird einem schnell bewusst, dasses hier noch ein großes Sparpotenzialgibt. Im Road-stand beschleunigt dieMaschine umso mehr, je stärker man

den Fahrhebel nach vorne drückt. Da-bei steigt auch die Drehzahl des Mo-tors an. Muss man zum Beispiel bei ei-ner roten Ampel anhalten, fällt dieDrehzahl am Motor automatisch auf800 U/min zurück. Fährt man wiederweiter, drückt man den Hebel wiedernach vorne, die Maschine fährt lang-sam los und die Drehzahl geht wiederhoch. Weiters hat man noch den Power-Cruise. Im Straßenmodus kann man biszu 20 % Sprit sparen, da die Drehzahldes Motors bei 40 km/h lastabhängigbis auf 1.700 Umdrehungen zurückfal-len kann. Im Feldmodus regelt derPower-Cruise die Leistung der Maschi-ne automatisch an der Maximumleis-tung des Motors. Mit dem Power-Crui-se muss der Fahrer nicht mehr die Leis-tungsgrenze der Maschine selbst aus-loten. Über Sensoren wird die Belastunggemessen, und wenn der Motor übergenügend Leistungsreserven verfügt,wird die Geschwindigkeit automatischerhöht. Bei zu wenig Leistungsreservewird die Geschwindigkeit selbstver-ständlich reduziert.

Bodenfreiheit und große Räder

Bodenfreiheit war schon immer einProblem von Feldhäckslern. Durch das„intelligente“ Getriebe konnte die Bo-denfreiheit bei Rädern der Dimension800/65 R32 auf 56 cm erhöht werden.Das sind 8 cm mehr, als der Klassenbes-te zurzeit hat. Weiters sind für die Vor-derachse die Dimensionen 800/75 R32

und 710/75 R42 verfügbar. Mit demLenkwinkel von 55° hat der FR in ei-nen Wendekreis von 12,2 Metern.

In den vergangenen Jahren war esder Big X von Krone, der Bewegung inden Häckslermarkt gebracht hat. Mitdem Auftritt des FR von New Hollandwerden die Karten mit Sicherheit neugemischt. ■

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Das neue Konzept wurde mitelektrischen Generatoren bis1000 PS getestet.

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Der breiteste Auswurf aufdem Markt lässt sich für einen raschen Wechsel von Verschleißblechen oben einfach öffnen.

Schema des neuenHäckslerkonzeptes.