ter DEUTSCH-ÄTHIOPISCHER VEREIN E.V. GERMAN · PDF fileIbn Taymiyya steht für eine wörtliche Lesart des oKrans, Ibn Arabi für eine mystisch-esoterische Lesart. Aus der Sicht Ibn

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  • DEUTSCH-THIOPISCHER VEREIN E.V. GERMAN ETHIOPIAN ASSOCIATION www.deutsch-aethiopischer-verein.de

    Islam in thiopien

    Infoblatt November 2006 Seite 1 Deutsch-thiopischer Verein e.V.

    Ausgabe November 2006 In

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    Verstrkte Spannungen zwischen Christen und Muslimen in thiopien.

    Droht ein Heiliger Krieg? Thomas Zitelmann Erlebt thiopien neben chronischen ethno-nationalen Konflikten und einem politischen Konflikt um den Aus-gang der Wahlen von 2005, nun auch eine sich zuspit-zende Konfrontation zwischen Christen und Muslimen? Da ist eine Ereigniskette der letzten Monate, die in den Augen vieler Beobachter eine besorgniserregende Ten-denz der Ausweitung religiser Konflikte enthlt. Zustz-lich hat das lodernde Spannungsverhltnis zwischen thiopien und Eritrea in Sdsomalia einen Nebenkriegs-schauplatz gefunden. Eritreische Regierung hat der thiopischen Regierung lange vorgehalten, die bewaff-neten Aktionen des islamistischen Eritreischen Jihad logistisch zu untersttzen. Eritrea hat nun im Rahmen eigener Regionalpolitik die Islamischen Gerichtshfe in Sdsomalia militrisch und logistisch ausgerstet, die sich darauf gegen skulare Kriegsherren und die von thiopien untersttzte bergangsregierung durchgesetzt haben. Aus der Sicht der thiopischen Regierung stellen die Islamischen Gerichtshfe in Mogadischu eine regi-onale Variante von islamistischen Terrorismus auf der Achse des Bsen dar. Auf die andauernde Unterstt-zung thiopiens fr die Reste der (sd)somalischen bergangsregierung haben die Islamischen Gerichtsh-fe Anfang Oktober mit der Ausrufung des Heiligen Krieges (Jihad) gegen thiopien reagiert. Besonders in Kreisen evangelikal-fundamentalistischer Horn-von-Afrika-Beobachter flieen islamistischer Terrorismus, Heiliger Krieg am Rand und islamische Tendenzen im Inneren zu einer grundstzlichen Bedrohung des christ-lichen thiopien zusammen.

    Negashi reloaded Tradition und Vernderung bei thiopischen Muslimen

    thiopien gilt als christlicher Staat mit einer substantiel-len muslimischen Minderheit. Die offizielle Statistik spricht von 40% Muslimen, 50% thiopisch-orthodoxen Christen, und 10% anderen, zusammengesetzt aus Protestanten, wenigen Katholiken, heute nur noch sehr wenigen Juden und Anhngern traditioneller Religio-nen. Mglicherweise hat thiopien bereits demogra-phisch eine muslimische Mehrheit, aber dies schlgt sich nicht in der ffentlichen Wahrnehmung nieder.

    Der thiopische Islam hat unter Muslimen einen beson-deren Symbolwert. In den Jahren A. D. 615-616 flohen hunderte von frhen Anhngern des Propheten Mo-hammed aus Mekka in das bereits christianisierte Reich von Aksum, auf der anderen Seite des Roten Meeres. Der christliche Knig nahm die Flchtlinge freundlich auf. Er erkannte hnlichkeiten zwischen seinem und ihrem Glauben. Der berlieferung nach war der Ort Negashi (abgeleitet von najashi = Herrscher) in Nord-Tigray die Asylsttte der Flchtlinge. In den 1990ger Jahren wurde die Moschee von Negashi zu einem Wall-fahrtszentrum ausgebaut, in der die Erinnerung an eine frhe Phase islamisch-christlicher Kontakte gepflegt wird. Negashi ist heute nicht nur ein Wallfahrtsort, in einer ansonsten durch alte christliche Kirchen geprgten Landschaft in Tigray. Es ist auch der Name eines Weblogs (http://blog.ethiopianmuslims.net/negashi/), das die jngsten Konflikte aus einer islamischen Perspektive ffentlich macht. Eine derartige ffentlichkeit fordert die offiziellen Reprsentanten des thiopischen Islams, wie den Hohen Islamischen Rat, heraus, dessen Mitgliedern zu enge Bindungen an die EPRDF nachgesagt wird. Die politische Demokratisierungsfrage, die das ganze Land betrifft, betrifft auch das interne Leben der Muslime thiopiens. Negashi reloaded, das ist die Transformation der Erinnerung an eine historische Asylsttte in ein Weblog, das mit einem islamischen Fokus die latente und offene Gewalt spiegelt, die die gegenwrtigen Transformationsprozesse in thiopien begleitet. In der politischen Theologie des Islams hat die Episode von Negashi nachhaltige Spuren hinterlassen. Gegen ein Land, das flchtenden Anhngern des Propheten Mohammed in der Grndungsphase des Glaubens ge-holfen hat, als der Erfolg des Islams alles andere als

    Inhalt:

    Verstrkte Spannungen zwischen Christen und Muslimen in thiopien. Droht ein Heiliger Krieg? ........................... 1

    Islam in thiopien............................................................... 4 News about Christian-Muslim Relations ............................. 5 Aktivitten von thiopien-Initiativen ................................... 8 Links ................................................................................ 12 Bcher ............................................................................. 13 deutsch-thiopische Zusammenarbeit............................. 17 Verschiedenes ................................................................. 18 Ehrungen ......................................................................... 20 Termine ........................................................................... 20 Nachrichten...................................................................... 20

  • Islam in thiopien Verstrkte Spannungen zwischen Christen und Muslimen in thiopien. Droht ein Heiliger Krieg?

    Deutsch-thiopischer Verein e.V. Seite 2 Infoblatt November 2006

    sicher war, darf kein heiliger Krieg als Angriffskrieg gefhrt werden. Lasst die thiopier in Ruhe, solange sie nicht selber angreifen dieser Satz wird dem Propheten zugeschrieben. Natrlich hat es zwischen christlichem Reich und islamischen Nachbarn immer wieder Kriege gegeben. Auch das christliche Reich war aggressiv. Der heilige Krieg des Imam Ahmed Granj (gest. 1540), der von Harar aus ein islamisches Reich im Tiefland be-herrschte, hat Kirchen auf dem Hochland verwstet und zu einer portugiesischen Intervention zu Gunsten des christlichen Reiches beigetragen. Aber dieser Krieg fand in der islamischen Welt keine grere Untersttzung. Anders als in Westafrika hat der thiopische Islam im 18. und 19. Jahrhundert keine Tradition der heiligen Kriege entwickelt, die der ueren Ausdehnung und der inneren Festigung der Religion dienten. Dafr war im thiopi-schen Raum die friedliche Verbreitung sufistischer Bru-derschaften zustndig. Islam in thiopien, das suggeriert historisch weniger text-orientierten Fundamentalismus, als mystisch ange-hauchte Volksreligion. Harar ist die Stadt der 100 Heili-gen. Die US-Botschaft hat, nach eigenen Angaben, im Dezember 2005 $ 26,500 zur Renovierung des volks-islamischen Schreines von Scheek Husseen in Bale (Oromiya Region) gespendet, wohl in der Hoffnung darber fundamentalistische Strmungen aus Saudi Arabien (Wahabiten-Salafiten) entgegenzuwirken. Fach-leute haben lngst mit dem Mythos aufgerumt, dass schriftlicher Islam und Sufi-Mystik ein Widerspruch sein mssen. Die innerislamischen Konflikte, die sich aus widersprchlichen Lesarten des Korans ergeben, sind historisch auch an thiopien nicht vorbeigegangen, und sie wiederholen sich heute im neuen Gewande. Histo-risch war im text-orientierten thiopischen Islam die esoterische Koran-Lesart des Mystikers Ibn Arabi wichti-ger als die seines scharfen Kritikers Ibn Taymiyya, der als ein Ahnherr des modernen islamischen Fundamenta-lismus gilt. Ibn Taymiyya steht fr eine wrtliche Lesart

    des Korans, Ibn Arabi fr eine mystisch-esoterische Lesart. Aus der Sicht Ibn Arabis waren viele Verhaltens-weisen, auch im Umgang mit anderen Religionen, er-laubt, die Ibn Taymiyya ablehnte. Die Renovierung eines volks-islamischen Schreines wird wenig dazu beitragen, die heutige Durchsetzung der einen oder anderen Lesart zu untersttzen oder zu verhindern. Da geht es um an-dere Dinge, als um die sthetik wunderwirkender Heili-gengrber. Generationskonflikte unter Muslimen, private Lesarten des Korans gegenber ffentlicher Auslegung, die Gestaltung eines ffentlichen Raumes fr religise Debatten und deren Verbindung mit politischer Demo-kratisierung sowie Chancen der allgemeinen Integration in das gesellschaftliche Leben sind weitaus wichtiger. Damit hnelt sich die thiopische Problemlage zuneh-mend Entwicklungen in Kenia oder auch in pluralen Gesellschaften Westafrikas. Viele Konflikte der letzten Monate lassen auch nicht den Schlu zu, da die Frage, was thiopische Muslime im Innersten in ihrem Glauben bewegt, eine zentrale Rolle spielt. Die Dokumentation der jngsten Gewalteskalationen im Weblog von Ne-gashi zeigt die Verflechtungen von religisen und ande-ren Konflikten.

    Eine Chronik der jngsten muslimisch-christlichen Konfrontationen

    Internationale Aufmerksamkeit hat der polizeiliche Abri einer Moschee im Zentrum von Addis Ababa im Juli dieses Jahres erregt, aber dieser Vorfall gliedert sich in eine Kette von Ereignissen ein, die von Woche zu Wo-che ergnzt werden knnen. Im April fhlt sich in Kamissie, der Hauptstadt der Oromo Enklave in Wollo/ Amhara Region, ein Tter bemigt Muslime mit einer Mohammed-Karikatur zu provozieren, offensichtlich als Trittbrettfahrer der anti-muslimischen dnischen Karikaturen-Polemik. Es kommt in Kamissie zu Unruhen mit schwerem Sachschaden. Im Mai wird ein weiterer Trittbrettfahrer, diesmal offen-sichtlich durch US-amerikanische Praxis des Umganges mit dem Koran im Gefangenenlager von Guantamo und dem irakischen Gefngnis Abu Ghuraib angeregt, an der Universitt von Awassa (Hauptstadt der Sdregion) aktiv. Ein christlicher Student entweiht einen Koran. Der Vorfall wird heftig diskutiert, aber nie im Detail ausge-fhrt. Anfang Juli wird der inhaftierte Student auf richter-lichen Beschlu entlassen. In der Folge setzen administ-rative Schikanen gegen muslimische Studenten an der Universitt von Awassa ein, u.a. ein Hejab (Schleier)-Verbot fr Studentinnen beim Betreten der Einrichtungen der Unive