Teresa Von Avila-Die Innere Burg

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    Teresa von Avila

    Die innere Burg

    Herausgegeben undbersetzt von

    Fritz Vogelsang

    EINFHRUNG

    Teresas Werk ist das Wasser, das aus dem Fels geschlagen wurde. Die Erfahrungdes Unsagbaren ist darin literarische Kunst geworden. Unterm Zwang desGehorsams beschrieb sie den Weg letzter Freiheit. Die Ruhe, die sie erstrebte,wurde zur Mitte historischer Bewegung. Die Mngel ihrer Person so glaubte sie waren ein Hindernis fr die Glaubwrdigkeit ihrer Worte. Heute ist es der Ruf ihrerHeiligkeit, der vielen die Bedeutung ihrer Gestalt verdeckt. Doch die Verbannte, dieihr wahres Vaterland auf keiner Erdkarte verzeichnet fand, hat man zur Patronin

    Spaniens erhoben. Und die Stadt ihrer Geburt erscheint auch dem Fremden alsSymbol ihres Wesens.In Avila wurde sie am 28. Mrz 1515 geboren. In dieser kastilischen Stadt, die mit

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    Lebensbeschreibung, deren Handschrift seit langem von der Inquisitionbeschlagnahmt war und als verloren galt dieses Kompendium ihrer seelischenErfahrung, wiederum dem Drngen eines Beichtvaters gehorchend. In Toledo, woEl Greco ein Jahr zuvor sich niedergelassen hatte, begann sie am 2. Juni 1577 mitder Niederschrift. Am 5. November desselben Jahres schrieb sie in Avila dasSchluwort, knapp einen Monat bevor Juan de la Cruz, der den Geist ihrer Reformin die Mnnerklster des Karmeliterordens getragen hatte, von Anhngern dermilden Observanz gewaltsam nach Toledo entfhrt und in den Kerker geworfenwurde, wo die ersten Verse dieses einzigartigen poeta a lo divino entstanden.Was Teresa mit dem ihr unbekannten epikureischen Einsiedler Montaigneverbindet, der im Turm seines abgelegenen Schlosses sich selber zum Stoff einesBuches zwangloser Meditation machte, ist der forschende Blick ins eigene Innere,die entsagende und zugleich entdeckungsfreudige Einkehr in die eigene Brust. Derstoische Franzose erklrte: Ich studiere mich mehr als irgendeinen Gegenstand.

    Das ist meine Metaphysik, das ist meine Physik... Lat uns nur hinhren, wir sagenuns alles, wessen wir bedrfen. Die antigotische, entschlossene Gengsamkeit, diein diesen Stzen zu spren ist, wird offenkundig, wenn er anderswo sagt: Nicht

    bergauf und voran zu streben ist die Gre der Seele, sondern sich fgen undbescheiden zu knnen. Der Genu der eigenen Vergnglichkeit in weltklugerSelbstbescheidung, der als Ziel solchen Philosophierens sichtbar wird, ist jedochunvereinbar mit dem strksten Impuls, der das Leben der Nonne von Avila

    bestimmt. Der Blick, den sie auf sich selber richtet, durchdringt das eigene Wesen,nicht um sich an der Kontur der Person zu gengen, sondern um auf dem Grundihrer Seele jenes Bild zu entdecken, als dessen trbe Spiegelung sie sich fhlt; umdurchzustoen vom Schein zur Essenz, vom Wahn zur Wahrheit; um im Blitztiefsten Erkennens eins zu werden mit dem Unermelichen; um Augenblick undEwigkeit zu verschmelzen zum Nunc aeternum.Da dies nicht Verlangen blieb, sondern Erfahrung wurde, lie sie zur Autorinwerden wider ihren Willen, da sie sich stumm fhlte vor dem von ihr Erlebten,das aber zugleich fr sie das Gebot der Mitteilung bedeutete. Es ist interessant, zuvergleichen, wie die mystische Erfahrung, die ja kein Privileg des Christentums ist,zu allen Zeiten, da und dort, der Unzulnglichkeit aller Worte zum Trotz, sichAusdruck zu verschaffen wute. Aus der Lcke des Ungesagten, dem aufklaffenden

    Sprung des Paradoxons, das zwei Stze zerreit, steigt in der Wechselrede desKan, wie sie im ZenBuddhismus zwischen Meister und Schler gebt wird,jhlings das gemeinte Geheimnis auf. Der Chassidismus bedient sich derlegendarischen Anekdote, ebenso die islamischen Sufis. Durch gewaltsameVerrenkung, Umstlpung des konventionellen Vokabulars und mit genialen

    Neubildungen formte die Mystik des deutschen Mittelalters sich ein sprachlichesOrgan. Als Lyrik, die bedenkenlos die Elemente berkommener Liebesdichtungverzehrt, lodert das innerste Erleben bei Juan de la Cruz in Versen auf, in Strophenvon unvergleichlicher Helligkeit, Reinheit und geistiger Glut. Der Dichter selberhat als gelehrter, philosophisch geschulter Theologe die Substanz seiner poetischenMelodik Zeile fr Zeile genauestens kommentiert. Die theoretische Erklrung istkein Ersatz fr das im Vers Geborgene. Im Niemandsland zwischen beiden Arten

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    des Sprechens, in der Blendung durch das zwiefache Licht ist das Gemeinte ahnendzu erfassen.Ich mu mich hier eines Gleichnisses bedienen schreibt Teresa in ihrer Vida

    , was ich freilich gern unterlassen wrde, da ich ein Weib bin und einfach nur daszu schreiben habe, was man mir aufgetragen hat; aber fr Leute, die wie ich keineWissenschaft besitzen, ist es so schwer, diese Sprache des Geistes zu erklren, daich einen Ausweg suchen mu, der mir dies erleichtert. Wie nahe ihr dasHilfsmittel lag, fr das sie sich entschuldigt, und wie wenig Willkr bei seinemErfassen beteiligt war, scheinen einige Stze zu beweisen, die auf einer der letztenSeiten desselben Buches von einer Offenbarung berichten, deren Vorgang ihr selberzweifelhaft blieb: Es schien mir zwar, als htte ich nichts gesehen; ob dies aberauch wirklich so gewesen, kann ich nicht geradezu behaupten. Denn etwas mu ichdoch wohl gesehen haben, weil ich sonst das, was mir gezeigt wurde, nicht miteinem Gleichnis, das ich gebrauchen will, erklren knnte; nur wird dieses Sehen

    auf eine so feine und zarte Weise geschehen sein, da der Verstand es nichterfate.

    Nicht irgendeine Vision war der Anla dieser berlegung, sondern eine Einsichtvon fundamentaler Bedeutung, die vielleicht zur wichtigsten Wegweisung ihresLebens wurde. Einmal, als ich mit den andern Schwestern die Horen betete,geschah es, da meine Seele pltzlich in eine Sammlung versetzt wurde, in der siemir wie ein klarer Spiegel erschien. An ihm war weder hinten noch an den Seiten,weder oben noch unten etwas, das nicht ganz klar gewesen wre; in der Mitte aberzeigte sich mir Christus, unser Herr... Es wurde mir auch zu verstehen gegeben, dadieser Spiegel, wenn die Seele sich in einer Todsnde befindet, wie mit einemdichten Nebel berzogen und ganz schwarz ist, so da der Herr darin sich wederdarstellen noch gesehen werden kann, obwohl er uns, indem er uns das Sein gibt,immer gegenwrtig ist. Und ermutigt von der Erinnerung an Augustin, der vonhnlicher Erfahrung berichtet, folgert sie khn: Wir brauchen also nicht in denHimmel hinaufzusteigen, noch aus uns selbst hinauszugehen; denn dies wreErmdung des Geistes und Zerstreuung der Seele...Damit war bereits das Grundmotiv angeschlagen, aus dem sich zwlf Jahre spterihr literarisches Hauptwerk entwickeln sollte. In ihrer Vida hatte sie die Reiheder locker aneinandergefgten Episoden ihres inneren und ueren Lebensweges

    nur an einer, freilich entscheidenden Stelle aufgebrochen, um vier verschiedeneStadien des Gebets, des mystischen Erlebens, zusammenfassend, auf ber hundertSeiten, im farbig geschilderten Gleichnis der vierfachen Bewsserung eines Gartensdarzustellen. Ihr letztes groes Buch aber entwickelte sie aus einem einzigenallegorischen Bild, das als eine erweiternde Variante der vorhin genannten Visionerscheint und gleich an den Anfang des Werkes gestellt ist: Wie ich heute unserenHerrn anflehte, er mge durch mich reden weil ich nichts zu sagen fand und nichtwute, wie ich mit der Erfllung dieser Aufgabe beginnen sollte , da bot sich mirdar, was ich nunmehr sagen und als Fundament gebrauchen mchte: nmlichunsere Seele als eine Burg zu betrachten, die ganz aus einem Diamant oder einemsehr klaren Kristall besteht und in der es viele Gemcher gibt, gleichwie imHimmel viele Wohnungen sind. Denn wenn wir es recht betrachten, Schwestern, so

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    ist die Seele des Gerechten nichts anderes als ein Paradies, in dem der Herr, wie erselbst sagt, seine Lust hat... Ich finde nichts, mit dem sich die groe Schnheit einerSeele, ihre Weite und ihre hohe Befhigung vergleichen liee. Und wahrlich, unsereEinsicht und unser Verstand so scharfsinnig sie sein mgen reichen schwerlichaus, sie zu begreifen, genausowenig wie sie Gott sich auszudenken vermgen.Sich selber zu erkennen, ist fr Teresa, die sich alle weltliche Ehre versagt hat, eineFrage der menschlichen Wrde: Erschiene es nicht als eine schrecklicheUnwissenheit, wenn jemand keine Antwort wte auf die Frage, wer er ist, werseine Eltern sind und aus welchem Lande er stammt? Wre dies ein Zeichenviehischen Unverstands, so herrschte in uns ein noch unvergleichlich schlimmererStumpfsinn, wenn wir uns nicht darum kmmerten, zu erfahren, was wir sind,sondern uns mit diesen Leibern zufriedengben und folglich nur so obenhin, vomHrensagen, weil der Glaube es uns lehrt, davon wten, da wir eine Seele haben.Aber welche

    Gter diese Seele in sich bergen mag, wer in ihr wohnt und welch groen Wert siehat, das bedenken wir selten, und darum ist man so wenig darauf bedacht, ihreSchnheit mit aller Sorgfalt zu bewahren. All unsere Achtsamkeit gilt der rohenEinfassung, der Ringmauer dieser Burg, das heit: den Krpern.Das Tor aber, durch das der Mensch in sich selber einzudringen vermag, und derSchlssel, mit dem die Seele, die kmpfend durch das langsam sich lichtendeDunkel vorwrtsrckt, bis zu der strahlenden Mitte gelangen kann, wo die tiefgeheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der Seele vor sich gehen dieserSchlssel ist fr Teresa das Gebet, jene absolute Hinkehr zum Hchsten in der Tiefedes eigenen Wesens, mit dem sie einen Freundschaftsverkehr erstrebt, der einenan Vermessenheit grenzenden Mut und zugleich die uerste Demut derSelbstvergessenheit verlangt. Die Verwirklichung dieser Beziehung ist das groe,das einzige Thema des Castillo interior der Inneren Burg.Da das allegorische Leitmotiv dieses Werkes nicht zum beengenden Schemaerstarrt, sondern vielmehr zum Quellmund immer neuer, sprudelnder Bilder, zumdmmenden, oftmals berfluteten Ufer eines drngenden geistigen Geschehenswird, ist der eindringliche Beweis fr die Wahrhaftigkeit des Mitteilungswillens,der sich hier unbesorgt um stilistische Perfektion oder logische Linearitt Gehrverschafft, und fr die Flle, die seine Formkraft zu bndigen hat. Vor einer

    perspektivisch allzu fixierten Auffassung des von ihr vermittelten Bildes warntTeresa selber gleich zu Beginn: Ihr drft euch nicht vorstellen, da dieseWohnungen wie aufgereiht eine hinter der anderen liegen. Richtet vielmehr eureAugen auf die Mitte, die das Gemach und der Palast ist, wo der Knig weilt, undstellt die Burg euch vor wie eine Zwergpalme, bei der viele Hllen das kstlicheHerzblatt umschlieen. So liegen dort ringsum diesen Raum viele andereGemcher, und ebenso darber. Denn die Dinge der Seele mu man sich immer inFlle und Weite und Gre denken...Die Konsequenz aus solcher Erkenntnis ist ein Ratschlag, der eine kluge, schon

    psychologisch zu nennende Behutsamkeit verrt: Sehr wichtig fr jede Seele, diesich dem Gebet widmet, ist es, da man sie nicht in einen Winkel pfercht odereinengt. Man lasse sie durch alle diese Wohnungen wandeln, aufwrts und abwrts

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    und nach den Seiten hin; denn Gott hat ihr eine so groe Wrde verliehen. Auchdrnge man sie nicht dazu, lange Zeit in einem einzigen Gemach zu bleiben, nichteinmal in dem der Selbsterkenntnis, so wichtig diese wohlgemerkt selbst frdiejenigen ist, die der Herr in dieselbe Wohnung eingelassen hat, in welcher erselber weilt... Die Demut wirkt nmlich wie die Biene, die im Stock den Honig

    bereitet. Ohne sie geht alles verloren. Bedenkt aber, da die Biene es nichtversumt, hinauszufliegen, um den Nektar der Blten zu sammeln. Genauso mu esdie Seele mit der Selbsterkenntnis halten. Glaubt es mir und fliegt zuweilen aus, umdie Gre und Majestt eures Gottes zu betrachten...Wie hier, so geschieht es im ganzen Text: Vergleich wchst aus Vergleich, Bildberwuchert Bild. Vier allegorische Hauptmotive bestimmen jedoch die nichterklgelte, unsystematische, aber vehemente Kontrapunktik dieses Werkes: Diedurchsichtige Burg, deren innerer Glanz nur durch die Schwrze der Snde demAuge verdeckt wird; der Kampf gegen die bsen Geister, an der Seite der treulosen

    Burgverwalter: der Sinne und Seelenkrfte (Verstand, Gedchtnis, Phantasie); dieMetamorphose des Schmetterlings als Gleichnis dafr, wie die Seele sich selbereinspinnen und ertten mu, um beflgelt zur Freiheit aufzuerstehen; und endlichdas Symbol der Liebesvereinigung, wie sie im Hohen Lied erscheint, wo derBrutigam die Braut in seinen Weinkeller fhrt.Die knstlerischen Hhepunkte des Buches sind wie kaum anders zu erwarten dort zu finden, wo die Darstellung Hhe und Art des ins bernatrliche gehobenenErlebens markieren mu, wo die Diskrepanz zwischen den Materialien derWiedergabe und ihrem Gegenstand das bildnerische Verlangen zum Sprung berden eigenen Scheitel zu zwingen scheint. Kennzeichnend ist dabei, da die Autorinnoch in dem Augenblick, wo der Geist der Ekstase ihr die Feder fhrt, wo sie,hingerissen in der Verzckung, sich als Raub, als Tochter des gttlichen Adlersfhlt, sich nicht in der Hufung aufgesetzten Prunks, hingewischten Glanzeserschpft, sondern immer besorgt um die Genauigkeit der unterscheidendenWahrnehmung bleibt. So zum Beispiel, wenn sie zwei Stufen der geistigenVereinigung die mystische Verlobung und Vermhlung miteinander vergleicht:Die frhere Vereinigung gleicht zwei Wachskerzen, die man so dichtaneinanderhlt, da beider Flamme ein einziges Licht bildet; und sie ist jenerEinheit hnlich, zu der der Docht, das Licht und das Wachs verschmelzen. Danach

    aber kann man leicht eine Kerze von der anderen trennen, so da es wieder zweiKerzen sind, und ebenso lt sich der Docht vom Wachs lsen. Hier jedoch ist es,wie wenn Wasser vom Himmel in einen Flu oder in eine Quelle fllt, wo allesnichts als Wasser ist, so da man weder teilen noch sondern kann, was nun dasWasser des Flusses ist und was das Wasser, das vom Himmel gefallen; oder es ist,wie wenn ein kleines Rinnsal ins Meer fliet, von dem es durch kein Mittel mehrzu scheiden ist; oder aber wie in einem Zimmer mit zwei Fenstern, durch die einstarkes Licht einfllt: dringt es auch getrennt ein, so wird doch alles zu einemLicht.Tirso de Molina hat ein halbes Jahrhundert spter mit seinem Condenado pordesconfiado (den Menendez Pidal als das bedeutendste religise Drama derspanischen Literatur bezeichnete) gleichsam ein Standgericht ber die von

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    Die innere Burg

    JHS

    Wenige Dinge, die mir der Gehorsam geboten hat, sind mir so schwer gefallen wiejetzt die Aufgabe, ber das Gebet zu schreiben. Einmal, weil ich nicht den Eindruckhabe, da der Herr mir dazu Geist oder Lust verleiht; und zum anderen, weil ichschon seit drei Monaten ein solches Drhnen und eine solche Schwche im Kopfefhle, da ich selbst die unumgnglichen Schreibarbeiten nur mhsam erledigenkann. Doch da ich wei, da die Kraft des Gehorsams Dinge zu bewltigen pflegt,

    die unberwindlich erscheinen, so entschliet sich der Wille, es gern und mitherzlichem Eifer zu tun, auch wenn es der Natur hart anzukommen scheint. Dennder Herr hat mir nicht soviel Tugend verliehen, da der Kampf mit der stndigenKrankheit und Beanspruchungen vieler Art ausgefochten werden knnte ohneheftigen Widerspruch der eigenen Natur. Mge Er es tun, der andere, schwierigereDinge vollbracht hat, um mir seine Gnade zu erweisen, und auf dessen Erbarmenich vertraue.Ich glaube zwar, da ich nicht viel mehr zu sagen wei, als ich bei anderenGelegenheiten, da man mir zu schreiben befahl, schon gesagt habe. Ich frchte

    vielmehr, da es fast das gleiche sein wird; denn es geht mir genau wie den Vgeln,die man das Sprechen lehrt: sie knnen nichts anderes sagen, als was man ihnenbeigebracht hat oder was sie gehrt haben, und wiederholen esein ums andere Mal. Will der Herr, da ich etwas Neues sage, so wird SeineMajestt es mir geben, oder wird er sich damit begngen, mir das ins Gedchtnis zurufen, was ich frher gesagt habe. Ich wre auch damit zufrieden; denn ich habe einso schlechtes Gedchtnis, da es mich freuen wrde, einiges wieder zu finden, vondem man behauptet hat, es sei gut ausgedrckt gewesen fr den Fall, da esverloren gegangen sein sollte. Wenn der Herr mir auch dies nicht gewhren sollte,so wird es mir dennoch ein Gewinn sein, um des Gehorsams willen mich

    abzumhen und meine Kopfschmerzen zu mehren, selbst wenn meine Worte zu garnichts ntze wren. Und so beginne ich denn heute, am Tag der AllerheiligstenDreifaltigkeit des Jahres 1577, hier im Kloster des heiligen Joseph vom Karmel inToledo, wo ich derzeit weile, diese Pflicht zu erfllen, mich in allem, was ich sage,dem Urteil derer unterwerfend, die mir zu schreiben befohlen haben, welchesPersonen von hohem Wissen sind. Sollte ich etwas sagen, was nicht dem Glaubender heiligen rmischkatholischen Kirche entspricht, so geschieht es ausUnwissenheit und nicht aus bser Absicht. Dessen kann man so gewi sein, wie essicher ist, da ich durch Gottes Gte ihr immer ergeben bin und es sein werde und

    es stets gewesen bin. Ihm sei Ruhm und Ehre in Ewigkeit, Amen.Der mir zu schreiben befohlen hat, sagte mir, da die Nonnen in diesen KlsternUnserer Lieben Frau vom Karmel jemanden brauchten, der ihnen einige Zweifel

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    wegen des Gebets zerstreue. Da er den Eindruck habe, da Frauen die Sprache vonihresgleichen am besten verstehen, wren meine Worte bei der Liebe, die sie frmich hegten ihnen wohl am dienlichsten. Er sei daher der Meinung, da es nicht

    belanglos wre, wenn es mir gelnge, dazu etwas zu sagen. Mit dem, was ich imfolgenden schreiben werde, wende ich mich also an sie. Und da der Gedanke, esknne fr andere Personen von irgendwelcher Bedeutung sein, tricht erscheint, sowird mir unser Herr Gnade genug erweisen, wenn meine Worte einer dieser

    Nonnen dazu dienen, Ihn ein wenig mehr zu loben. Seine Majestt wei wohl, daich nach nichts anderem strebe, und meine Schwestern werden ohne Zweifelerkennen, da es nicht mein Werk ist, wenn etwas davon treffend ausgedrckt seinsollte, es sei denn, sie htten so wenig Einsicht, wie ich Talent fr dergleichenDinge besitze, falls der Herr es mir nicht schenkt in seiner Barmherzigkeit.

    DIE ERSTE WOHNUNGERSTES KAPITEL

    Wie ich heute unseren Herrn anflehte, er mge durch mich reden weil ich nichtszu sagen fand und nicht wute, wie ich mit der Erfllung dieser Aufgabe beginnensollte , da bot sich mir dar, was ich nunmehr sagen und als Fundament gebrauchenmchte: nmlich unsere Seele als eine Burg zu betrachten, die ganz aus einemDiamant oder einem sehr klaren Kristall besteht und in der es viele Gemcher gibt,gleichwie im Himmel viele Wohnungen sind. Denn wenn wir es recht betrachten,

    Schwestern, so ist die Seele des Gerechten nichts anderes als ein Paradies, in demder Herr, wie er selbst sagt, seine Lust hat. Nun, was meint ihr, wie wohl dieWohnstatt sein mag, in der ein solch mchtiger, weiser und reiner Knig, der soreich an Gtern jeglicher Art ist, sich ergtzt? Ich finde nichts, mit dem sich diegroe Schnheit einer Seele, ihre Weite und ihre hohe Befhigung vergleichenliee. Und wahrlich, unsere Einsicht und unser Verstand so scharfsinnig sie seinmgen reichen schwerlich aus, sie zu begreifen, genauso wenig wie sie Gott sichauszudenken vermgen; denn er selbst sagt, da er uns schuf nach seinem Bilde. Istdies wirklich so und es ist so , dann brauchen wir uns nicht abzumhen in dem

    Verlangen, dieSchnheit dieser Burg zu erfassen. Obgleich zwischen ihr und Gott der Unterschiedbesteht, der den Schpfer trennt vom Geschpf da sie ja etwas Erschaffenes ist ,so gengt doch das Wort Seiner Majestt, da sie nach seinem Bilde geschaffen ist,um die groe Wrde und Schnheit der Seele uns als kaum fassbar erscheinen zulassen.

    Nicht wenig Elend und Verwirrung kommen daher, da wir durch eigene Schulduns selber nicht verstehen und nicht wissen, wer wir sind. Erschiene es nicht alseine schreckliche Unwissenheit, meine Tchter, wenn jemand keine Antwort wteauf die Frage, wer er ist, wer seine Eltern sind und aus welchem Lande er stammt?

    Wre dies ein Zeichen viehischen Unverstands, so herrschte in uns ein nochunvergleichlich schlimmerer Stumpfsinn, wenn wir uns nicht darum kmmerten, zuerfahren, was wir sind, sondern uns mit diesen Leibern zufriedengben und folglich

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    nur so obenhin, vom Hrensagen, weil der Glaube es uns lehrt, davon wten, dawir eine Seele haben. Aber welche Gter diese Seele in sich bergen mag, wer in ihrwohnt und welch groen Wert sie hat, das bedenken wir selten, und darum ist manso wenig darauf bedacht, ihre Schnheit mit aller Sorgfalt zu bewahren. All unsereAchtsamkeit gilt der rohen Einfassung, der Ringmauer dieser Burg, das heit: denKrpern.Denken wir uns also, da diese Burg wie ich schon gesagt habe vieleWohnungen hat, von denen einige oben gelegen sind, andere unten und wiederandere seitwrts, und da sie ganz innen, in der Mitte all dieser Wohnungen, dieallerwichtigste birgt: jene, wo die tief geheimnisvollen Dinge zwischen Gott undder Seele vor sich gehen. Es ist ntig, da ihr auf dieses Gleichnis achtet. So Gottwill, kann ich euch damit etwas von den Gnaden verstndlich machen, die Gottnach seinem Belieben den Seelen verleiht, und von den Unterschieden, diezwischen ihnen bestehen (soweit dies nach meinem Verstndnis mglich ist; denn

    alle zu verstehen, vermag niemand, so mannigfaltig sind sie; und schon gar nichtjemand, der so armselig ist wie ich). Denn wenn der Herr euch solche Gnadenerweisen sollte, wird es fr euch ein groer Trost sein, zu wissen, da dies mglichist; und fr die, denen dies nicht widerfhrt, wird es ein Grund sein, seine groeGte zu loben. Es schadet uns ja nicht, darber nachzusinnen, was im Himmel istund was die Seligen genieen, vielmehr freut es uns und spornt uns an, dasselbe zuerlangen, was sie genieen und genausowenig wird es uns schaden, wenn wirsehen, da schon hier in der Verbannung dieser Welt ein solch groer Gott sich mitWrmern abgeben kann, die voll blen Geruches sind, und da eine sovollkommene Gte, ein solch unermeliches Erbarmen uns liebt.Wem die Erkenntnis der Mglichkeit, da Gott diese Gnade hier in der Verbannunguns erweist, schaden sollte, dem mte es davon bin ich fest berzeugt sehr anDemut und Nchstenliebe fehlen. Denn wie sollten wir uns sonst nicht darberfreuen, da Gott diese Gnaden einem unserer Brder erweist (was ihn ja nichthindert, sie auch uns zu erzeigen) und da Seine Majestt ihre Gre offenbart, anwem sie nun will? Manchmal wird der Herr es ja allein zu dem einen Zwecke tun,seine Gre sichtbar zu machen (wie er es sagte, als er dem Blinden das Augenlichtschenkte und die Apostel Ihn fragten, ob dieser wegen seiner eigenen Snden oderwegen der Snden seiner Eltern erblindet sei). Er tut es also nicht, weil diejenigen,

    denen er solche Gnaden erweist, heiliger wren als die anderen, denen er sie nichterweist, sondern darum, da man seine Gre erkenne (wie wir es am heiligenPaulus und an der Magdalena sehen) und da wir ihn preisen in seinen Geschpfen.Man knnte nun sagen, diese Dinge erschienen unmglich, und es sei gut, denSchwachen kein rgernis zu geben. Doch es ist weniger verloren, wenn dieseZaghaften nicht glauben, als wenn diejenigen um den Gewinn gebracht werden,denen Gott solche Gnaden erweist und die sich darber freuen und dadurchermuntert werden, ihn mehr zu lieben, der soviel Barmherzigkeit erzeigt, obgleichseine Macht und Herrlichkeit so gro sind. Das sage ich mit um so grererGewiheit, als ich wei, da bei denen, mit welchen ich rede, diese Gefahr nicht

    besteht; denn sie wissen und glauben, da Gott noch grere Zeichen der Liebevollbringt. Auch wei ich, da niemand, der hieran nicht glaubt, es aus eigenem

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    jenem Manne, der dreiig Jahre neben dem Teich gelegen war) gebietet, sich zuerheben, sondern wollen zu den anderen Seelen sprechen, die schlielich in dieBurg eingehen. Obwohl sie tief in der Welt stecken, haben sie doch ein gutesVerlangen, und zuweilen wenn auch selten empfehlen sie sich dem Schutzeunseres Herrn und denken darber nach, wer sie sind, sei es auch nicht sehrgrndlich. Auch beten sie jeden Monat irgendwann einmal, von tausend Geschftenerfllt, mit denen ihre Gedanken fast immer umgehen. Sie sind so daran gefesselt denn wo ihr Schatz ist, dahin geht ihr Herz , da sie sich zuweilen vornehmen,sich davon frei zu machen. Von groer Bedeutung ist es da, wenn sie sich selbsterkennen und sehen, da sie nicht auf dem rechten Wege sind, der zur Burgpfortehineinfhrt. Endlich treten sie in die ersten der unteren Gemcher ein; doch mitihnen dringt so viel Gewrm ein, da sie weder die Schnheit der Burg zu sehenvermgen noch zur Ruhe kommen knnen. Schwer genug ist es ihnen gefallen,berhaupt hereinzukommen.

    Diese Schilderung wird euch unangebracht erscheinen, meine Tchter, da ihr durchGottes Gte nicht zu diesen Menschen gehrt. Ihr mt Geduld haben, denn ichwei nicht, in welcher Weise ich euch sonst verstndlich machen knnte, wie ichgewisse innere Dinge des Gebets verstehe. Der Herr gebe, da es mir gelingt, etwaszu sagen. Was ich euch gern erklren wrde, ist nmlich recht schwierig zuverstehen, wenn man es nicht selbst erfahren hat. Habt ihr es erlebt, so werdet ihrerkennen, da es unumgnglich ist, an das zu rhren, wovon wir so der Herr will

    verschont bleiben mgen, um seiner Barmherzigkeit willen.

    ZWEITES KAPITEL

    Bevor ich fortfahre, mchte ich euch bitten, euch auszudenken, welchen Anblickdiese schne und strahlende Burg bieten mag, diese orientalische Perle, dieserBaum des Lebens, der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens, also in Gott,gepflanzt ist , wenn die Seele in eine Todsnde fllt. Es gibt keine unheimlichereFinsternis, und es gibt nichts, was so dunkel, so schwarz wre, da sie danebennicht noch viel finsterer erschiene. Begehrt nicht mehr zu wissen, als da es so ist,

    als wre die Sonne, die ihr so viel Glanz und Schnheit verlieh, die Sonne, die dochnoch immer in der Mitte der Seele ist, nicht mehr vorhanden; als knne die Seelenicht mehr teilhaben an ihm, sie, die doch genauso dazu befhigt ist, sich SeinerMajestt zu erfreuen, wie der Kristall die Sonne in sich aufleuchten zu lassenvermag. Da hilft ihr nichts, und deshalb bleiben alle guten Werke, die sie vollbringt,solange sie in Todsnde lebt, unfruchtbar und dienen nicht dazu, da sie dieSeligkeit erlangt. Weil diese Taten nicht aus dem Urgrund stammen, welcher Gottist, der unsere Tugend zur Tugend macht, sondern in der Trennung von ihmentstanden sind, knnen sie seinen Augen nicht gefllig sein. Wer eine Todsnde

    begeht, hat ja auch nicht die Absicht, ihn zu erfreuen, sondern dem Satan ein

    Vergngen zu machen. Da dieser die Finsternis selber ist, so ist auch die arme Seelezur gleichen Finsternis geworden.Ich wei von einer Person, der unser Herr zeigen wollte, was aus einer Seele wird,

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    die sich tdlich versndigt. Diese Person behauptet, ihrer Meinung nach knneeiner, der dies wirklich begriffen hat, berhaupt nicht mehr sndigen. Lieber wrdeer alle erdenklichen Leiden auf sich nehmen, um so den Gelegenheiten zur Sndezu entrinnen. Der Herr flte dieser Seele zugleich den brennenden Wunsch ein,alle Menschen mchten dies begreifen. Und so mge er auch euch, Tchter, dasVerlangen eingeben, viel zu Gott zu beten fr jene, die in diesem Zustand leben undgleich ihren Werken zu vlliger Finsternis geworden sind.Wie die Bchlein, die einer sehr klaren Quelle entspringen, rein und lauter sind, soist es auch die Seele, die in der Gnade lebt. Da ihre Werke den Augen Gottes undder Menschen wohlgefllig sind, hat seine Ursache nur darin, da sie jener Quelledes Lebens entspringen, in welcher die Seele wurzelt, eingepflanzt wie ein Baum,der nicht die Frische und Fruchtbarkeit bese, wenn sie ihm nicht von dortherzuflssen. Dies erhlt ihn und macht, da er nicht verdorrt und gute Frucht bringt.Entfernt sich eine Seele aus eigener Schuld von dieser Quelle und senkt sich in eine

    andere mit pechschwarzem Wasser von widerlichem Geruche ein, so ist auch alles,was aus ihr hervorgeht, nichts als Schmutz und Unheil.Hier ist zu bedenken, da die Quelle, da jene strahlende Sonne, die sich in derMitte der Seele befindet, ihren Glanz und ihre Schnheit nicht verliert. Sie bleibt

    bestndig darin, und nichts kann sie ihrer Schnheit berauben. Breitet man aberber einen Kristall, der in der Sonne hegt, ein tiefschwarzes Tuch, so wird freilich,auch wenn die Sonne auf ihn scheint, ihr Leuchten in dem Kristall keine Wirkunghervorbringen.O Seelen, die ihr losgekauft seid mit dem Blute Jesu Christi! Erkennet euch undhabt Erbarmen mit euch selbst! Wie ist es mglich, da ihr dies versteht und euchnicht bemht, dieses Pech von dem Kristall zu entfernen? Nie wieder werdet ihreuch an diesem Licht erfreuen, wenn so euer Leben endet. O Jesus, welchenAnblick bietet eine Seele, die von ihm geschieden ist? In welch erbrmlichenZustand geraten die Gemcher der Burg! Wie verwirrt irren die Sinne umher, diedarin wohnen! Und die Seelenkrfte, die zu Burgvgten, Verwaltern undMundschenken bestellt sind mit welcher Blindheit treiben sie ihr schlimmesRegiment! Welche Frucht kann auch ein Baum bringen, der in einen Grundgepflanzt wurde, welcher des Teufels ist?Ich hrte einmal einen geistlichen Mann sagen, da es ihn nicht vor dem schaudere,

    was einer, der in Todsnde lebt, tue, sondern vor dem, was er nicht tue. Gottbewahre uns durch sein Erbarmen vor einem solch schrecklichen bel. Nichts indiesem Leben verdient es, ein bel geheien zu werden, auer diesem Unheil; dennes zieht ewige bel nach sich, die kein Ende haben. Das ist es, Tchter, was wir aufunserem Wege zu frchten haben. Wir mssen Gott in unseren Gebeten anflehen,da er uns davor behte; denn wenn er nicht die Stadt bewacht, so ist unser Tunumsonst, da wir die Vergeblichkeit selber sind. Jener Mann sagte mir, er verdankeder Gnade, die Gott ihm erwiesen habe, zweierlei. Erstens: eine ungeheure Furcht,ihn zu beleidigen; und deshalb flehe er, weil er ein solch entsetzliches Unheil vorAugen habe, den Herrn stndig darum an, ihn nicht fallen zu lassen. Und zweitens:einen Spiegel fr die Demut; denn er sehe jetzt, da eine Wohltat, die wirvollbringen, ihren Ursprung nicht in uns selber hat, sondern in der Quelle, in

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    welche der Baum unserer Seele gepflanzt ist; in der Sonne, die unseren Werken ihreWrme spendet. Er sagt, dies sei ihm so klar geworden, da er stets, wenn er irgendetwas Gutes tue oder bei einem anderen gewahre, nach der Herkunft des Gutensuche und dann erkenne, wie wir ohne diese Hilfe nichts vermchten. Dies bewogihn, Gott zu loben, so da er meist gar nicht daran dachte, was er selber vielleichtGutes getan hatte.Die Zeit, Schwestern, die ihr mit dem Lesen dieser Worte zubringt und die ichaufwende, um sie zu schreiben, wre nicht verloren, wenn sie uns diese zwei Dingeeinbrchte. Den Weisen und Gelehrten sind sie wohl vertraut; doch unserweibliches Ungeschick bedarf dringend aller erdenklichen Hilfe. Darum will derHerr vielleicht, da uns derartige Vergleiche zur Kenntnis gelangen. Mge es seinerGte gefallen, uns dazu seine Gnade zu schenken.Diese inneren Dinge sind so dunkel und schwierig zu verstehen, da jemand, der sowenig wei wie ich, zwangslufig viele berflssige und sogar unsinnige Dinge

    sagt, um das eine oder andere treffend auszudrcken. Wer es liest, bedarf derselbenGeduld, die ich aufbringe, um etwas zu schreiben, was ich nicht wei; dennmanchmal greife ich nach dem Papier, als wre ich ein Ding ohne Verstand, undwei nicht, was sagen und wie anfangen. Dabei verstehe ich wohl, wie wichtig esfr euch ist, da ich euch, so gut ich kann, einige innere Erfahrungen erklre. Wirhren immer, wie gut das Gebet sei; und unsere Regel schreibt uns vor, ihm

    bestimmte Stunden zu widmen. Doch man erklrt uns nichts, was wir uns nichtselbst erklren knnen. Und von dem, was der Herr in einer Seele bewirkt dembernatrlichen, das in ihr geschieht , wird uns wenig gesagt. Wrde dies invielfltiger Weise uns dargelegt und erlutert, so schenkte man uns damit dengroen Trost, dieses himmlische Kunstwerk in unserem Inneren betrachten zuknnen, das von den Sterblichen so wenig verstanden wird, obgleich so viele darinumhergehen. In anderen Schriften, die ich verfat habe, hat der Herr zwar einigesverstndlich gemacht, doch ich erkenne, da ich damals verschiedenes vor allemvon den schwierigsten Dingen nicht so gut verstanden habe wie spter. Mhsamist nun blo, da ich, ehe wir zu diesen gelangen, wohl viele sattsam bekannteDinge sagen werde, da es meinem unbeholfenen Geist nicht anders mglich ist.Kehren wir nun also wieder zu unserer Burg mit jenen vielen Wohnungen zurck.Ihr drft euch nicht vorstellen, da diese Wohnungen wie aufgereiht eine hinter der

    anderen liegen. Richtet vielmehr eure Augen auf die Mitte, die das Gemach und derPalast ist, wo der Knig weilt, und stellt die Burg euch vor wie eine Zwergpalme,bei der viele Hllen das kstliche Herzblatt umschlieen. So liegen dort rings umdiesen Raum viele andere Gemcher, und ebenso darber. Denn die Dinge derSeele mu man sich immer in Flle und Weite und Gre denken. Damit erhhtman sie keineswegs, sie, die viel mehr vermag, als wir uns vorstellen knnen, unddie berall durchdrungen ist von der Sonne, die in diesem Palaste strahlt.Sehr wichtig fr jede Seele, die sich viel oder wenig dem Gebet widmet, ist es,da man sie nicht in einen Winkel pfercht oder einengt. Man lasse sie durch alldiese Wohnungen wandeln, aufwrts und abwrts und nach den Seiten hin; dennGott hat ihr eine so groe Wrde verliehen. Auch drnge man sie nicht dazu, langeZeit in einem einzigen Gemach zu bleiben, nicht einmal in dem der

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    Selbsterkenntnis, so wichtig diese wohlgemerkt selbst fr diejenigen ist, die derHerr in die gleiche Wohnung eingelassen hat, in welcher er selber weilt; denn sohoch die Seele auch stehen mag nie wird etwas anderes die Selbsterkenntnisersetzen knnen, ob man dies will oder nicht. Die Demut wirkt nmlich wie dieBiene, die im Stock den Honig bereitet. Ohne sie geht alles verloren. Bedenkt aber,da die Biene es nicht versumt, hinauszufliegen, um den Nektar der Blten zusammeln. Genauso mu es die Seele mit der Selbsterkenntnis halten. Glaubt es mirund fliegt zuweilen aus, um die Gre und Majestt eures Gottes zu betrachten. Dawird die Seele ihre Niedrigkeit eher entdecken als in sich selber, und sie wirdweniger belstigt sein von dem Gewrm, das in die ersten Gemcher eben dieSelbsterkenntnis mit eindringt. Obwohl es, wie gesagt, ein groes ErbarmenGottes bedeutet, wenn man sich darin bt, so kommt es doch auf das rechte Maan. Nicht zuviel und nicht zuwenig wie man zu sagen pflegt. Und man glaubemir, da wir mit der Kraft Gottes eine sehr viel hhere Tugend erwirken, als wenn

    wir zh an unserer Erde kleben.Ich wei nicht, ob ich es recht verstndlich gemacht habe; denn es ist eine sowichtige Sache, dieses Erkennen unseres eigenen Ichs, da ich wnschte, ihrmchtet niemals darin ermatten, so hoch ihr auch in den Himmeln emporgestiegensein mget. Solange wir uns auf dieser Erde befinden, gibt es nichts, was fr unswichtiger wre als die Demut. Und darum sage ich nochmals, da es sehr gut undganz vortrefflich ist, wenn man danach strebt, zuerst in jenes Gemach zu gelangen,wo es um diese Tugend geht, ehe man zu den anderen fliegt. Denn dies ist der Weg.Und wozu sollten wir, solange wir auf sicherem und ebenem Gelnde gehenknnen, uns Flgel zum Fliegen wnschen, anstatt zu sehen, wie wir auf diesemWege weiterkommen? Doch nach meiner Ansicht werden wir mit unsererSelbsterkenntnis nie zu Ende kommen, wenn wir nicht danach trachten, Gott zuerkennen. Im Anblick seiner Gre entdecken wir unsere Niedrigkeit, undangesichts seiner Reinheit sehen wir unseren Schmutz. Die Betrachtung seinerDemut lt uns erfahren, wie weit wir davon entfernt sind, demtig zu sein. Das

    bringt uns zweierlei Gewinn. Der erste: da etwas Weies neben dem Schwarzenoffensichtlich sehr viel weier erscheint, und ebenso umgekehrt das Schwarzeneben dem Weien. Der zweite: da unser Verstand und Wille sich veredeln undertchtigen zu allem Guten, wenn wir, statt mit uns selbst, mit Gott verkehren.

    Steigen wir nie aus dem Schlamm unserer eigenen Erbrmlichkeit heraus, sobedeutet das ein schweres Hindernis. Von den Menschen, die in Todsnde leben,sagten wir, wie schwarz und bel riechend die Gewsser um sie sind. Und auch beidenen, die immer im Elend unserer Erde stecken bleiben (welche freilich ganz undgar nicht so sind wie die vorigen Gott bewahre uns davor, da wir dies mit demVergleich sagen!), wird die Strmung nie aus dem Schlamm der ngsteherauskommen, aus der Verzagtheit und Feigheit, die furchtsam fragt, ob man aufmich schaut oder nicht auf mich schaut; ob mir, wenn ich diesem Weg folge, etwaein Unheil zustt; ob ich es wagen kann, jenes Werk zu beginnen; ob es Hochmutist; ob es recht ist, da eine solch elende Person sich mit einer solch hohen Sachewie dem Gebet befat; ob man mich fr etwas Besseres hlt, wenn ich nicht denallgemeinen Weg gehe. Denn bertreibungen sind nicht gut, auch nicht in der

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    hier irgendwie dster, so da derjenige, der darin ist, das Licht nicht sehen kann.Aber nicht das Gemach ist daran schuld ich wei nicht, wie ich es verstndlichmachen soll , sondern da so viele bse Wesen, Nattern und Ottern und anderesgiftige Getier, mit der Seele herein gelangt sind und ihr nun das Licht verdecken.Es ist, wie wenn jemand irgendwo hineinkommt, wo viel Licht hereinfllt, dochseine Augen sind mit Lehm verschmiert, so da er sie kaum ffnen kann. Der Raumist hell, aber die Seele geniet es nicht, weil dieses wilde Getier sie daran hindert.Es zwingt sie, die Augen zu schlieen, damit sie nichts sieht auer diesenscheulichen Wesen. So mu es wohl meines Erachtens einer Seele gehen, die zwarnicht bse lebt, aber doch so tief in den Dingen der Welt steckt, sich so vollgesogen hat mit Besitz oder Ehre oder Geschften, da sie, obwohl sie wirklich denWunsch hat, sich zu sehen und ihrer eigenen Schnheit sich zu erfreuen, derUmgarnung durch so viel Hinderliches anscheinend nicht entschlpfen kann. Um indie zweite Wohnung gelangen zu knnen, ist es sehr wichtig, da man sich soweit

    es der Stand erlaubt, dem man angehrt bemht, sich aller unntigen Dinge undGeschfte zu entledigen. Dies ist so dringend erforderlich, da ich es fr unmglichhalte, es knne einer je bis zur Hauptwohnung kommen, wenn er nicht damit denAnfang macht. Er wird sogar in der Wohnung, wo er sich befindet, in groer Gefahrschweben, obwohl er ja bereits in die Burg hereingekommen ist; denn unter so vielgiftigem Gewrm ist es undenkbar, da er nicht den einen oder anderen Bi erhlt.Wie wre es aber erst, Tchter, wenn Menschen, die schon frei sind von solchenHemmnissen, wie wir es sind wenn wir, nachdem wir schon sehr viel tiefer, zuanderen geheimen Wohnungen der Burg vorgedrungen sind, aus eigener Schuldumkehren wrden und wieder hinausgingen in jenen Tumult und Wirrwarr? Es gibtsicher viele, denen Gott Gnaden erwiesen hat und die durch eigene Schuld sicherneut in dieses Elend strzen. Wir hier sind uerlich frei gebe Gott, da wir esauch innerlich sind. Mge er uns frei machen.Htet euch, meine Tchter, vor fremden Sorgen. Erkennt, da es wenigeWohnungen in dieser Burg gibt, wo die Dmonen den Kampf aufgeben. Es istwahr: in einigen sind die Wchter (das sind die Seelenkrfte, wie ich glaube ich

    bereits gesagt habe) stark genug zum Streit. Doch es ist dringend ntig, da wirstets auf der Hut sind vor den Tcken des Satans und uns nicht berlisten lassen,wenn er als Engel des Lichts sich uns zeigt; denn es gibt vielerlei Dinge, mit denen

    er uns schaden kann. Schritt um Schritt schleicht er sich herein, und wir erkennendas Unheil erst, wenn es bereits geschehen ist.Ich sagte schon ein andermal, da er wie eine lautlose Feile ist. Wir mssen ihndeshalb gleich zu Beginn erkennen. Ich will ein Beispiel nennen, um euch diesverstndlicher zu machen. Einer Schwester flt er ein heftiges Verlangen nachBue ein, so da sie meint, sie finde keine Ruhe, wenn sie sich nicht foltere undmartere. Dieser Anfang ist gut. Wenn aber die Priorin geboten hat, ohne ihreErlaubnis keine Bubungen zu machen, und der Satan in dieser Schwester nun dieMeinung weckt, einer so guten Sache zuliebe drfe man wohl schon etwas wagen,und wenn sie es heimlich so treibt, da sie ihre Gesundheit ruiniert und gegen dieOrdensregel verstt, dann seht ihr ja, wo dieser gute Anfang sein Ende nimmt.Einer anderen gibt der Satan ein groes, eifriges Begehren nach Vollkommenheit

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    ein. Dieser Eifer ist sehr gut, doch es knnte so weit kommen, da ihr jeder kleineFehler an ihren Schwestern als furchtbares Unheil erscheint; da sie darber wacht,ob sie solche Fehlerchen begehen, und dann zur Priorin rennt. Es knnte sogarvorkommen, da sie vor lauter Eifer um die wahre Frmmigkeit ihre eigenenFehler bersieht. Und da die anderen ihr nicht ins Herz blicken knnen, sondernnur sehen, wie sie aufpat, so knnte es sein, da sie darber ungehalten werden.Was der Satan hier anstrebt, ist nicht wenig: nmlich das Mitleid und diegegenseitige Nchstenliebe abzukhlen. Gelnge es ihm, so wre das ein groerSchade. Lat uns verstehen, meine Tchter, da die wahre Vollkommenheit dieLiebe zu Gott und dem Nchsten ist und da wir desto vollkommener werden, jevollkommener wir diese zwei Gebote halten. Unsere ganze Ordensregel und ihreSatzungen dienen nur als ein Mittel, damit wir diesen beiden Forderungen immermehr und immer besser entsprechen. Lassen wir darum alles frwitzige Eifern, dasuns groen Schaden antun kann. Ein jeder schaue auf sich selber. Weil ich an

    anderer Stelle euch hierber genug gesagt habe, will ich nicht lnger davon reden.Diese gegenseitige Liebe ist so wichtig, da ich wollte, ihr wrdet sie niemalsvergessen; denn wenn wir herumgehen und auf nichtige Kleinigkeiten blicken, diewir an anderen auszusetzen haben und die manchmal gar keine Mngel sind,sondern die wir vielleicht nur wegen unseres beschrnkten Wissens als anstig

    betrachten, so kann unsere Seele den Frieden verlieren und sogar die der anderenbeunruhigen. Schaut, ob solche Vollkommenheit uns nicht zu teuer kme! DerSatan knnte mit derlei Versuchungen auch der Priorin zusetzen was nochgefhrlicher wre. Da bedarf es vieler Klugheit. Geht es um Dinge, die gegen dieRegel und die Satzung sind, so darf man nicht alles ungergt lassen, sondern musie darauf hinweisen, und wenn sie sich nicht bessert, es dem Vorgesetzten melden.Dies gebietet das Mitleid. Das gleiche gilt im Verhltnis zu den Schwestern, wennes sich um eine schwerwiegende Sache handelt. Alles geschehen zu lassen aus derFurcht, es knnte eine Versuchung fr uns sein, das wre ebenfalls eineVersuchung. Doch sollte man sehr darauf bedacht sein, nicht untereinander davonzu reden; denn daraus knnte der Satan groen Gewinn schlagen und dieGewohnheit der blen Nachrede entstehen. Wie gesagt: Man sollte sich damit nuran denjenigen wenden, der Abhilfe schaffen kann. Hier sind wir, Gott sei Dank,dieser Gefahr nicht so sehr ausgesetzt, da wir bestndiges Stillschweigen ben;

    doch es ist gut, wenn wir auf der Hut sind.

    DIE ZWEITE WOHNUNGERSTES KAPITEL

    Lat uns nun davon reden, welche Seelen es sind, die in die zweite Wohnungeintreten, und was sie darin tun. Ich will mich dabei kurz fassen, denn anderswohabe ich dies recht ausfhrlich dargelegt. Ich werde nicht umhinknnen, vieles

    davon zu wiederholen, weil ich mich nicht mehr genau erinnere, was ich damalsgesagt habe. Sollte ich es in wenig vernderter Form wieder aufwrmen, so weiich jedenfalls, da ihr euch nicht darber rgert. Wir werden ja auch nie der Bcher

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    mde, die davon handeln, obgleich es so viele gibt.Es geht hier um diejenigen, die schon begonnen haben, das Gebet zu ben, und die

    begriffen haben, wie wichtig es fr sie ist, nicht in der ersten Wohnung zuverweilen. Sie haben jedoch noch nicht die Entschlukraft, da sie daraufverzichten knnten, sich fters darin aufzuhalten. Sie geben die Gelegenheiten zumBsen noch nicht auf. Das ist recht gefhrlich. Doch es ist eine groeBarmherzigkeit von Gott, da sie zuweilen den Schlangen und anderen giftigenWesen zu entfliehen suchen und einsehen, wie gut es ist, sich von ihnen zuentfernen.Diese Seelen haben in mancher Hinsicht sehr viel mehr Leiden zu erdulden als dievorher genannten, obwohl sie nicht in solch groer Gefahr schweben; denn es hatden Anschein, als kennten sie die Gefhrdungen schon, und es besteht groeHoffnung, da sie tiefer vordringen knnen. Ich sage, sie haben mehr Leiden zuerdulden, weil die Erstgenannten jenen Stummen gleichen, die auch nicht hren

    knnen und darum leichter die Qual ertragen, nicht reden zu knnen. Das flltdenen viel schwerer, die wohl hren, aber nicht sprechen knnen. Trotzdemwnscht man sich in dieser Lage nicht das Schicksal der anderen, die auch nichthren; denn schlielich ist es etwas Groes, das zu verstehen, was man uns sagt. Sovernehmen die Seelen, von denen wir hier reden, die Rufe, welche der Herr an sierichtet. Da sie tiefer eingedrungen und dem Ort, wo Seine Majestt weilt, nhergekommen sind, haben sie in Ihm, in seiner Barmherzigkeit und Gte, einen sehrguten Nachbarn, auch wenn sie noch immer an unserem Getndel und unserenGeschften hngen und sich nicht frei gemacht haben von den Vergngungen undtrgerischen Geschften der Welt, auch wenn sie noch immer in Snden fallen undsich wieder daraus erheben. Die Tiere, die wild durcheinander wimmeln, sind sogiftig, und so gefhrlich ist ihre Nhe, da es ein Wunder ist, wenn sie einen nichtstraucheln lassen und zu Fall bringen. Doch dem Herrn liegt so viel daran, da wirihn lieben und uns bemhen, zu ihm zu kommen, da er nicht aufhrt, uns wiederund wieder zu rufen, damit wir zu ihm finden. Und diese Stimme ist so lieblich,da die arme Seele vergeht, wenn sie dann nicht tut, was die Stimme ihr befiehlt.Und darum ist dies wie gesagt schmerzlicher, als wenn man sie nicht hrt.Ich sage nicht, da diese Stimme und diese Rufe den anderen gleichen, von denenich spter reden werde. Die hier dringen zu uns aus Worten, die wir von guten

    Menschen hren, oder aus Gebeten, aus der Lektre guter Bcher sowie aus vielenanderen Dingen, von denen ihr gehrt habt, da Gott durch sie die Menschen ruft:seien es Krankheiten, Mhsale oder irgendeine Wahrheit, die er uns in denAugenblicken lehrt, wo wir im Gebet sind. Mge dies noch so schwach sein Gottschtzt es hoch. Achtet auch ihr, meine Schwestern, diese erste Gnade nicht gering,und verzagt nicht, wenn ihr dem Herrn nicht antworten knnt. Seine Majestt istgeduldig genug, um viele Tage und Jahre zu warten, besonders wenn erBeharrlichkeit und guten Willen sieht. Diese Ausdauer ist hier das Wichtigste, dennmit ihr werden wir nie leer ausgehen, sondern reichen Gewinn erlangen. Doch dieSchlacht, welche die Dmonen uns hier mit tausenderlei Waffen liefern, istentsetzlich und schmerzlicher fr die Seele als alles zuvor; denn damals war siestumm und taub zumindest hrte sie sehr wenig und leistete weniger

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    groe Gnade, wenn wir nicht daran zugrunde gehen.Wahrlich, die Seele erlebt hier viele Leiden, vor allem wenn der Satan merkt, dasie durch ihre Veranlagung und ihre Sitten die Eignung besitzt, weitvoranzukommen. Da wird er die ganze Hlle versammeln, um sie wieder aus derBurg zu vertreiben.Oh, mein Herr! Hier ist eure Hilfe ntig; denn ohne sie knnen wir nichts tun. Lates nicht zu, um eurer Barmherzigkeit willen, da die Seele der Tuschung erliegtund das Begonnene aufgibt. Erleuchte sie, damit sie erkennt, da hierin ihr ganzesHeil liegt, und sich von den bsen Gefhrten trennt; damit ihr klar wird, was freine groe, hochwichtige Sache es ist, mit Menschen umzugehen, die nachdemselben Ziele streben, und wie sehr es darauf ankommt, sich nicht nur an die zuhalten, die im gleichen Rume sind, wo sie sich selber befindet, sondern auch an

    jene, von denen sie wei, da sie schon weiter zur Mitte vorgedrungen sind. Dieswird ihr eine groe Hilfe sein, und der Umgang mit ihnen kann dazu fhren, da

    diese sie zu sich ziehen. Immer sei die Seele darauf bedacht, sich nicht bermannenzu lassen; denn wenn der Satan sieht, da sie fest entschlossen ist, lieber das Lebenund die Ruhe und alles, was er ihr bieten mag, zu verlieren, als in die ersteWohnung zurckzukehren, so wird er sehr bald von ihr ablassen. Sie sei mannhaftund gehre nicht zu denen, die sich buchlings zum Trinken hinwarfen, als man indie Schlacht zog (ich wei nicht mehr, gegen wen). Entschlossen mge sie denKampf wider alle Dmonen wagen, in der berzeugung, da es keine besserenWaffen gibt als die des Kreuzes. Ich habe es zwar schon des fteren gesagt, dochwill ich es hier, um seiner Wichtigkeit willen, noch einmal wiederholen: Manglaube ja nicht, da es zu Beginn dieses Unternehmens irgendwelcheAnnehmlichkeiten gebe. Dies wre ein schlechtes Fundament fr ein solchherrliches, groes Bauwerk. Baut man aber auf Sand, so wird alles einstrzen. Niewird man das Unbehagen und die Versuchungen loswerden. Denn hier sind nochnicht die Wohnungen, wo es Manna regnet. Die liegen weiter innen. Dort schmecktalles so, wie die Seele es sich wnscht, weil sie nichts anderes will, als was Gottwill. Es ist schon recht seltsam: Noch stecken wir in tausend Schwierigkeiten undUnvollkommenheiten, und die Tugenden haben noch nicht einmal das Laufengelernt, weil sie ja eben erst sich angeschickt haben, das Licht der Welt zuerblicken (Gott gebe, da sie sich dazu angeschickt haben!) schmen wir uns da

    nicht, vom Gebet Genu zu erwarten und uns ber Drre zu beklagen? Niemalskomme euch so ein Gedanke, Schwestern. Klammert euch an das Kreuz, das euerBrutigam auf sich nahm, und erkennet, da dies euer Auftrag ist. Wer mehr zuerleiden vermag, der leide mehr fr ihn, und er wird umso mehr die Befreiungerfahren. Das brige betrachtet als etwas Beilufiges, und sollte es der Herr euchschenken, so dankt ihm dafr von Herzen.Ihr meint vielleicht, ihr wret wohl bereit und entschlossen, die ueren Leiden aufeuch zu nehmen, wenn nur der Herr euch innerlich beschenkt. Seine Majestt wei

    besser, was gut fr uns ist. Wir haben keinen Grund, ihm Ratschlge zu geben, waser uns schenken soll; denn er kann mit Recht uns sagen, da wir nicht wissen, waswir bitten, Wer sich dem Gebet zu widmen beginnt verget das nie, denn es istsehr wichtig , der mu allein danach streben, sich mit allem Flei und Eifer, mit

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    aller Entschlossenheit, deren er fhig ist, sich darauf einzustellen, da sein eigenerWille mit dem Willen Gottes bereinstimme. Und nehmt es als ganz gewi, dahierin wie ich euch spter noch sagen werde alle hhere Vollkommenheit

    besteht, die man auf dem geistlichen Weg erlangen kann. Wer das amvollkommensten vermag, der wird am meisten des Herrn teilhaftig werden und istam weitesten auf diesem Wege fortgeschritten. Denket nicht, da es hier auerdemseltsamgeheimnisvolle Rtselreden oder unerhrte und unbegreifliche Dinge gibt;denn in dem Gesagten besteht unser ganzes Heil. Wenn wir am Anfang irren undwnschen, da der Herr nach unserem Willen verfhrt und uns fhrt, so wie wir unsdas vorstellen welche Festigkeit kann da dieses Bauwerk besitzen? Bemhen wiruns, das zu tun, was an uns liegt, und hten wir uns vor diesem giftigen Gewrm;denn oft will der Herr, da bse Gedanken uns verfolgen und qulen, die wir nichtabschtteln knnen, so da Drre ber uns kommt. Zuweilen lt er es sogar zu,da das bse Getier uns beit, damit wir uns spter besser in acht zu nehmen

    wissen, und um zu erproben, ob es uns sehr bedrckt, wenn wir ihn beleidigt haben.Darum lat den Mut nicht sinken, wenn ihr einmal fallen solltet, und hrt nicht auf,vorwrts zu streben; denn auch diesen Sturz wird Gott zum Guten wenden, wie esder Theriakverkufer tut, der zuerst Gift trinkt, um zu beweisen, da die Arzneiheilkrftig ist. Wrden wir nirgends sonst wo unser Elend und den groen Schadenerkennen, den uns das Umherstreunen einbringt, als in dieser Schlacht, die wirdurchzufechten haben, um uns wieder zu sammeln, so wre dies schon genug.Kann es etwas Schlimmeres geben, als da wir uns in unserem eigenen Haus nichtzurechtfinden? Wie knnen wir hoffen, in anderen Husern Ruhe zu finden, wennwir sie im eigenen nicht zu finden vermgen? Selbst so groe, so echte Freundeund Verwandte wie unsere Seelenkrfte, mit denen wir immer, ob wir es wollenoder nicht, zusammenleben mssen, scheinen mit uns im Streit zu liegen, als wrensie verrgert durch die Feindschaft, mit der unsere Laster sie befehdet haben.Friede, Friede! mit diesem Wort, meine Schwestern, ermahnte der Herr so oftseine Jnger. Denn glaubt mir: wenn wir ihn im eigenen Haus nicht haben undnicht dafr sorgen, da er darin herrscht, so werden wir ihn auch in den fremdenHusern nicht finden. Macht endlich Schlu mit diesem Streit! Um des Bluteswillen, das er fr uns vergossen hat, bitte ich diejenigen, die noch nicht damit

    begonnen haben, in sich zu gehen; und die anderen, die schon angefangen haben,

    flehe ich an, es damit nicht bewenden zu lassen und nicht zurckzuweichen. Siesollen bedenken, da der Rckfall schlimmer ist als der Fall. Meinen sie schon ihreNiederlage zu sehen, dann sollten sie auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen, nichtauf sich selbst. Und sie werden sehen, wie Seine Majestt sie von Wohnung zuWohnung fhrt und in das Land bringt, wo die wilden Tiere sie weder anrhrennoch mdehetzen knnen. Die Seele macht sie vielmehr alle sich untertnig undspottet ihrer, und sie geniet mehr Gter, als sie wnschen knnte, und zwar nochin diesem Leben, das sage ich euch.Schon am Anfang habe ich gesagt, da ich bereits anderswo fr euch beschriebenhabe, wie ihr euch in diesen Verwirrungen, die hier der Satan stiftet, verhalten sollt.

    Nicht gewaltsam mt ihr vorgehen, wenn ihr euch zu sammeln beginnt, sondernmit Sanftheit, damit ihr es mit grerer Bestndigkeit tun knnt. Ich will hier nichts

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    weiter dazu sagen, als da es meines Erachtens sehr vorteilhaft ist, sich miterfahrenen Personen zu besprechen; denn manchmal werdet ihr vielleicht meinen,da Dinge, die notwendigerweise getan werden mssen, einen schrecklichenSchaden anrichten. Der Herr wird alles zu unserem Nutzen lenken, auch wenn wirniemanden finden, der uns belehren knnte es sei denn, wir geben es auf; denngegen dieses Unheil gibt es kein Mittel (auer dem einen, da man von vorne

    beginnt), und die Seele erleidet von Tag zu Tag einen immer rgeren Verlust, undGott gebe, da sie es merkt.Es knnte nun eine von euch auf den Gedanken kommen, wenn es etwas soSchlimmes ist, wieder umzukehren, dann wre es besser, niemals zu beginnen undauerhalb der Burg zu bleiben. Ich sagte euch schon am Anfang und der Herrselber sagt es , da der, welcher sich in Gefahr begibt, darin umkommt und dadas Tor, durch welches man in diese Burg eintritt, das Gebet ist. Der Gedanke, wirwrden in den Himmel kommen, ohne in uns zu gehen, ohne uns selber zu

    erkennen, unser Elend zu bedenken, unsere Schuld vor Gott, und ohne ihn vielmalsum Erbarmen zu bitten, ist also tricht und widersinnig. Der Herr selber sagt:Niemand kommt zum Vater denn durch mich (so heit es, glaube ich; doch ichwei es nicht genau). Und ferner: Wer mich sieht, der sieht meinen Vater. Wennwir ihn also nie anschauen, wenn wir nie den Tod betrachten, den er fr uns erlittenhat, nie bedenken, was wir ihm schulden, so wei ich nicht, auf welche Weise wirihn erkennen und in seinem Dienste Werke vollbringen knnten. Denn bringtder Glaube keine Werke hervor und kommt zu diesen nicht der Wert der VerdiensteJesu Christi, unseres Herrn, hinzu welchen Wert knnten sie haben und wererweckte unsere Liebe zu diesem Herrn? Mge es Seiner Majestt gefallen, uns dieEinsicht zu geben, wieviel wir ihn gekostet haben, und uns erkennen zu lassen, dader Diener nicht mehr ist als der Herr; da wir Werke schaffen mssen, um unsseiner Herrlichkeit zu erfreuen, und da es deshalb ntig ist zu beten, damit wirnicht immer in Versuchung sind.

    DIE DRITTE WOHNUNGERSTES KAPITEL

    Was sollen wir denen, die durch Gottes Erbarmen diese Kmpfe siegreichbestanden haben und beharrlich bis in die dritte Wohnung vorgedrungen sind,anderes sagen als: Selig der Mann, der den Herrn frchtet? Es ist keine geringeGunst, da der Herr mich jetzt verstehen lt, was der spanische Wortlaut diesesVerses hier besagen will; denn fr gewhnlich fllt es mir nicht leicht, den rechtenSinn eines solchen Textes zu begreifen. Wahrlich, mit Recht nennen wir diesenMann selig. Kehrt er nmlich nicht um, so geht er soweit wir es verstehen aufsicherem Wege seiner Erlsung entgegen. Hier werdet ihr erkennen, Schwestern,wie wichtig es ist, da die Seele in den vorhergehenden Kmpfen den Sieg erringt;

    denn ich halte es fr gewi, da der Herr dann niemals sumen wird, ihr dieSicherheit des Gewissens zu gewhren, und das ist keine geringe Gabe. Ich sageSicherheit und habe mich damit schlecht ausgedrckt; denn die gibt es nicht in

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    diesem Leben. Wenn ich davon rede, so mt ihr verstehen, da ich es immer unterdem Vorbehalt meine: falls die Seele nicht aufhrt, dem eingeschlagenen Weg zufolgen.Ein schlimmes, schmerzliches Unheil ist es, da wir uns in diesem Leben stets soverhalten mssen wie Menschen, vor deren Tor die Feinde liegen, so da sie wederschlafen noch essen knnen, ohne Waffen bei sich zu haben, und immer in derAngst leben, die Gegner knnten irgendwo in die Festung einbrechen. O mein Herrund mein Heil! Warum willst Du, da man ein solch erbarmungswrdiges Leben

    begehrt? Denn es ist unmglich, darauf zu verzichten und Dich zu bitten, da Duuns ihm entreiest, wenn einen nicht die Hoffnung erfllt, es fr Dich zu verlieren,es wahrhaftig in Deinem Dienste hinzugeben, und wenn einem die Erkenntnismangelt, da dies Dein Wille ist. Wenn dies Dein Wille ist, mein Gott, dann wollenwir mit Dir sterben, wie der heilige Thomas sagte; denn ohne Dich zu leben, in derFurcht, Dich vielleicht fr immer zu verlieren, das bedeutet dasselbe wie oftmals zu

    sterben. Darum sage ich, Tchter, da die Seligkeit, um die wir bitten mssen, jenesGlck ist, schon jetzt in Sicherheit bei den Seligen zu sein. Solange wir diese Angstim Herzen haben welche Freude knnte da der empfinden, dessen ganze Freudees ist, Gott zu erfreuen? Und bedenkt, da manche Heilige, die in schwere Sndefielen, dieselbe und eine noch viel grere Angst erfuhren. Und wir sind nichtsicher, da Gott uns die Hand reichen wird, damit wir dem Bsen entkommen undBue tun wie sie, durch seinen besonderen Beistand.Wahrlich, meine Tchter, ich schreibe dies hier mit so viel Angst, da ich nichtwei, wie ich es schreibe, noch wie ich berhaupt leben kann, wenn mir dies zuBewutsein kommt, und das geschieht sehr oft. Bittet, meine Tchter, da SeineMajestt immer in mir lebe; denn tut der Herr das nicht welche Sicherheit kann esdann fr ein so bel vergeudetes Leben wie das meine geben? Lat euch durchdiese Erkenntnis nicht so bedrcken, wie ich es manchmal an euch beobachtethabe, wenn ich dies zu euch sagte. Es schmerzt euch, weil es euer Wunsch ist, ichwre recht fromm gewesen. Und ihr habt recht damit; auch ich wollte dies gern.Doch was soll ich tun, nachdem ich es allein durch meine eigene Schuld vertanhabe! Denn ich werde mich nicht ber Gott beklagen, da er mir nicht so viel Hilfegeboten hat, wie ich gebraucht htte, damit eure Wnsche sich erfllten. Ich kanndas nicht ohne Trnen und ohne groe Verwirrung sagen, weil ich sehe, da ich hier

    etwas fr Menschen schreibe, die mich belehren knnten. Eine harteGehorsamspflicht ist es mir gewesen! Der Herr gebe denn es geschieht umseinetwillen , da es euch irgend etwas ntzt. Bittet ihn, da er dieser elenden,anmaenden Person verzeihe. Doch Seine Majestt wei wohl, da ich mich nurseines Erbarmens rhmen kann und da ich nicht aufhren kann, die zu sein, dieich gewesen bin. Es gibt fr mich keine andere Rettung, als mich an ihn zu wendenund auf die Verdienste seines Sohnes und dessen jungfrulicher Mutter zuvertrauen, deren Kleid ich unverdienterweise trage. Lobet ihn, meine Tchter, dieihr ebenfalls dieses Kleid traget; denn ihr seid wahrhaftig die Tchter dieser Herrinund mt euch, da ihr eine solch gute Mutter habt, nicht schmen, weil ich verderbt

    bin. Folget ihrem Beispiel und bedenkt, wie erhaben die Gre dieser Herrin seinmu und wie gro das Glck, unter ihrer Schutzherrschaft zu stehen; denn meine

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    Snden und die Art meines Wesens haben nicht ausgereicht, diesem heiligen Ordenauch nur das Geringste von seinem Glanz zu nehmen.Doch ich gebe euch den Rat, euch nicht deswegen in Sicherheit zu wiegen, weil ihrzu diesen Tchtern gehrt und eine solche Mutter habt. David war sehr heilig, undihr wit ja, was Salomon gewesen. Haltet euch nichts zugut auf dieAbgeschlossenheit, in der ihr lebt, noch auf eure Bubungen. Auch sollt ihr euchnicht in Sicherheit whnen, weil ihr immer von Gott redet, euch stndig im Gebetbt, so fern von den weltlichen Dingen lebt und sie wie ihr meint verschmht.Das ist alles gut, doch es gengt nicht wie ich schon sagte , um uns von derAngst zu befreien; und darum ruft euch oft diesen Vers in die Erinnerung: Beatusvir, qui timet Dominum.Ich wei nicht mehr, was ich sagte; denn ich bin weit abgeschweift, und wenn ichan mich selbst denke, so zerbrechen mir die Flgel, die ich brauchte, um etwasGutes zu sagen. Deshalb will ich jetzt damit aufhren und zurckkehren zu dem,

    was ich euch ber jene Seelen zu sagen begonnen hatte, die in die dritte Wohnunggelangt sind und denen der Herr keine geringe, nein, eine sehr groe Gnadeerwiesen hat, als er sie die ersten Schwierigkeiten berwinden lie. Ich glaube,solche Seelen gibt es dank der Gte Gottes viele auf der Welt. Ihr ernsterWunsch ist es, Seine Majestt nicht zu beleidigen; selbst vor den llichen Sndennehmen sie sich in acht und lieben die Bue, die Stunden der inneren Sammlung;sie machen einen guten Gebrauch von ihrer Zeit, ben sich in Werken der

    Nchstenliebe, sind sehr zuchtvoll in ihrem Reden, ihrer Kleidung und der Art, inder sie ihr Haus verwalten, falls sie eines haben. Wahrlich, ein Stand, den man sichwnschen mu. Und es scheint keinen Grund zu geben, warum solchen Seelen derEintritt in die letzte der Wohnungen verwehrt werden sollte. Auch wird der Herr esihnen nicht verweigern, wenn es ihr Wunsch ist, hineinzugelangen; denn sie sindwohl vorbereitet, die volle Gnade von ihm zu empfangen.O Jesus! Und wer wrde sagen, da er ein so groes Gut nicht wollte, vor allemwenn er schon das grte Leid erlebt hat? Nicht ein einziger. Wir alle sagen, dawir es wollen, doch da noch mehr erforderlich ist, damit der Herr die Seele ganz inBesitz nimmt, gengt es nicht, da wir es sagen genauso wenig wie es bei demJngling gengte, dem der Herr sagte, was er tun msse, wenn er vollkommen seinwolle. Seitdem ich von dieser dritten Wohnung zu reden begonnen habe, ist mir

    dessen Gestalt vor Augen; denn wir sind tatschlich in genau der gleichen Lage.Fr gewhnlich haben die groen Drrezeiten, die wir in unserem Gebet erleben,hier ihre Ursache, wenngleich es freilich noch andere Grnde dafr gibt.Verschiedene innere Leiden, von denen viele gute Seelen unertrglich gepeinigtwerden und an denen sie nicht die geringste Schuld haben (aus welchen der Herrsie aber stets mit groem Gewinn hervorgehen lt), will ich einmal beiseite lassen;ebenso die Qualen solcher Menschen, die von der Melancholie und anderenKrankheiten heimgesucht werden. Die Gerichte Gottes mssen wir berhauptauerhalb unserer Errterung lassen. Die hufigste Ursache der Drre ist jedochmeines Erachtens das, was ich gesagt habe. Da diese Seelen von sich selbst wissen,da sie um nichts in der Welt eine Snde begehen wrden, da viele von ihnennicht einmal ein lliches Vergehen mit Bewutsein sich zuschulden kommen

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    sein ganzes Erdenleben ist nichts anderes als ein Dienen gewesen.)Achtet genau, meine Tchter, auf verschiedene Dinge, die hier angedeutet sind,wenn auch verworren; denn ich wei es nicht besser zu erklren. Der Herr wird eseuch zu verstehen geben, damit die Drre euch den Gewinn der Demut bringt undnicht Unruhe euch berkommt, wie es der Satan will. Und glaubt es: wo wahreDemut herrscht, da wird Gott, auch wenn er niemals besondere Gaben gewhrt,einen Frieden und Einklang stiften, in dem ihr frhlicher leben mget als andere,denen Geschenke zuteil werden; denn oft gibt sie die gttliche Majestt, wie ihrgelesen habt, den Schwchsten, von denen ich freilich glaube, da sie diese Gnadennicht fr die Strke jener, die in der Drre leben, zum Tausch geben wrden. Wirlieben die Freuden mehr als das Kreuz. Prfe Du uns, Herr, der Du die Wahrheitweit, damit wir uns selbst erkennen.

    ZWEITES KAPITEL

    Ich habe manche, ja ich kann wohl sagen, ziemlich viele Menschen gekannt, die indiesen Stand gelangten und viele Jahre in dieser Rechtschaffenheit und Harmonielebten, mit Leib und Seele, soweit dies zu erkennen war, und die hernach, wie sieanscheinend bereits Herr ber die Welt geworden waren oder sich dochzumindest grndlich deren Tuschung entzogen hatten , durch Seine Majestt innicht sehr groen Dingen geprft wurden und deshalb in solche Unruhe strzten,sich so bedrckt in ihrem Herzen fhlten, da ich ihnen vllig hilflos und recht

    ngstlich gegenberstand. Ihnen Ratschlge zu geben, hat keinen Wert; denn da sieschon so lange mit der Tugend zu tun haben, meinen sie, andere belehren zuknnen, und glauben, mehr als berechtigt zu sein, sich ber jene Dinge zu hrmen.Ich habe jedenfalls kein Mittel gefunden und finde auch jetzt keines, mit demsolche Menschen zu trsten wren, auer dem einen, da man ihnen zeigt, wie vielMitgefhl man fr ihren Kummer hat. Man mu wirklich zusehen, wie sie unterihrem Elend leiden, und kann ihnen doch nicht widersprechen, weil sie sich alleeinig sind in dem Gedanken, da sie dies fr Gott erdulden. Darum kommen sieauch nicht zu der Einsicht, da ihre eigene Unvollkommenheit daran schuld ist.

    Damit erliegen diese Menschen, die so weit fortgeschritten sind, einer weiterenTuschung. Da sie darunter leiden, braucht einen nicht zu verwundern, obwohl nach meiner Ansicht die Traurigkeit wegen solcher Dinge rasch vorbeigehenmu. Denn oft will Gott, da seine Erwhlten ihre eigene Armseligkeit fhlen, undentzieht ihnen darum ein wenig seine Gunst; mehr braucht es fr gewhnlich nicht,damit wir sehr rasch zur Selbsterkenntnis finden. Und dann versteht man diese Artvon Prfung; denn man erkennt klar und deutlich seinen Fehler, so da es einenmanchmal mehr bekmmert, sehen zu mssen, da einem ohne da man dagegenaufkommen knnte irdische und nicht sehr wichtige Dinge genauso zu Herzengehen wie dieses Leid. Das halte ich fr eine groe Barmherzigkeit Gottes, und

    obwohl ein Fehler die Ursache ist, bedeutet es einen groen Gewinn fr unsereDemut.Bei den Personen, von denen ich zuerst gesprochen habe, ist dies aber nicht der

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    Fall. In ihrem Herzen wird die eigene Unruhe von ihnen gebilligt, und sie httendarum auch gern, da andere sie gutheien. Ich will einige Beispiele nennen, damitwir uns selber erkennen und uns prfen, bevor der Herr uns prft; denn es wrdesehr viel fr uns bedeuten, wenn wir darauf vorbereitet wren und uns zuvor selbsterkannt htten.Ein reicher Mensch, der weder Kinder noch sonst jemanden hat, dem zuliebe erseinen Besitz erhalten wollte, verliert etwas von dieser Habe, aber nicht so viel, dader Rest, der ihm verbleibt, nicht dazu ausreichen wrde, ihm das Ntigste frseine Person und fr sein Haus zu bieten; er hat vielmehr noch immer mehr alsgenug. Wre dieser Mensch nun so aufgeregt und ruhelos, als habe er keinStckchen Brot mehr zu essen wie sollte unser Herr da von ihm fordern, da erum seinetwillen alles verlasse? Der Betreffende wendet ein, es tue ihm nur leid,weil er es fr die Armen bewahren wolle. Ich glaube, Gott ist mehr daran gelegen,da ich in das einwillige, was Seine Majestt tut, und da ich trotz meiner eigenen

    Absichten meine Seelenruhe bewahre. Gelingt einem das nicht, weil der Herreinem noch nicht so nahe gekommen, dann ist das verzeihlich; aber man sollte dannauch einsehen, da einem diese Freiheit des Geistes noch fehlt. Dadurch macht mansich bereit, da der Herr sie einem gibt; denn man wird ihn darum bitten.Ein anderer Mann hat reichlich zu essen, ja im berflu. Da bietet sich ihm dieGelegenheit, noch mehr Besitz zu erwerben. Nimmt er, was man ihm gibt schnund gut; doch wenn er sich darum abmht und, nachdem er es bekommen hat, mehrund immer mehr haben will, aus welch guter Absicht auch immer (denn die hat ersicher, da es sich ja, wie gesagt, um lauter tugendhafte, dem Gebet ergebenePersonen handelt), so mag man dessen sicher sein, da er niemals zu denWohnungen emporsteigen wird, die dem Knig am nchsten sind.Das gleiche geschieht, wenn diese Menschen eine Geringachtung erfahren oderwenn man ihre Ehre ein wenig schmlert. Gott erweist ihnen zwar die Gnade, dasie es oft mit Geduld ertragen knnen (denn er hilft sehr gern der Tugend vor derUmwelt auf, damit nicht die Tugend selbst mit denen zu leiden habe, die sie zuverkrpern scheinen; vielleicht auch deshalb, weil diese Menschen ihm gedienthaben, denn der Herr, unser Heil, ist sehr gut), aber dennoch erfllt sie eine solcheUnruhe, die sie vllig aus der Fassung bringt und der sie sich nicht so raschentwinden knnen. Ach Gott, sind dies nicht dieselben Menschen, die schon seit so

    langer Zeit in der Betrachtung leben, wieviel der Herr gelitten hat, wie gut dasLeiden ist, und die sich selber sogar danach sehnen? Sie htten gern, da alle einsolch mavolles, ordentliches Leben fhren wie sie, und Gott gebe, da sie nichtdenken, die Pein, die sie erleiden, rhre von fremder Schuld her, und da sie es sichin ihren Gedanken nicht noch als Verdienst anrechnen.Ihr werdet nun meinen, ich wiche von meinem Vorsatz ab und redete nicht mehr zueuch, weil diese Dinge ja bei uns nicht zu finden sind; weil wir weder einen Besitzhaben noch ihn begehren, noch uns darum bemhen, und weil auch niemand uns

    beleidigt. Darum sind diese Gleichnisse auch nicht wrtlich zu nehmen. Es sinddaraus viele andere Dinge, die geschehen knnen, zu entnehmen; Dinge, die wirlieber nicht nher bezeichnen wollen. Dazu besteht auch kein Grund. Mit Hilfedieser Gleichnisse werdet ihr erkennen, ob auch keine Faser mehr von dem an euch

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    ist, was ihr verlassen habt; denn es zeigen sich kleine Dinge wenn auch nicht vongenau derselben Art , die euch sehr gut erproben und erkennen lassen, ob ihrHerrinnen eurer Leidenschaften seid. Und glaubt mir, da es nicht darauf ankommt,ob man ein geistliches Gewand trgt oder nicht, sondern darauf, da man danachtrachtet, die Tugenden ttig zu ben und unseren Willen dem Willen Gottes in allemanheimzugeben; da nichts anderes die Ordnung unseres Lebens sei, als was SeineMajestt verfgt, und da wir nicht wnschen, da unser Wille, sondern da seinWille geschehe. Sind wir aber noch nicht so weit gelangt, dann heit es, wie gesagt,Demut wahren; Demut, die eine Salbe fr unsere Wunden ist; denn wenn sie inWahrheit vorhanden ist, so wird mag es auch eine Weile anstehen der gttlicheWundarzt kommen, um uns zu heilen.Die Bubungen, die diese Seelen machen, sind so mavoll wie ihr ganzes Leben,das ihnen lieb und wert ist, weil sie unserem Herrn damit dienen wollen was allesnicht schlecht ist. Deshalb sind sie auch mit groer Klugheit darauf bedacht, bei

    diesen bungen ihrer Gesundheit nicht zu schaden. Frchtet nicht, da sie sichdabei umbringen knnten. Ihre Vernunft ist klar in sich gefestigt. Noch ist die Liebenicht da, die einen der Vernunft entreit. Doch ich wollte, wir htten sie, damit wiruns nicht begngen, auf diese Weise Gott zu dienen: immer langsam, Schrittchenum Schrittchen; denn so nimmt der Weg fr uns nie ein Ende. Und da wir immerweiterzugehen meinen und dabei mde werden denn glaubt mir, es ist einanstrengender Weg , so ist es ein groes Glck, wenn wir unterwegs nichtzugrunde gehen. Meint ihr, Tchter, wenn wir den Weg von einem Land in einanderes in acht Tagen zurcklegen knnten, da es dann gut wre, wenn wir unsdazu ein Jahr lang in Schenken, im Schnee und Regen und auf schlechten Straenherumtreiben wrden? Wre es nicht besser, es auf einmal hinter sich zu bringen?Denn all diese Unannehmlichkeiten erwarten uns sonst, und wir sind vonSchlangen bedroht. Oh, wie genau knnte ich euch das beschreiben! Und Gottgebe, da ich selbst darber hinaus bin; denn recht oft will mir das Gegenteilscheinen.Weil wir uns so bedachtsam und wohlberlegt bewegen und uns vor allem frchten,darum setzt uns alles zu, krnkt uns und tut uns weh, und darum wagen wir nicht,vorwrts zu schreiten, und tun so, als ob wir zu diesen Wohnungen gelangenknnten, whrend andere den Weg fr uns gehen. Das ist unmglich. Lat uns alle

    Kraft zusammennehmen, meine Schwestern, aus Liebe zum Herrn. bergeben wirunsere Vernunft und unsere ngste seinen Hnden und vergessen wir die natrlicheSchwche, die uns viel zu schaffen machen kann. Die Sorge fr unseren Leib sollendie Vorgesetzten tragen. Komme, was da mag wir wollen nur unserem Herrnentgegeneilen, um ihn zu schauen. Denn obwohl die Bequemlichkeit, die ihr habt,gering ist falls sie berhaupt vorhanden ist , knnte euch doch die Sorge um eureGesundheit betrgen, und zwar um so rger, weil diese dadurch nicht besser wird.Das habe ich erfahren, und berdies wei ich, da es nicht auf den Krperankommt das ist das wenigste , sondern darauf, da wir den Weg beschreiten ingroer Demut. Habt ihr das verstanden, wird euch auch klar sein, warum ichglaube, da hier das bel derer zu suchen ist, die nicht weiterkommen. Es mu unsvorkommen, als htten wir erst wenige Schritte getan. Das sollen wir glauben. Und

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    es mge uns scheinen, als eilten unsere Schwestern uns mit geschwinden Schrittenvoraus. Auch sollen wir es nicht nur wnschen, sondern dafr sorgen, da man unsals die Armseligste von allen ansieht.Halten wir es so, dann ist dieser Zustand vortrefflich; andernfalls werden wir

    jedoch unser ganzes Leben lang darin stecken bleiben, unter tausendKmmernissen und Erbrmlichkeiten. Denn weil wir uns selbst noch nichtaufgegeben haben, ist der Weg sehr mhsam und beschwerlich. Hart lastet auf unsdie Erde unseres Elends, von der jene nicht mehr bedrckt werden, die zu denhheren Gemchern emporsteigen. Dort versumt es der Herr nicht, gerecht, ja

    barmherzig zu belohnen; denn er gibt immer sehr viel mehr, als wir verdient haben,und schenkt uns Freuden, die viel grer sind als jene, die uns dieAnnehmlichkeiten und Zerstreuungen des Lebens gewhren knnen. Ich denke abernicht, da er uns viele Wonnen zuteil werden lt, auer das eine oder andere Mal,um die Seelen einzuladen. Da lt er sie schauen, was in den brigen Wohnungen

    geschieht, auf da sie sich rsten, um dort hineinzugelangen.Ihr werdet wohl meinen, da Freuden und Wonnen ein und dasselbe seien, undwerdet fragen, warum ich die beiden Begriffe unterscheide. Nach meiner Ansichtgibt es da einen sehr groen Unterschied. Ich kann mich auch tuschen. Was ichdarunter verstehe, werde ich bei der vierten Wohnung sagen, welche die nchste ist.Da die Wonnen, die der Herr dort schenkt, ein wenig erklrt werden mssen, ist esdort mehr am Platz. Erscheint es auch unntz, so kann es doch von einigem Vorteilsein, wenn ihr erkennt, was das eine und was das andere ist, und danach euch

    bemhen knnt, dem Besseren nachzugehen. Und es ist ein groer Trost fr dieSeelen, da Gott solches tut, und zugleich eine Verwirrung fr jene, die meinen,da sie alles haben. Sind sie demtig, so mu es sie zum Dank bewegen. Mangeltes ihnen daran irgendwie, so wird es ihnen innerlich einen sinnlosen Verdru

    bereiten. Denn die Vervollkommnung besteht nicht in den Wonnen, sondern darin,da man mehr liebt dem entspricht auch der Lohn und da man gerechter undwahrhaftiger handelt.Ihr werdet euch fragen, wozu es dann gut sei, von diesen inneren Gnaden zu redenund sie zu erklren, wenn dies wahr ist (und es ist wahr). Ich wei es nicht. Manfrage den, der mir befohlen hat, dies zu schreiben; denn es ist nicht mein Amt, mitden Ordensvorstehern zu disputieren, sondern zu gehorchen, und anders wre es

    auch nicht gut. Was ich euch in Wahrheit sagen kann, ist dies: Als ich jene innerenGnaden noch nicht empfangen hatte, wute ich weder aus Erfahrung davon, nochdachte ich berhaupt daran, es je im Leben erfahren zu knnen (und mit Recht, eswre mir ja schon eine groe Befriedigung gewesen, zu wissen oder zu vermuten,da ich Gott in irgend etwas gefallen knnte). Als ich damals in den Bchern vondiesen Gnaden und Trstungen las, die der Herr den Seelen, die ihm dienen, zuteilwerden lt, freute es mich ungemein, und es war mir ein Anla, da meine SeeleGott berschwnglich lobte. Wenn meine, die doch so verderbt war, dies tat, sowerden ihn die guten und demtigen Seelen noch viel mehr preisen. Und schon umeiner einzigen willen, die ihn lobt, ist es meines Erachtens sehr gut, da man esausspricht und da wir die Freuden und die Wonnen erkennen, die uns durch unsereeigene Schuld verloren gehen; um so mehr, als diese Erquickungen, wenn sie von

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    Gott kommen, Liebe und Strke mit sich bringen, die uns das Gehen erleichternund uns wachsen lassen in unseren guten Werken und Tugenden. Denkt nicht, daes wenig darauf ankommt, ob wir etwas dazu tun. Wenn der Mangel nicht an unsliegt der Herr ist gerecht, und Seine Majestt wird euch auf anderen Wegen daszukommen lassen, was er euch auf diesem nimmt, ganz nach seinem Wissen; dennseine Geheimnisse sind unerforschlich. Ohne Zweifel wird er uns zumindest immerdas schenken, was uns am meisten frommt.Meines Erachtens wre es sehr ntzlich fr uns, die wir durch Gottes Gte indiesem Stande sind (denn, wie gesagt, der Herr erweist den Seelen damit nichtwenig Erbarmen, da sie nun nahe davor sind, weiter emporsteigen zu knnen),wenn wir die schnelle Bereitwilligkeit des Gehorsams recht erlernten. Und auch frMenschen, die nicht dem geistlichen Stande angehren, wre es sehr wichtig,

    jemanden zu haben, bei dem man sich Weisung holen kann (wie es viele Personentun), um in nichts nach dem eigenen Willen zu handeln; denn darin liegt die

    Ursache unseres Schadens. Dazu sollte man nicht einen anderen Menschen vongleicher Gemtsart suchen; also keinen, der mit der gleichen tastendenZaghaftigkeit sich bewegt, sondern man sollte sich jemanden verschaffen, der sichvon nichts Irdischem mehr blenden und tuschen lt. Denn der Umgang mit einemMenschen, der die Welt schon kennt, trgt viel dazu bei, da wir uns selbererkennen. Und wenn wir sehen, da manche Dinge, die uns unmglich erscheinen,anderen sehr wohl mglich sind; wenn wir gewahren, wie leicht und gelassen diesees vollbringen, so ermuntert uns das sehr, und es ist, als ob wir, wenn wir siefliegen sehen, selber zu fliegen wagten, genau wie Vogelkinder, die das Fliegenlernen. Knnen sie sich auch nicht gleich in die Weite schwingen, so ahmen siedoch ganz allmhlich ihre Eltern nach. Das ist eine groe Hilfe; ich habe es selbsterfahren. Richtig ist es auch, wenn solche Menschen, trotz all ihrerEntschlossenheit, den Herrn nicht zu beleidigen, sich nicht in Gelegenheiten

    begeben, wo sie das tun knnten. Sie sind noch nicht weit entfernt von den erstenWohnungen, und so knnte es leicht geschehen, da sie dorthin Zurckgehen, weilihre Strke noch nicht auf so festem Boden gegrndet ist wie die Kraft derer, dieschon im Leiden erfahren sind, die Strme der Welt kennen und wissen, wie wenigdiese zu frchten und wie wenig deren Freuden zu begehren sind. Und es wremglich, da sie durch eine harte Verfolgung zurckgetrieben werden. Denn der

    Satan versteht es wohl, dergleichen anzustiften, um uns zu schaden, so da wir imguten Eifer, andere von ihren Snden zu befreien, selber den Dingen nicht zuwiderstehen vermchten, die uns dabei begegnen knnten.Schauen wir auf unsere eigenen Fehler und lassen wir die fremden; denn esgeschieht oft, da solche Menschen, die so ordentlich leben, vor allem und jedemerschrecken. Dabei knnte es vielleicht sein, da wir von demjenigen, ber den wir

    bestrzt sind, im Wesentlichsten wohl etwas zu lernen vermchten und da wir ihmnur in der ueren Haltung und im Benehmen berlegen sind. Das ist aber nicht dasWichtigste, obwohl es etwas Gutes ist. Es gibt auch keinen Grund, warum wirwnschen sollten, alle mchten unseren Weg gehen, oder weshalb einer, der selbervielleicht keine Ahnung hat, was fr eine Sache das ist, sich nun anschicken sollte,den Weg des Geistes zu lehren. Aus dem von Gott uns eingegebenen Verlangen

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    nach dem Heil der Seelen knnen wir, meine Schwestern, viele Irrtmer begehen.Es ist darum besser, wenn wir uns an das halten, was unsere Regel sagt: Immer inSchweigen und Hoffnung leben zu wollen. Denn der Herr selber wird fr seineSeelen besorgt sein. Wenn wir nicht nachlassen, Gott anzuflehen, so erweisen wirihnen damit durch seine Gunst einen groen Dienst. Er sei gepriesen in Ewigkeit.

    DIE VIERTE WOHNUNGERSTES KAPITEL

    Ehe ich nun von der vierten Wohnung zu reden beginne, mu ich das tun, was ichschon frher tat: mich dem Heiligen Geiste anvertrauen und ihn anflehen, er mgevon nun an durch mich reden, so da ich von den nchsten Rumen etwas zu sagen

    vermag, was ihr verstehen knnt; denn hier fangen die bernatrlichen Dinge an,und es ist hchst schwierig, sie begreiflich zu machen, falls nicht Seine Majestt estut, wie schon einmal, vor ungefhr vierzehn Jahren, bei einem anderen Buch, indem niedergeschrieben wurde, was ich bis dahin erfahren hatte. Obwohl es mirscheint, als ob die Gnaden, die der Herr manchen Seelen erweist, mir heute einwenig klarer wren, ist es doch noch etwas anderes, dies auch ausdrcken zuknnen. Seine Majestt tue es, wenn es irgendeinen Wert haben soll; und wennnicht, dann eben nicht.Da diese Wohnung dem Orte nher ist, wo der Knig weilt, ist ihre Schnheit gro,und es gibt dort so feine Dinge zu sehen und zu verstehen, da der Verstand sich

    nicht auszudenken vermag, wie man mit Worten es so ausdrcken knnte, da esfr die, welche keine Erfahrung haben, wenigstens nicht vllig dunkel bleibt; dennwer es selbst erlebt hat, wird es recht gut verstehen, vor allem wenn er ber einegroe Erfahrung verfgt. Es mag nun so scheinen, als msse man, um in dieseWohnung zu gelangen, vorher lange Zeit in anderen gelebt haben. Obwohl es dasbliche ist, da man zunchst in den Rumen gewesen sein mu, von denen wireben gesprochen haben, so ist dies doch keine starre Regel, wie ihr wohl schon desfteren gehrt habt; denn der Herr gibt seine Gter, wann er will und wie er willund wem er will. Das bedeutet fr niemanden eine Krnkung.

    Nur selten dringen in diese Wohnung die giftigen Wesen ein, und wenn siehereingelangen, so richten sie doch keinen Schaden an, sondern bringen eherGewinn. Und ich halte es fr viel besser, wenn sie hereinkommen, um uns zu

    befehden, solange wir auf dieser Stufe des Gebets sind; denn wenn es keineAnfechtung gbe, so knnte uns der Satan trotz den von Gott geschenkten Wonnen

    betrgen und uns sehr viel mehr Schaden zufgen. Die Seele htte nicht sovielGewinn, weil dann zumindest all das ihr vorenthalten bliebe, was ihr Gelegenheit

    bieten sollte, sich Verdienste zu erwerben. Sie wrde so in einer stndigenVersenkung belassen, die ich, wenn sie in einem fortdauert, fr nicht ganz geheuerhalte; denn es scheint mir unmglich, da der Geist des Herrn anhaltend hier bei

    uns in der Verbannung weilt.Doch ich mchte nun ber das reden, von dem ich euch sagte, da ich es hiererklren wrde: nmlich den Unterschied, der zwischen den Freuden im Gebet und

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    den Wonnen besteht. Freuden oder Befriedigungen kann man nach meiner Meinungjene glcklichen Empfindungen nennen, die wir durch unsere Meditation und durchdie Bitten, die wir an unseren Herrn richten, erlangen. Sie entstammen also unserer

    Natur, wenn auch letztlich Gott dazu beitrgt (denn man sollte bei allem, was ichsage, im Auge behalten, da wir ohne ihn nichts vermgen). Doch sie sind dieFrucht, die unmittelbar aus dem tugendhaften Werk erwchst, das wir vollbringen;und es scheint, da wir sie durch unsere Mhe selber erworben haben. Mit Rechtempfinden wir ja ein freudiges Gefhl der Befriedigung, weil wir uns solchenDingen gewidmet haben. Doch wenn wir es uns berlegen dieselbe Freude undBefriedigung werden wir auch ber allerlei andere Dinge empfinden, die uns aufErden begegnen: etwa ber ein groes Vermgen, das jemand sich ber Nacht

    beschafft; beim berraschenden Anblick eines Menschen, den wir sehr lieben; beimerfolgreichen Abschlu eines wichtigen Geschftes, eines bedeutsamen Werkes, dasallgemeine Anerkennung findet; oder wenn man unverhofft den totgesagten

    Ehemann, Bruder oder Sohn gesund und munter daherkommen sieht. Ich habegesehen, wie Menschen vor lauter Freude Trnen vergossen; und auch mir selbst istes gelegentlich so gegangen. Und ich meine, da die Befriedigungen, welche unsdurch die gttlichen Dinge zuteil werden, ebenso natrlich sind wie jene, nur sindsie von edlerer Abkunft (was keineswegs heit, da die anderen schlecht wren).Kurz und gut: die Befriedigungen oder Freuden im Gebet beginnen in unserereigenen Natur und enden in Gott; die Wonnen dagegen beginnen in Gott, und die

    Natur empfindet sie und geniet sie genauso sehr wie die Freuden, ja noch vielmehr. O Jesus, wie sehr wnschte ich, dies erklren zu knnen; denn ich glaubehier einen deutlichen Unterschied zu erkennen, aber mein Wissen reicht nicht aus,ihn verstndlich zu machen. Mge der Herr es tun.Jetzt erinnere ich mich eines Verses, den wir in der Prim zum Schlu des letztenPsalmes sagen. Dieser endet mit den Worten: Cum dilatasti cor meum. Wer vielErfahrung besitzt, dem gengt dies, um den Unterschied zu sehen, der zwischenden beiden Empfindungsarten besteht. Wer keine Erfahrung hat, der bentigt dazueiniges mehr. Die Freuden, von denen wir gesprochen haben, erweitern nicht dasHerz; meistens scheinen sie es eher ein wenig zusammenzupressen, trotz allerBefriedigung, die man ber das empfindet, was man Gott zuliebe getan hat. Eskommen einem dabei einige Trnen der Betrbnis, die anscheinend irgendwie von

    der Leidenschaft ausgelst werden. Ich wei wenig von diesen Leidenschaften derSeele (sonst wrde ich es vielleicht verstehen) und von dem, was aus derSinnlichkeit und aus unserer Natur kommt; denn ich bin sehr unwissend. Ich knntemich verstndlich machen, wenn ich mein eigenes Erleben begriffe. Wissen undKenntnisse sind wichtig in jeder Hinsicht. Was ich aus eigener Erfahrung vondiesem Zustand, das heit: von den Geschenken und Befriedigungen in derMeditation wei, ist nur das eine, da ich, wenn ich bei der Betrachtung derPassion zu weinen begann, nicht aufhren konnte, bis mir der Kopf zersprang;weinte ich wegen meiner Snden, so war es dasselbe. So reiche Gnaden hat mirunser Herr erwiesen, da ich jetzt nicht untersuchen mchte, welche davon nun die

    beste sei, die eine oder die andere; ich wollte nur gern den Unterschied, derzwischen beiden besteht, zum Ausdruck bringen. Die Trnen und das Sehnen

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    werden hierbei manchmal von der Natur untersttzt, je nach der Stimmung, in derwir uns befinden. Aber schlielich finden sie, wie gesagt, trotzdem ihr Ziel in Gott.Und man mu es als etwas Hohes schtzen, falls auch die Demut vorhanden ist, dieeinsieht, da man deshalb nicht besser ist; denn es ist nicht zu erkennen, ob allesWirkungen der Liebe sind, und wenn ja, ob sie von Gott eingegeben ist. Meist sindes die Seelen in der vorigen Wohnung, die eine solche Art der Andacht haben; dennsie sind fast stndig mit der Bemhung um Verstndnis beschftigt, sie berlegen,meditieren; und sie tun recht daran, weil ihnen nicht mehr gegeben ist. Freilichwre es gut fr sie, wenn sie sich auch eine Weile damit befassen wrden, Taten zuvollbringen, Gott zu loben und sich seiner Gte zu freuen; wenn sie froh darberwren, da er ist, wer er ist, und seine Ehre und seinen Ruhm wnschten. Nach