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TECHNISCHE MECHANIK 5 (1984)Heft3
Manuskripteingang: 28. 9. 1983
Test eines Auswerteverfahrens für axialsymmetrisdie Spannungs-
zustände am Beispiel der diametral gedrüdcten Kugel
Martin Stockmann, Klaus UIlmann
I. Einleitung
In der vorangegangenen Arbeit [l] wurde ein Verfahren
zur vollständigen Auswertung eines axialsymmetrischen
Spannungszustandes aus den Isotheten der Meridian-
ebene vorgestellt. Zur Vereinfachung ist dabei Inkom-
pressibilität, also v = 1/2 vorausgesetzt. Da beim prakti-
schen Erstarrungsversuch, zu dessen Auswertung das
Verfahren vordergründig dienen soll, v = 0,49 ist, soll an
einem geeigneten Testbeispiel der dadurch entstehende
systematische Felder abgeschätzt werden. Weiter wird
das Beispiel auch eine Aussage zu den Unsicherheiten des
Auswerteverfahrens hinsichtlich der enthaltenen numeri-
schen Differentiation und Integration gestatten.
2. Testbeispiel
Von einem Testbeispiel, das zur Beurteilung eines Aus-
werteverfahrens für experimentelle Daten dient, ist allge-
mein zu fordern, daß eine exakte theoretische Lösung
vorliegt, daß das Beispiel eine saubere Versuchsdurchfüh-
rung erlaubt (exakte Einhaltung der Randbedingungen
bei möglichst einfachem Versuchsaufbau) und daß es für
eine Klasse praktischer Probleme repräsentativ ist. Unter
diesen Gesichtspunkten wird als Beispiel fiir axialsym-
metrische Probleme die diametral gedrückte Kugel ausge-
wählt.
Über die Technologie der experimentellen Untersuchun—
gen wurde bereits in der Arbeit [2] berichtet. Bevor die
eigentlichen Testergebnisse diskutiert werden, wird des-
halb nur noch auf einige Eigenschaften der theoretischen
Lösung und deren numerische Umsetzung eingegangen.
2.1. Theoretische Lösung fiir die Verschiebungen
Die theoretische Lösung für die Verschiebungen erfolgt
nach Lurje Ausgangspunkt seiner Theorie ist der
Dreifunktionenansatz nach Papkovic und Neuber für die
elastischen Grundgleichungen, der auf sphärische Koor—
dinaten r, 1‘}, cp transformiert wird. Lösungen sind dann
räumliche Kugelfunktionen der Form rn Pn (u), wobei
P“ (u) Legendresche Polynome darstellen. Entsprechend
wird auch die äußere Belastung in Reihen dieser Polyno-
me entwickelt.
Wegen der schlechten Konvergenz der erhaltenen Lösung
werden die Reihen mittels Partialbruchzerlegung der
Koeffizienten in langsam konvergierende Anteile und in
relativ gut konvergierende Reste zerlegt. Die langsam
konvergierenden Teile werden derart angesetzt, daß nach
Integration eine Darstellung in geschlossener Form mög—
lich ist. Die endgültigen Lösungen für die radiale und
meridionale Verschiebung lauten dann
"7‘ 81rGr0
_ In <s+P—u)(s.—p—#)
Fp {2011—2) + I—p2(1—p2 + l—p2 _2) + 4011—1)
m+ 1 2 p2 S3 s3 m4!-
.1+92
2p2
. 011 51 s+p—p
l l —2 12' —— ——- l———-———2(/s+ /s* )+/ (p +p3)(ns* p u p)
012 52 s+p—]J‚ S -P—I1+1/2- ——+— _ 11 I— + 1p;—(p2 p4)l(p n) n 1_u (p u) n l_
+ 2_S_S* _p2]+k§;1(L2k(3)+ M2153) p—2) p2k sz ‚
u 2 — —— ———-— +1/2- _+__
Ü 8nGro{ p (S3 S*3) (p p3)
_ ö + _- ___“p21 +__._._I‘lerl ]+I/2-(ZÄ+_2_)[“(S 5* 2).
(l—u )s (l—#2)s* p2 p4 1 —u2
0° (3) (3) —2 2k ‚
(1_„)2 11516221: +S2k p )‘° Paw}
(2)
Dabei bedeuten p = r/ro die dimensionslose Radiusko-
ordinate, m die Poissonsche Konstante,
p = cost9,(3)
x/f+p2—2pu ‚ (4)
S
it—
\/l+p2+2p}1. (5)
Die Glieder a, ß, 7, ö hängen nur von m, die Koeffizien-
ten L2kl3), M2k(3), Q2k(3), Süß) von k und m ab,
vgl. [3, S. 362 — 364].
Die vorstehende Lösung zeigt zwar die erwartete Konver-
genz, bereitet dafür aber für p < 1 numerische Schwierig-
keiten, weil in den endlichen Summen Differenzen nähe-
rungsweise gleichgroßer Zahlen auftreten. Infolge der
daraus entstehenden Rundungsfehler erhält man bei-
spieisweise für p = 1/25 ein auf 3 Stellen genaues Ergeb-
nis erst dann, wenn die Zahlenrechnung mit 14 Ziffern
ausgeführt wird. Im Falle p = 0 versagen die Gleichungen
überhaupt.
In diesen Fällen, d. h. praktisch für 0 Q p < 1/4, ist es
daher zweckmäßig, mit den nichtzerlegten Reihen zu
rechnen. Nach einigen Umformungen der ursprüngli-
chen Lurjeschen Lösung erhält man
ä_u
I’
hen konvergieren aber mit dem Faktor k multipliziert
schlechter als die Lösung für die Verschiebungen. Die
Spannungen werden deshalb nach einer Theorie von
_ Fp 2(m——2) °° 4k.+1 Sternberg und Rosenthal [4] berechnet, die auf der
ur — im: { m+1 _ +k§1 A [_(2k+1) (2k“2+4/m) Boussinesqschen Spannungsfunktion für axialsymmetri-
sehe Probleme beruht und ebenfalls aus einem geschlos-
+ 212(k (4k2 + 4k _ l + 2/m) p_2]p2k PR} ’ (6) senen sow1e einem Reihenanteil besteht
*1 [s] 2 [801+ [R01 . (12)
_ Fp sind[So] stellt darin die Lösung für eine auf den Halbraum
“'3 _ — 871Gl- x <ro im Punkt x = ro nach unten bzw. auf den Halb-
o raum x ä —r0 .im Punkt x r: ~ rO nach oben gerichteten,
g 4k+l 1 2 auf der x-Achse liegenden Kraft dar, [R0] ist eine unend—
k: l A _ l — 2k—5+4‘/m +2k_1(4k +4k—1+2/m) liche Reihe, deren Koeffizienten so bestimmt werden,
daft die Randbedingungen einer freien Kugeloberfläche
. p—2] pzk P' (7) erfiillt sind. Beide Lösungsanteile sind in unterschiedli-
2k ’ chen Koordinatensystemen angegeben; [SO] in Bipolar-
wobeikoordinaten, [R0] in_l(ugelk00rdinaten. . n
Für den Sonderfall Aquatorebene x = 0 lassen smh die
A z 2k(2k_1)+(4k+1) m+1 . (8) Spannungen explizit aufschreiben. Wenn speziell m = 2
m gesetzt, gilt
F 81
Dazu kommt, daß letztere Gleichungen einfacher sind 0x z 2 { ’ E + 3%sz -— 1/8
als (1), (2) und somit kürzere Rechenzeiten erfordern. 7T I‘o u
Ferner ist zu bemerken, da6 auch die Verschiebung längs 0°
der Achse besonders zu behandeln ist, nämlich durch ' V 2(1--p)(3p2 ——6p) + E a_2k_l
Grenzübergang der Gleichungen (1), (2) für [.1 -> 1. Es k:l
f l '
ogt -[P2k_(4k2_2k)P_2k_1]p2k—2
Fp 2(m—2) 4(m—1) 1 +p2 a1 [31 0°
= + + o __ _n
8„g‚o{ mu m 1_p2 1/2 (p +p3) — 2 b_2k_‚2[(—8k3—24k2—2zk—6)
k=2
1+p 0‘ ß - ' 2k
'(lnÜ-2P)+1/2'(%+%)[(1+p)ln(1+p)+(1_p) P~2k—1 +(2k+3)P—2k—2]p }~, (13)
‘ p p
F 3p2\/P2+1 2+2+2\/2
- __ _2 0° (3) (3) _2 a :‘ {‘H—BIS-l p_____L+_]
In (1 P) p 1+k§1(sz + M21 P W“} ~ (9) ' m02 (p2+1)3 / n 4
Bei kleinen Werten p ist wiederum nach Gl. (6) zu rech. + 3/304 I ‘02 ' [EI [a—Zk—l (“‘2 — 21‘) P_2k-1 P2k+2
nen. Für die Verschiebung in der Äquatorebene schließ- _
lich berechnet sich mit 11 = 0 — b_2k_2 (8k3 —8k—3) P_2k_1 p2k1}
I
Fp 2(m—2> 4<m—1> a1 61 2— + __ . __ _ +2+ 2
817Gr0{ m+1 m 2)+1/2 (p +p3) g‘pziz_{3/16.[_3ln‘;\/p+i
1T ro 4
x/E + 1 \/§ + l'ln —2+l/2-a+ l +1—2 2(fl_l ) (2 ß2)(nfl_l f) _5+6p2+1—\/P2+1]
p2
+§L(3’+M(3)P 0 1 °°k=1( 2k 2k ) 2k( ) ’ < 0) + 141/152 +15/304-p2 _ z [a_2k_1 112k p2k—2
wobei das Legendresche Polynom sich vereinfacht zu k=2
k 1 2. + b12114 <2k+3> P;2k_2 pzkl} (15>
P = “ ‘ .2k(0) ifl 2i . (11)
A d a _ —192k5 + 480k4 + 1092 k3 + 492 k2 —— 36 k — 40,5
nsonsten wer en die Polynome und deren Ableitung ‘2k-l _ _ 2
zweckmäßig nach den bekannten Rekursionsformeln be- 16 k (k 1) (2k_1) (4k—1) (4k+3) (2k+1) (4klgglkfl’5)
rechnet. b _ — 24 k3 + 12 k2 + 16,5 k — 4,5 (
—2k—2 __ _ 2
2.2. Theoretische Lösung für die Spannungen 8 k (k l) (4k 1) (4k+3) (2k+1) (4k “mi-1’37)
Nach der Lurjeschen Theorie lassen sich zwar die Span- P _ pz “ 1
nungen prinzipiell auch berechnen [3, S. 339]; die Rei- p2 + 1 (18)
73
Die Reihen sind alternierend und konvergieren im ge-
samten Definitionsbereich 0<p< 1. Allerdings nimmt
die Konvergenz mit steigendem p ab. Die notwendige
Anzahl von Gliedern der Reihe, die bei einer geforderten
Genauigkeit zu berechnen ist, kann mittels der normier-
ten Radialspannung
~ 01'
a = ‚ (19)
r F/1Tro2
die am Rand p = 1 verschwinden muß, abgeschätzt wer-
den. Es berechnet sich bis k = 10, ’5, : 3 - 10-4, bis
k = 50,5r = 6- 10-6 und bisk : 500,27r = 2- 10—8.
3. Ergebnisse
Der Test des Auswerteverfahrens erfolgt an den Span-
nungen in der Äquatorebene. Diese werden
1. theoretisch berechnet nach den Gln. (13) bis (15);
2. aus Isotheten, die nach den Gln. (1), (2) bzw. (6),
(7) berechnet sind, nach dem in [1] angegebenen Ver—
fahren ausgewertet;
3. aus experimentell ermittelten Isotheten [2] nach dem
Verfahren [1] ausgewertet.
Zwecks Trennung der einzelnen Einflüsse sind die Iso-
theten für den ideal inkompressiblen Fall V = 1/2 und
für V = 0,49 berechnet. Die Isothetendichte ist in allen
Fällen annähernd gleich. Sie beträgt im Mittelpunkt
ax/ro z 0,01 bzw. ar/ro ‘8 0,02. Die Spannungen werden
aus den berechneten Isotheten an 25 und aus den gemes-
senen Isotheten an 10 Stützstellen ermittelt. Bild 1 zeigt
die Verläufe der ausgewerteten Spannungskomponenten.
Im Bild 2 sind die absoluten Fehler der Längsspannun-
gen dargestellt.
Wie zu erwarten, stimmen die aus den berechneten Iso-
theten mit V = 1/2 ermittelten Spannungen am besten
mit den exakten Werten überein. Der relative Fehler der
Längsspannung 0X beträgt hier im Mittelpunkt nur
0,5 %. Diese Abweichung resultiert ausschließlich aus
den Ungenauigkeiten der numerischen Differentiation
und Integration des Auswerteverfahrens. Der durch die
unterschiedlichen Poissonschen Konstanten verursachte
Fehler drückt sich in der Differenz der Kurven aus, die
aus den berechneten Isotheten im Falle V = 1/2 bzw.
V I 0,49 ausgewertet sind. Ihre Abweichung bleibt in der
gesamten Äquatorebene unter 1 %.
Vergleicht man andererseits die Spannungen aus den be-
rechneten Isotheten V = 0,49 mit den exakten Werten, so
ergibt sich ein Fehler von 1,3 % bezogen auf den Mittel-
punkt. Diese Abweichung resultiert sowohl aus den Un-
sicherheiten der Numerik des Auswerteverfahrens als
auch aus den unterschiedlichen Poissonschen Konstan-
ten. Hier wird also der Fehler des Auswerteverfahrens
repräsentiert, wenn es auf Erstarrungsversuche ange-
wandt wird.
Ebenfalls wie erwartet, weichen die aus den experimen-
tellen Isotheten berechneten Spannungen am stärksten
von den exakten Werten ab. Ursache sind die Unsicher-
hieten des Experimentes. Die zufälligen Meßfehler über-
lagern die systematischen Abweichungen so stark, daß
ein gesetzmäßiger Zusammenhang zu den anderen Feh-
lerkurven nicht mehr erkennbar ist, vgl. Bild 2. Trotz-
dem bleibt der relative Felder von 2,4 %, bezogen auf
9 2,5 \\
Öo \
\\\\ — theoretische Lösung v — Q5
2 i \ -—— aus berechnlsotheten v-0,49
-'— aus gemessenen Isotheten
1,5 F \\
00 = Tr r2 Ö‚X \\\
o \.
1
\\‚\
Q5
02 Q4 06o // __227182-—
o} _//' Ö Q —>
„ ./' ’7.“ ____x—0‚5 -__7_./ / —-* “"i' ____
81d l 1) Es wind darauf hingewieSen, daß die Spannung 0 im Unter-
l
Spannungen in der Äquatorebene der diametral gedrückten Kugell)
74
schied zu dem spannungsopn'sch erhaltenen Erge nis von
Frocht und Guemsey [513m Rand p = 1 nicht verschwindet.
Bild 2
——— aus berechn. Isotheten v=a49
G -Ö ktX—ÖM —-— aus ge’nessenen Isotheten
o
0,1
T — aus berechn. lsotheten v=0‚5 //
Absolute Fehler der Längsspannungen
0,05 _ /
_\/ \
Ü \ / \
' 0.2 - Q4 0,6 —> 0,8\\ 9 \\\
\
- 0,05 \\ ‚
den Kugelmittelpunkt, für einen Erstarrungsversuch LITERATUR
recht klein.
4. Zusammenfassung
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß mit dem
getesteten Auswerteverfahren die Spannungen aus den
Isothetenscharen mit einer für praktische Belange sehr
hohen Genauigkeit berechnet werden können. Ist der
Werkstoff nicht wie vorausgesetzt inkompressibel, er-
gibt sich ein systematischer Fehler, der im Falle V = 0,49
unter l % liegt und im Vergleich mit den Unsicherheiten
der Messung vernachlässigbar ist.
[ 1 l Ullmann, K.: Vollständige Auswertung eines axialsymme-
trischen Spannungszustandes in einem inkompressiblen
Körper aus lsotheten. Techn. Mechanik 5 (1984) 2.
l 2] Stockmann, M.: Die experimentelle Verschiebungs- und
Spannungsanalyse der diametral gedrückten Kugel und ihr
Vergleich mit der Theorie. Techn. Mechanik 4 (1983) 2,
65 — 69.
[3 ] Lurje, A. 1.: Räumliche Probleme der Elastizitätstheorie.
Berlin: Akademie-Verlag 1963, 335 — 379.
[4] Sternberg, E./F. Rosenthal: Elastic Sphere under Con-
centrated Loads. J. Appl. Mechanics, Dec. (1952), 413 —
42l.
[5'] Frocht, M. M./R. Guemsey: A special investigation to
develop a general method for three-dimensional photo-
elastic stress analysis. National Advisory Committee for
Aeronautics. Technical Note 2822, Washington 1952.
Anschrift der Verfasser: i
Dipl.-Ing. M. Stockmann
Technische Hochschule Karl-Marx-Stadt
Sektion Maschinen-Bauelemente
9001 Karl-Marx—Stadt, Straße der Nationen 62
Dr.-Ing. K. Ullmann
VEB Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht”
3011 Magdeburg, Alt-Salbke 6 — 10
75