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CAMPUS 21 DIENSTAG, 25. NOVEMBER 2014 – REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER Klaus Meier ist Spe- zialist für fortge- schrittene textile Materialien. Heute: Worum geht es bei Professor Klaus Meier? Prof. Dr.-Ing. Klaus Meier ist Studiende- kan für den Bachelor-Studiengang »Tex- tiltechnologie – Textilmanagement« an der Fakultät Textil & Design. In seinem Lehrgebiet »Advanced Textile Materials« befasst sich Klaus Meier mit den Textilien, an die man nicht sofort denkt: beispielsweise Funktionstextilien, technische Textilien oder Medizintexti- lien. In seinen Vorlesungen vermittelt er notwendige Grundlagen, um zum Bei- spiel Outdoor-Jacken mit verbesserten Klimaschutzfunktionen zu entwerfen oder erklärt, worauf man achten muss, wenn man Smart Textiles, also Textilien mit integrierten Sensoren, für den medi- zinischen Einsatz entwickeln und erpro- ben will. Derzeit arbeitet er an dem neu- en Master-Studiengang »Interdisziplinäre Materialwissenschaften«, in dem ab dem WS 2015/16 Textiltechnologen, Desig- ner, Chemiker, Informatiker und Inge- nieure gemeinsam interaktive Materia- lien entwickeln und verbessern sollen. (HS) Bernd Banke: »Es greift zu kurz, den moralischen Zeigefinger zu er- heben« NACHGEFORSCHT Ulrike Baumgärtner: »Jede Entschei- dung ist von Di- lemma-Situatio- nen geprägt« 2 000 000 Tonnen Textilien werden in Deutschland pro Jahr verkauft. DIE ZAHL TIPPS UND TERMINE Weihnachtskonzert REUTLINGEN. Eine musikalische Ein- stimmung auf die Adventszeit gibt es am Mittwoch, 10. Dezember, beim Weih- nachtskonzert der Hochschule Reutlin- gen. Ab 17 Uhr können sich Zuhörer auf besinnliche, feierliche und traditionelle Weihnachtsmusik des Hochschulorches- ters freuen. Veranstaltungsort: Hoch- schule Reutlingen, Aula (Geb. 6), Alte- burgstraße 150, Reutlingen. Eintritt frei! Studium Generale REUTLINGEN. Im nächsten Studium Ge- nerale am Mittwoch, 3. Dezember, 18.15 Uhr, geht es um das Thema »Migration sehen und verstehen«. Referent Michael Nausner versucht in seinem Vortrag, aus kulturwissenschaftlicher und theologi- scher Perspektive Wege aufzuzeigen, die Herausforderungen der Migration zu umreißen und Wege in die Zukunft zu skizzieren. Ort: Hochschule Reutlingen, Gebäude 9, Hörsaal 003, Alteburgstraße 150, Reutlingen. (HS) Martin Pfost: »Der Müll, der erst gar nicht ent- steht, muss auch nicht aufbereitet werden« mehr Ressourcen verbrauchen als über Aufforstung oder alternative Energiege- winnung künftigen Generationen zur Verfügung steht. Die Wiederverwertung von Abfallprodukten, seien es Papier, Abfall aller Art, Rechner, Laboreinrich- tungen oder sogar Kleider, ist demnach ein wichtiger Bestandteil der nachhalti- gen Entwicklung der Hochschule Reut- lingen. noch den Personen, die das Produkt her- stellen, ein besonders großer Wert beige- messen. Ich finde, es greift aber zu kurz, den moralischen Zeigefinger gegen alle Kunden von Unternehmen wie Zalando, H&M oder Picks-Raus zu erheben. Wir müssten uns im Sinne einer Verantwor- tungsethik erst einmal auf eine gesell- schaftliche Debatte einlassen, bei der mögliche Folgekosten eines bestimmten Produktions- und Konsumverhaltens of- fengelegt und abgewogen werden. In Deutschland hat das Prinzip Wachstum oberste wirtschaftspolitische Priorität. Solange dies gilt, ist es schwierig, ein Konsumverhalten, das maximales Wachstum anregt, zu verteufeln. In Fragen der Bekleidungs- und Textil- produktion sehe ich allerdings ein zu- nehmendes gesellschaftliches Nachden- ken, welchen Preis andere bezahlen, da- mit ich ein topgünstiges Angebot habe. Mehr noch als der Umweltaspekt stehen hier die soziale Gerechtigkeit und die Menschenwürde im Vordergrund. Welche Bedeutung hat das Thema Re- cycling für die Nachhaltigkeitsstrate- gie der Hochschule? Martin Pfost: Die ökologische Dimensi- on von Nachhaltigkeit stellt den scho- nenden Umgang mit natürlichen Res- sourcen in den Vordergrund. Eine nach- haltige Entwicklung darf heute nicht REUTLINGEN. Recycling, Ressourcen- schonung und Nachhaltigkeit – die drei schwergewichtigen Begriffe sind in aller Munde. Wie positioniert sich die Hoch- schule? Wir haben im Team für Ethik und Nachhaltigkeit der Hochschule nachgefragt – bei Prof. Dr. Bernd Banke, Professor für Wirtschaftsrecht und Wirt- schaftsethik, bei Prof. Dr.-Ing. Martin Pfost, Professor für Leistungselektronik, und bei Dr. Ulrike Baumgärtner, Referen- tin für Ethik und Nachhaltigkeit. GEA: Wir leben in einer sogenannten Wegwerfgesellschaft. Welches Wer- teverständnis steht da dahinter? Bernd Banke: Wenn die Jagd nach billi- gen Schnäppchen, die heute in und mor- gen bereits wieder out sind, das Konsum- verhalten prägt, wird offensichtlich we- der der Ware mit all ihren Rohstoffen INTERVIEW Von Werten und vom Wegwerfen. Drei Einsichten aus dem Team Ethik und Nachhaltigkeit der Hochschule »Folgekosten offenlegen und abwägen« Ein weiterer Ansatz ist, das Müllauf- kommen und den Energieverbrauch be- reits in der ersten Nutzung so gering wie möglich zu halten. Der Müll, der gar nicht erst entsteht, muss auch nicht auf- wendig aufbereitet werden. Gibt es im Ethik- und Nachhaltigkeits- programm der Hochschule Veran- staltungen, die sich mit dem Thema beschäftigen? Ulrike Baumgärtner: Nächstes Jahr im Februar biete ich ein Blockseminar mit dem Titel »Faire Kleider – faire Preise« an. Hier werden die grundlegenden Di- mensionen von Nachhaltigkeit auf den Bereich der Textil- und Bekleidungsin- dustrie angewandt. Im Rahmen des Se- minars müssen die Studierenden bei- spielsweise verschiedene Verhandlungs- positionen einnehmen, um deutlich zu machen, dass jede Entscheidung von Di- lemma-Situationen geprägt ist. Die Studierendeninitiative »oikos Reut- lingen« greift ebenfalls regelmäßig unter- schiedliche Nachhaltigkeitsthemen in Vorlesungsreihen, Workshops oder Pro- jekten auf. »oikos Reutlingen« hat bereits mehrfach eine Kleidertauschparty orga- nisiert. Jede Teilnehmerin und jeder Teil- nehmer bringt dazu alte, aber noch gut erhaltene Kleider mit und tauscht sie ge- gen neue um. Auf diese Weise ist es möglich, ohne zusätzlichen Ressourcen- verbrauch eine neue Garderobe zu erhal- ten. (HS) Textil & Design – Wie lassen sich Stoffreste wiederverwerten, wenn die Grundsubstanzen immer wertvoller werden? VON PIA KARGE REUTLINGEN. Wenn draußen die Leute noch in T-Shirt und Sandalen herumlau- fen, haben die Schaufensterpuppen in den Läden bereits die Wintermäntel der neuesten Kollektion auf der Plastik-Haut. Sobald sich der Sommer dem Ende neigt, sollten wir uns also einen warmen Pulli sichern. Aber haben die meisten von uns nicht eigentlich noch genug Brauchbares im Kleiderschrank? Die Industrie bietet den Konsumenten vier bis fünf Kollektio- nen im Jahr. Mode hat eine kurze Halt- barkeitszeit, da landen die älteren Kla- motten oft schnell im Altkleider-Contai- ner. »Leider kann von Recycling in den meisten Fällen keine Rede sein« »Jährlich schmeißen wir 750 000 Ton- nen Kleidung in den Altkleider-Contai- ner«, weiß Dipl.-Ing. Kai Nebel, Leiter der Forschungsgruppe Textile Verfah- renstechnik und Produktentwicklung an der Fakultät Textil & Design. Kleidung im Altkleider-Container dient jedoch nur selten der direkten Wiederverwertung. »Auch viele Modeketten bieten neuer- dings an, alte Kleidung von Kunden zu- rückzunehmen und zu recyceln. Leider kann von Recycling in den meisten Fäl- len keine Rede sein. Häufig werden die Stoffe in aufwendigen Prozessen zu min- derwertigen Materialen verarbeitet. Die alte Jeans wird im sogenannten ›Downcycling‹ also zum Putzlappen oder zum Malervlies«, erklärt Nebel. »Wir versuchen, ein für die Industrie geeignetes Verfahren zu finden, mit dem man qualitativ hochwertige Stoffe nicht nur weiterverwendet, sondern wieder- verwertet«, erzählt Nebel und appelliert: »Natürliche Rohstoffe wie Baumwolle sind begrenzt und teuer. Es ist auch für den textilen Bereich höchste Zeit, verant- wortungsvoll mit textilen Rohstoffen umzugehen.« Textiltechnologie/Textilmanagement- Studentin Aline Berger steht vor einer Riesenmenge an Stoffschnipseln, die die Fakultät von Bekleidungsfirmen aus der Region gestellt bekommen hat. »Etwa 20 Prozent Stoff, der während der Produkti- on als unbrauchbarer Verschnitt endet, wird weggeschmissen, obwohl er eigent- lich hochwertig ist. Vielen Firmen ist die bevorstehende Rohstoffknappheit be- wusst geworden. Jetzt kommen sie auf unsere Fakultät zu und fragen, wie sie ihre Stoffreste wiederverwerten kön- nen«, erklärt die 25-Jährige. »Wie Slow Food gibt es auch Slow Fashion« An dieser Stelle sollen die Studentin und ihre Kommilitonen das richtige Re- cycling-Know-how entwickeln. »Speziel- le Maschinen reißen die Schnittabfälle bis in ihre Einzelfasern. Anschließend wird die Qualität dieser Fasern gemes- sen. Je länger die Fasern, desto besser die Qualität«, erklärt Student Jakob Brandt. Von Fall zu Fall wird entschie- den, ob frische Fasern hinzugefügt wer- den müssen, um die Wertigkeit des Stof- fes zu erhöhen. Ist die richtige Mischung gefunden, verarbeiten Spinnmaschinen die Fasern zu Garn. Auch die Studenten des Masterstu- dienganges Modedesign wirken am Pro- jekt mit: »Recycling ist zum Trend ge- worden. Genauso wie es den Begriff ›Slow Food‹ gibt, hat sich auch der Be- griff ›Slow Fashion‹ etabliert«, erzählt Modesesign-Studentin Jana Haaf. Zu- sammen mit ihren Kommilitoninnen ent- wirft sie aus den entwickelten Woll- und Baumwollgemischen Recyclingprodukte und Designs. »Bisher haben wir Mäntel, Pullover, Stuhlbezüge und iPad-Taschen in unserem Produktrepertoire«, zählt die 23-Jährige auf. »In unseren Hallen lagern auch Markisen, Rollos und Verdunk- lungsstoffe. Es gibt eine große Menge an Textilien, die recycelt werden können und sollten«, ergänzt Forschungsgrup- penleiter Kai Nebel und zieht das Fazit: »Aber am sinnvollsten wäre es natürlich, einfach bewusster zu konsumieren. Dann wäre Recycling erst gar nicht nö- tig.« (HS) Neues Leben für alte Kleider Tüfteln an »Slow Fashion« (von links): Jana Haaf, Aline Berger, Dipl.-Ing Kai Nebel, Franziska Prändl, Jakob Brandt und Saskia Kopfnagel. FOTO: KARGE

Textil & Design – Neues Leben für alte Kleider · der Fakultät Textil & Design. In seinem Lehrgebiet »Advanced Textile Materials« befasst sich Klaus Meier mit den Textilien,

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CAMPUS 21DIENSTAG, 25. NOVEMBER 2014 – REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER

Klaus Meier ist Spe-zialist für fortge-schrittene textileMaterialien.

Heute: Worum geht es bei Professor

Klaus Meier?

Prof. Dr.-Ing. Klaus Meier ist Studiende-kan für den Bachelor-Studiengang »Tex-tiltechnologie – Textilmanagement« ander Fakultät Textil & Design.

In seinem Lehrgebiet »Advanced TextileMaterials« befasst sich Klaus Meier mitden Textilien, an die man nicht sofortdenkt: beispielsweise Funktionstextilien,technische Textilien oder Medizintexti-lien. In seinen Vorlesungen vermittelt ernotwendige Grundlagen, um zum Bei-spiel Outdoor-Jacken mit verbessertenKlimaschutzfunktionen zu entwerfenoder erklärt, worauf man achten muss,wenn man Smart Textiles, also Textilienmit integrierten Sensoren, für den medi-zinischen Einsatz entwickeln und erpro-ben will. Derzeit arbeitet er an dem neu-en Master-Studiengang »InterdisziplinäreMaterialwissenschaften«, in dem ab demWS 2015/16 Textiltechnologen, Desig-ner, Chemiker, Informatiker und Inge-nieure gemeinsam interaktive Materia-lien entwickeln und verbessern sollen.(HS)

Bernd Banke:

»Es greift zu kurz,den moralischenZeigefinger zu er-heben«

NACHGEFORSCHT

UlrikeBaumgärtner:

»Jede Entschei-dung ist von Di-lemma-Situatio-nen geprägt«

2 000 000Tonnen Textilien werden in Deutschlandpro Jahr verkauft.

DIE ZAHL

TIPPS UND TERMINE

WeihnachtskonzertREUTLINGEN. Eine musikalische Ein-stimmung auf die Adventszeit gibt es amMittwoch, 10. Dezember, beim Weih-nachtskonzert der Hochschule Reutlin-gen. Ab 17 Uhr können sich Zuhörer aufbesinnliche, feierliche und traditionelleWeihnachtsmusik des Hochschulorches-ters freuen. Veranstaltungsort: Hoch-schule Reutlingen, Aula (Geb. 6), Alte-burgstraße 150, Reutlingen. Eintritt frei!

Studium GeneraleREUTLINGEN. Im nächsten Studium Ge-nerale am Mittwoch, 3. Dezember, 18.15Uhr, geht es um das Thema »Migrationsehen und verstehen«. Referent MichaelNausner versucht in seinem Vortrag, auskulturwissenschaftlicher und theologi-scher Perspektive Wege aufzuzeigen, dieHerausforderungen der Migration zuumreißen und Wege in die Zukunft zuskizzieren. Ort: Hochschule Reutlingen,Gebäude 9, Hörsaal 003, Alteburgstraße150, Reutlingen. (HS)

Martin Pfost:

»Der Müll, dererst gar nicht ent-steht, muss auchnicht aufbereitetwerden«

mehr Ressourcen verbrauchen als überAufforstung oder alternative Energiege-winnung künftigen Generationen zurVerfügung steht. Die Wiederverwertungvon Abfallprodukten, seien es Papier,Abfall aller Art, Rechner, Laboreinrich-tungen oder sogar Kleider, ist demnachein wichtiger Bestandteil der nachhalti-gen Entwicklung der Hochschule Reut-lingen.

noch den Personen, die das Produkt her-stellen, ein besonders großer Wert beige-messen. Ich finde, es greift aber zu kurz,den moralischen Zeigefinger gegen alleKunden von Unternehmen wie Zalando,H&M oder Picks-Raus zu erheben. Wirmüssten uns im Sinne einer Verantwor-tungsethik erst einmal auf eine gesell-schaftliche Debatte einlassen, bei dermögliche Folgekosten eines bestimmtenProduktions- und Konsumverhaltens of-fengelegt und abgewogen werden. InDeutschland hat das Prinzip Wachstumoberste wirtschaftspolitische Priorität.Solange dies gilt, ist es schwierig, einKonsumverhalten, das maximalesWachstum anregt, zu verteufeln.

In Fragen der Bekleidungs- und Textil-produktion sehe ich allerdings ein zu-nehmendes gesellschaftliches Nachden-ken, welchen Preis andere bezahlen, da-mit ich ein topgünstiges Angebot habe.Mehr noch als der Umweltaspekt stehenhier die soziale Gerechtigkeit und dieMenschenwürde im Vordergrund.

Welche Bedeutung hat das Thema Re-cycling für die Nachhaltigkeitsstrate-gie der Hochschule?

Martin Pfost: Die ökologische Dimensi-on von Nachhaltigkeit stellt den scho-nenden Umgang mit natürlichen Res-sourcen in den Vordergrund. Eine nach-haltige Entwicklung darf heute nicht

REUTLINGEN. Recycling, Ressourcen-schonung und Nachhaltigkeit – die dreischwergewichtigen Begriffe sind in allerMunde. Wie positioniert sich die Hoch-schule? Wir haben im Team für Ethikund Nachhaltigkeit der Hochschulenachgefragt – bei Prof. Dr. Bernd Banke,Professor für Wirtschaftsrecht und Wirt-schaftsethik, bei Prof. Dr.-Ing. MartinPfost, Professor für Leistungselektronik,und bei Dr. Ulrike Baumgärtner, Referen-tin für Ethik und Nachhaltigkeit.

GEA: Wir leben in einer sogenanntenWegwerfgesellschaft. Welches Wer-teverständnis steht da dahinter?

Bernd Banke: Wenn die Jagd nach billi-gen Schnäppchen, die heute in und mor-gen bereits wieder out sind, das Konsum-verhalten prägt, wird offensichtlich we-der der Ware mit all ihren Rohstoffen

INTERVIEW Von Werten und vom Wegwerfen. Drei Einsichten aus dem Team Ethik und Nachhaltigkeit der Hochschule

»Folgekosten offenlegen und abwägen«

Ein weiterer Ansatz ist, das Müllauf-kommen und den Energieverbrauch be-reits in der ersten Nutzung so gering wiemöglich zu halten. Der Müll, der garnicht erst entsteht, muss auch nicht auf-wendig aufbereitet werden.

Gibt es im Ethik- und Nachhaltigkeits-programm der Hochschule Veran-staltungen, die sich mit dem Themabeschäftigen?

Ulrike Baumgärtner: Nächstes Jahr imFebruar biete ich ein Blockseminar mit

dem Titel »Faire Kleider – faire Preise«an. Hier werden die grundlegenden Di-mensionen von Nachhaltigkeit auf denBereich der Textil- und Bekleidungsin-dustrie angewandt. Im Rahmen des Se-minars müssen die Studierenden bei-spielsweise verschiedene Verhandlungs-positionen einnehmen, um deutlich zumachen, dass jede Entscheidung von Di-lemma-Situationen geprägt ist.

Die Studierendeninitiative »oikos Reut-lingen« greift ebenfalls regelmäßig unter-schiedliche Nachhaltigkeitsthemen inVorlesungsreihen, Workshops oder Pro-jekten auf. »oikos Reutlingen« hat bereitsmehrfach eine Kleidertauschparty orga-nisiert. Jede Teilnehmerin und jeder Teil-nehmer bringt dazu alte, aber noch guterhaltene Kleider mit und tauscht sie ge-gen neue um. Auf diese Weise ist esmöglich, ohne zusätzlichen Ressourcen-verbrauch eine neue Garderobe zu erhal-ten. (HS)

Textil & Design – Wie lassen sich Stoffreste wiederverwerten, wenn die Grundsubstanzen immer wertvoller werden?

VON PIA KARGE

REUTLINGEN. Wenn draußen die Leutenoch in T-Shirt und Sandalen herumlau-fen, haben die Schaufensterpuppen inden Läden bereits die Wintermäntel derneuesten Kollektion auf der Plastik-Haut.Sobald sich der Sommer dem Ende neigt,sollten wir uns also einen warmen Pullisichern. Aber haben die meisten von unsnicht eigentlich noch genug Brauchbaresim Kleiderschrank? Die Industrie bietetden Konsumenten vier bis fünf Kollektio-nen im Jahr. Mode hat eine kurze Halt-barkeitszeit, da landen die älteren Kla-motten oft schnell im Altkleider-Contai-ner.

»Leider kann vonRecycling in den meistenFällen keine Rede sein«

»Jährlich schmeißen wir 750 000 Ton-nen Kleidung in den Altkleider-Contai-ner«, weiß Dipl.-Ing. Kai Nebel, Leiter

der Forschungsgruppe Textile Verfah-renstechnik und Produktentwicklung ander Fakultät Textil & Design. Kleidung imAltkleider-Container dient jedoch nurselten der direkten Wiederverwertung.»Auch viele Modeketten bieten neuer-dings an, alte Kleidung von Kunden zu-rückzunehmen und zu recyceln. Leiderkann von Recycling in den meisten Fäl-len keine Rede sein. Häufig werden dieStoffe in aufwendigen Prozessen zu min-derwertigen Materialen verarbeitet. Diealte Jeans wird im sogenannten›Downcycling‹ also zum Putzlappen oderzum Malervlies«, erklärt Nebel.

»Wir versuchen, ein für die Industriegeeignetes Verfahren zu finden, mit demman qualitativ hochwertige Stoffe nichtnur weiterverwendet, sondern wieder-verwertet«, erzählt Nebel und appelliert:»Natürliche Rohstoffe wie Baumwollesind begrenzt und teuer. Es ist auch fürden textilen Bereich höchste Zeit, verant-wortungsvoll mit textilen Rohstoffenumzugehen.«

Textiltechnologie/Textilmanagement-Studentin Aline Berger steht vor einerRiesenmenge an Stoffschnipseln, die die

Fakultät von Bekleidungsfirmen aus derRegion gestellt bekommen hat. »Etwa 20Prozent Stoff, der während der Produkti-on als unbrauchbarer Verschnitt endet,wird weggeschmissen, obwohl er eigent-lich hochwertig ist. Vielen Firmen ist diebevorstehende Rohstoffknappheit be-wusst geworden. Jetzt kommen sie aufunsere Fakultät zu und fragen, wie sieihre Stoffreste wiederverwerten kön-nen«, erklärt die 25-Jährige.

»Wie Slow Foodgibt es auchSlow Fashion«

An dieser Stelle sollen die Studentinund ihre Kommilitonen das richtige Re-cycling-Know-how entwickeln. »Speziel-le Maschinen reißen die Schnittabfällebis in ihre Einzelfasern. Anschließendwird die Qualität dieser Fasern gemes-sen. Je länger die Fasern, desto besserdie Qualität«, erklärt Student JakobBrandt. Von Fall zu Fall wird entschie-

den, ob frische Fasern hinzugefügt wer-den müssen, um die Wertigkeit des Stof-fes zu erhöhen. Ist die richtige Mischunggefunden, verarbeiten Spinnmaschinendie Fasern zu Garn.

Auch die Studenten des Masterstu-dienganges Modedesign wirken am Pro-jekt mit: »Recycling ist zum Trend ge-worden. Genauso wie es den Begriff›Slow Food‹ gibt, hat sich auch der Be-griff ›Slow Fashion‹ etabliert«, erzähltModesesign-Studentin Jana Haaf. Zu-sammen mit ihren Kommilitoninnen ent-wirft sie aus den entwickelten Woll- undBaumwollgemischen Recyclingprodukteund Designs. »Bisher haben wir Mäntel,Pullover, Stuhlbezüge und iPad-Taschenin unserem Produktrepertoire«, zählt die23-Jährige auf. »In unseren Hallen lagernauch Markisen, Rollos und Verdunk-lungsstoffe. Es gibt eine große Menge anTextilien, die recycelt werden könnenund sollten«, ergänzt Forschungsgrup-penleiter Kai Nebel und zieht das Fazit:»Aber am sinnvollsten wäre es natürlich,einfach bewusster zu konsumieren.Dann wäre Recycling erst gar nicht nö-tig.« (HS)

Neues Leben für alte Kleider

Tüfteln an »Slow Fashion« (von links): Jana Haaf, Aline Berger, Dipl.-Ing Kai Nebel, Franziska Prändl, Jakob Brandt und Saskia Kopfnagel. FOTO: KARGE