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MAGAZIN The Practical Einstein. Experi- ments, Patents, Inventions. Joszef Illy, Johns Hopkins University Press, Baltimore 2012, 202 S., Abb., ca. 47,99 1. ISBN: 978-1-421-40457-8. Zu jenen Mythen und Legenden, die sich um Albert Einstein ranken, gehört auch jene, dass Einstein ein Theoretiker per se war und allen praktischen Dingen, ob nun im täglichen Leben oder in der Physik, fern stand. Nun hat es seit dem Einstein-Jubiläum 1979 schon ver- schiedene Publikationen gegeben, die darauf hingewiesen haben, dass Einsteins Karriere als Physiker am Berner Patentamt begann und er nicht nur Gutachter war, sondern auch selbst Patente angemeldet und sich zudem als Erfinder betätigt hat. Darüber hinaus ist Einstein vor allem in seiner Berliner Zeit als begabter Experimentator hervorgetreten. Auch wenn Illy einige neue Facetten des „praktischen Einstein“ eruiert hat, kann das vorliegende Buch nicht beanspruchen, dem (kundigen) Leser wirklich Neues zu bieten. Dennoch ist es ein sehr lesbares und höchst informatives Buch, das erstmals in einer großen Zusammenschau die Einzelheiten von Einsteins Tätigkeit als Experimenta- tor, Erfinder und Techniker dokumen- tiert. Neben dieser Übersicht ist in weiterer Vorzug des Buches, dass es sich nicht auf eine Beschreibung der technischen oder physikalischen Details beschränkt oder gar darin aufgeht, sondern auch ausführlich die jeweiligen Kontexte vermittelt. Dass dies mit großer Sachkenntnis ge- schieht, dafür steht die jahrzehntelan- ge Expertise und hohe Kompetenz des Autors als Einstein-Forscher. Allerdings ist auch ein solcher nicht unfehlbar, denn man vermisst einen Hinweis auf die Pionierarbei- ten des Potsdamer Einstein-Forschers Horst Melcher. Dieser hat wohl als Erster bereits in den späten 1970er Jahren auf die Fülle der Einstein- schen Patente und seine experimen- talphysikalischen Arbeiten an der Berliner Physikalisch-Technischen Reichsanstalt hingewiesen. Dennoch kann man Joszef Illy zur Idee zu diesem Buch und ihrer exzellenten Ausführung nur beglück- wünschen: Es sei allen empfohlen, die sich profund über eine Seite von Einsteins Schaffen informieren möchten, die nach wie vor allzu sehr im Schatten des alles überragenden Theoretikers Einsteins steht. Dieter Hoffmann, MPI für Wissenschaftsgeschichte Berlin The Collected Papers of Albert Einstein, Bd. 13. Die Berliner Jahre: Schriften und Briefwechsel, Januar 1922 – März 1923. Diana Kormos et al. (Hrsg.), Princeton University Press, Prince- ton 2012, 904 S., 32 Abb., ca. 125,– 1. ISBN: 978-0-691-15673-6. In den 15 Monaten, die diese Doku- mentsammlung umfasst, war Einstein fast sieben Monate auf Reisen. Seine Einladung nach Paris, nur drei Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrie- ges, begrüßten nicht alle. Aber sein Auftritt wurde ein großer Erfolg. Als „Diplomat der Wissenschaft“ setzte er sich für die Aufnahme internatio- naler Beziehungen ein. Gleichzeitig fühlte sich Einstein immer stärker von antisemitischen Umtrieben bedroht. Den Höhepunkt erreichte die Bewegung mit der Ermordung seines Freundes und deutschen Außenministers Walther Rathenau im Juni 1922. Daraufhin erwog Einstein, Deutschland zu verlassen. Sehr zur Bestürzung seiner Freunde, allen voran Max Planck, wie die Briefwechsel verdeutlichen. Eine willkommene Möglichkeit, dem Treiben in Berlin zu entfliehen, bot ihm eine Einladung nach Japan. Diese dreimonatige Reise war das zentrale Erlebnis für Einstein in dieser Zeit. In seinem Reisetagebuch, das hier zum ersten Mal vollständig publiziert wird, erzählt er von der beschaulichen Ruhe auf See und der Hektik seiner Besuche an Land. Erstaunlicherweise erwähnt er darin mit keinem Wort die Erteilung des Physik-Nobelpreises, von der er auf dem Schiff per Telegramm informiert wurde. Wie dieser Band dokumen- tiert, trat Einstein die Reise an, obwohl er von der bevorstehenden Verleihung wusste. Einen Schwerpunkt seines wis- senschaftlichen Wirkens betraf den Stern-Gerlach-Versuch, der sich mit keiner der zeitgenössischen Vorstel- lungen, seien sie klassisch oder quantentheoretisch, erklären ließ. Ein reger brieflicher Gedankenaustausch mit seinem Freund Paul Ehrenfest mündete in einer gemeinsamen Veröffentlichung. Auch mit dem Phänomen der Supraleitung beschäf- tigte er sich zu dieser Zeit. Auf der Seereise nach Japan befasste sich Einstein „ohne Korres- pondenz, Besuche, Sitzungen und sonstige Erfindungen des Teufels“ auch mit jenem Thema, das ihn bis an sein Lebensende gefangen halten sollte: eine vereinheitlichte Theorie des elektromagnetischen und des Gravitationsfeldes. Insbesondere studierte er Arbeiten von Weyl und Eddington, die ebenfalls nach einer Vereinheitlichung suchten. Eine später eingereichte Veröffentlichung nennt als Ursprung: „Haruna Maru, Januar 1923.“ Erstmals in dieser Reihe erschei- nen in diesem in gewohnter Weise exzellent editierten Band Korrespon- denz und wissenschaftliche Schriften gemeinsam. Dies soll die gegenseitige Zu- und Einordnung erleichtern. In vielen Fällen ist dies allein schon des- wegen berechtigt, weil einige von Ein- steins Briefen einer wissenschaftli- chen Veröffentlichung nahe kommen. TB 100 Phys. Unserer Zeit 2/2013 (44) www.phiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

The Practical Einstein. Experiments, Patents, Inventions. Von Joszef Illy und Johns Hopkins

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Page 1: The Practical Einstein. Experiments, Patents, Inventions. Von Joszef Illy und Johns Hopkins

M AG A Z I N

The Practical

Einstein. Experi-

ments, Patents,

Inventions. Joszef Illy,

Johns Hopkins

University Press,

Baltimore 2012,

202 S., Abb.,

ca. 47,99 1. ISBN:

978-1-421-40457-8.

Zu jenen Mythen und Legenden, diesich um Albert Einstein ranken,gehört auch jene, dass Einstein einTheoretiker per se war und allenpraktischen Dingen, ob nun imtäglichen Leben oder in der Physik,fern stand. Nun hat es seit demEinstein-Jubiläum 1979 schon ver-schiedene Publikationen gegeben, diedarauf hingewiesen haben, dassEinsteins Karriere als Physiker amBerner Patentamt begann und ernicht nur Gutachter war, sondernauch selbst Patente angemeldet undsich zudem als Erfinder betätigt hat.Darüber hinaus ist Einstein vor allemin seiner Berliner Zeit als begabterExperimentator hervorgetreten.

Auch wenn Illy einige neueFacetten des „praktischen Einstein“eruiert hat, kann das vorliegendeBuch nicht beanspruchen, dem(kundigen) Leser wirklich Neues zubieten. Dennoch ist es ein sehrlesbares und höchst informativesBuch, das erstmals in einer großenZusammenschau die Einzelheiten vonEinsteins Tätigkeit als Experimenta-tor, Erfinder und Techniker dokumen-tiert.

Neben dieser Übersicht ist inweiterer Vorzug des Buches, dass essich nicht auf eine Beschreibung dertechnischen oder physikalischenDetails beschränkt oder gar darinaufgeht, sondern auch ausführlich diejeweiligen Kontexte vermittelt. Dassdies mit großer Sachkenntnis ge-schieht, dafür steht die jahrzehntelan-ge Expertise und hohe Kompetenzdes Autors als Einstein-Forscher.

Allerdings ist auch ein solchernicht unfehlbar, denn man vermissteinen Hinweis auf die Pionierarbei-ten des Potsdamer Einstein-Forschers

Horst Melcher. Dieser hat wohl alsErster bereits in den späten 1970erJahren auf die Fülle der Einstein-schen Patente und seine experimen-talphysikalischen Arbeiten an derBerliner Physikalisch-TechnischenReichsanstalt hingewiesen.

Dennoch kann man Joszef Illy zurIdee zu diesem Buch und ihrerexzellenten Ausführung nur beglück-wünschen: Es sei allen empfohlen,die sich profund über eine Seite vonEinsteins Schaffen informierenmöchten, die nach wie vor allzu sehrim Schatten des alles überragendenTheoretikers Einsteins steht.

Dieter Hoffmann, MPI für Wissenschaftsgeschichte Berlin

The Collected

Papers of Albert

Einstein, Bd. 13.

Die Berliner Jahre:

Schriften und

Briefwechsel, Januar

1922 – März 1923.

Diana Kormos et al.

(Hrsg.), Princeton University Press, Prince-

ton 2012, 904 S., 32 Abb., ca. 125,– 1.

ISBN: 978-0-691-15673-6.

In den 15 Monaten, die diese Doku-mentsammlung umfasst, war Einsteinfast sieben Monate auf Reisen. SeineEinladung nach Paris, nur drei Jahrenach dem Ende des ersten Weltkrie-ges, begrüßten nicht alle. Aber seinAuftritt wurde ein großer Erfolg. Als„Diplomat der Wissenschaft“ setzteer sich für die Aufnahme internatio-naler Beziehungen ein.

Gleichzeitig fühlte sich Einsteinimmer stärker von antisemitischenUmtrieben bedroht. Den Höhepunkterreichte die Bewegung mit derErmordung seines Freundes unddeutschen Außenministers WaltherRathenau im Juni 1922. Daraufhinerwog Einstein, Deutschland zuverlassen. Sehr zur Bestürzung seinerFreunde, allen voran Max Planck, wiedie Briefwechsel verdeutlichen.

Eine willkommene Möglichkeit,dem Treiben in Berlin zu entfliehen,

bot ihm eine Einladung nach Japan.Diese dreimonatige Reise war daszentrale Erlebnis für Einstein indieser Zeit. In seinem Reisetagebuch,das hier zum ersten Mal vollständigpubliziert wird, erzählt er von derbeschaulichen Ruhe auf See und derHektik seiner Besuche an Land.Erstaunlicherweise erwähnt er darinmit keinem Wort die Erteilung desPhysik-Nobelpreises, von der er aufdem Schiff per Telegramm informiertwurde. Wie dieser Band dokumen-tiert, trat Einstein die Reise an,obwohl er von der bevorstehendenVerleihung wusste.

Einen Schwerpunkt seines wis-senschaftlichen Wirkens betraf denStern-Gerlach-Versuch, der sich mitkeiner der zeitgenössischen Vorstel-lungen, seien sie klassisch oderquantentheoretisch, erklären ließ. Einreger brieflicher Gedankenaustauschmit seinem Freund Paul Ehrenfestmündete in einer gemeinsamenVeröffentlichung. Auch mit demPhänomen der Supraleitung beschäf-tigte er sich zu dieser Zeit.

Auf der Seereise nach Japanbefasste sich Einstein „ohne Korres-pondenz, Besuche, Sitzungen undsonstige Erfindungen des Teufels“auch mit jenem Thema, das ihn bisan sein Lebensende gefangen haltensollte: eine vereinheitlichte Theoriedes elektromagnetischen und desGravitationsfeldes. Insbesonderestudierte er Arbeiten von Weyl undEddington, die ebenfalls nach einerVereinheitlichung suchten. Einespäter eingereichte Veröffentlichungnennt als Ursprung: „Haruna Maru,Januar 1923.“

Erstmals in dieser Reihe erschei-nen in diesem in gewohnter Weiseexzellent editierten Band Korrespon-denz und wissenschaftliche Schriftengemeinsam. Dies soll die gegenseitigeZu- und Einordnung erleichtern. Invielen Fällen ist dies allein schon des -wegen berechtigt, weil einige von Ein -steins Briefen einer wissenschaftli -chen Veröffentlichung nahe kommen.

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100 Phys. Unserer Zeit 2/2013 (44) www.phiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim