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AUSGABE 01.2016 LEITTHEMA THEATERFESTIVALS FESTIVALKULTUREN * FEEDBACK-KULTUREN HERAUSGEBER THÜRINGER THEATERVERBAND ZEITSCHRIFT DER FREIEN THEATERSZENE THÜRINGEN WEITERE THEMEN: WILDWECHSEL /// TREFF JUNGES THEATER /// DASARTS FEEDBACK-METHOD /// AVANT ART FESTIVAL 2016 /// MADE IN HESSEN /// BASISLAGER /// TOHUWABOHU MEININGEN

Theatrium ausgabe01 2016

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Zeitschrift der Freien Theaterszene in Thüringen / Ausgabe 01/2016

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Page 1: Theatrium ausgabe01 2016

AUSGABE 01.2016

LEITTHEMA

THEATERFESTIVALSFESTIVALKULTUREN * FEEDBACK-KULTUREN

HERAUSGEBER

THÜRINGERTHEATERVERBAND

ZEITSCHRIFT

DER FREIEN THEATERSZENE THÜRINGEN

WEITERE THEMEN:WILDWECHSEL /// TREFF JUNGES THEATER ///

DASARTS FEEDBACK-METHOD /// AVANT ART FESTIVAL 2016/// MADE IN HESSEN /// BASISLAGER /// TOHUWABOHU MEININGEN

Page 2: Theatrium ausgabe01 2016

Verehrte Leserschaft,

wir üben Verzicht! Wir räumen den

Platz des Editorials für einen leicht ver-

späteten - und deshalb nicht mehr er-

warteten - Beitrag über einen „einsamen

Thüringer“ und seine Kongreßer-

fahrungen in der Großstadt. Somit nur

ein Satz zu dieser Festivalausgabe:

Festivals verbinden Menschen und

Kulturen und das Theater und wir sind

und bleiben weltoffen, dialogbereit und

gastfreundlich.

Ich hatte mir vorgenommen, soviel

wie möglich zu besuchen und mitzu-

nehmen. War ich doch zum ersten Mal

bei a) einem Kongreß dieser Größen-

ordnung und b) einem BuFT-Kongreß

und c) einem Kongreß überhaupt. So

war ich auch einer der ersten Teilneh-

mer vor Ort – erhielt jedoch gleich die

Mitteilung, dass das Arbeitstreffen

„Förderstrukturen in Ländern und

Kommunen“, für das ich mich angemel-

det hatte, derart nachgefragt wäre,

dass beschlossen wurde, dieses nur

dem Kreis derer zu öffnen, die selbst an

der Vergabe von Fördermitteln beteiligt

seien. Also nicht mir. Aha. Alternativen

waren: „Initiative Honoraruntergrenze“

(Anmeldung erforderlich) und „Perfor-

ming Arts in Europe“ (Anmeldung er-

forderlich). Letzteres hätte noch freie

Plätze. Ein Blick in die Seminarhalle

bot eine endlos lange Tafel, proppevoll.

Okay. Ich habe mich dann mit meinem

Stift in eine Ecke verzogen und Kon-

zepte für noch zu beantragende Projek-

te geschrieben. Das klappte. Sehr gut

sogar. Auch ohne Voranmeldung.

Später wurde mir dann erzählt, dass

das von mir ursprünglich gewählte Ar-

beitstreffen doch noch Kapazitäten ge-

habt hätte. Erste Erkenntnis: nicht

überall dort, wo man sich angemeldet

hat, kommt man rein. Zweite Erkennt-

nis: man kommt dorthin, wofür es eine

Anmeldung braucht, auch ohne An-

meldung. Dritte Erkenntnis: nicht alles

glauben. Selber nachsehen. Vierte Er-

kenntnis (nach einem Blick in das 345

Namen umfassende Teilnehmerver-

zeichnis): es sind erstaunlich wenige

Darsteller hier. Weitaus mehr ist der

produzierend-produktions-projektlei-

tende-organisatorische-administrative

Bereich vertreten.

These: Die Darsteller können es sich

zeitlich und finanziell nicht leisten, hier

zu sein. Sie müssen Einnahmen erwirt-

schaften. Erweiterung der These:

Thüringer müssen noch mehr erwirt-

schaften.

Zur Eröffnung wurde dann ab 18 Uhr

in die große Halle gebeten, begrüßt von

Amelie Deuflhard (Intendantin Kamp-

nagel) und Alexander Opitz (bis dato

Vorsitzender des BuFT). Der neue - im

Vorfeld des Kongresses gewählte -

BuFT-Vorstand wurde vorgestellt, dem

alten gedankt. Diverse Redebeiträge,

danach Käse und Wein. Mal preiswert,

weil gratis. Als - wahrscheinlicher -

Ausgleich zu den exorbitanten Preisen

für Getränke und Suppe über die Kon-

greßverköstigung. Aber das sahen Ver-

treter aus Thüringen und dem Saar-

land diametral anders. Fünfte Erkennt-

nis: Ein Capuccino auf Kampnagel

bewegt sich preislich zwischen Thürin-

ger und Saarländer Einkommensver-

hältnissen und Konsumgewohnheiten.

Fünf Erkenntnisse und eine These

und drei Projektkonzepte an einem Tag.

Nicht schlecht.

Zweiter Tag. „Rahmenbedingungen

für Projekte Kultureller Bildung mit

Mitteln der Darstellenden Kunst“ (Ar-

beitsgruppe), moderiert von Prof. Dr.

Gerd Taube. Kurz und schwierig: was

sind denn überhaupt die geeigneten

Rahmenbedingungen und wer legt das

02 24

fest? Letztlich nur die Künstler als die

in ihrem Bereich wahrscheinlich kom-

petentesten Partner selbst. Weiter: „Re-

flektion künstlerischer Verhaltenswei-

sen in der Arbeit mt Kindern und Ju-

gendlichen“ (Workshop) mit Prof. Dr.

Dorothea Hilliger. War glücklicher-

weise viel praktischer, als der Titel ver-

muten ließ. Für mich und meine Arbeit

sehr erhellend. Zum Abschluß eine

Podiumsdiskussion „Theaterstruktu-

ren der Zukunft“, in deren Verlauf Prof.

Dr. Wolfgang Schneider fragte, wann

denn die Freien Gruppen endlich auf-

begehren würden mit dem Verweis auf

kulturpolitische Diskussionen in ande-

ren Ländern, in deren Verlauf auch

schon 'mal Tische zerlegt würden. Nein,

hierzulande geht man lieber diploma-

tisch vor. Später dann Konservenmusik

und Kürbissuppe.

Dritter Tag: „Let's talk about money“

(Workshop) moderiert von Sören

Fenner (theaterjobs.de) mit u.a. Anna

Mareike Holtz vom Büro ehrliche ar-

beit, die ihr Produktionsbüro und des-

sen Arbeitsweise vorstellte. Reges In-

teresse. Sowas geht! Kann funktionie-

ren! Ohne Hierarchie! Mit Transparenz!

Weitere Fragen und Themen: wie kann

man womit an die Öffentlichkeit treten,

um auf die prekären (Finanz-) Situa-

tionen der Freien Szene aufmerksam zu

machen? Einen Tag bundesweit gar

nicht spielen und dies natürlich vorher

oder auch gerade nicht kommunizie-

ren? Nur zur Hälfte spielen? Bis hierher

hat das Geld gereicht? Oder einen Vor-

stellung ohne Text, die andere ohne

Kostüm, eine andere ohne Bühnen-

bild? Mein Zeichenlimit winkt. Daher:

Sehr viele Inhalte für drei Tage und so

viele Teilnehmer. Wichtig: Vernetzen!

Austauschen! Diskutieren! Auch und

gerade kontovers!

Gewonnen: viele Eindrücke und Er-

kenntnisse; und einen schönen Ver-

sprecher erlebt: „So, dann stelle ich

Ihnen 'mal das Publikum vor...“ Ange-

sprochen war das Publikum und ge-

meint das Podium. Aber schön, die Vor-

stellung, das Publikum würde vorge-

stellt und man lernte es endlich

kennen...

... STATT EINES EDITORIALS.

EIN THÜRINGER IN HAMBURGzu Gast auf dem Bundeskongress des BuFT„vielfalt gestalten – frei und fair arbeiten“ 15.-17.10.2015

von Patrick Jech

Page 3: Theatrium ausgabe01 2016

BUFT-KONGRESS.

FESTIVALARBEIT.

MADE IN HESSEN.

FESTIVALUMSCHAU.

22. TREFF JUNGES THEATER.

IM BILD.

DASARTS.

BASISLAGER.

IM KURZPORTRAIT.

WILDWECHSEL.

FESTIVALAUSSCHREIBUNGEN.

EIN THÜRINGER IN HAMBURG.

MAL SCHAUEN, WAS DIE ANDEREN MACHEN GASTAUTOR CHRISTIAN HOLTZHAUER

EIN FESTIVAL-INTERVIEW

NICE TO HAVEGASTAUTOR STEPHAN SCHNELL

EIN INTEGRATIONSVERSUCH

SZENENKALEIDOSKOP

FEEDBACK-METHODGASTAUTORIN LEILA ANDERSON

WIR WOLLEN MIT EUCH REDENGASTBEITRAG BASISLAGERTEAM

TOHUWABOHU MEININGEN

RETROSPEKTIVE

AVANT ART & AMARENA

FESTIVALLANDSCHAFTEN

AUSGABE 01.2016

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IMPRESSUM

HERAUSGEBER:

REDAKTION: Mathias BaierFelix SchölzelFrank Grünert und Gastautoren

SATZ /LAYOUT:Florian Hohmann

TITELFOTO:Marius Luhn(Vergraben - stellwerk Weimar)

AUFLAGE: 2000

GESCHÄFTSSTELLETHÜRINGER THEATERVERBAND

VORSITZENDER:Frank Grünert

GESCHÄFTSFÜHRER:Mathias Baier

FSJ KULTUR:Felix Schölzel

ANSCHRIFT:Thüringer TheaterverbandStadthaus / Platz der OdF 107407 Rudolstadt

Telefon 03672/412072Telefax 03672/414958info@thueringer-theaterverband.dewww.thueringer-theaterverband.de

SPRECHZEITEN:Mo. bis Fr. von 9 bis 13 Uhr

FÖRDERUNGThüringer StaatskanzleiAbteilung Kultur und Kunst

THÜRINGERTHEATERVERBANDMitglied im Bund Deutscher AmateurtheaterMitglied im Bundesverband Freie TheaterMitglied im Kulturrat Thüringen

INHALT

Page 4: Theatrium ausgabe01 2016

Festivalarbeit zwischen lokaler Verankerung und überregionalem Anspruch

Ich gebe zu: ich bin befangen. Über

Aufgaben, Besonderheiten und Poten-

tiale von Festivals nachzudenken, lässt

sich für mich nicht davon trennen, die

eigene Arbeit für das Kunstfest Weimar

zu reflektieren. Hinzu kommt: Obwohl

ich seit über zwei Jahren in Thüringen

lebe, habe ich immer noch das Gefühl,

hier neu zu sein. Das mag auch daran

liegen, dass ich nicht viel Zeit vor Ort

verbringe. Zwar bildet die Stadt

Weimar, in der ich wohne, den Bezugs-

rahmen für meine künstlerische Arbeit.

Zugleich versuche ich jedoch, das

Kunstfest in der überregionalen und

internationalen Festivallandschaft zu

positionieren und bin deshalb zwangs-

läufig viel unterwegs. Vielleicht ermög-

lichen es aber gerade diese Reisen, hin

und wieder einen frischen Blick auf die

hiesige Kulturlandschaft zu werfen.

PLATTFORMEN FÜR AUSTAUSCH

UND VERNETZUNG

Die Zahl der Festivals nimmt seit

Jahren zu - nicht nur in Thüringen.

Dafür mag es viele Gründe geben. In

Thüringen, so scheint mir, spielt oft-

mals die Hoffnung eine Rolle, durch die

Einrichtung neuer Kulturangebote die

touristische Anziehungskraft bestimm-

ter Regionen zu erhöhen. Das ist legi-

tim, denn zweifelsohne tragen Festivals

zur Attraktivität ihrer Standorte bei.

Dennoch haben sie für mich zuerst eine

künstlerische Funktion - und eine kul-

turpolitische.

Wie viele andere gesellschaftliche

Bereiche auch, wird die Kulturland-

schaft in Deutschland von starken

(starren?) Institutionen geprägt. So ist

auf dem Feld der darstellenden Künste

das Stadttheater der Regelfall. Diese

Institutionen produzieren vor allem für

den eigenen Bedarf. Der Austausch mit

anderen Produktionsformen nimmt

zwar zu, ist aber immer noch die Aus-

nahme. Auch der internationale Aus-

tausch, den man eigentlich im Zeitalter

der Globalisierung für eine Selbstver-

ständlichkeit halten sollte, findet kaum

statt, da eine geeignete Infrastruktur

(Räume und Geld) oftmals fehlt. Gerade

im Osten der Republik ist dieser Mangel

spürbar. (Ich finde es in diesem Zusam-

menhang bezeichnend, dass es in der

seit dem Sommer 2015 geführten

„Thüringer Theaterdebatte“ nur um die

Stadt- und Staatstheater sowie die

kommunalen Orchester geht. Andere

Produktions- und Präsentationsfor-

men, die ebenfalls unverzichtbar zur

Theaterlandschaft gehören, kommen in

der Diskussion nicht vor.)

Vor diesem Hintergrund wächst

Festivals eine große Bedeutung zu. Wo

sonst kann man internationale Gast-

spiele, weltbekannte Solisten, neu zu

entdeckende Talente oder spartenüber-

greifende Produktionen sehen? In einer

vernetzten Welt gehört die Begegnung

mit anderen als den gewohnten künst-

lerischen Positionen zur kulturellen

Grundversorgung dazu. Davon profi-

tieren nicht nur die Künstler*innen, die

ihre Arbeiten einem größeren Publikum

zugänglich machen können und in der

Begegnung mit anderen Künstler*in-

nen Impulse für ihr eigenes Schaffen

erhalten. Auch das Publikum profitiert

davon. Festivals sind somit gleicher-

maßen Gegenentwurf und notwendige

Ergänzung zu den ganzjährig produ-

zierenden Kulturbetrieben.

Festivals erzeugen einen zeitlich be-

grenzten Ausnahmezustand. Dadurch

gelingt es ihnen Neugier zu entfachen, 04 24

von Christian Holtzhauer

Christian HoltzhauerVorsitzender der Dramaturgischen Gesellschaft und

Künstlerischer Leiter des Kunstfests WeimarFoto: Candy Welz

MAL SCHAUEN, WAS DIE ANDEREN MACHEN

Page 5: Theatrium ausgabe01 2016

Aufmerksamkeit zu bündeln und

durch die dichte Abfolge verschiedener

Programmpunkte Schwerpunkte zu

setzen und unerwartete Verknüpfun-

gen herzustellen. Ist das Publikum erst

mit dem „Festivalvirus“ infiziert, lässt

es sich auch auf unbekannte, sperrige

und künstlerisch riskante Projekte ein.

Außerdem sind Festivals immer auch

ein soziales Experiment: Sie ermög-

lichen Begegnungen - zwischen den

Künstler*innen selbst, zwischen

Künstler*innen und Publikum, aber

auch zwischen verschiedenen Zu-

schauergruppen.

Zugleich sind Festivals höchst

komplizierte und widersprüchliche Ge-

bilde. Sie versuchen, das Besondere

zum Regelfall zu machen, müssen sich

also ständig neu erfinden. Vernetzung

ist für sie oberstes Gebot, und doch

wollen und müssen sie einzigartig sein.

Sie sind aber auch darauf angewiesen,

in einer an Reizen nicht gerade armen

Kulturlandschaft ihre Wiedererkenn-

barkeit zu bewahren. Da sie stets nur

für einen kurzen Zeitraum sichtbar

sind, müssen sie die Aufmerksamkeit,

die sie brauchen, immer wieder neu

entfachen.

KUNSTFEST WEIMAR - DIE NEU-

ERFINDUNG EINES FESTIVALS

Das Kunstfest Weimar wurde kurz

nach dem Mauerfall von einer illustren

Runde (westdeutscher) Intellektueller

gegründet. Eine ziemlich bildungsbür-

gerliche Veranstaltung muss das in den

ersten Jahren gewesen sein, die den

Geruch, dass es sich um einen reinen

Westimport handelte, der mit der

Lebenswirklichkeit der Einwohner

Weimars nichts zu tun hatte, lange

nicht los wurde. Das einheimische

Publikum freundete sich erst mit dem

Kunstfest an, nachdem Bernd

Kauffmann 1993 die Leitung über-

nahm. Kauffmann brachte vielbe-

achtete Theaterproduktionen und

Tanzgastspiele nach Weimar. Seine

mittelbare Nachfolgerin Nike Wagner

wiederum machte aus dem Kunstfest

ein ambitioniertes Musikfestival, das

sich hoher medialer Aufmerksamkeit

erfreute, allerdings zunehmend den

Kontakt zu großen Teilen des lokalen

Publikums verlor.

2013 wurde ich zum Künst-

lerischen Leiter berufen, im Jahr da-

rauf wurde das Kunstfest als künst-

lerisch eigenständiges Projekt ins

Deutsche Nationaltheater Weimar inte-

griert. Die Aufgaben, die vor uns lagen

bzw. liegen, waren (und sind) nicht

eben klein: die künstlerische Neu-

positionierung des Festivals in einer

mit Kulturangeboten eigentlich über-

versorgten Region, eine sinnvolle

Nutzung der Kooperationsmöglich-

keiten mit dem DNT, der Erhalt und

wenn möglich Ausbau der übrregiona-

len Wahrnehmung, der Aufbau eines

neuen überregionalen Publikumes (die

Fans des Kunstfests von Bernd

Kauffmann waren verschwunden, die

von Nike Wagner vom neuen Konzept

verstört) und zugleich die bessere Ver-

ankerung des Festivals am eigenen

Standort. Denn man kann ein Festival

nicht ohne und schon gar nicht gegen

die eigene Stadt machen. Mich

zumindest würde solch ein Festival

nicht interessieren.

Auch die finanzielle Situation des

Kunstfests - das hat es mit den meisten

anderen Kulturinstitutionen in Thürin-

gen gemein - stellt gelinde gesagt eine

Herausforderung dar. Die nur jährlich

gewährte Projektfinanzierung verhin-

dert langfristige Planung, und obwohl

das Kunstfest aus Thüringer Sicht

geradezu üppig gefördert wird, ist es im

überregionalen Vergleich ein eher

kleines Festival - dafür aber mit großem

Anspruch.

Wir versuchen ein Festival zu ge-

stalten, das die einzelnen Bestandteile

seines Namens - Kunst, Fest und

Weimar - wörtlich nimmt. Es ist ein

Festival für alle Künste, das sich vor der

historischen Kulisse Weimars aus-

schließlich zeitgenössischem Kunst-

schaffen widmet. Zeitgenössisch heißt

für mich dabei: international, sozial

engagiert, spartenübergreifend. Das

Kunstfest versteht sich aber auch als

Fest - als Anlass und als gute Gelegen-

heit also, verschiedene Menschen (etwa

die Einwohner Weimars und die Gäste

der Stadt) miteinander ins Gespräch zu

bringen. Weimar selbst schließlich ist

die Bühne, das Thema und der

Eröffnung Kunstfest Weimar 2015Foto: Candy Welz

05 24

IN EINER VERNETZTEN WELT GEHÖRT DIE BEGEGNUNG MIT ANDEREN ALS DEN GEWOHNTEN

KÜNSTLERISCHEN POSITIONEN ZUR KULTURELLEN GRUNDVERSORGUNG DAZU.

Page 6: Theatrium ausgabe01 2016

Die enge Zusammenarbeit mit den

verschiedensten Partnern ist uns ein

großes Anliegen - sei es das DNT, sei es

die Bauhaus-Universität, seien es die

vielen alternativen oder soziokulturel-

len Akteure, mit denen wir in den ver-

gangenen Jahren kooperiert haben.

Wir verstehen uns als Partner, nicht als

Konkurrenz zu anderen Thüringer

Kulturinitiativen.

Genau hier müssen wir in Thürin-

gen ansetzen: Wir brauchen mehr Aus-

tausch, mehr Kooperation, mehr ge-

genseitige Kenntnisnahme, weniger

Konkurrenz. Ein erster Schritt könnte

darin bestehen, unsere Kräfte im

Marketing zu bündeln, um auch außer-

halb des Freistaats wahrgenommen zu

werden. Es ist auch an der Zeit, dass

die Thüringer Festivals eine eigene

Interessenvertretung gründen. Und wir

brauchen mehr Selbstbewusstsein. Ja,

wir sind klein, und ja, wir haben wenig

Geld. Aber schließlich kommt es ja

auch noch auf Ideen an. Denn für

bestimmte Fragen könnte Thüringen

tatsächlich zu einer Art Laboratorium

werden: Wie gehen wir mit einer

schrumpfenden und alternden Gesell-

pp

schaft um? Wie steht es

heute um das Verhältnis

von Provinz und Metro-

pole? Stimmt es, dass Ge-

genwartskunst nur in den

großen Städten entsteht

oder gedeiht sie auch im

ländlichen Raum? Wie

können wir mit künst-

lerischen Mitteln die Inte-

gration der neu in dieses

Land kommenden Men-

schen vorantreiben, ohne

die Fehler der Vergangen-

heit zu wiederholen? Zu

diesen (und vielen wei-

teren) Fragen können und

müssen wir uns in un-

serer künstlerischen Ar-

beit verhalten. Über die

Ergebnisse tauschen wir

uns dann auf unseren

Festivals aus.

06 24

Mein Kampf / Rimini Protokoll / Kunstfest Weimar Foto: Candy Welz

2015

Hauptakteur des Festivals. Kunst ist

für mich ein Instrument der Recherche,

mit dem wir die Regeln unseres Zusam-

menlebens untersuchen können. So

nehmen wir mit unseren Produktionen

Weimar unter die Lupe, aber auch die

Themen, für die Weimar steht: Umgang

mit Vergangenheit, Bedeutung von

Geschichte für unsere Gegenwart, Sinn

und Unsinn einer nationalen Identität.

Mit dem Kunstfest wollen wir sol-

chen Kunstformen eine Plattform bie-

ten, die es in Thüringen schwer haben,

wie der zeitgenössische Tanz. Wir laden

überregionale und internationale Gast-

spiele ein, von denen wir glauben, dass

sie sich auf besondere Weise mit

unserem Standort in Beziehung setzen

lassen, und von denen im besten Fall

Impulse für die lokale Szene ausgehen.

Zugleich entwickeln wir mit jungen

Künstler*innen und Initiativen aus der

Region neue Projekte, um zu beweisen,

dass in Thüringen nach wie vor span-

nende Kunst entsteht.

WIR BRAUCHEN MEHR AUSTAUSCH, MEHR KOOPERATION, MEHR GEGENSEITIGE KENNTNISNAHME,

WENIGER KONKURRENZ.

Christian Holtzhauer, geboren 1974

in Leipzig, studierte Theaterwissen-

schaft / Kulturelle Kommunikation

sowie Musikwissenschaft in Berlin und

Toronto. Von 2001 bis 2004 war er

gemeinsam mit Amelie Deuflhard

verantwortlich für das künstlerische

Programm der Berliner Sophiensaele.

Als Dramaturg und Projektleiter

arbeitete er von 2005 bis 2013 am

Schauspiel Stuttgart. Seit 2014 ist er

Künstlerischer Leiter des Kunstfests

Weimar sowie seit 2011 Vorsitzender

der Dramaturgischen Gesellschaft,

einem Netzwerk von Theaterschaffen-

den aus dem gesamten deutsch-

sprachigen Raum.

KUNSTFEST

WEIMAR

19.08. - 04.09.2016 www.kunstfest-weimar.de

Page 7: Theatrium ausgabe01 2016

Das „Made in Hessen.100% Theater“ ist

eine Art Programmschau des freien pro-

fessionellen Theaters in Hessen. Ihr

nennt es bundesweit einzigartig, womit

ihr auf seinen Gastspielcharakter ver-

weist. Genau genommen ist es dadurch

auch kein Festival im klassischen Sinne.

Was macht es für euch einzigartig und

weshalb habt ihr euch für diese spe-

zielle Präsentationsform entschieden?

Ja, richtig bei „made in Hessen.100%

Theater“ handelt es sich nicht um ein

Festival im übliche Sinne.

Was die Auswahl der gezeigten Pro-

duktionen betrifft - ist es weniger eine

Programmschau, als das Aufzeigen von

„Tendenzen“ - inhaltlicher und ästheti-

scher Art, d.h. mit welchen Themen set-

zen sich die darstellenden Künstler in

Hessen zur Zeit auseinander und in

welcher Ästhetik werden diese umge-

setzt. Immer die Qualität und auch den

Unterhaltungswert dabei im Auge. Um

im nächsten Schritt die passenden Orte

mit dem geeigneten Produktionen zu-

sammen zu bringen.

Auf diese Weise gelingt es das „Thea-

terland Hessen“ besser sichtbar zu ma-

chen, und die Idee von hessischer Iden-

tität mit den darstellenden Künsten zu

schaffen. Diese aufgeführten Aspekte

bilden für uns das Besondere an „made

in Hessen.100% Theater“.

Viele Festivals arbeiten mit komplexen

Rahmenprogrammen,die den Aus-

tausch der Akteure, eine Kultur des

Feedbacks sowie kulturpolitischen Dis-

kurs anregen sollen. Findet ihr hierfür

auch Formate oder spielt dies für euer

Festival keine Rolle?

Der Fokus des Festivals liegt ganz klar

beim Gastspiel. Herausragende Stücke

sollen neuen Zuschauerkreisen zu-

gänglich gemacht werden.

Die intensive kulturpolitische Arbeit ist

während des Festivals nicht so sicht-

bar, aber die Netzwerkarbeit im Hinter-

grund und als Vorbereitung hat einen

enormen Wert. Das Festival bündelt in

einmaliger Weise vielfältige Interessen.

Künstler können on tour gehen und

bekommen angemessene Festgagen.

Veranstalter bekommen neue und gute

Stücke ins Haus, bei einem geringen

finanziellen Risiko. Die Kommunen

und das Land begrüßen den nachhalti-

gen Effekt des Festivals. Besondere -

bereits produzierte - Stücke werden

hier nach der Premiere und den ersten

Spieltagen nochmals ins hessische

Spielprogramm eingebettet. Es sind

z.T. sehr aufwendige Stücke, die ohne

diese Förderung nicht weiter aufge-

führt werden könnten.

Welche Probleme ergeben sich aus dem

Ziel, Stücke möglichst oft an ver-

schiedenen Orten zu zeigen? Gibt es

Kompromisse, die man eingeht oder

auch Verzicht zu Gunsten anderer

Faktoren und Effekte?

Uns geht es darum Abspiel- Strukturen

für die freien Produktionen zu schaffen,

die zur Zeit meist nur 3-4 mal gezeigt

werden und dann im Fundus ver-

schwinden. Es geht darum, dass sich

Orte öffnen, die bis jetzt nicht für freies

Theater zugänglich waren, die aber

einen regelmäßigen Spielplan haben.

Dabei entstehen Probleme, die uns Ab-

stand nehmen lassen, in die Menge zu

gehen. Vielmehr wollen wir an Orte

gehen, die das Stück öfter zeigen wollen

und können oder bereit sind auch un-

terschiedliche Produktionen zu zeigen.

Also fast das Festival im Festival - wo

sich Veranstaltungen bündeln - was

auch regional viel besser beworben

werden kann, als z. B. mit dem großen

Gesamtplakat „made in Hessen“.

An wie vielen Orten habt ihr in diesem

Jahr gespielt? Welche Partnerschaften

geht ihr dafür ein und welche Er-

fahrungen lassen sich darüber teilen?

2015 wurden im Rahmen des Festivals

15 Bühnen bespielt. Eine davon war

das Theaterhaus Jena. Die Partner-

schaften bei diesem Festival sind sehr

umfangreich. Als erstes knüpfen wir

Kontakt zur Intendanz eines Theater-

hauses. Meistens werden wir mit of-

fenen Türen empfangen, denn die Idee

dieser Gastspielreihe ist für alle sehr

einleuchtend. Dann nehmen wir Kon-

takt zur Kulturverwaltung der jeweili-

gen Stadt auf. Es ist uns enorm wichtig,

dass auch die Städte und Gemeinden

von der Veranstaltung wissen und

diese unterstützen. Für 2015 konnten

wir zum ersten mal auch den Thüringer

Theaterverband als Partner gewinnen.

Dies ist eine wunderbare Bereicherung.

Unsere Erfahrungen sind insgesamt

durchweg positiv. Alle Partner sind

gern Teil dieser Gemeinschaft und fin-

den sich auch mit ihren Interessen in

diesem Festval wieder.

Ihr wart 2015 also auch in Thüringen zu

Gast. Das Ensemble von german stage

service, Marburg und unitedOFF pro-

ductions gastierte im Oktober mit „Ei-

gentlich wollte ich nach Finnland!“ im

Theaterhaus Jena. - am Rande bemerkt:

eine großartige und sehr zu empfehlen-

de Darbietung! - aber zurück zum Festi-

val: Expandiert ihr? Oder wird es gar ein

"Made in Hessen - Thüringen"?

Es soll perspektivisch auch über die

Landesgrenzen gehen, deshalb ist die

„Interregionale“ als Untertitel für 2017

angedacht - so wollen wir also auch

2017 Thüringen treu bleiben. Wobei ei-

ne Erweiterung auch noch zu anderen

angrenzenden Bundesländern ange-

dacht ist.

Welche weiteren Perspektiven hat bzw.

plant ihr für das Festival? Gibt es eine

Art Handlungsdruck in Sachen Ver-

änderungen? Welches sind die aktuel-

len und perspektivisch größten Heraus-

forderungen für Euch?

Zunächst einmal muss das Festival als

„Institution“ wachsen und verankert

werden. z.T. gibt es nur ein Gastspiel

pro Kommune. Hier muss eine Verän-

derung bzw. Konzentration stattfinden.

Das Festival soll sich auf bestimmte

Orte konzentrieren, um sein Profil stär-

ker auszubauen und damit auch ein

eigenes Publikum zu generieren. Die

größte Herausforderung ist nach wie

vor: Wie kann man Zuschauer für

Künstler und Stücke begeistern, die

Ihnen nicht bekannt sind?

Gibt es aus euren Erfahrungen in der

Festivalorganisation der vergangenen

Jahre Erkenntnisse mit Blick auf die

grundsätzliche Rolle und Bedeutung

von Festivals?

Die Frage zur grundsätzlichen Rolle

und Bedeutung von „made in Hessen“ -

da sehen wir an 1. Stelle den Aufbau

der Strukturen für Gastspiele, die Be-

fähigung der Gruppen zum Gastieren,

das sich Beweisen der Gruppen bei

anderen Publika und so ein Überleben

von freien Gruppen vor allem durch

Gastspiele national, wie international.

Wann wird das nächste „made in Hes-

sen.100% Theater“ zu erleben sein und

kann man heute schon einen Vorge-

schmack darauf geben?

Wenn alles so läuft wie geplant, wird die

4. Ausgabe des Festivals im Frühherbst

2017 über die Bühnen gehen, als zen-

traler Ort ist das Künstlerhaus Mouson

angedacht. Für 2017 wollen wir ge-

zielter nach inhaltlichen und formalen

Tendenzen in der künstlerischen Arbeit

Ausschau halten und diese auch öf-

fentlich kommunizieren.

Ein Ausblick auf das Festivaljahr 2017

wird es somit erst Ende 2016 geben.

Made in Hessen . 100% TheaterEin Interview mit Katja Hergenhahn und Angelika Sieburg vom Landesverband Professionelle Freie Darstellende Künste Hessen

Page 8: Theatrium ausgabe01 2016

Eine Festival Umschau

amarena, Wurzelwerk, Theaterwel-

ten Rudolstadt, Kinder-Theater-Fest,

Theatertage am See, Internationales

Theaterfestival Donzdorf, Theatertage

Europäischer Kulturen Paderborn,

Lörrach, Göppingen, Hanau, Bunte

Bühne Fellbach, Baltrum, Wedel,

Lamathea, Avant Art, Sächsische

Amateurtheatertage, Brandenburgi-

sche Amateurtheatertage - diese un-

vollständige, nicht hierarchisch oder

irgendwie wertend gemeinte Auf-

zählung ist das Ergebnis einer spon-

tanen Antwort auf die Frage: Welche

Amateurtheaterfestivals gibt es in

Deutschland? 17 international, na-

tional oder landesweit ausgerichtete

Formate in jährlichem oder zweijähri-

gem Rhythmus durchgeführt mit Wett-

bewerbs- oder Einladungscharakter.

Wer braucht diese und noch mehr

Festivals? Sie kosten (meist) viel Geld,

(in jedem Fall) viel Arbeitszeit und sind

hierzulande vor allem Hochzeiten der

Kritiker und Bedenkenträger. Im Blick

zurück in die Annalen erscheint die

Zahl der Festivals in der Amateur-

theaterlandschaft rückläufig. Ist es,

weil die zeitlichen Spielräume immer

enger werden? Oder ist es eher das

steigende Desinteresse am künst-

lerischen oder kulturellen Austausch?

Die Antwort ist sicherlich verknüpft mit

der Frage nach der Festivalkultur.

Gehören Festivals zum Wesenskern

des Amateurtheaters oder sind sie ein

„nice to have“, ein Ego - booster für die

Macher und im Allgemeinen verzicht-

bar?

Vielleicht hilft ein Blick in die Nach-

barsgärten? In Tschechien dominiert

der repräsentative Wettbewerbs-

charakter. Das organisierte Amateur-

theater ist hierarchisch strukturiert;

alles strebt nach den Weihen, die seit

1931 alljährlich auf dem nationalen

Festival in Hronov verliehen werden.

Das Jiráskův Festival in Hronov bildet

jedoch nicht nur eine künstlerische

Elite ab, es repräsentiert in einer 8 -

tägigen Schau die gesamte Bandbreite

des Theaters. Wer beim großen Finale

in Hronov - beispielsweise in der Kate-

gorie „Theater in Dörfern und Klein-

städten“ mit dem „Goldenen Alois“ aus-

gezeichnet werden will, muss sich bei

mehreren Festivals auf verschiedenen

Levels (lokal und regional) beweisen,

um schließlich auf dem „Halbfinal“-

Festival in Vysoke nad Jizerou von der

Jury für Hronov nominiert zu werden.

Im Verständnis des tschechischen

Amateurtheaters sind Festivals we-

sentlich Wettbewerbe und damit Maß-

stab der künstlerischen Qualität und

zugleich Instrument zur Qualitätsver-

besserung. Dabei ist Hronov mehr als

nur eine Schau der Besten und der

Vielfalt; durch ein umfangreiches Be-

gleitprogramm und zahlreiche Work-

shops ist es Netzwerktreffen und Fort-

bildung zugleich.

Ein anderes Verständnis der Funk-

tion von Festivals prägt die Situation in

Frankreich. Einen nationalen Wett-

bewerb, die Masque d´or, gibt es dort

nur alle 4 Jahre. Im Fokus stehen der

„la fête“ und die Gelegenheit zum Aus-

tausch et „d'aller à la rencontre de

différents publics“. Einer Umfrage aus

dem Jahr 2013 zufolge gibt es in

Frankreich rund 150 Festivals pro

Jahr. Nur wenige dauern eine Woche

oder länger. Die meisten Festivals sind

lokal ausgerichtet: drei, vier Gruppen

aus der näheren Umgebung treffen sich

für ein Wochenende.

Festivals sind mehr als ein nice to

have; sie bilden in vielen Ländern das

zentrale Nervensystem des Amateur-

theaters. In Litauen kommt man gar

auf 200 Festivals; in einem Land mit 08 24

von Stephan Schnell

Stephan SchnellBildungsreferent im Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT)

Foto: BDAT

NICE TO HAVE

Page 9: Theatrium ausgabe01 2016

99 Prozent / spinaTheater - junges ensemble solingen / amarena Festival 2014

Foto: Jörg Sobeck

gerade mal 45 Einwohnern pro km .

Die Relevanz von Festivals hängt also

von der jeweiligen Kulturlandschaft ab.

Festivals sind eine Kommunikations-

form, die das „Andere“ in den Blick

nimmt. Die eigene Perspektive, das ei-

gene Spiel im Verhältnis zur Perspek-

tive anderer, zum Spiel der Anderen zu

erleben, bedeutet für Zuschauer und

Aktive gleichermaßen das potentielle

Ende der Selbstgewissheiten; es birgt

das Risiko der Verunsicherung und ist

damit eben etwas anderes als das sta-

tionäre „Heimspiel“, in dem der Zu-

schauer auf „sein“ Theater und das

Theater auf „sein“ Publikum trifft.

Wie sähe aber ein ideales Festival

aus? Es steht für Vielfalt der Formen

oder rückt eine bestimmte Ausdrucks-

weise in den Vordergrund; es ist Fest

und Wettstreit zugleich. Es ist Reprä-

sentation oder Teilhabe. Es ist Spek-

takel, Diskurs und Aktion. Das ideale

Festival ist immer anders. Idealerweise

gäbe es anstelle eines Festivals das

kontinuierliche Netz einer diversen

Festivallandschaft. Insbesondere für

die Freie und Amateurtheaterszene hat

das Format „Festival“ ein gesteigertes

Potential für künstlerische Innovation

und gesellschaftliche Teilhabe.

Formal und inhaltlich lassen sich

beinahe beliebig viele Festivals „erfin-

den“. Ein Festival setzt mit seinem

Schwerpunkt einen kulturellen und

politischen Akzent, der in seinen Sy-

nergieeffekten die einzelne Aufführung,

das Gespräch oder den Workshop über-

wiegt. Oder um es mit Aristoteles zu

sagen, das Ganze ist mehr als die

Summe seiner Einzelteile.

Eine vielfältige Festivallandschaft ist

auch Ausweis einer aktiven gesell-

schaftlichen, um nicht demokratischen

Teilhabe. Kann es davon ein Zuviel ge-

ben? Oder ist nicht umgekehrt ein

Rückgang von Festivals Ausdruck einer

Übersättigung am Dialog, am Aus-

tausch? Die Reduzierung auf das eige-

ne, das angwöhnte, leicht konsumier-

bare Schauspiel (als Darsteller oder Be-

trachter) kommt damit dem Wunsch

nach Abschottung nahe. Wieviel Welt-

haltigkeit bliebe so noch? Manche

Theaterformen wie das „Mundartthea-

ter“ scheinen für den Austausch jen-

seits der „Scholle“, der eigene Umge-

bung ungeeignet. Wer versteht schon

itzgründisch? Wer das Zwiesler Nieder-

bairisch? Insofern unterscheidet sich

ein Mundart-Festival nicht von einem

internationalen Festival der Weltregio-

nen. Die Angst vor „Unverständnis“ sei

es auf sprachlicher, sei es auf künst-

lerischer Ebene ebnet den Weg zu

einem Unverständnis der Kulturen.

Wer also braucht Festivals? Und

wofür? Auf internationaler Ebene wa-

ren Festivals wie in Hronov, Martin

(Slowenien) oder Kazincbarcika (Un-

garn) lange Jahre Brücken für den Kul-

turdialog zwischen Ost- und Westeuro-

pa. Heute befindet sich Europa in

einem erneuten Transformationspro-

zess. Mit den sozialen und ökonomi-

schen sind es insbesondere die kul-

turellen Verschiebungen, die unsere

Gesellschaften herausfordern. Das

Freie und Amateurtheater als soziale

Kraft darf sich der Suche nach Ant-

worten nicht verweigern; das heißt kon-

kret, es wird neue Wege des kulturellen

Dialogs (er)finden müssen. Das Orga-

nisationsmodell „Festival“ ermöglicht

Freiräume für öffentlichen Dialog, für

Zwischenräume für eine kreative Be-

gegnung, die nicht auf die herkömm-

liche Ordnungsstruktur von Sender

(Theaterschaffender) und Empfänger

(Zuschauer) reduziert bleiben. Diese

Räume zu nutzen, neue zu erfinden

und sichtbar zu machen, wäre ein

Beitrag zu einer offenen Kulturland-

schaft.

KURZ NOTIERT

HERZLICH WILLKOMMEN!

Neumitglieder im

Thüringer Theaterverband

Junge Bühne Hildburghausen

Erst 2015 als kleines, professionelles

Ensemble für Hildburghausen und

die Region gegründet, wurde die

Gruppe bereits im November Ver-

bandsmitglied.www.junge-buehne-hildburghausen.de

Greizer Theaterherbst

Ein wahrhaftes Urgestein der freien

Theaterarbeit repräsentiert dieser

Verein - für seine Region unverzicht-

bar und mit bundesweiter Ausstrah-

lung. Seit 01.01.2016 ist er nun

Mitglied im Landesverband.

www.theaterherbst.de

Helmis Self Theater

Als Pantomime, Clown und Einzel-

künstler ist Clown Helmi (Helmut

Besser) seit 01.01.2016 Verbands-

mitglied

www.helmis-self-theater.de

09 24

FESTIVALS SIND MEHR ALS EIN NICE TO HAVE;

SIE BILDEN IN VIELEN LÄNDERN DAS ZENTRALE NERVENSYSTEM DES AMATEURTHEATERS.

2

Page 10: Theatrium ausgabe01 2016

Heutzutage kann man ohne zu

übertreiben sagen, dass es nur wenige

Dinge gibt, die mehr als 22 Jahre über-

dauern. Abgesehen von Sandwichkäse

wird alles irgendwann schlecht oder

geht kaputt. Umso mehr freute ich

mich auf ein Event, das schon länger

besteht, als eine durchschnittliche Ehe

in Deutschland. Die Rede ist vom 22.

Treff Junges Theater, der vom 15.10.-

18.10.2015 in der SCHOTTE in Erfurt

stattfand. Ich ging - als Novize - mit ge-

spaltenen Erwartungen in die Veran-

staltung. Einerseits war ich gespannt

auf die jungen Inszenierungen. Ander-

erseits erlebte ich bisher nur größere

Gruppen Jugendlicher, die eher unfrei-

willig aufeinander hockten. Jeder

Schüler, aber auch Pädagoge weiß,

dass das verdammt anstrengend sein

kann. In dieser Hinsicht wurde ich je-

doch überrascht. Einen geselligeren

Umgang mit Fremden des gleichen Al-

ters habe ich selten erlebt. Keine drei

Sekunden nach meiner Ankunft in der

SCHOTTE wurde ich - im bestmög-

lichen Sinne - zwangsintegriert. Das

führte dazu, dass ich mich noch vor der

Eröffnungsveranstaltung sehr aufge-

hoben fühlte.

Der diesjährige Treff stand unter

dem Motto „Schlagschatten“. „Der

Schlagschatten wird auf einem hellen

Hintergrund hervorgerufen, wenn das

Objekt davor von einer nahezu punkt-

förmigen Lichtquelle beleuchtet wird.“

So steht es jedenfalls bei Wikipedia.

Wenn man den näheren Bezug zum

Motto herstellen möchte, ist der näch-

ste Satz im Artikel jedoch aufschluss-

reicher. „Dieser Schatten ist bemer-

kenswert scharf und wird daher vom

Betrachter besonders intensiv wahr-

genommen.“ ... und Gelegenheiten zur

scharfen Wahrnehmung bot das

Theatertreffen einige.

Beworben hatten sich zwölf Insze-

nierungen aus Eisenach, Erfurt, Jena,

Nordhausen, Rudolstadt und Weimar.

Von diesen wurden sechs Stücke von

einer unabhängigen Jury ausgewählt.

Da der Auftritt des „Theater am Markt“

aus Eisenach ins Wasser fiel, waren

„nur“ noch Erfurt, Nordhausen und

Weimar vertreten. Dennoch sorgten die

fünf verbliebenen Stücke für Vielfalt

und Abwechslung. Von eher konven-

tionellem Theater, über Performances

bis hin zu Theaterexperimenten wurde

vieles geboten.

Zu den tradierteren Inszenierungen

zählte bspw. „Liebe Jelena Sergejew-

na“. Mit dem hochaktuellem Thema

und kontroversen Figuren lieferte der

„Theaterjugendclub des Theaters

Nordhausen“ ein tolles Eröffnungs-

stück ab. Den performativen Part

brachte das „stellwerk - junges theater

weimar“ ein. Mit „be|hei|ma|ten er-

schufen die drei jungen Perfor-

merinnen eine wahrhaft heimelige At-

mosphäre im Theatersaal. Die Grenze

zwischen Bühne und Tribüne, zwi-

schen Schauspieler und Publikum

wurde überwunden und der Zuschauer

wörtlich und metaphorisch von Anfang

an in das Stück hineingezogen.

An der zweiten Inszenierung vom

„stellwerk - junges theater weimar“,

schieden sich die Geister. Was die einen

als übertriebene, unnötige Elemente

empfanden, sahen andere als tief-

greifende Symbolik. Spielweise und

Mittel wie bspw. das Geigenspiel mit

Rücken zum Publikum, die rote Farbe

auf weißer Leinwand, die ruckartigen,

unnatürlichen Bewegungen gemischt

mit passender Musik und eindrucks-

vollen Lichteffekten, kreierten eine ver-

störende, leicht manische Atmosphäre.

Die Inszenierung „Winter“ bewirkte so

die stärksten Reaktionen beim Publi-

kum.

Das bildgewaltigste Stück bot die

Inszenierung: „Antigone“, von der

„SCHOTTE aus Erfurt“. Aufgrund der

enormen spielerischen und an das

Publikum übertragenen Energie, wel-

che durch den Chor und die großarti-

gen musikalischen Untermalung trans-

portiert wurde, für mich eines der be-

wegendsten Stücke.

Das witzigste Stück des 22. Treff:

Junges Theater Thüringen bot mit: „Per

Anhalter durchs Theater“ ebenfalls der

Gastgeber aus Erfurt. Eine großartige

Inszenierung, die ihre Zuschauer so

heftig zum Lachen brachte, dass zahl-

reiche Besucher sich wahrhaft zu

Tränen lachten. Auch an dieser Stelle

noch einmal ein großes Lob an die

sieben tollen jungen Schauspieler und

das Inszenierungsteam.

Doch der Treff ist wesentlich mehr

als eine reine Stückeschau: Nach den

einzelnen Aufführungen trafen sich die

Festivalteilnehmer - zu denen ich quasi

ohne Referenzen gehörte - in so ge-

nannten Farbgruppen zusammen, um

über das Gesehene zu sprechen. Im

kleinen Kreis wurden zunächst ver-

schiedene Aspekte, welche einer Farbe

zugeordnet waren, näher beleuchtet

und diskutiert (z.B.: Farbgruppe blau -

über die spielerischen Mittel). In den

Farbgruppen wurden Meinungen,

22. TREFF JUNGES THEATER

Ein persönlicher Integrationsversuch

eines Seiteneinsteigers

10 24

von Felix Schölzel(FSJler im Thüringer Theaterverband)

Page 11: Theatrium ausgabe01 2016

Hinweise und Kritik zuammengetra-

gen, um damit im großen Insze-

nierungsgespräch (Plenum) bereits

vorreflektiert und themenversiert zu ar-

beiten. Während des Plenums stellen

sich die Darsteller dem Feedback und

der Kritik der jungen Theaterschaf-

fenden und des Publikums. Dieser Aus-

tausch verlief äußerst harmonisch und

konstruktiv. Das Farbgruppenkonzept

funktionierte gut und kürzte den

enormen Gesprächsbedarf auf das Nö-

tige. Dennoch wurden die eingerech-

neten Zeiten ein ums andere Mal über-

zogen.

Wem die Plena dennoch zur Diskus-

sion der Stücke nicht genügten, hatte

die Möglichkeit die Gespräche auf die

Abendstunden auszuweiten. „Die

SCHOTTE“ bot dafür und für weitere

Unterhaltungsbedürfnisse ein all-

abendliches „offenes Foyer“, in dem

man den Tag bei Schnittchen und alko-

holfreien Getränken Revue passieren

lassen konnte.

Am Tage, zwischen Inszenierungen

und Plena, boten Jugendliche der

„SCHOTTE“ Improvisationsspiele an,

welche versiert moderiert wurden und

selbst mir - als Bühnenunerfahrenen -

sehr viel Spaß brachten.

Die Teilnehmer waren also auch

außerhalb des Theatersaals stets

beschäftigt und aktiv. So war der Treff

trotz des Spaßes und der neuen Be-

kanntschaften vor allem ein Podium für

intensiven Gespräche, für Austausch

und fachliche Neueinflüsse. Und

natürlich ein Fest des qualitativ

hochwertigen Theaters von Kindern

und Jugendlichen.

Letztlich war der Treff Junges Thea-

ter auch ziemlich anstrengend und so

entdeckte ich am Samstagabend schon

leichte Schlagschatten unter meinen

Augen. Die vielen Eindrücke in der irr-

witzig kurzen Zeit hatten mich ein

wenig mitgenommen. An das wilde,

schlaflose Theaterleben muss man sich

als Neuling halt erst gewöhnen.

Abschließend bleibt mir zu sagen,

dass mir keine bessere Plattform für

junges Amateurtheater vorstellbar

scheint. Impulse, Meinungen, Ideen

und Kontakte wurden ausgetauscht

und sich auch einfach einmal gegen-

seitig Respekt ausgesprochen. Ich habe

sehr viel erhalten und mitgenommen

und möchte zum 23. Treff in 2017

unbedingt wieder dabei sein.

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/

Schatten #Schlagschatten)

STELLUNGNAHME

Thüringer Theaterverband

zum Treff Junges Theater

Der Treff Junges Theater ist das Netz-

werk- und Arbeitstreffen des Kinder-

und Jugendtheaters in Thüringen. Er

ist somit weit mehr als ein Festival; viel-

mehr eine soziale und integrative Platt-

form. Sein Fortbestehen, seine Inten-

tionen und seine Qualität sind aktuell

und perspektivisch gefährdet.

Bedingt durch eine deutlich ver-

schlechterte Förderung des Projektes

mussten u.a. die Teilnehmerzahlen re-

duziert und Teilnehmerbeiträge erho-

ben werden. In beiden zwangsläufigen

Maßnahmen sehen wir eine Gefähr-

dung der Festivalintention und das

Brechen fundamentaler Grundsätze

der Jugendhilfe bzw. der kulturellen

Jugendbildung. Freiwillig kulturell und

gesellschaftlich engagierte Kinder und

Jugendliche werden latent - auf Grund

finanzieller Möglichkeiten - ausge-

schlossen. Es wird ein monetärer Aus-

grenzungsfaktor geschaffen.

Wir erwarten, dass der Treff Junges

Theater - als zentrales Projekt zur kul-

turellen Bildung - erneut als eigenstän-

diges Vorhaben in den - aktuell in Fort-

schreibung befindlichen - Landesju-

gendhilfeplan für 2017-2021 integriert

und damit in einem zweijährigen Tur-

nus durchgeführt werden kann. Daran

knüpft sich der Wunsch, dass seine Fi-

nanzierung durch das Land Thüringen

mindestens in Höhe des ehemalige

Niveaus (2010) erfolgt. Der Etat des

Kinder- und Jugendtheatertreffens

sollte so auskömmlich gestaltet sein,

dass keine Teilnehmerbeiträge erhoben

werden müssen.

Wir möchten die Fortsetzung des Dia-

logs zwischen den Entscheidungsträ-

gern des Landes und den Akteuren des

Projektes anregen und sind zu einer

Beteiligung daran stets bereit.

11 24

KEINE DREI SEKUNDEN NACH MEINER ANKUNFT IN DER SCHOTTE WURDE ICH

- IM BESTMÖGLICHEN SINNE - ZWANGSINTEGRIERT.

Winter / stellwerk - das junge theater weimarFoto: Marius Luhn

Page 12: Theatrium ausgabe01 2016

alles beginnt c ch o haotis der wenn wir worte wären (theater der stadt Gotha)

Foto: Bernd Seydel

Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt (schwarzweissfigurentheater)

Foto: Anja Daniela Wagner

Der kleine Prinz (Junge Bühne Hildburghausen)Foto: Dietmar Hiergeist

Sturm und Zwang(Die Schotte Erfurt)Foto: Lutz Edelhoff

Lysistrata(ReAktionsraum Rudolstadt)Foto: Davide Tremolada

Die lächerliche Finsternis(Theaterhaus Jena)Foto: Joachim Dette

Das besiegelte Labyrinth(stellwerk Weimar)Foto: Marius Luhn

Ein Winter. Ein Märchen. Ein Wunder.(Tohuwabohu Meiningen)Foto: Dietmar Hiergeist

SZENEN.KALEIDOSKOP

Page 13: Theatrium ausgabe01 2016

Der zweite Schuss (theater-spiel-laden Rudolstadt)

Foto: Alexander Stempelwitz

Der eingebildete Kranke (Theater am Markt Eisenach)Foto: Sascha Willms

Im Land des senkrechten Lächelns (Theater am Markt Eisenach)

Foto: Sascha Willms

Gretchen 89 FF(Die Schotte Erfurt)Foto: Lutz Edelhoff

Der zweite Schuss (theater-spiel-laden Rudolstadt)

Foto: Alexander Stempelwitz

Die Zofen(Theaterhaus Jena)Foto: Joachim Dette

Der Zauberer von Oz(stellwerk Weimar)Foto: Marius Luhn

Page 14: Theatrium ausgabe01 2016

An introduction

WHAT DO WE WANT FROM FEED-

BACK AND HOW DO WE GET IT?

Giving and receiving feedback is a

crucial part of making theatre. We

make theatre as a way to connect and

communicate with other people - to

share an idea, a feeling, an image or a

story. We make theatre for audiences

some friends and colleagues, some

strangers. In the ephemeral moment of

a performance, thoughts and sensa-

tions are experienced by everyone in-

volved. But how can we communicate

these things to each other afterwards?

How can those who make work gain

insight into their creations through the

response of their audience?

Theatre makers need feedback it in

order to gauge the effect of their work

and develop themselves as artists, but

often the ideal situation of feedback is

difficult to find. It is easier to articulate

what kind of feedback we want than it is

to see how we can create ways to get

there.

The DasArts Feedback Method was

born out of need to look closely at the

essential qualities of feedback: What

do we want from it? How do we

currently experience it? And how can

we bridge the gap between our ex-

pectations and our experience using

practical, actionable strategies? In

collaboration with the philosopher

Karim Benammar, DasArts developed a

system of rhetorical tools to deal with

these questions and to focus feedback

on being a stimulating critical exchange

that has the empowerment of the maker

as its goal.

The Method that was developed is

under constant evolution. It was

created for a dynamic multi-discipli-

nary learning environment, and this is

where it is particularly useful: in a

situation in which the practice of

sharing works-in-progress is crucial to

gathering audience responses and

benefiting from the collective creativity

and criticality of the group. But a

learning environment need not be

confined to the space of a school or an

academy. It can be created autono-

mously by any group of curious and

committed people.

In this article, I will outline a few

important elements of the Feedback

Method and give an idea of its practical

application. The best way to learn and

apply the Feedback Method is to book a

group workshop with a facilitator.

Then, through a detailed explanation

and a series of facilitated Feedback

sessions, the tools of the Method are

fully shared.

WHAT IS THE SHAPE OF A FEED-

BACK SESSION?

Making the decision to allocate a

generous amount of time for a

structured and concentrated feedback

session is an important part of re-

claiming the possibilities of what feed-

back can generate. A feedback session

usually takes between 1.5 to 2 hours. In

this time, one work is discussed. This is

often already an unusual experience for

a practising theatre maker. Besides the

amount of time spent, a feedback ses-

sion is always something that is done

by a group. Instead of relying on a few

individual conversations or waiting for

a written review, the feedback session is

a proposition for communal engage-

ment. Both those who give feedback

and those who receive it have particular

responsibilities.

14 24

by Leila Anderson

Leila Anderson (in front)Performance La Traviata and the Beginning of the End

by Ana Wild

DASARTS BACK METHOD FEED

Page 15: Theatrium ausgabe01 2016

presentation of the

work. It is a chance for

the maker to decide what

con-textualization of the

work is relevant and what

details of their process

are better left out in an

introduction. It is also an

opportunity to let the

group know what stage

the work is in. For

example, at the beginning

of the process, the sceno-

graphic design of the

work may still be taking

form and it would be use-

ful for the audience to

know this.

The Presenter's Quest-

ion is a chance for the

maker to take control of

her feed-back session,

guiding the experience

and attention of the au-

dience into parts of the

work that she decides are

important. It can take

any form. It could be

With the Presenter's Question fresh

in their minds, the audience watches

the work. After, they immediately begin

with the first format - One on One.

Quickly picking a conversation

partner from the audience, the group

divides into couples, who spend ten

minutes in a private part of the space

giving voice to their immediate

responses. The One on One is a chance

to vent gut reactions, ask stupid

questions or try to articulate initial

responses with a conversation partner.

After ten minutes of open, intimate

discussion, the group convenes.

HOW IS THE SESSION FACILI-

TATED?

Gathered on chairs in a circle, the

feedback group faces each other. Out of

the group, one person leads the

session. This person is the Moderator,

who has a very active role: helping

clarify thoughts, checking that the

maker understands everything that is

said, keeping the conversation on track

and reminding the group about the

structure of each format. The Modera-

tor has an eye on the clock and helps to

keep energy and focus as the group

goes through the steps of the Feedback

Method. He also writes up the entire

session on a series of flip chart pages.

WHAT ROLE DOES THE MAKER

TAKE IN HER OWN FEEDBACK

SESSION?

In a typical unstructured group cri-

tique, the maker often feels that they

need to defend their work and their

ideas. This may be the result of

perceived personal attack or the feeling

that they have been misunderstood. In

the Feedback Method, the maker

spends most of the session in silence.

Many makers find this a relief, enjoying

the chance to listen and let go of the

impulse to reply. The implicit contract

15 24

THEATRE MAKERS NEED FEEDBACK IT IN ORDER TO GAUGE THE EFFECT OF THEIR WORK AND

DEVELOP THEMSELVES AS ARTISTS, BUT OFTEN THE IDEAL SITUATION OF FEEDBACK IS DIFFICULT TO FIND.

Together, the group works through a

series of feedback formats. These for-

mats structure the conversation and

often take the form of rhetorical

exercises, requiring the participants to

'play the game'. Positive responses,

criticisms and constructive thoughts

are all given their own place in the

Feedback Method. During the session,

the group works hard to examine their

own ideas, even as they express them.

Feedback-givers are encouraged to

think about how their contribution can

help realize the vision of the maker.

WHAT DOES THE MAKER DO TO

PREPARE?

For the maker, the responsibility is to

look at where they are in their process

and plan what in particular they will

ask the feedback group to focus their

attention on. This is phrased as a

question - The Presenter's Question -

and it is posed to the group before the

phrased as: “How do you experience

the text of the piece?” or “What potential

do you see in the phy-sical language

being developed by the actors?”

Feedback circle -DasArtsFoto: DasArts

Page 16: Theatrium ausgabe01 2016

WHAT FORMATS ARE USED?

In every feedback session we begin

with two foundational formats: Affir-

mative Feedback and Perspectives. In

Affirmative Feedback, as the name

suggests, feedback-givers comment on

specific elements of the artwork that

'work'. In contrast to a common

rhetorical impulse in ordinary conver-

sation, there is no negative qualifier to

the statements: there is no 'but…'

following the affirmation. Affirmative

Feedback calls for the feedback-givers

to use a standard phrase: “What

worked…” and from there, make a

statement. These are written up by the

Moderator until a list is of created that

is full of precisely noticed and articu-

lated affirmations.

Often, when a loose discussion is

going on between several people, the

same ideas are restated or rephrased.

In a Feedback Session, if someone says

something that you were thinking or

that you strongly agree with, you can

simply say 'Plus 1'. In this way, a tally is

made of common affirmations and time

is spent adding new ideas, rather than

reformulating thoughts that have

already been voiced. For the maker, to

note 'what works' through the eyes of

the audience and recognize which

points are reaffirmed by several people

gives useful insight into the work.

There are several more formats in the

Feedback Method that build on the

initial fundament: Open Questions

which poses precise questions without

requiring their immediate answer;

Point Reflection - which gives space for

lateral associations and the chance for

the maker to map out ideas that are

central to the work and speak about her

choices; Gossip or Discussion Rounds -

which respectively create a closed

'gossip' circle on which the maker can

eavesdrop, or allow the maker to lead a

discussion that goes into deeper

territory; and Tips and Tricks which

results in a practical list of hints,

references and concrete suggestions.

Every session is rounded off with a

Word from the Maker in which she can

reflect briefly on what came out of the

experience. Finally the entire group

spends a quiet time together, writing

individual letters to the maker, in which

they voice last thoughts, personal

stories and associations or elaborate on

specific points they have already raised.

The maker leaves their feedback

session with a thick roll of flipchart

paper and an envelope full of letters. In

the days to come he can read and re-

read in his own time. The process of

sifting through all of the ideas

generated in a feedback session is the

stage that has the biggest impact on the

maker and their work: noticing what is

really valuable and what ideas open

new paths in the work. Also noticing

which things were intriguing, but

which don't have a place in this

particular project. Feedback sessions

can generate new ways of thinking

about the work in question but also

your entire practice. Insights don't only

occur to the maker, but to everyone who

contributes to an engaged and open

session.16 24

IN A TYPICAL UNSTRUCTURED GROUP CRITIQUE,

THE MAKER OFTEN FEELS THAT THEY NEED TO DEFEND THEIR WORK AND THEIR IDEAS.

DasArts Alumni

by Bojan Djordjev

is that, through re-

flecting on the work in

the presence of the

maker but without his

constant active parti-

cipation, feedback-

givers bear the res-

ponsibility of con-

sciously examining

and articulating their

own thoughts, with-

out relying on the

'authority' of the artist.

The silence of the

maker during the

session makes it even

more important for

him to formulate a

clear and concise Pre-

senter's Question.

Page 17: Theatrium ausgabe01 2016

Leila Anderson (born

1984) is a South African

performance maker and

educator who completed her

undergraduate degree at

the University of Cape Town

and is a current participant

in DasArts Master of Thea-

tre, Amsterdam. She pre-

sents her work in theatres,

museums and public space.

She is interested is in the in-

tersection between aesthe-

tics and ethics: the use of

live performance to create

conscious new forms of

experience, relation and

reflection.

Get in touch with DasArts

to enquire about a

workshop:

[email protected]

The 'Film about Feedback'

is available here:

http://www.ahk.nl/theaterschool

/opleidingen-theater/dasarts-

master-of-theatre/study-

programme/feedback/a-film-about-

feedback/

17 24

ULTIMATELY, THE METHOD AIMS TO MAKE GIVING AND RECEIVING FEEDBACK

AN ENJOYABLE FORM OF CRITICAL ENGAGEMENT.

The Feedback Method is a model for

talking about work that succeeds

through creative thought and con-

centrated discipline. Ultimately, the

Method aims to make giving and re-

ceiving feedback an enjoyable form of

critical engagement.

Lao Wei

performanc by Leila Anderson

Future Read in Concrete and Stone

Performance by Bojan Djordjev

Page 18: Theatrium ausgabe01 2016

von Constantin Krell, Jonas Feller, Stephan Mahn, Vincent Kresse und Wilhelm Werner Wittig

Das Basislager-Kollektivauf dem Wildwechsel-Festival 2015 in Weimar

Foto: Candy Welz

Nachgespräche sind immer eine

Wertschätzung. Man nimmt sich die

Zeit über ein ästhetisches Produkt zu

reden. Auch im Verriss liegt ein Er-

kenntnisgewinn für Künstler_innen

und Kritiker_innen. Damit dieser aller-

dings als solcher wahrgenommen wer-

den kann, muss man es schaffen, auf

Augenhöhe miteinander zu sprechen.

Dieser Austausch findet jedoch oft

nicht oder nicht in befriedigender Form

in den „offiziellen“/institutionalisierten

Nachgesprächen statt. Spannende Ge-

spräche findet man allerdings in den

„Lästerrunden“ an der Bar, beim Bier

oder in der Raucherecke. Diese Beo-

bachtung führte dazu, dass wir eines

Abends in unserer WG-Küche das

BASISLAGER ins Leben riefen.

Wir sind fünf Jungs, von denen vier

in Hildesheim und einer in Darmstadt

lebt. Wir mögen und machen Theater

und wir haben in unseren Zuschauer-

und Macher-Biografien den Austausch

gerade auf Festivals - über das Sehen

und Machen als einen wichtigen und

produktiven Teil empfunden.

Wir wollen die Privatgespräche, wel-

che es auf einem Theaterfestival immer

gibt, in die Öffentlichkeit holen. Wir

wollen raus aus den dunklen Ecken, in

denen man ohnehin nur mit den Leuten

spricht, die man mag oder kennt. Wir

wollen Gespräche anstiften, zwischen

Zuschauer_innen jeden Alters, Thea-

termacher_innen und Festivalorgani-

sator_innen. Dabei steht die Zeichnung

der Lieblingsszene gleichberechtigt ne-

ben der ausformulierten Kritik. Wir

wollen das Festival erleben und neben

den eingeladenen Produktionen auch

das Festival selbst unter die Lupe neh-

men, seine Strukturen befragen und

diese mit allen Festivalteilnehmenden

zur Disposition stellen. Wir wollen Ge-

sprächsräume schaffen und bieten uns

als angreifbare Gesprächspartner an.

Wir wollen in einen ehrlichen und sub-

jektiven Austausch über Aufführungs-

und Festivalerlebnisse kommen. Wir

wollen diese Gespräche dokumentieren

und dazu einladen, diese immer weiter

zu ergänzen. Wir wollen mit Dir reden.

GESPRÄCHSORTE BEWUSST

SCHAFFEN

Es gibt auf vielen Theaterfestivals

Orte an denen Gespräche automatisch

geschehen. In der Kneipe vor der Ju-

gendherberge, in der Raucherecke, dort

wo es Kaffee gibt. Als BASISLAGER

wollen wir solche Orte ganz bewusst

schaffen und öffentlich zugängig ma-

chen; Orte an denen man ganz natür-

lich und ohne Vorgaben miteinander

ins Gespräch kommt.

So haben wir unsere Zelte u.a. auf

dem Avant Art 2014 in Rudolstadt und

dem Wildwechsel 2015 in Weimar

aufgeschlagen. Dort errichteten wir je-

weils einen zentralen Ort der Begeg-

nung; einen Ort an dem es Kaffee gegen

Spende und Kekse gab, einen Ort der

zum Verweilen einlud. Die Wände die-

ser Orte waren gespickt mit Papier-

bahnen auf denen jede_r Kommentare

zu den erlebten Aufführungen und Fra-

gen an das Festival hinterlassen konn-

te. Wir selbst boten uns als ständige

Gesprächspartner an. So kam man auf

einen Kaffee vorbei und war plötzlich in

lockerer ungezwungener Atmosphäre

mitten im Diskurs. Gemeinsam mit den

Festivalteilnehmenden wuchs durch

die schriftliche Dokumentation an

diesem Ort ein Archiv der geführten Ge-

spräche. Das BASISLAGER war Auf-

enthaltsort, Gesprächsraum und Dis-

kurs-Installation gleichermaßen.18 24

Wir wollen mit euch reden.

WIR SIND DAS BASISLAGER

Page 19: Theatrium ausgabe01 2016

Festivals brauchen nicht nur mo-

derierte Gesprächsformate, sondern

Orte die dazu einladen ins Gespräch zu

kommen. Festivals brauchen Ge-

sprächsräume, die ohne Strukturen

vorzugeben Impulse für Gespräche bie-

ten und in denen diese gemeinschaft-

lich dokumentiert und archiviert wer-

den. Festivals brauchen Zentren; Zen-

tren die mehr leisten, als die bloße Ver-

sorgung mit Nahrung und Programm-

heften. Das Zentrum eines Festivals ist

der Ort an dem alle Festivalteilneh-

menden zusammenkommen, es ist der

Ort um Gespräche außerhalb des eige-

nen Bekanntenkreises zu führen.

GESPRÄCHE ANSTIFTEN

Es ist immer am einfachsten mit

Leuten die man kennt und von denen

man weiß, was sie mögen, über Theater

zu reden. So entstehen die typischen

Festival-Lästerrunden. Kritik, Fragen

und konstruktive Anmerkungen ver-

bleiben in diesen Runden. Genau diese

sollten aber einer Öffentlichkeit zu-

gängig gemacht und diskutiert wer-

den. Dies geschieht bedingt in institu-

tionalisierten Gesprächsrunden einzel-

ner Gruppen; Für Lehrer_innen, Ju-

gendliche, Theatermacher_innen etc.

Und mit Letzteren sind häufig nur Dra-

maturg_innen, Regisseur_innen und

im besten Fall noch Schauspieler_in-

nen gemeint. Andere Theaterarbei-

ter_innen (Gewerke, Kassen- und Ein-

lasspersonal, etc.) fehlen in diesen Ge-

sprächen ganz.

Beim Avant Art 2014 haben wir

jugendliche Amateur- und erwachsene

Profi-Darsteller_innen zu einem Ge-

spräch eingeladen um gemeinsam über

die Zukunft des Theaters zu sprechen.

Jugendliche und Erwachsene traten so

in einen befruchtenden Austausch der

ohne ein solches Gesprächsangebot

kaum stattgefunden hätte. Solche Mög-

lichkeiten in denen Menschen mit-

einander reden, die sonst kaum mit-

einander ins Gespräch kommen,

braucht es mehr, um die zumeist ge-

trennt agierenden Gruppierungen in

Austausch zu bringen. Denn gerade die

Menschen außerhalb der eigenen

Wohlfühlzone sind es, die einem neue

Sichtweisen und andere Erlebniswel-

ten näher bringen können.

In Gesprächen über Theater mani-

festieren sich häufig Hierarchien, die

Hemmungen schaffen, sich am Ge-

spräch zu beteiligen. Gespräche zwi-

schen allen Festivalteilnehmenden an-

zustiften bedeutet auch, ein gemein-

sames Sprechen auf Augenhöhe zu er-

möglichen. Essentiell ist hierbei die

Frage worüber eigentlich gesprochen

wird. An dieser Frage entscheidet sich

nämlich auch das Wie des Sprechens.

WORÜBER REDEN WIR EIGENT-

LICH?

Wichtig ist die begriffliche Unter-

scheidung zwischen Inszenierung und

Aufführung. Während Erstere auf

Wiederholbarkeit geprobt und angelegt

ist, entsteht Letztere jedes Mal neu in

einem Beisammensein von Zuschau-

er_innen und Akteur_innen im Hier

und Jetzt . Während man also bei In-

szenierungen über Dramaturgien und

Konzepte sprechen kann, spricht man

bei Aufführungen immer über das Ver-

hältnis des Einzelnen mit der Kunst,

die sich ereignet. Jede Aufführung ist

also ein individuelles Erlebnis, dass

sich aus verschiedenen Faktoren für

jede_n zusammensetzt. Wenn also fünf

Zuschauer_innen Hamlet sehen, haben

sie fünf unterschiedliche Aufführungs-

erlebnisse (und auch die Darsteller_in-

nen machen eine je eigene Aufführ-

ungserfahrung).

Spricht man über die Inszenierung

so kann man fragen: Was wollte die

Performance sagen?; Welche Intentio-

nen stehen hinter ihr?, etc.. Inszenie-

rungsgespräche zu führen ist wichtig

(ebenso wie die Gespräche in der

eigenen Wohlfühlrunde ihren Wert

haben), doch entsteht bei diesen Ge-

sprächen ein Gefälle: Die Experten sind

hierbei die Theatermachenden, alle an-

deren versuchen sich in Interpreta-

tionen und Deutungen die mit den Ant-

worten des Produktionsteams abgegli-

chen werden.

Für den Austausch aller ist es pro-

duktiver danach zu fragen, was die Per-

formance mit den einzelnen Personen

gemacht hat. Was ist dir passiert? Wo-

ran erinnerst du dich? Wie geht es dir

jetzt im Vergleich zu vor der Vorstel-

lung? Wenn man über das individuelle

Erleben von Aufführungen spricht, ist

jeder ein Experte für seine eigenen Er-

fahrungen. Nun lässt sich einwenden,

dass solche Gespräche in Schilderun-

gen von Befindlichkeiten abdriften.

SPANNENDE GESPRÄCHE FINDET MAN ALLERDINGS IN DEN „LÄSTERRUNDEN“

AN DER BAR, BEIM BIER ODER IN DER RAUCHERECKE.

19 241 Vgl. hierzu Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, Frankfurt am Main 2004. sowie Jens Roselt: Phänomenologie des Theaters, München 2008.

1

BASISLAGERFEUER / auf dem Wildwechsel-Festival 2015Foto: Candy Welz

Page 20: Theatrium ausgabe01 2016

Dem entgegenzuwirken gilt unser In-

teresse. Statt dem üblichen „Wie hat es

gefallen?”-Urteil interessieren uns Be-

schreibungen und die daraus resultie-

rende Erläuterung von Bewertungen.

Im Fokus steht nicht das Erfragen der

Hintergedanken der Theatermacher_

innen, sondern die jeweils individuelle

Wirkung, die die Aufführung auf die

einzelne Person hatte. Dies wiederum

kann von den Produktionsteams als

konstruktives Feedback aufgenommen

werden indem die eigenen Intentionen

mit dem abgeglichen werden können,

was die Zuschauenden in der Auf-

führung erlebt und erfahren haben.

EHRLICHKEIT

Sowohl in moderierten als auch in

privaten Gesprächen legen wir uns als

BASISLAGER absolute Ehrlichkeit auf.

Dies ist der produktivste aber auch

schwierigste Aspekt unserer Arbeit. Es

ist selten leicht zu sagen, dass einem

eine Aufführung gar nicht gefallen hat

und manchmal muss man auch über

seinen eigenen Schatten springen, um

das Gegenteil zuzugeben. Um mit

Fontanes Worten zu sprechen:

„Schlecht ist schlecht, und es muss ge-

sagt werden.“ Gerade in den Erklärun-

gen des eigenen Urteils kann ein großer

Wert für das Gespräch miteinander

liegen. Wenn man sagt, was man erlebt

hat ohne den Kern auszusparen oder

sich in Allgemeinplätzen zu verlieren,

macht man sich angreifbar und darin

liegt ein großer Gewinn. Diejenigen die

etwas präsentiert haben, haben sich

durch ihre Präsentation ebenso an-

greifbar gemacht. Indem man ehrlich

und offen ein Gespräch führt und sich

nicht scheut, in der eigenen Position

angegriffen zu werden, kommt man zu

einem gleichberechtigtem Gespräch.

Im BASISLAGER haben wir damit

gute Erfahrungen gemacht. Mit Ju-

gendlichen des Jugendtheaters stell-

werk kamen wir deshalb ins Gespräch,

da einige von uns Schwierigkeiten mit

ihrer Aufführung (und Inszenierung)

offen kommunizierten. Es entspannte

UM MIT FONTANES WORTEN ZU SPRECHEN:

„SCHLECHT IST SCHLECHT, UND ES MUSS GESAGT WERDEN.“

20 24

sich ein Gespräch über das eigene In-

teresse der Darsteller_innen und die

Inszenierung von Geschlechterbildern.

Die Ehrlichkeit und Bereitschaft die

eigene Meinung öffentlich zu machen,

fordern wir von allen Festivalbesu-

cher_innen. Lobt, wenn es zu loben gibt

und kritisiert, wenn es zu kritisieren

gibt, doch lasst eure Meinung nicht in

der Privatheit verschwinden. Und liebe

Theatermacher_innen, seid offen für

solche Kritik und versucht ihr auf den

Grund zu gehen. Nur wenn beide Seiten

ehrlich und offen sprechen, kann ein

wirklich produktives Gespräch für alle

Beteiligten entstehen.

Wir erwarten Ehrlichkeit auch von

Seiten der Festivalmacher_innen.

Festivals sind ebenso Inszenierungen

die befragt werden sollten. Als BASIS-

LAGER beginnen wir damit schon

während des Festivals und laden alle

ein, sich zu beteiligen.

Die Transparenz des Festivals, seiner

Strukturen und der Entscheidungen

die für diese getroffen wurden, erleich-

tern Gespräche, die sich konstruktiv

mit dem Festival auseinandersetzen.

Wenn man weiß, warum Gruppen aus-

gewählt wurden, kann man auch darü-

ber reden. Wir wünschen uns also, dass

sich auch Festivaljurys und -kurator_

innen angreifbar machen. Klarheit

über die Kriterien (Region, Altersgrup-

pe, Genre,...) hilft, Stücke im Festival-

diskurs einzuordnen und mündet nicht

- anders als wenn behauptet wird, es

wären die künstlerisch herausragend-

sten Produktionen - in Unzufrieden-

heit, Meckereien und Mutmaßungen.

DAS IDEALE FESTIVAL

Wie kann nun aber ein ideales

Festival aus Sicht des BASISLAGERs

aussehen? Vermutlich kann es dieses

nicht geben, doch versuchen wir hier

einmal eine Utopie zu skizzieren.

Schon die Auswahl der Stücke ist

transparent. Auf einer Website kann

man die Bewerbungen betrachten und

per Livestream die Entscheidung der

Auswahljury mitverfolgen. Diese wird

noch mal prägnant in einem Begrün-

dungstext transparent gemacht.

Das Festival beginnt mit einem Akt

des Kennenlernens, bei Essen und

Getränken sitzt man mit den Teil-

nehmer_innen zusammen und hat Ge-

legenheit über das Theater und die Welt

zu reden. An diese Bekanntschaften

kann man später anknüpfen. Die

Stückauswahl ist so, dass wir uns so-

gar im BASISLAGER nicht einig sind,

ob das jetzt das großartigste Stück

Theater des letzten Jahrhunderts oder

einfach nur Müll war. Aber da man alle

bereits kennt und man sich traut, das

Erlebte ehrlich zu schildern, gibt der

Festival-Diskurs für alle Impulse für

das nächste Theater machen und erle-

ben. Es wird nicht nur über Aufführun-

gen sonder auch über Arbeitsbe-

dingungen gesprochen. Der/die Kul-

tusminister_in ist anwesend und trägt

die Anregungen direkt in die Kulturpo-

litik. Zwischendurch sitzt man beim

Catering (zu moderaten Preisen) bei-

sammen und plant die nächsten Pro-

jekte. Ein Festivalzentrum bietet Raum

für Austausch und bringt alle zusam-

men. Am Abend kann man tanzen oder

am Lagerfeuer zusammensitzen. Das

BASISLAGER ist engagiert und hat

einen GameCube mitgebracht und for-

dert anwesende Intendant_innen auf

eine Runde Mario Kart heraus.

Die anwesenden Künstler_innen

können so bezahlt werden, dass die

Teilnahme am ganzen Festival gewährt

ist. Die Eintrittspreise und Verpfle-

gungskosten sind so gestaffelt, dass

sich alle Interessierten den Besuch

leisten können.

Und die Festival-Organisator_innen

wissen um die Wichtigkeit von Nachge-

sprächen und haben dafür genügend

Zeit, Orte und auch Mittel eingeplant.

Dies ist eine Utopie. Das wissen wir.

Aber versuchen wir doch gemeinsam,

diese zu erreichen.

Als BASISLAGER haben wir uns

unter Anderem an den Feedback-

Methoden des Studiengangs Master

of Theatre der Amsterdam University

of Arts (DasArts) auseinandergesetzt.

Diese Methoden möchten wir als

Nachgesprächsmaterial empfehlen.

AdR: Mehr Informationen auf den Seiten 14-17.

Page 21: Theatrium ausgabe01 2016

Wie viel Regionalität und Identität steckt

in eurer Arbeit?

Die Regionalität hängt ganz vom

aktuellen Projekt ab. Wir versuchen

aber immer wieder, Geschehnisse und

Probleme der Region anzusprechen. So

bringen wir z.B. mit dem seit einigen

Jahren regelmäßig von uns gezeigten

Holle-Spektakel ein bisschen Meinin-

ger Stadtgeschichte auf die Bühne. In

allen unseren Produktionen findet sich

ganz viel Identität unserer jungen

Spieler, da wir unsere Vorhaben immer

gemeinschaftlich auswählen und die

Wünsche, Ideen, Vorstellungen und

Probleme unseres Ensembles ein-

fließen.

Welches war euer letzter Höhepunkt

und kollektiver Glücksmoment?

Unsere Wintermärchen-Inszenierung

„Ein Winter. Ein Märchen. Ein Wun-

der.“ im Jahr 2014/2015, mit der wir

ca. 1000 Zuschauer begeistern konn-

ten. Die Produktion hat uns beim Inter-

nationalen Jugendtheaterpreis Papa-

geno Award den „Großen Preis der

Jury“ und eine Nominierung für das

Theatertreffen der Jugend in Berlin

eingebracht - ein Erfolg, mit dem wir nie

gerechnet hätten.

Welches war euer letzter Tiefpunkt oder

eure kollektive Katastrophe?

Die einschneidenden Kürzungen der

Fördermittel für unsere 21. Theater-

werkstatt im Jahr 2013, die dafür ge-

sorgt haben, dass die Werkstatt zwi-

schenzeitlich vor dem Aus stand. Dank

zahlreicher Unterstützer und vielen,

vielen privaten Spenden konnte die

Veranstaltung dann aber trotzdem

stattfinden (was im Endeffekt dann

auch wieder ein sehr großer Glücks-

moment war)..

Worauf könntet ihr niemals verzichten?

Auf die TOHUWABOHU-Philosophie.

Unsere Arbeit ist geprägt von Zusam-

menhalt, Respekt voreinander und viel

Ausdauer. Außerdem arbeiten unsere

jungen Ensemblemitglieder mit viel

Hingabe, Ideenreichtum und freudiger

Disziplin. Wir sind eine eingeschworene

Gemeinschaft und erleben so viel mit-

einander, dass eigentlich gilt: Einmal

TOHU - immer TOHU.

Was dürfen wir 2016 von euch er-

warten?

Die 24. Theaterwerkstatt SCHAU-

SPIEL vom 18. - 20. März 2016. Eine

„Struwwelpeter“ - Inszenierung des Ju-

gendensembles zum 35-jährigen Jubi-

läum der Theatergruppe, Premiere: 21.

Mai 2016.

Wo wollt ihr in Zukunft stehen bzw. was

sind eure Pläne und Ziele?

Wir hoffen auf eine dauerhaft sichere

Projektmanager-Stelle, damit TOHU-

WABOHU eine Zukunft hat, auch wenn

unsere derzeitige künstlerische Leiterin

Elke Büchner einmal „in Rente“ geht -

damit wir uns auf die nächsten 35

Jahre freuen können. Außerdem

wünschen wir uns, langfristig vielleicht

doch einmal eine eigene Spielstätte zu

bekommen.

Euer letzte Satz (für heute)?

Vorhang auf,

Klappe zu

TOHUWABOHU!

(Unser Schlachtruf, der nach jeder

Vorstellung skandiert wird)

Beschreibt euer Theater / euren Verein

in einem Satz!

Es gibt eigentlich nichts, was ein

solches Unternehmen rechtfertigt und

genau deshalb machen wir es.

Was bewegt und treibt euch dazu an,

Theater zu machen?

Wir haben in erster Linie Spaß und

Freude am Theaterspielen und sehen

das Theater als eine Möglichkeit, sich

mit dem auseinanderzusetzen, was uns

umgibt und bewegt. Auf der Bühne

können unschöne und Krisensituatio-

nen in einem geschützten Raum durch-

gespielt werden. Dabei sind wir immer

wieder auf der Suche nach neuen

Ausdrucksformen und künstlerischen

Mitteln.

Was ist die Zielsetzung eurer Arbeit?

Wir machen Theater von jungen Leuten

für junge Leute unter professioneller

Anleitung. Dabei haben wir einen

hohen künstlerischen Anspruch und

wollen unseren Ensemblemitgliedern

möglichst viel schauspielerisches

Handwerkszeug mit auf den Weg

geben. Unser Motto: Nach dem höch-

sten streben, um nicht das Nötigste

sondern das Möglichste zu erreichen.

Gründungsjahr: 1981 (seit 1993 unter heutigem Namen)Ort: Meiningen

mobiles Theater (keine eigene Spielstätte)

Mitglieder: 50 www.tohuwabohu.jimdo.com

Die drei Musketiere

Foto: Karla Banz

Foto: Dietmar Hiergeist

Ein Winter. Ein Märchen. Ein Wunder.

Foto: Dietmar Hiergeist

THEATER.STECKBRIEF

Tohuwabohu Meiningen

Page 22: Theatrium ausgabe01 2016

Unter dem o.g. Motto und Anliegen

kamen Theaterfans und Theater-

schaffende vom 25. bis 30.09.2015 in

Weimar zusammen, um gemeinsam

das zweite „Wildwechsel-Festival“ zu

erleben - ein Festival für das profes-

sionelle Kinder- und Jugendtheater im

Osten Deutschlands.

Für Artenvielfalt (Diversität) sorgte

nicht nur die Zusammenkunft freier

Theater und der Stadt- und Staats-

theater, sondern auch die Vielfalt der

vertretenen Bundesländer. Als Gast-

geber (außerhalb des Wettbewerbs)

präsentierten sich das Deutsche Na-

tionaltheater und das stellwerk - jun-

ges theater weimar mit mehreren

Stücken. Mit dem „Theater Nordhau-

sen“ wurde der Freistaat Thüringen

auch innerhalb des Wettbewerbs ver-

treten. Aus Berlin kamen das „Grips

Theater“ das „Theater an der Parkaue“,

die „Deutsche Oper“ und das „Theater

Strahl“. Eine nicht ganz so lange An-

reise hatten das „Theater Junge Gene-

ration Dresden“ und das „Theater der

jungen Welt Leipzig“ aus Sachsen. Mit

dem „Puppentheater der Stadt Magde-

burg“ war auch Sachsen-Anhalt auf

dem Wildwechsel vertreten. Für die

acht Inszenierungen dieser Bühnen

hatte eine Auswahljury, bestehend aus

Thomas Irmer, Tim Sandweg und Otto

A. Thoss, aus knapp 30 Bewerbern

votiert.

Beim „Wildwechsel-Festival“ 2015

drehte sich alles um das Thema Gren-

zen und deren Überwindung. Unter der

Überschrift „ÜBER_GRENZEN“, inter-

pretierten die ausgewählten Stücke

persönliche und gesellschaftliche

Grenzerfahrungen.

Bei einen Diskurs über Grenzen,

insbesondere über Ausgrenzung,

gelangt man zwangsläufig auch zur

aktuellen Flüchtlingssituation. An

Stelle eines moralischen Statements

entschieden sich die Veranstalter für

die - wenn auch sehr kurzfristige - kon-

krete Arbeit mit einigen Flüchtlings-

kindern in Weimar, die der Theater-

pädagoge des stellwerks Christian

Schröter vorsichtig und pointiert in die

Eröffnung des Festivals integrierte.

Dennoch behält die Chefdramatur-

gin des Deutschen Nationaltheaters

Beate Seidel natürlich Recht.: „Kunst

kann reale Grenzen nicht einreißen,

verschieben oder gar außer Kraft

setzen.“ Dementsprechend wurden im

Rahmen des Festivals eher persönliche

Grenzerfahrungen thematisiert und

auf seinen Gesprächsforen und an des-

sen Rande viel über Grenzen dis-

kutiert.

Doch vielleicht ist der Umbruch in

den Köpfen ein nötiger erster Schritt -

wahrscheinlich vorerst wichtiger als

das Einreißen von physischen Mauern.

Theater und besonders Kinder- und

Jugendtheater hat das Potential zu

diesem Gedankensprung einen Teil

beizutragen.

In der Auftaktinszenierung ging es

um die Grenzen, an die Christopher auf

Grund seines Handicaps stößt.

Christopher ist ein 15jähriger au-

tistisch veranlagter Junge der die

Hauptrolle in dem Stück „SUPERGUTE

TAGE oder Die sonderbare Welt des

Christopher Boone“ einnimmt. Im Lau-

fe der Geschichte schafft Christopher

nicht nur einmal den Sprung über die

Grenzen seiner eigenartigen Zwänge

und bietet uns ganz nebenbei einen

nachvollziehbaren Einblick in eine

völlig andere Sicht der Dinge. Der

Ausflug in den Kosmos von Christopher

Boone ist ein präzises, schnelles und

witziges Stück Theater, welches völlig

zu Recht den Preis der Fachjury und

der Kinder- und Jugendjury mit nach

Berlin nahm.

Bei der Auswahl der Kinder- und

Jugendjury musste sich die Insze-

nierung des „Grips Theater“ den ersten

Platz mit dem „Theater Strahl“ teilen.

Denn deren Inszenierung „Am Ende ist

man immer nur wer anderes - eine

Suche zum Thema Sexualität“ über-

zeugte die Kinder- und Jugendjury in

gleicher Weise. Der Inszenierung

gelang es auf sehr humorvolle Art und

Weise Barrieren im Denken über das

Thema Sex aufzudecken, zu themati-

sieren und einzureißen. Die authen-

tische Mischung aus Recherchema-

terial, O-Tönen von Jugendlichen,

eigenen Erfahrungen und herrlichen

Parodien auf gängige Klischees bot

einen angenehmen Kontrast zur ver-

krampften Aufklärung eines Sexual-

kundeunterrichts. Und auch das Publi-

kum der 20+ hatte hörbare Freude an

der Aufführung.

Der Sonderpreis für „Wolkenbilder“

des TJG Dresden sorgte dafür, dass die

Hauptstädtler die Festivalpreise nicht

im Alleingang abräumten. Die Insze-

nierung bot eine einfache, doch ergrei-

fende Geschichte über Freundschaft

und Veränderung, dargestellt mit liebe-

voll gefertigten Puppen und einem

ästhetischen, maßvollen Einsatz tech-

nischer Hilfsmittel. Gerade für die

jüngsten Zuschauer war diese Darbie-

tung ein Festival-Höhepunkt.

WITTERUNG AUFNEHMEN. KREUZUNGEN

SCHAFFEN. SPUREN HINTERLASSEN.

Eine Wildwechsel Retrospektive

22 24

von Felix Schölzel(FSJler im Thüringer Theaterverband)

Page 23: Theatrium ausgabe01 2016

Einen weiteren Höhepunkt bot die

Gastgeberaufführung des Weimarer

stellwerks. „Die Räuber“-Inszenierung

belegte, wie professionell junges Ama-

teurtheater für Jugendliche sein kann.

Die Adaption des Klassikers von

Schiller, steckte voller Humor, Energie

und frischer Ideen. Die Inszenierung

verknüpfte Ernsthaftigkeit mit Humor,

Musik mit partizipierenden Elementen,

konventionelles Theater mit einer

Superheldengeschichte basierend auf

dem Material eines klassischen Dra-

mas von 1781.

Auch eine Inszenierung des zweiten

Gastgebers war sehr bemerkenswert.

„Was das Nashorn sah, als es auf die

andere Seite des Zaunes schaute“ vom

jungen DNT berichtet von den Beo-

bachtungen der Tiere eines zoologi-

schen Gartens neben dem Konzentra-

tionslager Buchenwald. Das Theater-

stück stellt sich der Herausforderung

ein abgründiges Thema, einem sehr

jungen Publikum Nahe zu bringen. Die

kontrastreiche Darstellung von schein-

bar harmlosen und gleichsam schreck-

lichen Ereignissen schaffte sehr stim-

mungsvolle Momente in denen im Pu-

blikum eine atemlose Anspannung

herrschte.

Zu den weiteren Höhepunkten des

Festivals gehörten u.a. die Ballettauf-

führung des Theaters Nordhausen,

„Ente, Tod und Tulpe“, „Helden! Oder

warum ich einen Umhang trage und

gegen die Beschissenheit der Welt an-

kämpfe“ vom jungen DNT aus Weimar,

„Gold“ von der Deutschen Oper aus

Berlin, „Patricks Trick“ vom Theater der

jungen Welt aus Leipzig und die

Abschlussinszenierung „Robinson

Crusoe“ vom Theater an der Parkaue

Berlin.

Doch auch außerhalb der Bühnen

und Theaterhallen wurden fleißig

Grenzen ausgereizt. Ob in den Insze-

nierungsgesprächen im Stuhlkreis, am

Lagerfeuer oder beim „Sprachzier-

gang“, Theaterschaffende, Nachwuchs-

kreative sowie Publikum wuchsen zu

einem Forum zusammen, dem es an

Diskussionsstoffen nicht mangelte. Oft

wurde bis tief in die Nacht der Diskurs

und die Annäherung der freien und

institutionellen Theaterszene zele-

briert. Der rege Austausch zwischen

den Veteranen und der „next genera-

tion“, zwischen kleinen und großen

Theatern, zwischen Spezialisten und

Allroundern überwand sowohl Alters-

grenzen als auch Berufsbilder und

gelegentliche Vorurteile mit Leichtig-

keit. Das Theatervolk erschuf über die

Festivaltage einen Mikrokosmos, den

es nur ungern wieder verließ und

dessen einzige Grenze - ganz im Sinne

des Leitthemas - die des persönlichen

Arbeitsalltags war.

Dies war mein erster Besuch des

„Wildwechsel-Festivals“. Ich bin sonst

eher auf Amateurtheaterfestivals zu

Gast. Mich haben zumeist die Büh-

nenbilder und teilweise auch die Kostü-

me sehr beeindruckt. Die Stückaus-

wahl und die damit verbundene The-

mensetzung fand ich sehr interessant

und abwechslungsreich.

Dennoch wurden meine Erwartun-

gen nicht immer erfüllt - hat man doch

einen anderen Qualitätsanspruch an

professionelles Theater. Zudem blieb

bei mir das richtige Festivalgefühl aus,

was damit im Zusammenhang stehen

könnte, dass einige Ensembles aus-

schließlich zu ihrem Auftritt anreisten

und dann schon wieder weg mussten.

Die Produktionen der anderen Teilneh-

mer wurden so nicht miterlebt. Damit

entsteht irgendwie ein Gefühl, dass das

Festival „nur“ ein Auftritt, also ein Job

ist. Das Festivalfeeling hat dabei ir-

gendwie gefehlt, aber vielleicht ist das

auch einfach schwer auf Besucher zu

übertragen die eben nur Besucher sind

und keine Festivalteilnehmer.

Besonders beeindruckt hat mich je-

doch die schauspielerische Leistung

der Spieler des DNT im Stück "Helden",

auch wenn gerade diese Produktion

nicht am Wettbewerb teilnahm und le-

diglich ein Gastgeberbeitrag war. Die

Spieler waren sehr authentisch und

glaubhaft. Als Zuschauer empfand

man sich nicht als Gast eines Schau-

spiels, sondern eher als Zeuge einer

privaten Begegnung, die äußerst über-

zeugend war.

23 24

DAS THEATERVOLK ERSCHUF ÜBER DIE FESTIVALTAGE EINEN MIKROKOSMOS,

DEN ES NUR UNGERN WIEDER VERLIEß ...

Helden II / Deutsche Nationaltheater Weimar / Junges DNTFoto: Candy Welz

BESUCHER

BEFRAGTFranziska Schnauß aus Gotha

Page 24: Theatrium ausgabe01 2016

Der Thüringer Theaterverband

schreibt 2016 zum dritten Mal den

Thüringer Theaterpreis „Avant Art“ für

die freie professionelle und nichtprofes-

sionelle Theaterszene in Thüringen

aus. Der Preis wird alle zwei Jahre ver-

geben und ist verbunden mit dem No-

minierungsverfahren zum Avant Art

Theaterfestival.

Das Avant Art Festival findet vom

20.10. bis 23.10.2016 im Theater-

haus Jena statt.

Bewerben können sich professionelle

und nichtprofessionellen Theatergrup-

pen in freier Trägerschaft sowie Einzel-

künstler mit einer oder mehreren Thea-

terproduktionen aus jeglicher Sparte

der Darstellenden Künste. Ausgenom-

men sind Produktionen institutioneller

Theater und des Schultheaters.

Bewerbende Ensembles bzw. Künst-

ler müssen ihren Sitz in Thüringen

haben. (Kooperationen über die Lan-

desgrenzen hinaus sind möglich). Ein-

reichbar sind Inszenierungen, die im

Zeitraum vom 08.02.2014 bis zum

26.02.2016 Premiere hatten oder ha-

ben werden.

Die Inszenierung soll während des

Festivals in Jena aufführbar sein. Die

Anwesenheit des Ensembles während

des gesamten Festivalzeitraums ist er-

wünscht.

Voraussetzung zur Teilnahme am

Bewerbungsverfahren ist die Einrei-

chung eines vollständig ausgefüllten

Bewerbungsbogens sowie die vollstän-

dige Einreichung der geforderten Un-

terlagen.

Über die Nominierung zum Festival

und die Fachpreisvergabe entscheidet

eine unabhängige Jury.

Ausschreibung, Bewerbungsunter-

lagen und weitere Informationen

erhält man ab 04.01.2016 unter :

www.avantartfestival.de

Bewerbungsschluss: 26.02.2016

[Poststempel]

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Nachfragen und Bewerbungen an:

Thüringer Theaterverband

Platz der OdF 1

07407 Rudolstadt

[email protected]

Der Bund Deutscher Amateurtheater

(BDAT) schreibt 2016 zum vierten Mal

den bundesweiten, dotierten Deut-

schen Amateurtheaterpreis für fol-

gende Sparten aus:

- Schauspiel

- Kinder- und/oder Jugendtheater

- Seniorentheater

- Musik-, Tanz-, Bewegungstheater

- Offene Theaterformen

Bewerben können sich alle nicht

professionellen Ensembles der Darstel-

lenden Kunst mit Inszenierungen, die

zwischen dem 1. Februar 2014 und 1.

Februar 2016 Premiere hatten oder

haben.

Das Preisträgerfestival findet vom

22. bis 24. September 2016 in

Offenbach (Hessen) statt.

Voraussetzung zur Teilnahme am

Bewerbungsverfahren ist die Einrei-

chung eines vollständig ausgefüllten

Bewerbungsbogens sowie die vollstän-

dige Einreichung der geforderten Un-

terlagen.

Im ersten Schritt werden vom amare-

na Kuratorium maximal drei Bewer-

bungen pro Sparte nominiert. In einer

folgenden Jurysitzung wird je ein Preis-

träger pro Sparte ausgewählt.

Ausschreibung, Bewerbungsunter-

lagen und weitere Informationen

erhält man unter :

www.bdat.info

Bewerbungsschluss: 08.02.2016

[Poststempel]

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Nachfragen und Bewerbungen an:

Bund Deutscher Amateurtheater

Lützowplatz 9

10785 Berlin

[email protected]

2016

THÜRINGERTHEATERFESTIVAL20. bis 23. OKTOBER

in JEN

FESTIVAL ZUM THÜRINGER THEATERPREIS

AUSSCHREIBUNG

amarenaDeutscher

Amateurtheaterpreis

AUSSCHREIBUNG