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Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
1
Thema 2: Individualsystemanalysen:
2.1 ANGST UND LEISTUNG
Oktober / November 2014
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
2
Thema 2: Individualsystemanalysen
2.1 Angst und Leistung
(studentischer Beitrag)
2.2 Begabung und Schulleistung
(studentischer Beitrag)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
3
Übersicht
1 Theoretische Einführung
2 Diagnostik von Prüfungsängstlichkeit (DAI)
3 Prävention – Vertrauenstriade (Vortrag von Frau Kästner
4 Intervention – Beispiel: Psychoedukatives Gruppenprogramm für hochprüfungsängstliche Studierende (PGhS)
4.1 Konzeption und Durchführung
4.2 Evaluation
Literatur
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
4
1 Theoretische Einführung
1.1 Definitionen und Erläuterungen
• Differenzierung von Angst als Zustand (state) und Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal (trait)
• Angst als emotionaler Ausdruck der subjektiven Bewertung einer Situation als Bedrohung (physisch oder psychisch)
• Besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Prüfungs-ängstlichkeit und (Schul-/Prüfungs-)Leistung?
– Ja, durchschnittliche Korrelation von r = -.212,aber: Spannweite von r = -.66 bis +.37 je nach Studie (95% der Korrelationen liegen von r = -.36 bis -.07)
(nach der Metaanalyse von Seipp u.a., 1990)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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Metaanalyse von Seipp u.a. (1991)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
6
1.1 Definitionen und Erläuterungen
Zwei Angstkomponenten: Aufgeregtheit vs. Besorgnis
Unterscheidung zweier Angstkomponenten
a) „Aufgeregtheit“ (emotionality-Komponente)
• affektiv: Anspannungs-/Bedrohungsgefühl
• physiologisch: Herzklopfen, kalt-feuchte Hände, Zittern, flaues Gefühl im
Magen, trockener Mund, etc.
Wahrnehmung von Aufgeregtheit (z.B. „meine Hände zittern“, „ich höre
mein Herz schlagen“) führt nicht zwangsläufig zum Aufmerksamkeits-
abzug und damit zu schlechten Leistungen
r(Leistung; Aufgeregtheit) = -.15
b) „Besorgnis“ (worry-Komponente)
• Besorgnis-Kognitionen und Katastrophisierungs-Ideen wie z.B. „das
schaffe ich nie“, „die Aufgabe ist viel zu kompliziert“, „wenn ich durch die
Prüfung falle, ist mein Leben verpfuscht“
selbstverstärkende, aufgabenirrelvante Kognitionen; interferieren mit
Konzentration auf Aufgabe r(Leistung; Besorgnis) = -.22
(z.B. Schnabel, 1996; Mietzel, 1998; Gaspar-Sottmann, 2002)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
7
1.1 Definitionen und Erläuterungen
Zusammenhang von Aufgeregtheit und Leistung
Yerkes-Dodson-Gesetz
mittlere
Aktiviertheit,
beste Leistungs-
fähigkeit
zu geringe
Aktivierung:unmotiviert,
schläfrig
zu hohe Aktivierung:
Leistungseinbruch
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
8
Zusammenhang von Aufgeregtheit und
Leistung
Das modifizierte Yerkes-Dodson-Gesetz
aber:
– in Prüfungssituationen wird der Fall „zu geringer“ Aktivierung wohl so gut
wie nie vorkommen (selbst Niedrigängstliche werden ein ausreichendes
Aktivierungsniveau aufzeigen) (vgl. z.B. Schnabel, 1996, S. 54)
– je komplexer die kognitive Aufgabe, desto geringer ist das Aktivierungs-
niveau für die optimale Leistungsfähigkeit (z.B. Mietzel, 1998, S. 387)
eher der
„Prüfungsfall“
wenig komplexe Aufgabe
Maximum
bei hoher
Aktivierung
hoch komplexe Aufgabe
Maximum
bei niedriger
Aktivierung
• ferner: umgekehrt U-förmiger Zusammenhang gilt nur für
„Aufgeregtheit“, nicht für „Besorgtheit“
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
9
1.1 Definitionen und Erläuterungen
Linearer, negativer Zusammenhang für
Besorgnis und Leistung
• für Besorgnis-Komponente (worry) gilt:
– linearer negativer Einfluss von Besorgnis auf Arbeitsgedächtnis-
Kapazität
worry
Leistung (z. B.
Arbeits-
gedächtnis-
kapazität
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
10
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Vier Erklärungsansätze für den negativen Zusammenhang von Angst und Leistung:
1 Performanz-Interferenz-Modell (auch: Aufmerksamkeits-Defizit-Hypothese) (nach Wine, 1971, 1980)
– Beschäftigung mit besorgnisbezogenen Gedanken in der Prüfung
Aufmerksamkeit wird von eigentlicher Prüfungsaufgabe abgezogen Interferenz (Störung und Verringerung der kognitiven Ressourcen)
– Ferner: Hochprüfungsängstliche (HPÄ) achten eher auf für sie bewertungsrelevante Informationen (z.B. in mündlicher Prüfung darauf, ob sie elaborierte Sätze verwenden) Einlassen auf Aufgabe wird erschwert;HPÄ achten weniger auf Lösungshinweise in der Aufgabenstellung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
11
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
2 Processing-efficiency theory
(Eysenck, 1992)
Hochängstliche investieren Extra-
Recoursen in die Verarbeitung von
Lernmaterial, z.B. mehr Zeit oder
intensivere Beschäftigung mit dem
Gegenstand
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
12
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
3 Studierfertigkeiten-Defizit-Modell– HPÄ haben weniger effektive Studierfertigkeiten
objektiv weniger prüfungsrelevantes Wissen/Können
„berechtigte“ Angst vor der Prüfung
– HPÄ eher misserfolgsorientiert oberflächlichere Lerntechniken (z.B. reines Wiederholen statt Verstehen)
– HPÄ versuchen z.T. durch vermehrten Zeitaufwand ihr Studierfertigkeiten-Defizit zu kompensieren
gelingt ihnen auch teilweise, aber effektiver wären Lerntechniken mit „höherer Verarbeitungstiefe“ (sensu Craik & Lockhardt, 1972)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
13
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
4 Gedächtnisdefizithypothese
4.1 Langzeitgedächtnis
(Kerres, Wrobel & Lazarus-Mainka, 1991)
4.2 Arbeitsgedächtnis
(Schuster & Witruk, 1999)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
• Kerrel, Wrobel, Lazarus-Mainka (1991)
• Hypothese:
• Hoch- bzw. niedrigängstliche Personen unterscheiden sich auch in
angstfreien Situationen. Semantisches Gedächtnis: Wissen über
sich selbst in einer Prüfungssituation.
• Die Struktur des Wissens soll im Versuch sichtbar gemacht werden.
• Methode:
• 84 Vpn. werden Adjektive untersch. emotionalen Inhalts dargeboten.
• Vpn. sagen, wie gut diese Adjektive ihr Erleben in einer
Prüfungssituation beschreiben.
• Freies Reproduzieren
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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16
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Kerrel, Wrobel, Lazarus-Mainka (1991)
• Auswertung:
• 2 Hauptkomponenten
Aufgeregtheit (hoch vs. niedrig)
Besorgtheit (hoch vs. niedrig)
• 5 Subskalen der Selbstzuschreibung
1. klug
2. verkrampft
3. angenehm
4. wütend
5. unermüdlich
• 3 abhängige Variablen
1. Intensität der Selbstzuschreibung
2. Gedächtnisleistung
3. Intrusionen (Fehlnennungen)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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17
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
18
18
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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19
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Semantic network about the self-experience of „examine“ of a high anxious student
(Lazarus-Mainka & Kerres, 1990)
examinepreparation
examiner
professor
room/institute
psychological
climateworry
emotio
nalityanxiety
co-worker
-
---
---
psycho-somatic
symptoms
---
---
---
---
---
----
20
Semantic network about the self-experience of „examine“ of a non-anxious student
(Lazarus-Mainka & Kerres, 1990)
examinepreparation
examiner
professor
room/institute
psychological
climate
co-worker
-
-+
+-
+
+++
+-
relaxation/ holidays
21
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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22
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
23
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
24
Sternbergexperimente zum Zusammenhang
von Arbeitsgedächtnis und Angstkomponenten
(Schuster & Witruk, 1999)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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Stichprobenbeschreibung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
26
Ergebnisse
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
27
Ergebnisse
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Synthese der einzelnen Hypothesen
- HPÄ erleben u.U. bereits in der Vorbereitungsphase Angst bzw.
Besorgnis-Kognitionen
abgezogene Aufmerksamkeit / mangelnde Konzentration beim
Lernen (d.h. in der Enkodierungsphase)
Prüfungsangst führt zu weniger Wissen/Können im Vorfeld der
Prüfung
hinzu kommt (berechtigte) Angst/Besorgnis i.d. Prüfung (Abruf-
phase): zusätzliches Wirken des Performanz-Interferenz-Modells
ODER:
- HPÄ erleben u.U. bereits in der Vorbereitungsphase Angst bzw.
Besorgnis-Kognitionen. Es wird aber extensiver und intensiver gelernt
(Processing efficency theory), Angst in Prüfung ist unberechtigt und
muss nicht leistungsmindernd wirken.
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
29
1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Subtypen von HPÄ nach integrativem Ansatz (Beispiele):
1. Effektive Studierfertigkeiten und Mehraufwand; gutes Wissen;ausgeprägte Aufgeregtheit und Besorgnis-Kognitionen vor und in der Prüfung, die nicht leistungsmindernd wirken (Processing efficency theory). Angst als Leistungsmotiv mit positiven Effekten auf die Leistung!
2. Effektive Studierfertigkeiten und Mehraufwand; gutes Wissen;ausgeprägte Aufgeregtheit und Besorgnis-Kognitionen erst in der Prüfung; Performanz-Interferenz i.d. Prüfung schlechtere Prüfungsleistung (unterhalb der Fähigkeiten). [nur Performanz-Interferenz-Modell und/oder Gedächtnisdefizitmodell]
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
3. Ineffektive Studierfertigkeiten, bereits in der Vorbereitungsphase Aufgeregtheit und Besorgnis-Kognitionen, die das Lernen behindern (chaotisches Lernen) trotz hohem Mehraufwand kommt es zu subjektiv gering eingeschätztem Prüfungswissen; zusätzlich: in der Prüfung Besorgnis-Kognitionen undPerformanz-Interferenz [Kombination ausPerformanz-Interferenzmodell bzw. Gedächtnisdefizitmodell und
Studierfertigkeiten-Defizit-Modell]. Resultat: schlechtere Prüfungsleistung
4. Ineffektive Studierfertigkeiten und geringer Mehraufwand (Vermeidung, Verdrängung, Ablenkung) objektiv
geringes Prüfungswissen; da sie darum wissen, Besorgnis-Kognitionen in der Prüfung Performanz-Interferenz bzw. Gedächtnisdefizit. Resultat: Schlechtere Prüfungsleistung
[Studierfertigkeiten-Defizit-Modell ergänzt durch Performanz-
Interferenz bzw. Gedächtnisdefizite]
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Schlussfolgerungen:
– auch wenn gruppenstatistisch nur relativ geringer negativer Zshg. zw. Angst und Leistung, so kann im Einzelfall Angst zu wesentlich schlechteren Prüfungsergebnissen führen (oder auch zu Prüfungsvermeidung Einschränkungen in der beruflichen Entwicklung)
– subjektive Belastung durch Prüfungsängstlichkeit wird oft vernachlässigt, ist aber bedeutsam
• auch i.S.v. „Komorbidität“, z.B. Auslöser psychosomatischer Beschwerden und anderer psychischer Belastungen/Störungen wie Arbeits-/Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Minderwertigkeitsgefühle, sozialer Rückzug, andere Angststörungen, etc.
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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1.2 Theoretische Erklärungsansätze für den
Angst-Leistungszusammenhang
Ergo: Psychologische Prävention und evtl. Intervention
• mehrere Interventionsansätze denkbar:
– auf der Makrosystem-Ebene: z.B. Selektionsfunktion der Prüfungs-
leistungen (für weitere Bildungsgänge, Berufseintritt) reduzieren
– auf der Mesosystem-Ebene: z.B. Veränderung des Schulklimas (z.Z.
orientiert an sozialen Leistungsvergleichen) in Richtung kooperativeres
Lehren und Lernen; keine Prüfungen als „speed-Tests“
– auf der Mikrosystem-Ebene: z.B. Veränderung des Klassenklimas (wie
Mesosystem-Ebene), Lehrer-Schüler-Interaktion angstfreier gestalten
(z.B. Lehrer droht nicht mehr mit: „Udo, wenn du weiterhin so schlecht
aufpasst, bekommst du in der nächsten Klassenarbeit wieder eine 5.“)
– auf der Individualsystem-Ebene: individuelle
Prüfungsängstlichkeits-Reduzierung und/oder Verbesserung der
Lernstrategien/-techniken z.B. „Psychoedukatives
Gruppenprogramm für hochprüfungsängstliche Studierende“
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
33
Übersicht
1 Theoretische Einführung
2 Diagnostik
3 Prävention
4 Intervention - Beispiel: Psychoeduka-
tives Gruppenprogramm für hochprü-
fungsängstliche Studierende (PGhS)
Literatur
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
34
2 Diagnostik
• Es gibt einige mehr oder weniger differenzierte Angst- bzw.
Ängstlichkeitsfragebogen, z.B.
– State-Trait-Anxiety-Inventory (STAI; nach Spielberger)
– Angstfragebogen für Schüler (AFS; Wieczerkowski et al., 1981)
– Prüfungsängstlichkeitsinventar (TAI-G; Hodapp, 1991)
• Kaum differenzierte Instrumente, die verschiedene
– Auslöser
– Erscheinungsweisen
– Bewältigungsverhalten
– Angststabilisierungen
speziell bei Prüfungsängstlichkeit erfassen.
• Ausnahme: „Differentielle Leistungsangst Inventar“ (DAI) von
Rost und Schermer (1997)
– 4 Dimensionen, 12 Subskalen, 146 (Langform) bzw. 96 (Kurzform) Items
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
35
2 Diagnostik: DAI (Rost & Schermer, 1997)
Leistungs-/Prüfungsängstlichkeit
Angst-
auslösung
Angst-
erscheinungs-
weisen
Angst-
verarbeitung
(Coping)
Angst-
stabilisierung
Wissensbezogene
Angstauslösung
Repertoire-
Unsicherheit
Sozialbezogene
Angstauslösung
Emotionale
Manifestation
Physiologische
Manifestation
Kognitive
Manifestation
Situationskontrolle
Gefahrenkontrolle
Angstkontrolle
Angst-
unterdrückung
Externale
Stabilisierung
Internale
Stabilisierung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
36
2 Diagnostik: DAI (Rost & Schermer, 1997)
Leistungs-/Prüfungsangst-Diagnostik
Angst-
auslösung
Repertoire-
Unsicherheit
• Repertoire-Unsicherheit: mangelhafte Arbeits- und Lerntechniken
– „Ich habe Angst, da es mir schwer fällt, mich systematisch vorzubereiten.“; „..., weil ich dazu neige, mich beim Arbeiten an Nebensächlichkeiten festzubeißen.“
• Wissensbezogene Angstauslösung: mangelhaftes Wissen oder mangelhafte Fähigkeiten
– Ich habe Angst, wenn ich merke, dass ich die Frage nicht lösen kann.
• Sozialbezogene Angstauslösung: Befürchtung, sich vor anderen zu blamieren
– Ich habe Angst, dass die anderen mir meine Unsicherheit anmerken.
Wissensbezogene
Angstauslösung
Sozialbezogene
Angstauslösung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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2 Diagnostik: DAI (Rost & Schermer, 1997)
Leistungs-/Prüfungsangst-Diagnostik
Angst-
erscheinungs-
weisen
Physiologische
Manifestation
• Physiologische Angstmanifestation
– Wenn ich Angst habe, ist mir fast übel.
• Emotionale Angstmanifestation: Gefühle der Hoff-
nungslosigkeit, Hilflosigkeit, mangelnde Zuversicht.
– Wenn ich Angst habe, fühle ich mich ausgeliefert.
• Kognitive Angstmanifestation: ablenkende
Besorgnis-Gedanken ( Konzentrationsstörung /
Denkblockade)
– „Wenn ich Angst habe, sind meine Gedanken blockiert.“,
„..., kann ich Gedanken nicht zu Ende denken.
Emotionale
Manifestation
Kognitive
Manifestation
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
38
2 Diagnostik: DAI (Rost & Schermer, 1997)
Leistungs-/Prüfungsangst-Diagnostik
Angst-
verarbeitung
(Coping)
Gefahrenkontrolle
• Gefahrenkontrolle durch produktives Arbeitsverhalten:
– „Um meine Angst zu bewältigen, arbeite ich den nicht beherrschten Stoff mit jemandem durch.“
• Situationskontrolle durch direktes/indirektes Vermeiden:– „Um meine Angst zu bewältigen, melde ich mich krank.“,
„..., hoffe ich, dass der Dozent krank wird.“
• Angstkontrolle durch Relaxation/Antizipation (auch systematische Desensibilisierung):
– „Um meine Angst zu bewältigen, spiele ich die Prüfung gedank-lich durch.“, „..., mache ich Yoga oder Entspannungsübungen.“
• Angstunterdrückung durch Ablenkung/Bagatellisierung:
– „Um meine Angst zu bewältigen, rede ich mir ein, dass alles nicht so schlimm ist.“, „..., versuche ich, nicht daran zu denken.“
Situationskontrolle
Angstkontrolle
Angst-
unterdrückung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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2 Diagnostik: DAI (Rost & Schermer, 1997)
Leistungs-/Prüfungsangst-Diagnostik
Angst-
stabilisierung
Externale
Stabilisierung
• Externale Stabilisierung: „Krankheitsgewinn“ durch Erleichterung und/oder soziale Zuwendung
– „Wegen meiner Angst kommt es vor, dass die Dozenten nicht so streng sind.“ „Andere nehmen auf meine Angst starke Rücksicht.“
• Internale Stabilisierung: negative Selbst-verbalisation, Aufmerksamkeits-Zentrierung auf potentiell angsterzeugende Reize
– „Eine schlechte Note belastet mich noch lange.“,„Wenn ich Angst habe, male ich mir das Schlimmste aus.“
Internale
Stabilisierung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
40
Übersicht
1 Theoretische Einführung
2 Diagnostik von Prüfungsängstlichkeit (DAI)
3 Prävention
4 Intervention - Beispiel: Psychoedukati-ves
Gruppenprogramm für hochprüfungs-
ängstliche Studierende (PGhS)
3.1 Konzeption und Durchführung
3.2 Evaluation
Literatur
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
41
Übersicht
1 Theoretische Einführung
2 Diagnostik von Prüfungsängstlichkeit (DAI)
3 Prävention
4 Intervention - Beispiel: Psychoedukati-ves
Gruppenprogramm für hochprüfungs-
ängstliche Studierende (PGhS)
3.1 Konzeption und Durchführung
3.2 Evaluation
Literatur
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
42
4.1 PGhS: Konzeption und Durchführung
• Umfang: insgesamt 22 Zeitstunden, verteilt auf 8 Sitzungen
• Geht von der Synthese des Performanz-Interferenz- und des Studierfertigkeiten-Defizit-Modells aus.
• Daraus ergeben sich drei Ansatzpunkte:– (a) emotionale und (b) kognitive Methoden zur Reduzierung der
aufgabenirrelevanten Besorgnis-Gedanken [Performanz-Interferenz-Modell]
– (c) Verbesserung der Studierfertigkeiten [Studierfertigkeiten-Defizit-Modell]
Ein Psychoedukatives Gruppenprogramm für
hochprüfungsängstliche Studierende (PGhS)
(Sabine Gaspar-Sottmann, 2002, Diss. Univ. Göttingen)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
43
4.1.1 PGhS: Konzeption
• Psychoedukation: Information über
Entstehung, Symptomatik und Bewältigung
der Prüfungsangst (Vertiefend in der 1. und 2. Sitzung;
themenspezifisch in allen folgenden Sitzungen)
– beinhaltet Erklärungsmodell zur Prüfungsangst
• Vermittlung von effektiven Studierfertigkeiten(2. und 3. Sitzung)
– konstruktive Zeit- und Arbeitsplanung
– Motivationssteigerung
– übersichtliche Organisation des Arbeitsplatzes
– Lesetechnik (PQ4R)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
44
4.1.1 PGhS: Konzeption: Teil Lesetechnik:
PQ4R - Methode
Preview - Überblick verschaffen und Bearbeitungseinheiten bilden
Questions - Fragen stellen
Read - sorgfältig lesen und Fragen beantworten
Reflect - beim Lesen nachdenken
Recite - Gelesenes wiedergeben und Fragen beantworten
Review - Kapitel noch einmal durchgehen und wieder die wesentlichen Fragen beantworten
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
45
4.1.1 PGhS: Konzeption
• Vermittlung von Entspannungsverfahren (PMR und
Atementspannung) (Vertiefend in der 1. und 2.
Sitzung,
angewendet auch in allen folgenden Sitzungen)
– Ziel: Aufgeregtheitskontrolle, Stressreduktion,
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
46
4.1.1 PGhS: Konzeption
• Herausarbeiten von negativen Selbstverbalisationen und
Umwandlung in positive Selbstverbalisationen (3. und 4. Sitzung)
– Erhöhung des Kontrollgefühls, positive Selbsteinstellung
• Training der erlernten Bewältigungsstrategien in imaginären
Prüfungsangstsituationen (5. und 6. Sitzung)
– Systematische Desensibilisierung in sensu
• Simulation von mündlichen Prüfungssituationen in
Rollenspielen (7. und 8. Sitzung)
– Desensibilisierung „in quasi vivo“
– Rollenspiele mit Videofeedback, Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung
– hilfreiches Feedback zu positiven und negativen Aspekten des eigenen
Auftretens
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
47
4.1.2 PGhS: Durchführung
• AblaufIn jeder Sitzung gibt es
– „Anfangs- und Endblitzlicht“
– Besprechung der „Hausaufgaben“ der letzten Sitzung
– Vergabe neuer „Hausaufgaben“
(diese Elemente werden im Folgenden nicht mehr gesondert erwähnt)
• 1. Sitzung (2 Std.)
- Vorstellung, Kennenlernen, Erwartungen & Motivationen
der TN
- Konzeptdarstellung
- Erklärungsmodell zur Prüfungsangst einführen
- Schnellentspannung (Atementspannung)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
48
4.1.2 PGhS: Durchführung
• 2. Sitzung (2 Std.)
– Einführung in effektive Studierfertigkeiten
• Selbstmotivation, Selbstbelohnung
• Arbeitsplatzgestaltung
• Zeit- und Arbeitsplan
– Einführung in PMR
– Hausaufgabe: Beispiel siehe nächste Folie
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
49
4.1.2 PGhS: Durchführung
Beispiel für eine
Hausaufgabe aus
der 2. Sitzung:
Selbstbeobachtung in
Prüfungsangst auslösen-
den Situationen und
Umwandlung negativer
Selbstverbalisationen in
positive Selbst-
verbalisationen
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
50
4.1.2 PGhS: Durchführung
• 3. Sitzung (4 Std.)– Fortsetzung der Vermittlung
von Studierfertigkeiten
• Verbesserung der
Konzentration, Aufnahme-
und Merkfähigkeit
• effektive Lesetechnik
(PQ4R)
– Kurzversion der PMR
– Herausarbeiten negativer
Selbstverbalisationen
• Tn stellen Bilder von
Prüfungssituationen vor,
die sie zuhause malen
sollten
– Schnellentspannung
• 4. Sitzung (2 Std.)– Besprechung der Angsthierarchie-
Konstruktionen
• Vorbereitung der Systematischen
Desensibilisierung
– Erarbeitung alternativer positiver
Selbstverbalisationen
– Kurzversion der PMR
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
51
4.1.2 PGhS: Durchführung
• 5. Sitzung (2 Std.)– Besprechung der erarbeiteten positiven Selbstverbalisationen
– Training der erlernten Bewältigungsstrategien in imaginären
Prüfungsangstsituationen (Teil I)
• Systematische Desensibilisierung
I. Vorstellen einer angstauslösenden Situation
II. Vorstellung bisheriger Reaktionen (negative Selbstverbalisationen, Gefühle,
physiologische Symptome)
III. Gedanken-Stopp Atementspannung, PMR, positive Selbstverbalisationen
• 6. Sitzung (2 Std.)– Training der erlernten Bewältigungsstrategien in imaginären
Prüfungsangstsituationen (Teil II)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
52
4.1.2 PGhS: Durchführung
• 7. Sitzung (4 Std.)– Simulation von mündlichen Prüfungssituationen (Teil I)
• Simulation mit Prüfling, Prüfer, Protokollant
• Videoaufzeichnung
• Dauer ca. 10 bis 15 Minuten pro Situation
• Rückmeldung durch die Beobachter (andere Tn)
• gemeinsame Auswertung der Videoaufnahme
– Kurzversion der PMR
• 8. Sitzung (4 Std.)– Simulation von mündlichen Prüfungssituationen (Teil II)
– Schnellentspannung
– Rückblick auf das PGhS und Ausblick
– Verabschiedung
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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Übersicht
1 Theoretische Einführung
2 Diagnostik von Prüfungsängstlichkeit (DAI)
3 Prävention
4 Intervention - Beispiel: Psychoedukatives
Gruppenprogramm für hochprüfungsängstliche
Studierende (PGhS)
4.1 Konzeption und Durchführung
4.2 Evaluation
Literatur
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
54
4.2 PGhS: Evaluation Erfolgskriterien
Verbesserungen bzgl.
– Prüfungsängstlichkeit [Hauptziel]
• Globale Prüfungsängstlichkeit (TAI-G)
• Prüfungsangst auslösende Bedingungen (DAI-AUS)
• Angsterscheinungsweisen (DAI-MAN)
– Bewältigungsverhalten (DAI-COP)
• Gefahrenkontrolle
• Angstkontrolle
• Angstunterdrückung
– Spezifische Studentische Probleme (SSP)
– Selbstunsicherheit im Sozialkontakt (U-Fragebogen)
– Seelisches und körperliches Wohlbefinden (B-L und TPF)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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4.2 PGhS: Evaluation
Methode
EG-KG-Design mit Messwiederholung
– Experimentalgruppe (EG)
• 9 Prüfungsangstgruppen zu je 6-10 Tn
• insgesamt 60 hochprüfungsängstliche Vpn
• 2 Kursleiterinnen
• 3 Messzeitpkte: prä (60 Vpn), post (60 Vpn), follow-up (49 Vpn)
– Kontrollgruppe (KG)
• Wartekontrollgruppe ohne Treatment
• entweder wartend auf Treatment oder direkte Anmeldung für KG
• insgesamt 63 hochprüfungsängstliche Vpn
• 2 Messzeitpunkte: prä (63 Vpn), post (63 Vpn)
– Insgesamt 123 Vpn (81 % weibl., 19 % männl., M(Alter) = 26 Jahre)
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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4.2 PGhS: Evaluation
Ergebnisse: Prüfungsängstlichkeit
***
n.s.
* n.s.
n.s.
**
*
***
*
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
57
4.2 PGhS: Evaluation
weitere Ergebnisse: Effektstärken
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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4.2 PGhS: Evaluation
Fazit
• gute Wirksamkeit, insgesamt mittlere Effektstärken
• Effekte bleiben auch im Follow-up (3 Monate nach Programm-
ende) weitgehend erhalten; z.T. sogar „Langzeitgewinne“
• gute Akzeptanz und überwiegende Zufriedenheit der Tn
• Durchführbarkeit gezeigt
• Wünschenswert:
– Follow-up auch nach
mehr als 3 Monaten
– es gibt zum Vergleich
leider keine Effekt-
stärken anderer
Programme
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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Übersicht
1 Theoretische Einführung
2 Diagnostik von Prüfungsängstlichkeit (DAI)
3 Prävention
4 Intervention - Beispiel: Psychoedukatives
Gruppenprogramm für hochprüfungsängstliche
Studierende (PGhS)
4.1 Konzeption und Durchführung
4.2 Evaluation
Literatur
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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Literatur
verwendete Literatur
• Gaspar-Sottmann, S. (2002). Ein Psychoedukatives
Gruppenprogramm für hochprüfungsängstliche Studierende (PGhS):
Konzeption und Evaluation. Göttingen: Cuvillier. (Zugl. Diss. Univ.
Kassel, 2002)
• Mietzel, J. (1998). Pädagogische Psychologie des Lernens und
Lehrens (5. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
• Rost, D. H. & Schermer, F. J. (1997). Differentielles Leistungsangst
Inventar (DAI). Frankfurt: Swets Test Services.
• Rost, D. H. & Schermer, F. J. (2001). Leistungsängstlichkeit. In D. H.
Rost (Hrsg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (2. Aufl.,
S. 405-413). Weinheim: Beltz.
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
61
Literatur
verwendete Literatur• Seipp, B. (1990). Angst und Leistung in Schule und Hochschule: eine Metaanalyse.
Frankfurt am Main: Lang. (Zugl. Diss. Univ. Düsseldorf, 1989).
• Seipp, B. u.a. (1991). Angst und Leistung-Eine Metaanalyse. Zeitschr. Päd. Psychol.
H.2.
• Kerres, A. u.a. (1991). Ängstlichkeit als semantisches Netzwerk. Zeitschr. Päd.
Psychol. H.2.
• Schnabel, K. (1996). Leistungsangst und schulisches Lernen. In J. Möller & O. Köller
(Hrsg.), Emotionen, Kognitionen und Schulleistung (S. 53-67). Weinheim: Beltz.
• Schuster, U. & Witruk, E. (2002). Werden Angstwirkungen auf das Arbeitsgedächtnis
gelernt. In: Lebensraum, Lebenstraum(a) Schule.
• Diplomarbeiten von Bathe (1995) und Pfitzner & Winzerling(1996). Univ. Leipzig.
Einführung in die Pädagogische Psychologie – Individualsystemanalysen
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Selbsthilfe- und Ratgeberliteratur
(nicht direkt verwendet)
• Charbel, A. (2004). Top vorbereitet in die mündliche Prüfung. Nürnberg:
Bildung und Wissen.
• Eschenröder, C. T. (2002). Selbstsicher in die Prüfung. München: CIP-
Medien.
• Knigge-Illner, H. (2002). Ohne Angst in die Prüfung: Lernstrategien
effizient einsetzen. Frankfurt /Main: Eichborn.
• Metzig, W. & Schuster, M. (1998). Prüfungsangst und Lampenfieber.
Berlin: Springer.
• Schulte-Steinicke, B. & Peter, J. (1999). Locker durch Studium und
Prüfung mit Selbstlerntechniken. Milow: Schibri.
• Schuster, M. (2001). Für Prüfungen lernen. Göttingen: Hogrefe.
• Walther-Dumschat, S. (2003). Mehr Erfolg bei Prüfungen und
Klausuren. Heidenau: PD-Verlag.
• Weiß, H.-J. (1997). Prüfungsangst. Würzburg: Lexika.
• Wolf, D. & Merkle, R. (2003). So überwinden Sie Prüfungsängste.
Mannheim: PAL-Verlagsgesellschaft.