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6 IBOmagazin 3/06 1 Einleitung Ein Raumklima zu erzeugen, das Behaglichkeit und Gesundheit für alle sichert, ist eines der Hauptzie- le der Baubiologie. Die Weltgesundheitsorganisa- tion (WHO) definiert die Gesundheit des Men- schen sehr umfassend: „Gesundheit ist nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen, son- dern der Zustand völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens.“ Damit hat die WHO die Behaglichkeit als Teil der Gesundheit hoch ge- wichtet. Das IBO hat eine Reihe von wissenschaftlichen Un- tersuchungen zum Thema Behaglichkeit durchge- führt ([Waltjen 2003], [Lipp 1999], [Lipp 2000], [Rohregger 2004], [Lipp 2004]). Das Hauptziel der Untersuchungen war die Frage: „Ist Behaglichkeit physiologisch messbar?“. Trotz des Einsatzes modernster nichtinvasiver me- dizinischer Diagnosesysteme und Auswertungs- methoden konnte diese Frage jedoch noch nicht beantwortet werden. Daher sind wir auf dem Gebiet der thermischen Behaglichkeit weiterhin auf die von P.O. Fanger 1970 eingeführten psychophysischen Methoden zur Beurteilung des Raumklimas angewiesen. Die- se Methode bildet auch die Grundlage der Raum- klimabeurteilung in der EN ISO 7730. In der neu- esten Fassung wurde die EN ISO 7730 (2003) um die sehr interessanten „Kategorien eines Raumkli- mas“ erweitert. Die Kategorien eines Raumklimas sind eine Art „summative Raumklimabeurteilung“. In den folgenden Abschnitten gehen wir zuerst den Begriffsbestimmungen Wohlfühlen, Wohnkomfort und Behaglichkeit nach. Der Abschnitt 3 ist der EN ISO 7730 (2003) und deren Beurteilungskriterien gewidmet. Anhand von Beispielen (Simulations- rechnungen) werden die wichtigsten Kriterien und deren Anwendung in der Praxis dargestellt. Im letzten Abschnitt wird der Frage nach der ther- mischen Behaglichkeit im Sommer nachgegangen. Denn aus der Sicht des IBO ist die thermische Be- haglichkeit in der Heizperiode mit der Einführung des Passivhausstandards sehr gut gelöst, jedoch der Sommerfall wird noch immer stiefmütterlich behandelt. Dies erkennt man zB. daran, dass die „Glashausarchitektur“ mit all ihren Überhitzungs- problemen im Bürohausbau derzeit einen Höhen- flug hat. 2 Kulturgeschichtliche Begriffsbestimmung: Wohlfühlen, Wohnkomfort und Behaglich- keit ([ROHREGGER 2003]) „Der Wunsch nach einem Zuhause, in dem man sich wohlfühlt“, schreibt der englisch-kanadische Architekt und Kulturgeschichtler Witold Rybczy- nski ([Rybczynski 1991], 251), „ist ein fundamen- tales menschliches Bedürfnis, das tief in unserer Psyche wurzelt und nach Befriedigung verlangt.“ Die Entwicklung von Wohnkultur, also von Archi- tektur und Bauwesen, Heizungs- und Lüftungs- technik, Beleuchtung etc., zeigt, dass Menschen sich in ihrer Umgebung bzw. ihrem Wohnumfeld wohlfühlen wollen und dabei den Komfort su- chen. Das lässt sich durch mehrere Jahrhunderte zurückverfolgen und belegen. Der Ausdruck Kom- fort spielt dabei nach Rybczynski ([Rybczynski 1991], 17) eine zentrale Rolle. Ursprünglich auf das Lateinische „confortare“ zurückgehend, das soviel bedeutet wie „stärken“ oder „trösten“, überlappt seine Bedeutung heute mit denen von Ausdrücken wie „Behaglichkeit“, „Bequemlich- keit“, „Gemütlichkeit“, „Wohnlichkeit“ und „Wohlfühlen“. Die Begriffe sind allerdings nicht identisch, sondern haben spezifische Nuancierun- gen, die sie voneinander unterscheiden. Die spezifische Nuance des Begriffs Komfort liegt, so Rybczynski ([Rybczynski 1991], 17), in seiner Beziehung zur Moderne. Denn der Begriff verweist auf jene Art von Behaglichkeit oder Bequemlich- keit, wie wir sie durch die Ausstattung unserer Wohnumwelt mit technischen Geräten erreichen, die uns körperliche Anstrengungen aller Art ab- nehmen. Rybczynskis These ist, dass die Schaffung einer behaglichen Wohnatmosphäre in zuneh- mendem Maße auf Technisierung und Funktiona- lisierung angewiesen ist. Eine Atmosphäre, in der sich Menschen wohl fühlen, wird also immer stär- ker von technischen Entwicklungen abhängig, die mehr und mehr zur Voraussetzung für die vom Zeitgeist beeinflusste Lebensqualität werden. So Thema Thermische Behaglichkeit Das IBO hat eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Behaglichkeit durchgeführt. Das Hauptziel der Untersuchungen war die Frage: „Ist Behaglichkeit physiologisch messbar?“.

Thema Thermische Behaglichkeit · 2019-07-02 · se Methode bildet auch die Grundlage der Raum-klimabeurteilung in der EN ISO 7730. In der neu-esten Fassung wurde die EN ISO 7730

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6 IBOmagazin 3/06

1 Einleitung

Ein Raumklima zu erzeugen, das Behaglichkeit undGesundheit für alle sichert, ist eines der Hauptzie-le der Baubiologie. Die Weltgesundheitsorganisa-tion (WHO) definiert die Gesundheit des Men-schen sehr umfassend: „Gesundheit ist nicht nurdas Freisein von Krankheit und Gebrechen, son-dern der Zustand völligen körperlichen, geistigenund sozialen Wohlbefindens.“ Damit hat die WHOdie Behaglichkeit als Teil der Gesundheit hoch ge-wichtet.

Das IBO hat eine Reihe von wissenschaftlichen Un-tersuchungen zum Thema Behaglichkeit durchge-führt ([Waltjen 2003], [Lipp 1999], [Lipp 2000],[Rohregger 2004], [Lipp 2004]). Das Hauptziel derUntersuchungen war die Frage: „Ist Behaglichkeitphysiologisch messbar?“.

Trotz des Einsatzes modernster nichtinvasiver me-dizinischer Diagnosesysteme und Auswertungs-methoden konnte diese Frage jedoch noch nichtbeantwortet werden.

Daher sind wir auf dem Gebiet der thermischenBehaglichkeit weiterhin auf die von P.O. Fanger1970 eingeführten psychophysischen Methodenzur Beurteilung des Raumklimas angewiesen. Die-se Methode bildet auch die Grundlage der Raum-klimabeurteilung in der EN ISO 7730. In der neu-esten Fassung wurde die EN ISO 7730 (2003) umdie sehr interessanten „Kategorien eines Raumkli-mas“ erweitert. Die Kategorien eines Raumklimassind eine Art „summative Raumklimabeurteilung“.

In den folgenden Abschnitten gehen wir zuerst denBegriffsbestimmungen Wohlfühlen, Wohnkomfortund Behaglichkeit nach. Der Abschnitt 3 ist der ENISO 7730 (2003) und deren Beurteilungskriteriengewidmet. Anhand von Beispielen (Simulations-rechnungen) werden die wichtigsten Kriterien undderen Anwendung in der Praxis dargestellt.Im letzten Abschnitt wird der Frage nach der ther-mischen Behaglichkeit im Sommer nachgegangen.Denn aus der Sicht des IBO ist die thermische Be-haglichkeit in der Heizperiode mit der Einführungdes Passivhausstandards sehr gut gelöst, jedoch

der Sommerfall wird noch immer stiefmütterlichbehandelt. Dies erkennt man zB. daran, dass die„Glashausarchitektur“ mit all ihren Überhitzungs-problemen im Bürohausbau derzeit einen Höhen-flug hat.

2 Kulturgeschichtliche Begriffsbestimmung:Wohlfühlen, Wohnkomfort und Behaglich-keit ([ROHREGGER 2003])

„Der Wunsch nach einem Zuhause, in dem mansich wohlfühlt“, schreibt der englisch-kanadischeArchitekt und Kulturgeschichtler Witold Rybczy-nski ([Rybczynski 1991], 251), „ist ein fundamen-tales menschliches Bedürfnis, das tief in unsererPsyche wurzelt und nach Befriedigung verlangt.“Die Entwicklung von Wohnkultur, also von Archi-tektur und Bauwesen, Heizungs- und Lüftungs-technik, Beleuchtung etc., zeigt, dass Menschensich in ihrer Umgebung bzw. ihrem Wohnumfeldwohlfühlen wollen und dabei den Komfort su-chen. Das lässt sich durch mehrere Jahrhundertezurückverfolgen und belegen. Der Ausdruck Kom-fort spielt dabei nach Rybczynski ([Rybczynski1991], 17) eine zentrale Rolle. Ursprünglich aufdas Lateinische „confortare“ zurückgehend, dassoviel bedeutet wie „stärken“ oder „trösten“,überlappt seine Bedeutung heute mit denen vonAusdrücken wie „Behaglichkeit“, „Bequemlich-keit“, „Gemütlichkeit“, „Wohnlichkeit“ und„Wohlfühlen“. Die Begriffe sind allerdings nichtidentisch, sondern haben spezifische Nuancierun-gen, die sie voneinander unterscheiden.Die spezifische Nuance des Begriffs Komfort liegt,so Rybczynski ([Rybczynski 1991], 17), in seinerBeziehung zur Moderne. Denn der Begriff verweistauf jene Art von Behaglichkeit oder Bequemlich-keit, wie wir sie durch die Ausstattung unsererWohnumwelt mit technischen Geräten erreichen,die uns körperliche Anstrengungen aller Art ab-nehmen. Rybczynskis These ist, dass die Schaffungeiner behaglichen Wohnatmosphäre in zuneh-mendem Maße auf Technisierung und Funktiona-lisierung angewiesen ist. Eine Atmosphäre, in dersich Menschen wohl fühlen, wird also immer stär-ker von technischen Entwicklungen abhängig, diemehr und mehr zur Voraussetzung für die vomZeitgeist beeinflusste Lebensqualität werden. So

Thema Thermische Behaglichkeit

Das IBO hat eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zum ThemaBehaglichkeit durchgeführt. Das Hauptziel der Untersuchungen war dieFrage: „Ist Behaglichkeit physiologisch messbar?“.

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bestimmt also primär der technische Standard dasWohlgefühl des Einzelnen in seinem Wohnumfeldund immer weniger das aus dem persönlichen In-nenleben resultierende Empfinden der Zufrieden-heit mit sich selbst und seiner Umwelt. Die aktive Einflussnahme des Menschen auf seinenAufenthaltsort in Gebäuden ist geprägt von demWunsch, sich angenehm zu befinden bzw. sichwohl zu fühlen. Die Entwicklung von Architekturund Bauwesen, Heizungs- und Lüftungstechnik,Beleuchtung und Interieur verweist darauf, wiewichtig dieses Komfortempfinden für die Men-schen ist. Gegenwärtig führen technische und ge-sellschaftliche Entwicklung immer stärker dazu,dass die unmittelbare, aktive Beeinflussung unse-res Wohnklimas durch eine mittelbare, wissen-schaftlich oder administrative ersetzt wird. Techni-sche und gesellschaftliche Entwicklungen prägenimmer auch individuelle Verhaltensweisen, wes-halb es nicht verwunderlich ist, dass in einer Epo-che mehr oder weniger homogene Vorstellungenvon Wohnkomfort, Wohlfühlen oder Behaglich-keit existieren ([Rybczynski 1991], 252f.). InGroßraumbüros kann der einzelne Beschäftigte„sein Fenster“ nicht mehr öffnen, im Theater wirdeine von der BesucherInnenzahl abhängige Frisch-luftmenge zugeführt und im Hotelzimmer mussder Gast die konstante Umgebungstemperatur ak-zeptieren bzw. ertragen. Die Zufriedenheit des Ein-zelnen mit der ihm angebotenen Umwelt wird al-so geprägt von der Qualität der Vorhersage undder technischen Befriedigung seiner Bedürfnisse.Eine angemessene Vorhersage individueller Be-dürfnisse ist jedoch geradezu unmöglich, ebensowie eine adäquate Definition von Komfort, Wohl-fühlen und Behaglichkeit.

3 Der Begriff Behaglichkeit für Passivhaus-bewohnerInnen

Der Begriff Behaglichkeit stand im Zentrum dergesamten Studie „Nachhaltige Behaglichkeit“([Rohregger 2003]). Im Rahmen eines Focus GroupInterviews wurde versucht, die Bedeutung des Be-griffs für PassivhausbewohnerInnen selbst heraus-zuarbeiten.

In Abbildung 1 wurden alle von den TeilnehmerIn-nen vorgebrachten Assoziationen mit dem BegriffBehaglichkeit dargestellt.

Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, subsumieren diePassivhausbewohnerInnen unter dem Begriff Be-haglichkeit in erster Linie äußere Faktoren wiegroße, offene, helle, lichtdurchflutete Räume,schöne, warme Farben, eine individuell angemes-sene, angenehme Temperatur, Wärme, ein ge-heizter Ofen, bei dem das Feuer sichtbar ist unddie richtige Luftfeuchtigkeit sowie die Luftqualität,die für die TeilnehmerInnen an den Focus GroupInterviews eine besonders wichtige Rolle spielt. DieLüftungsanlage ist dabei ein zentrales Element,weil die Frischluftzufuhr vor lästigen Gerüchenschützt und ein behagliches Raumklima erzeugt.Wesentlich für die TeilnehmerInnen an dieser Stu-die ist dabei auch, dass die Behaglichkeit vonäußeren Faktoren und Einflüssen abhängt. WennRaumtemperatur, Luftqualität und die gesamteRaumatmosphäre stimmen, dann führt das dazu,dass sich der Einzelne wohl fühlt. Dies hängt al-lerdings vom individuellen Empfinden ab, da jederMensch auf äußere Einflüsse anders reagiert.

4 Thermische Behaglichkeit nach der ENISO 7730:2003

Das thermische Raumklima umfasst diejenigen Pa-rameter, die den Wärmehaushalt des Menschenbeeinflussen. Von P.O. Fanger [Fanger1972] wur-den umfassende Untersuchungen zur thermischenBehaglichkeit durchgeführt. Auf Basis dieser stell-te er eine Behaglichkeitsgleichung auf, welche mitHilfe der thermischen Indizes PMV („predicted me-an vote“) und PPD („percentage persons dissatis-fied“) eine praktische Methode zur Beurteilungdes thermischen Raumklimas ermöglicht.

Thema

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Abb. 1: Konstrukt „Behaglichkeit“

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Das thermische Raumklima wird im Wesentlichendurch vier klassische Parameter bestimmt, die denWärmehaushalt des Menschen beeinflussen:• Lufttemperatur• mittlere Strahlungstemperatur• Luftgeschwindigkeit• Luftfeuchte

Die Lufttemperatur ist die Temperatur in den Auf-enthaltszonen von Personen, jedoch außerhalb derGrenzschicht erwärmter Luft in unmittelbarerNähe der Körperoberfläche. Die Lufttemperaturbeeinflußt die konvektive Wärmeabgabe des Men-schen.

Die mittlere Strahlungstemperatur wird als dieje-nige Temperatur aller umgebenden Flächen defi-niert, die denselben Strahlungswärmeaustauscheiner Person hervorruft, wie die tatsächlichen (un-terschiedlichen) Oberflächentemperaturen. DieStrahlungstemperatur ist für den Wärmehaushaltdes Menschen genauso wichtig wie die Lufttem-peratur.

Die relative Luftgeschwindigkeit beeinflusst überden konvektiven Wärmeübergangskoeffizientenden Wärmeaustausch des Menschen mit seinerUmgebung. Vor allem bei sitzenden Personenkann die Luftbewegung das Gefühl von Zug her-vorrufen.Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst die sensible undinsensible Transpiration des Menschen.

Neben den vorher genannten vier klassischenRaumklimaparametern werden folgende Größenhäufig verwendet: • Operativtemperatur bzw. Raumtemperatur und • Strahlungstemperatur-Asymmetrie.

Die Raumtemperatur ist diejenige Temperatur vonLuft und Umgebungsflächen, die zur gleichenWärmeabgabe des Menschen führt, wie dietatsächlichen (unterschiedlichen) Temperaturen.Räume mit gleichen Raumtemperaturen und Luft-bewegungen rufen beim Menschen dasselbe Wär-meempfinden hervor. In den meisten praktischenFällen lässt sich die Raumtemperature mit ausrei-chender Genauigkeit als Mittelwert zwischen mitt-lerer Strahlungs- und Lufttemperatur annehmen.

Die Strahlungstemperatur-Asymmetrie ist die Dif-ferenz zwischen den Werten zweier, diametral ge-legener Halbräume und damit ein Maß für die aufden Menschen wirkenden und von diesem fühl-baren Unterschiede in der örtlichen Wärmestrah-lung.

4.1 Behaglichkeitsgleichung (Fanger-Gleichung)Thermische Behaglichkeit wird oft als der Zustanddefiniert, bei dem der Mensch mit seiner thermi-schen Umgebung zufrieden ist, sich thermischneutral fühlt und weder eine wärmere, noch einekältere Umgebung wünscht. Darüber hinaus soll-te er an keiner Körperstelle störende lokale Ab-kühlung oder Erwärmung empfinden. Die Behag-lichkeitsgleichung gibt die Kombinationen von Kli-maparametern an, die in der Regel vom Menschenals thermisch neutral empfunden werden.

PMV-IndexDer PMV-Index wurde aus der Behaglichkeitsglei-chung abgeleitet und ist die Abkürzung für „Pre-dicted Mean Vote“. Dieser Index gibt die erwarte-te durchschnittliche Beurteilung des Raumklimasanhand einer 7-Punkte-Skala an. Setzt man einegroße Zahl von Personen einem definierten Raum-klima aus, so läßt sich die mittlere Beurteilung mitdem PMV-Index vorhersagen (siehe Tab. 1).

PPD-IndexDer PMV-Index sagt zwar voraus, wie die mittlereBeurteilung des Raumklimas durch eine größerePersonengruppe erfolgen wird, die Beurteilung derEinzelpersonen wird jedoch um den Mittelwert

8 IBOmagazin 3/06

Thermische Behaglichkeit

Fortsetzung von Seite 7

Tab. 1: 7-Punkte-Beurteilungsskalades Raumklimas

Abb. 2: Zusammenhang PMV und PPD

Bezeichnung PMV-Index PPD-Index

zu warm (hot) +3 99,1%

warm (warm) +2 76,8%

etwas warm (slightly warm) +1 26,1%

neutral (neutral) 0 5,0%

etwas kühl (slightly cool) -1 26,1%

kühl (cool) -2 76,8%

kalt (cold) -3 99,1%

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streuen. Der PPD-Index (Predicted Percentage ofDissatisfied) gibt die Anzahl der mit den thermi-schen Bedingungen Unzufriedenen an.

PPD = 100 – 95 · e

Aus Abbildung 2 ist ersichtlich, dass es selbst beivorausgesagter thermischer Neutralität (PMV=0,optimales Raumklima) immer mindestens 5 % Un-zufriedene gibt, d.h. es existiert kein Raumklima,mit dem alle zufrieden sind.

4.2 Lokales thermisches UnbehagenPMV- und PPD-Index berücksichtigen den Einflussdes Raumklimas auf den Körper als Ganzes. Aberselbst wenn der PMV-Index thermische Neutralitätvorhersagt, kann Unbehagen entstehen, wenn einTeil des Körpers zu warm und ein anderer zu kaltist. Dieses Unbehagen kann durch• hohe Luftgeschwindigkeiten• große vertikale Lufttemperaturunterschiede • kalte und warme Fußböden• große Strahlungstemperatur-Asymmetrie

hervorgerufen werden.

ZugluftDie Zugluft ist beim heutigen Baustandard jeneEinflussgröße, welche das lokale Unbehagenhauptsächlich bestimmt. Die anderen Einfluss-größen sind bei einem guten Baustandard relativleicht im optimalen Bereich zu halten. Zugluft ist eine unerwünschte lokale Abkühlungdes menschlichen Körpers, die durch Luftbewe-gung verursacht wird. Die Beeinträchtigung durchZugluft kann als der vorausgesagte Prozentsatz anMenschen angegeben werden, die sich durch Zug-luft beeinträchtigt fühlen (Zugluftrisiko DR). DasZugluftrisiko kann nach folgender Gleichung be-rechnet werden:

ta die lokale Lufttemperatur in Grad Celsius, 20°C bis 26°C;va die lokale mittlere Luftgeschwindigkeit in Meter je

Sekunde, <0,5 ms-1;Tu der lokale Turbulenzgrad (%), der als Quotient aus

der Standardabweichung der lokalen Luftgeschwin-digkeit und der lokalen mittleren Luftgeschwindig-keit definiert ist, 10% bis 60%.

Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass schon Luft-geschwindigkeiten deutlich unter 0,1 m/s ausrei-chen um mehr als 5 % Unzufriedene aufgrunddes Zugluftrisikos zu produzieren. Wichtig ist auch,dass man sich die Steilheit der Kurve bzw. denschnellen Anstieg der Unzufriedenen mit der Zu-nahme der Luftgeschwindigkeit vergegenwärtigt.

Die folgenden Abbildungen auf Seite 10 (Simula-tionsrechnungen) stammen von Wolfgang Richter([Richter 2005]) und zeigen das Zugluft DR bei ei-nem Niedrigenergiehaus in Abhängigkeit des Fen-steranteils, Heizungssystem, der Heizkörperanord-nung und der Zuluftöffnungsposition. Die Farbko-dierung gibt für jeden Punkt das Raumes das Zug-luftrisiko an. Neben der Farbskala sind die „neu-en“ summativen Behaglichkeitskategorien der ENISO 7730 angegeben (siehe weiter unten). A ist diebeste Kategorie. Wenn zu einem Bereich z.B. A, Bangegeben wird, dann bedeutet dies, dass für dieKategorie A und B der selbe Wertebereich gilt. Dashelle Rechteck stellt den definierten Aufenthalts-bereich dar.

Aus den Abbildungen wird klar, welche Bedeu-tung für die beste Behaglichkeitskategorie A dieArt der Belüftung, das Heizsystem und der Bau-standard hat. Bei Einhaltung des Passivhausstan-dards kann davon ausgegangen werden, dass im-mer die beste Raumklimabewertungskategorie Aerreicht wird. Beim Niedrigenergiehausstandard istdie Kategorie A auch erreichbar, jedoch nicht au-tomatisch. Die erreichte „Behaglichkeitskatego-rie“ ist sehr von den eingesetzten Komponentenabhängig.

Abb. 3: Darstellung des Zugluftrisikos(aus [Feist 2004])

Thema

(– 0,03353 · PMV4 – 0,2179 ·PMV2)

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Abb. 4: Niedrigenergiehaus Fenster-anteil 30% (Fußbodenheizung; Luft-wechsel n = 0 h-1); DR-Bewertung: inder Aufenthaltszone Kategorie A

Abb. 6: Heizkörper Außenwand (Niedrigenergiehaus; Luftwechsel n = 0,25 h-1); DR-Bewertung: in derAufenthaltszone Kategorie A

Abb. 8: Ungünstiger Außenluftdurch-lass (ALD) oberhalb, neben dem Fen-ster (Niedrigenergiehaus; Luftwechseln = 0,25 h-1); DR-Bewertung: in derAufenthaltszone Kategorie C

Abb. 10: Zugluftrisiko in einer hori-zontalen Ebene (Lüftungsanlage mitWärmerückgewinnung, Niedrigener-giehaus; Heizkörper; Luftwechsel n = 0,5 h-1); DR-Bewertung: in derAufenthaltszone Kategorie B

Abb. 5: Niedrigenergiehaus Fensteranteil 100% (Fußboden-heizung; Luftwechsel n = 0 h-1); DR-Bewertung: in der Aufent-haltszone Kategorie B

Thermische Behaglichkeit

Fortsetzung von Seite 9

Abb. 7: Heizkörper Seitenwand ((Niedrigenergiehaus; Luft-wechsel n = 0,25 h-1) DR-Bewertung: in der AufenthaltszoneKategorie B

Abb. 9: Optimierter Außenluftdurchlass (ALD) unterhalb desFenster (Niedrigenergiehaus; Heizkörper; Luftwechsel n =0,25 h-1); DR-Bewertung: in der Aufenthaltszone Kategorie A

Abb. 11: Zugluftrisiko in einer vertikalen Ebene (Lüftungsanla-ge mit Wärmerückgewinnung, Niedrigenergiehaus; Heizkör-per; Luftwechsel n = 0,5 h-1); DR-Bewertung: in der Aufent-haltszone Kategorie B

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Vertikaler LufttemperaturunterschiedEin hoher vertikaler Lufttemperaturunterschied im Be-reich zwischen Kopf und Fußgelenk kann zu Unbehag-lichkeit führen. Die Abbildung 12 zeigt den relativ star-ken Anstieg der Unzufriedenen mit ansteigendem verti-kalem Lufttemperaturunterschied.

Die Abbildungen 13 und 14 zeigen den vertikalen Tem-peraturunterschied in Abhängigkeit vom Baustandard.Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich dieses Kri-terien mit den heutigen technischen Mitteln relativ leichterfüllen lässt. Trotzdem ist es beeindruckend, wie geringder vertikale Temperaturunterschied in einem Passivhausausfällt.

Abb. 12: Lokale Unbehaglichkeit durch vertikale Lufttemperatur-unterschiede; bezogen auf ansteigende Temperaturen (EN ISO7730 – 2003); (1 Unzufriedene, 2 Lufttemperaturunterschied zwi-schen Kopf und Füßen)

Abb. 13: Vertikaler Temperaturverlauf im Altbau

Abb. 14: Vertikaler Temperaturverlauf im Passivhaus

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Asymmetrie der Strahlung-(stemperatur)Eine asymmetrische Strahlung(stemperatur) kannebenfalls zu Unbehaglichkeit führen. Vor allem einedurch warme Decken oder kalte Wände (Fenster)verursachte asymmetrische Strahlung wird von denMenschen als unangenehm empfunden (Abb. 15).

Warme und kalte FußbödenFalls der Fußboden zu warm oder zu kalt ist, kön-nen sich die im Raum befindlichen Personen aufGrund warmer oder kalter Füße unbehaglichfühlen. Bei Personen, die leichtes, für Innenräumegeeignetes Schuhwerk tragen, ist nicht das Mate-rial des Bodenbelages sondern die Fußbodentem-peratur für die Behaglichkeit entscheidend.Abb. 16 zeigt deutlich wie eng die Grenzen für be-hagliche Fußbodenheizungen bzw. -kühlungen sind.

Kategorien für ein annehmbares Umgebungs-klimaThermische Neutralität, ausgedrückt als PMV-Grenzwert, ist somit keine hinreichende Forderung,um thermische Behaglichkeit zu garantieren.Es müssen weitere Forderungen zur Vermeidunglokalen Unbehagens gestellt werden. In der prENISO 7730:2003 werden daher drei Kategorien desUmgebungsklimas definiert. Die dabei definiertenKriterien, globale wie auch lokale, sollten dabeigemeinsam eingehalten werden (Tab. 2).Jede Kategorie schreibt einen maximalen Prozent-satz an Unzufriedenen für den gesamten Körper

(PPD) und für jede der vier Arten der lokalen Un-behaglichkeit vor. Einige Anforderungen sind inder Praxis nur schwer umzusetzen, andere hinge-gen sind leicht zu erfüllen. Die unterschiedlichenProzentsätze veranschaulichen einen Ausgleichzwischen dem Ziel, wenige Unzufriedene zu er-halten und dem, was mit der vorhandenen Technikmöglich ist.

Thermische Behaglichkeit – Sommerfall

Neben der maximalen Raumtemperatur bestim-men die Häufigkeit höherer Raumtemperaturen,Bekleidung, Aktivität, Lüftung, Raumluftfeuchteund Außenklima die thermische Behaglichkeit imSommer. Raumtemperaturen um 28°C werden imAllgemeinen toleriert, wenn sie selten bzw. nurbei Außentemperaturen über 30°C auftreten. Da-gegen können Raumtemperaturen um 25°C be-reits zu Unzufriedenheit führen, wenn außen tie-fere Temperaturen vorherrschen. Im modernen Bürobau kann bei höheren Anfor-derungen an Leistungsfähigkeit und Motivationder MitarbeiterInnen auf ein Kühlkonzept meistnicht verzichtet werden. Eine mechanische Küh-lung kann hier nur in seltenen Fällen entfallen. Aber auch beim Wohnen und in der Schule soll esim Sommer angenehm kühl oder zumindest nichtunangenehm heiß sein. Wenn es im Auto infolgeeiner Klimaanlage 22°C bis 24°C hat, so wird die-selbe Temperatur immer häufiger auch im Wohn-zimmer verlangt.

Thermische Behaglichkeit

Fortsetzung von Seite 11

12 IBOmagazin 3/06

Kategorie Thermischer Zustand des Lokale UnbehaglichkeitKörpers insgesamt

Vorausgesagter Prozent- Vorausgesagtes Prozent an Unzu- Prozent an Unzu- Prozent an Unzu- Prozent an Unzu-satz an Unzufriedenen mittleres Votum friedenen auf Grund friedenen auf Grund friedenen auf Grund friedenen auf Grund

von Zugluft vertikaler Temperatur- warmer oder kalter von asymmetrischer PPD PMV DR unterschiede Fußböden Strahlung% % % % %

A < 6 -0,2 < PMV< 0,2 < 10 < 3 < 10 < 5

B < 10 -0,5 < PMV< +0,5 < 20 < 5 < 10 < 5

C < 15 -0,7 < PMV< +0,7 < 30 < 10 < 15 < 10

Abb. 15: Lokale thermische Unbehaglichkeit durch asymmetrischeStrahlungstemperatur; (EN ISO 7730-2003), 5 Unzufriedene, 6 a-symmetrische Strahlungstemperatur (1 warme Decke, 2 kühle Wand,3 kühle Decke, 4 warme Wand)

Abb. 16: Lokale thermische Unbehag-lichkeit durch warme oder kalteFußböden; 1 Unzufriedene, 2 Fußbo-dentemperatur

Tab. 2: Tabelle A.1 aus dem Anhangder EN ISO 7730:2003

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14 IBOmagazin 3/06

Abb. 18: Passivhaus

Abb. 20: Niedrigenergiehaus Fensteranteil 100 % (Fußboden-heizung; Luftwechsel n = 0 h-1)

Abb. 21: Maximale Strahlungsasym-metrie in einer vertikalen Ebeneohne Verschattungseinrichtung;Bewertungskategorie C (Kühldecke;mittelschwere Bauweise;100 % Fen-sterflächenanteil; Raum mit West-Orientierung, Auswertezeitpunkt16.00 Uhr)

Abb. 22: Maximale Strahlungsasymmetrie in einer vertikalenEbene mit Verschattungseinrichtung; Bewertungskategorie A(Kühldecke; mittelschwere Bauweise; 100 % Fenster-flächenanteil; Raum mit WEST - Orientierung, Auswertezeit-punkt 16.00 Uhr)

Abb. 17: Altbau

Thermische Behaglichkeit

Fortsetzung von Seite 13

Abb. 19: Niedrigenergiehaus Fenster-anteil 30 % (Fußbodenheizung; Luft-wechsel n = 0 h-1)

Die Abbildungen 17 bis 20 aus [Richter 2003] zei-gen, dass sich das Kriterium für lokale thermischeUnbehaglichkeit durch asymmetrische Strah-lungstemperatur selbst im Altbau bei richtigerHeizkörperpositionierung relativ leicht erfüllen läs-st. Auch im Niedrigenergiehaus lässt sich diesesKriterium selbst bei einem Fensteranteil von 100%noch ohne Schwierigkeiten erfüllen.

Die Abbildungen 21 bis 28 aus [Richter 2003] zei-gen, dass für den derzeit geltenden architektoni-schen Zeitgeist die wahre Herausforderung be-hagliche Wohnungen bzw. Büros zu bauen, durchden Sommerfall bestimmt wird. Denn, abgesehenvon den ökologischen Folgen des hohen Kühlbe-darfs bei großzügig verglasten Räumen, könnendiese kaum optimal behaglich gestaltet werden.

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Abb. 25: Höhenabhängiger Lufttemperaturverlauf beiDeckenkühlung ohne Verschattungseinrichtung; Bewertungs-kategorie A (Mittelschwere Bauweise; 30 % Fensterflächenan-teil; Außenjalousie; Raum mit West- Orientierung, Auswert-zeitpunkt 16.00 Uhr)

Abb. 26: Höhenabhängiger Lufttem-peraturverlauf bei Fußbodenkühlungohne Verschattungseinrichtung;Bewertungskategorie B (Mittel-schwere Bauweise; 30 % Fenster-flächenanteil; Außenjalousie; Raummit West- Orientierung, Auswertzeit-punkt 16.00 Uhr)

Abb. 27: Höhenabhängiger Lufttemperaturverlauf beiDeckenkühlung ohne Verschattungseinrichtung; Bewertungs-kategorie B (Mittelschwere Bauweise; 30 % Fensterflächenan-teil; Außenjalousie; Raum mit West- Orientierung, Auswert-zeitpunkt 16.00 Uhr)

Abb. 28: Höhenabhängiger Lufttem-peraturverlauf bei Fußbodenkühlungohne Verschattungseinrichtung;Bewertungskategorie A (Mittel-schwere Bauweise; 30 % Fenster-flächenanteil; Außenjalousie;

Abb. 24: Zugluftrisiko in einer hori-zontalen Ebene ohne Verschattungs-einrichtung; Bewertungskategorie B(Kühldecke; mittelschwere Bauweise;100 % Fensterflächenanteil; Raummit West- Orientierung, Auswerte-zeitpunkt 16.00 Uhr)

Thema

Abb. 23: Zugluftrisiko in einer horizontalen Ebene ohne Ver-schattungseinrichtung; Bewertungskategorie C und schlechter(Kühldecke; mittelschwere Bauweise; 100 % Fenster-flächenanteil; Raum mit West- Orientierung, Auswertezeit-punkt 16.00 Uhr)

Zeitunginnen3-06 05.05.2008 11:01 Uhr Seite 15

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16 IBOmagazin 3/06

Zusammenfassung

Aus der Sicht des IBO spielt das Thema „Behag-lichkeit“ eine zentrale Rolle in der Baubiologie.Wissenschaftlich und technisch ist man derzeit amweitesten bei der Beurteilung der thermischen Be-haglichkeit vorgestoßen.

Aufbauend auf den hervorragenden Arbeiten vonP. O. Fanger aus den 1970er Jahren, diese stellendie Grundlagen der EN ISO 7730 dar, wurden inder letzten Fassung „summative Raumklimabe-wertungskategorien“ eingeführt, welche derzeitdie Grundlage der Behaglichkeitsbeurteilung sind.

Auch 36 Jahre nach der Einführung der psycho-physischen Behaglichkeitsgleichung sind wir nochnicht in der Lage Behaglichkeit direkt zu messen.

Leider fehlen zur EN ISO 7730 noch entsprechen-de Planungshandbücher, welche eine schnelle Be-urteilung von Räumen und Haustechnik für Planerermöglichen würden. Wie dies aussehen könntewurde von W. Richter mit dem „Handbuch fürthermische Behaglichkeit – Heizperiode [Richter2003] vorgezeigt. Ein Handbuch für die immerwichtiger werdenden Sommerperiode ist bis datonoch nicht erschienen.

Die Behaglichkeitsbeurteilungen sind beim jetzi-gen Architekturzeitgeist für die „Kühlperiode“bzw. dem Sommerfall viel wichtiger als für die Hei-zungsperiode. Die dynamische Gebäudesimulationwird am IBO derzeit fast ausschließlich zur Be-rechnung von Kühllasten und zur Behaglichkeits-beurteilung für den Sommerfall eingesetzt.

Der Passivhausstandard erfüllt die beste Raumkli-mabeurteilung automatisch für den Beheizungs-fall, der Sommerfall wird jedoch immer wichtigerund muss mit besonderer Sorgfalt betrachtet wer-den, denn ein „nachhaltiges Gebäude“ erfüllt denbesten Behaglichkeitsstandard das ganze Jahr hin-durch.

Literaturverzeichnis

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[Richter 2005]: Richter, W. (2005): Zukunfts-fähige thermische Behaglichkeitskonzepte. Ta-gungsband „Häuser der Zukunft – Von der For-schung in die Praxis“. IBO Verlag, Wien

[Rohregger 2004] Rohregger G., Lipp B., Lack-ner H. K., Moser M., Buber R., Gardner J., WaltjenT. (2004): Behagliche Nachhaltigkeit. Forschungs-bericht Haus der Zukunft, BMVIT

[Rybczynsik 1991]: Rybczynsik, W (1991): Ver-lust der Behaglichkeit: Wohnkultur im Wandel derZeit. München: dtv

[Waltjen 2003]: Waltjen T. (2003): Wärmean-sprüche des Menschen. Physikalische, psychologi-sche, physiologische und soziale Bedingungen fürthermische Behaglichkeit. IBO Verlag, Wien

Bernhard LippIBO GmbH

Thermische Behaglichkeit

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Informationen

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