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1 Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06) Empirie-Vorlesung im Wintersemester 2006/2007 Teil A: Quantitative Methoden Themen am 14.11.2006: Operationalisierung • Begriffsexplikation Messtheorie, Korrespondenzhypothesen und Korrespondenzregeln Beobachten und Messen Axiomatische Messtheorie Psychologische Teststheorie: Reliabile und valide Messungen Lernziele: 1. Nominal- u. Realdefinitionen 2. Variablen, Faktoren und Indikatoren 3. Messniveaus: Nominalskala, Ordinalskala, Intervallskala, Ratioskala 4. Zulässige Transformationen

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1Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06)

Empirie-Vorlesung im Wintersemester 2006/2007Teil A: Quantitative Methoden

Themen am 14.11.2006:• Operationalisierung

• Begriffsexplikation• Messtheorie, Korrespondenzhypothesen und Korrespondenzregeln

• Beobachten und Messen• Axiomatische Messtheorie• Psychologische Teststheorie: Reliabile und valide Messungen

Lernziele:1. Nominal- u. Realdefinitionen2. Variablen, Faktoren und Indikatoren3. Messniveaus: Nominalskala, Ordinalskala, Intervallskala, Ratioskala4. Zulässige Transformationen

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2Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06)

Wiederholung von letzter Woche

Untersuchungsdesigns:• Ex-post-facto-Anordnung:

Alle interessierenden Größen werden gleichzeitig nach ihrem erstmaligen Auftreten erfasst,Forscher hat keine Kontrolle über Ausprägungen der erklärenden Größen;

• „echtes“ randomisiertes Experiment:Forscher hat vollständige Kontrolle über Ausprägungen der erklärenden Größen,die Versuchspersonen (Untersuchungseinheiten) werden zufällig den verschiedenen Ausprägungen der erklärenden Variablen (Treatment) zugeordnet und bilden Experimental-und Kontrollgruppen;

• Quasi-Experiment:Forscher hat nur teilweise Kontrolle über Ausprägungen der erklärenden Variablen bzw. Zuordnung der Versuchspersonen zu Experimental- und Kontrollgruppen,es ist sichergestellt, dass die Größen, die als kausale Ursachen vermutet werden, vor dem Auftreten der Größen, die als Folgen vermutet werden, beoachtet werden.

Weitere Kennzeichnungen von Untersuchungen:Querschnitts- u. Längsschnittsstudien (Trend, Panel, Zeitreihen);Einebenen - u. Mehrebenendesign, Netzwerkerhebung

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3Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06)

Wiederholung von letzter Woche

Kriterien für die Güte von Untersuchungsdesigns:• interne Validität: es gibt keine Alternativerklärung für den beobachteten Zusammenhang;• statistische Schlussvalidität: es wird ausgeschlossen, dass der beobachtete Zusammenhang

nicht nur Folge der zufälligen Auswahl von Untersuchungseinheiten und der Zuordnung zuden Ausprägungen der erklärenden Größen ist;

• Konstruktvalidität: die Bezeichnung der Ursachen und Wirkungen ist zutreffend;• externe Validität: die Verallgemeinerung von der untersuchten Population auf alle Einheiten

der interessierenden Populationen ist korrekt.

Fehlschlüsse• Regression zur Mitte: Fehlinterpretation einer durch zufällige Messfehler hervorgerufenen

Veränderung zwischen zwei Messzeitpunkten als Entwicklung oder Effekt einer erklärenden Größe.

• Ökologischer Fehlschluss. Fälschliche Gleichsetzung einer beobachteten Beziehung auf Aggregatebene mit einer entsprechender Beziehung auf Individualebene.

Begriffe:Untersuchungseinheit (dabei evtl. Unterscheidung zwischen Erhebungseinheit u. Analyseeinheit) und Aussageeinheit.

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Operationalisierung und Messen

Um den Wahrheitsgehalt einer empirischen Aussage zu untersuchen, ist es notwendig, eine Verbindung zwischen den in der empirischen Aussage benutzten Begriffen undden damit beschriebenen Sachverhalten herzustellen. Hierzu sind drei Schritte notwendig:

• In der Begriffsexplikation ist zu klären, welche semantische Bedeutung ein Begriff hat.• Die Herstellung einer Beziehung zwischen einem Begriff und einem beobachtbaren

Sachverhalt wird in der Sozialforschung als Operationalisierung bezeichnet.• Die tatsächliche Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens eines empirischen

Sachverhalts ist die Beobachtung, deren Dokumentation in einem Messwert die Messung.

1. Begriffsexplikation

In der Begriffsexplikation geht es um die Bedeutung eines Begriffes.Gelegentlich wird hierbei unterschieden zwischen

Extension: Gesamtheit der Objekte, auf die ein Begriff zutrifft und Intension: Gesamtheit der gemeinsamen Eigenschaften, die die Objekte haben, auf die

ein Begriff zutrifft.Die Intension des Begriffs „Demokratie“ besteht in der vollständigen Auflistung aller Eigenschaften, die eine Demokratie ausmachen, die Extension des Begriffs in der Aufzählung aller demokratischer Staaten.

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Begriffsexplikation

Begriffe sollen konsistent und widerspruchsfrei verwendet werden.Voraussetzung hierfür ist:• Eindeutigkeit: Ein Begriff soll in immer gleicher, einheitlicher Bedeutung verwendet

werden• Präzision: Für jeden Begriff soll eindeutig entscheidbar sein, ob etwas unter diesen

Begriff fällt oder nicht fällt (extensionale Präzision);alle Eigenschaften des Begriffs sollen bekannt sein (intensionale Präzision).

In der Konzeptspezifikation wird die Bedeutung eines Begriffes genauer expliziert. Dabei kann sich herausstellen, dass ein Begriff verschiedene Subdimensionen (Aspekte) umfasst.

So kann etwa der in der Politikwissenschaft verwendete Begriff „Systemunterstützung“ die Aspekte

- der Zufriedenheit mit den politischen Institutionen bzw.- der Zufriedenheit mit den politischen Akteuren beinhalten

oder auch - die Identifikation mit dem Staat bzw.- die Identififkation mit der Gesellschaft

beinhalten.Bisweilen lassen sich die einzelnen Aspekte eines Begriffs in Form eines Baumes oder Netzwerks darstellen.

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Begriffsexplikation

Systemunter-stützung

Systemzu-friedenheit Identifikation

Identifikationmit Staat

Identifikationmit Gesellschaft

Zufriedenheitmit Parteien

Zufriedenheitmit Politikern

Zufriedenheitmit Regeln

Zufriedenheitmit Ergebnissen

Beispiel: Systemunterstützung

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Begriffsexplikation

Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, wie vage Begriffe präzisiert werden können:- Extensionale Festlegung (Aufzählung, in Sozialwissenschaften kaum anwendbar):

Zu den Vögeln gehören: Elster, Papagei, ..., Schwalbe.- Einengung der Extension durch Erweiterung der Intension (Einführung zusätzlicher

Merkmale):Zusätzlich zum Merkmal „kann fliegen“ für Explikation des Begriffs „Vogel“ weitere notwendige Merkmale: „zweibeinig“ , „hat Schnabel“, „legt Eier“, „hat Federn“, „ist warmblütig“.

- Erweiterung der Extension durch Reduktion der Intension (Eliminierung von Merkmalen):Verzicht auf das Merkmal „kann fliegen“ bei Explikation des Begriffs„Vogel“.

- Skalierung/Klassenbildung (zusätzlich zu der Dichotomie „Begriff trifft zu“ vs. „Begriff trifft nicht zu" werden zusätzliche Klassen bzw. Werte berücksichtigt);

Anstelle der Unterscheidung „städtisch“ und „ländlich“ kann in einerUntersuchung zwischen „großstädtisch“, „kleinstädtisch“, „stadtnah“ und „dörflich“ unterschieden werden.

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Definitionen

Das Ergebnis der Begriffsexplikation sollte möglichst zu einer Definition aller für eine Untersuchung relevanten Begriffe führen.

Definition Gleichsetzungen (unbekannter) Begriffe mit bekannten Begriffen:Definiendum: zu definierender Begriff;Definiens: Aussagen, die ausschließlich bekannte Begriffe enthalten.

Nominaldefinition:ist eine sprachliche Festlegung (Konvention), nach der das Definiendum analystisch mit dem Definiens gleichgesetzt wird.

Beispiel: Schimmel =: weißes Pferd

Konsequenzen:• Nominaldefinitionen können nicht falsch sein,

d.h. es sind tautologische (analytisch wahre) Aussagen. • Nominaldefinitionen können jedoch inadäquat (unzweckmäßig) sein.

Ob eine Nominaldefinition zweckmäßig ist, lässt sich in der Regel erst im praktischen Gebrauch des definierten Begriffs im Kontext seiner Verwendung erkennen.

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Anforderungen an Nominaldefinitionen

Bei der Verwendung von Nominaldefinitionen müssen Kriterien eingehalten werden:

a) Eliminierbarkeit: Definiens und Definiendum müssen stets austauschbar sein.Wenn „Schimmel“ als weißes Pferd definiert ist, muss das Wort „Schimmel“ stets durch „weißes Pferd“ ersetzt werden können, ohne dass sich die Bedeutung einer Aussage ändert.

b) Nichtkreativität: Bei Austausch von Definiens und Definiendum darf keine zusätzlicheBedeutung erzeugt werden.

Wenn „Arbeiter“ nominal definiert ist als eine Person, die ihre Körperkraft anderen Personen gegen Entgelt zur Verfügung stellt,dann darf mit dem Begriff nicht ohne Ergänzung der Definitions-merkmale die zusätzliche Bedeutung „Person mit niedriger sozialer Stellung“ verbunden werden.

c) Nicht-Zirkularität: Der zu definierende Begriff darf nicht unmittelbar oder mittelbar im Definiens vorkommen.

Die Definition „Ausbeutung =: unfaire Ausnutzung von Ressourcen einer Person“ wäre zirkulär, wenn an anderer Stelle „unfair“ als„jemanden ausbeuten“ definiert würde.

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Anforderungen an Nominaldefinitionen

Bei der Verwendung von Nominaldefinitionen müssen Kriterien eingehalten werden:

d) Keine Mehrfachdefinitionen: Ein Begriff darf nur einmal definiert werden.Unzulässig wäre z.B. die Definition „Arbeiter = Person, die ihreKörperkraft anderen entgeltlich zur Verfügung stellt“ und an anderer Stelle „Arbeiter = Arbeitnehmer, der bei einer Landesver-sicherungsanstalt rentenversichert ist“.

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Realdefinitionen

Eine Realdefinition kann als Behauptung über die richtige Verwendung eines Begriffes verstanden werden.

‘Handy‘ ist eine in Deutschland übliche Bezeichnung für Mobiltelefone.

Im Unterschied zu den tautologischen Nominaldefinitionen sind Realdefinitionen dannempirische Aussagen, d.h. sie können empirisch wahr oder falsch sein.

Nominal- und Realdefinition werden oft mit zwei unterschiedlichen Konzeptionen von Sprache und Sprechen verbunden:• Im Begriffskonventionalismus wird die Bedeutung eines Begriffs durch Konvention

vereinbart.- Problem: infiniter Regress, weil stets auf bekannte Begriffe rekurriert werden muss.

• Der Begriffsessentialismus unterstellt dagegen, dass die Bedeutung eines Begriffes naturnotwendig vorgegeben ist. - Problem: essentielle Definitionen machen nur Sinn, wenn angenommen werden kann,

dass die „wahre Bedeutung“ oder das „Wesen“ eines Begriffs intersubjektiv erkanntwerden kann. Der Begriffsessentialismus ignoriert mögliche kulturelle Bedingtheitenvon Begriffen.

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Operationalisierung

Die Formulierung von Regeln, mit deren Hilfe entschieden wird, ob bzw. in welchem Ausmaß der durch einen Begriff bezeichnete Sachverhalt vorliegt, wird als Operationalisierung bezeichnet.

Operationalisierung des Begriffs „Systemunterstützung“ durch die Fragein einem Fragebogen: „ Was würden Sie allgemein zu der Demokratie in der Bundesrepublik, d.h. zu unseren politischen Parteien und zu unserem ganzen politischen System sagen? Sind Sie damit sehr zufrieden, eher zufrieden, eher unzufrieden oder sehr unzufrieden?“

Unterschied zwischen Definition und Operationalisierung:• Definition ist die Verknüpfung von unbekannten Begriffen mit bekannten

Begriffen,• Operationalisierung ist die Verknüpfung von bekannten Begriffen mit

empirischen Sachverhalten

Unglücklich ist der Begriff operationale Definition als Gleichsetzung eines (empirischen) Begriffs mit seinem Messinstrument.

Beispiel: Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst.

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2. Operationalisierung

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Operationalisierung

Wie kann die Verknüpfung eines Begriffs mit empirischen Sachverhalten erfolgen?

Nennung von Handlungsanweisungen (Korrespondenzregeln), mit deren Hilfe entschieden wird, ob ein Sachverhalt vorliegt.

Beispiel Systemunterstützung:(a) Stellen der Frage nach der Zufriedenheit mit dem System(b) Notieren der Antworten:

• Bei der Antwort „sehr zufrieden“ besteht eine große Systemzufriedenheit, • bei der Antwort „eher zufrieden“ besteht eine geringere, aber vorhandene

Systemzufriedenheit, • bei der Antwort „eher unzufrieden“ besteht eine geringe Unzufriedenheit • und bei der Antwort „völlig unzufrieden“ besteht eine große Unzufriedenheit

mit dem politischen System.

Voraussetzung für eine geeignete Operationalisierung:Geeignete Handlungsanweisungen.

Im Beispiel sollten die Antworten auf die Frage nach der Zufriedenheit mit dempolitischen System tatsächlich mit den Vorstellungen/Bewertungen einer Personüber das politische System korrespondieren.

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Operationalisierung

Daraus folgt:Eine Operationalisierung kann als Anwendung einer Messtheorie verstanden werden.

Die Messtheorie beinhaltet Annahmen über die Konsequenzen der mit einem Begriff verbundenen Eigenschaften auf empirisch beobachtbare Sachverhalte.

Die Annahmen (empirischen Gesetze) der Messtheorie werden als Korrespondenzhypothesenbezeichnet.Aus den Korrelspondenzhypothesen werden in der Operationalisierung Korrespondenzregelngeneriert. Korrespondenzregeln sind somit Anwendungen von Korrespondenzhypothesen.

Korrespondenzhypothesen der Messtheorie zur Operationalisierung von„Systemzufriedenheit“: (1) Je zufriedener eine Person mit dem politischen System ist,

desto größer ist die geäußerte Zufriedenheit in der Antwort auf die Frage: „Sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie in der Bundesrepublik funktioniert, sehr zufrieden, eher zufrieden, eher unzufrieden oder völligunzufrieden?“

(2) Wenn eine beiebige Person A auf die Frage nach der Demokratiezufriedenheiteine positivere Antwort gibt als eine zweite Person B, dann ist Person A zufriedener mit der Demokratie als Person B.

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Operationalisierung

Eine Operationalisierung ist selbst bei einfachen, scheinbar leicht erfassbaren Begriffennicht einfach.

Beispiel: Operationalisierung des Lebensalters einer PersonAlternativen:• „Sagen Sie mir bitte, wie alt Sie sind?“ (Befragung)• „Sagen Sie mir bitte, in welchem Jahr Sie geboren sind?“ (Befragung)• Notieren des Geburtstages aus dem Personalausweis. (Dokumentenanalyse)• Einschätzung des Alters durch den Forscher. (Beobachtung)Es ist nicht ausgeschlossen, dass die verschiedenen Operationalisierungen bei manchen Personen zu verschiedenen Ergebnissen führen, obwohl das Alterein klar defnierter Begriff ist .

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Generierung von Korrespondenzregeln

Operationalisierung: ideale Vorgehensweise

Forschungsfrage mit Begriffen, die empirische Sachverhalte beinhalten

Explikation der Begriffe

Formulierung einer Messtheorie mit Korrespondenzhypothesen

Probleme:(1) In der Regel keine explizite Formulierung der Messtheorie:

⇒ Postulate der Messtheorie (Korrespondenzhypothesen) nicht bewusst.

(2) Korrespondenzhypothesen können falsch sein:⇒ Korrespondenzregeln vermutlich unangemessen

⇒ Empirische Beobachtung erlaubt keine Antwort auf Forschungsfrage.

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Variablen

Vom Begriff zur VariablenEmpirische Begriffe beschreiben bzw. postulieren Eigenschaften der Realität.In der Operationalisierung wird das Zutreffen oder Nichtzutreffen der durch einen Begriffbezeichneten Sachverhalte über Beobachtungen der Eigenschaften von Untersuchungs-einheiten erfasst.

Technisch wird ein Merkmal, das ist eine Eigenschaft einer Untersuchungseinheit als Variablebezeichnet.

Die Ausprägungen (Kategorien oder Werte) einer Variablen geben an, ob bzw. in welchem Ausmaß die betrachtete Eigenschaft bei einem potentiellen Merkmlasträger vorliegt.

Jede Variable hat mindestens zwei Ausprägungen, da ein Merkmal vorhanden oder abernicht vorhanden sein kann. Eine Variable mit genau zwei Ausprägungen wird als dichotom bezeichnet; polytome Variablen haben entsprechend mehr als zwei Ausprägungen.

Die dichtome Variable „Geschlecht“ hat die Ausprägungen „männlich“ und„weiblich“. Die Variable „höchster allgemeinbildender Schulabschluss“ wird in Deutschlandoft über fünf Ausprägungen erfasst: kein Abschluss, Hauptschulabschluss, mittlere Reife, Fachhochschulreife und Hochschulreife.

Die Untersuchungseinheit, auf die sich die Eigenschaft bezieht, wird auch als Merkmlasträgerbezeichnet.

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Variablen

Von einer Konstanten spricht man, wenn alle Untersuchungseinheiten die gleiche Ausprägung einer Eigenschaft haben.

Alle Menschen haben die Eigenschaft „ist ein Säugetier“. Diese Ausprägungeiner Variablen ist bezogen auf Menschen (aber nicht auf alle Tiere) eineKonstante.

Variablenausprägungen sind stets(1) disjunkt:

bei einem Merkmalsträger können nicht gleichzeitig zwei verschiedene Ausprägungen einer Variablen vorliegen.

(2) erschöpfend:Jeder Merkmalsträger weist eine Ausprägung einer Variablen auf.

Auf jeden Merkmalsträger trifft somit immer genau eine Ausprägung einer Variablen zuSchnecken sind zwittrige Tiere. Die beiden Ausprägungen „männlich“ und „weiblich“ sind daher für die Erfassung der Ausprägungen des biologischen Geschlechts von Organismen nicht immer ausreichend und müssen entsprechend ergänzt werden.Auch in den Sozialwissenschaften kann es sinvoll sein, die soziale KategorieGeschlecht (Gender) nicht als dichotom aufzufassen.

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Variablen

Kennzeichnend für viele sozialwissenschaftliche Begriffe ist, dass (a) ihre Operationalisierung über mehrere Variablen erfolgt

Im Sinne der Konzeptspezifikation von Systemunterstützung könnte dieserBegriff über die Variablen „Zufriedenheit mit den Regeln des Systems“, „Zufriedenheit mit dem Funktionieren des Systems“ und „Zufriedenheitmit den Ergebnissen des Systems“ erfasst werden.

(b) Variablen sich auch oft auf nicht direkt beobachtbare Eigenschaften beziehen.Da sich die Variablen zur Erfassung der Systemunterstützung jeweils auf Bewertungen (Einstellungen) der Bürger eines Systems beziehen, sind sie nicht direkt beobachtbar, sondern müssen indirekt aus beobachtbaren Verhalten (z.B. den Antworten auf Fragen) erschlossen werden.

Nicht direkt beobachtbare oder beobachtete Eigenschaften werden in der statistischen Datenanalyse als latente Variablen oder Faktoren bezeichnet;Variablen, deren beobachtete Ausprägungen zur indirekte Erfassung von latenten Variablenverwendet werden, heißen Indikatoren.

Als Indikator zur Erfassung der latenten Variable „Systemunterstützung“kann in einer Umfrage die Frage nach der „Demokratiezufriedenheit“ als Indikator herangezogen werden.

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Beobachten und Messen

Messen bezieht sich dann auf den Vorgang der Datengewinnung, d.h. der Anwendung der Korrespondenzregeln bei der Beobachtung von empirischen Sachverhalten in der Datener-fassung und der Umsetzung und Dokumentation dieser Beobachtungen in mathematische Größen (Zahlen).Bei dem oft nicht eindeutig verwendeten Begriff lassen sich zwei unterschiedliche Bedeutungen unterscheiden:

Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06)

3. Beobachten und Messen

(1) Messen im weiteren Sinne bezieht sich auf den Akt der Datenerhebung. In der Sozialforschung spricht man auch von Beobachtung, (wobei unter „Beobachtung“hier auch „Befragung“ und „Erfassung der Eigenschaften von Dokumenten, Filmen etc.“fällt)

(2) Messen im engeren Sinne bezieht sich auf die Zuordnung von Zahlen zu den bereitsbeobachteten empirischen Eigenschaften eines Objekts.Messen im engeren Sinne wird technisch auch als Kodierung bezeichnet.

In der quantitativen Sozialforschung werden als Hilfestellung bei der Beobachtung und Messung Erhebungsinstrumente verwendet, mit deren Hilfe die Anwendung der Korrespon-denzregeln erleichtert und die beobachteten Sachverhalte dokumentert werden.

Bei Befragungen wird so i.a. ein Fragebogen eingesetzt, der die zu stellenden Fragen enthält und in dem die Antworten notiert werden.

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Beobachten und Messen: Beispiel für ein Erhebungsinstrument

Da die Ausprägungen von Varia-blen disjunkt und erschöpfend sein müssen, muss bei einem Messinstrument auch stets be-rücksichtigt werden, dass fehlen-de oder ungültige Antworten mögliche Ausprägungen von empirischen Variablen sein können.

Im Beispielfragebogen wird so die Zahl „9“ (bzw. „9999“ beim Alter) verwendet, um „keine Angabe“ zu erfassen und die Zahl „8“, um die im Sinne der Operationalisierung ungültige Antwort „weiß nicht“ zu berücksichtigen.

F R A G E A N T W O R T Code

1. Sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie in der Bundesrepublik funktioniert, alles in allem gesehen ...

... sehr zufrieden,................................. ... eher zufrieden,................................. ... eher unzufrieden,............................. ... oder völlig unzufrieden?................. ___________________ weiß nicht 1 keine Angabe

4 3 2 1 8 9

2. Nun einige Aussagen, über die man verschiedener Ansicht sein kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie der Aussage eher zustimmen oder eher nicht zustimmen. a) Leute wie ich haben so

oder so keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut

b) Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht

stimme stimme weiß keine eher eher nicht nicht Angabe zu zu 1 2 8 9 1 2 8 9

ohne Abfrage eintragen! Das Interview wurde geführt mit...

einem Mann.............................. einer Frau.................................

1 2

4. Zum Schluss noch eine Frage zur Statistik. Sagen Sie mir bitte, in welchem Jahr Sie geboren sind.

Geburtsjahr vierstellig eintragen! ___________________ keine Angabe

9999 1 Kursiver gedruckter Text ist für den Interviewer bestimmt und wird nicht vorgelesen.

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F R A G E A N T W O R T Code

1. Sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie in der Bundesrepublik funktioniert, alles in allem gesehen ...

... sehr zufrieden,................................. ... eher zufrieden,................................. ... eher unzufrieden,............................. ... oder völlig unzufrieden?................. ___________________ weiß nicht 1 keine Angabe

4 3 2 1 8 9

2. Nun einige Aussagen, über die man verschiedener Ansicht sein kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie der Aussage eher zustimmen oder eher nicht zustimmen. a) Leute wie ich haben so

oder so keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut

b) Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht

stimme stimme weiß keine eher eher nicht nicht Angabe zu zu 1 2 8 9 1 2 8 9

ohne Abfrage eintragen! Das Interview wurde geführt mit...

einem Mann.............................. einer Frau.................................

1 2

4. Zum Schluss noch eine Frage zur Statistik. Sagen Sie mir bitte, in welchem Jahr Sie geboren sind.

Geburtsjahr vierstellig eintragen! ___________________ keine Angabe

9999 1 Kursiver gedruckter Text ist für den Interviewer bestimmt und wird nicht vorgelesen.

1943

Beobachten bedeutet im Beispiel:Stellen der Fragenund Notieren der Antworten

Die Beobachtung ergibt:Die befragte Person ...(1) ist „eher zufrieden“ mit dem

Funktionieren der Demo-kratie,

(2) stimmt der Aussage nicht zu,dass Leute wie die Personkeinen Einfluss auf dieRegierung hat,

(3) stimmt auch nicht zu, dass die Parteien nicht an den Ansichten der Wähler inter-essiert sind,

(4) ist männlich(5) und 1943 geboren.

Beobachten und Messen: Beispiel für ein Erhebungsinstrument

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Messen

Mesen ist die Zuordnung von Zahlen zu den möglichen Vorkommensweisen einer Eigenschaften von Untersuchungseinheiten.

Jedem empirischen Objekt wird eine Zahl (der Code) derart zugeordnet, dass der Zahl eine Eigenschaft des Objektes entspricht, und dem Vergleich von jeweils zwei Messungen der gemessenen Eigenschaft der Vergleich der zugeordneten Zahlen entspricht.

Beispiel: gleiches Geschlecht ⇔ gleiche Zahl, verschiedenes Geschlecht ⇔ verschiedene Zahl.

A B C D

1 2

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Messen in der axiomatischen Messtheorie

Definition von Messen in der axiomatischen Messtheorie:Messen ist eine homomorphe Abbildung

eines empirischen Relativsin ein numerisches Relativ

A B C D

1 2

empirisches Relativ:empirische Objekte und Beziehungen (Relationen)zwischen den Objekten anhand deren Eigenschaften(hier: Vergleich nach Gleichheit bzw. Verschieden-heit von Menschen hinsichtlich ihres Geschlechts

numerisches Relativ:mathematische Objekte (Zahlen)und Beziehungen (Relationen)zwischen den Zahlen

Homomorphe (strukturtreue) Abbildung:Vergleiche aufgrund der empischen Eigenschaft entsprechen Vergleiche von Zahlen und müssen daher zum gleichen Ergebnis kommen.hier: gleiche Zahl = gleiches Geschlecht, verschiedene Zahl = verschiedenes Geschlecht.

Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06)

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Messniveau oder Skalenniveau: Die Informationshaltigkeit von Messungen

Zwischen Zahlen lassen sich sehr verschiedenen Beziehungen (Relationen) herstellen.So ist die Zahl 2 doppelt so groß wie die Zahl 1; 2 = 2×1

Empirie-Vorlesung Teil: Quantitative Methoden WiSe 06/07, 14.11.06)

Dieser Eigenschaft entspricht bei der Messung des Geschlechts keine empirische Eigenschaft:Weibliche Befragte (Code = 2) haben verglichen mit männlichen Befragten (Code = 1) kein doppeltes Ausmaß an der Eigenschaft Geschlecht!

Geschlecht lässt gar sich nicht hinsichtlich seines Ausmaßes vergleichen.

Das Messniveau oder Skalenniveau einer Messung legt fest, welche numerische Eigenschaften von Zahlen empirischen Bedeutungen entsprechen:• Messungen auf Nominalskalenniveau enthalten nur Informationen, ob gleiche oder

ungleiche Ausprägungen einer Eigenschaft vorliegen;• Messungen auf Ordinalskalenniveau geben zusätzlich Auskunft über ein mehr oder weniger

des Ausmaßes einer Eigenschaft;• Messungen auf Intervallskalenniveau erlauben zusätzlich den Abstand zwischen einzelnen

Messwerten inhaltlich zu interpretieren;• Messungen auf Ratioskalenniveau (auch: Verhältnisskalenniveau, Proportionalskalenniveau)

ermöglichen zusätzlich die Interpretation des Verhältnisses von Messwerten.

⇒ Je höher das Messniveau, desto informationshaltiger die Messung

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Beispiele für Skalenniveaus

Relation zwischenSkalenniveau Ausprägungen Beispiele

(nach Kühnel/ Krebs, 2006: S. 31)

Nominalskala Klassifikation Religion, Familienstand, Parteineigung

Ordinalskala Rangordnung Einstellungsmessungen in Umfragen z.B. Ausmaß an Zustimmung zu einer Behauptung

Intervallskala Abstand Temperatur in Grad Celsius, Geburtsjahr

Ratioskala Verhältnis Alter, Größe, Einkommen

Messniveau oder Skalenniveau: Die Informationshaltigkeit von Messungen

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Nominalskala ja nein nein neinOrdinalskala ja ja nein neinIntervallskala ja ja ja neinRatioskala ja ja ja ja

Messniveau: Hierarchie zwischen den Messnievaus

Zwischen den Messniveaus besteht eine hierarchische Ordnung:• Alle Informationen eines geringeren Messniveaus gelten auch bei höherem Messniveau. • Die zusätzlichen Informationen eines höheren Messniveaus können aber nicht bei einem

geringeren Messniveau genutzt werden:

Interpretierbare RelationenIdentität Ränge Abstände Quotienten

Intervall- und Ratioskalen werden auch als metrische Skalen bezeichnet.

Daraus folgt:Jede Messung auf Ratioskalenniveau ist auch eine Messung auf Intervallskalenniveau, auf Ordinalskalenniveau und auf Nominalskalenniveau;jede Messung auf Intervallskalenniveau ist auch eine Messung auf Ordinalskalenniveau und auf Nominalskalenniveau;jede Messung auf Ordinalskalenniveau ist auch eine Messung auf Nominalskalenniveau.

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Ob bei der Ordinalskala „Demokratiezufriedenheit“ die Zahlen 1,2,3,4 oder 0,1,2,3 oder 10,11,15,20 verwendet werden, ist beliebig, solange eine größere Zahl stets für eine größere Demokratiezufriedenheit steht.

Messniveau: Zulässige Transformationen

Welche Zahlen den Ausprägungen eines Merkmals zugeordnet werden, ist solange willkürlich, solange die strukturtreue Abbildung der empirischen Beziehungen in die mathematischen Beziehungen erhalten bleibt. Messskalen (d.h. Kodierungen), die die gleichen Informationen erhalten, sind äquivalent.

Antworten Alternative Kodierungen

völlig unzufriedeneher unzufriedeneher zufriedensehr zufrieden

1234

0123

10111520

1243

zulässigeMessskalen

unzulässige

Der Wechsel (Übergang) von einer Kodierung zu einer anderen Kodierung wird als zulässige Transformationbezeichnet, wenn alle empirischen Informationen enthalten bleiben.Bei unzulässigen Transformationengehen dagegen Informationen verloren.

Es ist aber unzulässig, die Zahlen 1,2,4,3 zu verwenden, da dann „eher zufrieden“ (4) für eine größere Zufriedenheit stehen würde als „sehr zufrieden“ (3).

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Messniveau: Zulässige Transformationen

Tabelle 2.3: Zulässige Transformationen

Skalen- Zulässige Transformationen Beispiele für erlaubte mathematischeniveau Operationen

(nach Kühnel/ Krebs, 2006: S. 32)

Nominal Alle ein-eindeutigen Transfor- Multiplikation (mit Zahl ≠0), Addition formationen (oder Subtraktion) einer Konstanten,

Wenn Ausgangswerte > 0:Logarithmieren

Ordninal Alle positiv-monotonen, die Wenn Ausgangswerte > 0:Rangordnung wahrenden Trans- Quadrieren, Logarithmieren, Wurzel-formationen ziehen

Intervall Alle positiven linearen Trans- Y = a + b ⋅ X mit b> 0formationen

Ratio Streckungen und Stauchungen Y = b ⋅ X mit b> 0

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Bedeutung des Skalenniveaus für die SozialforschungDas Messniveau ist wichtig, weil es Aussagen über die Informationshaltigkeit von Messungen beinhaltet.

Wenn ein nicht angemessenes Analysemodell verwendet wird, besteht die Gefahr der Produktion von Artefakten:

Analyseergebnisse werden als vermeintliche empirische Befunde interpretiert, obwohl sie ungültig und Folge eines nicht angemessenen Analysemodells sind.

Für die statistische Datenanalyse ist das Messniveau auch deswegen wichtig, weil es festgelegt, ob ein statistisches Analysemodell angemessen ist oder nicht: Wenn sich nach der Transformation einer Messwertreihe mit einer zulässigen Transformation die inhaltliche Aussage ändert, ist ein Analysemodell nicht angemessen. .

Beispiel: Vergleich von Mittelwerten bei ordinalen Messungen:

Messwerte bei AusgangsskalaGruppe 1 Gruppe 2

1 23 46 5

Mittelwert: 10/3 11/3

Messwerte nach Transformation Gruppe 1 Gruppe 2

1 49 16

36 25Mittelwert: 46/3 45/3

Gruppe 2 hat im Mittel höheres Ausmaßan der interessierenden Eigenschaft.

Gruppe 1 hat im Mittel höheres Ausmaßan der interessierenden Eigenschaft.

zulässige Transformationder Ordinalskala:

Ranginformationen bleiben erhalten.

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Mittelwertsberechnung ist beiordinalen Messungen unzulässig.

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Bestimmung des Messniveaus

Die axiomatischen Messtheorie nennt als Voraussetzungen Repräsentation, Eindeutigkeitund Bedeutsamkeit, die zur Erreichung eines bestimmten Messniveaus nachgewiesen werden müssen:

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(1) Repräsentationstheoreme geben für jedes Skalenniveau Präzisierungen an, um Repräsen-tation nachzuweisen.

Beispiel bei einer Ordinalskala: Transitivitätsbedingung muss erfüllt sein.Wenn bei drei Beobachtungen A, B und C gilt:(a) bei Beobachtung B liegt eine höheres Ausmaß der zu messenden

Eigenschaft vor als bei Beobachtung A,(b) bei Beobachtung C liegt eine höheres Ausmaß der zu messenden

Eigenschaft vor als bei Beobachtung B,dann muss auch gelten:(c) bei Beobachtung C liegt eine höheres Ausmaß der zu messenden

Eigenschaft vor als bei Beobachtung A.Gilt die Transitivitätsbedingung nicht, kann nicht auf Ordinalskalenniveau gemessen werden.

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Bestimmung des Messniveaus

(2) Eindeutigkeitstheoreme geben die Bedingungen an, unter denen zulässige Transforma-tionen im numerischen Relativ möglich sind.

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(3) Bedeutsamkeitstheoreme beziehen sich auf die statistischen Verfahren, die unter einem Skalenniveau zulässig sind.

Repräsentation bezieht sich also auf den Informationsgehalt im empirischen Relativ, Eindeutigkeit auf die zulässigen Transformationen innerhalb des numerischen Relativsund Bedeutsamkeit auf die Gültigkeit statistischer Modelle innerhalb eines Messniveaus.

Nach der axiomatischen Messtheorie muss für jede empirische Messkala das Vorliegen der drei Bedingungen nachgewiesen sein.In der Praxis erfolgt oft eine Festlegung des Skalenniveaus nach Augenschein („measurement per fiat“).

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Bestimmung des Messniveaus

Bei der Unterstellung eines Messniveaus sind drei Aspekte zu beachten:

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1. Beim Messniveau sind empirische wie theoretische Gegebenheiten relevant. Daher kann auch das Messniveau einer Größe nicht ‚theorielos‘ (d.h. ohne theoretischeAnnahmen) ermittelt werden.

Beispiel: „Haarfarbe“ ist in der Soziologie der Mode eine nominalskalierte Größe.In der Physik ist Farbe dagegen eine auf Ratioskalenniveau gemessene Frequenz von Lichtwellen.

2. Eine zu prüfende empirische Theorie kann ein bestimmtes Messniveau für die beteiligten Konzepte voraussetzen. Ist dieses nicht gegeben, ist die Theorie nicht oder nur eingeschränkt prüfbar.

Beispiel:Die „Nutzentheorie“ behauptet, dass sich der Nettonutzen einer Alternative aus der Produktsumme der Bewertungen der mit der Alternative verbundenen Konsequenzen und den Auftretenswahrscheinlichkeiten dieser Konsequenzten ergibt. Sind die Bewertungen und die Auftretenswahrscheinlichkeiten nicht auf metrischem Messniveau erfassbar, kann diese Behauptung nicht geprüft werden.

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Bestimmung des Messniveaus

3. Das Messniveau der beobachteten Größen (Indikator) kann sich vom Messniveau dereigentlich interessierenden theoretischen Eigenschaft (latente Variable) unterscheiden undz..B. ein höheres Messniveau haben.

Beispiel: Alter dürfte in der Regel auf Ratioskalenniveau messbar sein. Wird „Alter“ aber in einer Studie im Sinne der theoretischen Konzeption des„Lebenszyklus“ verwendet, handelt es sich möglicherweise nur um eine nominaleMessung.

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Letztlich kommt es bei der Festlegung des Messniveaus und der Messkala (Kodierung) darauf an, ob die verwendeteten Zahlen und die eingesetzten Analysemodelle inhaltlich interpretierbar sind.

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Klassische Testtheorie

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In der klassischen psychologischen Testtheorie wird eine Messung als Summe aus einem wahren Wert (true score) und einem Messfehler aufgefasst. Wird weiter zwischen systematischen und zufälligen Messfehlern unterschieden, ergibt sich folgende Beziehung:

Messwert = wahrer Wert + systematischer Fehler + zufälliger Fehler

Eine Messung ist danach valide, wenn es weder systematische noch zufällige Messfehler gibt,eine Messung ist reliabel, wenn es nur sytematische, aber keine zufälligen Messfehler gibt,eine Messung ist nicht reliabel (und auch nicht valide), wenn es zufällige Messfehler gibt.

valideKomponente

reliable Komponente unreliable Komponente

invalide Komponente