31
Theoriegeleitete Förderung von Kompetenzen im Bereich Erkenntnisgewinnung vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über Kompetenzmodelle Dr. Marcus Hammann Didaktik der Biologie Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften -- IPN

Theoriegeleitete Förderung von Kompetenzen im … · Klasse nach den Befunden von TIMSS nur etwa 10-15 Prozent eines ... z.B. POE: predict -- observe -- explain - Verständnis von

Embed Size (px)

Citation preview

Theoriegeleitete Förderung von Kompetenzen im Bereich Erkenntnisgewinnung

vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über Kompetenzmodelle

Dr. Marcus HammannDidaktik der Biologie

Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften -- IPN

Wie gut experimentieren deutsche Schülerinnen und Schüler?

„Wie auch im Bereich der Physik ist ein Verständnis experimentellen Arbeitens und naturwissenschaftlichen Argumentierens in der Biologie so gut wie nicht entwickelt. Die Prinzipien selbst einfachster experimenteller Anordnungen verstehen bis zum Ende der 8. Klassenach den Befunden von TIMSS nur etwa 10-15 Prozent eines Jahrgangs.“

BAUMERT (1997)

Defizite beim Planen von Experimenten

Eine Schülerin vermutet: Mineralstoffe sind fürdas Wachstum notwendig

TIMSS 1997

Um ihre Vermutung zu kontrollieren, braucht sie noch eine weitere Pflanze. Welche der folgenden sollte sie nehmen?

Übersicht

Aktuelle Bezüge Klieme Expertise (2003)Bildungsstandards Mittelstufe (2004)Kerncurriculum Oberstufe (2004)

Kompetenzen beim ExperimentierenSDDS Modell (Klahr 2000)EntwicklungsverläufeEinfluss des Vorwissens über Inhalte

Kompetenzmodelle allgemeine DefinitionKonkretisierungBedeutung für Forschung und Unterricht

Konsequenzen für den Unterricht

Bildungsstandards

... Kompetenzen„kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen“

... Kompetenzmodelleevidenzbasierte Förderung von Kompetenzen

... normierte AufgabenDiagnostik und Rückmelden von Kompetenzzuwachs

... OutputsteuerungQualitätssicherung und vergleichende Leistungsmessung

E. KLIEME: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards (2003)

Bildungsstandards Mittelstufe

Basale Konzepte im Fach Biologie

SystemStrukturEigenschaftEntwicklung

Kompetenzbereiche im Fach Biologie

• Fachwissen• Erkenntnisgewinnung• Kommunikation• Bewerten

BAYRHUBER, FRANK et al. (2004)

Kerncurriculum und Standards für die Gymnasiale Oberstufe

Basale Konzepte im Fach Biologie

Struktur und FunktionSystem und SystemebeneEntwicklung

Kompetenzen im Fach Biologie

• Konvergentes Denken• Divergentes Denken• Denken in Systemen• Denken in mentalen Modellen• fächerübergreifendes Denken• nat.wiss. Argumentieren• Verbalisierung von Sachverhalten• Bewerten• Umgang mit Grafen•Umgang mit quantitativen Größen

HARMS, MAYER, HAMMANN, BAYRHUBER, KATTMANN (2004)

Wissenschaftspropädeutik

„Wissenschaftspropädeutik besitzt nicht nur instrumentelle Bedeutung, um Lernprozesse zu befördern, sie dient darüber hinaus einem bildungstheoretischen Anspruch“.(Kerncurriculum Oberstufe)

Teilaspekte: naturwissenschaftliche Denkweisennaturwissenschaftliche ArbeitsweisenNatur der NaturwissenschaftenWissenschaft und Gesellschaft

Kompetenzen beim Experimentieren

Experimentieren als komplexes Problemlösen

• Suche im Hypothesen-SuchraumHypothesen bilden, ausschärfen, revidieren

• Suche im Experimentier-SuchraumVariablen festlegen und aussagekräftige Experimente planen

• Datenanalyse Analyse der Übereinstimmung zwischen erwarteten Ergebnissen und tatsächlichen Evidenzen

SDDS-Modell: Scientific Discovery as Dual Search (KLAHR 2000)

Wie planen Schüler Experimente?

Wie planen Schüler Experimente?

Wie planen Schüler Experimente?

„failure to seek disconfirmation“ (KLAYMAN & HA 1987)

„from an engineering model to a sciencemodel of experimentation“ (SCHAUBLE & KLOPFER 1991)

Entwicklungsverläufe beim Experimentieren

Verständnis über den Sinn eines Experiments- Effekte erzielen Ursachen erklären„Ingenieur“ Naturwissenschaftler

Methodisches Wissen- unsystematisch systematisch„Change all“ „Local chaining“ planmäßiger

Umgang mit Variablen

- Vermutungen bestätigen Hypothesen kritisch (confirmation bias) überprüfen

Kompetenzmodelle: Grundlegende Merkmale

Kompetenzmodelle ...

... analysieren Kompetenzstrukturen Aspekte oder Dimensioneneiner Kompetenz

... beschreiben Kompetenzstufen Entwicklungsgrade

... berücksichtigen bereichsspezifisch vs. naturwissenschaftliche Inhalte bereichsübergreifend

... sind evidenzbasiert FachdidaktikAllgemeine PädagogikEntwicklungspsychologiepäd. Psychologie

Beispiele für KompetenzmodelleV

661

553

497

421

Alltagsvor-stellungen

BiologischesVerständnis

V Konzeptuell und prozedural(Modelle)

IV Konzeptuell und prozedural

III Funktional (naturwissenschaftliches Wissen)

II Funktional(naturwissenschaftliches Alltagswissen)

I Nominell

BYBEE (2002)

V

I

II

III

IV

Kompetenzstufen zur Leistungsmessung V

661

553

497

421

Frage 1: Semmelweis Tagebuch

Nimm an, Du wärst Semmelweis. Nenne einen Grund dafür (ausgehend von den Daten, die Semmelweis gesammelt hat), dass Erdbeben als Ursache für Kindbettfieber unwahrscheinlich sind.

638 (.36 / .22)V

I

II

III

IV

1841 1842 1843 1844 1845 1846

Anzahl derTodesfälle

ZweiteStation

ErsteStation

Kompetenzstufen beim Hypothesenbilden

• Stufe 1: keine Hypothesen beim Experimentieren

• Stufe 2: unsystematische Suche nach Hypothesen

• Stufe 3: systematische Hypothesensuche, aber fehlerhafte Hypothesenrevision

• Stufe 4: systematische Hypothesensuche sowie erfolgreiche Hypothesenrevision

Kompetenzstufen beim Planen von Experimenten

• Stufe 1: unsystematischer Umgang mit Variablen

• Stufe 2: teilweise systematischer Umgang mit Variablen

• Stufe 3: systematischer Umgang mit Variablen in bekannten Wissensdomänen

• Stufe 4: systematischer Umgang mit Variablen in unbekannten Wissensdomänen

Kompetenzstufen bei der Datenanalyse

• Stufe 1: Daten werden nicht auf Hypothesen bezogen

• Stufe 2: unlogische Datenanalyse

• Stufe 3: weitgehend logische Datenanlyse, aber Probleme mit Daten, die den eigenen Erwartungen widersprechen

• Stufe 4: logische Datenanalyse, auch wenn die Daten den eigenen Erwartungen widersprechen

Kompetenzprofile

1

2

3

4data analysis

experiment spacehypothesis space

Schüler1 Schüler2 Schüler3

Konsequenzen für den Unterricht

„minds-on“ nicht nur „hands-on“

- problemorientierte Experimentieranlässe

- Lernende bilden Hypothesen, planen Experimente, analysieren Daten

- kein mechanisches Abarbeiten von Experimentieranleitungen

- Lernende kognitiv aktivieren z.B. POE: predict -- observe -- explain

- Verständnis von Inhalten und Erkenntnismethoden gemeinsam vertiefen

Konsequenzen für den Unterricht

experimentellen Unterricht öffnen

Konsequenzen für den Unterricht

experimentelle Kompetenzen kumulativ fördern

Berücksichtigung von Schülervorstellungen über die experimentelle Methode

gezielte Maßnahmen für den Übergang von einer Kompetenzstufe zur nächsten Stufe

Konsequenzen für den Unterricht

Kompetenzzuwachs erfahrbar machenRückmeldung von Lernfortschrittenhöhere Dichte an Lerngelegenheiten im Unterricht

Formative und summative EvaluationHaben die Lernenden eine bestimmte Kompetenzstufe auch wirklich erreicht?Gezielter Einsatz von Evaluationsmethoden (paperund pencil test, Beobachtung, computer-basedassessment)

Konsequenzen für den Unterricht

Formative und summative Evaluation

Peter experimentiert mit verschiedenen Teigmischungen. WelcheVermutung will er überprüfen?

Experiment 1 Experiment 3Experiment 2

formative und summative Evaluation

Butter AusszugsmehlZucker

Originalrezept

VollkornmehlHonigMargarine

Johns Rezept:

(Tschirigi 1980)

Making breadItem 1: Search in the experiment space

Hypothesis: = Great cake?

Making breadItem 1: Search in experiment space

Which one experiment can be used to test John‘s idea?

Experiment 1

+ +

Experiment 2

++

Experiment 3

+ +

X

X

X