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Pädagogische HochschuleLudwigsburg
WS 00/01
Institut für Mathematik undInformatik
Prof. Anthes, Frau Bescherer,Frau Vogel
Fachdidaktisches Hauptseminar: „TIMSS“
Thema:
„Die etwas andere Aufgabe“
Claudia Farkas Markus Vogel
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 1
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitende Überlegungen ................................................................................... 2
2 Zusammenfassende Rückschau auf TIMSS und bildungspolitische
Konsequenzen............................................................................................................ 3
2.1 Ausgewählte Aufgabenbeispiele des TIMSS-Leistungstest ............................. 3
2.2 Aufgabenspezifische Ergebnisse des TIMSS-Leistungstest ............................ 5
2.3 Bildungspolitische Forderungen....................................................................... 6
2.4 Bildungspolitische Maßnahmen im Anschluss an TIMSS ................................ 7
2.4.1 Das BLK-Programm.................................................................................. 7
2.4.2 Weiterentwicklung der Unterrichtskultur im Fach Mathematik - WUM ...... 8
3 Überlegungen zur Ergänzung des vorhandenen Aufgabenmaterials .................. 9
3.1 Entwicklungsfelder ........................................................................................... 9
3.2 Aufgabentypen zur Weiterentwicklung der Aufgabenkultur............................ 10
3.2.1 Assoziative Aufgaben ............................................................................. 10
3.2.2 Aufgaben eines problemorientierten Unterrichts ..................................... 11
3.2.3 Textaufgaben.......................................................................................... 12
3.2.4 Offene Aufgaben..................................................................................... 14
3.2.5 Variationsaufgaben ................................................................................. 15
3.2.6 Kumulative Aufgaben.............................................................................. 16
3.2.7 Unlösbare Aufgaben ............................................................................... 17
4 Schlussbemerkung ............................................................................................ 18
5 Literatur ............................................................................................................. 19
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 2
1 Einleitende Überlegungen
Der Titel „Die etwas andere Aufgabe“ deutet in seiner Semantik schon darauf hin,
dass das herkömmliche Aufgabenmaterial einer Ergänzung bedarf. Wohlgemerkt
einer Ergänzung, nicht einer ausschließlichen Erneuerung oder gar kompletten
Ersetzung. Abgesehen davon, dass dies nicht realisierbar ist, wäre es auch nach den
desillusionierenden Ergebnissen von TIMSS nicht wünschenswert, hieße es doch,
alles in den vorangegangenen Jahre der Mathematikdidaktik und des
Mathematikunterrichts entwickelte Material undifferenziert in Frage zu stellen. Eine
solche defätistische Sichtweise forciert panikartige und aktionistische didaktische
Gegenmaßnahmen, die weder wohl überlegt sein können, noch zu einer
Verbesserung des schulischen Lernerfolgs im deutschen Mathematikunterricht
beitragen können.
Schulentwicklung, und in diesem Sinne müssen auch konzeptionelle
Weiterentwicklungen verstanden werden, ist ein langfristig und nachhaltig angelegter
Prozess. Und genau dies ist als grundlegende Intention, übrigens direkt aus den
veröffentlichten TIMSS-Ergebnissen im Bereich der Sekundarstufe I abzulesen, für
die Weiterentwicklung der Unterrichts- und Aufgabenkultur im Fach Mathematik zu
sehen: Die Nachhaltigkeit des Lehrens und Lernens von Mathematik zu stärken und
zu sichern.
Auf dem Hintergrund der TIMSS-Ergebnisse und einer eingehenden Analyse
legitimieren sich solche allgemein-didaktischen Überlegungen fachdidaktisch
gewendet dahingehend, im deutschen Mathematikunterricht wieder das kreative und
problemlösende gegenüber dem routinebildenden Moment zu fördern und in
unterrichtsmethodologischer Hinsicht die damit verbundene aktiv-selbsttätige
Eigenarbeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Eine solche Zielsetzung kann
nicht ohne Berücksichtigung des inhaltlich tragenden Rückgrats des
Mathematikunterrichts verfolgt werden, dem vorliegenden Aufgabenmaterial.
Entsprechende Modifikationen erfolgen auf dem fachdidaktischen Basisgedanken,
die durchaus notwendigen Routineaufgaben zur Ausbildung von mathematischen
Fertigkeiten zugunsten vermehrter, auf die Ausbildung von Fähigkeiten
ausgerichteten, Problemlöseaufgaben zurückzunehmen. Auf diese Weise finden
vermehrt Aufgaben in den Unterricht Eingang, die mehrschrittig zu lösen sind,
kumulativ auch zum Teil mehrere Stoffgebiete berücksichtigen, also keine isolierte
Betrachtung verschiedener mathematischer Themen pflegen und Kreativität im
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 3
Lösungsfindungsprozess einfordern – kurz gesagt: mehr „etwas andere Aufgaben“
wie bisher. Wir sind der Überzeugung, es ist in der Weiterentwicklung der
Aufgabenkultur bereits dann viel erreicht, wenn „die etwas andere Aufgabe“ eine
normale Aufgabe geworden ist.
Wilfried Herget stellt sich diesem Anspruch schon seit mehreren Jahren in der
gleichnamigen Rubrik, die regelmäßig in der Heftreihe „mathematik lehren“ (übrigens
sehr zu empfehlen!) erscheint. Diese Beiträge wurden in dem gleichnamigen Buch
„Die etwas andere Aufgabe, aus der Zeitung“ zusammengefasst und 1998
veröffentlicht. In unseren Ausführungen stützen wir uns zwar nur zum Teil auf dieses
Buch, möchten es aber im Nachgang zu unserem Vortrag zur eigenen Verwendung
im bevorstehenden Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen dringend
empfehlen.
2 Zusammenfassende Rückschau auf TIMSS undbildungspolitische Konsequenzen
2.1 Ausgewählte Aufgabenbeispiele des TIMSS-Leistungstest
• Aufgaben erfordern Kombinationsfähigkeit
In dieser anspruchsvollen Aufgabe müssen Begriffe (kongruent) und mathematische
Operationen (Drehen, Ausrechnen der Winkelsumme) miteinander kombiniert
werden. Die relative Schwäche bei der Lösungshäufigkeit der deutschen
Schülerinnen und Schüler lässt die Vermutung zu, dass die deutschen Schülerinnen
und Schüler die Kongruenz nur im begrifflichen Zusammenhang sehen und weniger
im Zusammenhang mit konkreten Tätigkeiten wie Drehen und Berechnen von
Winkelsummen.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 4
• Aufgaben erfordern figurales Erkennen
Insbesondere bei dieser Aufgabe R10 trat ein deutlicher Unterschied im Vergleich
der Lösungshäufigkeiten in Deutschland und international auf. Gefordert ist hier das
visuelle Erkennen geometrischer Figuren.
• Aufgaben erfordern Reproduktion von Wissen
Hier lag die deutsche Lösungshäufigkeit tendenziell höher als im internationalen
Vergleich. Die Antwort ist nicht durch Reorganisation von Wissen, sondern durch
dessen Abruf einschrittig lösbar.
• Aufgabe erfordert (einfache) Modellierung, einschrittige Lösung
• Aufgabe erfordert Modellierung, mehrschrittige Lösung
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 5
Bei den letzten beiden Aufgaben aus dem Stoffgebiet der
Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigten sich bei deutschen Schülerinnen und Schüler
im ersten Fall eher Stärken, hingegen im zweiten Fall tendenziell Schwächen.
Bemerkenswert ist hier, dass bei der letzten Aufgabe der Begriff der
„Wahrscheinlichkeit“ auftritt, wohingegen im anderen Fall eher umgangssprachlich
formuliert wird.
2.2 Aufgabenspezifische Ergebnisse des TIMSS-Leistungstest
Bei der Konstruktion des TIMSS-Leistungstest wurden vier Anforderungsdimensio-
nen unterschieden:
• Wissen: gemeint sind Aufgaben, zu deren Beantwortung Wissen über
Schreibweisen, Vereinbarungen, Eigenschaften usw. mathematischer
Gegenstände erforderlich ist.
• Beherrschung von Routineverfahren und komplexen Verfahren
• Anwendungsbezogene und mathematische Aufgaben) - in der Untersuchung
keine anspruchsvollen Problemaufgaben, sondern in der Regel Textaufgaben
Neubrand/ Neubrand/ Sibberns1 untersuchten die Leistungen der deutschen
Schülerinnen und Schüler bezüglich dieser vier Anforderungsdimsensionen. Bei der
Auswertung des ihnen vorliegenden Materials kamen sie zu folgenden tabellarisch
zusammengefassten Hypothesen:
Feld Stärken Schwächen
Stoffgebiete • Arithmetik• Umgang mit Maßeinheiten• Datendarstellung und -analyse
• Algebra• Geometrie
Anforderun-
gen
• Wiedergabe von Wissen• Einfache Verfahren und
Algorithmen• Mittels Alltagskonzeptionen
einschrittig lösbare Aufgaben
• flexible Verbindung vonKenntnissen, Fertigkeiten undFähigkeiten über mehrererSachgebiete hinweg
• die Kombination mehrererLösungsschritte
• gleichzeitige Berücksichtigungunterschiedlicher Aspekteeines Lerngegenstandes
• ungewohnte Denk- undVerfahrensweisen
• komplexere Modellierungen
1 Vgl. dazu: Blum, W./ Neubrand, M.(Hrsg.): TIMSS und der Mathematikunterricht (Schroedel), Hannover
1998, S. 22 und S. 26
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 6
Blum und Wiegand spezifizieren diese Ergebnisse hinsichtlich der Schülerleistungen
bei den realtitätsbezogenen TIMSS-Aufgaben, die fast ausschließlich in der Form
von Textaufgaben auftraten2:
Feld Stärken Schwächen
Realitätsbe-zogeneAufgaben –Textaufga-ben
bei einfachen Aufgaben Bei schwierigeren Aufgaben:• „Mathematisieren“, d.h.
sinnentnehmendes Lesen undAufstellen einesLösungsansatzes
• mathematischer Arbeitsweg zurLösung
2.3 Bildungspolitische Forderungen
Aus diesen Überlegungen heraus lassen sich folgende Forderungen formulieren:
Im Rahmen des Mathematikunterrichts
• Schülerinnen und Schüler in Richtung selbständigem, aktivem Umgang mit
mathematischen Inhalten zu fördern
• Aufgaben mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten verstärkt zu initiieren und
verschiedene Ansätze zu vergleichen und zu werten
• Inhaltliches Argumentieren und Problemlösen zu forcieren
• tragfähige Grundvorstellungen aufzubauen, auch über die vertikale Vernetzung
mathematischer Inhalte
Die Stoffpläne müssen so flexibel gestaltet sein, dass sie die notwendige Zeit für eine
solche „Verstehens- und aktivitätsorientierte Unterrichtskultur“3 bereitzustellen
vermögen. Weitere bildungspolitische Notwendigkeiten sind:
• die stärkere Verzahnung zwischen der fachdidaktischen und der
unterrichtspraktischen Ebene
• die stärkere Abstimmung zwischen erster und zweiter Phase der Lehrerbildung
• die erweiterte, professionalisierte und von der Politik gezielt geförderte
Lehrerfortbildung
Solche Maßnahmen greifen allerdings richtig nur im Falle verbesserter
Rahmenbedingungen für Schule und Bildung.
2 Vgl. dazu: Blum, W./ Neubrand, M.(Hrsg.): TIMSS und der Mathematikunterricht (Schroedel), Hannover
1998, S. 30 und S. 323 A.a.O., S. 14
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
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2.4 Bildungspolitische Maßnahmen im Anschluss an TIMSS
2.4.1 Das BLK-Programm
BLK steht für Bund-Länder-Kommission. Im Anschluss an die Auswertung der TIMS-
Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Technologie eine 18-köpfige Expertenkommission mit dem Auftrag eingesetzt, eine
Expertise zur Vorbereitung des Förderungsprogramms „Steigerung der Effizienz des
mathematisch naturwissenschaftlichen Unterrichts“ zu erstellen und darin auf dem
Hintergrund einer eingehenden Analyse Maßnahmen zu benennen, die dem
genannten Ziel dienlich sind. Zeitgleich wurde für die Schuljahre 1998/99 - 2001/02 in
15 Bundesländern (Ausnahme Saarland) das sogenannte BLK-Programm ins Leben
gerufen, um die Empfehlungen der Expertenkommission unterrichtspraktisch
umzusetzen. Baden Württemberg nimmt an diesem Programm mit je sechs
Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien teil. Die Gesamtleitung des Projekts liegt
beim IPN Kiel; die fachliche und fachdidaktische Betreuung erfolgt im Fach
Mathematik durch das ISB München und die Universität Bayreuth.
Die Expertengruppe fand in einem Gutachten folgende Problembereiche des
Unterrichts:
• unzureichende vertikale Vernetzung und Kohärenz
• mangelnde Abstimmung des mathematisch naturwissenschaftlichen Unterrichts
• Engführung auf das Erarbeiten einer richtigen Lösung im fragend-entwickelnden
Unterricht
• Vermischung von Lern- und Leistungssituationen
• Ausrichtung auf Routinen und kurzfristige Behaltensleistungen
• Behinderung des Erlebens von Kompetenzzuwachs durch geringe Kumulativität
Daraus resultiert die Konzeption für das Modellprogramm mit folgenden Zielen:
• Sicher beherrschtes, flexibel anwendbares Grundwissen
• Geistig durchdrungenes, vielseitig vernetztes und anschlussfähiges
Orientierungswissen
• Bewusstsein der Bedeutung von Mathematik und den Naturwissenschaften für das
Begreifen der Welt und die eigene Beteiligung am gesellschaftlichen Leben.
• Stärken der Bereitschaft, Entwicklungen auf diesen Gebieten weiterzuverfolgen
und weiterzulernen.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 8
2.4.2 Weiterentwicklung der Unterrichtskultur im Fach Mathematik - WUM
Für das BLK-Programm wurden durch die Expertenkommision aus den
voranstehenden Überlegungen heraus 11 Module entwickelt, von denen in Baden-
Württemberg im Rahmen der nachfolgenden landesweiten Lehrerfortbildungs-
konzeption „WUM“ folgende 4 Module aufgegriffen wurden:
Modul 1: Weiterentwicklung der Aufgabenkultur
Modul 2: Aus Fehler lernen
Modul 3: Zuwachs von Kompetenz erfahrbar machen: Kumulatives Lernen
Modul 4: Prüfen: Erfassen und Rückmelden von Kompetenzzuwachs
Die Einrichtung dieses Fortbildungskonzepts durch das Ministerium für Kultus,
Jugend und Sport im Fach Mathematik erfolgte nach den ersten
erfolgversprechenden Rückmeldungen der baden-württembergischen BLK-
Versuchsschulen. Die Zielsetzungen der WUM-Fortbildungskonzeption sind:
• Die nachhaltig ergänzende Neuorientierung im Lehr- und Lernverhalten des
Mathematikunterrichts hinsichtlich der Modulenschwerpunkte
• Die Umsetzung bekannter Erkenntnisse der Fachdidaktik
• TIMSS als bildungspolitische Chance, nicht als (persönliche) Kritik zu werten
• Die konkrete und unterrichtspraktische kollegiale Zusammenarbeit zur
Unterstützung der täglichen Unterrichtsarbeit
Um diese anhaltende Veränderung organisatorisch zu gewährleisten, sind die
entsprechenden Fortbildungen folgendermaßen konzipiert:
• Freiwillig (Schulen fordern durch mehrheitliches Einverständnis die Fortbildung an)
• Schulnah (für die Fachschaft Mathematik einer oder mehrerer benachbarter
Schulen)
• Ansprechpartner an der Schule
• Fortbildungsreihe: 5 Nachmittage, optional zwei Termine zu einer ganztägigen
Veranstaltung zusammengefasst
Die Veranstaltungsreihen werden dann am produktivsten verlaufen, wenn möglichst
alle Mathematiklehrerinnen und -lehrer eines Kollegiums oder mehrerer Kollegien
gemeinsam eine ergänzend-alternative Gestaltung von konkreten Unterrichtsthemen
diskutieren und praxistauglich ausgestalten können.
Auf dieser Grundlage soll im Mathematikunterricht Bewährtes weiterentwickelt und
optimiert werden.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 9
3 Überlegungen zur Ergänzung des vorhandenenAufgabenmaterials
3.1 Entwicklungsfelder
Bei der Interpretation der zentralen TIMSS-Ergebnisse darf und kann es nicht um die
einseitige Abkehr von der bestehenden Aufgabenkultur gehen. Die gezeigten
Stärken der deutschen Schülerinnen und Schüler bieten vielmehr eine zu
bewahrende Ausgangsbasis für ergänzende Weiterentwicklungen in den Bereiche, in
denen die genannten Schwächen zutage getreten sind. Folgende fachdidaktischen
Entwicklungsfelder lassen sich aus den allgemeinen Erkenntnissen ableiten:
• Beim Problemlösen von den Schülerinnen und Schülern häufiger inhaltliches
Argumentieren und nichtstandardisierte Begründungen einfordern
• Häufiger von angemessen komplexen Problemstellungen ausgehen, in denen
jeder Schüler aktiv und selbständig tätig werden kann.
• Die Schüler häufiger dazu anleiten, Lösungen in sich abgeschlossen und
zusammenhängend darzustellen
• Unterrichtsphasen und -inhalte, also auch Aufgaben häufiger mit dem
Schüleralltag verbinden
• Häufiger länger zurückliegende Inhalte in entsprechenden Aufgabenstellungen
wiederaufgreifen und diese beziehungsreich vernetzen
• Angewandte Lösungsmethoden, Argumentationsschemata und
Bearbeitungsstrategien häufiger reflektieren und so den Schülerinnen und
Schülern bewusst machen
• In Übungsphasen häufiger auf vielfältige Lösungsmöglichkeiten achten und
Lösungsstrategien modifizieren helfen
• In Leistungsüberprüfungen stärker das mathematisch-inhaltliche Verständnis
einfordern, weniger kurzfristig verfügbares formalisiertes Wissen abrufen
Ergänzt sei aus den Überlegungen von Blum/Wiegand heraus noch:
• die Ausbildung und Festigung adäquater Grundvorstellungen
• das Übersetzen zwischen Realität und Mathematik
• das Bearbeiten schwierigerer Textaufgaben
Aus den vorstehenden Folgerungen ergibt sich, dass eine veränderte, ergänzende
Aufgabenkultur nicht allein über die Modifikation der Aufgaben selber zu
bewerkstelligen ist, sondern die Unterrichtsgestaltung selbst berührt. Das Bild vom
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
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kleinschrittigen und formelgeprägten Unterricht stimmt mit den angestellten
Überlegungen nicht mehr überein.
3.2 Aufgabentypen zur Weiterentwicklung der Aufgabenkultur4
Die im folgenden vorgestellten sieben Aufgabentypen erscheinen in besonderer
Weise geeignet, die Weiterentwicklung der Aufgaben- und Unterrichtskultur im
vorangestellten Sinne zu begünstigen. Die einzelnen Aufgabentypen werden
idealtypisch voneinander abgegrenzt, um ihren jeweils spezifischen didaktischen
Nutzen deutlich machen zu können. Im schulischen Alltag lassen sich diese
Aufgaben nicht in der gleichen Weise voneinander trennen, da sie oft mehrere
Merkmale gleichzeitig erfüllen – so erscheinen z.B. kumulative Aufgaben oft in der
Form von Textaufgaben oder eigentlich geschlossene Aufgaben werden durch eine
öffnende Formulierung zu Problemaufgaben.
Wie bereits in den einleitenden Überlegungen dargestellt, kann eine
Weiterentwicklung der bestehenden Aufgabenkultur nicht heißen, alle bisherig
eingesetzten Aufgaben wegzulassen und durch neu konstruierte Aufgaben zu
ersetzen. Vielmehr gilt es, das vorhandene Aufgabenmaterial dahingehend zu
ergänzen, dass vermehrt mehrschrittige, kreative Lösungswege einfordernde
Aufgaben zulasten von einschrittig, auf die Ausbildung von Fertigkeiten ausgerichtete
Aufgaben im Mathematikunterricht eingesetzt werden. Dies kann schon durch
geringfügige Modifikationen des vorhandenen Aufgabenmaterials (Änderungen,
Ergänzende Fragestellungen, Weglassen von engführenden Fragen,
Aktualisierungen (vgl. Zeitungsaufgaben), ...) erreicht werden.
3.2.1 Assoziative Aufgaben
Assoziative Aufgaben sind Aufgaben, für die es mehrere Lösungswege gibt. Hierbei
sind zwei Typen zu unterscheiden: Zum einen können die unterschiedlichen
Lösungswege strukturell ähnlich sein und auf die gleichen Begriffe und Algorithmen
zurückgreifen, zum anderen können sich in einem noch weiteren Sinne die
unterschiedlichen Lösungswege auch in den genannten Merkmalen unterscheiden.
Ihre didaktische Wertigkeit erhalten sie nicht nur durch das Aufspüren und
4 Die folgende Darstellung folgt im Kern den Überlegungen einer Handreichung im Rahmen der WUM-
Fortbildungsreihe im Staatlichen Schulamt Stuttgart unter der Leitung von Herrn RR Achim Olpp und Herrn
Markus Vogel. Der Co-Autor dieser Arbeit überarbeitete dort eingesetztes Fortbildungsmaterial in die
vorliegende Fassung.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 11
Beschreiten der verschiedenen Lösungswege, sondern auch durch die reflexiv
betrachtende, analysierende, vergleichende und schließlich bewertende Rückschau
auf diese verschiedenen Wege zur Lösung. Auf diese Weise können in
methodologischen Hinsicht durch das Reden über Mathematik im eigentlichen Sinn
die Ausbildung von heuristischen Strategien angebahnt und fundierte
Grundvorstellungen über mathematische Begriffe und Operationen entwickelt und
erweitert werden.
Aufgabenbeispiele:
3.2.2 Aufgaben eines problemorientierten Unterrichts
Die Ausbildung und Vertiefung der Problemlösefähigkeit ist sowohl eines der
zentralen Ziele des Mathematikunterrichts der Realschule als auch Anliegen ihres
allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrags.
Im Mittelpunkt der problemorientierten Unterrichtsgestaltung steht die selbständige
Aktivität von Schülerinnen und Schülern, die über eine geeignete Problemstellung
produktiv tätig werden, um den Lösungsprozess einzuleiten. Hierzu greifen sie auf
bereits Bekanntes (Operationen, Begriffe und Denkmodelle) zurück, vernetzen
dieses im Sinne eines erfolgversprechenden Lösungsansatzes und erzeugen auf
diese Weise im Finden der Lösung eigenständig neues Wissen inhaltlicher sowie
strategisch-heuristischer Art.
Aufgaben, die einer solchen Unterrichtsgestaltung entsprechen können, sind als
„Barriere“ zu sehen, die überwunden werden muss, um von einem Ausgangszustand
in einen Zielzustand zu gelangen. Ist die Barriere sofort beseitigbar, handelt es sich
um ein Routineproblem, müssen die Schüler dagegen erst nachdenken, analysieren
und Hypothesen bilden und überprüfen, ist von einem „echten“ Problem zu sprechen.
Berechne die Anzahl der ein-gerahmten Kästchen (ohnedie weißen Flächen) aufunterschiedliche Weise.
Berechne den Flächeninhalt A,indem du die notwendigenGrößen misst.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 12
Solche Problemstellungen sind im wesentlichen auf eine Denkhaltung hin
ausgerichtet, weniger auf den zielstrebigen, kurzfristigen Aufbau einer umfassenden
Wissensgrundlage durch das Regellernen. Für die Ausbildung einer solchen
Denkhaltung ist es unerlässlich, dass die Schülerinnen und Schüler im Laufe der Zeit
immer weniger auf Hilfen und Instruktionen des Lehrers angewiesen sind, sondern
sich zunehmend in der Lage sehen, diese durch „Selbstinstruktionen“ zu ersetzen.
Solche Selbstinstruktionen bestehen vor allem darin, dass die Schülerinnen und
Schüler bereits Gelerntes geeignet mobilisieren und organisieren. An dieser Stelle
wird deutlich, dass ein wesentliches Ziel des Problemlöseunterrichts im Lernen und
Anwenden von heuristischen Regeln zu sehen ist oder anders formuliert: im
Selbständig-denken-Lernen.
Aufgabenbeispiele:
Die hierzu passende Unterrichtsform ist das entdecken-lassende Verfahren, bei dem
sich der Lehrende nur denkstrategische Hilfen gibt, die sich grundsätzlich auf das
geringst mögliche Maß beschränken sollten („Prinzip der minimalen Hilfe“). Auf diese
Weise soll gewährleistet werden, dass die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen
Lösungsweg, nicht den der Lehrerin bzw. des Lehrers beschreiten.
3.2.3 Textaufgaben
Die Textaufgaben im Mathematikunterricht der Realschule lassen sich zwei
Kategorien einteilen, in die realitätsbezogenen Aufgaben und in die
innermathematischen Aufgaben.
Realitätsbezogene Textaufgaben sind Aufgaben, in denen mathematische Inhalte in
irgendeiner Weise mit dem Realsituationen in Verbindung stehen. Hierzu gehören
„echte“ Problemaufgaben (vgl. 3.2.2), die mehrschrittig über z.T. komplexere
Wie lang ist die Raumdiagonaleim Klassenzimmer?
Bastle eine oben offenequaderförmige Schachtel, die100cm³ fasst und möglichstwenig Material verbraucht.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 13
Modellierungen zu lösen sind, wie auch einschrittig, mittels einfach angewandter
Algorithmen lösbare Aufgaben.
Zum Lösen von Textaufgaben muß folgender Modellierungskreislauf5 durchlaufen
werden:
Den Schritten des Mathematisierens und des Interpretierens kommen hierbei
besondere Bedeutung zu, da hierin offenkundig signifikante Schwächen der
deutschen Schülerinnen und Schüler im TIMSS-Leistungstest auftraten.
Aufgabenbeispiele:
Um solche Aufgaben lösen zu können, benötigen die Schülerinnen und Schüler die
in Kapitel 3.2.1 genannten Grundvorstellungen über mathematische Begriffe und
Operationen sowie heuristische Strategien, welche zur Lösung der geschilderten
Realsituation aktiviert und transferiert werden müssen. Es ist offensichtlich, dass die
Textaufgaben nicht nur behandelt werden, sondern dass auch hier die Reflexion über
die Vorgehensweise im Lösungsfindungsprozess erfolgen muß.
5 Blum, W./Wiegand, B.: Wie kommen die deutschen TIMSS-Ergebnisse zustande?, in: Blum, W./ Neubrand,
M.(Hrsg.): TIMSS und der Mathematikunterricht (Schroedel), Hannover 1998, S. 29
Abkürzungen:
RS - Realsituation
RM - Realmodell
MM - mathematisches Modell
MR - mathematisches Resultat
Eine 500g schwere Gurkebesteht zu 90% aus Wasser.
Im Laufe der Zeit verliert dieGurke durch Verdunstung anFrische und der Wasseranteilbeträgt nur noch 80%.
Wie schwer ist die Gurke jetzt?
Dividiert man eine Zahl um dieum 2 verminderte Zahl, so erhältman 5.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 14
Innermathematische Textaufgaben sind in Zahlenrätseln und entsprechenden
geometrischen Aufgaben zu sehen. Hierbei verläuft der Lösungsprozess analog zu
dem realtitätsbezogener Aufgaben mit dem Unterschied, dass anstelle einer
Realsituation einer innermathematische Situation auftritt. Der didaktische Nutzen von
innermathematischen Textaufgaben begründet sich darin, dass sie gezielt zur
Ausbildung von den genannten Grundvorstellungen eingesetzt werden können.
3.2.4 Offene Aufgaben
Im unterrichtlichen Einsatz finden sich oft noch Aufgaben, welche mit gezielten, an
den einzelnen Lösungsschritten orientierten Fragestellungen die Denk- und
Arbeitsprozesse der Schülerinnen vorzeichnen und eng führen. Dadurch wird
allerdings eine offene und damit aktiv-selbständige Auseinandersetzung mit der
inhärenten mathematischen Fragestellung verhindert und im Gegenteil
parataktisches Verhalten gefördert. Verzichtet man auf solche eng lenkenden
Fragen, werden die Aufgaben offener und bieten dadurch für die Schülerinnen und
Schüler die Möglichkeit, selbst Fragen zu stellen und eigene Lösungswege zu finden.
Aufgabenbeispiele:
Zu den offenen Aufgaben können gerechnet werden:
• Aufgaben mit offenem Arbeitsauftrag, bei dem zwar bestimmt wird, was zu tun ist,
nicht aber wie vorzugehen ist
• Aufgaben ohne konkrete Fragestellung, die dazu auffordern selbst sinnvolle
Fragen zu stellen und zu klären
• Projektartige Aufgaben
Marga, Tim und Jasmin habensich bei der Schullotterie für3DM gemeinsam einenLotterieschein gekauft.
Marga hat 50Pf, Tim 1,50DMund Jasmin 1DM beigesteuert.
Tatsächlich gewinnen sie denHauptpreis: einen Gameboy imWert von 50 DM.
Suche Summen, die mit derZahl 5 multipliziert eine Zahlzwischen 50 und 100 ergeben.
Finde Zusatzbedingungen, diedie Lösungen einschränken.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
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• Aufgaben, die von den Schülerinnen und Schülern zu einem bestimmten Thema
selbst gestellt werden
• Aufgaben, Begriffe und Operationen finden zu lassen, die zu einem
vorgegebenen Ergebnis passen
Der damit verbundene didaktische Nutzen ist darin zu sehen, dass über die
intensivierte Auseinandersetzung mit einer Aufgabe die Kreativität, das
Problemlösevermögen sowie das mathematische Verständnis gefördert werden. In
personaler Hinsicht werden Selbständigkeit, Selbstverantwortung und die
Bereitschaft zur Initiative gefördert.
3.2.5 Variationsaufgaben
Variationsaufgaben sind Aufgaben, die über die Variation irrelevanter Merkmale in
einer Aufgabenstellung die mathematischen Grundvorstellungen von Schülerinnen
und Schülern über Begriffe und Operationen von der Gebundenheit an z.T. falsche
singuläre Beschreibungen, Darstellungen oder Beispielen relativieren. Über die
Profilierung von unwesentlichen Aspekten eines mathematischen Gehalts können
mathematisch korrekte Grundvorstellungen ausgebildet werden, die ein tragfähiges
Gerüst für nachhaltiges Verstehen des mathematischen Gehalts, auch in anderen
Sachzusammenhängen gewährleisten.
Aufgabenbeispiele:
Die Variation von wesentlichen Aspekten führt rasch zu den Grenzen von Begriffen
bzw. Operationen und zu meist sehr lehrreichen Gegenbeispielen.
Man kann zwei Formen der Variation unterscheiden: Zum einen die Variation in der
Darstellung einer Aufgabe mit dem Ziel, die Entfaltung von Begriffen und
Operationen zu unterstützen und zum anderen die Variation des vorliegenden
Welches der Bilder ist achsen-symmetrisch? Finde weitereachsensymmetrische Gesichter!
Ein Rechteck mit 10cm Längeund 5cm Breite wird aufunterschiedliche Art und Weisezu einem Zylindermantelzusammengerollt.
Welcher der beiden Zylinder hatdas größere Volumen?
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 16
Datenmaterials, das auf die Untersuchung von funktionalen Zusammenhängen
hinführt. Hierfür sind immer mehrere Aufgaben notwendig.
Der didaktische Nutzen von Variationsaufgaben ist also darin zu sehen, die sichere,
kontextunabhängige Beherrschung von mathematischen Begriffen und Operationen
und den beweglichen Umgang mit denselben zu schulen.
3.2.6 Kumulative Aufgaben
Für Mathematik ist ein logisch-hierarchischer Aufbau von Wissen plausibel. Um
Begriffe, Regeln, Fähigkeiten höherer Ordnung vermitteln zu können, ist die
Beherrschung untergeordneter Begriffe und Regeln eine wesentliche Voraussetzung.
Je besser diese erfüllt ist, desto erfolgreicher lassen sich neue Erkenntnisse darauf
aufbauen.
Eine Vorgehensweise, die notwendiges isoliertes Lernen mit sinnvollem Lernen in
Zusammenhängen verknüpft, liegt nahe. Lernen geschieht nicht, indem man eine
Kette sachlogischer Folgeglieder durchläuft, sondern bedeutet kontinuierliches
Knüpfen und Umstrukturieren eines Netzes aus Fertigkeiten, Wissen und positiven
Verstärkungen. Durch Wiederholen eines Sachgebiets wird in mehreren
Durchgängen und in unterschiedlichen Zusammenhängen ein Wissensnetz
aufgebaut. Dieses Vorgehen eröffnet den Lernenden die Chance, Wissenslücken zu
erkennen und sie im Laufe des Lernprozesses zu schließen.
Aufgabenbeispiele:
In diesem Sinne sind kumulative Aufgaben so angelegt, dass neu erworbener Stoff in
das bereits vorhandene Wissen eingebettet und dort vernetzt wird. Über die
Verbindung mehrerer Stoffgebiete hinweg erkennen die Schülerinnen und Schüler,
dass Mathematik kein in sich isoliertes Gebäude von Begriffen, Sätzen, Definitionen,
Die drei Geraden:
y = 2x + 1
y = 3
1 x + 1
y = -2
1 x + 8,5
begrenzen ein rechtwinkligesDreieck. Zeichne ein K.O.S mitder Längeneinheit 1.
Ein Rechteck mit 5cm Breiteund 10cm Länge wird um seinenDiagonalenschnittpunkt einmalum 90° gedreht.
Wie groß ist der Umfang derneu entstandenen Figur, wennbeide Rechtecke aufeinanderliegen?
Wie groß ist der Flächeninhaltdieser Figur?
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 17
Aufgaben, Themen, etc. ist, sondern ein in sich präzis stimmiges Konstrukt von
vernetzender Struktur. Die Intention über kumulative Aufgaben solche kausalen
Zusammenhänge den Schülerinnen und Schülern transparent werden zu lassen,
streben die Ausbildung und Vertiefung des mathematischen Verständnisses an und
helfen darüber hinaus, den allzu oft beobachteten Vergessenstendenzen
vorzubeugen.
3.2.7 Unlösbare Aufgaben
Mit unlösbaren Aufgaben sind Aufgaben gemeint, welche mit den Mitteln, die den
Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen, nicht lösbar sind.
Aufgabenbeispiele:
Ihr unterrichtlicher Einsatz begründet sich in der Frage danach, warum die Aufgabe
nicht lösbar ist und welche Mittel (Begriffe, Algorithmen, Strategien) für eine
erfolgversprechende Lösung in Frage kommen könnten. Durch das Aufzeigen der
Grenzen der (Schul-)Mathematik kann stellenweise ein tieferes Verstehen von
mathematischen Begriffen und Operationen angebahnt werden. Der didaktisch sehr
anspruchsvolle Ort solcher Aufgaben ist allerdings sehr beschränkt und bestenfalls
am Ende einer Lerneinheit zu sehen.
Zeichne ein Dreieck mit
a = 3cm
b = 4cm
c = 5cm
α = 45°
Wir haben die Oberfläche einerzylinderförmigen Dose dadurchermittelt, dass wir diese aufPapier „abgerollt“ haben unddann die einzelnen Flächenberechnet haben.
Bestimme auf gleiche Weise dieOberfläche einer Stryroporkugelmit dem Durchmesser d = 10cm.
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
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4 Schlussbemerkung
Wie bereits eingangs angedeutet, kann eine Weiterentwicklung der Aufgabenkultur
nicht heißen, nur noch Mathematik in der o.g. Weise zu betreiben. Diese Messlatte
wäre für den schulischen Alltag zu hoch angesetzt und müsste in der Komplexität
des Unterrichtsgeschehen scheitern. Auch bedarf es zur Ausbildung mathematischer
Grundfertigkeiten, auf denen schließlich die oben mehrfach genannten anzustre-
benden mathematischen Fähigkeiten erst zu entwickeln sind, auch weiterhin
automatisierender Routineaufgaben.
Und dennoch muß explizit betont werden, dass in den weiterführenden Schulen auf
ein erweitertes, vertiefendes Verständnis von Mathematik über die Ausbildung von
Problemlösefähigkeiten, Fähigkeit zu kreativem und vernetzenden Denken und der
rückschauenden, kritischen Analyse von mathematischen Prozessen sowie der
Wahrnehmungsschulung von alltagsinhärenten mathematischen Strukturen
hingearbeitet werden muß, um den lehrplanintendierten Zielsetzungen genügen zu
können. Entgegen der häufig geringen öffentlichen Wertschätzung von Mathematik,
die beispielsweise in der nicht selten anzutreffenden selbstbewussten Koketterie mit
schulischen Defiziten in diesem Bereich zum Ausdruck kommt, müssen die
Schülerinnen und Schüler auf eine zukünftige Wissensgesellschaft vorbereitet
werden, die auf mathematikbasiertem, technologischen Know-how gründet. Für eine
solche Zielsetzung bleibt es schulische Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern mit
Hilfe der Mathematik Orientierung in einer sich schnell wandelnden, technologischen
und zunehmend komplexer werdenden Welterfahrung zu vermitteln. Für eine solche
Vermittlung muß der Mathematikunterricht für die Schülerinnen und Schülern
unmittelbar erfahrbarer, alltagsbezogener und dadurch letztlich sinnstiftender
werden.
Es ist eine große, aber nicht unmögliche Aufgabe.Wenn der
Mensch sich
etwas
vornimmt, so
ist ihm mehr
möglich, als
man glaubt.
Pestalozzi
Fachdidaktisches Hauptseminar: „ Die etwas andere Aufgabe“
Vogel, Farkas 19
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