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Therapeutische Miscellen Yon Prof. A. v. Gr~ife. Wir k~innen der therapeutischen Wissenschaft nicht blos dadurch nfitzen, dass wir neue Heilverf'ahren auf- suchen, sondern eben so sehr dadurch, dass wir die bereits bestehenden, noch schwankend gestiitzten und abgegrenzten, auf einem exact empirischen Wege prlifen. Besonders sind diejenigen Fachgenossen be- rufen, in ]etzterer Richtung zu wirken, denen ein grosses Material zur VerfSgung steht, welches sie bef~ihigt, dm'ch Versuche, auf breiter Basis angestellt, zu einer m(iglichst sicheren Abstraction yon t';iuschenden Zufiilligkeiten zu gelangen. Im Verlaufe dieser Mittheilungen, die ich periodisch fortzusetzen gedenke, haben demnach die Leser neben einzelnen neuen Vorschl~gen ebenfalls und vielleicht vorwaltend Resultate fiber den Werth gebr~iuch-. licher Kurmethoden und Vergleiche verschiedener Me- thoden unter sich zu erwarten. Gern mSchte ich manche viel erfahrene Kollegen zu ~ihnlichen Mittheilungen an- regen. Nur dutch gemeinsame Th~itigkeit kann es ge- ]ingen, den iiberladenen Speicher der ophthalmologischen Therapie zu lichten und in seinen Hauptstiicken f'dr die Zukunft sicher zu stellen.

Therapeutische Miscellen

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Therapeutische Miscellen Y o n

Prof. A. v. Gr~ife.

Wir k~innen der therapeutischen Wissenschaft nicht blos dadurch nfitzen, dass wir neue Heilverf'ahren auf- suchen, sondern eben so sehr dadurch, dass wir die bereits bestehenden, noch schwankend gestiitzten und abgegrenzten, auf einem exact empirischen Wege prlifen. Besonders sind diejenigen Fachgenossen be- rufen, in ]etzterer Richtung zu wirken, denen ein grosses Material zur VerfSgung steht, welches sie bef~ihigt, dm'ch Versuche, auf breiter Basis angestellt, zu einer m(iglichst sicheren Abstraction yon t';iuschenden Zufiilligkeiten zu gelangen. Im Verlaufe dieser Mittheilungen, die ich periodisch fortzusetzen gedenke, haben demnach die Leser neben einzelnen neuen Vorschl~gen ebenfalls und vielleicht vorwaltend Resultate fiber den Werth gebr~iuch-. licher Kurmethoden und Vergleiche verschiedener Me- thoden unter sich zu erwarten. Gern mSchte ich manche viel erfahrene Kollegen zu ~ihnlichen Mittheilungen an- regen. Nur dutch gemeinsame Th~itigkeit kann es ge- ]ingen, den iiberladenen Speicher der ophthalmologischen Therapie zu lichten und in seinen Hauptstiicken f'dr die Zukunft sicher zu stellen.

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1. U e b e r d i e k i i n s t l i c h e V e r m i n d e r u n g des L i d - d r u c k e s , in S o n d e r h e i t f iber die S p a l t u n g d e r ~ iussc ren L i d - C o m m i s s u r zu dem g e n a n n t e n

Z w e c k e .

In schweren F~Ulen yon Conjunctival-Entzfindungen, miigen dicselben blennorhoischer, diphtheritischer Natur oder yon Granulatioasbildung abh~ingig sein, stcllt sich sehr natiirlich (]as Bcdfirfuiss heraus, den Druck, den die Lider auf den bulbus ausiiben, als einen nachthei- ligen Factor zu eiiminiren. Nothwendig muss dieser Druck, der nicht bloss in den elastischcn, sondern auch in den muscul~iren Energien der Lider wurzelt, den Entzfindungsreiz steigern, die Application iirtlicll*er Mit. tel erschweren, namentlich solcher Mittel, an deren n~ichste Wirkung sich wicdcrum eine st~irkere congestive Anschwcllung und eine Erosion der Schleimhaut kniipft. So sind wir z. B. bei cincr r a s c h steigenden Con- junctivalschwellung, die den Ausbruch acuter Granu- lation begleitet, oft l~ngere Zeit hindurch verhindert, differeute Topica anzuwcnden, well die Irritatiou, die einer jeden Application iblgt, unter den obwaltenden Druckverh~ltnissen, f'iir die sich das Auge noch keines- wegs accommodirt hat, den Entziindungsrciz zu sehr stcigert. Besonders gilt dies, wenn zuglcich wichtigere Hornhautprozesse, als multiple Infiltrate oder ulceriise Zerst~irungen, vorhanden sind. Die Wirkung einer Eschera, selbst wenn das causticum gchiirig neutralisirt ist, bietet immer ffir die Hornhaut eincn mechanischen Reiz, dcssen GHisse yon dem Gegendruck der Lider abh~ingt. Wir sind deshalb h~ufig gezwungen, vor Anwendung der wirksameren Kurmethode abzuwarten, bis sich das Auge an die neuen Druckverh~ltnisse mehr gew~ihnt hat, vorausgesetzt, dass wir diese selbst nicht durch den antiphlogistischen Apparat vcrbcssern k~nnen.

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Auch bei geringFdgigen Conjunctivalleiden h~ingen die Beschwerden zum grossen Theil yore Liddruck ab. Bei straffen Lidern bel~istigt schon eine m~issige Hyper~imie der Conjunctiva so bedeutend, dass man oft schwanken kann, ob die Beschwerden wirklich auf den unbedeu- tenden materiellen Befund zu beziehen seien; w~ihrend bei ersehla'fRen Lidern enorme Schwcllungen gar keine Beschwerden bringen. Auch warden u.nter den letzten Umst~nden die intensivsten Reizmittel vertragen - - ieh erinnere an die gew~hnliche Form der eol~.juncti- vitis cure blepharitide marginali und die chronisehe Blennorhoe---w~ihrend dort eine grosse Unvertr~iglich- keit gegen alle st~irkeren topica besteht.

DiCse gewiss allgemein ad0ptirieti Anschauungen haben zu den versehiedensten Vers gef"fihrt~ dan Liddruek kiinstlieh zu vermindern. Gegen die Praxis, eine chemotisehe Conjunctiva bei blennorhoischen Pro- zessen, bei aeuten Granulationen und Diphtheritis im weitern Umkreise zn excidiren, habe ich in der Allge- meinheit, wie sie yon einigen Faehgenossen ausgeiibt wird, geeifert. In d e r Mehrzahl der F~lle, z. B. bei blennorhoischen Zust~inden, ist ein solches Excidiren unn~itz; sodann bringt es den Nachtheil, (lass die frliheren Excisionsstellen w~ihrend der Convalescenz- periode Sitz yon wuehernden WundknSpfen wet- den, deshalb die ursprfingliche Affection h&iufig iiber- dauern und sehliesslich, wie alle Narbenbildungen in der Conjunetiva, nieht selten zu einer Reizbarkeit und Vascularisationstendenz des Auges fiihren, welche den anhaltenden Gebraueh des Organs sehm~ilert. Mit diesen Einw~inden babe ich den Gebrauch der Excisionen lediglich beschr~nken, aber nicht aufheben wollen. Dec augenblickliche Nutzen derselben ist zuweilen autF~illig genug. Wenn: bei .wirklich geflihrlichen Zust~inden, die sich nicht mit Sieherheit durcb das caustieum oder

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andere Kurmethoden beherrschen lassen,*) eine starke nicht blosse ser~ise Chemosis vorhanden i s t - - bet letzte- ten genfgen allemal einfache Incisionen -- , besonders wenn die Chemosis ein peripherisches Hornhautsegmeat bedeckt und mit Ulceration bedroht, fllichte auch ich zu solchen Excisionen, nut nehme ich die Conjunctival- wiilste nicht bis zu ihrer Basis wie eine indiffereate waehernde Masse hinweg, sondern excidire grade da, we die Noth am grSssten ist, kleinere Portionen und fiihre nachtr~iglich die Cooper ' sche Scheere mit klei- nen Schnitten in das Bindegewebe ein, um dieses nach verschiedenen Richtungen hin zu liiften und den Aus- tritt der exsudativen Fliissigkeit zu erleichtern.

Ein anderes Mittel, den Gegendruck tier Lider zu verringern, welches abet nur bet ehronischen Processen zur Sprache kommt, besteht darin, dass man eine Portion tier Augenlidhaut in Form eines horizontalen Ovals, ungef'~ihr wie zu ether Entropiumoperation exci- dirt, und die Wunde der breiten Vernarbung iiberl~isst. Ich babe dies wiederholentlich bet chronischen Grann- lationen, we ohne irgend eine Tendenz zum Entropium doch ein starker Liddruck stattfand und we selbst die vorsichtigste Applikation tier Topica yon der paanSsen Hornhaut nicht vertragen ward~ in Aawendung gebracht und iiber die Heilwirkung mehrmals volle Ueberzeugung gewonnen. Noch jlingst behandelte ich einen Patieaten, welcher ein inveterirtes Trachom mit~ m~issiger seeund~irer Coniunctivalschwellung hare, dazu als Folgezustand eine panniise Keratitis mit periodisch ausbrechenden, ver-

�9 breiteten Ulcerationen. Die Reizzust~inde, welche den iiblichen topicis, selbst diluirten Blei- und Tannin-

~) ~s bezieht sich dies besonders auf acute Granulutionen mit starker Conjunctivalsehwellnng und Misehformen zwischen Blennorhoe und Diphtheritis. Bet der typischen Diphtheritis widerrathe ieh heute wie friiher die Excisionen, weft die Wundeu sofort der Sitz diphtheri- fischer Sehwarten werden.

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l;3sungen,*) die fiber die Granulationen gestrichen wur-

den, folgten, verl~ingerten sich jedcsmal in der A r t ,

dass die Besserung nicht fortschritt. Obwohl sich noch

keine Schrumpfung der Schlcimhaut mit Neigung zu

Entropium zeigte, so waren die Lider bc~" dem Paticn-

ten sehr straff und fibten gegcn den verhiiltnissm&issig

prominenten bulbus eincn starken Druck aus. Es

wurde nun, nachdem Patient yon anderen und mir bei-

nahe ein Jahr lang ers behandeh war, die oben-

erw~ihnte Excision verrichtet und die Wunde ruhig der

Vernarbung iiberlassen. Schon nach einigen Tagen

zeigte sich die l lornhaut weniger gereizt und nach 14

Tagen war der pannus beinahe verschwunden. Es hatte

demnach "hier die Verr ingerung des Liddrueks mehr

gethan, als alle fr(iheren, wenn noch so sorgf/iltig mo-

derirten topica. Selbstverst~ndlich schritt ich betreffs der

Granulationen wieder zu den ~irtlichen Mitteln, welche

nun vortrefflich vertragen wurden. Man darf das zu

excidirende Stiick der Lidhaut hier ohne Bedenken gross**) abmessen~ ohne ein Ectropium zu f'drchten.

Das Verfahren wird iiberhaupt nur tfir das obere Lid

anwendbar sein, da der Druck des untern Lids welt

weniger gef~ihrlich ist. Bei ~hnlichen Gelegenheiten

*) Ich habe fiber das Tannin bei Granulationen viel experimentirt und reich fiberzeugt, dass ea ein sehr mildes, aber auch sahr schwach wirksames Mittel constituirt. Man kann dasselbe bei reizbaren Au- gen als Uebergang zu den metallisehen Mitteln gut brauehen; letztere zu ersetzen, ist es keineswegs im Stande, indem es nament]ieh neuen Granulationeschiiben ~eit waniger vorbeugt. Die ausgezeichneten Hei- lungen, welche noch immar viele Fachganossen yon dam Tannin und seinen compositis riihmen, baziehen aiah wohl vorziiglich auf jane F~ille, in denen, bei einer giinstig proportionirten Entwiekelung seeund~irer Con- junctivalsehwellung, der Granulationsprozess zu einer spontanen R[iekbfl- dung neigt und dieselbe h~iufig genug ohne alle Kunsthtilfe zu Y, nde bringt.

**) 6"' breit, bei nach unten ausgestreektem Lid. Der untere Schnitt laufe dem Lidrand parallel und 2.~'" yon demselban entfernt. Der obere lei naeh oben ausgesehweift, so dass die grSsste Breite in die Mitre dee Liedes kommt, dessen ganze L~nge tier Schnitt oceupire.

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kann man es allerdings auch b ewahrheiten, wie der Druck der Granulationea zum grossen Theil der Aus- brueh pannSser Keratitis verschuldet. Ich will aul~ diese so vielfach ventilirte Frage bier nicht n~ihbr eingehen und nur so viel anf'dhren, class ieh bei Granuladonen eine Form yon Pannus annehme, die lediglieh aufDruek- wirkung zu rcdueiren ist, hiervon eiae andere unter- scheide, die ein Aequivalent des Granulationsprozesses aus der Hornhaut darstellt, dass aber meines Erachtens beido Formea sehr h~iufig ianig gemischt vorkommen, insofern w,ihrend des Verlaufs beide Ursaehen gleich- zeitig oder nacheinander wirken.

Ein drittes Verfahren, dea Liddruck zu verringern, wollte ich eben eigens mit dieser Notiz den Practikern anempfehlen. Ich wende es bei heftigen Entzfindungen an, besonders bei acuten Granulationen (Granularcon- junctivitis), wenn sich eine sehr steife Schwelhmg der Schleimhaut kundgiebt, welche das Auge an sich bedroht, oder wean durch den Zutritt gef~ihrlicher ulcer~ser Horn- hautaffectionen eine gfiastige Ver~nderung der Verh~ilt- nisse auf dem raschesten Wege erfordertwird. Die Tech- nik besteht darin, dass die Lider m~issig yon einander abgezogen und nach aussen angespannt, und atsdann durch eia Scalpeli die ~ussere Kommissur genau in der Fortsetzung der Lidspalte eiugeschniten wird, jedoch nicht blos die Haut, sondern zugleieh das Bindegewebe und die oberfl~ichlichen Lagen des orbiculal:is. Dcr Schnitt werde 4--6'" lang gef(ihrt; er driage bis in den iatermarginalen Theil, abet nicht big in den Oonjunctivalsack ein. Letzte- res strait sich dutch ein geringes tlerabsinken des untern Lids mit Neigung zu Ectropium. Bei dieser Schnitt- Fdhrung trifft man eine oder auch zwei aufsteigende Palpebralarterien yon nicht geringem Durchmesser,*)

*) Die st~rkere derselben liegt ziemlich constant, 1~--2 Ju nach aussen yon der Commissur.

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deren Spritzen man durch Auseinanderhaltung der Wunde in der Regel ziemlich lange unterhalten kann, so dass eine rcichliche arterielle Blutung erfolgt. H~ilt man deren Maass f'dr ausreichend, so braueht man nut die Wundrilnder los zu lassen. Diese werden durch den orbicularis an einander gedrfickt, so dass die Blutung yon selbst steht und aueh keine Ecchymosirungen erfotgen. Ueberliisst man die Wunde sich sclbst, so heilt sic in einigen Tagen mit einer linearen Narbe zu, welche gar nieht oder kaum sichtbar ist. Ich halte es aber bei gefiihrlichen Zust~nder~ fdr zweekmiissig, die Wunde dutch periodisches Aus- einanderziehen ihrer R~inder einige Zeit often zu haltcn. Die leichte Eiterung, die dann ein/ritt, ist yon keinem Belang und auch die Narbe verbirgt sich in der natfir- lichen Falte des orbieularis beim Lidschluss, w~ihrend auf der andern Seite der gfinstige Effect der Lidcnt- spannung sich in gewfinschter Weise vcrl~ingert. Von diesem letzteren babe ich reich jetzt oft genug fiber. zeugt, um die Saehe den Practikern empfehlen zu kiln- hen. Heilsam ist wohl zum Theil die starke Blutung, die in keiner gfinstigeren Weise (d. h. so rasch und ohne alle Naehtheile einer Saugwirkung) stattfinden kann, als bei dieser kleinen Arteriotomie, zum grossen Theil abet die bedeutende Entspannung der Lider, die aus soleh einer Verl~ingcrung der Lidspalte resultirt. Wit merken die glinstige Ver~inderung in letzterer Beziehung schon beim Abziehen der Lider yore Bulbus, welches nun viel leiehter mSglich ist. Auch die spontanen, dutch den Entzfindungsreiz reflectorisch bedingten Contracfio- nen der Lider pflegen nachzulasseli. Hierzu kommt, dass die Saehe durehaus kein Bedenken hat, und wenn wirklieh eine minime Narbe zurfickbleibt, so ist mir diese an de r ilussern Commissur jedenfalls will- kommener, als nach den Excisionen im Conjunctival- sacke, wo sic zwar unscheinbar, abet doch ffir den

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Gebraueh der Augen oft liistig genug ist. Selbstver- st/indlich empfehle ich dies Verfahren nut da, wo ein gei'~hrlicher En(ziindungspcocess das Atlge bedroht. Kann aueh in anderen F/illen durch dasselbe eine Ab- kiirzung des Leidens, ein Ersparen wiederholter Blut- egel u.s.w, nieht geleugnet werden, so sind dies doch im AIlgemeinen keine ausreichende Indikationen fiir einen, wenn noch so unbedeutenden operativen Eingrift\ Dagegen habe ich die Incision der Lidcommissur aueh bei get~ihrlichen Fiillen yon ulcer~ser Keratitis mit und ohne Iritis vielt'ach in Anwendung gebracht, bier abel' mehr, um eine rasche und energische Blutentleerung zu erzeugen, als um die Lider zu entspannen. Besonders bei Kindern ist der arterielle Blutstrom, den man dabei erh~ilt, ungemein reichlieh.

2. U e b e r die S i m o n ' s c h e n G l y c e r i u s a l b e n in o p h t h a l m i a t r i s e h e r B e z i e h u n g .

Nachdem bereits mehrfach, sowoh! in })eulsehland als im Auslande, der Versuch gemachc worden ist, das Glycerin mit einer anderen dichteren Substanz, in- sonderheit Amylum zu einem Salbenconstituens zu ver- binden, ist dies, so viel ich weiss, zuerst dem Berliner Apotheker, Dr. S i m o n , in einer befriedigenden Weise gelungen. Die n~here Bereitung und die allgemeinen Vortheile dieser neuen Salben hat der Erfinder theils anderen Orts, theils in einer der opthalmologischen Ver- sammlung zu Heidelberg im September 1859 eingesandten Note (s. die yon Dr. H o r n e t ver~iffentlichten Sitzungs- berichte) kundgegcben. Hier sei nur so viel erwiihnt, dass das tragliche Constituens dutch Aufquellen yon 1 Theil Amylum in 5 Theilen Glycerin erhalten wird und (lass eine Hauptbedingung f'~ir die Brauchbarkeit in der Rein- heir des verwandteu Glycerins liegt. Dieser letztere Umstand erkl/irt es, dass sowohl fi'/ihere Versuche,

Arcbtv fiir Ophthalmologie. VI. "2. 9

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Amylum mit Glyeeriu zu verbindcn, mehrtheh sehei- terten, als auch j etzt die Nachahmung der Sim o n'schen Salbe sich keinesweges in allen Apotheken bewiihrt.

Es war mir yon vorn herein wahrscheinlich, dass diese Salben in mancher Beziehung mit Vortheil den iibliehen Augensalbea substituirt werden k;3nnten, und hat mich diese Vermuthung bewogen, vergleichende Versuche bei einer grossen Anzahl yon Patienten an- zustellen, iiber deren noch keinesweges geschlossene Resultate ich zur Zeit Folgendes mittheilen will:

1) Fiir die bei Blel)baroadenitis und Seborrhnea palpebralis dienlieheu Priicipitat-Bleiessig- oder Hiillen- stein-Salben hat im Allgemeinen das S i m o n ' s c h e Constituens keine Vortheile, steht sogar dem fetten Constituens nach. Das Fett ist hier zur Liisung der am Lidrand haftenden Schmersubstanz besonders wirk- sam, wie es ja bekannt ist, dass in leichteren Fiillen yon Seborrhoea palpebralis indifferente Fettsalben bereits zur }Ieihmg geniigen.

2) Was die bei vielen Ophthalmien, namentlich bei phlycth'auuliirer Conjunctivitis und deren Derivaten, so wirksame Roth-priicipitatsallse anbetrifft, auf deren Vorziige und Modalitiiten iu neuerer Zeit tIoI'rath P a - g e n s t e c h e r in Wiesbaden die Autmerksamkeit der Practiker wieder besonders gelenkt hat, so glaube ich hier das S i m o n' sche Constituens bereits in einer riihmen- den Weise erwiihuen zu miissen. Dasselbe wird wegen seiner Liislichkeit in Wasser yon dem feuchtcn Schleim- hautliberzug sehr gleichm~ssig angenommen und nieht wie eine t'ctte Substanz abgestossen. Auch die Con- sistenz ist flit die Ausbreitung grade geeignet. Aus denselben Gr[inden muss man eine mit dem S i m o n ' - s(.hen Constituens bereitete Pr~icipitatsalbe als relativ stfirker ansehen. Ein Zusatz yon 2 Gran Pr~icipitat auf die I)raehme ~iquivalirt einem 3--4gr~inigen bei fetter Gruudlage. - - Was die Zersetzlichkeit anb~wifft, so

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muss zugegeben werden, dass aueh die S imon ' s ehe Pr~icipitatsalbe sich allm~ilig unter Reduction des Oxyds zu Oxydul verF~irbt, allein diese Decomposition ist bier keineswegs so nachtheilig, wie bei der gew~hnlichen Fettsalbe. Die Bildung des Quecksilberoxyduls an sieh ist ja unsch~idlich und schm/ilert die Wirkung der Salbe nur in geringem Maasse, weil 1) so lange die Salbe nicht g~inzlieh verdorben, immer nur eine geringe Quote des Oxyds in Oxydul umgesetzt ist und 2) das Oxydul selbst, wenn es in relativ gr~sserer Dose benutzt wird, eine dem Oxyd verwandte, wenn auch keirieswcges ~icluivalente tIeilwirkung zeigt, worfiber reich ebenfalls vergleichende Versuehe belehrten. Die VerfRrbung der mit Fe.tt bereiteten Quecksilberoxyd-Salbe ist nut des- halb nachtheilig, weil sich zugleich dadurch ein Ranzig- werden des Fetts ausspri,cht. Die Decompositionspro- duete des Glycerins wirken keineswegs reizend, ~;ie freie Fetts~ure, und so ist denn selbst die etwas verf~irbte Glycerinsalbe night unbrauchbar2)

3) Einen besondern Vortheil schienen mir die frag- lichen Salben da zu gew/ihren, wo Ncigung zur Con- junctivalschwellung oder Granulationen vorhanden sind. Hier vertr~gt der Coiljunctivalsack das Sire o n ' sche Con- stituens fiberhaupt welt besser als Fett und ausserdem kommt bei den anznwendenden topicis als lap. infernal., Cupr. sulhm, plumb, aceticum, tier grosse Vortheil zur Sprache, dass dieselben beim S imon 'chen Constituens wirk]ich im gel~sten Zustande enthalten sind. So babe ich versucht, bei Granulationen mit oder ohne Pannus dem Touchiren der umgesehlagenen Lider mit dem Kupfer-

*) Die Zersetzung spricht sich nur in einer diinnen Schicht an der Oberfli[chc aus. l~fihrt man mit dem Myrthenblatt diese Portion mit der Masse der Salbe zusammen, so kann man die Salbe, ohne irgend einen namhaften Unterschied in der ~Virkung zu merken, nooh lange Zeit verwenden.

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vitriol-Stih das Einstreiehen einer 2 Gran eupr. sulfur auf die Draehme enthaltenden S imon ' schen Salbe zu sub- stituiren. Ge]ang dies eben nur in einer Minderzahl yon F~illen, so babe i('h doeh durchschnitflich mehr Heft- wirkung yon solchen Salben, die die Patienten sehr gut zu Hause anwenden k~innen, gesehen, als yon den analogen Tropfw~issern - - ein Vortheil, den wit um so mebr auerkennen mfissen, als wirklieh die Heilung soleher Patienten, wenn sie sich nur selten dam Arzte vorstellen k~nnen, ernste Verlegenheit bereitet. Aueh die mit tap. inibru, und plum b. aceticum bereiteten Sal- ben Sind, wenn die Absonderung nicht erheblich ist, anwendbar. Zu bestimmten Aussprfichen fiber deren Nutzen war die Dauer und Zahl der Versuche bis jetzt nicht gross genug.

4) Das Atrop. sulfur, l~sst sieh ebenfalls in der Mehrzah] der F~i]le unter Form der S imon 'schen Salbe brauchen. Die Vortheile gegeniiber den Fettsalben sind bier der vollkommneren LSsung und Vertheihmg wegeu unl/iugbar. Es gew~ibrt diese Form vor den w~ssrigen L~sungen Fdr ausgedehnte Polikliniken und Kliniken (ikonomische Vortheile, da im Allgemeinen bei der Ver- wendung letzterer der Verlust welt grtJsser ist. Auch die Gefahr der Uebertragung ansteckender Conjunctival- prozesse, welche in Polikliniken grade durch Atropin- liisungen relativ am h~iufigsten vermittelt wird,*) findet bei den Salbea weniger start, da wit dieselbe mit Spa- teln, Myrrthenbl~.ttern oder andern glatten Instrumb, nten und nieht mit Pinseln einstreichen. Pinsel abet sind.

*) Das Atropin hat auf den ansteekenden Conjunctivalschleim, wie e r yon blennorhoischen oder granulirenden Augen kommt, nlcht die mindes~e neatralisirende Einwirkung', wolehe den meisten iibrigen t o - picis, die wit auwenden~ namentli0h den MctMlsalze~/ zukommt. Icil werde iibrigons gelegentlich auf diesen Punkt, der die Praxis eng be- riihrt~ n~iher eingehen.

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n~ichst den Sehw~immen betrefts der R einigung gewiss die unverl&isslichsten Werkzeuge. E udlich ziehe ich es auch vor, den Patienten, die zu Hause Atropin brauchen, dasselbe ceteris paribus in Salbenform zu verschreiben, da der Fall eines Versehens bei unvorsichtiger Au{- bewahrung weniger zu fiirchten ist.

3. U e b e r die A n w e n d u n g l a u e r und w a r m e r U e b e r s c h l f i g e bei g e w i s s e n O p h t h a l m i e n .

Trotz des eindringlichsten Bestrebens, therapeutische Erfahrungen dutch Aufstellung gesetzmfissiger Indica- tioncn fiir die Doctrin zu verwerthen, bleiben viele Lficken often, zu deren AusFdllung wit selbst den Ver- such scheuen, well es schwer f~illt: fiber die uns leiten- den individuellen Verh~iltnisse und fiber eine Summe variabler Krankheitsmodalit:~iten einen Ausdrt~ck ffir uns selbst und flit Andere zu gewinnen. Es gef~illt sich der menschliche Geist auch welt mehr an irgend einem festen Standpunkt, den er durch mehr oder minder miihsamen Weg gewonnen hat, als an jenen noeh fiiissigen Anschauungsweisen, aus denen er tagt~iglich schiipfi, welche meist den natfrlichen Herg~ingen treuer entspreehen,-Welche aber, wollen wit sie formuliren, in's Unbestimmte zu entfliehen und Ffir Andere vollkom- men unbrauchbar zu werden scheinen:

Diese 13etrachtung dr~iugt sich mir eben auf, da ich an cinem Punkte der Therapie verweilen will, der in ungewiihnlichem Grade das Loos jener schlecht be- riihrbaren Kapitel theilt. Warme Umschl~ige, sei es in Form yon einfachem Wasser oder beliebiger Aufgiisse, als Chamillen-, Malveninfusen u. s. w. sind nicht bloss friiher yon den Augen~irzten viel al~gewandt, sondern sie sind auch zu einem beliebten Volksmittel geworden. Hierbei hat leider das Verfahren einen mehr und mehr

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verkehrten Gebrauch erlitten und ist grade deshalb bei den neueren Augen~irzten, welche so h~iufig die nach- theiligea Folgen desselben zu Gesicht bckommen, in einen unverdienten Misscredit verfallen. Besonders traurig sind die Resultate solcher warmen Behandlung bei Con.iunctivalb]ennorhoen, die bekanntlich h~ufig dadl~rch einen zerst~renden Character erhalten, w,~hrend e~n entgegengesetztes Verf~hren immer gfinstig und f{]r die leichteren F~ille sogar zur Heihmg ausreichend ist. Es w~re eine wabre Wohlthat ilir die Gesellschaft, die tmtere Volksklasse in dieser Beziehung durchdringend zu belehren, well es gelingen w{irde, einer grossen An- zahl yon Erblindungen vorzubeugen, allein das Vor- urtheil, class der Schleimeiter bei Blennorhoea neona- forum eirle Unreinlichkeit sei, deren sicb das Bhlt in mfglichst grosser Quantit~it zu entledigen babe, ist so tier" eingew(lrzelt, dass ein siegreicher antlblennorhoischer Volksredner wohl noch lange aug sich warren lassen wird.

Sind nun~ so fi'agen wir zun~icbst, die warmen Um- sehl~ge fiberimupt ein wiehtiges ~Jittel in irgend gef~hr- lichen Zust/inden des A~lges? Aus der Literatur erhal- ten wir, so welt mcine t~'orschungen reichen, hieratlf keine genfigende Antwort. Wenn wit yon .iener allge- mein adoptirten Application bei Augenlidentzfindungen, in specie Blepharoadenitis ui~d Dacr~,'ocystitis absehen, so fin- den wit fiber deren Nutzen nut rage Aeusserungen. Often- bar wurden noch vor einigen Decennien warme Chami/len-, Malven- und nark'otische Infilse welt hSufiger als jetzt bei Ophthalmien benutzt, besonde,'s wenn dieselben den ,,ereihischen" Charakter trugen, allein es scheint die Praxis auch bei den Anh~ingern dieser Methode immer eine probirende gewesen zu sein, ohne dass irgend welche besfimmte Indication aus dem anatomischen Krankheitsbilde entnommen wurde. Konnten Patienten mit Coniunctivitides und Ceratitides kalte UcberschlSge

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nicht vertragen, so ging man zu hiiheren Temperaturen fiber und blieb bei derjenigen stehen, welche am be- haglichsten war. Die meisten Augen~irzte legten aber diesen Umschl/igen nur den Werth eines symptoma- tischen, den Kranken erleichternden Mittels bei. Im Gegensatz hierzu habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass die warmen Umschl~ge in gewissen Zust~inden ein ausserordentlieh wichtiges, t'(ir den Heilapparat unent- behrliches Mittel constituiren.

1) Obenan steht deren Nutzen bei einem Hornhaut- leiden, auf dessert eigenthfimliche Bedeutung ffir die Praxis die Verfasser der Lehrbficher, wie mir scheint, nicht gehSrig eingegangen sind, und welches ich in Ermafigelung eines anderen Namens als r e i z l o s e s E i t e r i n f i l t r a t bezeichne. Zur Verst~indigung fiber das Krankheitsbild m~gen folgende Bemerkungen dienen. Die befallenen Individuen, in der Regel Kinder yon wenigcr als 8 Jahren, bekommen in der centralen Horn- hautregion ein gelbes Pfinktchen, welches sieh rasch vergr~Sssert und oft schon nach 2 Tagen den Durch- messer einer Linie erreicht. Werden uns die Patienten in diesem ersten Stadium zugct'~ihrt, so frappirt uns zun~ichst in dem Gesammthabitus des Auges das Fehlen der die umschriebenen entziindlichen Hornhautinfiltrate verk~.indenden Injections- und Reizerscheinungen. In- sonderheit thr~int das Auge wenig, wird selbst bei vol- lem Licht frei geSffnet, die subconjunctivale RSthe ist ~iusserst gering, der Conjunctivalsack vollkommen f'rei. An dem Infiltrat selbst ist eins vollkommen charak- teristisch, n~imlich dass die eitergelbe, tier in die Horn- haut eingreifende, mehr ode~ weniger ulcerirende Pattie unmittelbar an eine normal durchsiehtige stfisst und dass sich nicht, wie beim entz[indlichen Infiltrat, als Uebergang ein grauer geschwellter Hof vorfindet, des- sen Bereich die niederen Parenchymver~inderungen,

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wolche noeh nieht zur Eiterbildung gefilhrt haben, be- zeiehnet. Bleil)t das Uebel sich selbst fiherlassen, so kann es allerdings mlf einor gewissen He, he unter einem gleieh anzugebenden Wechsel seinor Physiognomie in Ileilung fiborgehen, in den sehwereren F'~llen aber dehnt sich die gelhe eitrig infiltrirte Hornhautpartie mehr und mehr aus, verr~th wenig Tendenz znm Durehbrueh, welehe erst in den sp/itesten Stadlen hervortritl. Die Eiterbildung gehl, wie bereits erw'~hnt, yon Anfang an tier in die Hornhaut hine~n~ .ia' es partieipirt auch bald die Epithellage der l ) e s c e m e t ' s e h e n Haut daran, so class der humor aqu/ius eine diflhs gelbliehe Verf:drbung erhRlt, ohno immer ein hypopyon abznsetzen. Dann wird auch (lie Iris gesehwellt und eigentht'lmlieh gelblich odor rSthlieh-gelb verf~rbt, ohne dass sieh vor der Hand ander- weitige Producte einer aetiven Iritis, n~mlieh hintere Sy- neehion, Fl~ichenexsudationon u. s. w. zeigen. Ob i~brigens diese gelbo, Vorf~rbung dor Iris, an deren Zuslandekom- men, wie die schiefe Beleuchtung erweist, Ilyper'~mie dev grSsseren Get'~sse lebhaften Antheil nimmt, yon wirklicher Eiterbildung in derselbon, odor vorl einer anderwoitigen Parenchymver'~ndertmg abh'~ngt, dafilr besitze ich noeh keine entscheidenden anatomisehen Bologe. Geht der Prozess in Heilung fiber, s e i e s spontan odor dutch die Ktms0filfe, so geschioht e s alle- real dadureh, d~ss sich die fl'hler,lden Reizersehoinungen ztlm Theil oinfinden und dass um die eitrige Pa,'tie horum sich ein grauer l(,icht gesohwellter Her, wie boim gewfihnlich entzSndlichen Hor~ahautinfiltrat, bildet, mit welchem letzterela i iberhaupt mohr und mehr Aehn- liehkeit hervortritt.--- Im Gegensatz zu dora gemeinen entziindliehen Hornhautinfiltrat hat dee erw~hnte Krank- heilspvocess eine entsehieden maligne Tendenz. W~h- rend jenes bless durch einen Excess des Entzfindungs- reizes zu einer oilrigen Zersff~rung tfihrt, fiberhaupt aber

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die Neigung zeigt, sieh atlf bestimmle Hornhautabsehnitte zu beschr~inken, und selbst im Falle der Substanzver- niehtung mehr in die Tiefe als in die Fl~iehe greift, so finden wir bei dem fraglichen Leiden eine ganz um- gekehrte Neigung. Das Ganze hat yon Anfang einen suppurativen, ulcer(isen Character und die Tendenz, fl~iehenweise um si('h zu greifen. - - Diese kurzen Bemer- kungen, welche ieh n~ichstens ia nosologiseher Be- ziehung zu vervollstSndigen gedenke, sind ausreichend, um die therapeutischen Grunds~tze, auf die es hier an-

kommt, ankniipfen zu kiinnen. Vor ungefiihr drei Jahren ereignete es sich, dass

ieh innerhalb weniger Wochen eine grosse Anzahl in beschriebener Weise erkrankter Kinder zu Gesicht be- kam, in der That so viele, dass ich bei der sonst sel- ten vorkommenden Krankheit an eiae epidemische Eat- stehung denken mosste.*) Die leichleren F~iIle heilten bei sorgf~ltiger Abwehrung aller Schiidlichkeiten, Ver- schhJss der Lider, Atropineintr';iufe]ungen und 5rtlichen Blutentleerungen, bei schwereren aber, wo das Eiter- infiltrat bereits eine grSssere Ausdehnung crhalten, ]lessen diese Mittel im Stich. Es sehien, als wenn be- reits eine unaufhaltsame Tendenz zur Hornhautsuppura- tion gegeben sei und es kam mehr[aeh zur vSlligen Zerst~irung. Consequente Anwendung kalter Umsehl~ige iiusserte einen so entschieden nachtheiligen Einfluss auf den Verlauf. was ich iibrigens bei dem FeMen aller Temperaturerhiihung und Reizznsffinde begreiflich land, dass ich nun versuchte, mit der Temperatur mehr und mehr zu steigen und endlich zu der Anwendung yon warmen Chamillenumschl~igen yon 26--280 iiberging. leh meinte, dass dieselben hier geeignet sein kiinnten,

*) :Dieselbe Beobachtung hat Roser in seiner biindigen aber treffenden Kotiz iiber die Hypopyon-Gcschwiire (s. Archly Bd. II. 2. pag. 156) hervorgehoben.

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wie bet Suppurationen in der Haut und im Bindege- webe, eine Abgr~inzung des Prozesses einzuleiten. In der That stellte sich bald eine so gfinstige Wirkung heraus, dass ich yon allen fibrigen Mitleln, mit Aus-

�9 nahme der Atropin-EinMiufelungen, abging uud reich denn0ch constanter Erfolge zu erfreuen hatte. Selbst in den F~illen, wo die Eiterinfiltation sehon einen ge- h~rigen Umfang erreieht, wie es h~iuflg vorkam, da die Aeltern bet dem Fehlen yon Reizerscheinungen an- i~inglich keine Besorgniss hegten, selbst in solchen FRllen trat in der Regel ein so vortheilhaKer Ausgang, als nut irgend zu erwarten, ein; die das Eiterinfiltrat umgrenzende Hornhaut wurde etwas geschwellt, grau- lich getr[ibt, worth ich, wie oben erw~ihnt, den Ausdruck einer heilsamen reactiven Entzfindung sehe, die eitrige Partie selbst wurde abgestossen und es entstand ein theils dutch umschriebene Perforation, theils durch Aus- t~llung zur Heihmg fibergehendes Geschwfir. Seitjener Zeit auf die typischen Charaktere des fraglichen Uebels aufmerksam gemacht, habe ich dasselbe sporadisch immer wieder gefuaden und immer dasselbe Verfahren mit demselben Effolge eingeschlagen. Die Temperatur der warmen Umsehl~ige variirte zwischen 25--32~ ") je reizloser der Zustand war, desto w~irmer wurden sic genommen. Ich land es am zweckm~issigsten, die Um- schl'~ge n u t alle 5 Minuten zu wechseln und alle Stun- den aul' 1,/, Stunde zu unterbrechen. So wie sich der grauliche Demareationshof bildet und eine regelrechte Abstossung der eitrig zerf'allenden Hornhautpartien be- ginnt, muss man sowohl mit der Temperatur der Um- schl~ige, als aueh mit der Dauer der Application zur~iek- gehen. Gesehieht dies nicht, so excedirt wieder die

~) Auch Breiumschl~ge habe ich viel angewandt, allein wegen der rascheren und oft den Heilzweck excedirenden Betheiligung des Con- junctivalsacks, zu Gunsten der Chamillenumschl~ge aufgegeben.

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entziindliehe Bl~ihung der Hornhautsubs ta~z und in der

Rege l auch die Mitleidensehaft des Conjunctivalsacks.

Es kommt sogar vet, dass, wenn einmal die Krankhei t in das zweite (entziindliche Demar( 'a t ions-) Stadium

iibergefiihrt ist und ein gewisser Mittelweg in dem auf-

tretenden Reizzustand iiberschritten ist, dass a lsdann

ein entgegengesetz ter Heilapparat . als kalte Umsehl~ge,

Blutegel u. s .w., wie wit ihn beim eniziindlichen I Iorn-

hautinfiltrat brauehen, indicirt wird.

Indem ich hiernaeh die Anwendung warmer Um-

schl~ige t~ir das beschriebene Krankheitsbild dr ingend

anempfehle, muss ich, um mieh nicht einer doctrin~ren

Krankheitsaufstel lung sehuldig zu machen, hinzuffigen,

dass zwischen dem eigcntlich entziindlichen Hornhaut -

infiltrat und dem erwi4hnlen reizlosen Eiterinfiltrat alle

mSglichen Ueberg'; inge vorkommen, welche soga r einen

grossen numerischen Antheil der vork~immliehen Horn-

hautentzf indungdn ausmaehen und deren riehtige Wii r -

d igung meines Eraehtens fiir eine gliiekliehe Praxis

erforderlieh ist.*) Je mehr arterielle Subconiunet ival-

r;3thung, Liehtseheu, Thr~nen ein IIornhautinfil trat be-

gleiten, .je mehr trilbe Sehwel lung der Hornhau tsubs tanz

*) Aueh die yon Roser (1. e.) boschriebenen lIypopyongesehwiire ge- hSrea zu dieson Ueberg~ingen, neigen sieh abcr in ihren sp~teron Sta- dion, wie sic moist zur Beobaehtu'ng kommon, welt mehr zu der Grut)pe dos reizlosen Eiterinfiltrats. Deshalb behandle ieh dieselben auch in der Regel mit warmen ChamillenumschF~igen und Bcl?inselungcn der ~iussereu Lidflichc mit Jodfinetur. Ist bereits vlel Eiter in der vorderen Kam- met, so niitzt, wie Reset ganz riehtig hervorhebt, die Paracentese mit kleiner Wunde niehts, wegea der Reproduction des Eiters. Dies liegt an der bereits angefaehten Thcilnahme der hypervaseularisirten Iris. Besser ist eine grosse Paracentese mit dem Lanzevmesser; am allerbesten abet die Irideetomie, wolehe hior wirklieh nur Vortheile und gar keinc l~-aehtheile bietet, da sie aueh den optischen StSrungea dot stets zuriiek- bleibenden centralen /Iornhauttriibung entgegentritt. Mit den boidon Waffen der warmen Vmschl[ige und Iridectomie kSnnon wit uns, glaube ieh, jetzt welt befriedigendor fiber die Itehandhmg der tlypopyon-Ge- schwiirc ausspreehen, als Roser es damals thun zu miissen glaubte.

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it) den Randtheilen des Infiltrats vorhanden ist, desto mehr erfordert dasselbe ein entz~'mdungswidriges Verfahren, .ie mehr die genannten Symptome fehlen, .ie mehr eine eitrig zerfallende tlornhautpartie sich sofort gegen sine norma! durchsichtige Partie abgreuzt, je mehr ist es angezeigt, mittelst warmer Umschl~ige zuni~chst sine Demarcation des Prozesses durch die Bildung einer reactiven EntzfindurJg hervorzurufen. I)as Wichtigste bei den gef~ihrliehen llornhautinfiltraten ist ja die Ab- grenzung derselben in der Fl~iehe. ]st diese erreieht, so kSnnen wit dureh Airopin-Eintr~ufelungerl, Paraeen- tesen u. s. w. viel ausrichten, um den eigentlleh capi- talen Naehtheilen vorzubeugen.

Ich muss ferner hinzui~igen, dass es mir zur Beur- theilung dieser Indicationen auch auf die ll'aumatisehe Entstehung in keiner Weise ankommt. Wenu bei einem vernachl/issigten traumatischen Substanzverlust auf der Hcrnhaut, wie wir es bei Lat~dleuten'so h~iufig sehen, ohne erhebliche Reizsymptome eine Eiterinfiltration (H.y- popyon-Gesehwiir) anhebt und ebeu die Tendenz zur Fl/ichenausbreitung mehr und mehr hervortritt: humor aqu~ius und Iris gelbwird u. s. w.; dann sehe ich eben- falls in der Anwenduz~g warmer "Umschl~ige ein viel wirksameres Uebel, als in dem entzlindungswidrigen Apparat und mSchte reich insonderheit gegen die Appli- cation kalter Ums(hliige, die nur die Tendenz zur De- marcation hindert , energisch erkl/h'en. Ieh glaube reich bier iibi'igens vollkommen den allgemeinen chirurgischen Indicationen bei einmal eingetretener Eiterung anzu- schliessen. Sel~tversffindlich werden in den letzterw/ihn. ten F~illen, abgescheu yon dem Atropin, die ~vichtigen Mittel der Paraeentese und Irideetomie da uuersetzlieh sein, wo die Eiterbi]dung iu der vocderen Kammer oin gewisses Maass iiherschr~itet.

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Theoretik~r werden sich gegen diese therapeutisehen Ansehauungen str'auben; sie werden es aueh ungereeht- fertigt finden~ dass man die erw'ahnten Prozesse dem eigentlich e n t z i i n d l i e h e n Hornhautinfiltrat gegenfiber stellt, da es sieh doch hier ebcnfalls um Enlz{]ndung und zwar in der bestcn aetivstcn Form einer massenhaften Bil- dung junger Zellen im Parenchym handle. Die Praetiker wissen, dass wit aus der heutigen Entz{indungslchre fSr die Therapie {iberhaupt nichts mehr od.er noch niehts ent- nehmen kg.lnnen und dass wit demnaeh gezwungen bld- ben, uns auf fassliehem empirischem Wege zu verstiln- digen, wenn wit anders aus Vorliebe f{]r die reine ~V~ssensehaft nieht darauf verziehten wollen, heilbare Krankheiten wirklieh zu heilen. Der f'dr den Gang des Prozesses bestimmende Untersehied liegt eben darin, ,lass bier ohne erhebliche Volumszunahme der elemen- taren Hornhautgebilde, ohne tr{]be Sehwellung*) und die andern Vorstadien, wie wir sie dem eitrigen Zerleall bei Hornhautenlzi'mdungen vorangehen sehen, eine mehr direete Umbildung der Hornhautzellen in Eitermasse**) stattllndet; aus diesen Gr~nden fehlt offenbar sowohl der graue Hol e in der Umgebung, als die Turgeseenz des beleallenen Hornhauttheils selbst, als endlieh die

~) Eine solehe Volumszunahme ist allerdings bci Infiltraten, die nur diinne Sehichten der IIornhaut oeeupiren, unseheinbar; bei den tiefer eindringenden umschriebenen ][nfiltraten dagegen gut zu beobaehtem Ich erinnere an die prominenten Infiltrate an dcr Spitze eines Gefiiss- biischels, fcrner an die sich oft zuspitzenden disseminirten Infiltrate bei phlycth~inul~irer 0phthalmie. Die Volamszunahmc dependirt direct yon der Vcrgr6sserung der einzelnen ]lornhautkiirperchen, deren Effect nur dutch eln Schwinden der Intercellularsubstanz compensirt werden kann.

**) Als solehe zeigtc sieh allemal die mit dem D a v i e l ' s c h e n Liiffel entfernte gelbe Masse. Eine Abgrenzung des Prozesscs yon dem diph- theritischen Hornhautheerd liegt, ganz abgesehcn yon dem verschiedencn Krankheitsbilde, aueh hierin. Bei dem diphtheritischen ]~Icerd finder man die bl~ittrlg und schmlerlg zerfaUenden Massen aus fettig metamor-

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irradiirten und reflectirten Reizerscheinunget~, welehe wohl zum gr~issten Theil yon der Parcnchymschwelhmg und dem Druck auf' die Nerven abh~ingen. Vielleicht werden genauere histologische Unte~'suchungen, wie wit sie fiir diese Prozesse bereits f'r5her einmal begonnen, auch den therapeutischen hnsichten sp~itcr einen wissen- schaftlichen Ausdruck geben, vor der Hand wollte ich nur die Thatsache hervorheben: das s bei a l l en reiz- losen E i l e r i n f i l t r a t e n der H o r n h a u t , die zur F l l i c h e n - A u s b r e i t u n g t e n d i r e n , die m e t h o d i s c h e A n w e n d u n g de r w a r m e n U m s e h l ~ i g e w e s e n t l i c h zur g e w i i n s c h t e n D e m a r c a t i o n be i t r~g t .

2) Es kommen sowohl nach Operationen nnd Trau- men als auch spontan Hornhautinfiltrationen vor, welche sich bei m~issiger Subconjunctival-Iniection mit ausser- ordentlich Icbhafter Ciliarneurose paaren und dem anti- phlogistischcn Heilapparat hartn~ickig widerstehen. Die Schmerzen hiiren erst auf~ wenn sich naeh Ablaufmehre- rer Tage oder noch l~inger ein Eiterplinktchen oder Eiter- streifchen an der betroffenen HornhautDartie bildet, an welches sich besonders bei perforirenden Wunden, abet auch bei spontanen Hornhautinfiltraten nicht selten die Entwicklungvon hypop~'on anschliesst. Bei diesen Formen nun, welche in der Lehre der IIautentzfindungen zahl- reiehe Analogien finden, habe ich ebenf'alls die Anwen- dung warmer Wasserumschl~ige yon .295--30 o als eia vortreffliches Heilmittel erprobt. Die ohnedem nicht zu vermeidende Bildung eines kleinen Eiterheerds, mit

phosirten Epithelien und Hornkautk~l"perchen, welche roll unregel- m~ssigen Kernen strotzcn~ constituirt. Letztere zerfallen bald in kSrnigcn Detritus, wiihrcnd die Intercelh, larsubstanz g~inzlich schwindet. Die enormc Bl~hung des diphtheritisehen Heerdes riihrt zum Thcil yon dem Strotzen der Ilornhautk~rperchen, zum grSssten Theil yon dcr reich- lichen Durchtriinkung mit einer ]~'liissigkeit her, welche, dio Intercellular- substanz 15send, die ~lemente auselnanderdr~ngt und sich parallel zu den ttornhautfl~ichen am st~rksten ansammclt.

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welcher sich die Krankheit erschSpf't, wird dadurch we- sentlich beschleunigt und der Prozess selbst circumscri- birt. Ein natSrlicher Einwuri" gegen das Vert'ahren liefft darin, dass man vielleicht Eiterung da hervorruft, wo sie ohnedem nicht stattflnden diirfte. Allerdings muss die Diagnose sicher gestellt werden, allein es dari" selbst der weniger Erfahrene sich in dieser Beziebung nicht einer iibertriebenen Aengstlichkeit bingeben. Da, wo nach einem Trauma oder nach einer Operation eben nut eine u m s c h r i e b e n e Hornhautinfiltration stattflndet, wo heftige Schmerzen nach ein- oder zweimaliger Appli- cation yon Blutegeln nicht weiehen, wo die iiblichen kalten Umschliige nurvorfibergehend oder gar keine Erleichterung bringen, wo endlich eine circumscripte Partie im Infiltr.at sich gelblich veri"~irbt~ diiri'en dreist die warmen Umschl~ge angewandt werden undes wird sich in der Regel schon nach 1 2 - - 2 4 Stunden deren guter Effect dutch tin Nachlassen des Reizzustandes und dnrch eine markirtere Begrenzung des Prozesses auf der I:Iornhant ausnsrechen. Characterisfisch ist oft die lokale Empfindlichkeit des gebl~hten Hornhauttheils, wenn wit ihn dutch das Lid oder direct mit dem Knopf

e i n e r Sonde betasten. Wo diese Empfindlichkeit eiomal eine Zeidang anh~ilt, dart" sie eben so gut als Vorl~iufer einer kleinen 5rtlichen Eiterbildung angesehen werden, als es beispielsweise bei einer Blepharitis tbIliculosa der Fall ist. Bekanntlich gehen auch bier, wenn die Eiterung einmal sich an einem Punkt lokalisirt, die ent- ziindlichen Schwellungen der Nachbargebilde zurlick. Sehr h/iufig werden mir traumatische Hornhautentziin- dungen zugefiihrt, welche dutch consequente Anwen- dung kalter Umschliige his in die Periode hinein, wo sich bereits Tendenz zu einer lokaleu Eiterung aus- spricht, verschlechtert worden sind nod bei welcheu dos angegebene Verf'ahren rasch die Sehmerzen stillt

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und den Prozess entseheidet. Die Beffirchtung endlich, class warme Umschl'3ge eine diffuse Eiterung verschul- den, ist, wie bei einer Itautentzfindung, vSllig yon der Hand zu weisen. Warme Umschlage rufen eben Eiterung nut in solchen Theileu hervor, in denen bereits der Anstoss dutch den Prozess gegeben ist. Wit wis- sen recht wohl, dass sie f'fir die andern nachbarlichen Theile sehr wolff als Zertheilungsmittel d i e n e n . - Auch in den gedachten F';illen darf die Anwendung nicht un- niitz verl'3ngert werden. Man muss abstehen, so wie tier Effect, den man erwartet, erreicht ist, was gew(ihn- lich in 1--2 Tagen stat/finde~. Eine weitere Anwendung' fiihrt unniitz zu einer Betheiligung des Conjunctival- sacks. Da es hier fibrigens neben tier W~irme auf eine reichliche Imbibition wesentlich ankommt, so nehme ieh dickere, recht lockere Compressen, denen auch wohl Breiumschliige intercalirt werden. Complication mit Iritis schliesst die Anwendung nicht aus. Bei den perio- disehen Entzfindungen der Staphylome erweisen sich die warmen Umschl/ige im Verein mit den ilbrigen Mitteln ebenf'alls als heilsam, w~hrend die kalten in des Regel erfolglos sind.

3) In manehen Fiillen maligner Hornhautgeschwiire, in denen "wenig Tendenz zur Eiterbildung, wohl abet" zu einer nach der Fl~iche und Tiefe fortschreitenden Zerstiirung yon Hornhautsubstanz hervortritt, babe ich die warmen Umsehl~ige tempor~ir mit gutem Eriblge angewandt. Hier ist o~'t nlithig, dieselben bis zu einer gewissen Betheiligung des Conjunctivalsacks ibrtzu- setzen. Die st~irkere Blutzufuhr, welche dieselben in der Sehl'eimhaut hervorrulTcn, bringt eine Disposition zur Vascularisation des limbus conjunctivae mit sich, an welche sich auch ein besserer Stoffweehsel der Horn- baut anschliesst. Ich rathe jedenfalls, das Mittel da, wo (tie fibrigen f'eblschlagen, nieht unversueht zu las-

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sen, bin abet ausser Stande, pr~icise Indicationen anf- zustellen. Besonders ist hier die Schmerzhafdgkeit oder Sehmerzlosigkeit des Prozesses nicht maassgebend. Hieran schliesst sich eine Anwendung des Verfahrens bei perforirenden Hornhautgeschwiiren, da w o e s darauf ankommt, das Bestehen einer Fistel zu verl~ingern. Durch die Anwendung der feuehten W~irme wird eine griissere Durehtr~inkung der Theile unterhalten und die in der tIornhautwunde sich bildende Eitersubstanz weicher und Fdr den intraocularen Druck nachgiebiger gemacht.

4) Bei den diffusen Eiterungen der Cornea, welche leider zuweilen naeh der Lappenextraction drohen, resp. erfolgen, mache ich ebenfails yon den warmen Ueber, schl~igen Gebrauch. Dies gilt besonders f['lr alte decre. pide Individuen, bei denen sieh naeh einem vollkommen schmerzlosen Verlauf yon 18--24 Stunden die bedenk- lichen Symptome in Form einer zu starken Schwellung des obern Lids und zu reicillicher Conjunetivalabson- derung einfinden. Ist es hier voIlkommen sicher ge- stellt, dass nicht etwa eine ungenaue Lagerung des Lappens die Symptome verschuldet, gegen welehe der Druckverband ausserordentliches leistet, so applieire ieh periodisch Chamillenumschl~ige yon 25--300 und be- streiche die Haut der Lider und Umgebung mit Jodtinctur. Von den kalten Umschl~igen, s() wie yon Blutentleerungen sieht man unter diesen Verh~iltnissen nut Nachtheil. Im eoncreten Fall l~isst sich natiirlieh oft gar kein Sehluss gewinnen, da die Sympfome unterhalh einer gewissen HShe spontan zur[ickgehen k~Snnen und andrerseits frotz Allem und Allem der ungliickliehe Ausgang nicht immer abzuwenden ist. Hier muss eb~a die Uebersieht (ibcr recht grosse Reihen eine Ueberzeugung bcgriinden.*)

*) Wit habea in Berlin ein grosses Uebergewicht sehr alter Staar- kranker zu operiren. Als ieh jiingst zu statistischea Zwecken die iN'o- tizen meiner Staarkranken durchbl~ittert% fand ich, dass uutcr den

Archly tilt Ophthalmologic. VL 2. ]0

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Ist bereits eine sehr reichliche d[hme Con, iunctival- absonderung , serSse Chemosis, ge|blicher Anfiug des gesammten Corneabereiches und ein mehr oder weniger gesehlossener Ringabscess vorhanden, so d[irfen wir freilich auch yon den warmen Umschl~igen nicht mehr viel erwarten, da derlei Augen fiir das SehvermSgen als verloren anzusehen sin(|, allein ich glaube reich nicht zu t~uschen, wenn ich behaupte, dass auch unter diesen Umst~inden eine Limitirung des Prozesses auf die vor(leren Abschnitte des Bulbus und eine Verhfitung der so qu~ilenden Panophthalmitis bei der moderirten Anwendnng yon warmen Umschl~igen 5fter als ohne dieselben gelingt. Sie ist ausserdem fiir s~mmtliche Patienten in dieser Periode durch die Entspannung, die sie einleitet, hSchst behaglich. Die Gei'ahr, dass die warmen Umschl~ige bei sonst giinstig verlaufenden F~llen etwa Eiterung hervorrus dari~ bei einem zwcck- mSssigen Gebrauch derselbcn volls/~ndig in Abrcde gestellt werden. Der geringo Ern~ihrungszustand der Hornhaut, namentlich bei decrepiden alten Leuten, scheint zu einer giinstigen Verheilung eher eine m~issige Temperaturcrh(ihung als W~irmeentziehung zu erhei- schen, eine Vermuthung, welche sich vollends aufdr~ngt, wenn wit die vortrefflichen Resultate der Druckverb~inde erw~igen, welche jedenfalls die Nebenwirkung haben, die natiirliche Abkiihlung zu verringern. Es ist (ibrigens nicht meine Praxis, die warmen Umschl~igc bei einem vSllig normalen Verlauf nach der Extraction anzuwen- den, da ich bier, wie ich n~ichstens erSrtern werde, reich lcdiglich tier Druckverb~inde bediene.

5) Endlich muss ich die warmen Umschl~ge theils in der friiher erw~ihnten Form, theils als Cataplasmen in manchen F'31len yon sehr hartn~ickigen Granulationen mit und ohne Pannus empfchlen. Bekanntlich ist das

letzten 500 Extrahiden beinahe zwel Drittheile fiber 65, zwel Fiinftheile fiber 70 und ein Seohstheil fiber 75 J'ahr alt waren.

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Hinzutreten eines gewissen Grades yon Coajunctival- sehwellung in diesen Zust~nden giinstig. Wit sehen, dass die Granulationen unter t~.~influss ether solchen sich spontan zurfickbilden. Hicrauf beruht meines Erachtens die gute spontane Heilbarkeit der sogenannten acuien Granulationen (Granularcon.juncfivitis), welche h~ufig gar kein oder ein sehr geringes therapeutisches Ein- greifen erfordern. Im Gegensatz hierzu entwickeln sich die Granulationen urn so mebr, errcichen urn so mehr den Typus der sogenannten Trachomk~rner, je weniger diffuse Con junctivalhyper~imie sich namentlich in der Entstehungsperiode einstellt. Dieser Ausspruch gilt i~ir die Mehrzahl der in Praxi vorkommenden F~ille nnd erleidet eine Restriction nur fiir die verh~iltnissm~issig kleine Gruppe des eigendichen acuten oder entz(ind- lichen Trachoms, bet welchem die Cou.junctivalschwel- lung zur Absetzung tiefer trachomaffiser Einlagerungen sich in einem wirk]ich homologen Verh~iltnisse befindet. Es ist dnreb die in den letzten Decennien, besonders yon unsern belgischen Fachgenossen, aug breiter Basis angestellt~n Heilversnche fiber die Inoculation d e r Blennorhoe erwiesen worden, dass die Entwicklung dif- fuser C onjunctivalsebwellung nicht bloss auf den secnn- d~iren Pannns giinstig influirt, sondern auf' die Rfiek- bildung der Granulationen selbst. Ich glaube, dass im Wesentlichsten unscr (iblieher Heilapparat bei Granu- lationen in demselben Sinne zu deuten ist. Wit sind ja jetzt weir entfernt davon, die Granulationen weg zu ~tzen, d. h. chemisch zu zersffiren. Trotz aller nocb immer schwebenden Unkenntniss (iber den feineren Bau und die Bedeutung dieser Bildungen wissen wit doch so viel, dass dieselben auf Grund ihrer Organi- sation viel zu widerstandsf~ihig und mit dem Scb]eim- hautgewebe zu innig verbunden sin(l, um sieh ohne Get'ahr f 'iir die Schleimhautintegrit~it ohamisch zerstSren

10"

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zu lasset~. Dcr ganze Zweck der Therapie wurzelt abel' darin, die ohnedem geFdhrdete Schleimhaut in eincm m~glichst gutcn Zustande au~ dem Pcozcsse herauszu- fShren. Die Mittel, wclche wit anwcnden, z. B. das periodische Touctliren mit Cupr. sulfuric., haben dem- nach, wie Arlt bereits energiseh hervorgehobcn hat, keineswegs den Zweck einer caustischen ZerstSrung, sic haben lediglieh den Zweck, diffhse Schleimhaut- hyper~imie in eifiem Grade und einer Modalit~it zu erre- gen, wie sic uns die aufmerksame Beobachtung der spontanen Heilung als die zweekm~issigste f/it die Rfick- bildung des Leidens erseheinen l~isst. In ~ihnlichem Sinne k6nnen wir den Heilzweck dutch die Anweadung warmer Umschl~ige F6rdern. Es gclingt in der Regel dutch dieselben cinch catarrhalischen Schwellungs- zustand zu erregen, dessen Eintritt theils ffir sich heil- b,'ingend ist, theils das Auge vertr~iglicher ffir die son- stigen t0Pica macht. Am n~chsten schliesst sich often- bar die Anwendung warmer Umschl~ige der Inoculation der Blennorhoe an. Kann nun auch die Inoculation nicht durch die warmen Umschl'~ge ersetz't werdeu, da es bei diesen zu weit geringeren Schwellungs- zust~nden kommt, so hahen sie dat]ir den Vortheil, feel yon allen Bedenkezl zu sein. Die letzteren lassen sich nun einmal flit die Inoculation der Blennorhoe nicht ausschliesscn und ich gestchc, dass ich mit dicsem Mittel immer zurSckhaltender werde, wcil ich reich fiberzeugt babe, dass die unendliehe Mehrzahl der ~iberhaupt hell- baren F~ille sich auf einem andern weniger eingreifen- den Wege beseitigen lassen, dass Fdr den eigentlich narbigea Pannus', wo das Hornhautgewebe bereits tier gelittea hat, auch die Inoculation nichts leistet und dass endlich in unserem Berliner Klima nicht selten naeh de r Einimpf'ung der Biennorho e diphtheritisehe Entz(in-

�9 dungen ausbrechen, ein Umstand, der nothwendig das

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Urtheil fiber die Heilwirkung gegenfiber dem unserer belgischen Fachgenossen wesentlich trSben muss. Denn wean auch ein diphtheritischer Process bei ether pannlis vascularisirten Hornhaut weniget" gef~ihL.lich als bet ether normalen Hornhaut ist, so kSnnen wir doeh dessen lnocuit~it mit nichten zugeben.

Die Anwendung warmer Umsehl~ige u~ld Cataplas- men wird bet Granulationen besonders zu probircn sein, wo sich eine grosse Empfindlichkeit des Auges gegen die Caustica zeigt und wo die Granulations- bildung za ether tie[" eingreithnden Organisation tendirt, well die Neigung zur Conjuaetivalschwelhmg nicht in erwfinschtem Grade hervortritt. Immer muss die Application nur kurze Zeit verrichtet werden, um nicht iibertriebene Schwellung hervorzurufen. Ich gestehe often, dass sic reich in manchen F~illen vollkommen im Stich liess, indem die sub(,onjunctivale Hyper~mie lind Reizbarkeit des Augcs sich steigerte, ohne dass es zur Absonderung schleimigen Secretes kam, W~ihrend sic in andern den Gang der Heilung entschieden f'6rderte.

Endlich schliesse ich hier einige bis jctzt noch spora- dische Beobacttmgen fiber chronische Hornhautinfiltrate aa, welche zu weiteren Versuchen auffordern dfirften. Ieh habe mehreremals gesehen, class Patienten mit diffuser gef'3ssloser Keratitis, jener so ~iusserst hart- ntickigen Form, wenn sie sich durch Ansteekung ein Conjunctivalleiden zuzogen, in einer aufiallend raschen Weise heilten. Bekanntlieh bildet sich sonst diese Form selten unter 2, 3, 4 Monarch zuriick, w~ihrend solche Pa- tienten oft in 14 Tagen, 3 Wochen mit vollkommener Pellucidit~it der Hornhaut heilten. Dies hat reich anf den Gedanken gebracht, durch die Application warmer Umschl~ige eine Betheiligung des Con.junctivalsacks zu erzcugen; wo dies iiberhaupt in ether geeigneten Weise gelang, stellte sich auch ein entsehiedener Nutzen

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heraus. Ob sich auf dieser Basis eine empfehlensworthe Methode wird begrlinden lassen, bleibe noch dahin- gestellt.

4. U e b e r d i e N o t h w e n d i g k e i t , b e h u f s d e r d r u c k - v e r m i n d e r n d e n W i r k u n g d ie I r i d e c t o m i e um-

f a n g r e i c h zu m a c h e n .

Ich babe bereits in meiner ersten Publication ilber die HeilWirkung der Irideetomie bei Glaucom (Note sur la gu(~rison du Glaucome e tc . adress6e h l'institut de France 1856) die Nothwendigkeit hervorgehoben, ein grosses Irisstlick zu excidiren und die Excision his zur iiussersten Peripherie der Iris auszudehnen. Diese Vor- schrift wurde sogar bier und da in einer iibertriebenen Weise aul~efasst, als wenn ieh ein Viertheil oder ein Drittheil der Iris ausgeschnitten wissen wollte (siehe z. B. Cr i t t che t t : Ophthalmic hospital reports Nr. 2. pag. 65). Habe ich reich nun einerseits f'dr verpfiichtet gehalten, eln solches Missverst~indniss ~ffentlich zu be- richtigen (Ophthalmic hospital reports Nr. III. pag. 102), so bin i('h andrerseits bei dem oben erw~ihnten Prinzip durchaus stchen geb]ieben, mit welchem auch A r l t ' s Erfahrungen congruiren, wie ich es aus mehreren miindlichen Mittheilungen und aus dam yon Dr. B u - s e n e Ill letzt verliffentlichten klinischen Jahresberiehte

entnommen. Besonders s die F~ille yon chronischem Glaucom

und yon chronischer Iridochorioiditis, welche den Ueber- gang in glaucomatiise Krankheitsformen gemacht, ist es unumg~inglich n~ithig, grosse Irisstiicke bis zur Pe- ripherie zu excidiren. C o c c i u s hat jiingst in seiner Schrift ,,fiber Glaucom, Entzlind.ung und die Autopsie mit dem Augenspiegel" die Behauptung aufgesteHt, dass fiir das chronische Glaucom die einfache Iridectomie in der Regel im Stich lasse, selbst wenn sie in einer

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frfihen Periode des Leidens zur AusFfihrut~g komme. Dieses Resaltat differirt wesentlich yon dem meinigen, jetzt so vielfach best~tigten, demzufolge ich eirm nega- tive Wirkung der Pupillenbi[dtmg bei chronischem Glaucom nut da zugcben kann, wo bereits vorgerfickte Atrophie der Sehnervenfasern mit Verengung des Ge- sichtsieldes vorhanden ist. Es w~ire f(ir die Leser ties Archivs unnfitz, dig prognostischen Gesichtspunkt% die ich friiher erSi'tert habe, zu wiederholen, da ich, wie gesagt, keine wesentlichen Correctionen beizubringen habe. Es w~re auch unni]tz, aufs Neue zu versichern, dass ich das weitere Schicksa! dieser Kranken, die reich wissenschaftlich so sehr interessirezl, uuunterbrochen verfolge, so dass ich, Dank der en.~sigea Unterstfitzung meiner Assistenten, fiber mehr als zweihundert Krankea- geschiehten yon chronischen Glaucomen, die sich auf ZeitHiume yon 1, 2, 3 Jahren nach der Operation be- ziehen, zu verffigen habe. Demgem~iss land ieh auch keiaen Grand, nach irgcnd einer Modification des Verfahrens f(]r das ehronische Claucom zu suchen, wie Coec ius es gethan, dessen jfingst empfohlcne Encleise, beil~iufig gesagt, bereits vor einigen Jahren yon O r i te h e t t (s. Ophthalmic hospital reports numbre II. pag. 59. 60) ausgeffihrt, sp~iter aber zu Gunsten der einfachen ]ri- deetomie wieder aufgegeben wurde.*) Trotzdem ver- dient der Ausspruch eines so erfahreneu und rein beobachtenden Fachgenossen, wie (3occius, in dieser Sache volle Beaehtung und verpflichtet, nach den Ur- saehen Ffir dig Divergenz der Ergebnisse zu suchen.

*) Auch Crit tche~t 's Absieht, bei einem Liegenlassen der Irls iu der Wunde den humor aqucus l~nger und vollkommener absiekern zu lassen, war dieselbe, wie sie jetzt Coee ius geleitet. Ieh hatte mir damals bereits fiber den Werth dieser Ab~inderuag einige kurze I~e- merkungen erlaubt (s. Ophthalmic hospital reports numbre III. pag. 103), auf die ich hier verweise.

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Ieh kann hierbei zu keiner anderen .Vermuthung ge- langen, als dass irgend ein Unterschied in der Gr~sse und Lage des excidirten Irisstficks obwalte, kuch ich habe reich in einigen F~illen, wie es k r l t geschehen ist, veranlasst geffihlt, der ersten Iridectomie eine zweite naehzuschicken. Es war in diesen F~illen das anf~inglich excidirte Irisstiick nicht gross genug, odor nicht bis zur Russersten Peripherie excidirt. Da nun in allen solchen F~illen, ifinf an der Zahl, nach der zweimn Operation die glaucomat~3sen Erseheinungen wirklieh aufhSrten, so bin ich noch mehr als frfiher zu dem Schluss be- rechtigt, dass es zur druckvermindernden Wirkung auf eine umfangreiche und his zur Peripherie reichende Ex- cision wesentlich ankommt.

Als Beleg ffir diese Nothwendigkeit, die ich hier- mit noeh einmal naehdrficklich hervorheben will, mSge folgender Fall, dessen Krankheitsgeschiehte mir just vorliegt, e[nen Plata finden:

Jungfer K., 22 Jahr air, kam am 17. Nov. 1859 in meine Klinik. Linkerseits war in Folge r Iritis Pupillarversehluss eing4treten. Die Iris war in ihrem Gewebe wenig ver~indert, jedoeh absehnittweise dtar,:h hinter ihr lagerndes fliissiges Exsudat hervor- gedr/ingt, gonsistenz des bulbns normal. Patientin konnte die Zahl der vorgehaltenen H~nde bestimmen, Finger abet nieht z~hlen. Gesichtsfeld fret. Da ein sehr opakes Gewebe den Pupillarraum ansffillte , so wurde die Distinctionsf~ihigkeit als ausreichend erachtet, um eine gute Prognose Fdr die Iridectomie zu stellen, welche Prognose sich auch damn verwirklichte, dass Patientin Nr. 1 de r J~igcr 'schea Schritlproben in 5" lesea ]ernte.*) ~ gin welt omin/Sseres Aussehen bet

~) Das Accommoda~iousverm~gea blieb sehr goring, belief sieh auf eine Breite yon ~0", wie ieh es beinahe immer unter iihnlichen Ver- haltnissen gesehen habe, wahrscbeinlleh wegell gleichzeitiger Bethei- Iigung des Ciliarmuskels an der cbronisehen :Entziindung.

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das rechte, bereits seit l~ngerer Zeit erkranktc Auge. Bei nur m~issiger Verengerung des Pupillarraums durch pigmentirtc Exsudationen war circul~re Synechic vor- handen, die Iris durch hinter ihr ]agerndes flfissiges Exsud'at fibcrall hervorgebuchtet, nnr am Pupillarrande zuriickgezogen, deren stark entartetes G ewebe zeigte dem blossen Auge viel iiberFdllte Gefiisse, in der vor- deren Kammer eta ziemlich betr~ichtlicher Erguss dunklen Blutes; der Augapfel sehr prall, unter der Con- junctiva mehrere stark ausgedehnte Venen, die qualitative Lichtempfindung vollst~udig nul], auch die quantitative so welt gesunken, dass Patientin das IIell und Dunkel ether niedrig brennenden Lampe gar nicht, das ciner hell brennenden Lampe nut in 3 - - 4 ' unterscheiden konnte. Obwohl eine ophthalmoscopische Entscheidung fiber den Augenhintergrund dutch die h~imorhagische Triibung des Kammerwassers verhindert war, so wurde doch aus der Prallheit des bulbus, dem gesunkenen Lichtschein, der venSsen Ueberfiiliung, dem Verlauf und den begleitenden Symptomen auf secund~ire Sehnerven- excavation geschlossen und die Prognose fiir das Seh- vermSgen um so mehr ungSnstig gestellt, als dcr gegen- w~irtige Zustand angeblich schon seit 8 Monaten be- stehen sollte, nachdem bereits 4 Jahre vorher das Auge auf die allergrSbsten Lichteindrficke beschr~inkt gewesen war. Dennoch lag Grund vor, therapeutisch einzuschrei- ten, da intercurrent neue Entzfindungen und sehr heflige Schmerzen in Stirn und SchlMe eintraten, deren Be- schwerden thetis f'dr sich, thetis dnrch etwaigen Einfluss auf das linke Auge in die Waagscha[e tielen. Es konnte hiei" in der That zwischen Enucleation und Iri- dectomie geschwankt werden. Ich entschied reich i(ir die letztere, well sic in der Regel auch noch unter die- sen Umst~inden die Beschwerden beseitigt und well schliesslich die anamnestischen Angaben iiber die Dauer der Erblindung bci dem geringen Bildungsgrad der

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Patiendn nieht als sicher angesehen werden konnten. Am 2. Dec. wurde yon einem meiner Assistenten ein Irisstiick nach der Nasenseite bin excidirL Das ge- machte Colobom war zwar ger~iumig und bildete eine contiuuirliche Fortsetzung tier natiirlichen Pupille, jedoch war der peripherische Saum der Iris ungei/ihr in der Breite yon �89 stehen geblieben. Es trat nur eine un- vollkommene Remission der entzilndlichen Erscheinun- gen ein~ insonderheit blieb das Auge hart und kehrten Anffille yon heftiger Ciliarneurose wieder. D agegen war jetzt bet einem liehteren humor aqueus eine oph- thalmoscopisehe Feststellung der Sehnervenexcavation miig]ich. W~ire bier der peripherische Irissaum mit excidirt worden, so h~itte ich den Sehluss gemaeht, dass iiberhaupt durch die Pupillenbildung den Beschwerden nicht abzuhelfen und Enucleation vorzunehmen set, so aber schien es mir immerhin angezeigt, eine neue voll- kommen regelrechte Irisexcision zu machen. In diesem Vorhaben wurde ich noch dadurch best~rkt, dass die quantitative Lichtempfindung eigentlich gegen meine Erwartung so welt gewonnen, dass Patientin jetzt die niedrigste Lampe in mehreren Fuss wahrnehmen, ebenso die Bewegung ether Hand auf' 2' erkennen konnte, be- sonders nach der SchlMenseite him Nach einem zehn- ffigigen Warren, w~ihrend dessen recht heftige Be- sehwerden zugegen waren, verrichtete ich eine neue Iri- deetomie nach aussen, mit Einsehluss des peripherischen Irissaumes. Hiernach hiirten alle Schmerzen auf, der bulbus verlor seine H~irte vollkommen, das Sehver- m~ge~} besserte sich so weit, dass Patientin Finger auf 10' z~ihlen und mit + 6 Worte yon Nr. 1"4 angeben konnte. Das Gesichtsfeld war nach innen peripherisch besehr~inkt und das gauze excentrische Sehen in dieser Richtung sehr undeutlich. Centrale Fixation erhahen. Die Excavation tier Sehnerven trat jetzt bet dem grossen

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Pupiilargebiet noch sch~rfer als frfiher hervor, und war besonders tiei im ~ussern Theil der Papille, entspreehend den Vcrh~iltaissen des Gesichtsfeldes. Bei einer l~nge- ten Beobachtung flachte sich die Excavation etwas ab und bet das Auge keine neue Zeichen yon Druckver- mehrung.

Abgesehen davon, dass hier erst durch die zweite Pupillenbildung der druckverminderndc Effect erreieht ward, ist der Fall auch dadurch interessaut, dass bei einer ~usserst unzureichenden quantitativen Lichtempfindung noch ein mittlercs SehvermSgen eintrat. Es passt dies nicht za meinen gewShnlichen Erfahrungen bei glau- comatSsen Krankheiten, vorausgesetzt, dass die vSllige Erblindung wirklich so lange, als die Patientin ange- geben, bestand. Die obenerw~hnten Zweifel miissen abet often gehalten werden, da derlei Patienten na- mentlich das zuerst befallene Auge h5chst ungenau beobachten.

5. Uebe r die Vorzi ' lgc e i a e s yon Dr. S c h u f t er- f u n d e n e n L( i f f e l s bei der m o d i f i c i r t e n L i n e a r -

ex t rac t ion .* )

Ich habe es bereits in meiner letzten Arbeit i]ber die modificirte Linearextraction (s. A. f. O. Bd. V. Abth. 1. pag. 162) fiir zweckmSssig erkl~rt, ein brei- teres Instrument als den gewShnlichen Davie l ' schen Liiffel unter den Linsenkcrn in die hintere Cortical- substanz zu schieben, um sich des erstcren, auf dessen vollst~indige Entfernung es vor AUem ankommt, zu ver- siehern. Mein damals proponirtcs Instrument hatte eine

*) Man gostatte mir ein ffir allemal, tier Kfirze wegen diesen Na- men fiir die ,,mit der irideetomie kunstgerccht verbundone Linear- extraction."

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mehr.spatelfSrmige Gestalt, indem es nur flach gewSlbt, abet sehr breit und an seinem Ende etwas zugesch~rft war. Dasselbe solhe den Linsenkern mit grosset Fi~iche unterstiitzen, durch eine Hebelbewegung gegen die Cornea etwas abflachen, resp. zerquetschen, und da- dl~rch dessen Austritt erleichtern, w~ihrend der Da- v ie l ' sche Li$ffel bet seiner geringen Breite und den her- vorspringenden R~indern ]eicht das gefassm Bezirk aus dem Linsenkern auskneift, die seitlichen Fragmente aber peripherisch entweichen l~isst. In neuester Zeit hat Dr. S e h u f t ein System yon Liiffein erdacht, welches, die Zwecke, die bet der linearen Extraction kerr~hahiger Linsen vorliegen, in noch welt vollkommnerer Weise erfiillt und das Gelingen tier Operation wesentlich siehert. Obwohl sich Dr. S c h u f t fiber die Details seines Liiffelprincipes noch eine eigne Publication vorbehiilt, Fdhle ich reich zu einer vorl~iufigen Mit- theilung verpflichtet, da ein Adoptiren des Instru- mentes yon den Practikern der modificirten Linear- extraction fiberhaupt einen allgemeineren Eingang ver- schaffen dfirfte.

Das Princip der S chuf t ' schen LSffel besteht nicht daria, den Linsenkern durch eine Hebelbewegung gegen die hintere Fl~iche der Cornea anzudriicken und in die set eingeklemmten Stellung gewissermassen zu fixiren, es besteht vielmehr darin, den Linsenkern vSllig zu umfassen und innerhalb des Instrumentes eingeschlossen zu erhalten, so dass es zur Herausbeflh'derung nut eines sehr ge.ringeh Andrlickens nach vorn bedars Es sind im Wesentlichen LStYel mit sehr breiter (3'/,--4'h ram.), rundlich ovaler Schaufel, wc!che pllitzlich in einen dfinnen Halstheil iibergeht, um alle Bewegungen fret und ohne Quetschung der Wunddinder ausf'dhren zu kSnn~n. Der Grund der Schaufel ist nicht sehr aus- gehShlt, um beim Senken des Griffes allenfalls ein

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leichtes Andrficken nach vorn, im Sinne des fi'fiheren Spatels auszufiben. Der Randtheil der S(.haufel erh(.bt

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sich sowohl nach vora, wie nach den Seiten ziemlich steil gegen den Schau- felgrund und ist ver- h~iltnissm~issighoch (c. lt/4mm.), um das Entsehlfipfen der einmal gefassten Theile zu verhin- dern. ~le Kanten selbstsind nurMcht zugesch~rft, da sie lediglich den Wi- dcrstand einer wei- chen Corticalis zu fiberwinden haben mad sich bei der IIerausbef~rderung gegen die hintere Kerafliichc andr~ik- ken, abet nieht ein schneiden sollcn. Im Uebrigen haben die Schaufeln selbst die verschiedensten GrSssen, .ie nach der Dicke der 'er- weiehten Corticalis und den Dimensio- nen des Linsenker-

nes. Je grasser die erstere und dem entsprechend je kleiner dec Ietztere ist, desto kleinere LSffel werden

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genommen; immer aber muss dies vor der Operation

bestimmt werden, da das Gelingen an ein sofortiges

Fassen des Kerncs bei der ersten Einft'lhrung des LSffels

gebunden ist. Eine iede Verschiebung des Linsenkernes

mit einem unzureichenden LSffel kann Ruptur der Zo-

nula mit Austritt des GlaskSrIers herbeifiihren und den

Effect geftihrden. Ist man der KerngrSsse nicht voll-

kommen sicher, so nehme man lieber einen zu grossen

LSffel, als umgekehrt. In vorstehender Figur gebe ich

einige Ansiehten von versehiedenen Formen ties

S c h u f t ' s c h e n LSffels~ wie ich re ich deren in den

letzten Monaten bei meinen klinischen Operationen be-

dient habe,

W a s die Technik anbetrifft, so ist es zuniichst

beim ersten Acre der Operation wichtig, dass die innere

Hornhautwunde gertiumig angelegt wird, damit die

.breiten Schaufeln dieselbe ohne Quetschung passiren

kSnnen. Ich bediene mich, wie ich sehon {riiher

(l. c.) erwtihnt, zur modifieirten Linearextraction sehr

breiter Lanzenmesser , welche aber nicht convexe: sou-

dern g rade '* ) Schneiden haben. Beim Zuriickziehen

dieser Lanzen ist es zweckm~issig, die Axe des Instru-

mentes erst naeh dem einen, dana nach dem andern Wundwinkel zu wenden~ um die Sehneiden nicht auf

die ~iussere, sondern auf die innere Hornhautwunde

wirken zu lessen. Erstere ist ia ohnedem wegen der

triangultlren Form des Instrumentes relativ zu gross

und auch aus andera Grtinden deren Quetschung welt

*) Die Zeichnungen verdanke ich tterrn Dr. Sehuft. Es sind die n~.mlichen, weleho derselbe fiir seine jetzt im Drueke befindliehe Broehiire bestimmt hat.

**) Ieb. ziehe dig grades Sehneiden den eonvexen vet, theils well des :Einsteehen ein gleichm:.-issig seharfes tat, also bei der :Eiaf'dhrung eia coastantes Kraftmaass erheiseht, tb.eils weil es, wie ebenfalls bereits erSrtert, mit graden Sehneiden welt leichter ist, die inhere Wunde beim Zuriiekziehen zu erweitern, w~hrend dies bei eonvexen Sehneiden eine ausglebigere uad deshalb unbequeme Wendung der ~.xe erheiseht.

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weniger zu ffirchten, als die tier letzteren. F{ir die, der Punction folgende Excision der Iris w{isste ich nichts hinzuzul'~igen, als class sie ein breites Irisst[ick betreffen und am besten bis zur Irisperipherie reichen muss. Bei dem dritten Act hebe ich noch einmal hervor, (lass es unumgtinglich nSthig is(, die Kapsel nach der Wundseite, also nach der Schl~fe hin, bis in (tie N~ihe des Liuscn~quators mit dcm H~ikcheu oder Oystitom zu erSffncn, damit man hier sofort den Lt~f- ibl frei um den '~usseren Rand des Kernes in die ilintere Gorticalis einfl]hren kann. Der LSffel endlich muss seh r s te i l eingeschoben werden. Diese Noth. wendigkeit ergiebt sich aus der rasehen Erhebung der Schaufelr~nder gegen den Schaufclgrund. Es muss .ja (lie hintere Peripherie des Kernes umgangen werden, ohne dass eine Gegenwirkung tier R~nder gegen den Kern entsteht und diesen irgendwie verschiebt. So wie man fiber den hinteren Pol des Kernes hinweggelangt is(, t'{~hlt man, dass der Griff des Instrumentes sich ohne Wi- tiers(and zurfick]egen l~sst. Dies geschehe so welt, bis man ein ]eichtes Anstemraen des Kernes gegen die Hornhaut, oder ricbtiger gesagt, nur dessen Fixirtsein zwischen LSffel und Hornhaut t~]hlt. Von .jetzt ab ist die Entfernung des Ket'ns eine sichere, es ist also be- senders wichtig, zu diesem Termine rasch zu gelangen. Tritt vorher eine Ruptur der Zonula oder tellerf~Jrmigei~ Grube Bin, Z. B. bei unrichtiger Ffihrung des Ins'trumentes. zu compacter hinterer Corticalis n. s. w., so ivird die noch nicht fixirte Linse dtlrch den vortretendeu Glask~rper nach innen verdr~ingt, deren Fassen ersehwert und auch bedenk- lich, da nun beim Hinterlegen des Li~ffels der innere Theil tier Iris mSglicherweise einer Quetschung ansgesetzt ist. Ein Hauptvortheil der modificirten Linearextraction soil ja darin liegen, dass einmal die Bahn tier Instrumente und der austretenden Linse in den yon Iris fi'eien Raum f~illt und class namentlieh dcr Gegendruotk yon hiaten, der die

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Iris so leicht contusionirt, dem Contrum des Pupillar- raumes entsp,.icht. Bei tier weiteren HerausbefSrderung der Linse ist es kaum nSthig, irgend einen Druck ge- gen dig Hornhaut auszufiben, da die R~inder des Instru- mentes das Gefasste eng umsehliessen.

Auch zu andern Zwecken habe ich den S c h u i ' t ' - sehen LSffel angewandt. Namentlich eignet er sich zur Enffernung yon Linsenkernen, welche nach Nadel- operationen in die vordere Kammer vorgefallen sind. Ein jeder Praetiker weiss, dass die Entfernung solcher Kerne zuweilen wegen ihrer Mobilit~it misslich ist, fer- net, dass man mit dem Dav ie l ' s chen LSffel, mit welchem man eine Hebelbewegung gegen die hintere Hornhautwand ausffihren muss, leicht Randtheile ab- kneift, deren Zurfickbleiben die Heilung verschleppt. Bei Anwendung dieses neuen LSffels finder das Alles nicht start; was einmal in dessen HShlung sich befindet, wird auch mit Sicherheit herausgebracht. Ferner ge- brauchte ich denselben mehrmals, wenn fremde KSrper in traumatischen Cataracten ste('kten und ich zur linearen Extraction des letzteren reich vor Allem der ersteren versichern musste.

Ein seheinbarer Einwurf gegen das Instrument liegt in dessen GrSsse, welehe bei dem ersten Anblicke wahr- haft erschreckend ist. Abgesehen davon, dass ich dieses Bedenken zum Theil aus der Effahrung widerlegen kann, wird kS auch dutch eine reifliche Ueberlegung entkdifiet. Machen wit 5berhaupt die Wunden gross genug, um ein f[]r den Durchtritt des Linsenkernes genfigendes Klaffen zu gestatten, so wird auch der geeignete LSffel ohne Quetschung eingelassen werden. Da sich tier LSffel seiner Form nach dem Linsenkerne anschmlegt und diesen durch den Gegendruck des Schaufelgrundes immerhia etwas abflacht, so bedingt er keine erhebliche Volumszunahme ffir die durch d'ie Hornhautwunde dutch-

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zubringende Gesammtmasse. Gaben wir aber aueh letztere zu, so gewinnt man andererseits dureh die. feste Fixirung des Linsenkernes mit dem LSffel lind dureh die Leitung desselben in der f'dr den Austritt zweekm'~ssigsten Bahn so viele Vortheile, dass der erw~hnte Naehlh~il dagogen versehwindat. Aueh trilt ErSffnung des GlaskSrpers verh'~Itnissm~ssig selten bei riehtigor Wahl tier F~tle und behutsamer Fiihrung des Iustrumentes ein. Wo sie vorkommt~ ist sie zwar nieht gleiehg[ittig, immerhin aber weniger bedenklieh, als bei einem schmalen Instrumente. So lange nRmlich die Schauf?l selbst sich in der Wnnde befindet, kann nnr wenig Glaskgrpermasse zur Seite und im R@ken des Instrumentes austreten, dessen tIShhmg dutch Corticalmasse gefiillt wird, ist das Instrument schon so welt vorgeriickt, dass der Halstheil in der Wunde liegt, so kann freilieh GlaskSrper austreten, aber der Linsenkcrn ist dann unwiederbringlich ge- fangen, weil die Sehaufel sich bereits hinter demselben befindet. Nur wenn w~ihrend jenes ers,eren Zeitmomen- tes dnrch nngestiimes Driicken des Patienten die Glas- kSrpersubstanz stfirmisch nach der Wunde ged~ingt, oder der LSfl'el, statt nm den Kern, gegen dessen hin- tere Peripherie geschoben wird, entsteht eine Disloca- tion der Linse, an welche sich die obon ge~usserten Bedenken in vollem Maasse kniipfen. Der Hauptvor- theil des Instrumentes liegt immer in der totalen Enl- fernung des Linsenkernes selbst. Suppuratiw; Irido- ceratitis r~ihrt nach linearen Hornbautwnnden, abgesehen ton etwaiger Quetschung tier WundrRuder durch Instru- mente oder zu grosse Linsenkerne, vorwaltend yon rliekbleibenden Kernfi'agmenten her. Letztere sind es aueh, welehe chronische, lritis hedingen und so das Rdsultat Ffir das SehvermSg'en schm~ilern.

Was die I n d i e a t i o n e n anbetrifft, so mSchte ich die frfiher fiir die modifieirte Linearextrac/ion aufg~stellten

Arehiv ffir Ophthalmologie. Vl. ~. ! l

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trotz der instrumentellen Verbesserung nicht wesentlich erweitern. Das u einer weichen Corticalis bleibt flit einen reinen Erfolg eine unerl~issliche Be- dingung. Der L~iffel muss eben zwischen hinterer Kap- sel und Linsenkern in der hinteren Corticalis vorge- schoben werden. Bei einer compacten Corticalis ist dies nicht m~iglicb. Die Linse wird dislocirt werden und deren vollkommene Entfernung entweder gar nicht oder nut mit Quetschung der Iris gelingen. Auch die Hornhautwunde wird durch den Austritt einer total- compacten Linse dermassen gequetscht werden, dass die Nachtheile ihrer geringen Dimension die Vortheile bedeutend iiberbieten. Jedenfalls werden viele Briickel yon Rindensubstanz zurlickbleiben, welche, bei con- sistenter Beschaffenheit, die Uebelst~nde yon Kernfrag- menten theilen.' Dagegen muss zugegeben werdert, dass es mit Benutzung des neuen Instrumentes nur einer m~issig dicken Lage weicher Corticalis bedarf und dass der Kern demgem~iss schon ansehnlich sein kann.

Es liegt mir ferner nicht im Sinne, fiir alle F~ille yon Alterscataract mit weicher Corticalis die modificirte Linearextraction der Lappenextraction Substituiren zu wollen, was ich hier nochmals hervorzuheben reich be- wogen s da ich offenbar yon mehreren Seiten miss- verstanden worden bin. Ich halte, so wie einmal Kern- sclerose atlsgebildet ist, dic Lappenextraction flit das beste Verfahren, welches die reinsten Resultate liei'ert; doch gicbt es leider viele F~ille, in denen die Chancen fiir eine g~te Wundheihmg nach der Lappenextraction ungewiihnlich sinken, in denen wir deshalb auch volles Recht haben, uns nach einem Ersatze u mzusehen. Hier hat die modificirte Linearextract~on iliren Platz und mei- nes Eraehtens bei weicher Corticalis einen welt sichreren Platz als die mit der Discision verbundene Reclination des Kernes durch die Sclera. In gaaz ungiinstigen

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Fallen, z. B. we eill Auge dutch eine gut ausgefiihrte Lappenextraction zu Grunde gegangen ist und ausser- dam clue sehr bedenkliche Disposition des Allgemein- befindens obwaltet, mag man fibrigens das Gebiet der modificirten Liaearextraction noch wetter ausdeh~len und selbst solche F~ille, in denen die Corticalis nicht breiig erweicht ist, operiren; mall muss sich alsdann aber be- wusst seth, dass eine vollst~indige Entleerung der Cor- ticalis nicbt eintritt, dass (]as Zuriickbleiben ganzer Rindelaschichten nach derlei Operationen bet alten Leutea gew;3hnlich chronische Iritis versehuldel, welche Nach- operationen erheischt, endlieh, dass bet der nicht zu vermeidenden Quelscbung aueh die Gefabr ether sofor- tigen suppurativen ZerstiSrung, wie nach der Lappen- extraction, existirt. Unter solcben Atlspieien werden wobl Viele, und vielleicbt mit Recht, eine Reclina- tion vorziehen. Will man dennoch die modificirte Liaear-Exlraetioa verriehten, so rathe icb, einige Wochen vorher eine Iridectomie nach der Nasenseite voranzusebicken, weil grade dieser Theil tier Iris am meisten dea consecutiven Zuf~llen ausgesetzt ist. Die abnorme Gr~isse des durch die zwei gegeniiberliegendeu Irisdelecte entstandenen Pupillarraums braucht man nicht zu fiirebten, da einmal dies Bedenken im Verhiiltnisse zu dem als fraglich pr~isumirten Haupterfolg unter- geordnet ist, sodann well tier chronische Reizzustand, welcben (tie zuriickbleibenden Rindentheile mit Wabr- seheinlichkeit hervorrufen, doch die PupillarSffnung wieder bedeutend verkleinert. Etwas N~iheres fiber diese vielleieht sonderbar erscheinende Aushiilfe werde ich bet Gelegenheit der Operation einiger mit Diabetes melitus verkniipften Cataracten hinzlffligen.

Schliesslieh widerrathe ich, den S e h u ft ' scheu Liiffel bet einfachen Linearextractioaen ohne Iridectomie anzu- wenden. W e kein verh~irteter Linsenkern existirt und

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wit deshalb die Iris intact lassen, handelt es sich nur datum,, die Wunde klaffen zu lassen, allenfalls den Druck yon aussen kunstgerecht zu verst~irken. Die Einf'dhrung eiaes Ltiffelinstt'umentes in das Linsensystem ist demrmch (iberftiissig und ansscrdcm naehtheilig, weil die ohnedem nach der Wunde zusammengedr~ingte Iris dadureh geschoben und gequetscht wird.

6. Znr T h e r a p i e der c h r o n i s c h e n K e r a t i t i s .

Wir sehen h~iufig Hornhautentziindungen, welche ursprfinglich in Form umschriebener gei~issloser Infil- trationen auftraten, oder als vascul~ire, biischelfSrmige Keratitides yore phlycth~inulfren Process dependirten, sicb dadurch ins Unbestimmte verl~ingern, dass, nachdem die Rilckbildung eiue gewisse Stufe erreicht hat, wieder neue entziindliche Schwellungen in den s erkrank-

I ten Hornhautpartmen entstehen, zu denen auch wohl anatoge Erkraukungen fi'[~her gesunder Hornhautpartieen sich hinzugesellen. Zuweilen l iegt dies einfaeh daran, dass wiihrend der Heilungsperiode die erfordel.liche Abwehrung ~iusserer Sehadlichkeiten yon den Patienten nieht eingehalten wurde. Nehmen wir soh',he Patienten in ein Hospital auf und sorgen fiir die Erfiillung der betreffenden R(icksichten, so sehen wir auch die Hei- lung vollst~indig und dauerhaft werden. Gesichert wird vollends der Erfolg, wenn gleichzeitig gewisse Topiea, welche erf'ahrungsgemiiss den erkrankten Hornhaut- partieen mehr Widerstandsfiihigkeit ertheilen, zu It(ilfe gezogen werden. Specielle Beriicksichtigung verdient zuweilen der Lidschlag und Liddruck. Derselbe kann der Bildnng einer soliden Epithellage, ])csonders bei ] �9 �9

oberft~ichlichen Ulcerationen fiber infiltt'irten Hornhaut- steller~, hinderlich in den Weg treteu. Verschluss der Lider und Veriahren, die den Liddruck vervingern,

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zeigen sich alsdann yon Erfolg. In manchen F~illen ist es auch zweckmilssig~ die kranke Epithellage mit dem |)aviel'schen LiSffel zu cntfernen, ein Verf'ahren, auf dessen Indicationen ich n~chstens eingehen werde. Ein Miufiger Grund der Recidive liegt bekanntlich in wiederkehrenden phlycth~inuliiren Ausbriichen auf der Conjunctiva bulbi, resp. am Hornhautrande. Solchen Ausbriichen ist, abgeschen yon den dutch die Constitu- tion der Kranken etwa gebotenen inueren Mitteln~ mit den geeigneten Topicis, insonderheit mit Einstreuen yon Calomel u n d dam Einstreichen rother Pr~cipitatsalbe entgegenzutreten. Immer soll unsere Aufmerksamkeit auf die Complication mit Thr~inensackleiden, mit Ent- ziindung dcr. M e i b o m'schen DNisen, partieller Trichia- sis gcrichtet sein.

Noch ein anderer Grnnd flit den vcrschlepptcn oder recidivirenden Verlauf, welehen ich bier besonders hervorheben will, liegt darin, dass ira einer gewissen Periode der Krankheit die Lider mehr anschwellen und das Auge etwas abzusondern anf~ingt, Umsliinde, die eine lebhaftere Betheiligung des Conjunctiv.alsacks ver- kiinden. Dicse ist es, welche eine entziindliche Er- weichung in den erkrankten Hornhautpartieen wicder erweckt und unterhNt. Ein ieder Augenarzt weiss, dass unter den erw~hnten Verh~ltnissen ein adstringirendcs Verfahren, wie es sonst bei chronischer Conjunctivitis passt, z. B. Einstreiehen einer Hiillensteinsolution, auch indirect gegen die chronisehe Keratitis yon Nutzen scin kann. Auf der andern Seite haben diese Mittel, wenn entziindliche " Hornhautinfiltrate sich in progressiver Schwellung befinden, auch ihre Uebelst~inde, insofern sie sich diffundiren und zunilchst file die Hornhantober- flilche einen naehtheiligen Reiz abgeben.

Schl~igt man in derlei Fallen das obere Lid urn, so finder man den Tarsaltheil dee Conjuncti'ea wohl

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etwas ger~Sth,t, aber nicht wesentlich erkrankt, forcirt maa dagegcn das Ectropion, so gcwahrt man, dass der zwischen dem oberen Tarsalrand und der Uebergangs- falte ]iegende Conjunctivaltheil der Sitz ebler localen Schwellung, resp. Wulsturlg geworden ist. Hier ist der locale Ausgangspunkt des hirJztzgetretenen Conjunctival- leidens. Dem entsprechend f6rdert eine kunstgerechte Umstimmung des bctreffendet~ Theils die Heilung ausser- ordentlich und versichert deren Bestand. Ich touchire denselben mit mitigirtem Lapis, j a in eiaigen F~illen mit reinem Lapis und neutralisire in fiblicher Weise. Ich bin wohl bedacht den Tarsaltheil vSllig zu schonen, weil tin Bestreiehen desselben ganz unniitze Reizung hervorbriugt. So lange sich die Wirkung des Causti- cure nut aui das erw~ihate Bereich erstreckt, ist der Schmerz beiuahe Null. Auch kommt eine hier bcfind- liche Eschara am wenigsterl mit der tIornhaut in Be- rfihrung. Das Aust~ihren der Aetztmg ist durch die Schwellung des erw~ihnten Conjtmctivaltheils wesentlich erleichtert, da sich derselbe, wenn wit das Ectropitlm einigermassen forciren, yon selbst hervorst~Jlpt. Zuweilen ist es zwcckm~issig, nach tier Aetzung tilchtig zu sca- rificiren, nut in sehr dringenden F~llen exeidire ich aus eben diesem Theile ein sehmales Stfick parallel mii dem TarsMrand~ um einen rasehen Collapsus herbeizu- ffihren.

Namentlich h~ufig stellen sich die erw~hnten Um- st~inde bei scrophulSsen Kindern ein, welche mit bfischel- s Keratitis oder chronischen vascularisirten Horn- hautsinfiltraten behaftet, lange in der S~ube oder in HospitMr~iumen gehalten werden.*) Ich habe oft ge-

*) Bekanntlieh disponirt die ~n~ziehung der freien Luft vor Allem zur Betheiligung des Conjunetivalsacks und liegt hierin ein gewiehtiger Grund, weshalb wir Kinder, die mit ehroniseher Keratitis behaftet slnd, we m~glieh nieht au das Zimraer binden.

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sehen, dass Collegen sieh dariiber wundern, wenn als- dann die ffir das Hornhautsleiden scheinbar ange: zeigten Topica, als Calomeleinstreuungen, Pr~icipitat- sa|be u. s. w., nicht mehr nutzen, sondern den Zustand verschlimmern. Hingegen bringt das einigemal wieder- holte energische Aetzen des umschriebenen Conjunctival- theils die Hornhautl)rodukte sofort zur erwlinschten Riickbildung.

Zuweilen ereignet es sich, dass bei den Recidi- yen so[chef Keratitides multiple Infiltrationen ul~d UI- cerationen yon recht drohendem Habitus auftreten. Hier k~nnen wir allerdings in Zweifel gerathen, ob die vor- geschriebenen partiellen Aetzungen unmittelbar anzu- stellen oder besser eine Zeit lan~, unter Anwendung

kalter. Umschl~ilge und einem ableiteudeu Vcrfahren zu temporisiren sei. Es wird dies v0n der n~iheren Be- schaffenheit der entziindlichen Hornhautsproducte einer- seits, von der Reizbarkeit und dem Liddruck anderer- seits abhfingen. Soviel abet kann gesagt werden, dass, wenn iiberhaupt der oben erw~ihnte Conjunctivahheil sehr sehlaff geschwollen, der Liddruck und die Reiz. barkeit nicht allzuhoch ist, eine parfiellc, gut neutralisirte Aetzung selbst bei bedrohlichen (zur partiellen Necro- sirung) tendirenden Hornhaut-Ver~iuderungen keinen Naehtheil mit sieh filhrt, im Geg(mth,~il d~ml Prnzesse wirksam entgegentritt.