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10 Wellendichtungen und Schubausgleich
10.1 Spiele an Dichtungen und Schaufelungen
Von Sonderfällen abgesehen, werden im thermischen Turbomaschinenbau allgemein berührungsfreie Dichtungen (Labyrinthdichtungen), Abb. 10.1.1, verwendet. Nur wo eine restlose Absperrung nach außen unerläßlich ist (z.B. giftige Gase), müssen andere Mittel wie Flüssigkeitsdichtungen, Abb. 10.1.2 und 3, oder Berührungsdichtungen herangezogen werden. Die in den Anfängen des Dampfturbinenbaues viel benutzten Kohlestopfbüchsen haben sich nicht bewährt, nicht nur weil sie für höhere Werte von Druck und Temperatur ungeeignet waren, sondern auch weil geringfügige Spielvergrößerungen durch Anstreifen zu starken Lecksträmungen führten. Hingegen ist in neuerer Zeit vereinzelt der Gedanke wieder aufgegriffen worden, die Dichtungen spielfrei zu montieren. Die auf der Welle befindlichen Labyrinthkämme laufen dann gegen einen stillstehenden Teil aus einem Werkstoff, der dem Abrieb wenig Widerstand entgegensetzt und damit die Kämme nicht beschädigt. Man nimmt an, daß man auf diese Weise das geringste Spiel erhält, das betrieblich möglich ist.
aehiil1se
Abb.10.1.1 Beispiel einer Labyrinthdichtung für Wellen und Ausgleich
kolben.
Abb. 10.1.3 Ölsperrung mit zwei schwimmenden Ringen, schmaler Ring gegen Innenseite,
breiter gegen Außenseite (Sulzer).
Abb. 10.1.2 Beispiel einer Flüssigkeitsdich
tung.
~~; -~~Oichlungs~slreifen Abb. 10.1.4 Beispiele von Laby-
rinthdichtungen. a) kombiniert axiale und radiale Bauart; b) rein radiale Bauart.
W. Traupel, Thermische Turbomaschinen© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
10.1 Spiele an Dichtungen und Schaufelungen 555
Enge Dichtungsspalten können an sich radial oder axial angeordnet sein (s. Abb.10.1.4). Für die notwendige Größe der Radialspiele sind maßgebend: Die Lagerspiele, Herstellungstoleranzen und Montagefehler (beachte die mögliche Summierung der Fehler der Bauteile, die z. B. für die relative Lage eines Lagers und einer Labyrinthbüchse maßgebend sind!), nicht vollkommene Formbeständigkeit der Teile (Schwinden, Unrundwerden von Gußstücken), Durchhang des Rotors und Ausschlag beim Durchfahren der kritischen Drehzahl, Wärmedehnungen und durch diese hervorgerufene Deformationen. In der Mehrzahl der Fälle ist der Einfluß der Wärmedehnungen überwiegend. Deshalb müssen die Änderungen der Abmessungen und gegenseitigen Verschiebungen der einzelnen Konstruktionsteile, insbesondere beim Anfahren und Abstflllen vorausbestimmt werden. Früher konnten darüber nur überschlägige Berechnungen angestellt werden, während heute der Elektronenrechner in vielen Fällen die Möglichkeit gibt, den zeitlichen Verlauf dieser Wärmedehnungen verhältnismäßig genau vorauszuberechnen. Daraus ist zu erkennen, welches die kritischen Situationen sind und wie groß die Spiele wirklich bemessen werden müssen. Dies gilt in gleicher Weise für die Wellendichtungen, wie auch für die Spiele an den Schaufelungen. - Daneben gibt es gewisse Faustregeln, die man aber in allen irgendwie heikleren Fällen durch Untersuchungen der genannten Art ergänzen sollte.
Nach einer häufig benutzten Regel soll der Radialspalt mindestens 1j1000 des Durchmessers betragen. Ist nun z.B. der Wärmeausdehnungskoeffizient des Werkstoffes 1,3' 10-5(0)-1 und erwärmt sich der Rotor im Betriebe um 400°C, so wird sein Radius um 0,52% größer, während das Radialspiel nach dem eben Gesagten 0,2% des Radius ist. Die Einhaltung dieses Spieles ist zwar möglich, da sich ja der ruhende Teil etwa in gleichem Maße ausdehnt wie der bewegte, doch muß offenbar der zeitliche Verlauf der Temperaturänderung für beide Teile ähnlich sein, da sonst doch zeitweilig das Spiel verschwinden könnte. Dies zeigt, daß die erwähnte Regel etwas allzu roh ist, da sie in keiner Weise die besonderen Verhältnisse berücksichtigt. Auch darf mit Rücksicht auf die unvermeidlichen Ungenauigkeiten das Spiel nicht bis auf sehr kleine Durchmesser hinab proportional zu diesem abnehmen. Richtiger wird es daher sein, sich etwa an folgende Regel zu halten. Ist !5 die radiale Spaltweite und D der Spaltdurchmesser , so sei
D !5 = A 1000 + 0,25 mm, 10.1(1)
wobei A = 0,6 für Verdichter
A = 0,85 für Turbinen und ferritischen Werkstoff,
A = 1,3 für Turbinen und austenitischen Werkstoff.
Der kleinere Wert für die Verdichter ist begründet durch die mäßigen Betriebstemperaturen dieser Maschinen. In den Niederdruckteilen von Kondensationsturbinen, die an sich auch mit niedrigen Temperaturen arbeiten, treten jedoch sehr viel ungünstigere Verhältnisse auf, weil einerseits die komplizierten Gehäuseformen sich leichter verziehen und anderseits beim Anfahren, wo der Dampf zunächst stark überhitzt in den Abdampfstutzen gelangt, äußerst schroffe Temperaturunterschiede auftreten. Hochwarmfeste austenitische Werkstoffe besitzen geringere Wärmeleitfähigkeit A und höhere Wärmeausdehnungszahl IX als ferritische, was beides die auftretenden Dehnungsunterschiede vergrößert. Der Quotient IXjA ist für die austentischen Stähle im Temperaturbereich von 600 bis 700°C etwa 1,4-bis 1,9mal größer als für ferritische Werkstoffe, womit der größere Koeffizient A begründet ist, der sich auch nach der Erfahrung mit austenitischen Gasturbinenläufern aufdrängt. Bei sehr kleinen Maschinen (z.B. Ladegruppen) kann das Konstantglied in GI. 10.1(1) auch vermindert werden.
Bei Dichtungen an langen Rotoren, die an verhältnismäßig kleinen Durchmessern erfolgen (z. B. an den Zwischenböden von Gleichdruckturbinen), sind oft nicht die Wärmedehnungen für das Spiel maßgebend, sondern der Durchhang und der Ausschlag beim
556 10 Wellendichtungen lind Schubausgleich
Durchfahren der kritischen Drehzahl. Als empirische Regel wird etwa angegeben [11]
ö = 1,7' lO-iL, 10.1(2)
wo L der Lagerabstand ist. Wo diese Formel ein größeres Ö liefert als GI. 10.1(1), ist dieses letztere maßgebend. Für axiale Spaltweiten sind grundsätzlich Überlegungen maßgebend wie für die radialen, nur fallen die Einflüsse der Lagerspiele, des Durchhanges und der Rotorausschläge weg. Dafür machen sich die Wärmedehnungen meist noch stärker bemerkbar, weil die Axialabmessungen größer sind als die mdialen. Relative Axialverschiebungen von stillstehenden und bewegten Teilen können beim Anfahren und Abstellen mehrere mm betragen. Deshalb sollten enge Axialspiele, wcnn überhaupt, so nur in kurzem Abstand vom Axiallager vorgesehen werden, da dort die Relativverschiebungen noch gering sind; viele Konstruktionsfirmen vermeiden sie überhaupt grundsätzlich.
a b
Abb. 10.1.5 Bemessung des Radialspaltes am Schaufelende. Variante a) verlangt Berücksichtigung der Längsverschiebun.
gen, was bei Variante b) wegfällt.
Bei konischer Begrenzung des Meridiankanals (vgl. Abb. 10.1.5a), muß die Bemessung' des Radialspieles darauf Rücksicht nehmen, daß eine relative Axialverschiebung von Rotor und Stator um den Betrag a die Spaltweite um den Betrag a sin iX verändert, wenn iX
der Konuswinkel ist. Deshalb wird manchmal die Ausführung nach Abb. 10.1.5 b vorgezogen.
10.2 Gestaltung der Labyrinthdichtungen
Um den Durchfluß durch Labyrinthdichtungen möglichst herabzusetzen, ist es zweckmäßig, die einzelnen Spalte nicht etwa in einer Flucht anzuordnen, sondern sie in geeigneter Weise zu versetzen, vgl. etwa Abb. 10.1.1. Dadurch wird eine Verwirbelung der Geschwindigkeitsenergie nach jedem Spalt sichergestellt, sobald die Abstände der einzelnen Spalte nicht zu gering sind. Bei Ausführungen der in Abb. 10.1.1 dargestellten Art betragen die Abstände der Dichtungsstreifen meist etwa 5 bis 7 mm, manchmal auch noch mehr, nämlich dann, wenn die gegenseitige Axialverschiebung zwischen Rotor und Stator dies nötig macht. Völlig unempfindlich gegen Axialverschiebungen sind Anordnungen, bei denen auf eine Versetzung der Spalte verzichtet wird, sog. "Halblabyrinthe" (s. Abb.10.2.1).
Abb. 10.2.1 Halblabyrinth an einem Leitradzwischenboden.
10.2 Gestaltung der r.abyrinthdichtungen 557
Sie sind auch mltnchmal aus montagetechnischen Gründen unvermeidlich. Ihre Leckverluste sind aber wesentlich größer wegen der unvollständigen Verwirbelung in den einzelnen Kammern. - Sehr güm;tige Abdichtungseigenschaften haben Labyrinthe der in Ahb. ]0.2.2 dargeHtellteh Art, doeh erfordern Hie eine kompliziertere Montage.
Abb. 10.2.2 Labyrinthdichtung mit ineinandergeschachtelten Labyrinth
kämmen.
Stets wird eines der beiden Elemente, zwischen denen der enge Spalt entsteht, als dünner Ring oder Kamm ausgebildet. Dadurch wird eine ernstere Gefährdung der Maschine im Falle des Anstreifens vermeiden, da sich der dünne Teil dann verhältnismäßig leicht und ohne zu große Wärmeentwicklung abnutzt. Allerdings wird das Ziel der sicheren Vermeidung jeder Gefährdung nicht völlig erreicht, was schon die große Verschiedenartigkeit der Bauformen beweist. Vor allem stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der dünne Teil am Stator oder am Rotor anzubringen sei. Wird der dünne Teil am Rotor vorgesehen, so wird beim Streifen die Ableitung der Reibungswärme an diesen sehr behindert, womit einseitiges Erwärmen und Verkrümmen der Welle zurückgedämmt wird. Weisen aber die Labyrinthkämme bei dieser Anordnung einmal eine Beschädigung auf, so tritt an der Stelle dieser Beschädigung ein vergrößerter Durchfluß des Arbeitsmittels auf. Dadurch kann die Welle einseitig beheizt oder gekühlt werden und sich demgemäß verkrümmen, denn die Zone größeren Durchflusses läuft ja mit der Welle um. Dieser letztere Nachteil wird vermieden durch die umgekehrte Anordnung, bei welcher der Stator den dünnen Teil trägt. Manchmal werden auch dünne Streifen wechselweise an Stator und Rotor angebracht. Vorteilhaft ist es auch, gemäß Abb. 10.2.3 für Nachgiebigkeit zu sorgen, um die Wärmeentwicklung beim Streifen zu vermindern.
Abb.10.2.3 Labyrinthdichtung mit federnd gehaltenen Dichtungsschuhen und dünnen Abdichtungsstreifen, die wechselweise am Rotor und am Stator befestigt sind (KWU).
558 10 Wellendirhtungen und Schub[l,usgleich
Die Kämme selbst sind häufig (z. B. Abb. 10.1.1) Blechstreifen aus besonderem, leicht abreibbarem Werkstoff, z. B. Nickel oder phosphorhaItigen und darum brüchigen Legierungen gefertigt. Nickel ist bei Gegenwart schwefelhaltiger Verbrennungsgase unbrauchbar, sondern muß dann durch geeignete legierte Stähle ersetzt werden.
10.3 Theoretische Berechnung des Durchflusses durch I,abyrinthdichtungen
Die gestellte Aufgabe kann folgendermaßen formuliert werden. Gesucht ist die Masse m, die pro Zeiteinheit durch eine Folge von z Spalten vom Querschnitt fsp = n D <5 (gleich für alle Spalten) hindurchtritt, wenn der Zustand Pi' Vi vor dem ersten Spalt und der Druck pz nach dem letzten bekannt sind.
Eine theoretisch strenge Behandlung dieses Problems kann unter Anwendung der Fannokurve erfolgen, vgl. Abschnitt 3.8. Man schätzt zu diesem Zweck zunächst den Wert von m und konstruiert für diesen sowie den gegebenen Zustand Pi' Vi und den bekannten Durchflußquerschnitt die Fannokurve. Als Querschnitt kommt dabei allerdings nicht fsp
selbst in Frage, sondern der mit dem Durchflußbeiwert IX gebildete effektive Querschnitt f = 4sp • Nach jedem Spalt wird nun die Bewegungsenergie verwirbelt, so daß die Enthalpie wieder auf den Anfangswert hi ansteigt. So gewinnt man im hs-Diagramm den Verlauf der Zustandsänderung nach Abb. 10.3.1a und b. Hat man nun die Wahl von m gerade richtig getroffen, so wird im letzten Spalt entweder nach Abb. 10.3.1 a gerade der vorgegebene Enddruck pz erreicht oder aber der durch Punkt S der Fannokurve gekennzeichnete Zustand (s. Abb. 10.3.1 b). Im letzteren Falle tritt Schallgeschwindigkeit im letzten Spalt auf, worauf die weitere Expansion bis pz erfolgt, wie in Abb. 10.3.1 bangegeben. Sonst ist nun m zu ändern und das Verfahren zu wiederholen, bis eine der beiden Übereinstimmungen sich einstellt. Dieses Problem läßt in jedem Falle nur eine Lösung zu, womit der tatsächliche Wert von m gefunden ist.
fannokurve fannokurve
s-a b
Abb. 10.3.1 Darstellung des Expansionsvorganges in einer Labyrinthdichtung im Entropiediagramm. a) Strömung vollkommen im unterkritischen Gebiet; b) überkritisches Entspannungsverhältnis im letzten Spalt.
Für die Praxis wäre ein solches Vorgehen aber zu mühsam, weshalb von Stodola [9] einfache Näherungsformeln angegeben wurden. Eine erste Formel gilt für den in Abb. 10.3.1a dargestellten Fall und wird wie folgt erhalten. In jedem einzelnen Spalt wird die Durchflußgeschwindigkeit c angenähert nach der im inkompressiblen Falle gültigen Relation
c = V2Llpie = V2v Llp 10.3(1)
10.3 Theoretische Berechnung des Durchflusses durch Labyrinthdichtungen 559
berechnet, so daß also
oder
in = lee = I.!?... =IV2L1plv v
L1p _ 1 (in)2 -;--2" 7'
Weiter setzen wir vereinfachend voraus pv ~ P1V1, womit
A _ pv (m)2 P1V1 (in)2 P LJP - - - ~ -- -2 1 2 1 . über alle Z Spalten summiert ergibt sich
• 2 '" L1 _ ZP1V1 (m) "",P P- 2 J .
Den Summenausdruck links ersetzt man näherungsweise durch ein Integral, also P 2 2 . 2 J1 d = PI - P2 = ZPIVI (m)
P P 2 2 1 ' P,
woraus mit
die gesuchte Formel gefunden ist.
10.3(2)
10.3(3)
10.3( 4)
10.3(5)
10.3(6)
Ist insbesondere die gesamte Druckänderung L1p = PI - P2 sehr klein gegenüber PI> so läßt sich GI. 10.3(6) noch wie folgt umgestalten
in =1 l/(PI + P2) (PI - P2) ~I 1/2PI L1p =ll/2L1P . 10.3(7) V ZP1V1 V ZP1VI V ZV1
In diesem einfachen Grenzfall ist also der Durchfluß durch ein Labyrinth mit Z Spalten um den Faktor 1/V; kleiner, als wenn nur ein Spalt vorgesehen wäre.
Im Falle nach Abb. 10.3.1 b, wo Schallgeschwindigkeit im letzten Spalt auftritt, gilt dort nach den unter 3.6 behandelten Gesetzen
in = Iß V p' Iv' , 10.3(8)
wo p' und v' der Kammer vor dem letzten Spalt entsprechen und
( 2 )_1 l/~-ß = ~ + 1 "-I V " + 1 . 10.3(9)
Für den Teil der Labyrinthdichtung, welcher dem letzten Spalt vorausgeht, wenden wir GI. 10.3(6) an, wobei offenbar p' die Rolle von P2 übernimmt. Dann liefert die Gleichsetzung von GI. 10.3(6) und (8)
10.3(10)
oder mit p'v' ~ PIVI auch
was auf '2 _ p~
P - ß2(Z - 1) + 1 10.3(11)
führt. Ersetzen wir die in GI. 10.3(8) auftretende Wurzel wieder durch V p'2/P1V1 und führen für p' noch den Ausdruck 10.3(11) ein, so folgt
m ~JP V [ß'(z - ßl+ 1] P,", ~J VZ + ~ _ 1 (~:). 10.3(12)
560 10 Wellendichtungcn und Schubausgleich
Mit x = 1,3 folgt hieraus:
. f V 1 (PI) m, = IX sp Z+T.4;;' 10.3(13)
Damit Schallgeschwindigkeit im letzten Spalt überhaupt auftreten kann, muß gelten
P2 :c;: (_2_)x-':I p' - x + 1
oder nach GI. 10.3(11)
( 2 )" 1 ~: ~ x + 1 x=I V ß2( Z - 1) + 1
was mit x = 1,3 die Bedingung P2 < 0,85 PI = Vz + 1,4
10.3(14)
liefert. Ist diese erfüllt, so gilt GI. 10.3(13), andernfalls GI. 10.3(6). Es sei noch beigefügt, daß bei radial angeordneten Labyrinthen, wo der Spalt querschnitt sich von fSPI auf f8P2 verändert. in GI. 10.3(6) und (13)fsp zu ersetzen ist durch Vf8Pd8P2' Als Größenordnung des Einschnürbeiwertes kann etwa IX ~ 0,8 angegeben werden.
10.4 Theoretisch-empirisehe Berechnung des Durchflusses durch I.abyrinthdichtungen
Die Stodolaschen Näherungsformeln für den Durchfluß durch Labyrinthdichtungen geben zwar nie sehr große Fehler in der Größenordnung der Leckverluste, sind aber insofern unbefriedigend, als die beiden Gesetze GI. 10.3(6) und (13) an der durch GI. 10.3(14) gegebenen Grenze nicht stetig aneinander anschließen, was an sich gefordert werden muß. In Anbetracht der gemachten Vereinfachungen ist dies nicht verwunderlich. Man kann diesen Mangel vermeiden, indem man für eine genügend große Anzahl von Fällen die stenge Untersuchung nach der Methode der Fannokurve durchführt und die Ergebnisse in einem dimensionslosen Diagramm zusammenfaßt. Beim Vergleich der so ermittelten Leckmengen mit den experimentellen Beobachtungen treten aber immer noch charakteristische Abweichungen in Erscheinung. Diese beruhen darauf, daß der Durchflußbeiwert IX nicht eine durch die Geometrie der Anordnung gegebene Konstante ist, sondern vom Verhältnis Pvor Spalt/Pnach Spalt wesentlich beeinflußt wird. Insbesondere wird IX größer, wenn man dieses Verhältnis über das Schalldruckverhältnis hinaus steigert. Dies wurde bereits von Schiller [8J an scharfkantigen Blenden beobachtet und hat sich auch bei Labyrinthspalten gezeigt, vgl. z. B. Kearton und Keh [4]. Das theoretisch zu erwartende Verhalten, wonach bei gegebenem Druck vor Spalt eine Absenkung des Druckes hinter diesem keine weitere Durchflußvergrößerung mehr bewirkt, sobald Schallgeschwindigkeit erreicht ist, wird durch diese gesetzmäßige Änderung des Durchlflußbeiwertes überdeckt. Der Durchfluß nimmt also bei weiterer Absenkung des Gegendruckes noch zu.
Die Beachtung dieses Zusammenhanges ist notwendig, wenn mit der Erfahrung übereinstimmende Ergebnisse erzielt werden sollen. Über die Einzelheiten der theoretischen Behandlung der Labyrinthströmung unter Berücksichtigung des veränderlichen IX siehe z. B. [ 4]. Am exaktesten geschieht die theoretische Durchführung durch eine Verallgemeinerung der Methode der Fannokurve, wobei für ein gegebenes m eine Schar von Fannokurven gezeichnet wird, nämlich für jedes IX eine. Aus dem vorgegebenen Zusammenhang zwischen IX und dem Druckverhältnis liegt dann beim Aufzeichnen der zickzackförmigen Zustandskurve bei jedem Spalt fest, bis zu welcher der Fannokurven gegangen werden muß.
10.4 Theoretisch.empirische Berechnung des Durchflusses durch Labyrinthdichtungen 561
Ganz allgemein kann nun der Durchfluß durch die Formel
in = f8P(/J 1 lVI ___ .....l.V VI
10-4(1)
wiedergegeben werden, wenn (/J eine Funktion des Druckverhältnisses P2/Pl und der Spaltanzahl z ist, welche den Durchflußbeiwert auch bereits umfaßt. Der Aufbau dieser Formel folgt aus der Tatsache, daß die kritische (also maximale) Massenstromdichte für eine einzige Öffnung ß V PI/Vl ist [ß siehe GL 10.3(9)] und daß die Massenstromdichte für beliebige z und V2/VI zur kritischen Massenstromdichte in einem Verhältnis stehen muß, das eben nur von z und P2/PI abhängen kann. Man beachte, daß auch die Stodolaschen Formeln 10.3(6) und (13) auf diese Form zurückführbar sind. Alles läuft also auf die Bestimmung der Funktion ([J hinaus, die nur von zwei Variablen abhängt und daher durch systematische Berechnungen oder Messungen ohne unangemessen großen Aufwand auffindbar ist. Allerdings ist die Geometrie der Labyrinthanordnung für die Funktion wesentlich, wie z. B. aus den bei Trutnovsky [10] oder Kearton und Keh [4] angegebenen Versuchsergebnissen hervorgeht; man kann daher die Funktion ([J nur für eine jeweils gegebene Anordnung angeben.
Für Labyrinthanordnungen der im Turbomaschinenbau üblichen Art (etwa Abb. 10.1.1) gibt z.B. Abb. 10-4.1 (/J wieder, das insbesondere auf Grund der Arbeit von Kearton und Keh [4] berechnet wurde, und zwar mit einem Isentropenexponenten von u = 1,3. Bei u = 1,4 erhielte man mit einem einzigen Spalt bis 3% größeren Durchfluß. Mit steigender Spaltzahl z geht der Fehler aber zurück und verschwindet von etwa z = 6 an praktisch ganz. Steigt z über den im Diagramm angegebenen höchsten Wert 40, so dann, wie aus den Stodolaschen Formeln hervorgeht, sehr genau angenommen werden, daß fJJ umgekehrt proportional V; sich verändere.
Abb. 10.4.1 Durchflußfunktion f/J für Labyrinth. dichtungen.
7
0,6
0,5
-
0.2
l-
o
z=1
1-2 -3
iI
6 8
1JJ
15 20
30
r-q
0,2
-..... I'-....
'" '\ --- \
'" f\ -r-. ......... \ I"--... ~ l"'-r----... "'" "-
r'\. I'-.... -r-- .......
~ [\.\ l\ - r----- ............ -r-::::::: ~ ~ 1 r---r-- :::::: t--=::: ~ 1\1 I--- --.;:: I:::;--: ~ ~ ~
~ 0,4 0,6
Pz!P,--0,8 1,0
Bei Halblabyrinthen steht der unvollständigen Verwirbelung wegen jeweils vor dem nächstfolgenden Spalt noch eine erhebliche Geschwindigkeitsenergie zur Verfügung, was den Durchfluß vergrößert. Eine theoretische Erfassung dieser Vorgänge ist nicht möglich,
562 10 Wellendichtungen und Schubausgleich
so daß hier nur die experimentelle Bestimmung der $-Funktion in Frage kommt. Abb. 10.4.2 faßt nach Jones [3] die Ergebnisse umfangreicher Beobachtungen zusammen. Beim Gebrauch dieses Diagramms beachte man, daß jedem Verhältnis alt') eine Grenzkurve g zugeordnet ist. Der Schnittpunkt von g mit der Kurve, die dem gegebenen zentspricht, liefert jeweils das größtmögliche $. Senkt man P2!Pl unter den entsprechenden kritischen Wert ab, so erfolgt keine weitere Vergrößerung des Durchflusses.
1,0 I~ ~ ~ ö~kw~..0'#1W'#,@'4
t-
" ~ ~ §:: ~ ""- ~ '~ ~ t': '=: t::: t--- I'-.... -laI-
0.8
~ "-~ ~ I" ~ .......... i'.... ~
r-- ,- f\: ~ ~ " ..... ~
........ 10 f- f- f- f- ~
a/ö L\ .') ~ s;:: ~ ~ ~5 '\ z=~
7-~ ~ ~ 8.l 6
1~/ 'ls 12 , 13 ,
: 0,2
I .. -
o ~ ~ I
~ ~ ~ + ~ ~ ~ ! ~ ~ ~
--
"- ! ~ ~ 0 ~ I
f\\ ~ ~ ~ , '-..,
0,1
" " ~ " ~ " ~ ~ " ~ _. ~. -, r"\. \.." ~ "- .'" 'c!Z/ö=1J
'" '" ~ " ," '" ~ ~ ....... 10
0.2
1'\ r\ ~8 I'" r\7
I"~ 0.3
Abb. 10.4.2 Durchflußfunktion c[J für Halblabyrinthe nach Jones [3].
Die Diagramme Abb. 10.4.1 und 2 erlauben mit GI. 10.4(1) eine hinreichend genaue Ermittlung der Durchflußmenge durch die meisten im thermischen Turbomaschinenbau üblichen Labyrinthdichtungen. Sonderkonstruktionen, die mit diesen Unterlagen nicht behandelt werden können, müssen experimentell untersucht werden. Sehr umfangreiche theoretische und experimentelle Unterlagen über Labyrinthdichtungen verschiedenster Art gibt das umfassende Buch von Trutnovsky [10].
10.5 Schaltung von Labyrinthdichtungen 563
Aufschlußreich ist ein Vergleich der Wirksamkeit von Labyrinthdichtungen und Halblabyrinthdichtungen. Zu diesem Zweck ist in Abb. 10.4.3 das Verhältnis c[JHlc[JL in Funktion von z aufgetragen. Es ist dabei c[JIl der c[J-Wert für das Halblabyrinth, c[JL derjenige für das echte Labyrinth. Beide c[J sind jeweils gebildet beim gleichen Druckverhältnis und beim gleichen z. Es geht daraus hervor, daß bei einem Halblabyrinth mit alb = 10 und bei großem z der Massenstrom etwa das 1,7fache desjenigen einer Labyrinthdichtung ist. Wollte man auf den gleichen Massenstrom zurückkommen, so müßte beim Halblabyrinth z etwa um den Faktor 1, 72 ~ 3 vergrößert werden gegenüber dem Labyrinth. Nun nehme man an, bei einer Großmaschine sei der großen Axialverschiebungen wegen einem echten Labyrinth ein Abstand der Dichtungsstreifen von 15 mm nötig, während beim Halblabyrinth, das gegen Axialverschiebungen unempfindlich ist, der Streifenabstand 5 mm gewählt werden darf. Dann erreichen beide Konstruktionen bei gleicher verfügbarer Länge die gleiche Dichtungswirkung, wobei das Halblabyrinth den betrieblichen Vorzug der Unempfindlichkeit gegen Axialverschiebungen hat.
2.2 -- 0,5
r--- -----0, 7 ,...-\ -----0,8
V ..-H rr ~--
t.,...-: -- I P7PI~0,9 ..... \, -l----
2,0
V ~ f1/ö~5 I ' ....... f!!t---VI
~ --
0,5 --
1,6 ~ :-r:-,.- 0,7 / ,
0,8
V-~ I p/PI~0,9
V-I- ~ I I I 6 8 10 12 11, 16 18 20
z-Abb. 10.4.3 Verhältnis der Werte der Durchflußfunktion für Halblabyrinth und Labyrinth tPH/tPL'
Der Vergleich zwischen Halblabyrinthen mit alb = 10 und alb = 5 zeigt, daß die letzteren bei festem großem z einen etwa um den Faktor 2,1/1,7 ~ 1,25 größeren Durchfluß aufweisen. Bei festem b und gegebener Länge bringt man aber die doppelte Labyrinth-streifenzahl unter, womit der Leckstrom auf 1,251V2 ~ 0,88 zurückgeht. Man hätte also noch einen deutlichen Gewinn. Dem steht aber entgegen, daß man mit b = 0,5 mm bereits auf a = 2,5 mm geführt wäre, was fertigungstechnische Schwierigkeiten bereiten würde,
10.5 Schaltung von IJabyrinthdichtungen
Wie am Beispiel Abb. 1.9.4 gezeigt wurde, sind Labyrinthdichtungen in der Regel an mehr oder weniger komplizierte Leitungssysteme angeschlossen, wobei verschiedenartige Ziele verfolgt werden, z. B. Vermeidung des Eintritts von Luft ins Vakuum bei Dampfturbinen (Sperrdampf), Verhinderung des Austretens von Verbrennungsgasen oder auch der Beheizung der Welle durch diese bei Gasturbinen (Sperrluft), meist auch Verminderung der Verluste. Um dies letztere zu erreichen, ist am Beispiel Abb. 1.9.4 ein Ringkanal 6 vorgesehen, von dem ein Teil der Leckmenge der HD-Stopfbüchse einer Zwischenstufe der Turbine zugeführt wird. Nachfolgend wird gezeigt, daß durch diese Maßnahme tatsächlich ein Gewinn erzielt werden kann.
Nehmen wir etwa an, eine Dichtung habe von 24 bar auf 1 bar abzudichten, und zwar mit z = 20 hintereinander folgenden Dichtungsstellen. Dann ist c[J = 0,15 und somit nach GI. 10.4(1)
564 10 WeJlendichtungen und Schub ausgleich
Teilt man aber ein in einen Abschnitt von 24 auf 7 bar und von 7 auf 1 bar mit je 10 DrosseisteHen, wobei man die Stelle 7 bar mit einer entsprechenden Zwischenstufe verbindet, so erhält man für die beiden mit I und 11 gekennzeichneten Labyrinthdichtungen
m. 0 205 . - 1 0,205 V24-1ö5 - 318 f.p 'PI =, , mI - sp V - V- ,
VI VI
m. 0210 m' -1 0,210V~ - 949 fsp 'Pn=, , n - sp '24 -, Vv1 '
V7 V1
Beziffern wir also die Leckmenge im Falle ohne Abzweigung mit m = 1, so wird mI = 1,37, mn = 0,409. Vom gesamten Enthalpiegefälle in der Schaufelung entfallen aber 47,5% auf die Entspannung von 24 auf 7 ba,r, die restlichen 52,5% auf die Entspannung von 7 bar auf 1 bar. Die Menge mI ist folglich nur für 47,5% de Gefälles verloren, die Menge mn für 52,5%. Setzen wir also den Verlust ohne Zwischenentnahme aus der Labyrinthdichtung gleich 100%, dann wird derjenige mit Zwischenentnahme 1,37' 47,5 + 0,409' 52,5 = 86,5%. Bei größeren Druckverhältnissen wird der Gewinn noch fühlbarer, und er wird außerdem auch dadurch noch vergrößert, daß die Beimischung der heißeren HD-Leckmenge in die betreffende Zwischenstufe noch einen zusätzlichen Rückgewinn ergibt.
Bei Anlagen, die aus mehreren Maschinen und Apparaten bestehen, wie etwa große, mehrgehäusige Dampfturbinen, kann das gesamte Labyrinthschema durchaus kompliziert ausfallen, und seine zweckmäßige Auslegung erfordert sorgfältige Überlegung. Dabei sind die Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der konstruktiven Einfachheit der Maschine und der Betriebssicherheit zu beachten.
10.6 Axialschub, Bemessung der Ausgleichkolben
Die tragenden Flächen des Axiallagers (Abb. 10.6.1) mögen den Außendurchmesser D und den Innendurchmesser d besitzen. Ist dann 11 = dlD und bezeichnet <X den Anteil des Umfanges, den die Tragflächen einnehmen, so ist bei einer Flächenpressung p des Lagers der Schub S gegeben durch
10.6(1)
Abb. 10.6.1 Axiallager.
Läßt man am Durchmesser Deine Umfangsgeschwindigkeit u zu, so ist mit n als Drehzahl pro Minute D = 60u/nn, folglich
3600u2 (U):: S = 4nn2 (1 - 112 ) <xp = 287 n (1 - 112) <xp. 10.6(2)
Abb. 10.6.2 zeigt für 11 =0,6, (X = 0,6, p = 35 Mdyn/cm2 = 35,7 kp/cm2 , ~t = 75 m/s den Schub S in Funktion der Drehzahl. Damit ist ein allerdings nur sehr ungefährer Anhaltspunkt für den durch einen Tragkamm aufnehmbaren Axialschub gegeben, denn vereinzelt werden wesentlich höhere Flächenpressungen und Umfangsgeschwindigkeiten zugelassen. Sehr häufig erfahren aber Rotoren Axialschübe, die ein Mehrfaches dessen
10.6 Axialschub. Bemessung der Ausgleichkolben 565
betragen, was selbst bestenfalls von Drucklagern aufgenommen werden könnte. In diesem Falle werden Ausgleichkolben notwendig, wenn nicht einzelne Maschinen so zusammengekuppelt werden, daß sich die Schübe großteils wegheben.
6
5
3
2
1,5
6
5
* 3
2
1,5
\ \
1\
\ 1\
\ \
I \ ~
l-- '\ i
1\ \ 703
103 1,5 2 J 4 5 Ii 8 70* 1,5U/min
Abb. 10.6.2 Größenordnung des zulässigen Axialschubes Seines Axiallagers. Angenommen cx = 0,6, v = 0,6, P = 35 bar, u = 75 rn/sec.
Abb. 10.6.3 Kontrollfläche an einer Tur: binenstufe zur Berechnung des Axialschubes.
1 Mdyn = 10 N = 1,02 kp.
Die Berechnung des Axialschubes P einer einzelnen Turbinenstufe der in Abb. 10.6.3 dargeteIlten Art kann in exakter Weise geschehen, indem wir für die gestrichelte eingetragene Kontrollfläche den Impulssatz formulieren. Die Resultierende der Axialkomponenten der äußeren Kräfte, die an diesem Kontrollgebiet angreifen, ist gleich dem Unterschied zwischen austretendem und eintretendem axialem Impulsstrom. Rechnen wir die Durchtrittsrichtung des Arbeitsmittels positiv, so lautet die entsprechende Gleichung
['"NI TSI rS2 rN2 "S2]
2n J;pr dr + J PIr dr + J pr dr - J pr dr - J P2r dr - P rlVI r"\"1 rSI rIV2 rN2
10.6(3)
wobei auf der linken Seite die Kräfte, auf der rechten die Impulsströme stehen. P stehthier mit negativem Zeichen, weil es sich in dieser Gleichung ja um die Reaktion handelt, die von der Scheibe und den Schaufeln auf das Strömungsmittel ausgeübt wird, und diese weist der Durchtrittsrichtung entgegen. Für eine strömungstechnisch bereits durchgerechnete Stufe lassen sich alle in GI. 10.6(3) auftretenden Integrale berechnen, worauf aus der Gleichung das geschute P bestimmt werden kann. Eine gewisse Unsicherheit kann allerdings bei der Berechnung des ersten Integrals links auftreten, denn man muß zu diesem Zweck den Druck vor der Stirnfläche der Radscheibe kennen. Nicht immer ist dieser genügend genau gleich PIN (Druck vor dem Laufrad im Nabenradius), da die Überquerung des Axialspaltes durch die Hauptströmung zu komplizierten Effekten Anlaß gibt. -
566 10 Wellendichtungen und Schubausgleich
GI. 10.6(3) ist natürlich gegebenenfalls den Besonderheiten der Baua;rt anzupassen. Bei Anordnungen nach Abb. 10.6.4 wäre :t.B. das dritte Integral links zu ersetzen durch den Ausdruck
, ma:s: 'ma:s: J prdr - J prdr.
'SI '82
Abb.l0.6.4 Kontrollfläche bei Stufe mit Deckband.
Eine exakte Bestimmung des Axialschubes durch Bildung der Integrale wird praktisch höchstens ausnahm!!weise notwendig sein; man kann diese vielmehr durch einfachere Ausdrücke hinreichend genau annähern. Insbesondere werden z. B.längs der Schaufellänge gebildete Integrale praktisch stets ersetzt werden dürfen durch Produkte aus der Ringfläche und der betreffenden Größe im Mittelkreis. Es sei Llp" die im Mittelltteis gemessene Druckänderung im Laufrad. Dann läßt sich GI. 10.6(3), nach P aufgelöst, angenähert in folgender Form schreiben:
P = n[(rjl1 - trvl) (Pa + ß Llp") - (r~a - r\.a) Pa + + (r~1 - r~l) (Pa + Llp") - (r~ - r~a) Pa + 10.6(4)
+ (rk - ril) (pa + Llr)+ eak~za(r~ - rj.z) (CZl - cza)]·
Der Faktor ß berücksichtigt die Tatsache, daß der Laufraddruckabfall an der Nabe kleiner ist als im Mittelkreis, wozu überdies die genannten Abweichungen hinzukommen können. Es ist also praktisch stets ß < 1; bei sehr kleinen Reaktionsgraden sind selbst negative Werte möglich. Das Glied (Pa + Llp" /2) beruht auf der überlegung, daß an der kegeligen Ringfläche am Gehäuse im Mittel etwa dieser Druck angreift. Die Cz sind Mittelwerte im gleichen Sinne, wie sie auch sonst in der Theorie der Stufe benutzt werden, und k. ist der Korrekturfaktor zur Berücksichtigung insbesondere des Spaltdurchflusses.
Häufig kann mit hinreichender Genauigkeit gesetzt werden rNI = rNa , rSI = r82. Ist dann weiterhin die Dichteänderung im Laufrad nur geringfügig, so läßt sich für das isentrope Laufradgefälle Llh; setzen LIft; ~ Va Llp", so daß mit der Druckzahl VJ und dem Reaktionsgrad r
A" Llh;' Al" a ßp = --= (Ja ßtt, = (Ja1pru •
Va
Damit läßt sich GI. 10.6(4) in folgender Form überführen:
P = n{(r~a - r\.l) Ps + (J2u2[(r~1 - r\.l) VJrß + Dml(1pY + (]I[Czl - Cta)])·
10.6(5)
10.6(6)
Dabei sind der Mittelkreisdurchmesser Dm' die I .. aufradschaufellänge I, die Durcbsatzzahl (]I und die mit der Umfangsgeschwindigkeit u im Mittelkreis dimensionslos gemachten Geschwindigkeiten CZ1 und Cta eingeführt. Bei Gleichdruckturbinen, für die GI. 10.6(6) vor allem anwendbar ist, kann das Glied (]I[Cn1 - CnS] gegenüber VJr eine durchaus vergleichbare Größenordnung annehmen. Ferner ist bei solchen Maschinen der Faktor ß wegen der unter 8.4 beschriebenen Effekte recht unsicher. Um diese Unsicherheit zu vermeiden, bringt man in den Radscheiben oft Druckausgleichlöcher an (s.Abb.l0.6.5). über die bei solchen Maschinen auftretenden Verhältnisse siehe Abschnitt 10.7.
10.(; Axialschub, Bemessung der Ausgleichkolben 567
Bei 'l'rommelrotoren legt man die Kontrollfläche zweckmäßig gemäß Abb. 10.6.6. GI. 10.6(3) tritt dann an die Stelle des ersten Integrals links der Ausdruck
'NI J prdr,
1'1-\'0
während das vierte Integral wegfällt. Der Näherung 10.6(4) entspricht dann die Form
P = n [(r1V1 - rl.o) (PI + LI{) + (r~1 - rl.l) PI + (r~2 - r~l) (PI - Llr) -
Abb. 10.6.5 Laufradscheibe mit Druckausgleichlöchern am Umfang.
rNO 'SI rNI
I I I Abb.10.6.6 Kontrollfläche bei
Trommelturbinenstufe.
10.6(7)
rN2
I einer
Meist ist bei Trommelbauart das letzte, die Änderung des Impulsstromes darstellende Glied dieser Gleichung vernachlässigbar klein. Setzt man weiter noch Llp' = (1 -r) Llp, Llp" = r Llp, was für mäßige Dichteänderung pro Stufe hinreichend genau ist, so geht GI. 10.6(7) über in
P {( 2 2 ) A [(.2 2 2.2 r 2 2 1 - r]} ° = n . rN2 - rNO PI + ,'.11) (S2 - rN2) r - (rS2 - (SI) 2 + (rNI - rNO) -2- 1 .6(8)
Bei 50% Reaktion wird (1 - r)/2 = r/2. Läßt man nun die bei den mit diesen Faktoren versehenen Glieder weg, so wird P im allgemeinen etwas zu groß, da normalerweise (r~2 -r~l) > (rl.l - r~o) sein wird. Diesen Fehler kann man annähernd ausgleichen, indem man das erste Glied in der eckigen Klammer durch (r~1 - r~l) r ersetzt. Deshalb gilt für die normale Überdruckstufe mit guter Näherung
P = n [(r~2 - rl.o) PI + LI; (r~1 - f JV1 )] = n [(r~2 - r1.o) PI + LI; D m111 ]. 10.6(9)
Wie leicht nachzuprüfen ist, läßt sich diese Formel auch auf eine 50%-Reaktionsstufe der in Abb. 10.6.7 dargestellten Art übertragen, wenn man den Symbolen die dort angegebene Bedeutung gibt.
568 10 Wellendichtungen und Schubausgleich
Aus der Summation der P der einzelnen Stufen folgt der gesamte Axialschub S, wobei allerdingE noch die Beiträge zu berücksichtigen sind, die von allfälligen weiteren Ringfläche des Rotors herrühren. Sehr groß wird dieser zusätzliche Betrag bei Trommelrotoren der in Abb. 10.6.8 dargestellten Art. Dort wird
10.6(10)
Abb.l0.6.7 tJberdruckstufe mit Labyrinthdichtungen.
Abb. 10.6.8 Trommelrotor ohne Ausgleichkolben.
wobei Index i die Stufennummer bezeichnet. Das von den beiden Stirnflächen herrührende Glied bewirkt, daß der Axialschub der Trommelrotoren größer ist als bei entsprechenden Scheibenrotoren. Dort sind zwar die Pi wegen des Beitrages der Scheiben größer (wenn diese nicht durchlocht sind), doch fehlt das in GI. 10.6(10) auftretende Zusatzglied, das ungefähr gleich ist der Summe der Schübe der Radscheiben und Zwischenböden beim entsprechenden Scheibenrotor.
Die Bemessung eines allfällig notwendigen Ausgleichkolbens, der Sauf ein für das Drucklager zulässiges Maß herabsetzt, ist nun ohne weiteres möglich, da der Axialschub des Kolbens ja aus der Differenz der Produkte von Stirnfläche und Druck gegeben ist. Die klassische Überdruckturbine erlaubt dabei eine besonders einfache Behandlung. Nach GI. 10.6(9) ist
was nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung auch folgende Darstellung zuläßt
f Pi = n [(r1,w - r1,a) P + D:/ (Pa - Pw)] . 10.6(12)
Für nicht allzu große Stufengruppen kann hier mit ausreichender Genauigkeit P ~ (p", + Pw)j2 gesetzt werden, während für Dml der Wert dieses Produktes in der Mitte der Gruppe gesetzt werden kann. Wo höhere Genauigkeit erforderlich ist, wird zweckmäßig die Integraldarstellung 10.6(11) verwendet. Bei einer Anordnung nach Abb.10.6.9 ist dann z.B.
S = 1: Pi + n(r~ - rrv) Pw - n(r~ - r1,,,,) p", - n(r1,w - rrv)pw i
10.6(13)
Bei zylindrischem Rotor, also rN ", = rNw = rN , vereinfacht sich GI. 10.6(13) entsprechend. Drückt man dann noch Pi durch GI. 10.6(12) aus, so bleibt
S = n(pl> - Pw) [D2ml - (r~ - r1,)] . 10.6(14)
10.6 Axialschub, Bemessung der Ausgleichkolben 569
Dies wird Null, wenn die eckige Klammer verschwindet. Daraus ergibt sich die einfache Regel, daß sich bei zylindrischem Rotor und 50% Reaktionsschaufelung der Axialschub praktisch vollständig ausgleichen läßt, wenn der Durchmesser DA des Ausgleichkolbens gleich dem mittleren Durchmesser der mittleren Stufe gemacht wird (s. Abb. 10.6.10).
Abb. 10.6.9 Trommelrotor mit Ausgleichkolben.
I
Abb. 10.6.10 Zylindrischer Trommelrotor mit Ausgleichkolben.
Bei der einfachen Anordnung nach Abb. 10.6.10 läßt sich auch eine allgemeine Angabe über den Verlust des Ausgleichkolbens machen. Nach GI. 10.4(1) ist die Leckmenge des Kolbens
mA = n DA ö(/J V~: ' wo ö die Spaltweite ist. Der Durchfluß durch die Schaufelung ist
. D 1 rpu" ms = n m",,-' V"
womit der Ausgleichkolbenverlust
,= . mA . mA DA Ö(/J Vp:Jv: ms + mA R:j ins = Dm)"rpu"!v,,
oder
10.6(15)
10.6(16)
10.6(17)
10.6(18)
Man beachte, daß V P"Va. die Dimension einer Geschwindigkeit hat und direkt proportional der Schallgeschwindigkeit ist. Demnach ist der Klammerausdruck umgekehrt propor-
Abb.10.6.11 Ausgleichkolbenverlust CA für zylindrische Dampf turbinen
Trommelrotoren.
0,00
o
\ 1\ \ ~~
~
"~'f>~ ~~~ -......::: ~ s:: :::::- :--
fJ,16
570 10 Wellendichtungen und Schubausgleich
tional der Machzahl, und die Gleichung deckt den lange wohl unbeachtet gebliebenen ZuBammenhang auf, daß der Ausgleichkolbenverlust einer Maschine um so kleiner ist, je höher die lV[ach:r.ahl, für die sie ausgelegt ist. Setzt man noch DA ~ Dm" und wählt etwa c5jD A = 10-3, Z = 40 Labyrinthe, somit etwa (jJ = 0,11 und ferner g; = 0,40, p"V" = 32 . 104, wie dies für Dampfturbinen z. B. in Frage kommt, so erhält man die in Abb.10.6.11 wiedergegebenen Werte für den Ausgleichkolbenverlust 'A.
Abb. 10.6.12 überdruckturbine mit stark konischem Rotor und gestuftem Ausgleichkolben (BBC).
Bei Schaufelungen, deren Durchmesser von Ein- und Austritt stark variieren, verwendet man vorteilhaft die in Abb. 10.6.12 dargestellte Anordnung mit gestuftem Ausgleichkolben, wobei eine Verbindung hergestellt wird zwischen der Durchmessersprungstelle des Ausgleichkolbens und der entsprechenden Zwischentufe der Maschine. Nicht nur werden so die Verluste etwas verkleinert, sondern man erreicht auch, daß der Schubausgleich auch in Betriebszuständen, die vom Rechnungspunkt abweichen, sichergestellt ist. Dies wäre nicht ohne weiteres gewährleistet, wenn man den Axialschub eines Rotors mit stark variierendem Durchmesser durch einen nicht gestuften Kolben ausgleichen würde.
Abb. 10.6.13 zeigt für eine Axialverdichterstufe die Kontrollfläche zur Bestimmung des Axialschubes. Die daraus folgende Gleichung lautet, wenn wir sofort die einzelnen Integrale durch Mittelwerte ersetzen
P = n [(r~ - r~2) P2 + (r~l - r~2) (P2 - Llf)- (r~l - r~l) (P2 - Llp")
10.6(19)
Es läßt sich leicht nachprüfen, daß diese Gleichung näherungsweise auch in die folgende Form gebracht werden kann
P ~ 1/:[(1] - 0,,) r Llp - (r1vs - r~l) P2 - (r~2 - r~2) l?2k2Cz2(Czl - cdJ, 10.6(20)
10.6 Axialschub, Bemessung der Ausgleichkolben 571
wobei die Laufraddruckerhöhung aus dem Reaktionsgrad r im Mittelkreis und der Stufendruckerhöhung Llp ausgedrückt ist. Wegen der Bedeutung von TS und TN vgl. Abb. 10.6.13. Das von der axialen Impulsstromänderung herrührende Glied ist meist vernachlässigbar. Ist noch der Rotor zylindrisch, so bleibt nur noch das erste Glied übrig, das auch folgende Darstellung zuläßt:
Abb. 10.6.13 Kontrollfläche zur Bestimmung des Schuhes einer Axialverdichter
stufe.
Damit wird auch für die ganze Schaufelung
rs I
10.6(21)
10.6(22)
wobei für den überstrichenen Klammerausdruck näherungsweise das Dmlr der mittleren Stufe der Schaufelung gesetzt werden darf.
Abb. 10.6.14 KontrollfHiche zur Bestimmung des Schubes eines Radialver
dichterlaufrades mit Deckscheibe.
Abb. 10.6.14 zeigt ein Beispiel eines Radialverdichterrades mit Deckscheibe und die Kontrollfläche zur Berechnung des Axialschubes. Es ergibt sich daraus folgender Ausdruck für den Schub, welcher in der in Abb. 10.6.14 angegebenen Richtung weist:
P = n[(rt - rV) P2 - (rt - r~) Po - D2b2Q2Cn2CO]'
Beim Rad ohne Deckscheibe (Abb. 10.6.15) wird
P = n [(ri - r~) P2 - r8po - 2 r!' pr dr - D2bzezcnzCo].
10.6(23)
10.6(24)
572 10 Wellendichtungen und Schubausgleich
Die Bestimmung des Integrals setzt eine mindestens ungefähre Berechnung des Druckverlaufes innerhalb des Rades voraus, die in folgender Weise erfolgen kann. Ist an irgendeiner Stelle des Rades die Umfangsgeschwindigkeit u und die Relativgeschwindigkeit w, so ist dort
10.6(25)
Abb. 10.6.15 Kontrollfläche zur Bestimmung des Schubes eines halboffenen
Radialverdichterrades.
Aus h ergibt sich p aus dem bekannten Verlauf der Zustandsänderung im Rade. Die Kontinuitätsgleichung liefert in jedem Punkt das dort autretende w, wobei korrekterweise allerdings die Geschwindigkeitsspitze durch Krümmung der Wand zu berücksichtigen wäre.
Abb. 10.6.16 Konisch angeordnete Labyrinthdichtung an der Deckscheibe eines
Radialverdichterrades.
Gelegentlich findet man Labyrinthdichtungen der in Abb. 10.6.16 dargestellten Art, bei denen die Dichtungsspalte auf einer kegligen Fläche liegen. Gerade im gezeigten Beispiel des Radialverdichterrades ist diese Gestaltung konstruktiv sehr naheliegend, aber es sind selbst schon Schubausgleichkolben in dieser Weise ausgebildet worden. Man muß jedoch beachten, daß eine solche Labyrinthdichtung einen Beitrag zum Axialschub liefert, der offensichtlich abhängt vom Druckverlauf innerhalb der Dichtung. Dieser aber ist stark beeinflußt durch Zufälligkeiten der Ausführung und des Betriebes. Er läßt sich z.B. berechnen unter der Annahme, daß die Spaltweiten alle gleich groß seien. Da diese Voraussetzung aber praktisch niemals erfüllt sein wird, stellt sich ein wesentlich anderer Druckverlauf ein, womit sich auch der Beitrag zum Axialschub in nicht voraussagbarer Weise verändert. Solche Fehler können bedeutsam werden bei Maschinen, die im Bereich extrem hoher Drucke arbeiten (z.B. Synthesegasverdichter). Der Druck des Strömungsmediums kann in solchen Maschinen die Größenordnung des Zehnfachen der Flächenpressung haben, die man im Axiallager zulassen will. Da er auf Flächen einwirkt, die ebenfalls ein Vielfaches der tragenden Fläche des Lagers sind, können prozentual kleine Abweichungen des Axialschubes gegenüber dem Rechnungswert auf eine Überlastung des Axiallagers führen und Betriebsstörungen verursachen. Bei Hochdruckmaschinen sind daher Anord-
10.7 Der Axialschub bei der Gleichdrllckballart 573
nungen, wie in Abb. 10.6.16 gezeigt, unbedingt zu vermeiden. Es sind vielmehr Lösungen zu wählen, die auf möglichst klar überblickbare Schuhverhältnisse führen, notfalls sogar unter Inkaufmthmc schlechteren Wirkungsgrades.
Allgemein sei empfohlen, nienu1ls einen vollständigen Ausgleich des Axialschubes anzustreben, sondern stets die Tragfähigkeit des Drucklagers in erheblichem Maße mit heranzuziehen. Damit wird vermieden, daß unter dem Einfluß von Zllfälligkeiten kleine Schübe bald in der einen, bald in der anderen Richtung auftreten. Es können auf diese Weise nicht nur Pendelungen entstehen, die als Vibrationen fühlbar werden, sondern Axiallager mit frei einstellbaren Tragklötzen können durch eine Umkehr der Kraftrichtung sogar beschädigt werden. Daher vermeide man auch bei geänderten Betriebsbedingungen die Umkehr der Richtung des Axialschubes.
10.7 Der Axialschub bei der GIeichdruckbauart
Wie unter 8.4 dargelegt, sind die Spaltströmungen in Gleichdruckturbinen mit gelochten Radscheiben äußerst schwer zu überblicken, vgl. insbesondere die in Abb. 8.4.17 dargestellten Varianten möglicher Strömungszustände. Überdeckung hund Axialabstand a, Abb. 8.4.10a) müssen so gewählt werden, daß unter allen Betriebsbedingungen alh > 1,5, da sonst nach La Roche [14], der aus dem Leitrad austretende Strahl einen Unterdruck im Spaltraum ansaugen kann. Eine wesentliche Aufgabe der Ausgleichlöcher ist es, dies unter allen Umständen zu vermeiden oder wenigstens den Unterdruck in engen Grenzen zu halten. Aber auch wenn ajhN > 1,5, Abb. 10.7.1, ist der Druck am Außenrand des Spaltraumes vor der Laufradscheibe nicht notwendig gleich PIN; es ist vielmehr
Abb. 10.7.1 Bezeichnungen für Gleichdruckstufe.
10.7(1)
Der Wert von K scheint im Gebiet ajhN > 1,5 von Zufälligkeiten abzuhängen, denn nach den Messungen bei [14] schwankt er in einem Bereich, der etwa durch
-0,4 sin2 !XI > K> 0,4 sin2 !X I 10.7(2)
begrenzt ist. Mit sin !Xl = 0,25, was ein typischer Wert ist, bewegt sich also K etwa zwischen -0,025 und +0,025. Bei negativer Überdeckung (Nabendurchmesser also am Laufradeintritt etwas größer als am Leitradaustritt) ist K stets positiv und bewegt sich zwischen Null und der oberen durch 10.7(2) gegebenen Grenze.
574 10 Wcllendiohtungen und Schnballsgleioh
Eill weiterer Effekt entHteht durch dic Dl'ehhewegung de,; Fluid,; im Spaltraum. Denkt man sich, daß dicKeK Fluid wie ein FeRtkörper mit der Winkelgeschwindigkeit 0)*
rotiere, HO entsteht zwischen zwei Radien f l und f z eine Druckdifferenz
10.7(3)
\Venl1 mltn dies auf den Spaltraum vor dem Laufrad anwendet, wobei die bei den Radien jetzt f l und f TV Rind und noch GI. 10.7(1) hemnzieht, findet man
K el 2 el *2 2 [1 (r TV )2] PIN - Puv = - 2Cl + 2 n)" (1 -- --:r; . 10.7(4)
Bei im Spaltraum stagnierendem Fluid wäre w* = w/2, wo w die Winkelgeschwindigkeit des Läufers ist. Sobald aber ein radial nach außen gerichteter Spaltdurchfluß auftritt, bleibt (0)* wesentlich kleiner. Nimmt man etwa w* = w/4 an und weiter TTV!rl = 0,5, so wird das ]'liehkraftglied in GI. 10.7(4) wegen Tl(/)* = uN /4
0,0469. e~ 1t~.
Da nun Cl ~ 2uN , hat die Druckdifferenz etwa den Betrag
0,0117 ~ ci.
Der Faktor 0,0117 ist unmittelbar zu vergleichen mit dem oben angegebenen K. Die Größe (el/2) ci iRt ungefähr gleich dem Stufengefälle ; so ergibt sich, daß beide Effekte nur zu Druckdifferenzen führen, die höchstens wenige Prozent des Stufengefälles betragen können. DaR ,vird auch bestätigt durch neuere Messungen an einer Versuchseinheit am Institut für Thermische Turbomaschinen der ETH.
Grundsätzlich andere Bedingungen herrschen, wenn zwischen Scheibenrand und Ausgleichslöchern eine zentripetale Spaltströmung auftritt, da dann das Fluid zunächst den vollen Drall aufweist, der am Leitradaustritt herrscht. Da der Druck im Lochkreisradius Tl
(Abb. 10.7.1), aber vom Druck nach der Stufe nur sehr wenig abweichen kann, ist eine solche Strömung sehr stark gehemmt, worauf schon unter 8.4 hingewiesen wurde.
Die Untersuchung der möglichen Strömungszustände in solchen Spaltkonfigurationen verlangt die Kenntnis des Durchflußkoeffizienten !Xl der Ausgleichslächer. Darüber finden Hich Angaben bei Samojlovic [12] und bei Babcnko, vgI. Dejc und TTojanovskij [13]. Beide geben an, daß !Xl abhängt von
111 wrl
C; = V2!Pll- P21 l fg 10.7(5)
0.6
±f I I
0.2 2L-.l-...L---'---6-'---...L-.....;8--'---..l..'0.~_,L2 -. ,-'-0. _-=-]-"4 Abb. 10.7.2 Dnrchflußkoeffizient von Ausgleichlöchern, nach [13J. ad1ltl-
Literatur zu Kap. 10 575
Hier ist 1/1 dieCmfttngsgeschwindigkeit im Teilkreis der Löcher, cl die theoretische Durchtrittsgeschwindigkeit durch diese. Zudem hängt !Xl von der Geometrie der Anordnung ab, worüber aLer Leide Autoren ven;chiedene Angaben machen. Nach [12] ist der maßgebende Parameter lldl , Abb. 10.7.1, nach [13] aber adzltf. Hier ist tl die Lochteilung, a der kleinere der beiden Abstände a 1 und a z, Abb.10.7.2. Die Größenordnungen der angegebenen !Xl
ist etwa gleich; die Angaben nach [13] scheinen aber plausibler, da doch a den Durchfluß wesentlich beeinflussen wird. naher sind in Abb. 10.7.2 diese Werte wiedergegeben.
Die genaue Berechnung des Strömungszustandes und damit der Druckverteilung im Spaltraum scheitert an den Unsicherheiten, die in eine solche Untersuchung eingehen. Zu diesem Ergebnis führen auch die Überlegungen in [13]. Man kann sie aber durchführen unter den verschiedenen bei der gegebenen konstruktiven Situation physikalisch sinvollen Extremannahmen und so den Bereich abgrenzen, in dem sich die wirklichen Verhältniss bewegen werden. Obwohl die Um;icherheiten im Vergleich zum Stufengefälle nur gering sind, entstehen bei Hochdruckdampfturbinen doch sehr beträchtliche "Unterschiede im Axialschub. Es sind daher gelegentlich schon Schwierigkeiten aufgetreten, die allerdings ihre Ursache wahrscheinlich zum Teil auch darin hatten, daß die Vorausbestimmung des Reaktionsgrades überhaupt etwas fehlerhaft war.
Am sichersten geht man wohl dann, wenn man das Überdeckungsverhältnis ajhN reichlich wählt, an der N:llJe einen Reaktionsgrad von nicht weniger als etwa 0,1 vorsieht und dann die Ausgleichlöcher wegläßt. Die so entstehende "Schwachreaktionsturbine" dürfte eine zweckmäßige Form der Hochdruckdampfturbine sein.
Literatur zu Kap. 10 1. Church, E. F.: Steam Turbines. Kew York, Toronto, London: lIIcGraw-HillI950. 2. Egli, A.: The Leakage of Steam through Labyrinth Seals. Trans. ASME 1935, S. 115. 3. Jones, J. S.: Diskussionsbeitrag zu [4]. Proc. Inst. Mech. Eng. 166 (1952). 4. Kearton, W. J.; Keh, T. H.: Leakage of Air through Labyrinth Glands of Staggered Type. Proc. lnst. Mech.
Eng. 166 (1952) 180-195. 5. Keller, C.: Labyrinthströmungen bei Turbomaschinen. Escher-Wyss }Iitt. 1935, S. 115. G. Kluge, H.: Über den Ausgleich axialer Schübe bei Dampfturbinen, vorwiegend Axialbauart, durch Gegen-
schaltung der Läufer. Diss. TH Dresden 1934. 7. Perry, V. A.: Critical Flow through Sharpedged Orifices. Trans. ASME 1949, S. 737. 8. Schiller, W.: Überkritische Entspannung kompressibler Flüssigkeiten. Forschg. lng.-Wes. 1953, S. 128. 9. Stodola, A.: Dampf- und Gasturbinen. 5. Auf!. Berlin: Springer 1922.
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