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Thermotrooe Schichten Will man solche Schichten zum Beispiel zum Schutz von Sonnen- Scheiben mit eingebauter Jalousie kollektoren vor Uberhitzung ~ verwenden, sind Schalttempera- turen bis etwa 100 "C erforder- lich. Auch fur die transparente War- medammung von Gebauden sol- lcn thcrmotrope Schichten aus Polymerblends eingesetzt wer- den. Ein System zur transparen- ten Warmedammung besteht aus einer Schicht von transparenten KunsLstoff- oder Glaskauillaren. Groi3e nach Suden oder Westen ausgerichtete Fensterflachen, wie wir sie in Wohn- und Biiroraumen lieben, konnen im Sommer zu einer rechten Plage werden: Kommt es doch bei starker Sonnen- einstrahlung schnell zu einer Uberhitzung der Innenraume, ein Effekt, der durch eine gute Warmeisolierung der Gebaude noch verstarkt wird. Abhilfe schaffen derzeit nur Klimaanlagen, die sehr vie1 Energie verschlingen, oder Jalousien, deren Installation meist nicht billig und deren Betrieb storanfallig ist. Ideal waren Scheiben, deren Fahigkeit, einfallende Strahlung zuriickzustreuen, sich der jeweiligen Sonneneinstrahlung anpassen konnte. An der Entwicklung solchcr Scheiben wird zur Zeit gearbeitet. Im Rahmen eines Verbundfor- schungsprojekts, das vom BMBF drei Jahre lang mit insgesamt 5 Millionen DM gefordert wird, wurden von den drei deutschen Firmen BASF Aktiengescllschaft/ Ludwigshafen, Sto AG/Stuhlin- gen und Interpane GmbH/Lauen- forde seit Herbst 1993 zwei Sy- steme entwickelt, bei denen die Eigenschaften thermotroper Schichten fur Sonnenschutzschei- ben ausgcnutzt wcrden. Thermo- trop sind Schichten, deren Trans- parenz und damit Lichtdurchlas- sigkcit von der Temperatur ab- hangt. Grundsatzlich eignen sich zu ihrem Aufbau zwei verschiedene Polymersysteme, namlich Poly- merblends und Hydrogele. Mit beiden lasscn sich Materialien konstruieren, deren Morphologie in der Art temperaturabhangig ist, dai3 sich obcrhalb einer Schalttemperatur heterogene Be- reiche bilden, die mit einer Aus- dehnung zwischen 400 und 800 nm gerade so groi3 sind, dai3 sie als Streuzentren fur Sonnen- licht wirken. Das Licht kann ein solches Material bei Temperaturen uber der Schalttemperatur also nicht mehr vollstandig durch- dringen, denn es wird zu einem erheblichen Teil zuriickgestreut. Das Material erscheint bei diesen Temperaturen deshalb triibe (vgi. Photo). Gewijhnlich sind die Komponen- ten einer Polymermischung - nichts anderes ist ein Polymer- blend - nicht miteinander misch- bar. Es gibt aber auch homogen miteinander mischbarc Polymcrc und solche, die nur in einem be- stimmten Temperaturbereich mischbar, au13erhalb davon aber nicht mischbar sind, bei denen also eine Mischungsliicke besteht. Solche Polymerblends, deren Mischungslucke in einem geeig- neten Temperaturbereich liegt, wurden von Chemikern der BASF entwickelt. Fur Glasfla- chen an Gebauden sind beispiels- weise Triibungstemperaturen zwischen 20 und 40 "C er- wunscht. Entscheidend ist, da13 die vor eine schwarze Wand montiert sind. Im Winter heizt die Some durch die transparente Kapillarschicht hindurch die schwarzc Wand auf, und die Warmedammung verhindert eine schnelle Abkuhlung. Im Sommer mu13 die transparente Warme- dammschicht abgeschattet wer- Wenn sie warm wird, wird sie trube: Eine mit thermotropen Polymeren beschichtete Glasscheibe triibt sich genau dort, wo durch die Flamme des Feuerzeuges Warme abgestrahlt wird. [Photo: BASF AG] der Ubergang von klar nach trii- be bei Ternperaturansticg und von triibe nach klar bei Tempera- turabfall vollig reversibel ist. Durch Variation der Gro13e der Streuzentren kann man das Ver- haltnis von Riickstreuung zu Durchlassigkeit beeinflussen. Mit einem hohen Anted an Riick- streuung wird eine gute Schattie- rung erreicht. Die Zusammenset- zung der Polymerblends dagegen bestimmt die Schalttemperatur; sie la& sich mit einer Genauig- keit von einem Grad einstellen. den. Dazu dienen heute mechani- sche Kollos oder Jalousien und in Zukunft vielleicht thermotrope Schichten aus Polymerblends, die aufien auf die Kapillarschicht auf- gebracht werden. Mit dieser ele- ganteren und preiswerteren Lo- sung hofft man dann, fur weitere Verscharfungen bei den Warme- dammvorschriften gut geriistet zu sein. Ganz ahnlich wie thermotrope Polymerblends funktionieren thermotrope Hydrogele. Ein Hy- drogel ist ein vernetztes Polymer, 333 das gro13e Mengen Wasser binden kann. Bei den thermotropen Hy- drogelen ist in dieses Netzwerk ein zweites Polymer eingebettet, das im Wasser des Hydrogcls los- lich ist, diese Loslichkeit aber in einem bestimmten Temperaturbe- reich verliert und als fein verteil- ter Feststoff ausfallt. Diese in Wasser dispergierten Mikroparti- kel bilden dann die Streuzentren fur das Licht. Wahrend thermotrope Polymer- blends bei ihrer Anwendung zum Sonnenschutz als etwa ein Milli- meter dicke Schicht auf einen Trager - Scheibe oder Folie - auf- gebracht werden, sind die ther- motropen Hydrogele flussig und miissen zwischen zwei Scheiben dicht eingeschlossen werden. Sol- che Doppelscheiben in Kombina- tion mit einem Isolierglas konn- ten zum Beispiel als Ubcrkopf- verglasungen im Dachbereich von Gebauden, als Glasdacher in Wintergarten und Gewachshau- sern eingesetzt werden - allge- mein iiberall dort, wo eine unge- hinderte Durchsicht nicht unbe- dingt erforderlich ist. Beide Systeme - die thermotro- pen Polymerblends und die ther- motropen Hydrogcle - werdcn zur Zeit in Praxistests und Alte- rungsversuchen unter verscharf- ten Redingungen crprobt. Bci giinstigen Ergebnissen rechnet man in etwa zwei bis drei Jahren mit einem marktrcifen Produkt. Vor der Konkurrenz der Systeme, die mit Fliissigkristallen oder elektrochromen Materialien arbeiten, fiirchtet man sich nicht, denn sie diirften fur grofiflachige Anwendungen vie1 teurer wer- den. Ubrigens ... Wer sich an der Some hinter der Schcibe nicht stort, aber saubere Fenster liebt, dem empfehlen wir Fensterglas, das n i t einer hauch- dunnen photokatalytischen Ti- tandioxidschicht iiberzogen ist: Diese Scheiben sollen sich nam- lich, wie Adam Heller von der University of Texas in Austin auf dem letzten National Meeting der American Chemical Society berichtete, im Sonnenlicht selbst- tatig reinigen [vgl. Nature 1995, 377, 2901. 0 Barbara Schroder, Heidelberg Chernie in unserer Zeit / 29. Jahrg. 19915 / Nr. 6

Thermotrope Schichten. Scheiben mit eingebauter Jalousie

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Page 1: Thermotrope Schichten. Scheiben mit eingebauter Jalousie

Thermotrooe Schichten Will man solche Schichten zum Beispiel zum Schutz von Sonnen-

Scheiben mit eingebauter Jalousie kollektoren vor Uberhitzung ~

verwenden, sind Schalttempera- turen bis etwa 100 "C erforder- lich.

Auch fur die transparente War- medammung von Gebauden sol- lcn thcrmotrope Schichten aus Polymerblends eingesetzt wer- den. Ein System zur transparen- ten Warmedammung besteht aus einer Schicht von transparenten KunsLstoff- oder Glaskauillaren.

Groi3e nach Suden oder Westen ausgerichtete Fensterflachen, wie wir sie in Wohn- und Biiroraumen lieben, konnen im Sommer zu einer rechten Plage werden: Kommt es doch bei starker Sonnen- einstrahlung schnell zu einer Uberhitzung der Innenraume, ein Effekt, der durch eine gute Warmeisolierung der Gebaude noch verstarkt wird. Abhilfe schaffen derzeit n u r Klimaanlagen, die sehr vie1 Energie verschlingen, oder Jalousien, deren Installation meist nicht billig und deren Betrieb storanfallig ist. Ideal waren Scheiben, deren Fahigkeit, einfallende Strahlung zuriickzustreuen, sich der jeweiligen Sonneneinstrahlung anpassen konnte.

An der Entwicklung solchcr Scheiben wird zur Zeit gearbeitet. Im Rahmen eines Verbundfor- schungsprojekts, das vom BMBF drei Jahre lang mit insgesamt 5 Millionen DM gefordert wird, wurden von den drei deutschen Firmen BASF Aktiengescllschaft/ Ludwigshafen, Sto AG/Stuhlin- gen und Interpane GmbH/Lauen- forde seit Herbst 1993 zwei Sy- steme entwickelt, bei denen die Eigenschaften thermotroper Schichten fur Sonnenschutzschei- ben ausgcnutzt wcrden. Thermo- trop sind Schichten, deren Trans- parenz und damit Lichtdurchlas- sigkcit von der Temperatur ab- hangt.

Grundsatzlich eignen sich zu ihrem Aufbau zwei verschiedene Polymersysteme, namlich Poly- merblends und Hydrogele. Mit beiden lasscn sich Materialien konstruieren, deren Morphologie in der Art temperaturabhangig ist, dai3 sich obcrhalb einer Schalttemperatur heterogene Be- reiche bilden, die mit einer Aus- dehnung zwischen 400 und 800 nm gerade so groi3 sind, dai3 sie als Streuzentren fur Sonnen- licht wirken. Das Licht kann ein solches Material bei Temperaturen uber der Schalttemperatur also nicht mehr vollstandig durch- dringen, denn es wird zu einem erheblichen Teil zuriickgestreut. Das Material erscheint bei diesen Temperaturen deshalb triibe (vgi. Photo).

Gewijhnlich sind die Komponen- ten einer Polymermischung - nichts anderes ist ein Polymer- blend - nicht miteinander misch- bar. Es gibt aber auch homogen miteinander mischbarc Polymcrc und solche, die nur in einem be- stimmten Temperaturbereich mischbar, au13erhalb davon aber nicht mischbar sind, bei denen also eine Mischungsliicke besteht. Solche Polymerblends, deren

Mischungslucke in einem geeig- neten Temperaturbereich liegt, wurden von Chemikern der BASF entwickelt. Fur Glasfla- chen an Gebauden sind beispiels- weise Triibungstemperaturen zwischen 20 und 40 "C er- wunscht. Entscheidend ist, da13

die vor eine schwarze Wand montiert sind. Im Winter heizt die Some durch die transparente Kapillarschicht hindurch die schwarzc Wand auf, und die Warmedammung verhindert eine schnelle Abkuhlung. Im Sommer mu13 die transparente Warme- dammschicht abgeschattet wer-

Wenn sie warm wird, wird sie trube: Eine mit thermotropen Polymeren beschichtete Glasscheibe triibt sich genau dort, w o durch die Flamme des Feuerzeuges Warme abgestrahlt wird. [Photo: BASF AG]

der Ubergang von klar nach trii- be bei Ternperaturansticg und von triibe nach klar bei Tempera- turabfall vollig reversibel ist.

Durch Variation der Gro13e der Streuzentren kann man das Ver- haltnis von Riickstreuung zu Durchlassigkeit beeinflussen. Mit einem hohen Anted an Riick- streuung wird eine gute Schattie- rung erreicht. Die Zusammenset- zung der Polymerblends dagegen bestimmt die Schalttemperatur; sie la& sich mit einer Genauig- keit von einem Grad einstellen.

den. Dazu dienen heute mechani- sche Kollos oder Jalousien und in Zukunft vielleicht thermotrope Schichten aus Polymerblends, die aufien auf die Kapillarschicht auf- gebracht werden. Mit dieser ele- ganteren und preiswerteren Lo- sung hofft man dann, fur weitere Verscharfungen bei den Warme- dammvorschriften gut geriistet zu sein.

Ganz ahnlich wie thermotrope Polymerblends funktionieren thermotrope Hydrogele. Ein Hy- drogel ist ein vernetztes Polymer,

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das gro13e Mengen Wasser binden kann. Bei den thermotropen Hy- drogelen ist in dieses Netzwerk ein zweites Polymer eingebettet, das im Wasser des Hydrogcls los- lich ist, diese Loslichkeit aber in einem bestimmten Temperaturbe- reich verliert und als fein verteil- ter Feststoff ausfallt. Diese in Wasser dispergierten Mikroparti- kel bilden dann die Streuzentren fur das Licht.

Wahrend thermotrope Polymer- blends bei ihrer Anwendung zum Sonnenschutz als etwa ein Milli- meter dicke Schicht auf einen Trager - Scheibe oder Folie - auf- gebracht werden, sind die ther- motropen Hydrogele flussig und miissen zwischen zwei Scheiben dicht eingeschlossen werden. Sol- che Doppelscheiben in Kombina- tion mit einem Isolierglas konn- ten zum Beispiel als Ubcrkopf- verglasungen im Dachbereich von Gebauden, als Glasdacher in Wintergarten und Gewachshau- sern eingesetzt werden - allge- mein iiberall dort, wo eine unge- hinderte Durchsicht nicht unbe- dingt erforderlich ist.

Beide Systeme - die thermotro- pen Polymerblends und die ther- motropen Hydrogcle - werdcn zur Zeit in Praxistests und Alte- rungsversuchen unter verscharf- ten Redingungen crprobt. Bci giinstigen Ergebnissen rechnet man in etwa zwei bis drei Jahren mit einem marktrcifen Produkt. Vor der Konkurrenz der Systeme, die mit Fliissigkristallen oder elektrochromen Materialien arbeiten, fiirchtet man sich nicht, denn sie diirften fur grofiflachige Anwendungen vie1 teurer wer- den.

Ubrigens . . . Wer sich an der Some hinter der Schcibe nicht stort, aber saubere Fenster liebt, dem empfehlen wir Fensterglas, das n i t einer hauch- dunnen photokatalytischen Ti- tandioxidschicht iiberzogen ist: Diese Scheiben sollen sich nam- lich, wie Adam Heller von der University of Texas in Austin auf dem letzten National Meeting der American Chemical Society berichtete, im Sonnenlicht selbst- tatig reinigen [vgl. Nature 1995, 377, 2901. 0

Barbara Schroder, Heidelberg

Chernie in unserer Zeit / 29. Jahrg. 19915 / Nr. 6

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334 ChiuZ aktuell

GDC h-Fachgruppe Chemieunterricht schreibt Preise aus Die vier Preise der Fachgruppe Chemieunterricht in der Gesell- schaft Deutscher Chemiker (GDCh), die anlafllich der Jahres- tagung im September 1996 verge- ben werden sollen, werden erst- mals offentlich ausgeschrieben. Vorschlage fur die neuen Preistra- ger werden in der GDCh-Ge- schaftsstelle bis 15. Februar 1996 entgegengenommen.

Zur Forderung des Chemie- unterrichts ist dcr mit DM 3000 dotierte und von der Firma E. Merck gestiftete Friedrich Stro- meyer-Preis bestimmt. Er wird

an Lehrerhnnen verliehen, die sich durch besondere Leistungen im Unterricht an Schulcn hervor- getan haben. Das Vorschlagsrecht ist nicht auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt.

Fur grofle Verdienste um den Chemieunterricht wird der mit bis zu D M 3000 dotierte und von der Degussa AG gestiftete Hein- -

rich-Roessler-Preis vergeben. Preistrager/in kann eine Person- lichkeit aus Schule, Hochschule, Industrie oder dem offentlichen Leben sein. Vorschlagsberechtigt sind Mitglieder der Fachgruppe Chemieunterricht.

An Nachwuchskrafte in der Che- rniedidaktik, die sich fur die Ver-

besserung des Chemieunterrichts eingesetzt haben, wird der mit DM 2000 dotierte und von der VCH Verlagsgesellschaft gestifte- te Johann-Friedrich-Gmelin- Preis verliehen. Das Vorschlags- recht ist nicht auf einen bestimm- ten Personenkreis begrenzt.

Zur Forderung des chemischen Experimentalunterrichts an Hochschulen und Schulen wurde vom Chemischen Institut Dr. Flad, Stuttgart, der mit bis zu D M 3000 dotierte Manfred- und Wolfgang-Flad-Preis gestiftet. Verliehen wird der Preis fur eincn besonders gelungenen Experi- mentalvortrag auf der Jahresta- gung der Fachgruppe, fur die ex- perimentelle ErschlieiJung cines

fachwissenschaftlichen Ge bietes oder fur die Entwicklung (sines neuartigen Experimentes f i r den Chemieunterricht. Preistri ger/in- nen konnen aus der Schule, Hochschule odcr Industric: kom- men. Vorschlagsberechtigt sind Mitglieder der Fachgruppc Che- mieunterricht.

Der ausfiihrlichen schriftli :hen Begriindung fur den Preist rager- Vorschlag sollte ein kurzer Le- benslauf des Vorgeschlagei Len so- wie ggfs. eine kurze Mittei ung zur Person des Vorschlagei iden beigelegt werden. Die Unt :rlagen sind zu senden an: Gesel1s':haft Deutscher Chemiker, Dr. ILrt Begitt, Postfach YO 04 40, 63444 FrankfudMain. 0

Wer war es? Unser Chymist lebt in eincr Zeit, in der cs noch kein regulares Chemiestudium gibt. Der akade- mische Weg zur Chemie fuhrt uber die Medizin, fur welche die Chernie allerdings eine wenig ge- achtete Hilfswissenschaft ist. Praktisch-chemische Kenntnisse kann man am ehesten in einem Apotheken-, Hutten- oder Alchi- mistcnlaboratorium erwerben, aber auch Glasmachern, Salpeter- siedern und Destillateuren ver- mittclt ihr Beruf praktische Fer- tigkeiten. Fur viele unbemittelte junge Menschen ist dies der ein- zige Zugang zu chemischer Bil- dung.

Der Gesuchte schamt sich seiner niedrigen Abkunft nicht (er ist Sohn eines Barbiers) und verach- tet den akademischen Bildungs- wcg. Stolz auf die Erfahrungen, die er sich als Spiegelmacher und Apothekengehilfe erwandert und erarbeitet hat, schrcibt cr:

,,Reuet mich also gantz nicht/dafl ich von Jugent auff die Hand in die Kohlen gesteckedund dar- durch die vcrborgen Heimligkei- ten der Natur erfahren . . ."

Auf wirtschaftliche Unabhangig- keit legt er grogten Wert:

,,.. . habe auch niemahlen darnach getrachtet grosser Herren brodt

zu essen/sondern vie1 lieber sol- ches durch rnein eigen handt ver- dient . . ." Recht modern erscheint uns seine Berufswahl: er versucht sich a ls freicr Untcrnehmer, stellt che- misch-pharmazeutische Produkte in kleintechnischem Maflstab her. Abcr die Zeit ist fur seine Plane noch nicht reif.

Wahrcnd seine z.ahlreichen prak- tisch-chemischen Fachschriften guten Absatz haben, findct er fur die Chemikalien kcinen stabilen Markt. Betrugerische Angestellte, kleinliche Zunftinteressen, das Fehlen cines wirksamen Urhe- bcrschutzes, nicht zuletzt die Kriegswirren in den europai- schen Landern, lassen den zeit- wciligen Wohlstand unseres Chy- misten rasch dahinschmelzen.

Obwohl er sich wicderholt von der gemeinen Alchimie, der Goldmacherei, distanziert und nur die ,,hochnutzliche/concen- trirte/secrete Konigliche Alchi- miam" gclten lafit, wird er in der Offentlichkeit als Alchimist und, der Feuersgefahr seiner Labor- ofen wegen, der leichtfertigen Brandstiftung beargwohnt.

Da hilft ihm auch nicht, dai3 er sein Laboratorium in einem fest- gebautcn Haus eingerichtet hat:

,,Wann die Menschen vorbeygin- gen/und ein solch grosses Haufl zwischen den klcynen stehen sa- hedfragten sie: wer darin wohne- te? Daruber sie von den Nach- bahren berichtet wurdedein Al- chimist oder ein Goldmacher. Und wann ungefahr um dieselbi- ge gegendt in der Nachbahren Hauser aui3 unvorsichtigkeit ein Brand aufgieng/da lief jederrnan zu sehen/ob es auch in dem gros- sen Alchimisten Hause wehre . . . " Am Ende seines arbeitserfullten Lebens ist er mude und ver- braucht. Der lange, wohl auch sorglose Umgang mit giftigen Chemikalien hat seine Gcsund- heit untergraben.

Er mui3 die Laboratoriumsarbeit aufgeben, verkauft das gesamte Laborinventar. Auf dem Kran- kenlager verfai3t er eine Reihc al- chimisch orientierter Alterswer- ke, in dencn er die Summe seiner reichen Eriahrungen und Kennt- nisse zieht. Fast scheint uns, als bedaure er, den Lebensunterhalt fur sich und die Familie nicht be- quemer mit der ,,koniglichen Kunst" der Alchimie verdient zu haben:

,,Wann ich noch gesund wehre/ und etwai3 thun konte/ich getra- wete nur durch die particulare Fixation der geringen Metallen in Gold und Silber in kurtzem ein grosses guth zu gewinnen . . ."

Aber dann fugt er resigniere nd hinzu :

,,Aber warumb sol1 ihme eir er selber sorge auf seineii HalQ le- gen/und fur andere Schatze ier- sammlen? Es ist genung/dafi man zur nothdurfft leben kan."

Begraben wird er in einer griAen europaischen Hauptstadt, in ei- ncr Kirchc, die wcnige Mon; te zuvor Grablege eines beriihr iten Malers geworden ist.

Rolf Gelius, Greg wald

Wer war dieser unermudlich: Chemie-Technologe? Schick en Sie Ihre Losung bis zum 25. [a- nuar 1996 an die Redaktion ,,Chemie in unserer Zeit", P: p- pelallee 3,69469 Weinheim.

Auflosung des ChiuZ-Rats :Is in Heft 5/95:

Der gesuchte SF-Autor und Jer- fasser technikphilosophische r Es- says ist der polnische Schrift ;tel- ler Stanislaw Lem, geboren 1921 in Lw6w (Lemberg). Die Zil ate stammen aus seinen Romane 1 ,,Die Stimrne des Herrn" unil ,,Der futurologische Kongrej ;".

Gewinner unserer Buchpreise ("Chaos and Order" von F. c:ra- mcr) sind Hartmut Berger, B:rlin, und Peter Fortmeier, Paderbc lrn.

Wir gratuli rren!

Chemie zn unserer Zeit / 29. Jahrg. 1995 / Nr. 6