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THOMAS MANNS NOVALIS-BILD IM

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Page 1: THOMAS MANNS NOVALIS-BILD IM

THOMAS MANNS NOVALIS-BILD IM

LICHTE SEINER ROMANTIK-KRITIK

Kenichi Sagara

Im folgenden wird versucht, nicht irgendeine weltanschauliche oder geistes

geschichtlicheBeziehungen zwischen Novalis und Thomas Mann zu erortern,sondern das von Thomas Mann in seinen kulturkritischen Essays entworfeneNovalis-Bild in seinen Grundzugen zu charakterisieren, und zwar unter besondererBerucksichtigung der Auseinandersetzung mit seiner Romantik-Kritik.

I.

Als die ansteigenden Wellen des deutschen Faschismus eine bedrohliche Macht zuwerden begannen, bezog Thomas Mann, als der geistige Vertreter der Weimarer Republik, eine energische Gegenposition und setzt sich kulturkritisch und essayistisch

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mit diesem Phanomen auseinander. Im Zug seiner politischen Stellung

nahmezu ihm und den ihn begleitenden und unterstutzenden Ideologien, hat ersich vielfach uber die geistespolitischen Beweggrunde der deutschen Romantik aus

gesprochenund ihre politische Aktivitat und ihre Wirkungsmoglichkeiten zufassen versucht. Dass die Romantik im gewissen Sinne fast genau Modernitat

bedeutet, und die anscheinend fast esoterisch in sich ruhende Gedanken- und Gefuhlssphare der Romantik, unter dem Eindruck politischer Diskussion, einenn

wunderbar folgenschweren Zusammenhang aufweisen kann mit der Problematik der Gegenwart, das hat Thomas Mann aufs eindrucksvollste herausgestellt. Im Laufe dieser kritischen Auseinandersetzung mit der Romantik, fallt es uns auf,

dass der Name Novalis als das Leitbild seiner Behauptung wiederholt beschworen. wird.1

In der 1922 erschienenen Rede "Von deutscher Republik" hat Thomas Mann,

Novalis als Eideshelfer aufrufend, sein Bekenntnis zur Weimarer Republik abgelegt und dabei aufzuweisen versucht, dass das von reaktionarem Nationalismus be

drohteIdeal der Republik: Demokratie, Humanitat, gerade in den romantischen Gedanken von Novalis uber Staat und Gemeinschaft bedeutsam vorgebildet ist.

Im 1929 geschriebenen Aufsatz "Die Stellung Freuds in der modernen Geistes

geschichte"hat er dann von der revolutionaren Bedeutung der Freudschen Theorie gesprochen und darauf hingewiesen, dass die geistige Gesinnung dieser

Lehre in einem hochst merkwurdigen, geistesgeschlichtlichen Zusammenhang steht mit der Bewusstwerdungsphilosophie der Romantik, die Novalis vertritt.

Fur Thomas Mann in der Humanismus-glaubigen Epoche der zwanziger

Jahre war die Romantik fast gleichbedeutend mit Intellektualismus, Geistglaubigkeit,Kultursozialismus, Bewusstseinsphilosophie, fortschreitender Evolution,mit einem Wort: Humanitat. Und Novalis ist immer als der Kronzeuge

fur seine Stellungsnahme zu den politischen Zeit- und Gewissesfragen beschworenworden.

II.

In den "Betrachtungen eines Unpolitischen" (1918) hat Thomas Mann als Ideal

den traumerisch unpolitischen Romantiker, den Taugenichts von Eichendorff hingestellt. Um den Vorstoss in die helle Sphare der jungen Republik sick und

andern zu erklaren, hat er dann spater in seiner Bekenntnisrede, gerade Novalis

gewahlt, den "Seraphiker der Poesie", den Entdecker der Nacht, der aber als legendares Bild, etwa als „der sterbende Jungling mit der verzehrenden Sehnsuchtnach der blauen Blume" in den mondscheinhaften Vorstellungen lebt.

Was hat Thomas Mann veranlasst, Novalis aus der himmelblauen Ferne heraus

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in das geistige Spannungsfeld der modernen Politik zu versezten? Das hangt engzusammen mit seinem polemischen Kampf gegen die von reaktionaren Volks-meinungen mit politischem Eifer gepflogene Verfalschung der Romanitik. Indem Augenblick, wo der Faschismus, die deutsch-romantische Gegenrevolution

gegen Aufklarung und Klassizismus geistesgeschichtlich kopierend, die Romantikstark fur sich in Anspruch nahm, hat Thomas Mann scharf dagegen protestiert,und zwar auf Grund der Erkenntnis, dass die Romantik dazu benutzt werdenkonnte, revolutionarem Obskurantismus die geistigen Waffen zu liefern. Essei bier eine Stelle aus der Republik-Rede zitiert: "Obskurantismus, mit seinem

politischen Namen Reaktion geheissen, ist Roheit, sentimentale Roheit, insofernsie, sick selbst betrugend, ihre brutale und unvernunftige Physiognomie,unter derimposanten Maske' des Gemutes, der Germanentreue etwa, zu verstecken sucht;und sentimentale Roheit verdient so wenig den edlen und geisteszarten Namen der

Romantik, dass der eingefleischteste Romantiker fur den vorubergehenden Not-fall zum politischen Aufklarer werden konnte, um behilflich zu sein, so unver-schamhte Anspruche ihr kraftigst zu verwehren" (Von deut. Republik. XIS. 818f.). Und er fahrt fort zu beweisen, dass "der Ritter der blauen Blume" sehr

gut zum "politischen Aufklarer" werden kann, dass "der Sohn der Mystik',soviel "soziale Dienstlichkeit" und "Lebenstuchtigkeit" aufweist, dass man imStaatsdenken dieses "geborenen Junkers" sehr viel Modernitat aufspuren konnte,

dies alles stellte Thomas Mann virtuos mit rhetorischer Emphasis und polemi-scher Paradoxitat heraus. Hier ist aufs glucklichste erkannt, dass bei Novalis diezwei entgegengesetzten politischen Elemente, der Universalismus einerseits undNationalismus anderseits, in einem merkwurdig genauen Gleichgewicht stehenund eine wundervolle Einheit eingegangen sind. Und um dieses dritte, human-umfassende Element in der deutschen Romantik zu beweisen, ist auch jenemerkwurdige Idee, Novalis mit Walt Whitman, diesem Verkunder der De-mokratie, in Beziehung zu setzen, entstanden.

Noch deutlicher und polemisch zugespitzter hat Thomas Mann diesen Ge-danken in Hinsicht auf das Wesen der Romantik formuliert. Im kuhnen Gegensatzzu der von Alfred Baumler vertretenen, auf das grosse Zuruck in den Volks-mythos und die Vergangenheit bedachten Auffassung der Romantik2), hatThomas Mann seine Stellung folgendermassen bestimmt: "... es ware nun einausgemachter geistgeschichtlicher Irrtum, in der deutschen Romantik eine reak-tionare, eine eigentlich geistfeindliche Bewegung zu sehen. ... Es gibtinnerhalb der Romantik eine historische Schule, die man ... reaktionarkennzeichnen mag. Man findet da jene fromme Nachtschwarmerei, jenen Joseph-Gorres-Komplex von Erde, Volk, Natur, Vergangenheit und Tod. ... Die

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deutsche Romantik nun aber ist, so sonderbar es herkommlichem Vorurteilklingen mag, wesentlich nicht historisch gestimmt, sondern zukunftig, und dies

so sehr, dass man sie als die revolutionarste und radikalste Bewegung des deut

schenGeistes bezeichnen kann" (Die Stellung Freuds. X. S. 265f.).Um diesen revolutionaren, zukunftig gestimmten Charakter der deutschen

Romantik aufzuweisen, hat er gerade Novalis zum Exempel erhoben, dessen

Zuge, Lehre nd enthusiastische Paradoxa auf Schritt und Tritt fur ThomasManns Behauptung zu sprechen scheinen. ,,Geistliebe, leidenschaftlicher Utopis

mus,Zukunftsorientierung, Bewusstheitsrevolutionalismus," diese ausdrucklich,an Novalis gemahnende Zuge sind nun als das entscheidende. Element undMerkmal der Romantik hingestellt und den ganzen Joseph-Gorres-Komplex, d.h.

die Elemente der Heidelberger Romantik hat er unter dem Tisch fallen lassen.Es ist klar, dass es sich hier nicht eigentlich um literarhistorische Erkenntnis3)

handelt, sondern um die geistespolitische Stellungnahme zur zeitpolitischenSituation.

III.

Eines der grossen Probleme, um das Thomas Mann in seinen geistespolitischenBemuhungen kreist, ist das Problem der Vornehmheit, beschlossen in dem Ge

gensatzvon Natur und Geist. Und die Frage, welcher Adel der hoher sei: derjenige,den der Geist seinen Kindern, oder die Natur ihren Lieblingen verleiht,wird nicht entschieden, ehe sick beide in einer dritten Komplexsphare: Humanitar

aufheben. Wenn aber der obskurantistische Konservatismus im Namen der Natur

gegen den Geist und den Menschen uberheblich Partei nimmt, gilt es Entscheidungzu treffen, Stellungnahme zu beziehen. Und Novalis, dieses legitimeKind des deutschen Idealismus, der gesagt hat: ,,Der Adel des Ich besteht infreier Erhebung uber sich selbst" (Novalis II S. 241), durfte zweifellos als der

Kronzeuge fur den ,,Adel des Geistes" in dieses polemischen Problemfeld ein

geordnetsein. In der Republik-Rede ist er gegen Oswald Spenglar, diesen fatalistischenPropheten der naturgesetzlichen Geschichtsmorphologien, ausgespielt.

Novalis lehrt, im Gegensatz zu dem unerbittlichen Determinismus derSpenglerschen Natur- und Geschichtslehre, die Moralisierung der Natur. ,,Naturkann nicht stillstehend, sie kann nur fortgehend zur Moralitat erklart werden.Einst soil keine Natur mehr sein. In die Geisterwelt soll sie allmahlich uber

gehen"(III. S. 48). Diesen Gedanken denkt er im Sinne eines christlichen Dualismus.,,Gott und Natur muss man also trennen. Gott hat gar nicht mit der Natur

zu schaffen; er ist Ziel der Natur, dasjenige mit dem sie einst harmonisierensoil. Die Natur soll moralisch werden. Der moralische Gott ist etwas viel Hoheres

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als der magische Gott" (III. S. 70ff). Dass die Entwicklung der Natur Bewusstwer

dungsei, die im Menschen seinen Hohepunkt erreiche, dieser den Romantikern

eigenen Gedanke4) ist hier sehr idealistisch entwickelt. Dieser idealistische

Radikalismus von Novalis pragt sich im folgenden Aphorismus aus: ,,Absolute

Abstraktion, Annihilation des Jetzigen, Apotheose der Zukunft, diese eigent

lichbessere Welt, dies ist Kern und Geheisse des Christentums" (III. S. 265).

Worauf dieser vergeistigte Utopismus Novalischer Pragung ziele, woran er

arbeite, so erkldrt Thomas Mann, sei nichts anders als der neue Katholizismus,

eine wiedergewonnene, bewusste, freie und darum gesicherte Einheit, das Drit

teReich der religiosen Humanitat. Novalis' ,,Christenheit oder Europa" sei nicht

reaktiondr, sondern ,,revolutiondr" in des Wortes edelster Bedeutung. Dagegen

konne Spenglers Verkalkungsprophetie, jene Uberlauferei zur Natur nur un

vornehmstenSnobismus bedeuten. Also in dieser Teilfrage scheint das Problem

der Vornehmheit eindeutig zugunsten des Geistes gelost zu sein. Und der

Geist wird als der Massstab gestellt, fur dessen Namen Novalis beschworen ist.

Von dem oben erwahnten geistespolitischen Standpunkt her hat Thomas Mann

u ber die Romantik das Wort ergriffen. Er widerlegt wiederholt das populare

Vorurteil, dass die romantische Kunst etwa nur Gefuhl, Phantasie, Traum, Einfalt

sei, und weist polemisch auf die intellektuelle Seite der Romantik hin. ,,Es ist

romantisch, in der Kunst nicht etwa •eNatur•f zu sehen, sondern das Gegenteil

davon; in der Zweiheit von Geist und Natur, deren Verschmelzung im Drit

tenReich allen Romantikern als Ziel der Humanitat vorschwebt, ordnet sie die

Kunst durchaus der Sphare des Geistes zu, denn ihres Wissens ist Kunst wesent

lichSinn, Bewusstheit, Einheit, Absicht". Und er beruft sich auf das Wont

Novalis:"Der Sitz der eigentlichen Kunst ist im Verstande. Dieser konstruiert

nach einen eigentumlichen Begriffe, Phantasie, Witz und Urteilskraft werden nur

von ihm requisiert. So ist Wilhelm Meister ganz ein Kunstprodukt-ein Werk

des Verstandes" (II. S. 404). Und er fahrt fort:"nie haben die Romantiker den

Begriff der Kunst anders verstanden denn als Gegensatz des Instinktiven, Natur

lichen, Unbewussten" (Die Stellung Freuds, X.S. 267).

Was Novalis betrifft, so war er in seiner Kunstlehre davon weit entfernt, der

gefuhlsschwelgerische, traumend phantasierende Poet zu sein, als den man ihn

immer wieder sieht. Er zeigt im Gegenteil uberall die hohe kunstlerische Sach

lichkeitund bewusste Besonnenheit, die er an Goethe bewunderte und der er im

Klingsor-Bild in"Heinrich von Ofterdingen" ein schones Denkmal setzte. Dort

heisst es:"Die Poesie will vorzuglich als strenge Kunst getrieben werden. Als

blosser Genuss hort sie auf, Poesie zu sein.•cEin refines offenes Gemut, Ge

wandtheitim Nachdenken and Betrachten und Geschicklichkeit, alle seine Tatigkeiten

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keiten in eine gegenseitig belebende Tatigkeit zu versetzen und darin zu er-halten, das sind die Erfordernisse unserer Kunst" (I. S. 186).

Allein was Novalis auszeichnet, und ihn in jenen scharfen Gegensatz zu Goethe

getrieben hat, ist der radikal aktive Zug seines Dichtens und Denkens, der auchin seiner Lehre von der Moralisierung der Natur zum Ausdruck kam. Mit dem

Postulat: "Die Welt muss romantisiert werden", hat Novalis diesen Zug inseiner radikalen Art des weiteren verfolgt. Was diesen Prozess des Romantisierens,

oder was das gleiche ist, des Poetisierens der Welt betrifft, so fuhrt dieser in

"absolute Abstraktion, Annihilation des Jetzigen" und fuhrt weiter zur "Apo-theose der Zukunft, dieser eigentlich besseren Welt", die Novalis im 2.Teil des "Heinrich von Ofterdingen" wie auch in den beiden Marchen des1. Teils apostrophiert. Die Weite solcher Zielsetzung zeigt sich in jener ver-

wegenen Absicht, die Formen des Raumes und der Zeit zu zerbrechen undeine hohere Wirklichkeit des Marchens zu schaffen. Novalis sieht bier das

Problem seines Dichtens richtig, wenn er sich notiert: "Den Satz des Wider-

spruchs zu vernichten ist vielleicht die hochste Aufgabe der hoheren Logik"

(III. S. 322). Damit ist Novalis, trotz der Weite und geistigen Ungebundenheitdichterischer Orientierung, zu weit gegangen und hat "das geistkorperliche Wesen

aller Kunst" beinahe verkannt, "die einer Proserpina gleicht, die dem chthoni-schen Machten und denen des Lichtes zugleich gehort". Die Schlussszene des

"Heinrich von Ofterdingen" spielt deutlich in eine magisch-astrale Welt hineinund der Roman droht sich, in die bloss poetische Stimmung und willkurlichmarchenhafte Phantasie aufzulosen. Man muss sehen, welche Konsequenz Novalis

auf dem Wege der Moralisierung, Poetisierung und Romantisierung gezogen hat.Aber gerade diese Radikalitat der Zukunftsorientierung ist es, die Novalis amtiefsten bezeichnet. So sagt Thomas Mann: "Dieser geistige Sinn fur die neue

Stufe, fur das Moderne, das Heutige und Zukunftige, fur das Revolutionaremit einem Wort, ist das eigentlich Romantische" (Die Stellung Freuds. X. S.267).

Aus dem oben Ausgefuhrten ist es klar, dass Thomas Manns Romantik-Auf-fassung, die bier in Frage steht, auf der polemischen Betonung des einen

Moments in der deutschen Romantik beruht. Sie hebt den idealistischen Radika-lismus des Novalis und dessen auf Negation und Steigerung bedachten Zug als

das Entscheidende hervor, um daraus einen echten Begriff der "Revolution" zu

gewinnen. "Das revolutionare Prinzip", so erklarte Thomas Mann, "es istschlechthin der Wille zur Zukunft, die Novalis die eigentlich bessere Welt' ge-nannt hat. Es ist das zu hoheren Stufen leitende Prinzip der Bewulsstwerdung

und der Erkenntnis; der Drang und Wille, durch das Bewustmachen des Un-

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bewussten, ... auf dem Wege der Analyse, der 'Psychologie', uber Phasen derAuflosung, ... hinuberzufuhren zu echter, durch Bewusstsein gesicherter undfreier Lebenseinheit, zur Kultur des zu vollkommenem Selbstbewusstsein ent-

wickelten Menschen" (Die Stellung Freuds. X. S. 264f.). Das, was Thomas Mannhier das revolutionare Prinzip nennt, deckt sich im wesentlichen mit Thomas Manns

Humanismus-Konzeption, wie sie im Zauberberg anklingt. Dass hier die StimmeNovalis widerhallt, die "die fortschreitende Evolution" verkundigt, soll auch

bedeutsam festgestellt werden5).

IV.

Bei Thomas Mann taucht das Bild des Novalis immer im Zusammenhang mit

seiner Stellungnahme zu politischen Zeit- und Gewissensfragen auf. Wie furThomas Mann in der Republik-Periode das Romantische gleichbedeutend mit

"der Moderne", "der Zukunft", "der Vernunft" war, so steht auch Novalis, dersich hier in der revolutionaren Steigerungsform des deutschen Idealismus befindet,

in einer ausgemacht positiver Beleuchtung da. Novalis ist hier im Namen desGeistes, der Kultur, der Humanitat beschworen und seine Staats- und Gemein-schaftsauffassung ist als etwas Aktuelles hervorgehoben.

Im Lichte der politischen Diskussion, die Thomas Mann entfaltet, stellt es sich

heraus, dass in der scheinbar in sich abgeschlossenen Gedankenwelt des Novaliseine gewisse Verantwortlichkeit fur inzwischen aktuell gewordene Fragen offen

oder im Verborgenen durchgangig aufrechterhalten ist. Thomas Mann setzt sichmit der legendaren Vorstellung von der Romantik auseinander, und weist

darauf hin, dass "der Ritter der blauen Blume" gerade der Verkander der De-mokratie sein kann, dass in den romantischen Traumereien von Novalis "ein

mystischer Vorklang der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und SpekulationenFreuds" (Die Stellung Freuds. X. S. 278) aufspurbar ist. Und so stellt er ein

geistreiches Paradoxon vor Augen, das die historisch-ideologische Doppel-deutigkeit aller romantischen Erscheinungen eindrucksvoll ins Licht ruckt unddadurch einen Schutz vor einer banalen, politisierten Missdeutung der Romantik

bildet.Aber das Romantische bei Thomas Mann bedeutet nicht immer einen positiven

Wert. Es ist der ihm schon lange vertraute Gedanke, dass die Romantik "noch

in ihren holdesten, atherischsten, zugleich volkstumlichen und sublimen Er-scheinungen den Krankheitskeim in sich tragt, wie die Rose den Wurm, dasssie ihrem innersten Wesen nach Verfuhrung, und zwar Verfuhrung zum Tode

ist" (Deutschland und die Deutschen. XI. S. 1145). "Die Sympathie mit demTode": mit dieser Formel fasst Thomas Mann das Hochste und das Tiefste der

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deutschen Romantik. Sie hat zwar bei Novalis in den "Hymnen an die Nacht"eine schone Gestalt gewonnen, aber sie artet oft mystisch in eine ekstatische Ver-herrlichung der Auflosung, des Verfalls auf, deren schlimme Ausschweifungin seiner Abendmahlshymne oder in jener krankhaften Vision von ewiger Braut-nacht zu finden ware. Gerade diese Faszination ist es, was Thomas Mannbei Novalis als das Laster der Romantik verurteilt. Welche finstere Konsequen-zen, gefahrliche Verwirrung und Verfuhrung daraus entstehen wurde, das hatThomas Mann im "Zauberberg" besonders durch das Naphta-Bild, heraus-

gestellt. Es ist bemerkenswert, dass Naphtas Lehre uber Tod und Krankheitstark Novalissche Pragung6) tragt.

"Die Sympathie mit dem Tode" ware abet nur dann lasterhafte Romantik, wennder Tod als selbststandige geistige Macht dem Leben entgegengestellt wird, stattheiligend-geheiligt darin aufgenommen zu werden, was gerade in dem Zentral-erlebnis des Novalis geschieht. Ihm ist der Tod "eine Selbstbesiegung, die, wie alleSelbstuberwindung, eine neue leichtere Existenz verschafft", eine Verwandlung,ein Ubergang zu hoheren Stufen, ja eine Verstarkung des Lebens, ein "uber-schwanglicher Erneuerungsprozess" wie das Leben selbst (II. S. 37, III. S. 43,S. 78, S. 287). Ist es nicht dieser Gedanke, so fragt Thomas Mann, "was denhektischen Traumer von ewiger Brautnacht zu seinen Ideen von Staat und schonerMenschengemeinschaft gefuhrt hat?" (Von deutscher Republik. XI. S. 851). Todund Krankheit als ein notwendiger Durchgang zum Wissen, zur Gesundheit undzum Leben, dieser Gedanke ist es, was die zentrale Idee des "Zauberberg"ausmacht. (Einfuhrung in den Zauberberg. XI. S. 613).

Goethe hat das strenge Urteil gefallt, das Klassische sei das Gesunde und dasRomantische das Kranke. Ob das endgultig so entschieden sein soil, ist undbleibt unsere ernsthafte Frage. Wie oben angedeutet, scheint diese Fragebei Novalis in einer einzigartigen Weise noch offen zu sein. Und gerade diesesOffenbleiben aller Fragen ist fur Novalis, und nur fur ihn bezeichnend undmacht ihn zum aktuellen Problematiker der Romantik. "Das Kranke" im Dichtenund Denken des Novalis, und mithin der Romantik uberhaupt, soilte erst indem geistespolitischen Zusammenhang, richtig gedeutet werden. Und ThomasManns Novalis-Bild scheint hier einige bedeutungsvolle Hinweise darzubieten.

1) Thomas Mann: Von deutscher Republik 1922Uber die Lehre Spenglers 1924

Zum sechzigsten Geburtstag Ricarda Huchs 1925Die Stellung Freuds in der modernen Geistesgeschichte 1929Die Kunst des Romans 1939

2) Thomas Mann: Pariser Rechenschaft 1926 XI. S. 48ff.

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Juilus Petersen: Die Wesensbestimmung der deutschen Romantik 1926 S.1343) ibid. S. 1364) Ricarda Huch: Die Romantik 1924 S. 175

5) ibid. S. 159f.6) Georg Lukacs: Thomas Mann 1953 S. 31

WerkeThomas Mann: Gesammelte Werke 12 Bde. Fischer Verlag 1960Novalis: Schriften 4 Bde. Meyers Klassiker Ausgabe 1928

Literatur

Julius Petersen: Die Wesensbestimmung der deutschen Romantik 1926Ricarda Huch: Die Romantik 1924

Paul Kluckhohn: Das Ideengut der deutschen Romantik 1953Erich Ruprecht: Die Weltanschauung der Romantik 1957

Georg Lukacs: Thomas Mann 1953Ferdinand Lion: Thomas Mann 1947Werner Kohlschmidt: Nihilismus der Romantik 1955

ロマ ン主義批判の光に照ら した トーマス・マ ンの ノヴァリス像 相 良 憲-

一九二〇年代の トーマス・マ ンが ファシズムとの理論闘争をめ ぐって展開 した精神政治的

活動, それに伴 うドイツ・ロ マン主義 との批判的折衝 の過程に於て, 屡 々ノヴァリスの名が

喚び出されて くる。このノヴ ァリス像が如何なる観点に於て捉え られているか とい う問題 を

考察する。

1.「 ドイツ共和国」時 代の トーマス・マ ンに と って, ロマン主義はいわば人文主義であ

り, 主知主義 であ り, 光 と未来へ の運動であ り, それ 自体積極的肯定的な価値を意味 してい

た。ノヴァ リスの名はこの主張に結びつ いている。

2. ドイ ツ・ロマ ン主義の本質規定を め ぐる時代のイデオロギー的政 治的論争に於て, マ

ンはノヴァ リスが代表する初期 ロマン派 の綜合的, 主知主義的, 未来志向的傾向をもって ロ

マン主義の決定的なメル クマールとして取上 げ, 保守的歴 史的な後期・マ ン派思想の政治的

誤用に反対する。3.「 絶対の抽象, 現存す るものの滅却, 未来, この真によ り善き世界の讃仰, これが キ リ

ス ト教 の使信 と核心である。」この よ うなノヴァリスのイデア リズムの急進的超越志 向に於

て, マンは ロマン主義の本質たるべき未来への 「革命」的 意志 を見よ うとする。 ここにマン

の 「人間性」理 念をめ ぐる精神政治的努力のプログラムが形成される。 このよ うなマ ンの ロ

マン主義解釈は, 文学史的事実について見れば, ロマ ン主義の持つ一要素の一面的な強調に

於て成立 していると考え られ る。4. マンの作品に於て, ロマ ン主義の 「死への共感」の 克服 の意志が始めて最 も明瞭に現

われ るのは 「ドイツ共和国について」に 於てであろう。「死の体験は結局は生の体験であ り,

それ は人間へ と導 くものだ, とい うことを教えるのは教養小説の主題 とな り得るだろ う。」と

い う同論文末尾の文章の文脈 に於て現われて来るノヴ ァリス像, その死, 病気の思想は, 明ら

かに後続する 「魔 の山」の主要 モチーフとの連関 を暗示 していると考え られ る。

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