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Tierexperimentelle Untersuchungen zur Stirnhöhlenentwicklung nach kraniofazialer Austauschplastik des Os frontale beim Göttinger Miniaturschwein; Experimental study of the frontal

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Page 1: Tierexperimentelle Untersuchungen zur Stirnhöhlenentwicklung nach kraniofazialer Austauschplastik des Os frontale beim Göttinger Miniaturschwein; Experimental study of the frontal

Nach allgemein gültiger Lehrauffas-sung entwickelt sich der paarige Sinusfrontalis durch Migration von Muko-sazellen aus dem Ethmoidalkomplexin das Os frontale [1, 3, 11, 15, 27, 29,39]. Aus klinischen und röntgenologi-schen Untersuchungen ist bekannt, daßdiese Entwicklung zwischen dem 1.und 2. Lebensjahr stattfindet [18, 23,25, 27, 29] und um das 20. Lebensjahrdie volle Größe erreicht ist [8, 30, 32].

Im Gegensatz zu den Sinus maxil-laris, die sich in der Regel als symme-trisch und gleich groß erweisen, wirdder Sinus frontalis in zahlreichen Ar-beiten in der Größe und Anlage alsasymmetrisch und variabel beschrie-ben [5, 9, 10, 18, 31, 32, 38], wobeiüberdurchschnittlich groß ausgeprägteSinus frontalis z.B. farbige Afrikaneraufweisen [4].

Fanden sich in der europäischenBevölkerung Anlagen des Sinus fron-talis in 95% der Fälle [14], wurden imGegensatz dazu bei Eskimos häufiguni- und sogar bilaterale Aplasien be-schrieben [10, 13, 35], ähnlich wie beiden australischen Ureinwohnern [35]und einigen kraniofazialen Syndrom-patienten [1, 2, 18]. Nowak u. Mehls[23] beobachteten z. B. bei Gaumen-spaltenträgern eine unilaterale Aplasiedes Sinus frontalis bei 38% der unter-suchten Patienten. Ähnliche Befunde

wurden beim Treacher-Collins-Syn-drom oder dem Apert-Syndrom be-schrieben [1, 2, 17, 19, 20, 29].

Allerdings finden sich beim Apert-Syndrom z. B. nach kraniofazialenUmstellungsosteotomien widersprüch-liche Angaben hinsichtlich der Sinus-frontalis-Entwicklung. McCarthy et al.[20] sind der Auffassung, daß es nachVorverlagerung des frontoorbitalenSegments zur Hypo- und Aplasie desSinus frontalis infolge der Osteotomieim Bereich der Sutura frontonasaliskommt. Nach ihrer Auffassung beruhtdie Funktionsstörung des Mukosami-grationsprozesses aus dem Ethmoidal-komplex in das Os frontale auf einerNarbenbildung, die die Sinus-fronta-lis-Genese stört.

Marchac et al. [17] widersprachender Auffassung von McCarthy et al.[20] und sahen keinen störenden Ein-fluß auf die Sinus-frontalis-Entwick-lung nach frontoorbitalen Umstel-lungsosteotomien in ihrem Patienten-gut.

In einer tierexperimentellen Unter-suchung am juvenilen Göttinger Mi-niaturschwein (GMS) sollte daher derFrage nachgegangen werden, ob dieEntwicklung des Sinus frontalis auchin räumlicher Trennung zum Ethmoi-dalkomplex stattfindet, also unabhän-gig von der Migration von Zellen ausdem Ethmoidalkomplex.

Material und Methode

Bei 10 juvenilen Göttinger Miniaturschweinen(Alter 5–6 Wochen) wurde in Intubationsnarko-se das histologisch gesicherte, noch nicht pneu-

Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 :325–330 © Springer-Verlag 1999

Tierexperimentelle Untersuchungenzur Stirnhöhlenentwicklung nach kraniofazialer Austauschplastik des Os frontale beim Göttinger Miniaturschwein

J. F. Hönig, R. Schütt, H. A. MertenAbteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. H. G. Luhr), Georg-August-Universität Göttingen

Prof. Dr. Dr. J. F. Hönig, Abteilung Mund-, Kie-fer- und Gesichtschirurgie, Georg-August-Uni-versität Göttingen, Robert-Koch-Straße 40, D-37075 GöttingenTel.: 0551-392854; Fax: 0551-392886

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Zusammenfassung

In der Literatur wird die Entwick-lung der Stirnhöhle auf ein aktivesEinwandern von Zellen aus demEthmoidalkomplex in das Os fron-tale zurückgeführt. Diese Migrati-onstheorie steht jedoch im Gegen-satz zu Operationsergebnissen beiApert-Syndrom-Patienten. Bei die-sen Patienten, bei denen im Altervon wenigen Monaten bei nochnicht geschlossener Sutura fronta-lis (metopica) ein bifrontoorbita-les Advancement durchgeführtwird, kann sich trotz eines bis zu 2cm großen Abstands zwischen Na-senwurzel und Os frontale ein Si-nus frontalis bilden. Um die Ent-wicklung des Sinus frontalis im Osfrontale in räumlicher Trennungzum Ethmoidalkomplex zu unter-suchen, so daß eine Auswanderungvon Ethmoidalzellen ins Os fronta-le ausgeschlossen werden kann,wurde in einer tierexperimentellenStudie an juvenilen Göttinger Mi-niaturschweinen (5–6 Wochen Le-bensalter) mit noch nicht ver-knöcherter Sutura frontalis und hi-stologisch gesichertem, noch nichtentwickeltem Sinus frontalis einorthotoper Austausch des Os fron-tale mit dem Os occipitale vorge-nommen. Es konnte sowohl makro-skopisch als auch mikroskopischim Vergleich zu einer Kontroll-gruppe gezeigt werden, daß sichim orthotopen Transplantat im Osoccipitale parasagittale epithel-ausgekleidete Sinus ab der 35. Wo-che bildeten. Basierend auf den hi-stomorphologischen Ergebnissenließen sich ein Entwicklungssche-ma der Sinus-frontalis-Genese undeine Modellvorstellung ent-wickeln, die die bisherige Sinus-frontalis-Entwicklung ergänzt.

Schlüsselwörter

Sinus frontalis · Kraniosynostosen ·Apert-Syndrom · FrontoorbitalesAdvancement · Göttinger Minia-turschwein

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matisierte Os frontale orthotop im Sinn einerAustauschplastik in das Os occipitale transplan-tiert (Abb.1, 2). In monatlichen Intervallen wur-de eine intravitale polychrome Sequenzmarkie-rung mit Rolitetracyclin- (15 mg/kg), Calcein-blau- (30 mg/kg), Xylenolorange- (90 mg/kg)und Alizarinkomplexoninjektionen (30 mg/kg)subkutan in die paravertebrale Halsmuskulaturdurchgeführt. Nach einer postoperativen Beob-achtungszeit von 20–40 Wochen wurden nachRöntgenuntersuchungen die Schädel entnom-men, histomorphologisch im Hinblick auf ent-standene Sinus im Os occipitale makroskopisch,lichtmikroskopisch, fluoreszenzmikroskopischund mikroangiografisch analysiert.

Als Kontrolle dienten 10 Göttinger Minia-turschweine, bei denen lediglich das Os occipi-tale entnommen und an gleicher Stelle wieder fixiert wurde.

Ergebnisse

Bei den Schädelübersichtsaufnahmenließen sich im Vergleich zur Kontroll-gruppe im seitlichen Strahlengangdeutliche Aufhellungen im Bereich desorthotop transplantierten frontalenKnochens im Os occipitale erkennen.Das Osteosynthesematerial wurde abder 35. Woche in der nasofrontalen Re-gion in die Nasenhaupthöhle translo-ziert.

Bei allen operativ versorgten GMSließ sich röntgenologisch keine Wachs-tumsabweichung des Schädels in sa-gittaler Richtung nachweisen.

Trotz der orthotopen Transplantati-on des Os frontale war bei allen Tie-ren in der frontoorbitalen Region postmortem röntgenologisch eine Erwei-terung der Nasenhaupthöhle festzu-stellen. Diese war bis zu einem ge-wissen Grad im frontoorbitalen Be-reich röntgenologisch im Sinn vonvermehrten Aufhellungen nachzuwei-sen.

Bei allen Tieren mit einer vorge-nommenen orthotopen Austauschpla-stik ließen sich im Vergleich zur Kon-trollgruppe im okzipitalen Bereich ma-kroskopisch Porosierungen bis hin zuepithelausgekleideten Sinus nachwei-sen (Abb.3, 4).

Auffällig war die beidseitige para-sagittale Entwicklung eines Sinus imOs occipitale des ursprünglichen Osfrontale ab der 35. Woche (Abb. 5).Nach einem Untersuchungszeitraumvon 40 Wochen wurden Sinus zwi-schen 6 und 12 mm Ausdehnung ge-messen, die alle mit Schleimhaut aus-

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Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 :325–330© Springer-Verlag 1999

Experimental study of the frontal sinus development on Goettingen miniature pigs

J. F. Hönig, R. Schütt, H. A. Merten

Summary

According to the literature, the de-velopment of the frontal sinus is aresult of the active immigration ofcells from the ethmoidal complexinto the os frontale. This migrationtheory is in contrast to the results inpatients with Apert’s syndrome.When fronto-orbital advancementat the age of a few months is per-formed in these patients – at a timewhen the frontal suture is not yetclosed – a sinus developed despitethe distance between nasal root andos frontale, being up to 2 cm. In or-der to investgate the developmentof the frontal sinus, an animal studyin 12 juvenile Goettingen minipigs(age 5–6 weeks) with histological-ly pronen un-developed frontal si-nus was performed. To exclude theemigration of ethmoidal complexcells into the frontale bone an or-thotopical transposition of thefrontale bone into the os occipitalewas performed. Histologically thedevelopment of a frontal sinus inthe frontal bone was excluded be-fore transplantation. The macro-and microscopic comparison with acontrol group revealed that in theorthotopical transplants in the osoccipitale an epithelium-lined sinusdeveloped beginning from the 35thweek. Based on our histomorpho-logical results, a developmentscheme for the genesis of the sinusfrontalis and a model is drawn.

Key words

Frontal sinus development · Göt-tingen miniature pigs · Frontalbone · Occipital bone

Abb.1. Intraoperativer Situs nach trapezförmiger Kutisinzision und Präparation des frontalen Flaps(Ff) sowie Osteotomie des Os frontale (Af) und des Os occipitale (Bo). Das Periost (P) wurde zwi-schen Os frontale und Os occipitale belassen. Pfeile Hinweis auf die durchzuführende Austausch-plastik, Sv supraorbitale Vene, Sf Sutura frontalis

Abb.2. Intraoperativer Befund nach Austauschplastik zwischen Os frontale (Af) und Os occipita-le (Bo) und Fixation mit Osteosyntheseplatten, Sf Sutura frontalis, Sv supraorbitale Vene, P Periost,Ff frontaler Flap

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gekleidet und einige vollständig mitSchleim gefüllt waren.

Anhand der histomorphologischenUntersuchungen läßt sich ein Verlaufs-

schema der Sinusentwicklung im or-thotopen Transplantat über einen Un-tersuchungszeitraum von 40 Wochen,wie in Abb.6 dargestellt, skizzieren.

Nach Transplantation des nichtpneumatisierten Os frontale in das Osoccipitale kommt es um die 20. Wochezur peripheren Revitalisierung undEinheilung des Transplantats mit De-markierung des Osteotomiespalts undknöcherner Überbauung des Trans-plantats. Die zum Transplantations-zeitpunkt noch nicht verschlossene Su-tura frontalis verknöchert um die 35.Woche und ist ab dem nachfolgendenZeitpunkt histologisch nicht mehr si-cher nachweisbar und umgebaut. Abder 20. Woche kommt es zu vermehr-ten Auflockerungen des Transplantat-inneren mit vermehrter Vaskularisationund größer werdenden, nicht epithel-ausgekleideten Kavernen, die im wei-teren Verlauf miteinander konfluieren.Auffällig ist dabei, daß die Vaskulari-sation von zentral – also im Bereichder Sutura frontalis – beginnt und nachperipher fortschreitet, wobei sich dieGefäße in ihren Endstrombahnberei-chen deutlich aufzweigen und ver-ästeln (Abb.7). Um die 35. Woche istdas Transplantat zunehmend in seinemRandbereich vom Transplantatlagerher remodelliert und umgebaut undweist parasagittal größer werdende Si-nus auf, die ab der 40. Woche mit re-spiratorischem Epithel ausgekleidetsind. Das orthotop transplantierte Osfrontale ist zu dieser Zeit zu einemüberwiegenden Teil vom Transplantat-lager her substituiert.

Diskussion

In der vorliegenden Untersuchung anjuvenilen GMS, bei denen klinischzum Zeitpunkt der Operation die Sutu-ra frontalis nicht verschlossen war,

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Abb.3. Nativpräparat; Querschnitt im Bereich des Os occipitale durch die Sinus frontalis (S) desorthotop transplantierten Os frontale (T) eines GMS nach 35 Wochen Beobachtungszeit. Parasagit-tal der Mittellinie im Os occipitale sind Sinus (S) entstanden, die mit Schleimhaut ausgekleidet sind;B Knochenregenerate, CT Bindegewebe, FL Sutura frontalis, M dorsaler Anteil des R. ascendens,T Transplantat, 2 Rachenhinterwand, 3 Jochbögen

Abb.4. Nativpräparat. Querschnitt durch das Os frontale im Bereich des Os occipitale mit beid-seits parasagittal der ehemaligen Sutura frontalis (weiße Pfeile in der Mitte) gelegenen Sinus (S) nach35 Wochen Beobachtungszeit; Ob Os occipitale, P Osteosyntheseplatte, weiße Dreiecke Interfacezwischen Os occipitale und Os frontale, 1 Doppelfarbbandenmarkierung (Alizarinkomlexon), 2Knochenregenerate, 3 Bindegewebe

Abb.5. Übersichtspräparat des Os occipitale nach 30wöchigem Untersuchungszeitraum. ZahlreicheKavitationen (S) und kleine Höhlen stellen sich beidseits der verknöcherten Sutura frontalis (Ka-sten) im Bereich des orthotopen Transplantats dar. Multiple kleine Gefäße (Pfeile) ziehen von derSutura-frontalis-Region (SF) kommend zu den Sinus, Vergr. 2 :1, Toluidinfärbung

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konnten wir zeigen, daß sich im räum-lich von den Ethmoidalzellen getrenn-ten orthotopen Transplantat Sinus bil-deten. Nach einer Standzeit von 40 Wochen ließen sich bei der Kon-trollgruppe in histologischen Stufen-schnitten keine Sinus im Os occipitalefeststellen.

Unsere Ergebnisse belegen, daß imräumlich vom Os ethmoidale getrenn-ten Transplantat mit Schleimhaut aus-gekleidete Höhlen entstehen. Diese Er-gebnisse erhärten die klinischen Beob-achtungen, die bei Korrekturoperatio-nen von Kraniosynostosen gemachtwurden. Patienten mit angeborenenFehlbildungssyndromen, wie z.B. demApert- [29] oder Crouzon-Syndrom[34], zeigen häufig eine Kombinationvon vorzeitiger Verknöcherung der Su-tur und Nichtanlage bzw. Hypoplasiedes Sinus frontalis. Bei korrigierendenOperationen wird bei diesen Patientendas frontoorbitale Segment um bis zu 2 cm verlagert, um im weiteren einnormales Schädelwachstum und dar-aus resultierend eine normale Schädel-form zu erzielen. Trotz der Diastasekommt es bei einigen Syndrompatien-ten dennoch zur Ausbildung von Sinusfrontalis, bei anderen jedoch nicht [1,17].

Ein Grund für diese Beobachtungenläßt sich möglicherweise durch einegenetische Fehlsteuerung der in denSuturen enthaltenen pluripontenten un-differenzierten Zellen erklären, diedurch übergeordnete Gene angesteuertwerden und gemeinsam für die unter-schiedliche zeitliche Verknöcherungder Schädelsuturen und u. a. der Ent-wicklung des Sinus frontalis aus derSutura frontalis, der zuerst ver-knöchernden Schädelsutur [7, 16, 28,36], verantwortlich sind. Die Form desgenetischen Defekts entspricht dabeidem unterschiedlichen Grad des kra-niofazialen Syndroms und erklärt z.B.die unterschiedliche Ausprägung desApert-Syndroms oder auch des Mor-bus Crouzon.

Chromosomale Defekte, die dasGen für den Fibroblast-growth-factor-Rezeptor 1 und 2 [24] und das eine Homeobox enthaltene Gen Msx 2 [12]

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Abb.6. Verlaufsschema der orthotopen Sinus-frontalis-Entwicklung im Os occipitale im Quer-schnitt beim GMS

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betreffen, führen z.B. zu dem Krank-heitsbild des Morbus Crouzon undzum Apert-Syndrom. Klinisch zeigendiese Syndrome eine verfrühte Ver-knöcherung der Schädelnähte verge-sellschaftet mit einem hypo- bzw apla-stischen Sinus frontalis. Es könnte da-her vermutet werden, daß Zellen imBereich der Sutura frontalis, die imweiteren Entwicklungsverlauf den Si-nus bilden, durch diese Defekte nichtrichtig kodiert werden können.

Ein weiterer Anhaltspunkt für denZusammenhang einer engen Korrela-tion zwischen der Sutura frontalis und

dem Sinus frontalis ergibt sich ausröntgenologischen und klinischen Un-tersuchungen. Dabei konnte nachge-wiesen werden, daß es zur Seitendiffe-renz der Größenausbildung des Sinuskommt [10, 26, 31, 33, 36].

Bei 10% der Erwachsenen kann so-gar eine persisterende Stirnnaht (Sutu-ra metopica) nachgewiesen werden [7,21, 29], die klinisch mit einer partiellenoder totalen Entwicklungshemmungder Stirnhöhle einhergeht [21, 26, 29].Dies bestätigen auch verschiedeneneuere Arbeiten [6, 7, 21, 26, 29, 37],in denen anhand von Röntgenbildern

und Schädelpräparaten gezeigt werdenkonnte, daß die Sinusentwicklung engmit dem Verschluß der Sutura frontalisvergesellschaftet ist.

Einen engen genetischen Zu-sammenhang zwischen der Sutura me-topica und der Entwicklung des Sinusfrontalis vermutete bereits 1939 Salin-ger [26] basierend auf Familienstamm-baumuntersuchungen, in denen dieAplasie des Sinus frontalis familiärauftrat. Sowohl Monteiro et al. [21] alsauch Buckland-Wright [6] wiesenebenfalls anhand ihrer Untersuchungs-ergebnisse auf genetisch beeinflussen-de Faktoren für die Sinuskonfigurationhin, die auch für den Verschluß der Su-turen verantwortlich sind [7], wobeiTorgersen [37] bereits 1951 in seinerradiologischen Untersuchung nach-wies, daß die Sutura metopica (nicht-verknöcherte Sututra frontalis) domi-nant vererbt wird, und daraus schluß-folgerte, daß der suturale Verschlußvon Genen gesteuert wird. Alle dieseBeobachtungen lassen daher eine Ent-wicklung der Stirnhöhle durch gene-tisch determinierte Zellen im Bereichder Sutura frontalis als wahrscheinlicherscheinen, die einen Zusammenhangzwischen der Verknöcherung der Sutu-ra frontalis und der Stirnhöhlenent-wicklung bilden.

Durch unsere tierexperimentellenVersuche am Göttinger Miniatur-schwein konnten wir erstmals histo-morphologisch belegen, daß der sutu-rale Verschluß und die Entstehung vonHöhlen verknüpft sind. Nach Trans-plantation des Os frontale in das Os oc-cipitale verknöcherte die Sutur, und imorthotop verpflanzten Os frontale kames zur Entwicklung von Sinus.

Zusätzlich zur Sinus-frontalis-Ent-wicklung ist die Septumentwicklungnoch nicht geklärt, die möglicherweisedurch Einflüsse der Sutura nasofronta-lis zu sehen ist. Ihr Einfluß könnte auchnoch die weitere Entwicklung des Si-nus frontalis, trotz Entfernung des Osfrontale, bei den hier durchgeführtenUntersuchungen am GMS erklären.

Die Vielzahl von Hinweisen auf dasZusammenspiel von Genen und Wachs-tumsfaktoren in Signalkaskaden, diedie kraniofaziale Entwicklung steuernund die endgültige Differenzierungvon Zellstrukturen bestimmen, könntedie Formation des Sinus frontalis im

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Abb. 7. Mikroangiografie. Querschnittsaufnahme im Übergangsbereich des orthotop transplan-tierten Os frontale (Otf) im Os occipitale eines GMS nach 38 Wochen Beobachtungszeit. Von derehemaligen Sutura-frontalis-Region zweigen die Gefäße (V) rechtwinklig aus den Havers-Kanälenzu den Sinus (S) ab und revitalisieren das Transplantat im lateralen Bereich. Der Osteotomiespalt(IF) ist bereits knöchern durchbaut, Vergr. 20 :1

Abb.8. Modellschema der Stirnhöhlenentwicklung: undifferenzierte Zellen im Bereich der sichschließenden Sutura frontalis differenzieren sich auf einen Reiz (Pfeil) hin zu sinusformenden Zel-len

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orthotop verpflanzten Os frontale er-klären und läßt eine genetische Vorbe-stimmung für die Sinusentwicklung alsmöglich erscheinen (Abb.8).

Hierbei bleibt es weiteren Untersu-chungen vorbehalten, festzustellen, obsich undifferenzierte, möglicherweisepluripotente, mesenchymale Zellen imBereich der Sutur auf einen Reiz hindifferenzieren oder ob der Verschlußder Sutura metopica als Auslöser derSinusentwicklung zu sehen ist. Ein An-haltspunkt für den Zusammenhangzwischen der suturalen Verknöcherungund der Entstehung von Sinus frontalisist das Apert-Syndrom, bei dem esnach verfrühter Verknöcherung der Su-turen zu einem hypo- bzw aplastischausgebildeten Sinus frontalis kommt[1, 19, 20, 29].

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