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3. SEPTEMBER I938 14LINISCHE WOCHENSCHRIFT. 17. JAHRGANG. N-r. 36 1257 TIEREXPERIMENTELLES UBER EINE PERORAL WlRKSAME ZENTRALANALEPTISCHE SUBSTANZ MIT PERIPHERER KREISLAUFWIRKUNG. Von F. HAUSCHILD. Aus dem Pharmakologischen Laboratorium der Temmler-Werke, Berlin. Zwischen das Adrenalin mit insgesamt 3 Hydroxylgruppen im Molekfil und Ephedrin mit nur einem Hydroxyl lal3t sich die groge Zahl cyclischer Seitenkettenamine einreihen, von denen einige als wertvolle Therapeutica bekannt geworden sind und fiber die KUSCHINSKY1 kfirzlich an dieser Stelle zu- sammenfassend berichtete. Dutch umfangreiche tierexperi- mentelle Prfifungen in dieser K6rperklasse sind Gesetzm~iBig- keiten bekannt geworden, welche uns wertvolle Einblicke in die Zusammenh~inge zwischen chemischer Konstitution und pharmakologischer Wirkung dieser physiologisch bedeutsamen Substanzen gegeben haben. Die Bedeutung yon Zahl und Stellung der Hydroxyl- gruppen fiir die Erzielung eines optimalen sympathicomime- tischen Effektes ist bereits yon 13ARGER and DALa~ Mar- gestellt worden. Wir wissen andererseits, dab Dauer der Wirkung und perorale Wirkungsbedingungen mit Ve~ringe- rung der Zahl der OH-Gruppen gfinstiger werden: ,,Die Wir- kungsdauer mug zunehmen bet Abnahme der OH-Gruppen des lZinges~. '' Das Verhalten des Ephedrin beweist die Rich- tigkeit dieser Forderung~. I)as Ephedrin enth~ilt jedoch noch immer eine Hydroxylgruppe, allerdings in der Seiten- kette. -- Es war nun yon Interesse, die Wirkungen einer entsprechenden Verbindung zu prfifen, we]che sieh von Ephedrin und Adrenalin durch das Fehlen jeglicher Hydroxyl- gruppen -- in der Seitenkette sowohl wie im Ring -- unter- scheidet. Auf Grund unserer bisherigen I~enntnisse yon chemischer Konstitution und pharmakologischer Wirkung dieser Gruppe war an allgemeinen pharmakologischen Eigen- schaften zu erwarten, dab dieser Substanz geringere I~reis- laufwirkungen zukommen als dem Ephedrin und die orale Wirksamkeit besser wfirde. Es fiberraschte daher, dab dieser K6rper durch den Wegfall auch der letzten Hydroxylgruppe physiologisch keineswegs weniger aktiv ist, wie es vielleicht zu erwarten gewesen w~ire, sondern ganz im Gegenteil dutch seine eklatanten Wirkungen zu den pharmakologisch hoch- virksamen Substanzen gerechnet werden muB. Seine inter- essanten Eigensehaften verdienen wissenschaftliches Interesse und dfirften geeignet sein, unser 13ild fiber pharmakologische Wirkung und chemische Konstitution dieser K6rperklasse wetter abzurunden. Die tierexperimentellen Befunde rechtfertigten die Prfifung des Pr~iparates zun~ichst im Selbstversuch und weiterhin ill der I~linik. SCHOEN 4 konnte am Menschen die 131utdruck- wirkung des Pr~iparates, welches nunmehr unter dem Namen ,,Pervitin" in den Handel gebracht ist, feststellen und wies auf die interessanten zentralen Wirkungen hin. FLi)GEL~ berichtete fiber seine Erfahrungen mit Pervitin bet der 13e- handlung psychischer Hemmungszust~nde. Klimsche Wochenschrift, 17. Jahrg. Pervitin ist optisch aktives (+)-I-Phenyl-2-methylamino-propan. Das salzsaure Salz der Base ist in Wasser sowie ill Chloroform und Lipoidl6sungsmitteln leicht 16slich. Schmelzpunkt 173 ~ Die folgenden Formelbilder zeigen die chemische Struktur yon Pervi• und Ephedrin. (~CH(OH)--CH--NH--CH3 ~--CH2--CH--NH--CH 3 Ephedrin ,,Pezvitin" Chemisch stehen dem Pervitin neben Ephedrin noeh Benzedrine und Veritol sehr nahe. Das Benzedrine oder Phenylisopropylamin wurde erstmalig bereits yon BARGER und DALE s untersucht. Jedoch sind erst in den letzten Jahren, insbesondere in der amerikanischen Literatur, Ar- beiten erschienen, welche sich mit der Wirkung des Benzedrine auf Mensch und Tier beschXftigen 6. Ober die •nderung der pharmakologis'chen Wirkung bet zunehmender Methylierung am Stickstoff und die 13edeutung des Wegfalles der OH-Gruppe aus dem Ephedrinmolekfil berichtete bereits HAUSCHILD ~. An anderer Stelle soll darauf noch ausffihrlicher eingegangen werden. Das allgemeine Vergi/tungsbild des Pervitin wird bet allen Tierarten yon eigenartigen zentralen Erscheinungen be- herrscht. 1--2 Minuten nach Verabreichung der letalen Dosis, z. t3. bet der Ratte, werden die Tiere unruhig, laufen aufgeregt hin und her, putzen sich und beschnuppern alles. Diese Erregung wird immer hochgradiger, die Tiere haben dauernd etwas zu tun, sie drehen sich ,,tanzend" oft stunden- lang im Kreis, teils fressen sie sich vor Erregung die Pfoten und 13auchdecken an, so dab sie heftig bluten. Andere Tiere zeigen eigenartige Leck- und Kaubewegungen, vielfach bluten sie aus der Nase. Zeitweise erfolgen krampfartige Zuckungen, der Tod tritt meistens in einem Zustand der Ruhe und ]~r- mattung durch Atemstillstand ein. In der Mehrzahl der F~ille tritt nach der Injektion letaler und toxischer Dosen eine starke Hyperthermie auf. Die 13estimmung der To~izitdit, welche an etwa 300 Ratten yon I2O--I5og Gewicht durchgeffihrt wurde, zeigte, dab die mittlcren letalen Dosen bet peroraler Verabreichung sowie bet intraperitonealer Injektion etwa 8--Iomal niedriger liegen Ms die des Ephedrin oder Veritol, Wie sich aus der folgenden Aufstellung ergibt, sind die t2er- oralen Resorptions- und Wirkungsbedingungen -- ausgedrfickt durch das angeffihrte VerhMtms der peroralen ]etalen Dosis zu derjenigen bet der Injektion -- als auBerst gfinstig zu bezeichnen. Mlttlere letale Dosis VerNiltnis i. per os 2. intraperitoneal I. : 2. Ephedrin .... 800 mg/kg I6o mg/kg ] 5,o ,,Pervitin" . . . 37 mg/kg 17 mg/kg I 2,2 I)ie Blutwirkung wurde an l~atzen und Kaninchen in der Methodik nach TRENDELENBURG geprfift. Das Pr~iparat erwies sich als stark blutdruckwirksam. Die Steigerung war mindestens ebenso stark wie nach Ephedrin, jedoch anhaltender, und noch in Dosen yon ioy (also bet 1/~00der Dos. let.) war ein sicherer Effekt zu erzielen. In h6heren Dosen '(SO--ioo y) year die Blutdrucksteige- rung yon vielstflndiger Dauer. Am dekapitierten oder vagotomier- ten Tier war die Bhtdruckerh6hung ebenfalls, mitunter zwar in etwas schwacherem AusmaBe, regelm~iBig zu erzielen. Nach Gynergen war kein ,,Umkehreffekt" festzustellen, es fand regel- m~iBig eine Blutdrucksteigerung statt. Die gt~nstige orale Wirkung konnte an dekapitierten Katzen, welche das Pr~iparat direkt in den iVIagen oder das Duodenum erhielten, best~tigt werden. Es erfolgte stets ein allm~ihlicher und langanhaltender Blutdruckanstieg. Zur Erzielung eines gleichstarken Effektes, wie er dureh intraven6se Injektion erzielt werden konnte, waren nut etwa 3- bis 4fach h6here Dosen notwendig (Abb. I). Die zentral erregende Wirkung des Pervitin war bereits aus dern allgemeinen Wirkungsbild erkenntlich. Das typische Gebaren der Tiere, auch bet niedfigeren Dosen, gestattete, einen Anhalt ffir die Wirkungsbreite des Pr~iparates zu be- kommen. Die ersten Kennzeichen der zentralen Wirkung 87 I38. -- RIEUX, Red. M4d. 37 (I92O). -- RINDFLEISCH, zit. nach KONJETZNY. -- ROLLER, Ges. i. inn. Med. Wien 14. V. 1936. --. VAN DER SANDE, Nederl. Tijdschr. Geneesk. 8o (I93O). -- SCHAU- MAN U. SALTZMAN, Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe. Berlin I925. -- SCHULTEN,Erg. inn. Med. 46, 235 (1934). -- SCHWANKE, Klin. Wschr. I935, I849. -- SILVER,AN, Lancet i936, 71. -- SINGER, Erg. inn. Med. 47, 42I (1934). - - SONm~NFELD, Dtsch. reed. Wschr. 1924, 1794. -- STEMMLER,zit. nach BEUTEL. -- SYLLA, Med. Klin. i936, 598. -- TEUFL, Arch. Verdgskrkh. 6I, i66 (1937). -- THIELE, Klin. Wschr. I936, 92I -- Med. Welt 1938, 266. -- VARTIAINEN, Acta meal. scand. (Stockh.) 9 o, 445 (1936). -- VELDE, Verh. dtsch. R6ntgenges. 24, 153 (I932) -- Habilitationsschrift. Greifswald 1932 -- Sitzg. d. Med. Vereins Greifswald 8. IV. I937. -- VERSA, zit. nach I(ONJETZNY. -- VI,ADOS, BAGDASOROV, DULCIN n. BONDARENGO, Acta reed. scand. (Stockh.) 88, 295 (I936). -- WEESE, Klin. ~Vschr. I935, 717 . -- WEIL u. BERNARD, Presse m4d. 1935, 97. -- WILKINSON, zit. nach GAMNA u. HURST. -- WOLF U. REIMANN, Z. klin. Med. x3o, 789 (1936).

Tierexperimentelles über eine Peroral Wirksame Zentralanaleptische Substanz mit Peripherer Kreislaufwirkung

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3. SEPTEMBER I938 1 4 L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 17. J A H R G A N G . N-r. 36 1257

TIEREXPERIMENTELLES U B E R EINE PERORAL W l R K S A M E ZENTRALANALEPTISCHE SUBSTANZ

MIT P E R I P H E R E R K R E I S L A U F W I R K U N G . V o n

F. HAUSCHILD. Aus dem Pharmakologischen Laboratorium der Temmler-Werke, Berlin.

Zwischen das Adrenal in m i t insgesamt 3 H y d r o x y l g r u p p e n im Molekfil und Ephed r in mi t nur e inem H y d r o x y l lal3t sich die groge Zahl cyclischer Se i t enke t t enamine einreihen, von denen einige als wer tvol le Therapeu t i ca bekann t geworden s ind und fiber die KUSCHINSKY 1 kfirzlich an dieser Stelle zu- sammenfassend ber ichte te . Du tch umfangre iche t ierexper i - mentel le Prf i fungen in dieser K6rperklasse sind Gesetzm~iBig- kei ten bekann t geworden, welche uns wer tvol le Einbl icke in die Zusammenh~inge zwischen chemischer Kons t i tu t ion und pharmakologischer Wi rkung dieser physiologisch bedeu tsamen Subs tanzen gegeben haben .

Die Bedeu tung yon Zahl und Stel lung der H y d r o x y l - g ruppen fiir die Erz ie lung eines opt imalen sympa th icomime- t ischen Effektes ist berei ts yon 13ARGER and DALa~ Mar- geste l l t worden. Wir wissen andererseits , dab Dauer der Wi rkung und perorale Wirkungsbed ingungen mi t Ve~ringe- rung der Zahl der OH-Gruppen gfinstiger werden: ,,Die Wir- kungsdauer m u g zunehmen bet A b n a h m e der OH-Gruppen des lZinges~. ' ' Das Verha l ten des Ephedr in beweist die Rich- t igkei t dieser Forderung~. I)as Ephedr in enth~ilt jedoch noch immer eine Hydroxy lg ruppe , al lerdings in der Seiten- ket te . - - Es war nun yon Interesse, die Wi rkungen einer en t sp rechenden Verb indung zu prfifen, we]che sieh von Ephedr in und Adrenal in durch das Feh len jeglicher H y d r o x y l - g ruppen - - in der Se i tenket te sowohl wie im Ring - - unter - scheidet . Auf Grund unserer bisherigen I~enntnisse yon chemischer Kons t i t u t i on und pharmakologischer Wi rkung dieser Gruppe war an a l lgemeinen pharmakologischen Eigen- schaf ten zu erwar ten , dab dieser Subs tanz geringere I~reis- l aufwirkungen zukommen als dem Ephedr in und die orale Wi rksamke i t besser wfirde. Es f iberraschte daher, dab dieser K6rper durch den Wegfal l auch der le tz ten H y d r o x y l g r u p p e physiologisch keineswegs weniger ak t iv ist, wie es viel le icht zu e rwar ten gewesen w~ire, sondern ganz im Gegentei l du tch seine ek la tan ten Wi rkungen zu den pharmakologisch hoch- �9 virksamen S u b s t a n z e n gerechnet werden muB. Seine in ter - essanten Eigensehaf ten verd ienen wissenschaft l iches Interesse und dfirf ten geeignet sein, unser 13ild fiber pharmakologische W i r k u n g und chemische Kons t i tu t ion dieser K6rperklasse wet ter abzurunden .

Die t i e rexper imente l len Befunde rech t fe r t ig ten die Prf i fung des Pr~iparates zun~ichst im Selbs tversuch und wei terhin ill der I~linik. SCHOEN 4 konnte a m Menschen die 131utdruck- wi rkung des Pr~iparates, welches nunmehr un te r dem N a m e n , ,Pervi t in" in den Hande l gebrach t ist, feststel len und wies auf die in teressanten zent ra len Wi rkungen hin. FLi)GEL~ ber ichte te fiber seine E r f ah rungen mi t Pe rv i t in bet der 13e- hand lung psychischer Hemmungszus t~nde .

Klimsche Wochenschrift, 17. Jahrg.

Pervitin ist optisch aktives (+)-I-Phenyl-2-methylamino-propan. Das salzsaure Salz der Base ist in Wasser sowie ill Chloroform und Lipoidl6sungsmitteln leicht 16slich. Schmelzpunkt 173 ~

Die folgenden Formelb i lde r zeigen die chemische S t ruk tu r yon Pervi• und Ephedr in .

(~CH(OH)--CH--NH--CH3 ~--CH2--CH--NH--CH 3

Ephedrin ,,Pezvitin"

Chemisch s tehen dem Perv i t in neben Ephedr in noeh Benzedr ine und Veri tol sehr nahe. Das Benzedr ine oder Phenyl i sopropylamin wurde ers tmal ig bereits yon BARGER und DALE s un te rsucht . Jedoch sind erst in den le tz ten Jahren , insbesondere in der amer ikanischen Li te ra tu r , Ar- bei ten erschienen, welche sich mi t der Wi rkung des Benzedr ine auf Mensch und Tier beschXftigen 6. Ober die •nderung der pharmakologis 'chen Wi rkung bet zunehmender Methyl ie rung a m Stickstoff und die 13edeutung des Wegfal les der OH-Gruppe aus dem Ephedr inmolekf i l ber ich te te berei ts HAUSCHILD ~. An anderer Stelle soll darauf noch ausffihrl icher e ingegangen werden.

Das allgemeine Vergi/tungsbild des Pe rv i t in wird bet allen Tie ra r ten yon eigenar t igen zentra len Ersche inungen be- herrscht . 1 - -2 Minuten nach Verabre ichung der le ta len Dosis, z. t3. bet der Ra t te , werden die Tiere unruhig, laufen aufgeregt h in und her, pu tzen sich und beschnuppern alles. Diese E r r egung wird immer hochgradiger , die Tiere haben dauernd etwas zu tun, sie drehen sich , , t anzend" of t s tunden- lang im Kreis, teils fressen sie sich vo r E r r egung die Pfo ten und 13auchdecken an, so dab sie hef t ig bluten. Andere Tiere zeigen eigenart ige Leck- und Kaubewegungen , vie l fach b lu ten sie aus der Nase. Zeitweise erfolgen krampfar t ige Zuckungen, der Tod t r i t t meistens in e inem Zus tand der R u h e und ]~r- m a t t u n g durch Atemst i l l s tand ein. In der Mehrzahl der F~ille t r i t t nach der In jek t ion le ta ler und toxischer Dosen eine s tarke H y p e r t h e r m i e auf.

Die 13estimmung der To~izitdit, welche an e twa 300 R a t t e n yon I 2 O - - I 5 o g Gewicht durchgeff ihr t wurde, zeigte, dab die mi t t lc ren le ta len Dosen bet peroraler Verabre ichung sowie bet in t raper i tonea le r In jek t ion e twa 8 - - I o m a l niedriger liegen Ms die des Ephedr in oder Veri tol ,

Wie sich aus der folgenden Aufstellung ergibt, sind die t2er- oralen Resorptions- und Wirkungsbedingungen - - ausgedrfickt durch das angeffihrte VerhMtms der peroralen ]etalen Dosis zu derjenigen bet der Injektion - - als auBerst gfinstig zu bezeichnen.

Mlttlere letale Dosis VerNiltnis

i. per os 2. intraperitoneal I. : 2.

Ephedrin . . . . 800 mg/kg I6o mg/kg ] 5,o

, ,Pervitin" . . . 37 mg/kg 17 mg/kg I 2,2

I)ie Blutwirkung wurde an l~atzen und Kaninchen in der Methodik nach TRENDELENBURG geprfift. Das Pr~iparat erwies sich als stark blutdruckwirksam. Die Steigerung war mindestens ebenso stark wie nach Ephedrin, jedoch anhaltender, und noch in Dosen yon i o y (also bet 1/~00 der Dos. let.) war ein sicherer Effekt zu erzielen. In h6heren Dosen '(SO--ioo y) year die Blutdrucksteige- rung yon vielstflndiger Dauer. Am dekapitierten oder vagotomier- ten Tier war die Bhtdruckerh6hung ebenfalls, mitunter zwar in etwas schwacherem AusmaBe, regelm~iBig zu erzielen. Nach Gynergen war kein ,,Umkehreffekt" festzustellen, es fand regel- m~iBig eine Blutdrucksteigerung statt. Die gt~nstige orale Wirkung konnte an dekapitierten Katzen, welche das Pr~iparat direkt in den iVIagen oder das Duodenum erhielten, best~tigt werden. Es erfolgte stets ein allm~ihlicher und langanhaltender Blutdruckanstieg. Zur Erzielung eines gleichstarken Effektes, wie er dureh intraven6se Injektion erzielt werden konnte, waren nut etwa 3- bis 4fach h6here Dosen notwendig (Abb. I).

Die zentral erregende Wirkung des Pe rv i t in war berei ts aus dern al lgemeinen Wirkungsbi ld erkenntl ich. Das typische Gebaren der Tiere, auch bet n iedf igeren Dosen, ges ta t te te , einen Anha l t ffir die Wirkungsbre i t e des Pr~iparates zu be- kommen. Die ersten Kennzeichen der zentra len Wi rkung

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I 3 8 . - - R I E U X , Red. M4d. 37 (I92O). -- RINDFLEISCH, zit. nach KONJETZNY. -- ROLLER, Ges. i. inn. Med. Wien 14. V. 1936. - - . VAN DER SANDE, Nederl. Tijdschr. Geneesk. 8o (I93O). - - SCHAU- MAN U. SALTZMAN, Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe. Berlin I925. -- SCHULTEN, Erg. inn. Med. 46, 235 (1934). - - SCHWANKE, Klin. Wschr. I935, I849. - - SILVER,AN, Lancet i936, 71. - - SINGER, Erg. inn. Med. 47, 42I (1934). -- SONm~NFELD, Dtsch. reed. Wschr. 1924, 1794. -- STEMMLER, zit. nach BEUTEL. -- SYLLA, Med. Klin. i936, 598. -- TEUFL, Arch. Verdgskrkh. 6I, i66 (1937). -- THIELE, Klin. Wschr. I936, 92I - - Med. Welt 1938, 266. -- VARTIAINEN, Acta meal. scand. (Stockh.) 9 o, 445 (1936). -- VELDE, Verh. dtsch. R6ntgenges. 24, 153 (I932) -- Habilitationsschrift. Greifswald 1932 -- Sitzg. d. Med. Vereins Greifswald 8. IV. I937. -- VERSA, zit. nach I(ONJETZNY. -- VI,ADOS, B A G D A S O R O V , DULCIN n. BONDARENGO, Acta reed. scand. (Stockh.) 88, 295 (I936). - - WEESE, Klin. ~Vschr. I935, 717 . -- WEIL u . B E R N A R D , Presse m4d. 1935, 97. - - W I L K I N S O N , zit. nach GAMNA u. HURST. - - WOLF U. REIMANN, Z. klin. Med. x3o, 789 (1936).

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(Unruhe, Putzbeweguligen, auffallendes Schnuppern) waren his zu Dosen yon o,0 3 mg/Ioo g, also bis zu etwa I/60 der Dosis letalis hiliab, zu beobachten. Sehr gut lieB sieh der erregende Effekt vermittels der ]3ewegungskurve weiBer M~iuse im Zitterk~fig beobachteli. Es wurden gr6iBere Serien ruhiger and ~ilterer M~use verwendet, deren normale ]3e- wegungskurve wenig lebhaft war. In dieser Versuchsanord- mmg lieB sich der zentrale Effekt des Pervitin noch in Dosen yon 1/106 der Dosis letalis nachweisen. Dies bedeutet eine sehr glite Wirkungsbreite, denli wir wissen durch die Unter- suchungen yon DRUCKREY und I~OHLER sund anderen Autoren, dab in ~ihnlicher Versuchsanordnung die minimal wirksamen Dosen der gebfiinchlichen Sedativa und Hypliotica bei etwa I/10 bis ~/20 der Dosis letalis liegen und am gfinsfigsten wohl beim ]3aldrian mit 1/80 der Dosis letalis sind. Auch an l\~usen, welche mit Sedativa nnd Hypnotica vorbehandelt waren, lieB sich recht instrukfiv die Weekwirkung des Pr~iparates nachweisen (Abb. 2). tiber Versuche, welche die antagoni- stische Wirkung des Pervifin gegeniiber Hypnotica genauer erfassen sollen, wird an anderer Stelle berichtet werden.

Abb. ~. Blutdruckversuch (Katze) bet + 0,5 Ing/kg Pervitin mittels Sonde in den Magen gegeben (Avertinnarkose).

Abb. 2. Bewegungskurve der Maus, bet 1 ein Sedafivurn, bet 2 Pervitin injiziert.

Naeh den bisher vorliegenden Untersuchungen l~Bt sich sagen, dab dem Pervit in eine antagonistische Wirkung gegenfiber den Sedativa und Hypnotiea zukommt, welche sich jedoch wesentlich yon der etwa des Cardiazol oder anderer Analeptica unterscheidet. Nach Vorbehandlung der Tiere mit Pervitin sind je Each Dosierung ganz wesentlich gr6Bere Mengen Narkotica zur Erzielung eines best immten hypnotischen Effektes notwendig, die Narkosezeit ist gegeniiber der Norm wesenflich abgekiirzt. Sowohl aus der Chloralhydrat- als auch aus der Barbituratnarkose kann dutch Pervi t in geweckt werden. Die Weckwirkung aus der dutch stark wirksame Barbiturate hervorgerufenen Narkose war keine vollkommene, die Tiere (Katze, Kaninchen) hoben zwar den Kept und blick- ten wach und lebhai t interessiert in die Umgebung, konliten sich abet nicht aufrichfen. Die Extremiti i ten water noch im Zustand der L~hmung, es bestand I-linterk6rperseitenlage. Diese Befulide deuten darauf hiE, dab Pervit in im besonderen die h6chsten Regionen des ZNS. beeinfluBt, w~ihrend die Wirkungen am verl~ngerten Mark und Hirl is tamm geringer zu sein sehienen. N~here Analysen dieses Verhaltens scheinen besoliders wfinschenwert.

Die A~mung wird durch Pervifin beeinfluBt, jedoch erst bet h6herer Dosierung. Weiterhili kommen dem Pr~.parat gute spasmolytisehe Wirkungen zu, etwa yon der Art des Ephedrin. Am isolierten Warmblfi terdarm wird der durch

R I ~ T . 17 . J A H R G A N G . Nr. 36 3. SEPTEMBER 1938

Pilocarpin oder Arecolin erzeugte Spasmus in Verdfinnungen yon I : iooooo gel6st.

Es set noch die Frage der Taehyphylaxie gestreift. Durch die neueren Untersuchungeli zahlreicher Autoren 9 ist diese Frage bei den K6rpern der Ephedrin-Adrenalin-Reihe be- senders akut und, obgleich diese Erscheinungen in der menschlichen Therapie kaum eine Rol]e spielen dfirften, worauf ja I~OBBERS 10 kfirzlich hinwies, k6nnte die weitere Kl~irulig doch wertvolle Aufschlfisse fiber den Wirkungs- mechanismus derarfiger Substanzen geben. Tachyphylak- tische Erseheinungen konnten dutch Pervitin besonders im Blutdruckversuch gesehen werden, jedoch nicht in dem Ans- maf3e wie bei Ephedrin und vor allem nur bei recht hoher Dosierung. Von Interesse dfirfta die Tatsache sein, dab Each vorheriger Injekfion yon Ephedrin oder Yeritol die ]31ut- druckwirkung des Pervitin abgeschw~cht war, dagegen im umgekehrten Falle, wenn erst Pervitin und danach Ephedrin nnd Veritol gegeben wurden, die volle Blutdruckwirkung der letztereli Substanzen zu erzielen war.

Es kann also gesagt werden, dab derWegfall der Hydroxyl- gruppe yon wesentlichem EinfluB auf die pharmakodyliami- scheri Eigenschaften im Vergleich zu den bisher bekannten OH-haltigen ephedrin~hnlichen K6rpern ist: Toxizit~t, Wir- kungsst~rke sowie perorale Wirksamkeit werden verst~rkt. Pervit in ist wirksamer ais Ephedrin. Dies 5uBert sich auch in der Dosierulig beim Menschen, denn es genfigen bei nor- malen Personen bereits 1--5 mg zur Erzielung eines viele Stlinden anhaltenden instrukt iven zentralen Gffektes (Be- seitigung yell Mfidigkeit, T~itigkeitsdrang usw.). Die Blut- druekwirkung ist yon langer Dauer und auch bei peroraler Verabreichung mit Sicherheit auszul6sen. Die Wirkungs- breite des Pervitin ist sowohl in bezug ant den zentralen wie auch auf den Blutdruckeffekt als giinstig zu bezeichnen. In seinen Angriffspunkten auf das vegetative Nervensystem entfernt sich Pervitili veto Adrenalin noch stSrker als das Ephedrin.

Die zentral erregende Wirkung ist ~uBerst stark, anders- geartet als etwa die des Coffeins, und unterscheidet sich schein- bar grunds~tzlich yon derjenigen bisher bekalinter zentraler Analepfica. Da Pervifin bereits in Milligrammdosen auch bei peroraler Verabreichung yell langanhaltender Wirkung ist, verdient das Pr~parat weitgehende Beaehtung, zumal neben zentral erregender Wirkung und peripherer Kreislaufwirkung der psychisch stimulierende Effekt yon besonderer Bedeutung flit die therapeutische Yerwertbarkeit sein dfir~te. Klinische Yersuche best~tigen die wertvollen Gigenschaften des Pr~- parates. Seine vielseifige Yerwertbarkeit in der ilineren ulid allgemeinen Medizin, Chirurgie und Psychiatrie seheint dem Pervitin ein neuartiges and umfaligreiches Indikat ions- gebiet zu sichern und zugleich zu neuen wissenschaftlichen Fragestellungen anzuregen.

Zusammenjassung: Allgemeine pharmakologische Eigen- schaften des Pervitin, eiliem neuen synthetischen K6rper aus der Reihe der biogenen Amine, werden beschrieben.

Die Hauptwirkungen silid ein neuartiger zentralerregender und stimulierender Effekt auf die h6chsten Regionen des ZNS. sowie ein starker blutdrucksteigernder Effekt.

Die gfinstige perorale nnd langanhaltende Wirkung ist ein besonderer Vorteil des Pr~parates, welches neben seiner Weckwirkung auch spasmolytisch wirksam ist.

Diese Eigelischaften dfirfteli dem Pervitin nmfangreiche und neuartige Indikationsgebiete sichern.

L i t e r a t u r : 1 KUSCttlNSKY, Klin. Wchr. I938, lqr 5, 145. -- 2 BARGER U. DALE, J. of Physiol. 41, 19 ft. (I 91 o / i i ). -- 3 KREITMAIR, Arch. f. experm. Path. 12o, 189 (1927). -- ~ SCHOEI;, Tag. d. dtsch. Ges. f. Kreislaufforsch., Bad Nauheim (1938). -- 5 FLi3GEL, im Druck, Klin. Wschr. 1938. -- 6 PRINZMBTAL U. BLOOMBERG, J . a m e r . nled. Assoc. Io 5 , Nr 25 (1935). -- ~ HAUSCHILD, Verh. dtsch. pharmak. Ges., Berlin 1938. - - s DRUCKREY n. •6HLER, Arch. exper. Path. 183, lO6 (1936). -- 9 TAINTER, Arch. intern, de pharma- codyn. 42, 186 (1932). -- l0 ROBBERS, 7Klin, Wschr. 1938, Nr 15, 528.