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::: Intelligence in Rheometry Tipps und Tricks von Joe Flow – Rotationsmessungen: Und Sie haben den Dreh raus! Mit dem richtigen Dreh können Sie Ihre Proben mit Hilfe von Rotationsversuchen bezüglich ihrer viskosen Eigenschaften einfach und schnell charakterisieren.

Tipps und Tricks von Joe Flow – Rotationsmessungen · Im Scherratenbereich von 0,1 s-1 bis 100 s ist demnach für den ersten Messpunkt bei der Scherrate von 0,1 s-1 eine Zeit von

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Tipps und Tricks von Joe Flow – Rotationsmessungen:

Und Sie haben den Dreh raus! Mit dem richtigen Dreh können Sie Ihre Proben mit Hilfe von Rotationsversuchen bezüglich ihrer viskosen Eigenschaften einfach und schnell charakterisieren.

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Was ist eine Rotationsmessung und welche sind die häu-fi gsten Arten von Rotationsmessungen?

Bei Rotationsmessungen dreht sich der Messkörper in eine Richtung, während die untere Messplatte oder der Messzylinder stillsteht. In der zu untersuchenden Probe bildet sich dadurch eine laminare Strömung im Scherspalt aus.

In der Praxis werden verschiedene Versuchstypen eingesetzt, die alle mit zwei verschiedenen Versuchsvorgaben gemessen werden können:

Beim Scherratenversuch wird die Drehzahl bzw. die Scherrate vorgegeben und geregelt (controlled shear rate test, CSR- oder CR-Test) und das Drehmoment bzw. die Schubspan-nung gemessen.

Beim Schubspannungsversuch wird das Drehmoment bzw. die Schubspannung vorgegeben und geregelt (controlled shear stress test, CSS- oder CS-Test) und die Drehzahl bzw. die Schergeschwindigkeit gemessen.

Die Viskosität errechnet sich nach der Formel.

Die unterschiedlichen Versuchstypen:

Einpunktmessung: Bei diesem Versuchstyp wird die Viskosität bei einer konstan-

ten Vorgabe gemessen. Diese Messung eignet sich eigentlich nur für newtonsche Substanzen, bei denen die Viskosität unabhängig von der vorgegebenen Belastung konstant ist. Sie wird aber dennoch häufi g zur Qualitätssicherung bei nicht-newtonschen Substanzen eingesetzt.

Zeitversuch: Dieser Versuchstyp wird verwendet, um die zeitliche Abhän-

gigkeit der Viskosität einer Probe unter konstanter Vorgabe zu beurteilen, z. B. bei einer Aushärtung oder Gelierung.

Fließ- und Viskositätskurven: Bei Fließ- und Viskositätskurven wird ein Scherratenbereich

vorgegeben und die Viskosität in Abhängigkeit der Scher-rate gemessen. Bei der Fließkurve wird üblicherweise die Schubspannung τ auf der y-Achse und die Scherrate γ⋅ auf der x-Achse, bei der Viskositätskurve die Viskosität η auf der y-Achse und die Scherrate γ⋅ auf der x-Achse dargestellt. Die meisten Proben zeigen ein so genanntes scherverdünnendes Fließverhalten, d. h. mit zunehmender Scherrate nimmt die Viskosität ab. In Abbildung 1 sind die Viskositätsfunktionen für Substanzen ohne Fließgrenze im Überblick dargestellt.

Abb. 1: Viskositätsfunk-tionen: (1) idealviskoses bzw. newtonsches, (2) scherverdünnendes bzw. pseudoplastisches, (3) scherverdickendes bzw. dilatantes Fließverhalten

Sprungversuch: Dieser Versuchstyp wird vor allem zur Bestimmung der Thixotro-

pie, d. h. der Beurteilung des Strukturab- und -wiederaufbaus eingesetzt. Das ist das Thema in einem der nächsten „Tipps und Tricks von Joe Flow“..

Temperaturversuch: Bei konstanter Vorgabe wird die Viskosität in Abhängigkeit von

der Temperatur ermittelt.

Welche Einstellungen wähle ich für meine Fließ- und Viskositätskurve?

Generell empfehle ich, so praxisnah wie möglich zu messen, um damit technische Prozesse realitätsnah zu simulieren.

In der Software Rheoplus stehen Ihnen viele Messvorschriften als Vorlagen zur Verfügung. Diese können Sie jederzeit beliebig abän-dern und erweitern, z. B. Abschnitte kombinieren und Ruhe- oder Wartezeiten einbauen.

Um das Fließverhalten einer Probe zu bestimmen empfehle ich eine logarithmische Vorgabe der Scherrate. Dabei werden die Messpunkte gleichmäßig über die Dekaden verteilt, was vor allem dazu führt, dass im unteren Scherratenbereich mehr Punkte gemes-sen werden (Lupenfunktion). Bei unbekannten Proben hat sich z. B. ein Scherratenbereich von 0,1 s-1 bis 100 s-1 bewährt. Wählen Sie hierfür z. B. 22 Messpunkte, so erhalten Sie in jeder Dekade 7 Messpunkte, also im Scherratenbereich zwischen 0,1 s-1 bis 1 s-1, ebenso zwischen 1 s-1 und 10 s-1 und zwischen 10 s-1 bis 100 s-1. Wählen Sie im Vergleich dazu eine lineare Vorgabe für den gleichen Scherratenbereich mit gleich vielen Messpunkten, so liegt bereits der zweite Messpunkt bei ca. 5 s-1. Dafür erhalten Sie bei höheren Scherraten viele Messpunkte. Oftmals kann der Kurvenverlauf bei den höheren Scherraten aber schon anhand weniger Messpunkte ausreichend beschrieben werden. Meistens ist das Verhalten der Probe bei kleinen Scherraten interessant, weil sich dort die Viskosi-tät am stärksten ändert, vor allem bei Proben mit Fließgrenze.

In den Abbildungen 2 und 3 sind zwei Viskositätskurven (linear und logarithmisch vorgegebene Scherrate, gleiche Anzahl an Messpunk-ten) in linearer und logarithmischer Skalierung dargestellt.

Abb. 2: Lineare Darstellung von zwei Fließkurven (linear und logarithmisch vorgegebene Scherrate, gleiche Anzahl an Messpunkten)

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Abb. 3: Logarithmische Darstellung von zwei Fließkurven (linear und logarithmisch vorgegebene Scherrate, gleiche Anzahl an Messpunkten)

Was muss ich bei meinen Messungen beachten?

Beim Einsetzen der Scherung beginnt die Probe zu fl ießen und es bildet sich eine laminare Strömung aus (Abb. 4). Dafür braucht die Probe Zeit (transienter Effekt). Die Wahl der Messpunktdauer hat deshalb eine große Bedeutung. Bei einer zu kurzen Messpunktdauer wird die Probe im Messspalt nicht vollständig geschert (Abb. 4, Mitte) und das Rheometer ermittelt eine zu niedrige und damit falsche Viskosität.

Abb. 4: Sich ausbildende laminare Strömung während der Sche-rung

Für Scherraten unter 1 s-1 gilt als Messzeit pro Messpunkt der Richtwert: Messpunktdauer = 1 / Scherrate.Im Scherratenbereich von 0,1 s-1 bis 100 s-1 ist demnach für den ersten Messpunkt bei der Scherrate von 0,1 s-1 eine Zeit von 10 s notwendig. Durch das Erhöhen der Scherrate verkürzt sich die Zeit, die zum Ausbilden der gleichmäßigen Schichtenströmung benötigt wird und die Messpunktdauer kann immer kürzer ge-wählt werden. Deshalb ist bei der Vorgabe einer logarithmischen Rampe der Scherrate auch die Einstellung einer "umgekehrten" logarithmischen Rampe für die Messpunktdauer sinnvoll und der Gesamtversuch wird nicht unnötig in die Länge gezogen. Für Scherraten größer 1 s-1 empfehle ich eine Messpunktdauer von 1 s.

In Abbildung 5 sind die Viskositätskurven einer Dispersion mit zu kurzer (Kurve 1 und 2) und ausreichend langer (Kurve 3) Mess-punktdauer dargestellt.

Abb. 5: Viskositätskurve einer Dispersion, Auftreten von zeitab-hängigen Effekten („transienter Viskositätshügel“) bei niedrigen Scherraten und zu kurzer Messpunktdauer (1), (2) und ausrei-chend langer Messpunktdauer (3)

Eventuelle Messfehler können viele Ursachen haben und zeigen sich meist schon am Verlauf der Viskositätskurve oder oftmals noch besser anhand der Fließkurve. In den „Tipps und Tricks von Jow Flow“ von 2010 wurde darauf näher eingegangen.

Fließ- und Viskositätskurve mit Schubspannungsvorgabe

Fließ- und Viskositätskurven können Sie wie alle anderen Ro-tationsversuche auch mit Schubspannungsvorgabe (CSS-Test) messen. In Abbildung 6 sind zwei Fließkurven mit linearer CSR- und CSS-Vorgabe dargestellt.

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Instrumente für:Dichte- undKonzentrationsmessung

Rheologie and Viskosimetrie

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Kolloidmesstechnik

Röntgenstrukturanalyse

CO2-Messung

Präzisions-Temperaturmessung

Abb. 6: Vergleich von Fließkurven mit CSS- und CSR-Vorgabe

Wenn die Probe fl ießt, kann es bei der CSS-Vorgabe allerdings dazu führen, dass sich rasch sehr hohe Scherraten einstel-len und es durch Fliehkräfte zu einer Spaltentleerung kommt. Deshalb werden heute meist CSR-Versuche bevorzugt. Belasten Sie z. B. Wasser (Viskosität ca. 1 mPas) und Glyce-rin (Viskosität ca. 1 Pas) mit einer Schubspannung von 1 Pa, ergibt sich bei Wasser eine Scherrate von ca. 1000 s-1 und bei Glycerin ca. 1 s-1.

CSS-Versuche werden manchmal noch zur Bestimmung der Fließgrenze eingesetzt. Weitere Informationen zum Thema Fließgrenzenbestimmung erhalten Sie in einem der nächsten „Tipps und Tricks von Joe Flow“.