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Fachartikel Dipl.-lng. rg Ehgartner ist Universi tätsassistent am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Forschungsbereich Bauwirt- schaft und Baumanagement, der Fakultät für Bauingeni- eurwesen der Technischen Universität Wien. Toteranzen im Hochbau Toteranzen im Hochbau Jörg Ehgartner Als Toleranz wird die zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen definiert, da sich Ab- messungen gerade im Bauproduktionsprozess nicht genau erzeugen lassen. Herstellungsbeding- te Abweichungen gegenüber Nennmaßen aus der Planung sind unvermeidbar. Die im Hochbau in der Regela ngewandte Norm ist di e ÖNORM DIN 182 02 in der Fassung 2010. Darin sind Grenzab- weichungen sowie Grenzwerte für Winkel- un d Ebenheitsabweichungen angegeben. Die jeweiligen t echnischen Werkvertragsnormen sehen vo r, dass für besondere Anf orderungen an die Oberfläche zusätzliche Angaben zu machen sind. 1. Einleitung und Problemstellung Der Begriff" der "Toleranz" hat seine Wurzel im lateinischen Wort tolerare, in der Bedeutung von "erdulden" oder "ertragen". .. Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht. Toleranz ist vor allem eine aktive Einstellung, die sich auf die Anerkennung der all- gemeingültigen Mens chenrechte und Grundfreihei- ten anderer stütz t. " 1 Toleranz kann auch Duldsam- keit bedeuten. 2 Der Brackhaus beschreibt Tol eranz als "zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen. Da sich Abmessungen nicht mathemati sch genau erzeugen lassen, ist ihnen ein Spielraum (Toleranz) nach Lage zum Nennmaß und von be- stimmter Breite zuzuordnen (Toleranzfeld). " 3 Das Nennmaß legt die Nulllinie fe st, auf die alle Maße bezogen werden. Bauteile können nicht exakt hergestellt werden, wobei der Genauigkeitsgrad von dem Baustoff, von der Sorgfalt der Arbeit, der Qualität des Kön- nens und äußeren Umständen (zB Wetter, Tempe- ratur) abhängt. Werkstoffe, Hitfsstoffe, ungünstige Zugänglichkeil bei der Ausfilhrung und das physi- sche Befinden der Arbeiter können die Ausfilhrung außerdem beeinträchtigen. Das Merkblatt Toterau- zen im Hochb au 2000 (nach DIN 18201 und 18202 in der Fassung 1997 und 1998) besagt jedoch, dass die zulässigen herstell un gsbed in gten Maßabwei- chungen bei einer normalen und sorgfältigen Ar- be it eingehalten werden können. 4 2. Regelwerke 2.1. ÖNORM DJN 18202 Die DIN 18202 trägt den Titel .. Taleranzen im Hochbau - Bauwerke" und wurde 1998 als ÖNORM übernommen. Mit der Neuerung der DIN 18202 im Oktober 2005 wurde naturgemäß auch die ÖNORM DIN 18202 angepasst und 2006 her- ausgegeben. Am 15. 2. 2010 wurde sie aufgrund der Änderung des Vorwortes neu veröffentlicht, jedoch mit den gleichen Inhalten der DJN 18202. Als Maßtoieranzen werden Grenzabweichun- gen sowie Grenzwerte filr Winket- und Ebenheils- abweichungen festgelegt, die jedoch baustoff- unabhängig Gültigkeit besitzen. Materialbedingte Unebenheiten, z.B bei Fliesen, sind durch die in der V gl Erklärung von Prinzipien der Toleranz, 28. UNESCO- Generalkonfercuz Paris (2 5. l 0. bis 16. II. 1995). 2 Synonymie nach Mackense n, Deutsches Wörterbuch" (I 986). 3 Vgl Brackhaus Naturwissenscha ften und Technik ( 1989) 132. 4 Vgl Zentralverband Deut sc hes Baugewerbe, Merkblatt Toleran- zen im Hochbaunach DIN 18202 (2000 ) 2. ÖNORM dargestellten Grenzwerte nicht erfasst. 5 Zeit- und lastabhängige Verfonnungen (zB durch Temperaturschwankungen) sind dabei ebenfa ll s normativ nicht berücksichtigt. In der DlN werden zudem Verfahren zur Prü- fung der Einhaltung der Grenzwerte und Grenzab- weichungen beschrieben. Sichtbare Unebenhe iten sind dabei ni cht als Manget anzusehen, solange sie innerhalb der festgelegten Werte liegen. 6 Die ÖNORM DIN 18202 definiert vielfach ver- wendete Toleranzbegriffe wie folgt: 3.1 Nennmaß I Sollmaß Maß, das zur Kennzeichnung von Größe, Gestalt und Lage ein es Bauteils od er Bauwerks angegeben und in Zeichnungen eingetragen wird. 3.3 Maßabweichung Differenz zwischen Istmund Nennmaß 3.6 Maßtoleranz Differenz zwi schen chstmaß und Mindestmaß 3.10 Grenzabweichung Differenz zwischen Höchstmaß und Nennmaß oder Mindestmaß und Nennmaß Gemäß dem Merkblatt zu Toteranzen im Hochbau ist das Nennmaß .. das Maß, welches das Bauwerk oder Bauteil haben soll. " 7 Nennmaß Istmaß Maßabweichung Höchstmaß Abbildung 1: Bild 1 der ÖNORM DIN 18202, "Anwendung der Begriffe" Durch die Festlegung von Grenzabweichungen sollen Begrenzungen festgelegt werden, die trotz unvermeidlicher Ungenauigkeiten bei der Ferti- gung und Montage das Zusammenführen der Bau- teile ermöglichen, ohne Anpass- und Nacharbeiten durchfuhren zu müssen. Vgl Zentrah wband Deutseires Buuge"·erbe, Merkbla tt Toleran- zcn im Hochbau nach DIN I 8202 (2007) 8. 6 Vgl Merkblau Taleranzen im Hochbau, 4. 7 Vgl Mcrkblotl Taleranzen im Hochbau, 5. 50 ----- -------------------------------- baUa k tu ell März 2011

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Fachartikel

Dipl.-lng. Jörg Ehgartner ist Universitätsassistent am

Institut für Interdisziplinäres

Bauprozessmanagement,

Forschungsbereich Bauwirt­

schaft und Baumanagement,

der Fakultät für Bauingeni­

eurwesen der Technischen

Universität Wien.

Toteranzen im Hochbau

Toteranzen im Hochbau

Jörg Ehgartner

Als Toleranz wird die zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen definiert , da sich Ab­messungen gerade im Bauproduktionsprozess nicht genau erzeugen lassen. Herstellungsbeding­te Abweichungen gegenüber Nennmaßen aus der Planung sind unvermeidbar. Die im Hochbau in der Regelangewandte Norm ist die ÖNORM DIN 18202 in der Fassung 2010. Darin sind Grenzab­weichungen sowie Grenzwerte für Winkel- und Ebenheitsabweichungen angegeben. Die jeweiligen technischen Werkvertragsnormen sehen vor, dass für besondere Anforderungen an die Oberfläche zusätzliche Angaben zu machen sind.

1. Einleitung und Problemstellung Der Begriff" der "Toleranz" hat seine Wurzel im lateinischen Wort tolerare, in der Bedeutung von "erdulden" oder "ertragen". .. Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht. Toleranz ist vor allem eine aktive Einstellung, die sich auf die Anerkennung der all­gemeingültigen Menschenrechte und Grundfreihei­ten anderer stützt. "1 Toleranz kann auch Duldsam­keit bedeuten.2 Der Brackhaus beschreibt Toleranz als "zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen. Da sich Abmessungen nicht mathematisch genau erzeugen lassen, is t ihnen ein Spielraum (Toleranz) nach Lage zum Nennmaß und von be­stimmter Breite zuzuordnen (Toleranzfeld). "3 Das Nennmaß legt die Nulllinie fest, auf die alle Maße bezogen werden.

Bauteile können nicht exakt hergestellt werden, wobei der Genauigkeitsgrad von dem Baustoff, von der Sorgfalt der Arbeit, der Qualität des Kön­nens und äußeren Umständen (zB Wetter, Tempe­ratur) abhängt. Werkstoffe, Hitfsstoffe, ungünstige Zugänglichkeil bei der Ausfilhrung und das physi­sche Befinden der Arbeiter können die Ausfilhrung außerdem beeinträchtigen. Das Merkblatt Toterau­zen im Hochbau 2000 (nach DIN 18201 und 18202 in der Fassung 1997 und 1998) besagt jedoch, dass die zulässigen herstellungsbedingten Maßabwei­chungen bei einer normalen und sorgfältigen Ar­beit eingehalten werden können.4

2. Regelwerke 2.1. ÖNORM DJN 18202

Die DIN 18202 trägt den Titel .. Taleranzen im Hochbau - Bauwerke" und wurde 1998 als ÖNORM übernommen. Mit der Neuerung der DIN 18202 im Oktober 2005 wurde naturgemäß auch die ÖNORM DIN 18202 angepasst und 2006 her­ausgegeben. Am 15. 2. 2010 wurde sie aufgrund der Änderung des Vorwortes neu veröffentlicht, jedoch mit den gleichen Inhalten der DJN 18202.

Als Maßtoieranzen werden Grenzabweichun­gen sowie Grenzwerte filr Winket- und Ebenheils­abweichungen festgelegt, die jedoch baustoff­unabhängig Gültigkeit besitzen. Materialbedingte Unebenheiten, z.B bei Fliesen, sind durch die in der

V gl Erklärung von Prinzipien der Toleranz, 28. UNESCO­Generalkonfercuz Paris (25. l 0. bis 16. II. 1995).

2 Synonymie nach Mackensen, Deutsches Wörterbuch" (I 986). 3 Vgl Brackhaus Naturwissenschaften und Technik ( 1989) 132. 4 Vgl Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Merkblatt Toleran­

zen im Hochbaunach DIN 18202 (2000 ) 2.

ÖNORM dargestellten Grenzwerte nicht erfasst.5

Zeit- und lastabhängige Verfonnungen (zB durch Temperaturschwankungen) sind dabei ebenfalls normativ nicht berücksichtigt.

In der DlN werden zudem Verfahren zur Prü­fung der Einhaltung der Grenzwerte und Grenzab­weichungen beschrieben. Sichtbare Unebenheiten sind dabei nicht als Manget anzusehen, solange sie innerhalb der festgelegten Werte liegen.6

Die ÖNORM DIN 18202 definiert vielfach ver­wendete Toleranzbegriffe wie folgt:

3.1 Nennmaß I Sollmaß Maß, das zur Kennzeichnung von Größe, Gestalt und Lage eines Bauteils oder Bauwerks angegeben und in Zeichnungen eingetragen wird.

3.3 Maßabweichung Differenz zwischen Istmaß und Nennmaß

3.6 Maßtoleranz Differenz zwischen Höchstmaß und Mindestmaß

3.10 Grenzabweichung Differenz zwischen Höchstmaß und Nennmaß oder Mindestmaß und Nennmaß

Gemäß dem Merkblatt zu Toteranzen im Hochbau ist das Nennmaß .. das Maß, welches das Bauwerk oder Bauteil haben soll. "7

Nennmaß

Istmaß Maßabweichung

Höchstmaß

Abbildung 1: Bild 1 der ÖNORM DIN 18202, "Anwendung der Begriffe"

Durch die Festlegung von Grenzabweichungen sollen Begrenzungen festgelegt werden, die trotz unvermeidlicher Ungenauigkeiten bei der Ferti­gung und Montage das Zusammenführen der Bau­teile ermöglichen, ohne Anpass- und Nacharbeiten durchfuhren zu müssen.

Vgl Zentrah wband Deutseires Buuge"·erbe, Merkblatt Toleran­zcn im Hochbau nach DIN I 8202 (2007) 8.

6 Vgl Merkblau Taleranzen im Hochbau, 4 . 7 Vgl Mcrkblotl Taleranzen im Hochbau, 5.

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lOteranzen 1m Hocnoau

Spalte 1 2 3 4 5 6 7

Zeile Bezug Grenzabweichungen in mm bei Nennmaßen in m

bis 1 über1 über3 über 6 über 15

über 30') bis 3 bis 6 bis 15 bis 30

1 Maße im Grundriss, z. B. längen, Breiten, ± 10 ± 12 ± 16 ± 20 ± 24 ± 30 Achs- und Ras termaße (siehe 6.2.1)

5 Öffnungen, z. B. für Fenster, Türen,

± 10 ± 12 ± 16 Einbauelemente (siehe 6.2.5)

' ) Diese Grenzabw~ichungen kön~.en bei Nennmaßen bis etwa 60 mangewendet werden. Bei größeren Abmessungen smd besondere Uberlegungen erforderlich .

.. Abbildung 2: Tabelle 1 der ONORM DIN 18202, Zeile 1 und 5 von 6 "Grenzabweichungen"

Spalte 1 2 3 4 5 6

Zeile Bezug Stichmaße als Grenzwerte in mm bei Messpunktabständen in m bis

0 ,1 l'l 4') to•> 15•l bl

1 Nichtflächenfertige Oberseiten von

10 15 20 25 30 Decken, Unterbeton und Unterböden

2 [ ... ] Nichtflächenfertige Oberseiten von

5 8 12 15 20 Decken, Unterbeton und Unterböden

3 [ ... ) Bodenbeläge, Fliesenbeläge,

2 4 10 12 15 gespachtelte und geklebte Beläge

4 Wie Zeile 3, jedoch mit erhöhten

1 3 9 Anforderungen 12 15

5 Nichflächenfertige Wände und

5 10 15 25 30 Unterseiten von Rohdecken

Flächenfertige Wände und Unterseiten

6 von Decken, z. B. geputzte Wände,

3 5 10 20 25 Wandbekleidungen, untergehängte Decken

7 Wie Zeile 6, jedoch mit erhöhten 2 3 8 15 Anforderungen 20

') Zwischenwerte sind den Bildern 4 und 5 zu entnehmen und auf ganze mm zu runden. b) Die Grenzwerte für Ebenheilsabweichungen der Spalte 6 gelten auch für Messpunktabstände über 15 m.

Abbildung 3: Tabelle 3 der ÖNORM DIN 18202, Zeile 1 bis 7 von 7 "Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen"

Die in Tabelle 3 der ÖNORM DIN 18202 festgelegten Werte haben ftir Decken, Estriche, Bodenbeläge und Wände, abhängig von ihrer Lage, Gültigkeit. Die Tabelle findet keine Anwendung für Absätze und Höhensprünge zwischen benach­barten Bauteilen. Diese sind laut ÖNORM DIN 18202, Punkt 5.4 gesondert zu regeln. Die ÖNORM DIN 18202, Punkt 5.4 besagt zudem, dass bezüg­lich der Grenzwerte für Ebenheilsabweichungen bei erhöhten Anforderungen gesonderte Grenzwerte zu vereinbaren sind.

Aufgrund möglicher zeit- und lastabhängiger Verformungen ist so fhih wie möglich die Ein­haltung der Toteranzen zu überprüfen. Spätestens ist eine Überprüfung jedoch mit Übernahme oder Fertigstellung des Bauwerks durchzuführen. Das Messverfahren hat der Prüfer zu wählen und anzu­geben. In welcher Form die Messpunkte zu wählen sind, ist in der ÖNORM DlN 18202 dargestellt.

Bereits in der Planung sind tedmisch notwendi­ge ausreichende Toteranzen zu berücksichtigen, da in der Regel in der Ausführung Maßabweichungen auftreten. Bei Passungsberechnungen, zB fiir den Einbau von Fenstern, sind die Toteranzen einzube­ziehen. Ein Augenmerk bei der Ausschreibung ist darauf zu legen, wenn Bauteile besondere Anforde­rungen zu erfiillen haben, zB hängende Schiebewän­de oder Türzargen. Hierftir sind in der Ausschrei-

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bung diese Anforderungen genau zu beschreiben und maximale Abweichungen anzugeben.8

2.2. Technische Werkvertragsnormen ln der ÖNORM B 221 I in der Fassung 2007, "Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonarbeiten", Punkt 4.2.2 "Angaben", wird festgelegt, dass insbesondere be­zügl ich erhöhter Anforderungen an Maß-, Form- und Lagetoteranzen Angaben zu machen sind (vgl auch ÖNORM B 2206 "Mauerungs- und Versetzarbeiten" in der Fassung 2008). Laut Punkt 5.3.4.1 können diese erhöhten Anforderungen gemäß ÖNORM DIN 18202 in der Fassung 2006, Tabelle 3, auch als Toleranz­klasse E2 bezeichnet werden. In der ÖNORM B 2232 " Estricharbeiten" in der Fassung 2007 werden weiters Prüfverfahren detailliert beschrieben.

Die ÖNORM B 22 10 in der Fassung 2009, "Putzarbeiten", definiert in Punkt 3.3 die Nenn­putzdicke als mittlere Putzdicke unter Beachtung der Toleranzen und schreibt vor, die Toteranzen der nachfolgenden Gewerke (Stahl- und Holzbau, Ge­bäudeabschlüsse, Fliesen, Estriche) zu beachten.

2.3. Standard-Leistungsbeschreibung Hochbau

Die Leistungsgruppe 32 (LG 32) "Konstruktiver Stahlbau" der standardisierten Leistungsbeschrei-

X Vgl Merkhla lt Taleranzen tm Hochbau, 8.

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Toteranzen im Hochbau

bung, Version 18, 2009-11, sieht vor, dass erhöhte Anforderungen als Aufzahlungspositionen festzu­legen sind. In der LG 33 "Vorgehängte Fassaden" ist zB vorgesehen, dass der Ausgleich von etwai­gen Ungenauigkeiten, die im Rahmen der Maßto­Ieranzen des Rohbaus gemäß ÖNORM liegen, im Einheitspreis einzukalkulieren ist. Für die LG 34 "Verglaste Rohrrahmenelemente" ist geregelt, dass aufgrund der normgemäß zulässigen Maßtoieran­zen vor der Ausfiihrung ein Naturmaß zu nehmen ist. Laut LG 38 "Holzfußböden" sind Positionen flir den Ausgleich des Unterbodens vorgesehen, wenn Abweichungen die angegebenen Toteranzen überschreiten.

2.4. Nulltoleranz Besonders problematisch kann aus baupraktischer Sicht die sogenannte "Nulltoleranz" sein. Dieser Ausdruck entspricht nicht der Realität, denn eine Nulltoleranz existiert nach obigen Definitionen nicht. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist darunter meistens die Festlegung der unbedingten Einhal­tung einer planlieh definierten Linie (Nulllinie), die unter keinen Umständen unterschritten werden darf, zu verstehen. In diesem Fall muss die Tole­ranzregelung im Sinne des Schachtelprinzips bzw der Hüllbedingungen derart eingehalten werden, dass planlieh die innere Begrenzung der Maßto­leranz auf die "Nulllinie" gesetzt und damit das Nennmaß um den Betrag der festgelegten unteren Grenzabweichung nach außen gerückt wird. Die aus der unteren und der oberen Grenzabweichung definierte Maßtoleranz "sitzt" dann auf der Null­linie.

Besonders auf die Nulltoleranz ist zu achten, wenn zB laut Bauordnung eine bestimmte Raum­höhe(§ 107 Wiener Bauordnung: 2,40 m bei Ein­und Zweifamilienhäusern sowie Reihenhäusern) einzuhalten ist. Sowohl in der Planung als auch in der Ausführung ist auf die Auswirkungen der Taleranzen bezüglich unbedingt einzuhaltender Abmessungen besonders Rücksicht zu nehmen.

3. Stellungnahme zur Praxis Aus baupraktischer Erfahrung ist die Maßeinheit des Poliers "cm" oder "1/2 cm". 1m industrialisier­ten Bauen sind Daumen- und Augenmaß unzuläng­liche Maßstäbe, daher werden diese von mm oder bei Serienfertigungen in der Fabrik von l /1 0 mm Maßeinheiten abgelöst. Bei Verwendung vieler und kleiner Einzelteile wi rd die Maßabweichung grö­ßer sein. Umgekehrt kann bei großen Bauteilen mit geringem manuellem Einsatz die Maßabweichung klein gehalten werden.'1

Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass bei sorgfältiger Ausführung die Einhaltung der in der ÖNORM angegebenen Toteranzen von Fachfirmen gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund wer­den in vielen Fällen die Ausschreibungsunterlagen dahingehend geändert, dass die in der ÖNORM DIN 18202 angegebenen Werte als 1/2-Werte festgeschrieben werden. Der im BVergG 2006 ge­forderten Voraussetzungen der eindeutigen, voll-

9 Vgl dazu Schmittllfcene, Hochkonstruktton (198~ ) 384.

ständigen und neutralen Leistungsbeschreibung ist Folge zu leisten, das heißt, die Änderungen zur ÖNORM DIN 18202 sind klar und deutlich er­kennbar darzustellen. Unklare Formul ierungen und Angaben bezüglich der Toteranzen können zu monetären Streitigkeiten im Rahmen der Bauaus­ftihrung führen, da eine höhere Genauigkeit auf der Sei te der Ausführenden Mehrkosten bedeutet.

Durch eine unzureichende Kommunikation zwischen Bauherrn und Planer in der Projektent­wicklungs- und Vorentwurfsphase können in der Folge offene Fragen entstehen. Äußert der Bau­herr seine Vorstellungen und Wünsche bezüg­lich der Optik nicht unmissverständlich, kann der Planer diese Rahmenbedingungen in der Planung und Ausschre ibung nicht berücksichtigen. Für den Bauherrn werden die Auswirkungen erst mit Herstellung des Bauteils wahrnehmbar. Nachträg­liche Anpassungen s ind eventuell unmöglich und - sofern doch mögl ich - sehr kostenintensiv. Auch wenn sich der Ausführende im Rahmen der Grenz­abweichungen bewegt, können gewisse Vorstellun­gen des Bauhenn enttäuscht werden. Optische Vor­ste llungen eines Architekten, die ein hohes Maß an Genauigkeit und geringe Grenzabweichungen er­fordern, schlagen sich im Preis nieder. Eine höhe­re Genauigkeit ist nur durch größere Sorgfalt und daraus folgend dw·ch höhere Aufwandswerte sowie durch zusätzliche Vermessungskontrollen (zB eine Kontrolle durch einen Geometer statt durch den Pol ier) möglich.

Komplexe Detai llösungen mit hohen Anforde­rungen aufgrund ästhetischer Vorstellungen müs­sen generell baupraktisch ausführbar sein, zudem müssen die Auswirkungen der Toteranzen bereits in der Planung berücksichtigt werden. Die Folgen sind häufig erst während der Ausfiihrung sichtbar und stellen die Projektbeteiligten vor die Tatsache, dass rasch Lösungen zu präsentieren und auszufüh­ren sind. Nicht selten gelangen Blechabdeckungen und Sil ikonfugen, die optisch nicht den Vorstellun­gen des Bauherrn und des Plancrs entsprechen, zur Anwendung.

Werden Raumhöhen, die laut Bauordnung als Mindestmaß einzuhalten sind, unterschritten , kann trotz Unverhältnismäßigkeil des Rückbaus oder Neubaus eine Anpassung erforderlich werden. Der Koord inierung der unterschiedlichen Gewerke, Partien und Bautei le kommt dabe i eine große Be­deutung zu. Bei einer Generalunternehmervergabe werden dem Bauleiter des Generalunternehmers bzw bei einer getrennten Vergabe der örtlichen Bauaufsicht diese Aufgaben der Koordinierung zuteil. Wird durch die Aufsummierung von Ab­weichungen mehrerer Gewerke die Raumhöhe laut Bauordnung unterschritten, ste llt sich die Frage der Mitverantwortung. Durch die Ausführung der verschiedenen Gewerke durch unterschiedliche Firmen und Beteiligte ist die Ursachenforschung im Nachhinein nicht immer einfach. Besondere Aufmerksamkeit ist jenen Bauteilen zu widmen. bei denen Gewerke mit sehr unterschiedlicher Prä­zision und nicht einheitlichen Toteranzen aufein­andertreffen. Als Beispiel sei hier die Schnittstelle zwischen der Fassade und dem Rohbau genannt.

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Werden zB durch die Addition von Maßab­weichungen Grenzwerte nicht mehr eingehal­ten, ist eine Fehleranalyse durchzuführen und die Mitverantwortung der Beteiligten zu klären. Ein Ausgleichen von Unebenheiten, nachträgliche An­passungen oder Ausbesserungsarbeiten sind nur mit monetärem Mehraufwand zu bewerkstelligen. Große Bedeutung kommt in diesen Fällen der Kon­trolle der einzelnen Vorleistung zu. Summieren s ich Maßabweichungen mehrerer Gewerke ausge­hend von Vermessungsungenauigkeiten, folgt spä­testens bei der Kontrolle der Oberfläche oder der Montage von Einbauteilen Ernüchterung. Eine Ko­ordinierung und detaillierte Planungsabstimmung machen gemeinsame Kontrollen und Dokumenta­tionen unumgänglich.

Weiters können Überhöhungen, die in der Be­rechnung der Statik und in der Planung angesetzt werden und die sich durch die Belastung ausglei­chen sollen, zu Problemen führen. Wird diese Überhöhung durch fehlende Belastung nicht aus­geglichen und werden in der Planung eine mög­liche raue Oberfläche sowie sonstige mögliche Verformungen nicht berücksichtigt, werden Un­ebenheiten noch weiter verstärkt.

4. Verantwortungsbereiche Jedem Projektbeteiligten werden Verantwortungs­bereiche und Aufgaben zutei l, deren Erledigung fiir den Erfolg des Projektes von Bedeutung ist. So hat bezüglich der Taleranzen zB der Bauherr den Verwendungszweck vorzugeben, der Planer unum­gängliche Taleranzen bereits in der Planung zu be­rücksichtigen und die ausführende Firma die vorge­gebenen Taleranzen einzuhalten. In der Folge sind die Verantwortungsbereiche den Projektbeteiligten zugeordnet und in einer Übersicht dargestellt.

4.1 . Bauherr • Definition der Anforderungen bezüglich Ver-

wendungszweck und Ästhetik. Vorgegeben werden die Grenzabweichungen und Grenzwerte in der ÖNORM DIN 18202. Diese sind erfahrungsgemäß mit sorgfältiger Arbeit ein­zuhalten, können jedoch durchaus optisch sichtbar sein. Der Bauherr hat seine Anforderungen in Be­zug auf Ästhetik und den Verwendungszweck zu definieren. Der Planer, der fiir die Ausschreibung der Bauleistung und die Planung verantwortlich ist, hat den Bauherrn bezüglich der Auswirkun­gen der Taleranzen zu beraten. Entscheidend ist, dass der Bauherr dem Planer seine Vorstellungen mitteilt, denn nur dann können diese Umstände der Leistungserbringung auch in der Ausschrei­bung definiert werden. Somit sind gegebenenfalls Gre~~abweichungen und Grenzwerte gegenüber der ONORM DIN 18202 zu verringern, die bau­praktische Durchfiihrbarkeit ist jedoch zu gewähr­leisten. Jeder dem Vertrag gegenüber abweichende Wunsch des Bauherrn zieht Mehrkosten nach sich. Der Planer wiederum muss seinerseits mögliche Abweichungen zur ÖNORM, speziell bei Details und nicht einheitlichen Taleranzen und Genauig­keiten bei nachfolgenden Gewerken, in der Pla­nung bereits berücksichtigen.

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loteranzen tm Hochbau

4.2. Planer10

• Beratung des Bauherrn bezüglich der Auswir­kungen der Toleranzen;

• Einhaltung von Mindestabmessungen (zB laut Bauordnung: Abmessungen von Treppen, lich­te Höhe von Aufenthaltsräumen);

• Überprüfung der Anforderungen (zB Abmes­sungen eines nutzungsgerechten Sportbeckens mit einer Überlaufkante, Venneidung von Pfüt­zenbildung, Ebenheit und gleichmäßiges Ge­falle bei Balkonen);

• Kontrolle einer möglichen Beeinträchtigung der Funktionalität des Bauwerks nach den Bestimmungen laut ÖNORM DIN 18202 (zB Entwässerung, Montage von Einbauteilen);

• Kontrolle einer möglichen Beeinträchti­gung der Ästhetik nach den Bestimmungen laut ÖNORM DIN 18202 (zB Struktur, An­schlussfugen);

• Verwendung der Baustoffe (zB Fertigteile oder Ort beton, Standardmontageteile );

• Berücksichtigung von Kriechen, Schwinden, Wind- und Schneelast;

• Kontrolle der Taleranzen bei Übergängen und Schnittstellen, speziell bei Nachfolgegewerken mit unterschiedlichen Toleranzanforderungen, zB Stahlbeton - Glas, Sichtbeton - Malerar­beiten, Rohbau - Schlosserarbeiten, Rohbau - Fassade (Anmerkung: Bei der Abfolge der Arbeiten Rohbau - Putzarbeiten - Malerarbei­ten kann ein Toleranzausgleich durch den Putz erfolgen; kann dieser Ausgleich nicht erreicht werden, zB ohne Putz, müssen die Taleranzen des Endzustandes bereits im Zwischenstadium (Stahlbeton] eingehalten werden);

• Ausführbarkeit der Planung; • eindeutige und klare Beschreibung der ab­

weichenden Bestimmungen zur ÖNORM DrN 18202.

4.3. Ausführung11

• Angebotsphase (Kalkulant): Berücksichti­gung von abweichenden Bestimmungen zur ÖNORM DIN 18202 (zB 1/2 DIN-Werte) in der Kalkulation (zB Mehraufwendungen durch höhere Genauigkeit und zusätzliche VeJmes­sung);

• Arbeitsvorbereitung (Bauleiter, Polier): Fest­stellen der zulässigen Grenzabweichungen und Grenzwerte;

• Planfreigabe: sorgfaltige Prüfung der Vorab­zugspläne spezie ll auf Durchführbarkeit von Details;

• Vermessung: Vermessungstechnische Unge­nauigkeiten gehen bei messtechnisch unkon­trollierter Baudurchftihrung als systematische Maßabweichung durch alle Folgearbeiten bis zur Fertigstellung in das Bauwerk ein;

• Ausfiihrung (Bauleiter, Polier): Einhaltung der zulässigen Grenzabweichungen und Grenzwer­te durch Kontrollen bzw Anwendung höherer Sorgfalt und zusätzlicher Vermessung (Geome-

10 Vgl dazu Bludou!Erii!Weber, Maßgerechtes Bauen' (1998) 97. 11 Vgl dazu Bludau!Erii/Weber, Maßgerechtes Bauen'. 14 0 IT.

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Teleranzen im Hochba u

ter statt Kontrolle durch den Polier) bei erhöh­ten Anforderungen;

• Überprüfung der Machbarkeil (gegebenenfalls Umstellung des Arbeitsablaufs oder des Bau­verfahrens);

• Prüfung von vorhandenen Waagrissen (in ÖNORM festgelegte Nebenleistung, zB in ÖNORM B 2206 in der Fassung 2008, .. Maue­rungs- und Versetzarbeiten");

• Vorleistungen: Feststellung der Toleranzwerte, Prüfung der Abweichungen und Vergleich der Bauwerksmaße, Wink ligkeilen und Ebenheilen mit den Planvorgaben;

• Montage von Fertigteilen. Überprüfung der Vorleistung vor der Herstellung der Fertigtei le;

• Prüf- und Wampft icht; • Ausftihrung Generaluntemehmer: Prüfung der

Abweichungen der einzelnen Baustoffe bzw Bauwerke und der gesamten Betrachtungs­fläche;

• Ausführung Generalunternehmer: Abstim­mung mit den Vor- und Folgeleistungen sowie Koordinierung und Sphärenzuteilung der Ge­werke bei der Notwendigkeit von Ausgleichen bei Unebenheiten (zB Ausgleich einer unebe­nen Stahlbetondecke mit dem Einbringen des Estr ichs);

• bei fehlerhafter Vorleistung: Mitteilung von Mängeln oder berechtigter Bedenken bezüg­lich beigestellter Vorleistung an den Bauhen11 (siehe ÖNORM B 2110 in der Fassung 2009, Punkt 6.2.4.1 "Allgemeine Vertragsbestim­mungen für Bau1eistungen" ) und Anmeldung der Forderung (siehe ÖNORM B 2 110, Punkt 7.4);

• Abstimmung der Maßnahmen mit dem Bau­herrn zum Ausgleich mangelhafter Leistung;

• Maßkontrolle vor Anmeldung zur Übernahme und gegebenenfalls Korrektur.

Die Toleranz T, auch Fertigungstoleranz genannt, beschreibt die DitTerenz zwischen dem größten und dem kleinsten zulässigen Maß, wobei sich die Gesamttoleranz Ts" aus den Toteranzen der Bau­teil Fertigung, der Montage und der Vermessung zusammensetzt. 12 Als Faustformel wird die Ver­messungsto leranzwie folgt angesetzt: Sollmaß x = 10,00 m, größtes Maß = 10,0 I m, kleinstes Maß = 9,99 m, Toleranz T = 0,02 m, Standardabweichung = 0,2 X T = 0,2 X 0,02 = 0,004 m.13

Für durchzuführende Prüfungen sind Bezugs­punkte festzu legen. Da in der Normung zeit- und lastabhängige Verformungen von Bauteilen (zB Durchbiegungen) nicht berücksichtigt sind, sollten Prüfungen so früh als möglich durchgeführt wer­den.14

In der Ausführung is t das Zusammenspiel zwi­schen den Beteil igten (Baumeister, Nach- und Ne­benunternehmer, örtl iche Bauaufsich t und Bauherr) von großer Bedeutung. Gemeinsame fortlaufende Kontrollen und Abstimmungen gewährleisten die Einhaltung der Grenzwerte und Grenzabweichun-

12 Vgl Sdmeider, Bautabellen flir lngCI11eure" (20 10) 14.2. 13 Vgl Schneider. Baulabellen flir Ingenieure' ' (2002 ) 14 .2. 14 Vgl Frick/Knö/1. Baukonslrukl ionslehre In (2002) 22.

gen. Wird die Einhaltung der Maßgenauigkei ten der ei nzelnen Einzelgewerke nacheinander über­prüft, können Abweichungen dem Verursacher zu­geordnet werden.

4.4. Örtliche Bauaufsicht • Feststellung der Toleranzwerte, Prüfung der

Abweichungen und Vergleich der Bauwerks­maße, Winkligkeilen und Ebenheilen mi t den Planvorgaben;

• Prüfung der Abweichungen der einzelnen Bau­stofte bzw Bauwerke und der gesamten Be­trachtungsfläehe ;

• Abstimmung mi t den Vor- und Folgeleistungen sowie Koordinierung und Sphärenzuteilung der Gewerke bei der Notwendigke it von Aus­gleichen bei Unebenheiten (zB Ausgleich einer unebenen Stahlbetondecke mit dem Einbringen des Estrichs);

• Abstimmung der Maßnahmen mit dem Bau­herrn und den Ausführenden zum Ausgleich mangelhafter Leistung;

• Durchführung der Übernahme und Dokumen­tation der Mängel.

5. Baupraktische Beispiele 5.1. Montage einer Türzarge

in einer Trockenbauwand Bei einem Trockenbauausbau in einem Büroge­bäude sollten Türzargen nicht als U-Profile, son­dern aus optischen Gründen flach ausgefühlt wer­den. Laut ÖNORM B 22 12 in der Fassung 200R. "Trockenbauarbeiten" haben bezüglich Kanten und Ichsen die Grenzwerte der Tabelle 3, Zei le 7 der ÖNORM DIN 18202 Gül tigkeit. Für Mess­punktabstände zwischen I und 3 m betragen die Grenzwerte zwischen 3 und 5 mm. Die ÖNORM B 5330-10 in der Fassung 2006, ,.Stahlzargen !Ur Ständerwandsysteme mit Gipsplatten" sieht Ab­we ichungen von zirka ± 0,5 mm vor. Da in der Ausschreibung keine besonderen Anforderungen für die Herstellung der Trockenbauwände gestellt wurden, waren unweigerlich mit freiem Auge sichtbare Fugen die Folge. Abhi lfe leisteten optisch unvorteilhafte Sil ikonfugen.

5.2. Bodenbelag auf Estrich und Stahlbetondecke

Ein Baumeister s tellte die Stahlbetondecke, ein Subunternehmer des Baumeisters den Estrich und ein Nebenunternehmer im Auftrag des Bauherrn den Bodenbelag her. Es waren die Toteranzen lau t ÖNORM DrN 18202 einzuhalten. Vor der Herste l­lung des Estrichs wurden mögliche Unebenhei ten nicht dokumentiert oder kontroll iert. Der Subunter­nehmer beklagte Mehrstärken bei der Herstellung des Estrichs. Vor dem Verlegen des Bodenbelags äußert der Bauherr den Wunsch, Unebenheiten auf 4,00 m gemessen von maximal 0,5 mm zu errei­chen. Für die Herstellung der Stahlbetondecke beträgt der Grenzwert flir Ebenheitsabweichung, bei einem Messpunktabstand von 4,00 m, 12 mm (siehe Tabelle 3, Zeile 2, Spalte 4). Für die Her­stellung des Estrichs und des Bodenbelags ist die Zeile 3 der Tabelle 3 heranzuziehen, die einen

baUaktuell März 2011

Page 6: Toteranzen im Hochbau - Publikationsdatenbank der TU Wien · PDF fileerhöhten Anforderungen gemäß ÖNORM DIN 18202 in der Fassung 2006, Tabelle 3, auch als Toleranz ­ klasse

Grenzwert für Ebenheilsabweichung von l 0 mm vorsieht. Der Bauherr hat zwei Vertragspartner: den Baumeister, der bis zur Oberkante des Estrichs verantwortlich ist, und den Bodenleger. Der Bau­meister muss sich daher eine mögliche Vergütung von Mehrkosten aufgrund der Notwendigkeit des Ausgleichens von Unebenheiten der Stahlbetonde­cke mit dem Subunternehmer ausdiskutieren. Da dieser die Vorleistung, die Stahlbetondecke, nicht dokumentiert hat und dem Baumeister keine Mit­teilung bezüglich Mehrkosten machte, stritt der Baumeister jede Mitverantwortung ab. Mit dem Vorweisen von Estrichstärken einigte man sich auf eine Vergütung von Mehrkosten. Da der Subun­ternehmer jedoch auch Bereiche mit Minderstär­ken ausführte und eine gewisse Unebenheit aus­zugleichen hat (unterschiedliche Grenzwerte für Stahlbeton und Estrich), werden die Mehrkosten pauschal um 70 % verringert. Die Abweichungen des Estrichs sind im Rahmen der zulässigen Wer­te. Demnach müssen zusätzliche Anforderungen, die erst im Zuge der Bauausführung kundgetan wurden, vom Bauherrn als Mehrkostenforderung gesondert vergütet werden.

5.3. Wandkonstruktion aus Fertigteilplatten15

Ein Hochhaus wurde an ein bestehendes I 0-stö­ckiges Gebäude angebaut und beide Gebäude wur­den durch Querdurchgänge miteinander verbun­den. Bei der Herstellung der Durchgänge musste festgestellt werden, dass das Deckenniveau der einzelnen Geschoße nicht mit jenen des Nachbar­gebäudes übereinstimmte. Das Deckenniveau im letzten Stock lag um 60 mm über dem Nennmaß. Die zulässige Grenzabweichung laut ÖNORM DIN I 8202, Tabelle I , Zeile 2, Spalte 6 beträgt bei einer Geschoßhöhe von 2,85 m ± 30 mm. das heißt, die Grenzabweichung laut ÖNORM DIN

15 Vgl dazu 8/udau!Er//!Weber. Maßgerechtes Bauen'. 145 (f.

Toteranzen im Hochbau

wurde nicht überschritten. Die Fertigteilwände, die jeweils über ein Geschoß reichten, wiesen eine Überlänge von + 6 mm auf. Laut DIN 18203-1 wurde das zulässige Grenzabmaß nicht überschrit­ten. Bei der Montage wurde diese Abweichung nicht ausgeglichen. Die Maßabweichung betrug im ersten Geschoß+ 10 mm (zulässig± 16 mm laut ÖNORM DIN 18202. Tabelle I, Zeile 2, Spalte 3). Durch die Addition der Maßabweichungen in den folgenden GeschoBen resultierte eine Abweichung von 60 mm. Abhilfe kann durch ständige Nach­kontrollen bei jedem einzelnen Geschoß geleistet werden. Dadurch kann ein Ausgleich stattfinden und einer Aufsummierung der Maßabweichungen entgegengesteuert werden. Gebäudeverformungen und Gebäudebewegungen können den ungünstigen Fallnoch weiter verstärken.

Zusammenfassung Als Toleranz wird die zulässige Abwei­chung von vorgeschriebenen Maßen de­finiert, da sich Abmessungen nicht genau erzeugen lassen.

Der Bauherr muss die Anforderungen bezüglich des Verwendungszwecks und der Ästhetik definieren. Der Planer hat mögliche Abweichungen bereits planlieh zu berücksichtigen, der Ersteller der Aus­schreibung hat die Grenzabweichungen und -werte gegebenenfalls an die Erforder­nisse anzupassen. Die Bauaufsicht hat die Einhaltung dieser vereinbarten Werte zu kontrollieren und die ausführende Firma darauf zu achten, mit normaler und sorg­fältiger Arbeit die vereinbarten Werte nicht zu überschreiten. Dabei kommt der Koordi­nierung der unterschiedlichen Gewerke und Bauteile eine große Bedeutung zu.

Leitfaden zum Grundbuchsrecht

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Feii/Marent/Preisl 2.Aufl. 2010

Mag. Erich Feil und Dr. Kari-Heinz Marent, beide Richter 1. R.. Fachbuchautor zahlreicher im Ltnde Verlag

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März 2011 baUaktuell

1.672 Setten. Leinen ISBN 978 -3 -70 73-1304-8 EUR 295,-

Dr. Gerhard Preisl, seit 1993 Rechtsanwalt. spezialtsiert auf Liegenschaftsrecht und Vertragssachen, Fachbuchautor.

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