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Traditionelle Chinesische Ernährung · PDF filesicht führender TCM-Experten mit chinesischer Medizin wenig zu tun. Gleiches gilt für das Kochen nach dem Zyklus der Fünf Elemente

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Nahrungsauswahl

Im Zentrum des Stoffwechselgesche-hens steht die Verdauung. Mäßige Nah-rungsmengen, leicht erwärmt, in re-gelmäßigen Abständen verzehrt, wir-ken verdauungsfördernd. Nahrungs-karenz (Fasten), Überernährung, hei-ße/eiskalte Speisen und Getränke, Roh-kost, tiefgekühlte, gefriergetrocknete,pasteurisierte, bestrahlte, mikrowel-lengegarte oder anderweitig mit mo-dernen technologischen Verfahren be-handelte Lebensmittel schwächen dasMagen-Qi und die Verdauungsleistung(Kaltes löscht das Feuer im Magen). Siegelten als ernährungsphysiologischwertlos. Unverdaute Reste bleiben inMagen, Milz und Darm zurück und er-zeugen Hitze und Schleim.

Die Nahrungsauswahl erfolgt nach■ Qi-Gehalt – energetischer Wirkung,■ thermischer Wirkung

– erwärmend/kühlend/neutral;austrocknend/befeuchtend,

■ sensorischen Eigenschaften – Geschmack, Aussehen/Farbe,

■ Biorhythmen – Tageszeit, Jahreszeit, Lebensabschnitt,

■ Witterung – Kälte/Hitze, Nässe/Trockenheit, Wind,

■ individueller Konstitution.

Thermische Wirkung der Nahrung

Nach ihrer thermischen Wirkung wirddie Nahrung eingeteilt in kühlend/er-frischend (Yin), neutral (Yin/Yang-Gleichgewicht) und wärmend/erhit-

zend (Yang). Yin-Lebensmittel erfri-schen/kühlen und befeuchten, Yang-Lebensmittel erwärmen und trocknenaus, neutrale Lebensmittel wirken aus-gleichend.

Die Einteilung ist nicht identischmit der messbaren Temperatur. Was-serreiche Lebensmittel wie Obst undGemüse, insbesondere aus warmenKlimazonen (Zitrusfrüchte), werdenYin zugeordnet, fett- und eiweißreicheYang. Kurzes Kochen in viel Wasser/Blanchieren stärkt das Yin-Element(yinisieren), Hitzebehandlung (Rösten,Braten, Grillen, Backen, langes Ko-chen) stärkt das Yang-Element (yangi-sieren) und erhöht das Nahrungs-Qi.Beispiele für yangisierte Produkte sindRöstkaffee, gekochte Fleisch- und Ge-müsesuppen, geschmortes Gemüse.Yinisiert wird ein Gericht durch Zuga-be von Salat oder frischem Obst. Ge-treide, Kartoffeln und einige Gemüse-,

Fleisch- und Fischarten gelten alsthermisch neutral oder schwach wär-mend/kühlend. Bei milder Hitze ge-kochte Getreidegerichte (Suppe, Brei)bilden die Nahrungsgrundlage für denGesunden und dienen als Aufbaunah-rung für Kinder, Kranke und Gebrech-liche.

TCM-Experten stehen der teilwei-se widersprüchlichen Zuordnung derLebensmittel zum Yin/Yang-Systemskeptisch gegenüber. Für den Gesun-den gilt, ähnlich wie im Ayurveda: Aus-probieren, was als wohltuend (harmo-nisierend) empfunden wird.

Sensorische Eigenschaften derNahrungsmittel

Die sensorischen Eigenschaften derNahrungsmittel sind geprägt von Ge-schmack und Farbe, wobei dem Ge-schmack eine herausgehobene Bedeu-

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Alternative Ernährung

Traditionelle Chinesische ErnährungTeil 2: Nahrungsauswahl und ernährungsphysiologische BewertungKarin Schiele, Heilbronn

Tab.3: Lebensmitteleinteilung nach der Fünf-Elemente-Lehre

Geschmacks- Lebensmittel Element/ physiologischerichtung/Farbe (Auswahl) Jahreszeit Wirkung

sauer/grün grüne Salate und Holz (H)– zusammenziehend, Gemüse, Obst, Essig Frühling kühlend, befeuchtend

bitter, Chicorée, Radicchio, Feuer (F) – zusammenziehend, befeuchtend, streng/rot Grapefruit, Kakao, Kaffee Sommer kühlend (Kaffee erwärmend)

süß/gelb Getreide, Karotte, Kürbis Erde (E) – befeuchtend und harmonisierend,Spätsommer baut Milz-Qi auf, sättigt anhaltend

scharf/weiß Radieschen, Zwiebel, Metall (M)– erhitzend, schweißtreibend; Vorsicht Lauch, Pfeffer, Alkohol Herbst bei Hypertonie!

salzig/blau- Kochsalz, Fisch, Wasser (W)– schleimlösend, befeuchtend, kühlend, schwarz Meeresfrüchte, Algen Winter im Übermaß austrocknend und

verhärtend, auch psychisch

Quelle: adaptiert nach [6]

Beratung – also auch Ernährungsberatung – setzt das Wissen um dieweltanschaulichen und kulturellen Einstellungen der Ratsuchendenvoraus. Gerade weil sich die Denkmodelle und Wertsysteme alterna-tiver Kostformen oft der naturwissenschaftlichen Beurteilung ent-ziehen, ist die Kenntnis dieser Vorstellungen in der Beratung wichtig,um diese entweder einzubinden oder auch zu kommentieren. DerBeitrag zur Traditionellen Chinesischen Ernährung im Rahmen derTraditionellen Chinesischen Medizin (TCM) arbeitet diese Aspektedeutlich heraus. In Teil 1 (Heft 1/07) wurden bereits die geschichtli-che Entwicklung, Hintergründe und Prinzipien erläutert. Der vor-liegende 2. Teil beschäftigt sich mit der Nahrungsauswahl und denErnährungsregeln, die beschrieben und aus ernährungsphysiologi-scher Sicht bewertet werden.

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Alternative Ernährung

tung zukommt (Der Geschmack er-nährt die Organe). Die chinesische Er-nährung kennt 5 Geschmacksrichtun-gen: sauer, bitter, süß, scharf, salzig.Nach der Fünf-Elemente-Lehre ist je-der Geschmacksrichtung ein Elementmit seinem Funktionskreis zugeordnet(Tab. 3). Um die Organe gleichmäßigzu versorgen, sollen alle fünf Elementein einer Speise vertreten sein, ggf. inzyklischer Reihenfolge zugegeben, be-ginnend mit Holz/Frühling (Kochenim Zyklus der Fünf Elemente). Das prä-ge die energetische Schwingung derSpeise. Die These wird so nicht mehrgelehrt, taucht aber in der Ernäh-rungsberatung noch auf [11]. Derübermäßige Verzehr von Lebensmit-teln einer Geschmacksrichtung schä-dige das zugeordnete Speicherorgan.

Die optimale Mischung der Ge-schmacksrichtungen orientiert sicham individuellen Bedarf (Schwäche/Fülle). Das Verlangen nach einem be-stimmten Geschmack deute auf eineSchwäche im Element des Funktions-kreises, seine Ablehnung auf Fülle. Sowerden zum Ausgleich von Süß-Schwäche Getreide- und Gemüsege-richte empfohlen.

Individuelle Konstitution

Ebenfalls entscheidend für die Nah-rungszusammensetzung ist die ange-borene Konstitution (Ursprungs-Qi).Eine für jeden gleichermaßen geeigne-te Ernährung gibt es nach chinesi-

schem Verständnis nicht. Wer leichtfriert, niedrigen Blutdruck hat, raschermüdet (Yin-Fülle/Yang-Schwäche),benötigt wärmende Speisen (z.B. Ing-wer, Zimt, Knoblauch, warme Sup-pen). Wer sich leicht erregt, schlecht

schläft, hohen Blutdruck hat (Yang-Fülle/Yin-Schwäche) kühlende Spei-sen (z. B. Obst, grüner Tee).

TCM-Therapeuten ermitteln denKonstitutionstyp und Störungen imYin/Yang-Gleichgewicht durch Beob-achten mit allen Sinnen: Sehen, Hö-ren, Riechen, Fühlen (Tasten). Bedeut-sam sind dabei Puls- und Zungendiag-nostik. Hinzu kommt eine eingehende(Ernährungs-)Anamnese, auch überFragebogen.

Übertragbarkeit in andere Kulturen

Die Klassische Chinesische Ernährungkennt keine Nahrungs-Tabus. Milch-produkte sind wegen der in Asien vor-herrschenden Laktoseintoleranz vonuntergeordneter Bedeutung; alle an-deren in China bekannten Lebens-mittel werden verwendet. Im Mittel-punkt stehen Getreide und Gemüseeinschließlich Hülsenfrüchten, Kräu-ter und Gewürze. Fleisch, Fisch, Mee-resfrüchte und Eier kommen ergän-zend hinzu (ca. 10 % der Nahrung).Produkte aus anderen Klimazonen, z. B. tropische Früchte, gelten als weni-ger geeignet. Die Ernährungslehre

Abb. 4: Chinesische Küche ist keine zwingende Voraussetzung der TCM

Abb. 5: Grundregeln der Traditionellen Chinesischen Ernährung

Grundregeln der Traditionellen Chinesischen Ernährung

1. Regelmäßig essen zu festen Zeiten in ruhiger, entspannter Umgebung: Wär-mendes Frühstück, Hauptmahlzeit am Mittag – dann ist Yang am stärksten(Element Feuer), frühe Abendmahlzeit.

2. Hunger- und Sättigungsgefühl beachten, nicht überessen, nicht hungrig vomTisch aufstehen.

3. Speisen frisch zubereiten aus naturbelassenen, regionalen Produkten. Keinetiefgekühlten, hitzekonservierten, industriell vorgefertigten oder im Mikro-wellengerät gegarten Lebensmittel.

4. Lebensmittel nach Jahreszeit und Witterung auswählen, im Sommer mehrYin (erfrischend/kühlend), im Winter mehr Yang (energiereich, wärmend).

5. Mindestens zweimal am Tag Gekochtes essen. Speisen und Getränke sollenhandwarm sein. Eiskaltes und sehr Heißes schädigen das Magen- und Milz-Qiund beeinträchtigen so die Verdauung.

6. Getreidegerichte bei schwacher Hitze über mehrere Stunden kochen. Roh-kost und kurz gegartes Gemüse oder Obst schädigen das Magen-Qi.

7. Lebensmittel nach thermischer Wirkung und Geschmack auswählen. In einerMahlzeit sollen alle fünf Geschmacksrichtungen vertreten sein.

8. Bei der Lebensmittelauswahl Konstitutionstyp berücksichtigen.9. Nahrungsgrundlage ist Vollgetreide (ca. 50% der Nahrung), dazu Gemüse

einschl. Hülsenfrüchte, auch gekeimt, mit reichlich Kräutern und Gewürzen.Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und Eier ergänzen die Mahlzeit, Milch(produk-te) nach Verträglichkeit.

10. Getränke: Wärmend wirken Gewürztees mit Ingwer, Zimt, Fenchel und Ge-treidekaffee. Pfefferminztee, schwarzer und grüner Tee wirken kühlend. Al-kohol und Bohnenkaffee erhitzen sehr stark (Yang); sie bedürfen des Aus-gleichs. Frisch gepresste Säfte und Mineralwasser wirken stark kühlend, siewerden üblicherweise nicht empfohlen.

Im Mittelpunkt der chinesischen Ernährung steht der harmonische Ausgleichzwischen wärmenden und erfrischenden Speisen und Getränken.

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Alternative Ernährung

kann in jede andere Kultur übertragenwerden mit regional verfügbaren Le-bensmitteln, auch Milchprodukten,soweit verträglich. Chinesische Küche(Abb. 4) kann, aber muss nicht sein.

Die Traditionelle Chinesische Er-nährung im Westen ist geprägt durcheine Vielzahl von mehr oder wenigerrestriktiven Varianten, z. B.:■ Milch verschleime Bronchien undMilz, auch bei Kindern. Sie solle spar-sam oder gar nicht verwendet werden.Pasteurisierte Milch gilt als unverdau-lich, wie alle industriell bearbeitetenLebensmittel. Die Kombination vonMilch oder Quark mit Früchten schwä-che die Milz-Qi und führe zu Schleim-ansammlung mit unzureichenderEnergieversorgung im Gehirn und gei-stiger Lethargie. Als Flaschennahrungfür nicht gestillte Säuglinge wird mitReisschleim verdünnte Rohmilchempfohlen (Reis in Wasser 4–6 Std. ko-chen, durch ein Sieb streichen; 2 TeileReisschleim, 1 Teil Milch und etwas Ölkurz aufkochen, auf Fläschchen vertei-len). Ab dem 2. Lebensjahr wird dieMilchmenge reduziert.■ Fleisch führe zu toxischen Ablage-rungen und schwäche die Milz. Es sollentweder gar nicht verwendet werdenoder nur als Suppe in Kombination mitVollkornprodukten; sie sorgten für dieAusscheidung der „Schlacken“.■ Kartoffeln seien schlechte Qi-Lie-feranten und deshalb als Grundnah-rungsmittel ungeeignet. Bei einigenAutoren gelten sie, ebenso wie alle an-deren Nachtschattengewächse, als to-xisch.■ Zucker wird widersprüchlich beur-teilt: Nach einigen Autoren soll er dieVerdauung fördern, Qi liefern, schmerz-lindernd und hustenstillend wirken;nach anderen Feuchtigkeit undSchleim in der Milz erzeugen. Die Be-wertung reicht von Wohlwollen, auchgegenüber weißem Zucker, über dieAkzeptanz kleiner Mengen Honig oderRohzucker bis zur grundsätzlichen Ab-lehnung.■ Getränke: Die Chang Ming – TaoistLong Life Diet einer daoistischenGruppe aus Nordostchina, heute ver-breitet in Großbritannien mit Able-gern in Kontinentaleuropa, fordert ne-ben anderen Restriktionen die Ein-schränkung der Flüssigkeitsaufnahme.

ErnährungsphysiologischeBewertungDie chinesische Medizin und Ernäh-rung bezieht ihr Selbstverständnis ausder fernöstlichen Philosophie; sie ver-

steht sich als Kunst, nicht als Wissen-schaft im westlichen Sinn. Die ernäh-rungsphysiologische Bewertung kanndiesem Prinzip nicht gerecht werden;sie beschränkt sich auf messbare Kri-terien der Energie- und Nährstoffver-sorgung. Danach kommt die Klassi-sche Chinesische Ernährung denEmpfehlungen nationaler und inter-nationaler Experten für eine ausgewo-gene Ernährung nahe; sie eignet sich,mit wenigen Einschränkungen, für alleAltersgruppen.

Übereinstimmung besteht vor allemmit der Vollwert-Ernährung. Beide Er-nährungsformen basieren auf Vollge-treide, reichlich Gemüse, auch Hül-senfrüchten, und Samen/Nüssen mittierischer Ergänzung (Vollwert-Ernäh-rung bevorzugt Milchprodukte, chine-sische Ernährung eher Fleisch/Fisch).Auch die ökologischen Aspekte derVollwert-Ernährung (Lebensmittel ausökologischem Anbau, wenig verarbei-tet) finden eine Entsprechung: Mas-sentierhaltung und lebensmitteltech-nologische Verfahren sind mit dem da-oistischen Prinzip des Nicht-Eingrei-fens in die natürliche Ordnung derDinge nicht vereinbar. Darin einge-schlossen ist die Distanzierung vonmodernen Wirtschaftsformen bis hinzur pauschalen Abwertung der indus-

triellen Lebensmittelverarbeitung. Fürden Gesunden müssen daraus keineNachteile entstehen, Diätbedürftigesind bei konsequenter Anwendungdes Prinzips von neuen ernährungs-therapeutischen Möglichkeiten aus-geschlossen. Abzulehnen ist aus er-nährungswissenschaftlicher Sicht dieSäuglingsernährung mit Rohmilchund Reisschleim. Sie deckt den Nähr-stoffbedarf des Säuglings nur unzurei-chend. Hinzu kommt das Kontamina-tionsrisiko, das auch bei strenger Be-achtung der Hygienevorschriften nichtvöllig auszuschließen ist.

Extreme jeder Art widersprechender Philosophie von Ausgleich undMaßhalten. Im alten China warenMangelernährung und Hunger ver-breitet, die Symptome allseits be-kannt. Restriktive Ernährungsformenund Fasten werden deshalb abgelehnt;sie schwächen das Qi. EntsprechendeVarianten der Traditionellen Chinesi-schen Ernährung sind westliche Mo-deerscheinungen; sie haben nach An-sicht führender TCM-Experten mitchinesischer Medizin wenig zu tun.Gleiches gilt für das Kochen nach demZyklus der Fünf Elemente und anderespirituell begründete Ernährungsvor-schriften. Die ernährungsphysiologi-sche Beurteilung dieser Varianten ist

Abb. 6: Pluspunkte und Schwachpunkte der Traditionellen Chinesischen Ernährung

Pluspunkte der Traditionellen Chinesischen Ernährung:

■ Maßhalten und Ausgleich sind entscheidender Bestandteil‚ „Kalorienzählen“entfällt. Die Beachtung der Körpersignale Hunger und Sättigung macht Über-ernährung unwahrscheinlich.

■ Die Ernährung basiert auf Getreide und Gemüse, es werden frische, möglichstnaturnah erzeugte Produkte verwendet.

■ Eier, Fleisch und Fisch gelten als Beilage, nicht als Hauptbestandteil der Mahl-zeit.

■ Die Lebensmittelauswahl nach Verträglichkeit und Geschmack erleichtert dieAkzeptanz. Keine rigiden Essensvorschriften.

Schwachpunkte der Traditionellen Chinesischen Ernährung:

■ Calcium, Vitamin D: Der Bedarf ist ohne Milch und Milchprodukte schwer zudecken, insbesondere für Risikogruppen (Kinder, Jugendliche, alte Menschen,Schwangere, Stillende). Calcium aus Sesam reicht nicht aus! Empfehlung: je ei-ne Portion eines Milchproduktes zum Frühstück und am Abend; ggf. Calcium-und Vitamin D-Supplemente.

■ Eisen, Zink, langkettige ω3-Fettsäuren: Bei vegetarischen Varianten für Säug-linge und Kleinkinder Supplementation.

■ Hitzelabile Vitamine: Täglich mindestens 1 Portion rohes Obst und/oder Ge-müse/Salat. Kochflüssigkeit von Gemüse, Kartoffeln, Obst mitverwenden. DieAblehnung von Südfrüchten erschwert die Vitamin C-Versorgung im Winter.

■ Säuglingsernährung auf der Grundlage von Rohmilch und Reisschleim ist ab-zulehnen.

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Ernährungs-Umschau 54 (2007) Heft 2 63

Alternative Ernährung

abhängig von Art und Ausmaß derRestriktion: Die Einschränkung derFlüssigkeitsaufnahme ist grundsätz-lich abzulehnen; Rohmilch birgt hy-gienische Risiken, denen empfindli-che Personengruppen nicht ausge-setzt werden sollten.

Chinesische Arzneizubereitungen(pflanzlich, tierisch, mineralisch) ge-hören in die Hand des TCM-Therapeu-ten, auch wenn sie als Nahrungsergän-zungsmittel vermarktet werden.

Eignung für therapeutische Kostformen (Diät) und Reduk-tionskost

Die TCM hat sich im Westen etabliertzur Behandlung unspezifischer Ver-dauungsbeschwerden (Reizmagen,Reizdarm), zur Linderung der Neben-wirkungen der Chemotherapie (Krebs-Diäten) und zur Komplementärbe-handlung chronischer Erkrankungen,u. a. Schmerzzustände, funktionelleErkrankungen des Bewegungsappa-rates, chronisch entzündliche Darm-erkrankungen, Allergien, Diabetes,Hypercholesterinämie, Suchterkran-kungen. Für die Ernährungsumstel-lung verordnet der TCM-Therapeutauf der Grundlage einer eingehendenDiagnose nach dem Yin/Yang-Systemeine individuell auf die Bedürfnissedes Patienten abgestimmte Ernäh-rungsweise. Die komplexen Zu-sammenhänge sind für westliche Ärzteund Ernährungsberater oft nichtnachvollziehbar.

Übergewicht lässt sich bei Beach-tung der Körpersignale Hunger undSättigung mit Traditioneller Chinesi-scher Ernährung langsam und dauer-haft abbauen; eine speziell nach die-sen Prinzipien aufgebaute Reduk-tionskost beschleunigt den Vorgang.Die disziplinierte Lebensweise unter-stützt den Langzeiteffekt.

Die Prinzipien der chinesischen Er-nährung vertragen sich mit den mei-sten schulmedizinisch begründetenDiätformen. Die Berücksichtigung in-dividueller Bedürfnisse kann sichgünstig auf Compliance und Allge-meinbefinden des Patienten auswir-ken. Die therapeutischen Effekte derErnährung nach den Prinzipien derTCM sind in der Regel wissenschaft-lich nicht gesichert.

Zusammenfassende Beurteilung1. Die Traditionelle Chinesische Er-

nährung kommt den Empfehlungenfür eine vollwertige Ernährung na-he. Sie ist auch als Grundlage für diemeisten schulmedizinisch verord-neten Diätformen geeignet. Bei Ein-satz im Rahmen einer TCM-Heilbe-handlung ist sie Teil des Therapie-plans.

2. Restriktive Varianten sind nach Artund Ausmaß der Einschränkungenzu beurteilen. Die Flüssigkeitsbe-schränkung ist in jedem Fall abzu-lehnen.

3. Die Zuordnung der Lebensmittelzum Yin/Yang- und Fünf-Elemente-System entzieht sich der ernäh-rungswissenschaftlichen Beurtei-lung.

4. Als Nahrungsergänzungsmittel an-gebotene chinesische Kräuterzube-reitungen sind keine Lebensmittelim klassischen Sinn. Sie sollten nurauf Anraten eines TCM-Therapeu-ten verwendet werden.

Weiterführende Literatur1. American Academy of Acupuncture and

Oriental Medicine (AAAOM): Chinese DietaryTherapy, Food Energetics. www.aaaom.org/CHINESE%20DIETARY%20THERAPY.htm,www.aaaom.org/FOOD%20ENERGETICS.htm. 13.02.2006.

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5. Raßler B: Der Einfluss des Daoismus auf diechinesische Medizin. Programm und Vorträ-ge des Daoismus Seminars. www.uni-leipzig.de/~ostasien/dao/rassler.html . 14.08.2005.

6. Schnorrenberger B: Abnehmen einmal an-ders: Die 5-Elemente-Diät mit 14 Tage-Plannach der chinesischen Lehre. Thieme Stutt-gart, 2000.

7. Schnorrenberger CC: Lehrbuch der chinesi-schen Medizin. Hippokrates, Stuttgart, Li-zenz area, Erftstadt, 2005.

8. Shui Yun Ju, Lehrkreis für chinesische Ernäh-rungslehre, Tai Ji, Qi Gong & Tai Ji Chuan: Er-klärung und Prinzipien der AltchinesischenEnergielehre. www.wudang-qigong.de. 20.11.2006.

9. Svoboda R, Lade A: Ayurveda und Traditio-nelle Chinesische Medizin. Die beiden älte-sten Heilsysteme der Welt im Vergleich. O. W.Barth, Scherz, Berlin, München, Wien, 2002.

10. TCM Schweiz: Was ist chinesische Medizin,Yin und Yang, Qi, Xue und die Säfte, Die fünfWandlungsphasen, Leitbahnen und Funk-tionskreise, Ursachen von Krankheit. www.tcm-schweiz.ch/Philosophie.648.0.html. 21.11.2006.

11. Temelie B, Trebuth B: Die Fünf Elemente Er-nährung für Mutter und Kind. Joy, Salzburg,1999.

12. Woo KS: Traditional Chinese Diet helps wardoff heart disease. Study presented at theAmerican Heart Association’s Scientific Ses-sion, Atlanta, USA (1999).

13. Yee-man Wu: Food and health, the impact ofthe Chinese traditional philosophy of foodon the young generation in the modernworld. Nutrition & Food Science, 95 (1995),23–27.

Korrespondenzadresse:Dr. Karin SchieleSpethstr. 274081 Heilbronn