12
505 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 7 Fachthemen Neue interessante Verbundquerschnitte aus Stahlbeton und Bau- stahl im Hoch- und Brückenbau führen unter Berücksichtigung konstruktiver, fertigungstechnischer und wirtschaftlicher Ge- sichtspunkte zu einer liegenden, d. h. randnahen Anordnung von Kopfbolzendübeln. Infolge des geringen Abstands der Dübelreihe zum freien Plattenrand ergeben sich gegenüber stehenden bzw. randfernen Kopfbolzen unterschiedliche Bettungseigenschaften der Dübel im umgebenden Stahlbeton und somit auch ein abwei- chendes Trag- und Ermüdungsverhalten der Verbundfuge. Im Hin- blick auf zukünftige Anwendungen von liegenden Kopfbolzendü- beln werden auf Grundlage experimenteller und theoretischer Untersuchungen einfache Bemessungs- und Konstruktionsregeln für den Nachweis der Verbundfuge unter ruhendem Querschub, ruhendem Quer- und Längsschub und nicht ruhendem Längs- schub vorgestellt. Structural and fatigue behaviour of horizontally lying shear studs subjected to vertical and longitudinal shear. In conside- ration of structural, manufacturing and economic aspects new interesting composite cross sections for buildings and bridges consisting of reinforced concrete and structural steel lead to a horizontally lying arrangement of headed shear studs influenc- ed by edge proximity. Compared to common vertical shear studs the relatively small distance of horizontally lying shear studs from the edge of the slab leads to different bedding con- ditions of the connectors within the surrounding reinforced con- crete material, which results in differing structural and fatigue behaviour of this type of shear connection. For future applica- tions of horizontally lying shear studs on the basis of experi- mental and theoretical investigations design rules for the shear connection subjected to monotonic vertical shear, monotonic vertical and longitudinal shear and cyclic longitudinal shear are presented. 1 Einführung 1.1 Allgemeines Neue, optimierte Verbundquerschnitte aus Baustahl und Stahlbeton entstehen, wenn bei innovativen Konstruktio- nen des Hoch- und Brückenbau aus wirtschaftlichen Gründen z. B. auf den Stahlobergurt verzichtet wird (Bild 1), oder unter konstruktiven und fertigungstechni- schen Aspekten die Betonplatte bis an den Steg herange- führt wird (Bild 2). Diese Entwicklungen führen dabei zu einer horizontal liegenden Anordnung von Kopfbolzendü- beln mit teilweise nur geringem Abstand zur Plattenober- fläche. Für den Hoch- und Industriebau einschließlich Park- häuser ermöglicht die realistische Erfassung der Tragfähig- keiten randnaher Kopfbolzendübel für die Zukunft effi- ziente Verbundkonstruktionen mit besonders filigranen Stahlbetonplatten. Bild 1 zeigt typische Beispiele von Ver- bundträgern mit obergurtlosen Stahlprofilen. Im moder- nen Brückenbau werden die beiden Materialien Beton und Stahl zunehmend nicht mehr nur als Stahlträger mit aufliegender Betonfahrbahnplatte in Verbund, sondern als innovative Mischkonstruktionen eingesetzt, s. Bild 2. In all diesen Fällen und in weiteren Beispielen [8] werden Schubkräfte durch liegende, d. h. randnahe Kopfbolzen- dübel übertragen. Für einen effizienten und gezielten Einsatz von lie- genden Kopfbolzendübeln im Hoch- und Brückenbau ist die vollständige Klärung des Trag- und Verformungs- verhaltens unter ruhenden Schubbeanspruchungen und die Erfassung des Ermüdungsverhaltens von grundle- gender Bedeutung. Durch diese systematischen Unter- suchungen liegender Kopfbolzendübel werden allen Baubeteiligten neue, wirtschaftlich und technisch vor- teilhafte Konstruktionslösungen in Mischbauweise er- möglicht. Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub Kai Kürschner Ulrike Kuhlmann Bild 1. Querschnitte mit liegenden Kopfbolzen im Hochbau Fig. 1. Cross-sections with horizontally lying shear studs in buildings

Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

505© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 7

Fachthemen

Neue interessante Verbundquerschnitte aus Stahlbeton und Bau-stahl im Hoch- und Brückenbau führen unter Berücksichtigungkonstruktiver, fertigungstechnischer und wirtschaftlicher Ge-sichtspunkte zu einer liegenden, d. h. randnahen Anordnung vonKopfbolzendübeln. Infolge des geringen Abstands der Dübelreihezum freien Plattenrand ergeben sich gegenüber stehenden bzw.randfernen Kopfbolzen unterschiedliche Bettungseigenschaftender Dübel im umgebenden Stahlbeton und somit auch ein abwei-chendes Trag- und Ermüdungsverhalten der Verbundfuge. Im Hin-blick auf zukünftige Anwendungen von liegenden Kopfbolzendü-beln werden auf Grundlage experimenteller und theoretischerUntersuchungen einfache Bemessungs- und Konstruktionsregelnfür den Nachweis der Verbundfuge unter ruhendem Querschub,ruhendem Quer- und Längsschub und nicht ruhendem Längs-schub vorgestellt.

Structural and fatigue behaviour of horizontally lying shearstuds subjected to vertical and longitudinal shear. In conside-ration of structural, manufacturing and economic aspects newinteresting composite cross sections for buildings and bridgesconsisting of reinforced concrete and structural steel lead to ahorizontally lying arrangement of headed shear studs influenc-ed by edge proximity. Compared to common vertical shear studs the relatively small distance of horizontally lying shearstuds from the edge of the slab leads to different bedding con-ditions of the connectors within the surrounding reinforced con-crete material, which results in differing structural and fatiguebehaviour of this type of shear connection. For future applica-tions of horizontally lying shear studs on the basis of experi-mental and theoretical investigations design rules for the shearconnection subjected to monotonic vertical shear, monotonicvertical and longitudinal shear and cyclic longitudinal shear arepresented.

1 Einführung1.1 Allgemeines

Neue, optimierte Verbundquerschnitte aus Baustahl undStahlbeton entstehen, wenn bei innovativen Konstruktio-nen des Hoch- und Brückenbau aus wirtschaftlichenGründen z. B. auf den Stahlobergurt verzichtet wird(Bild 1), oder unter konstruktiven und fertigungstechni-schen Aspekten die Betonplatte bis an den Steg herange-führt wird (Bild 2). Diese Entwicklungen führen dabei zueiner horizontal liegenden Anordnung von Kopfbolzendü-beln mit teilweise nur geringem Abstand zur Plattenober-fläche.

Für den Hoch- und Industriebau einschließlich Park-häuser ermöglicht die realistische Erfassung derTragfähig-keiten randnaher Kopfbolzendübel für die Zukunft effi-ziente Verbundkonstruktionen mit besonders filigranenStahlbetonplatten. Bild 1 zeigt typische Beispiele von Ver-bundträgern mit obergurtlosen Stahlprofilen. Im moder-nen Brückenbau werden die beiden Materialien Betonund Stahl zunehmend nicht mehr nur als Stahlträger mitaufliegender Betonfahrbahnplatte in Verbund, sondern alsinnovative Mischkonstruktionen eingesetzt, s. Bild 2. Inall diesen Fällen und in weiteren Beispielen [8] werdenSchubkräfte durch liegende, d. h. randnahe Kopfbolzen-dübel übertragen.

Für einen effizienten und gezielten Einsatz von lie-genden Kopfbolzendübeln im Hoch- und Brückenbau istdie vollständige Klärung des Trag- und Verformungs-verhaltens unter ruhenden Schubbeanspruchungen unddie Erfassung des Ermüdungsverhaltens von grundle-gender Bedeutung. Durch diese systematischen Unter-suchungen liegender Kopfbolzendübel werden allenBaubeteiligten neue, wirtschaftlich und technisch vor-teilhafte Konstruktionslösungen in Mischbauweise er-möglicht.

Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Kai KürschnerUlrike Kuhlmann

Bild 1. Querschnitte mit liegenden Kopfbolzen im Hochbau Fig. 1. Cross-sections with horizontally lying shear studs inbuildings

Page 2: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

1.2 Besonderheiten

Bei liegenden bzw. randnahen Kopfbolzen entsprechendden Bildern 1 und 2 entstehen bei konzentrierter Einlei-tung des Längsschubs parallel zum freien Betonrand auf-grund der Bauteilgeometrie Spaltzugkräfte in Richtung derPlattendicke. Infolgedessen wird die Dübeltragfähigkeit ge-genüber randfernen bzw. stehenden Kopfbolzen zusätzlichdurch die Gefahr des Betonspaltens begrenzt [7], [8]. Invielen Fällen werden liegende Kopfbolzen nicht nur durchLängsschub infolge Biegung des Verbundträgers, sondernauch durch Querschub infolge vertikaler Lagerung derStahlbetonplatte beansprucht. Dabei kommt es zu einerzusätzlichen Gefährdung durch Betonkantenbruch [13].Bild 3 zeigt die Rißbildung in Abhängigkeit von der Bean-spruchungsrichtung unter alleiniger Berücksichtigung derDübeltragwirkung. Eine kombinierte Quer- und Längs-

506

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

schubbeanspruchung kann zu einer gegenseitigen Beein-trächtigung, d. h. zu einer Reduktion der Einzeltragfähig-keiten führen.

Infolge abweichender Steifigkeitsverhältnisse beein-flußt die Lage der Verbundfuge in Relation zur Stahlbe-tonplatte, d. h. am Rand oder in der Mitte der Verbund-platte entsprechend den Bildern 1b und 3b, grundsätz-lich das Tragverhalten der liegenden Kopfbolzen. AufGrundlage einfacher Stabwerkmodelle kann sowohl fürLängs- als auch Querschub gezeigt werden, daß eineMittellage der Verbundfuge im Vergleich zu einer Rand-lage zu einem etwas höheren Niveau der Tragfähigkeitführt. Bild 4 zeigt die entsprechenden Stabwerkmodelleam Beispiel einer reinen Querschubbeanspruchung un-ter alleiniger Berücksichtigung der Dübeltragwirkung.Die Modelle für reinen Längsschub sind in [7] und [8]dokumentiert.

Fachthemen

Ausschnitt aus einer mehr-stegigen Plattenbalkenbrücke

Bild 2. Querschnitte mit liegenden Kopfbolzen im BrückenbauFig. 2. Cross-sections with horizontally lying shear studs in bridges

Bild 3. Rißbildung infolge Längs- und Querschub und Lage der VerbundfugeFig. 3. Cracking action due to longitudinal and vertical shear and position of the shear connection

Page 3: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

507

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

1.3 Übersicht

Ausgehend von bereits durchgeführten Untersuchungen[7], [8] zum Tragverhalten liegender Kopfbolzen unter rei-nem Längsschub, werden im Rahmen dieses Beitrags vor-rangig die Ergebnisse der Untersuchungen in [12] zu fol-genden Themen zusammengefaßt:– Tragverhalten unter reinem Querschub– Tragverhalten unter kombiniertem Quer- und Längs-schub– Ermüdungsverhalten unter reinem Längsschub.

Zur wirklichkeitsnahen Erfassung des Trag- und Er-müdungsverhaltens liegender Kopfbolzen in Stahlbeton-platten wurden im Rahmen dieser Untersuchungen [12]insgesamt 46 Scherversuche unter ruhender Beanspru-chung, d. h. 26 Versuche in Randlage [9] und 20 Versuchein Mittellage der Verbundfuge [10], und 19 Scherversucheunter nicht ruhender Längsschubbeanspruchung [11]durchgeführt. Die systematische Gestaltung der Versuchs-reihen erlaubt klare Schlußfolgerungen hinsichtlich ver-schiedener Einflußgrößen wie z. B.:– Betonfestigkeit– Kopfbolzen (Randabstand, Dübelabstand, Durchmes-ser)– Bügelbewehrung (Bügeldurchmesser, Bügelanzahl jeDübel)– Längsbewehrung (Durchmesser)– zweireihige Dübelanordnungen.

Aufbauend auf Versuchsbeobachtungen wurden so-wohl für ruhenden und nicht ruhenden Längsschub alsauch ruhenden Querschub jeweils für beide Lagen derVerbundfuge numerische Untersuchungen mit räumlichenModellen auf Grundlage der Finite-Elemente-Methodedurchgeführt. Aufgrund der großen Bedeutung eines reali-stischen Materialgesetzes für den Beton werden die nume-

rischen Untersuchungen mit dem im Beton- und Stahlbe-tonbau und in der Befestigungstechnik vorwiegend zuForschungszwecken verbreiteten FE-Programm MASA(MAcroscopical Space Analysis) durchgeführt [5]. DiesesFE-Programm wurde von Herrn Dr.-Ing. habil. J. Ozboltam Institut für Werkstoffe im Bauwesen der UniversitätStuttgart entwickelt und wird zur Modellierung von qua-sispröden Materialien auf Makroebene eingesetzt. DasMaterialmodell für Beton basiert auf der „Microplane“-Theorie [6]. Die Schädigungszone infolge Rißbildung wirddurch die sog. verschmierte Rißmethode modelliert. DieBerechnung erfolgt iterativ in Last- bzw. Verformungsstu-fen.

Die Versuchsbeobachtungen und Ergebnisse der nu-merischen Untersuchungen führten zur Herleitung vonBemessungs- und Konstruktionsregeln für die Ingenieur-praxis.

2 Ruhender Längsschub2.1 Allgemeines

Das Tragverhalten und die Tragfähigkeit liegender Kopf-bolzendübel unter reinem Längsschub wurde in [7] bereitsausführlich untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchun-gen einschließlich der Bemessungs- und Konstruktions-regeln sind u. a. in [8] dokumentiert.

2.2 Tragverhalten

Bei diskreter Einleitung der Längsschubkräfte über lie-gende Kopfbolzen besteht die Gefahr des Aufspaltens derBetonplatte parallel zur Plattenoberfläche, vgl. Bild 3a.Eine Verbügelung der Platte nahe der Verbundfuge führtzu einer Umklammerung der Plattenstirnseite und bewirktneben einer erhöhten Tragfähigkeit je Dübel auch eine

Fachthemen

Bild 4. Stabwerkmodelle für reinen Querschub in Abhängigkeit von der Lage der VerbundfugeFig. 4. Strut-and-tie models for the transfer of vertical shear depending on the position of the shear connection

a) Randlage

b) Mittellage

Rückverankerungder Horizontalkraft!

VM

Z

D

D-Bereich B-Bereich

B

M

M

Z

V

V

Hinweise:– – – – Druck–––––– Zugθ = 20° ÷ 45°tan θ ≤ tan θA ≤ 2 · tan θ

Page 4: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

hohe Resttragfähigkeit und eine hohe Duktilität der Ver-bundfuge. Bei einer Randlage der Verbundfuge muß alszusätzlicherVersagensmodus das Herausziehen der Dübeldurch eine ausreichende Verankerung im umgebendenBewehrungskorb verhindert werden. Die Anforderungenan die Verankerungsgrößen β und v (Bild 7), sind u. a. in[8] näher definiert.

2.3 Weitere numerische Untersuchungen

Aufbauend auf vorhandenen Versuchsergebnissen [7] wer-den in [12] für beide Lagen der Verbundfuge räumlicheFE-Modelle entwickelt und verifiziert. Anhand dieser Mo-delle werden ergänzende Parameteruntersuchungendurchgeführt. Die numerischen Ergebnisse zeigen einesehr gute Übereinstimmung mit den vorhandenen Unter-suchungen in [7]. Auf Grundlage der FE-Ergebnisse kannfür die rechnerische Ermittlung der SpalttragfähigkeitPRd,L eine Absenkung des Mindestwerts für den wirksa-men Randabstand a′r, vgl. Bild 7, von 50 auf 30 mm für be-sonders schlanke Stahlbetonplatten als zulässig betrachtetwerden, s. Gl. (4) in [8].

3 Ruhender Querschub3.1 Allgemeines

Für eine reine Querschubbeanspruchung wurden getrenntnach Lage derVerbundfuge, vgl. Bild 3b, umfangreiche ex-perimentelle und theoretische Untersuchungen durchge-führt [9], [10], [12]. Entsprechend Bild 5 weist eine Mit-tellage der Verbundfuge gegenüber einer Randlage nebender reinen Dübeltragwirkung FDü zwei weitere möglicheMechanismen zur Kraftübertragung auf: ReibtragwirkungFR infolge Querbiegedruck aus der Durchlaufwirkung derPlatte und Kontaktpressung FK aus Plattenlagerung aufder Oberkante des Stegblechs.

Die experimentellen und numerischen Untersuchun-gen für eine Mittellage der Verbundfuge zeigen, daß auf-grund der Überlagerung der Betonausbruchkörper ausDübeltragwirkung und Kontaktpressung, s. idealisierteBruchlinien in Bild 5b, der Einfluß aus Kontaktpressunggegenüber den beiden anderen Tragwirkungen für die Ge-samttragfähigkeit der Verbundfuge deutlich in den Hinter-grund tritt. Für die Ermittlung der Gesamttragfähigkeit der

508

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

Verbundfuge ist daher ein additiver Ansatz der Kontakt-pressung mit den anderen Tragkomponenten grundsätz-lich auszuschließen.

Auf die Dübel- und die Reibtragwirkung wird im fol-genden etwas näher eingegangen. Für den Nachweis derVerbundsicherung wird für beide Tragkomponenten je-weils eine Bemessungsgleichung vorgestellt, die im Fall ei-ner Mittellage derVerbundfuge auf sicherer Seite nur alter-nativ berücksichtigt – also nicht superponiert – werdensollten.

3.2 Dübeltragwirkung

TragverhaltenIn Bild 6 wird der Kraftfluß und die Rißbildung anhandeiner einfachen Modellbildung und eines Vergleichs mitdem Versagen in den Versuchen und in den FE-Rechnun-gen näher erläutert.

Die vertikale Auflagerkraft der Platte stützt sich zumTeil über eine Druckstrebe S1 in das untere Bügeleck desBewehrungskorbes ab. Die Kraftweiterleitung erfolgt ent-sprechend der gezeigten Modellbildung. Darüber hinaussetzt sich über eine weitere Druckstrebe S2 der verblei-bende Teil der vertikalen Auflast direkt auf den Dübelfußab. Eine zunehmende Schlupfverformung führt zu einerkombinierten Scher- und Zugbeanspruchung der Kopfbol-zen. Trotz fortschreitender Rißentwicklung wird das Aus-brechen eines Betonkörpers oberhalb der Achse der Dü-belreihe, ein sog. Betonkantenbruch, durch die um-schnürende Wirkung der Bewehrung verhindert. DieBewehrungsführung nahe der Verbundfuge führt nachÜberschreiten der Tragfähigkeit zu einer hohen Resttrag-fähigkeit und hohen Duktilität der Verbindung. Bei höherbewehrten Verbundfugen tritt das Versagen erst nach sehrhohen Schlupfverformungen, d. h. nach großen Bolzen-verformungen, durch Abscheren der Dübel auf.

Für den Fall einer Mittellage der Verbundfuge ist beiAnnahme einer reinen Dübeltragwirkung gegenüber einerRandlage ein sehr ähnliches Tragverhalten zu beobachten,s. Bild 6. Während bei einer Mittellage der Verbundfugedie horizontale Kraftkomponente am Dübelfuß überDruckkontakt durch den Stahlsteg kurzgeschlossen wer-den kann, so wird bei einer Randlage eine Zugbeanspru-chung in der Platte in Trägerquerrichtung verursacht,

Fachthemen

Bild 5. Komponenten für die Kraftübertragung bei liegenden Kopfbolzen infolge QuerschubFig. 5. Load-bearing principles of lying shear studs subjected to vertical shear

Page 5: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

509

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

s. Bild 4a. Aus diesem Grund und infolge eines abwei-chenden Beanspruchungszustandes im auflagernahen Be-reich der Platte, s. Bild 5, ist für eine Randlage der Ver-bundfuge gegenüber einer Mittellage mit etwas niedrige-ren Dübeltragfähigkeiten zu rechnen.

BemessungsvorschlagAufbauend auf Versuchen und FE-Rechnungen und unterBerücksichtigung eines standardisierten Auswertungsver-fahrens [2] wurde in [12] für die Bemessung folgendeGleichung zur Bestimmung der Querschubtragfähigkeitliegender Kopfbolzen bei Betonkantenbruch entwickelt:

PRd,Q = 6 · (fck · ds,L)0,5 · (dDü · a/s)0,4 · (ds,Bü)0,3 ×× (hDü)0,2 · (a′r,o)0,7 · AQ · BQ/γv (1)

mit:PRd,Q Bemessungswert der Querschub-

tragfähigkeit [N]20 ≤ fck ≤ 50 N/mm2 charakteristische Zylinderdruckfe-

stigkeit des Betons [N/mm2]10 ≤ ds,L ≤ 16 mm Durchmesser der Längsbewehrung

[mm]8 ≤ ds,Bü ≤ 12 mm Bügeldurchmesser [mm]a/s Anzahl der Bügel je Dübel;

= 1 bzw. 2

110 ≤ a ≤ 250 mm horizontaler Dübelabstand [mm]s horizontaler Bügelabstand [mm]19 ≤ dDü ≤ 25 mm Schaftdurchmesser des Dübels

[mm]100 ≤ hDü ≤ 150 mm Gesamtlänge des Bolzens nach

dem Schweißen [mm]30 ≤ a′r,o ≤ 250 mm wirksamer oberer Randabstand;

= ar,o – cv – ds,Bü/2 [mm]ar,o oberer Randabstand [mm]cv vertikale Betondeckung [mm]s/a′r,o ≤ 3 Verhältnis von Bügelabstand zum

wirksamen oberen RandabstanddDü/ds,Bü ≤ 3 Verhältnis von Dübel- zu Bügel-

durchmesser [–]av vertikaler Dübelabstand bei zwei-

reihiger Dübelanordnung [mm]≥ 100 zweireihig, versetzt; ≥ 200 zweireihig, nicht versetzt

AQ Lage der Verbundfuge; = 1 Randlage; = 1,14 Mittellage

BQ Beanspruchungsfaktor für diePlatte;= 1 Längsdruck; = 0,8 Längszug

γv Teilsicherheitsbeiwert für Ver-bundmittel; = 1,25

Fachthemen

Bild 6. Tragverhalten von liegenden Kopfbolzen unter Querschub unter alleiniger Berücksichtigung der DübeltragwirkungFig. 6. Carrying behaviour of lying shear studs subjected to vertical shear considering only the load transfer by studs

Page 6: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Die verwendeten Bezeichnungen für die Geometriepara-meter sind in Bild 7 näher erläutert. Die angegebenenGrenzen ergeben sich aus den Beschränkungen des Para-meterbereichs, der durch die Versuche und numerischenRechnungen erfaßt wurde.

Für einen vereinfachten Bemessungsvorschlag wirddie Dübellänge hDü auf der sicheren Seite zu 100 mm an-genommen und der Beanspruchungsfaktor BQ zu 0,8 ge-setzt. Daraus ergibt sich die vereinfachte Bemessungstrag-fähigkeit wie folgt:

PRd,Q = 12 · (fck · ds,L)0,5 · (dDü · a/s)0,4 · (ds,Bü)0,3 × × (a′r,o)0,7 · AQ/γv (2)

510

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

Für die vereinfachte Bemessungstragfähigkeit gemäß Gl. (2)gelten die gleichen Randbedingungen wie für die Bemes-sungsgleichung entsprechend Gl. (1).

Zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit der Ver-bundfuge wird auf Grundlage von Schlupfmessungen die maximale Rißbreite auf der Plattenstirnseite ermit-telt. Die aus Vereinfachungsgründen konservativ abge-schätzte maximale Rißöffnung im Gebrauchszustand be-trägt unter Annahme eines Gebrauchslastniveau von ca.70 % der Bemessungstragfähigkeit im ungünstigsten Fallweniger als 0,3 mm (inkl. Betonkriechen). Dieser Wertentspricht den üblichen Anforderungen im Hoch- undBrückenbau.

Fachthemen

Bild 7. Geometrieparameter in Verbundfugen mit liegenden KopfbolzenFig. 7. Geometrical parameters of shear connections with horizontally lying shear studs

Bild 8. Vergleich der Bemessungstragfähigkeit PRd,Q liegender Kopfbolzen unter Querschub gemäß Gl. (1) mit der stehenderKopfbolzen nach Eurocode 4 [EC 4,1-1], [EC 4,2]Fig. 8. Design resistance of horizontally lying shear studs subjected to vertical shear according to eq. (1) compared to verticalshear studs according Eurocode 4 [EC 4.1-1], [EC 4.2]

Randlage Mittellage Schnitt A-A

PRd,Q [kN]

120

100

80

60

40

20

015 20 25 30 35 40 45 50

fck [N/mm2]

a) Randlage

PRd,Q [kN]

120

100

80

60

40

20

015 20 25 30 35 40 45 50

fck [N/mm2]

b) Mittellage

Page 7: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

511

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

Werden bei zweireihigen Dübelanordnungen die ge-forderten Mindestwerte für die vertikalen und horizonta-len Abstände av und a entsprechend Gl. (1) eingehalten,so ergibt sich der Bemessungswert der Tragfähigkeit derVerbindung durch Superposition der Einzeltragfähigkei-ten gemäß Gl. (1) bzw. (2). Wird bei zweireihigen undnicht versetzten Dübelanordnungen der Mindestwert fürden vertikalen Dübelabstand von 200 mm unterschritten,so wird auf Grundlage von numerischen Untersuchungenfür die Bemessung in [12], Abschn. 4.6.4 auf sicherer Seitevereinfacht ein Reduktionsfaktor vorgeschlagen.

Bild 8 zeigt die Bemessungstragfähigkeit liegenderKopfbolzen unter Querschub gemäß Gl. (1) im Vergleichzu einer stehenden Dübelanordnung. Analog zu den lie-genden Kopfbolzen unter Längsschub [7], [8] wird auchfür liegende Kopfbolzen unter Querschub die Tragfähig-keit stehender Kopfbolzen gemäß Eurocode 4 [3], [4] alsObergrenze für die Tragfähigkeit je Dübel betrachtet. Fürliegende Kopfbolzen unter Querschub wird dieser obereGrenzwert jedoch nur in Sonderfällen maßgebend.

Die Korrelationsbetrachtung in Bild 9 zeigt eine guteÜbereinstimmung der rechnerischen Tragfähigkeiten mitden experimentellen und numerischen Ergebnissen. Eben-so sind die charakteristische Tragfähigkeiten und die Be-messungstragfähigkeiten dargestellt.

Darüber hinaus wird in [12], Abschn. 4.5 auf Grund-lage der Modellvorstellung in Bild 6a ein vereinfachter me-chanischer Modellansatz zum besseren Verständnis derTrag- und Versagensmechanismen und zur ingenieurmäßi-gen Abschätzung eines unteren Grenzwerts der Dübeltrag-fähigkeit vorgestellt. Dabei werden aus Vereinfachungs-

gründen Traganteile planmäßig vernachlässigt und führenso zu Tragfähigkeiten, die auf sicherer Seite liegen. Für ei-nen möglichst effizienten Bemessungsvorschlag wurde die-ser Ansatz nicht weiter verfolgt, sondern ein empirischerAnsatz gewählt, s. Gln. (1) und (2).

3.3 Reibtragwirkung

TragverhaltenÄhnlich zur Beschreibung der reinen Dübeltragwirkungwird in Bild 10 für die Reibtragwirkung ein einfaches Mo-dell zur Beschreibung des Kraftflusses und der Rißbil-dung vorgestellt und durch Versuchsbeobachtungen veri-fiziert.

Falls der Verbundquerschnitt wie in Bild 5b infolgeDurchlaufwirkung der Platte mehrere Möglichkeiten zurKraftübertragung bietet, so folgt der Kraftfluß bevorzugtden steiferen Lastpfaden. Ein Vergleich des Trag- und Ver-formungsverhaltens von kombinierten Reib- und Bolzen-verbindungen [15], [16] legt den Schluß nahe, daß sicheine reine Reibverbindung bis zum Erreichen der Gleit-grenze eindeutig steifer verhält als eine reine Dübelverbin-dung. Demzufolge wird bis zum Erreichen der Gleitgrenzeder größte Teil der Querschubbeanspruchung über Reibungund nicht über die Bolzen übertragen. Ist die infolge Biege-druck aktivierbare Reibkraft größer als die einwirkendeQuerschubkraft, so erfolgt die Kraftübertragung – wie inBild 10 gezeigt – im Bereich der Biegedruckzone derPlatte. Die Dübel entziehen sich zunächst ihrer Mitwir-kung und werden gegebenenfalls erst nach Erreichen derGleitgrenze zusätzlich aktiviert, vgl. [15] und [16].

Fachthemen

Bild 9. Vergleich der (a) experimentellen Tragfähigkeiten Pt,Q,e bzw. (b) numerischen Tragfähigkeiten PT,Q mit rechnerischerTragfähigkeit Pt,Q, charakteristischer Tragfähigkeit PRk,Q und Bemessungstragfähigkeit PRd,Q nach Gl. (1)Fig. 9. Comparison of the carrying capacity from (a) tests Pt,Q,e or (b) FE-simulation with the theoretical resistance Pt,Q, thecharacteristic and design resistance PRk,Q and PRd,Q according to eq. (1)

Pt,Q,e [kN]

0 20 40 60 80 100 120 140Pt,Q [kN]

a) Versuche

140

120

100

80

60

40

20

0

Pt,Q,e [kN]

0 20 40 60 80 100 120 140Pt,Q [kN]

b) FE-Rechnunen

140

120

100

80

60

40

20

0

Page 8: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Neben den experimentellen Untersuchungen bestäti-gen auch weiterführende Parameterstudien, daß selbst beiungünstig gewählten Randbedingungen hinsichtlich derGröße des zuverlässig wirksamen Querbiegedrucks dieReibverbindung bereits so leistungsfähig ist, daß im Regel-fall entsprechend Bild 10 eher ein Versagen der Stahlbe-tonplatte und nicht der Verbundfuge auftritt.

BemessungsvorschlagFür den Bemessungswert der Reibtragfähigkeit aus Klemm-wirkung infolge Querbiegung wurde für den laufenden Me-terTrägerlänge je Stegseite folgende Beziehung entwickelt:

RRd,Q = (µk · MSd)/(zII · γv) (3)

mit:RRd,Q Bemessungswert der Reibtragfähigkeit infolge

Querbiegung je Stegseite [kN/m]µk charakteristischer Reibbeiwert zwischen Stahl

und Beton [–]; aus Literatur z. B. [14]MSd Bemessungswert des Querbiegemoments

[kNm/m]; MSd zugehörig zur Querkraft VSdzII innerer Hebelarm im Zustand II [m]; aus Bemes-

sung oder vereinfacht: zII ≈ 0,9 · dγv Teilsicherheitsbeiwert fürVerbundmittel; = 1,25

Der Einfluß von Momentenumlagerungen in Trägerquer-richtung vom Stütz- in den Feldbereich ist zu berücksichti-gen. Zur konservativen Abschätzung der Reibtragfähigkeitkönnen für die Ermittlung des Querbiegemoments auch nurdie ständig wirkenden Einirkungen zugrunde gelegt werden.

4 Längs- und Querschub4.1 Allgemeines

In baupraktischen Anwendungen werden liegende Kopf-bolzen häufig durch kombinierten Längs- und Querschubbeansprucht. Für beide Lagen der Verbundfuge gemäß

512

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

Bild 3b wurden jeweils vier Versuche mit kombinierterSchubbeanspruchung durchgeführt [9], [10], [12]. DasTragverhalten ist ebenfalls entsprechend den beiden La-gen der Verbundfuge zu differenzieren.

4.2 Randlage der Verbundfuge

TragverhaltenDas Trag- und Verformungsverhalten stimmt qualitativ gutmit dem unter reinem Längs- und reinem Querschub übe-rein, s. Abschn. 2.2 und 3.2. Nach Erreichen derTragfähig-keit wurde in allen Versuchen ein ausgeprägt duktiles Ver-halten beobachtet.

Für die Tragfähigkeit wurde Betonversagen maßge-bend. In Abhängigkeit vom Verhältnis der Quer- undLängsschubbeanspruchung wurde eine Kombination ausBetonspalten und Betonkantenbruch beobachtet, vgl.Bild 11. Die darauf folgenden Dübelverformungen führtenzum Abscheren der Kopfbolzen.

Fachthemen

Bild 10. Tragverhalten von liegenden Kopfbolzen unter Querschub in Mittellage unter Berücksichtigung der Reibtragwirkunginfolge QuerbiegedruckFig. 10. Carrying behaviour of horizontally lying shear studs subjected to vertical shear in a middle position considering onlythe load transfer by friction due to transverse flexural compression

Kantenbruch

Spaltriß-bildung

Bild 11. Versagen der Verbundfuge in Randlage unter kom-binierter SchubbeanspruchungFig. 11. Failure of the shear connection in edge position sub-jected to combined vertical and longitudinal shear action

Page 9: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

513

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

BemessungsvorschlagBei einer kombinierten Quer- und Längsschubbeanspru-chung liegt eine gegenseitige Beeinflussung und damit eineReduzierung der Einzelbeanspruchbarkeiten vor. Für dieBemessung wird statt einer linearen eine elliptische Inter-aktionsbedingung wie folgt und gemäß Bild 12 angegeben:

(Pd,Q/PRd,Q)1,2 + (Pd,L/PRd,L)1,2 ≤ 1 (4)

mit:Pd,Q, Pd,L Bemessungswert der Quer- bzw. Längs-

schubkraftPRd,Q, PRd,L Bemessungswert der Quer- bzw. Längs-

schubtragfähigkeitgemäß Gl. (1) bzw. (2) und [8], Gl. (4)

4.3 Mittellage der Verbundfuge

In Mittellage derVerbundfuge nimmt das einwirkende Quer-biegemoment in etwa proportional zur Querschubbeanspru-chung zu. Damit steigt auch die aktivierte Reibung in derVerbundfuge in etwa proportional an. Sie führt letztendlichsogarzu einer Steigerung der Längsschubtragfähigkeit je Dü-bel. Das Versagen der Verbundfuge wird durch ein Aufspal-ten der Betonplatte eingeleitet, s. Abschn. 2.2. Analog zumTragverhalten unter reinem Längsschub bewirkt die Verbü-gelung nahe der Verbundfuge eine hohe Resttragfähigkeitund hohe Duktilität der Verbindung. Für die Bemessungs-praxis ist für diesen Fall kein Interaktionsnachweis zwischenQuer- und Längsschub erforderlich.

5 Nicht ruhender Längsschub5.1 Allgemeines

Für Anwendungen im Brückenbau wurde das Ermüdungs-verhalten liegender Kopfbolzen unter Längsschub unter-sucht [11], [12]. Auf Grundlage experimenteller und nume-rischer Untersuchungen wurde neben dem allgemeinen Er-müdungsverhaltens auch der Einfluß wichtiger Parameterauf die Ermüdungstragfähigkeit geklärt und schließlich einBemessungsvorschlag hergeleitet.

5.2 Experimentelle Untersuchungen

Insgesamt wurden 19 Scherversuche auf sicherer Seite inRand- statt in Mittellage der Verbundfuge durchgeführt.Neben der Dübelkraftdifferenz ∆PL wurden der wirksameRandabstand a′r , s. Bild 7, und der Grad der Verbügelunga/s variiert. Andere Parameter wurden bewußt eher kon-servativ gewählt. Die Versuchsergebnisse entsprechendBild 13 zeigen, daß neben der Schwingbreite vor allem derwirksame Randabstand einen bedeutenden Einfluß aufdas Ermüdungsverhalten besitzt. Dagegen kann der Ein-fluß der Bügelanzahl je Dübel vernachlässigt werden.

Fachthemen

Bild 12. Interaktionsdiagramm für liegende Kopfbolzen inRandlage unter kombiniertem Quer- und LängsschubFig. 12. Interaction diagram for horizontally lying shearstuds in edge position subjected to combined vertical andlongitudinal shear

Bild 13. Experimentelle Ermüdungstragfähigkeiten in Abhängigkeit vom wirksamen Randabstand a′rFig. 13. Experimental values of the fatigue strength depending on the effective edge distance a′r

Dübelkraftdifferenz ∆PL [kN]

100

10

104 105 106 107

Lastspiele N [–]

a) ar′ = 100 mm

Dübelkraftdifferenz ∆PL [kN]

100

10

104 105 106 107

Lastspiele N [–]

b) ar′ = 60 mm

Page 10: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Für die Versuchsauswertung ist der vollständige Bruchder Versuchskörper infolge Dübelabscheren als eindeutigesVersagenskriterium zugrunde gelegt, vgl. Abschn. 5.3. Auf-bauend auf den Versuchswerten wird in [11] und [12] einelineare Regressionsanalyse im doppeltlogarithmischen Maß-stab durchgeführt. Neben den Versuchsergebnissen sind inBild 13 die Ergebnisse der statistischen Auswertung in Ab-hängigkeit vom wirksamen Randabstand dargestellt.

5.3 Ermüdungsverhalten

Das Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzen unterLängsschub zeigt einen „zweistufigen“ Versagensmecha-nismus. Durch eine früh einsetzende Betonschädigung in-folge lokaler Betonzermürbung vor dem Dübelfuß und zu-sätzlicher Spaltrißbildung wird der Kopfbolzen bereitsfrühzeitig auf Biegung beansprucht, s. Bild 14. Nach Anrißauf der lastzugewandten Dübelseite an der Stelle A oder Bentsprechend Bild 15 entwickelt sich der Riß fort, bis derRestquerschnitt des Dübels spröde versagt.

Das Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzen unterLängsschub ist dem stehender Dübel sehr ähnlich, vgl.[17]. Die zusätzliche Spaltrißbildung führt zu einem etwasschnelleren Fortschreiten der Betonschädigung vor demDübelfuß und schließlich zu leicht reduzierten Lebens-dauern. Mit zunehmendem Randabstand tritt der Einflußdes Betonspaltens zusehends in den Hintergrund, und dieLebensdauer gleicht sich der stehender Dübel an.

5.4 Numerische Untersuchungen

Die entwickelten räumlichen FE-Modelle, s. Abschn. 2.3,zeigen eine gute Übereinstimmung mit den bisherigenUntersuchungen und den Versuchen. Aufgrund der erfor-derlichen Rechenkapazitäten ist der Umfang der numeri-schen Untersuchungen auf nur wenige Lastwechsel be-grenzt. Die durchgeführten FE-Rechnungen führen zu fol-genden Kernaussagen:– Bei höheren Oberlasten nahe der Dübeltragfähigkeitfällt trotz konstanter Dübelkraftdifferenz die Ermüdungs-tragfähigkeit stark ab. Die Oberlastabhängigkeit nimmtmit abnehmender Oberlast ab und scheint ab einem Be-

514

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

reich von 70 bis 80 % der statischen Tragfähigkeit vernach-lässigbar zu sein.– Mit der Betonfestigkeit erhöht sich die Ermüdungstrag-fähigkeit.– Die Lage der Verbundfuge in der Mitte der Stahlbeton-platte ist auch unter Ermüdungsbeanspruchung günstigerzu beurteilen als am Plattenrand.– Mit abnehmendem wirksamen Randabstand der Dübelfällt die Ermüdungstragfähigkeit deutlich ab.– Bei konstantem Niveau der Oberlast PL,OL/PT,L und kon-stanter Dübelkraftdifferenz ∆PL ist kein negativer Einfluß desDübeldurchmessers auf das Ermüdungsverhalten erkenn-bar. Wird die Ermüdungsbeanspruchung jedoch auf denQuerschnitt des Dübelschafts bezogen und als Schubspan-nungs-Doppelamplitude ∆τL dargestellt, so tritt der Einflußder ansteigenden Dübelkraftdifferenz ∆PL gegenüber dem zu-nehmenden Dübeldurchmesser in den Vordergrund und be-wirkt bei zunehmendem Dübeldurchmesser ein insgesamtungünstigeres Ermüdungsverhalten der Verbundfuge. Ausdiesem Grund wird in Abschn. 5.5 für den Bemessungsvor-schlag nicht die Schubspannungs-Doppelamplitude ∆τL son-dern die absolute Kraftdifferenz ∆PL je Dübel zugrunde gelegt

Fachthemen

Bild 14. Schädigung des Betongefüges bei ermüdungsbeanspruchten liegenden Kopfbolzen unter LängsschubFig. 14. Concrete damage of shear connections with horizontally lying shear studs subjected to cyclic longitudinal shear

Bild 15. Mögliche Rißverläufe im Dübelfuß bei ermüdungsbe-anspruchten liegenden Kopfbolzen unter Längsschub, vgl. [17]Fig. 15. Possible cracking formation in the weld-collar zoneof horizontally lying shear studs subjected to cyclic longitu-dinal shear, see [17]

Page 11: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

– Ein bedeutender Einfluß des Bügeldurchmessers aufdas Ermüdungsverhalten ist nicht erkennbar.

5.5 Bemessungsvorschlag

Auf Grundlage von Versuchen und in Orientierung anzahlreichen FE-Rechnungen kann die Ermüdungstrag-fähigkeit liegender Kopfbolzen unter Längsschub für dieBemessung wie folgt angegeben werden:

(∆PL)m · N = (∆PL,ck)m · Nc (5)

mit:∆PL = PL,OL – PL,UL Dübelkraftdifferenz infolge Längs-

schub [kN]∆PL,ck charakteristische Ermüdungstrag-

fähigkeit in [kN] bei Nc = 2000000

m = 8 Neigung der Ermüdungstragfähig-keitskurven

N Anzahl der Lastspiele [–]PRk charakteristische Dübeltragfähigkeit

gemäß [8], Kap. 5 bzw. [7],Abschn. 6.4

PL,OL ≤ 0,6 · PRk Dübeloberlast infolge LängsschubPL,UL Dübelunterlast infolge Längsschuba′r ≥ 50 mm wirksamer Randabstand der Dübel;

= ar – cv – ds,Bü/2 [mm]fck ≥ 30 N/mm2 charakteristische Zylinderdruck-

festigkeit des BetonsFür den Ermüdungsnachweis derVerbundfuge gelten anson-sten die gleichen Randbedingungen wie für die Bemessung

515

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

der liegenden Kopfbolzen unter ruhendem Querschub,s. Gl. (1), und unter ruhendem Längsschub entsprechend[8], Kap. 5 bzw. [7],Abschn. 6.4. Die aus Gl. (5) entwickeltencharakteristischen Ermüdungstragfähigkeitskurven werdenin Bild 16 in Abhängigkeit vom wirksamen Randabstand inSchritten von zehn Millimeter dargestellt. Wird eine Eintei-lung in Kerbfallklassen gemäß Eurocode 3,Teil 1-1 [1] vorge-nommen, so ergeben sich unterAnnahme eines Dübeldurch-messers von 22 mm für die wirksamen Randabstände von 50bzw. 100 mm die Kerbfallklassen 65 bzw. 93.

6 Zusammenfassung

Aufbauend auf vorangegangenen Untersuchungen [7], [8]wird mit den nun vorliegenden Untersuchungen [12], dieals Schwerpunkte sowohl das statische Tragverhalten vonliegenden Kopfbolzen unter reinem Querschub und unterkombiniertem Quer- und Längsschub als auch das Ermü-dungsverhalten unter Längsschub umfassen, ein bedeuten-der Schritt zur Klärung der Trag- und Versagensmechanis-men von Verbundfugen mit randnah angeordneten Dübelnvollzogen. Die hier dargestellten Bemessungs- und Kon-struktionsregeln werden in [12] durch Empfehlungen zurkonstruktiven Durchbildung des auflagernahen Bereichsder Stahlbetonplatte noch weiter ergänzt und vervollstän-digt, s. Bild 4. Darüber hinaus werden in [12] die Ergebnisseweiterer Untersuchungen sowohl zum Verformungs-verhalten der Verbundfuge unter ruhender Beanspruchungund das daraus resultierende Durchbiegungsverhalten vonVerbundträgern als auch zu den im Hoch- und Brückenbauauftretenden Schubbeanspruchungen in der Verbundfugevorgestellt.

Durch die Ergebnisse dieser Untersuchungen könnenneue Verbundquerschnitte auch mit randnahen Kopf-bolzendübeln entwickelt, bemessen und weiter optimiert

Fachthemen

a′r 50 mm ≥ 100 mm Für 50 < a′r < 100 mm kann ∆PL,ckvereinfacht durch lineare Inter-

∆PL,ck 24,9 kN 35,6 kN polation ermittelt werden.

Bild 16. Charakteristische Ermüdungstragfähigkeitskurven von liegenden Kopfbolzen unter LängsschubFig. 16. Characteristic fatigue strength curves of horizontally lying shear studs subjected to longitudinal shear

Page 12: Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

werden. Für die Ingenieurpraxis werden im Rahmen die-ses Beitrags wichtige Entscheidungskriterien und einfacheHilfsmittel vorgestellt, die ab sofort auch eingesetzt wer-den können. Die Verfasser hoffen, durch diesen Beitrag zueiner weiteren Verbreitung von liegenden Kopfbolzendü-beln im Hoch- und Brückenbau beitragen zu können.

DanksagungDie Verfasser danken der Bundesanstalt für Straßenwesen(BASt) und dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt)für ihre umfassende Unterstützung der Untersuchungeninsbesondere im Rahmen der Forschungsvorhaben [9],[10], [11].

Literatur

[1] DIN V ENV 1993-1-1: Eurocode 3, Teil 1-1: Bemessungund Konstruktion von Stahlbauten, Allgemeine Bemessungs-regeln, Bemessungsregeln für den Hochbau, April 1993.

[2] DIN V ENV 1993-1-1/A2:1998: Eurocode 3, Teil 1-1: Allge-meine Bemessungsregeln, Bemessungsregeln für den Hoch-bau, Anhang Z: Bestimmung der Bemessungswerte der Trag-fähigkeit durch Versuchsauswertung, 1998.

[3] DIN V ENV 1994-1-1: Eurocode 4, Teil 1-1: Bemessungund Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Be-ton, Allgemeine Bemessungsregeln, Bemessungsregeln fürden Hochbau, Februar 1994.

[4] DIN V ENV 1994-2: Eurocode 4, Teil 2: Bemessung undKonstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton,Verbundbrücken, Juni 2000.

[5] Ozbolt, J., Mayer, U., Vocke, H., Eligehausen, R.: Ver-schmierte Rißmethode – Theorie und Anwendung. Beton-und Stahlbetonbau 94 (1999), H. 10, S. 403–412.

[6] Ozbolt, J., Li, Y., Kozar, I.: Microplane Model for Concretewith Relaxed Kinematic Constraint. Int. Journal of Solids andStructures 38 (2001), pp. 2683–2711.

[7] Breuninger, U.: Zum Tragverhalten liegender Kopfbolzen-dübel unter Längsschubbeanspruchung, Dissertation, Institutfür Konstruktion und Entwurf, Universität Stuttgart, Nr.2000-1, Januar 2000.

[8] Breuninger, U., Kuhlmann, U.: Tragverhalten und Tragfähig-keit liegender Kopfbolzendübel unter Längsschubbeanspru-chung. Stahlbau 70 (2001), H. 11, S. 835–845.

516

K. Kürschner/U. Kuhlmann · Trag- und Ermüdungsverhalten liegender Kopfbolzendübel unter Quer- und Längsschub

Stahlbau 73 (2004), Heft 7

[9] Kuhlmann, U., Kürschner, K.: Liegende Kopfbolzendübelunter Quer- und Längsschub in Stahlbetonplatten. Institutfür Konstruktion und Entwurf, Universität Stuttgart,Nr. 2002-7X – Forschungsbericht für die Bundesanstalt fürStraßenwesen, Bergisch Gladbach, Februar 2001; Schriften-reihe „Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“,Heft 834, Herausgegeben vom BMV, Bonn, April 2002.

[10] Kuhlmann, U., Kürschner, K.: Verbundkonstruktionen imHochbau mit liegenden Kopfbolzendübeln unter Quer- undLängsschub. Institut für Konstruktion und Entwurf, Univer-sität Stuttgart, Nr. 2002-33X – Forschungsbericht für dasDIBt, Berlin, November 2002.

[11] Kuhlmann, U., Kürschner, K.: Bemessungsregeln für ermü-dungsbeanspruchte liegende Kopfbolzendübel unter Längs-schub im Brückenbau. Institut für Konstruktion und Entwurf,Universität Stuttgart, Nr. 2002-4X – Forschungsbericht für dieBundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, April2002; Schriftenreihe „Forschung Straßenbau und Straßenver-kehrstechnik“, Heft 857, Herausgegeben vom BMV, Bonn, Ok-tober 2002.

[12] Kürschner, K.: Trag- und Ermüdungsverhalten liegenderKopfbolzendübel im Verbundbau. Dissertation, Institut fürKonstruktion und Entwurf, Universität Stuttgart, Nr. 2003-4,November 2003.

[13] Eligehausen, R., Mallée, R.: Befestigungstechnik im Beton-und Mauerwerksbau. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2000.

[14] Roik, K., Bergmann, R., Haensel, J., Hanswille, G.: Ver-bundkonstruktionen. In: Beton-Kalender 1999, Teil II,S. 373–510, Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 1999.

[15] Roik, K., Hanswille, G.: Beitrag zur Ermittlung der Trag-fähigkeit von Kopfbolzendübeln. Stahlbau 52 (1983), H. 10,S. 301–308.

[16] Roik, K., Hanswille, G.: Beitrag zur Ermittlung der Trag-fähigkeit von Reib-Abscher-Verdübelungen bei Stahlverbund-trägerkonstruktionen. Stahlbau 53 (1984), H. 2, S. 41–46.

[17] Roik, K., Hanswille, G.: Zur Dauerfestigkeit von Kopfbol-zendübeln bei Verbundträgern. Bauingenieur 62 (1987),S. 273–285.

Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Kai Kürschner, Schlaich Bergermann und Partner, Hohenzollern-straße 1, 70178 Stuttgart, vormals Institut für Konstruktion und Entwurf, Uni-versität Stuttgart, und Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann, Institut für Konstruk-tion und Entwurf, Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart

Fachthemen