12
Trainingaktuell | Juni 2019 3 Die Personalentwicklung wandelt sich – und damit auch das Training. Zum einen hat Lernen in Unternehmen einen immer höheren Stellenwert, zum anderen steigen damit auch die Ansprüche an die Weiterbildung. LinkedIn ist nicht bloß ein Business-Netzwerk, auf dem sich Fach- und Führungskräfte weltweit vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter- nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung global. Rund 3.300 Personalentwickler und Lerner in Unternehmen haben sich dieses Mal am „Work- place Learning Report“ beteiligt. Die Ergebnisse sind nicht nur für Unternehmen interessant, son- dern auch für Trainerinnen, Berater und Coachs. Personalentwicklung am Wendepunkt Zentrales Ergebnis: Die Personalentwicklung be- findet sich derzeit an einem Wendepunkt. Erst- mals hat dieser Bereich laut Studie genug Bud- get, Mitarbeiter und Unterstützung seitens der Führungskräfte, um nicht bloß das Tagesgeschäft abzuarbeiten, sondern auch eine strategische Rolle zu spielen und proaktiv zu agieren. Als „breakout year“ be- zeichnet die Studie daher das Jahr 2019 vollmundig. Auch wenn man derart euphorischen Verheißungen mit einer gesunden Skepsis begegnen sollte, belegt der Report doch: Die finanzielle Ausstattung der PE hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Vielleicht genauso wichtig ist, dass Führungskräfte dem Corporate Learning gegenüber sehr positiv eingestellt sind. So geben 82 Prozent der Befragten an, dass die Führungskräfte in ihrem Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv dabei unterstützen, sich weiterzubilden. Mehr Budget, hohe Wertschätzung seitens der Führungskräfte – für Weiterbildner sind das gute Nachrichten. Doch darauf ausruhen können sich Trainer, Beraterinnen und Coachs nicht. Denn der Workplace Learning Report offenbart auch, dass sich die Weiterbildung wandelt – etwa von klassischen Präsenztrainings hin zu Online-Lernen. Weitere Trends und Ergebnisse liefert der Beitrag ab S. 6. Seminare für die VUKA-Welt Mit der Frage, wie sich Weiterbildung wandeln muss, beschäf- tigt sich auch der Beitrag von Nadja Petranovskaja. Denn vor- gefertigte Seminare zu vorgefertigten Themen funktionieren in der VUKA-Welt nicht mehr, ist die Trainerin und Beraterin überzeugt. Sie geht daher einen neuen Weg: Trainings ohne Agenda. Was zunächst einmal befremdlich klingt, erscheint auf den zweiten Blick einleuchtend – schließlich wissen die Teilnehmenden in der Regel selbst viel besser als die Trainerin oder der Trainer, welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen. Wie Weiterbildner einen co-kreativen Prozess mo- derieren, in dem die Teilnehmenden ihre eigenen Themen bearbeiten können, erfahren Sie im Beitrag ab S. 10. Miriam Wagner Redakteurin EDITORIAL Training, wechsel dich!

Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Trainingaktuell | Juni 2019 3

Die Personalentwicklung wandelt sich – und damit auch das Training. Zum einen hat Lernen in Unternehmen einen immer höheren Stellenwert, zum anderen steigen damit auch die Ansprüche an die Weiterbildung.

LinkedIn ist nicht bloß ein Business-Netzwerk,

auf dem sich Fach- und Führungskräfte weltweit

vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-

nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs

große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

global. Rund 3.300 Personalentwickler und Lerner

in Unternehmen haben sich dieses Mal am „Work-

place Learning Report“ beteiligt. Die Ergebnisse

sind nicht nur für Unternehmen interessant, son-

dern auch für Trainerinnen, Berater und Coachs.

Personalentwicklung am Wendepunkt

Zentrales Ergebnis: Die Personalentwicklung be-

findet sich derzeit an einem Wendepunkt. Erst-

mals hat dieser Bereich laut Studie genug Bud-

get, Mitarbeiter und Unterstützung seitens der

Führungskräfte, um nicht bloß das Tagesgeschäft

abzuarbeiten, sondern auch eine strategische Rolle

zu spielen und proaktiv zu agieren. Als „breakout year“ be-

zeichnet die Studie daher das Jahr 2019 vollmundig.

Auch wenn man derart euphorischen Verheißungen mit einer

gesunden Skepsis begegnen sollte, belegt der Report doch: Die

finanzielle Ausstattung der PE hat sich in den vergangenen Jahren

verbessert. Vielleicht genauso wichtig ist, dass Führungskräfte

dem Corporate Learning gegenüber sehr positiv eingestellt sind.

So geben 82 Prozent der Befragten an, dass die Führungskräfte

in ihrem Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv

dabei unterstützen, sich weiterzubilden.

Mehr Budget, hohe Wertschätzung seitens der

Führungskräfte – für Weiterbildner sind das gute Nachrichten.

Doch darauf ausruhen können sich Trainer, Beraterinnen

und Coachs nicht. Denn der Workplace Learning Report

offenbart auch, dass sich die Weiterbildung wandelt – etwa

von klassischen Präsenztrainings hin zu Online-Lernen.

Weitere Trends und Ergebnisse liefert der Beitrag ab S. 6.

Seminare für die VUKA-Welt

Mit der Frage, wie sich Weiterbildung wandeln muss, beschäf-

tigt sich auch der Beitrag von Nadja Petranovskaja. Denn vor-

gefertigte Seminare zu vorgefertigten Themen funktionieren

in der VUKA-Welt nicht mehr, ist die Trainerin und Beraterin

überzeugt. Sie geht daher einen neuen Weg: Trainings ohne

Agenda. Was zunächst einmal befremdlich klingt, erscheint

auf den zweiten Blick einleuchtend – schließlich wissen die

Teilnehmenden in der Regel selbst viel besser als die Trainerin

oder der Trainer, welche Themen ihnen unter den Nägeln

brennen. Wie Weiterbildner einen co-kreativen Prozess mo-

derieren, in dem die Teilnehmenden ihre eigenen Themen

bearbeiten können, erfahren Sie im Beitrag ab S. 10.

Miriam WagnerRedakteurin

EDITORIAL

Training, wechsel dich!

Page 2: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

6 Trainingaktuell | Juni 2019

WORKPLACE LEARNING REPORT 2019

Personalentwicklung am Wendepunkt

Das Budget wächst, ebenso wie die Unterstützung seitens der Führungskräfte: Der Personalentwicklung geht es gut, wie eine aktuelle Studie belegt. Damit spielt sie zunehmend eine strategische Rolle in Unternehmen. Auch Weiterbil-dungsanbieter müssen sich an diesen Wandel anpassen.

Information

Foto: gerenme/iStock.com

Laut Workplace Learning Report ist die Personalent-wicklung erstmals in der Lage, über das Tagesgeschäft hinaus proaktiv zu agieren.

Einen Blick auf den aktuellen Stand der

Personalentwicklung weltweit wirft

LinkedIn in seiner Studie „Workplace

Learning Report 2019“. Dafür hat das

Business-Netzwerk 1.200 Personalent-

wickler sowie 2.100 Lerner in Unter-

nehmen befragt.

Das zentrale Ergebnis ist nicht nur

für PEler, sondern auch für Trainerin-

nen, Berater und Coachs interessant:

Die Personalentwicklung befindet sich

an einem Wendepunkt. Erstmals hat

dieser Bereich laut Studie genug Bud-

get, Mitarbeiter und Unterstützung von

den Führungskräften, um nicht bloß

Das PE-Budget wächst

Insbesondere die finanzielle Ausstattung hat sich

in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. So

gibt von den Befragten nur noch rund ein Viertel

an, dass ein limitiertes Budget die größte Heraus-

forderung für die Personalentwicklung ist – 2017

fand das noch fast die Hälfte. 43 Prozent rechnen

damit, dass die PE-Budgets in Zukunft weiter stei-

gen, 2017 waren es lediglich 27 Prozent. Dieser

Trend belegt laut Studie, dass Lernen in Unterneh-

men eine immer wichtigere Rolle spielt.

Neben den Budgets entwickelt sich auch die

personelle Ausstattung positiv. 87 Prozent der Be-

fragten denken, dass die Zahl der Mitarbeiterin-

nen und Mitarbeiter in der Personalentwicklung

2019 zumindest konstant bleibt oder sogar wächst.

Der größere Spielraum bei Budget und Perso-

nal geht mit einer hohen Wertschätzung für das

Lernen im Unternehmen seitens der Vorgesetzten

einher. 82 Prozent der Befragten geben an, dass die

Führungskräfte in ihrem Unternehmen Mitarbei-

ter und Mitarbeiterinnen aktiv dabei unterstützen,

sich weiterzubilden – laut Workplace Learning

Report ein entscheidender Schritt, um eine Lern-

kultur zu entwickeln.

Die Weiterbildung wird digitalisiert

Die Studie zeigt auch, wie sich die Personalentwick-

lung durch die Digitalisierung wandelt (siehe Grafik).

So geben im Vergleich zu 2016 heute rund 60 Prozent

der Unternehmen einen größeren Teil ihres Budgets

für das Online-Lernen aus, bei klassischen Präsenz-

trainings ist es nur knapp ein Viertel. Und auch der

Blick aufs Gegenteil bestätigt diesen Trend: Seit 2016

verwenden zwar zehn Prozent der Unternehmen

weniger Budget für digitale Weiterbildung, bei Prä-

senztrainings sind es aber fast 40 Prozent von ihnen.

Der Workplace Learning Report belegt also einmal

mehr, dass klassische Seminare an Bedeutung ver-

lieren, während digitale Formate immer wichtiger

werden – auch wenn sie Präsenztrainings niemals

vollkommen ersetzen werden, wie die Studie betont.

Aus dem Trend zum Online-Lernen ergibt sich

auch eine Chance für Weiterbildungsanbieter,

denn die digitalen Inhalte erstellen sich schließ-

lich nicht von selbst. Zwar geben 85 Prozent der

Befragten an, dass sie in ihrem Unternehmen auf

das Tagesgeschäft abzuar-

beiten, sondern auch eine

strategische Rolle zu spielen

und proaktiv zu agieren. Als

wichtigste Aufgaben der PE

sehen die Befragten aktu-

ell, zu analysieren, welche

Fähig keiten im Unterneh-

men noch fehlen, und Maß-

nahmen zu entwickeln, die

diese Lücke schließen, so-

wie gezielt Marketing für

PE-Programme zu betrei-

ben, um das Engagement

der Lerner zu steigern.

Diagnose und Gap Analyse auf Werte-Basis Agile Methode mit hoher Akzeptanz Kombinierbar mit jedem Methodenkoffer

www.profi ledynamics.com/de

Seit 2005 bildet Profi le Dynamics® erfolgreich zertifi zierte Berater/in aus!

Wie stellen Sie sicher, dass Sie Menschen begeistern, wirkungsvoll in Ihrer Arbeit sind und erfolgreiche Prozesse gestalten? Indem Sie Ein-blick gewinnen, welche Werte Menschen prägen, verbinden, nerven oder Widerstand produzieren, erhalten Sie einen wichtigen Zugang zu den in-neren Antreibern. Unsere Analysen sorgen dafür, dass wir die Motive erkennen können, die das sichtbare Verhalten beeinfl ussen.

NEU: E-Learning

Mit Werten erfolgreich im Training arbeitenArbeiten Sie als Trainer mit der Profi le Dynamics® Persönlichkeitsanalyse und Team- und Organisationsanalyse.

Page 3: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Information

SERVICE

>> Die Studie steht zum kostenlosen Download

bereit unter bit.ly/2HkOzkE

intern erstellten Content

zurückgreifen. Gleichzeitig

kaufen aber 73 Prozent auch

Inhalte extern hinzu.

Danach befragt, welche

Aufgaben für sie dieses Jahr

in der Personalentwicklung

Priorität haben, nennen die

Studienteilnehmer an erster

wichtigsten Aufgaben: das Entwickeln von Soft

Skills. Hier sehen die Befragten vor allem folgende

Themen als wichtig an:

A Kreativität,

A Verhandlung,

A logisches Denken,

A Kollaboration,

A Agilität.

Bei den Hard Skills sind vor allem Fähigkeiten

aus dem technischen und IT-Bereich gefragt, z.B.

Cloud Computing, Künstliche Intelligenz, mobile

Anwendungen, Video- und Audioproduktion. Aller-

dings landen auch hier zwei Themen in den Top

10, bei deren Entwicklung externe Weiterbildner

unterstützen können: Mitarbeiter- und Verkaufs-

führung. Miriam Wagner C

Stelle, zu analysieren, welche Skills im

Unternehmen noch fehlen und wie die-

se Lücken geschlossen werden können.

Auf Platz zwei landet, das Engagement

der Lerner zu erhöhen – zwei Punkte, bei

denen Trainer und Beraterinnen unter-

stützen können.

Außerdem landet auch ein klassi-

sches Trainingsthema in den Top 5 der

ENTWICKLUNG ONLINE- UND PRÄSENZTRAINING

Quelle: LinkedIn: Workplace Learning Report 2019

weniger ausgegeben

weniger ausgegeben

mehr ausgegeben

mehr ausgegeben

9%

59%Online- Lernen

Präsenz-training

39%

24%

Diagnose und Gap Analyse auf Werte-Basis Agile Methode mit hoher Akzeptanz Kombinierbar mit jedem Methodenkoffer

www.profi ledynamics.com/de

Seit 2005 bildet Profi le Dynamics® erfolgreich zertifi zierte Berater/in aus!

Wie stellen Sie sicher, dass Sie Menschen begeistern, wirkungsvoll in Ihrer Arbeit sind und erfolgreiche Prozesse gestalten? Indem Sie Ein-blick gewinnen, welche Werte Menschen prägen, verbinden, nerven oder Widerstand produzieren, erhalten Sie einen wichtigen Zugang zu den in-neren Antreibern. Unsere Analysen sorgen dafür, dass wir die Motive erkennen können, die das sichtbare Verhalten beeinfl ussen.

NEU: E-Learning

Mit Werten erfolgreich im Training arbeitenArbeiten Sie als Trainer mit der Profi le Dynamics® Persönlichkeitsanalyse und Team- und Organisationsanalyse.

Page 4: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

10 Trainingaktuell | Juni 2019

SEMINARE FÜR DIE VUKA-WELT

Training ohne Agenda

Vorgefertigte Seminare zu vorgefertigten Themen – das funktioniert in Zeiten des steten Wandels immer weniger. Anstatt den Teilneh-menden Wissen zu vermitteln, sollten Trainerinnen und Trainer ihnen ermöglichen, ihre eigenen Themen auf die Agenda zu setzen. Wie es funktioniert, Seminare für die neuen Anforderungen der VUKA-Welt fit zu machen, erklärt die Trainerin Nadja Petranovskaja.

Inspiration

Foto: comzeal/iStock.com

Beim Training ohne Agenda entscheiden die Teilnehmenden in einem co-kreativen Prozess selbst, welche Themen angesprochen werden.

Präsenzform zu planen und anzubie-

ten? Wie kann der Mehrwert des Mitei-

nanders noch stärker genutzt werden?

Und was ist dann die Rolle des Trainers

oder der Trainerin?

Warum Trainings in der Zukunft keine Agenda haben sollten

Früher konnte die Trainerin / der Trai-

ner in Absprache mit dem Kunden ein

Programm oder ein einzelnes Seminar

systematisch planen, entwickeln und

anschließend evaluieren. Es wurden

Lernmaterialien entwickelt und genaue

Ablaufpläne erstellt.

Heute sitzen in Seminaren meist Teil-

nehmende

A mit unterschiedlichen Erfahrungen,

A aus unterschiedlichen Kulturen,

A mit unterschiedlichen sprachlichen

Fähigkeiten,

A mit verschiedenen Aufmerksamkeits-

spannen und Interessen.

Eine feste, im Voraus geplante und

durchdachte Agenda macht für den

Großteil so diverser Teilnehmenden

wenig Sinn. Als Folge ziehen sich viele

mental zurück, nehmen nicht aktiv an

Diskussionen und Übungen teil oder

erledigen parallel ihr Tagesgeschäft vom

Smartphone aus.

In einem Training ohne festgelegte

Agenda hingegen gestalten die Teilneh-

menden den Ablauf mit. Dadurch, dass

sie ihre Themen auf die Agenda setzen

können, bekommt die gemeinsame

In der VUKA-Welt brauchen Unternehmen mehr

denn je das richtige Wissen und Können am rich-

tigen Ort zum richtigen Zeitpunkt. Angesichts

dessen ist die bisherige Struktur und Ordnung

der internen Weiterbildung immer schwieriger auf-

rechtzuerhalten. Als Konsequenz versuchen immer

mehr Unternehmen, flexible Konzepte zu stricken

– und denken dabei vor allem an digitale, jederzeit

verfügbare Lernpakete. Die Wissenschaft vermit-

telt jedoch, dass Lernen viel nachhaltiger ist, wenn

Menschen miteinander interagieren (Unterschie-

de zwischen Standard- und Beziehungslernen

siehe Tabelle rechts). Für

bestimmte Themen ist ein

Präsenztraining um ein Viel-

faches wirksamer, als wenn

sich ein Teilnehmer etwa al-

leine durch eine E-Learning-

Einheit durchklickt.

Wie kann eine Trainerin

bzw. ein Trainer also den

Kunden davon überzeu-

gen, weiterhin Programme

zu bestimmten Themen in

Page 5: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Trainingaktuell | Juni 2019 11

Inspiration

Zeit im Seminarraum einen

höheren Stellenwert. Der

Pluspunkt für die Trainerin

bzw. den Trainer: Die Teil-

nehmenden übernehmen

auch die Verantwortung für

das Abarbeiten der Agenda

und sorgen damit für gegen-

seitige Verantwortlichkeit.

Die so gewonnene Selbstor-

ganisation sorgt für weni-

ger Störungen, die Gruppe

diszipliniert sich oft selbst

– Beispiel Vielredner – und

„zieht“ sich die Inhalte (Pull-

Prinzip).

Wie ein Training ohne Agenda abläuft

Zum Einstieg in das für

Teilnehmende zunächst un-

gewöhnliche Format bietet

es sich an, die Hintergründe

genauer zu erläutern. Hier ist

eine Verknüpfung mit dem

„Warum“ des Seminars hilf-

reich, z.B. mit der Strategie

des Unternehmens oder den

aktuellen Veränderungen.

Der Trainer oder die Traine-

rin sollte erläutern, warum

die gemeinsame Zeit eine

wichtige Investition ist. Hier

kann der Trainer / die Traine-

rin auch auf die VUKA-Welt

eingehen oder auf den Fakt,

dass wir als Menschen alle unterschied-

lich sind. Um diesen Faktoren gerecht

zu werden, hat das Seminar zwar ein

Ziel, aber keine festgelegte Agenda.

Damit die Teilnehmenden mit dieser

Nachricht etwas beruhigter umgehen

können, kann der Trainer oder die Trai-

nerin fragen, wer schon mal eine Ar-

beitswoche exakt so verbracht hat, wie

er sich diese vorher ausgemalt hat. Das

kommt in der Realität eher selten vor.

Hier kann nun eine Parallele zum Se-

minar gezogen werden: Auch dieses soll

der aktuellen Realität gerecht werden,

statt zu versuchen, einen theoretischen

Plan zu erfüllen.

Um gemeinsam die Agenda zu erstellen, bietet sich

ein Kanban-Board (siehe Beispiel S. 12) an. Dieses

kann drei Spalten erhalten (z.B. „zu tun“, „jetzt“

und „erledigt“) oder bei längeren Trainings auch

noch zusätzlich eine Spalte für die Priorisierung

(„als Nächstes“). Weil das Kanban-Board als Tool

nicht allen vertraut ist, erklärt die Trainerin/der

Trainer, wie dieses der gemeinsamen Visualisie-

rung dient und dafür sorgt, dass die gesamte Grup-

pe einen Überblick behält. Falls Teilnehmende

mit dem Kanban-Board vertraut sind, kann man

fragen, wie sie dieses nutzen und wer gute Erfah-

rungen damit hat.

Wenn die Teilnehmenden keine Fragen zum

Kanban-Board haben, geht es an die Formulie-

rung der Agendapunkte. Diese können für kürzere

Standardlernprozess (Industriezeitalter)

Beziehungslernen (neues Zeitalter)

Trainer/in plant und entwickelt das Trainings design in der Expertenrolle

Trainer/in stellt Rahmen und Metho-den zur Verfügung, um aus Teilneh-menden Experten zu machen

Lernende als Teilnehmende oder Nutz-nießer des Trainings

Lernende als Teilgeber und Mitver-antwortliche für den Inhalt und das Ergebnis

reine Wissensvermittlung Aufbau von Fähigkeiten und Potenzial-entfaltung

vordefinierte Aufgaben, Ziele und festgelegte Inhalte

gemeinsam vereinbarte Agenda mit Zielen und Lernumfang

Qualität des Trainings hängt von Ver-anstalter und Trainer/in ab

Qualität des Trainings ist gemeinsame Verantwortung aller Teilnehmenden

UNTERSCHIED STANDARD- VS. BEZIEHUNGSLERNEN

Quelle: In Anlehnung an C. Cipolla & E. Manzini: Relational Services, 2009.

Page 6: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

26 Trainingaktuell | Juni 2019

...

PRAXISTEST „INTERACTUM“

Komm, wir spielenTransaktionsanalyse!

Organisation

Die Transaktionsanalyse ist eine vielschichtige psychologische Theorie, die helfen kann, sich selbst, sein Gegenüber und auch schwierige Kommu-nikationssituationen besser zu verstehen. Mit INTERACTUM soll es spielerisch gelingen, zumindest das zentrale Konzept der Ich-Zustände auch Laien verständlich zu machen. Auf den Petersberger Trainer-tagen 2019 wurde der Prototyp angespielt.

Das Angebot

Wer verstehen will, wie

schwierige Gesprächssitu-

ationen entstehen oder

warum vielleicht die

Verständigung mit einem

bestimmten Gesprächs-

partner partout nicht

gelingen will, kann die

Transaktionsanalyse zurate

ziehen. Dieses Modell wurde

Fotos: Lucas Heinz/managerSeminare

Unter Anleitung des Mitentwicklers Henning Schulze (links im Bild) wur-de INTERACTUM auf den PTT 2019 Probe gespielt.

Im Fokus des Spiels stehen die Kommuni-kationsmuster in der Familie Schubert, de-ren Mitglieder auf einem Handout (hier im Bild) vorge-stellt werden.

in den 1950er Jahren von Eric Berne

begründet mit dem Ziel, Denkanstöße für

gelingende Kommunikation zu liefern.

Einer davon ist die Theorie der Ich-Zu -

stände (siehe Kasten rechts). Sie will die

Wechselwirkungen zwischen mensch-

licher Kommunikation verdeut lichen,

indem sie erklärt, aus welcher Haltung

heraus und mit welcher Absicht eine

Aussage gemacht wird. Für diese Theorie

will nun das Planspiel INTERACTUM

einen spielerischen Einstieg bieten.

Die Testsituation

Auf den PTT 2019 wurde der Prototyp

von INTERACTUM vorgestellt und in

Gruppen mit jeweils knapp 20 Personen

praktisch getestet. Grundsätzlich sollte

das Spiel mit vier bis 16 Menschen in

zwei bis vier Teams gespielt werden, die

im Wettbewerb zueinander stehen. Ziel

ist es, durch die Lösung von Aufgaben

die meisten Siegpunkte zu sammeln.

An drei großen Tischgruppen ist das

Planspiel zu Beginn des Workshops

schon aufgebaut: in der Mitte der

zusammengeschobenen Tische ein

quadratischer Spielplan mit einer

Spielfigur aus Holz, einem zwölfseitigen

Würfel und einer Sanduhr. Auf

jeder der vier Seiten liegt zudem das

Arbeitsmaterial für die Teams:

A eine DIN-A4-Übersichtskarte, auf der

die Hauptpersonen des Spiels – Fami-

lie Schubert mit Vater, Mutter, studie-

render Tochter und volljährigem Sohn –

charakterisiert werden (siehe Bild links

Page 7: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Trainingaktuell | Juni 2019 27

Organisation

Die sechs Ich-Zustände

Die Transaktionsanalyse ist ein psychologisches

Modell, das von dem kanadisch-amerikanischen

Sozialpsychiater Eric Berne ab etwa 1950 ent-

wickelt wurde. Eine ihrer zentralen Aussagen

über menschliches Verhalten und menschliche

Kommunikation ist, dass Menschen immer aus

einem „Ich“ heraus kommunizieren, das sechs

Zustände einehmen kann, die sich in einem un-

terschiedlichen Verhalten niederschlagen:

Der Eltern-Ich-Zustand (EL) in zwei verschiede-

ne Ausprägungen:

1. fürsorglich und um den anderen bemüht (fEL)

2. kritisch und den anderen bewertend (kEL)

3. der Erwachsenen-Ich-Zustand (ER), in dem wir

uns unserem Alter, Geschlecht und sozialen Hin-

tergrund entsprechend angemessen verhalten

Der Kind-Ich-Zustand (K) auf drei verschiedene

Arten:

4. angepasst und ängstlich (aK)

5. trotzig und rebellisch (rK)

6. unbefangen und spontan (freies Kind, fK)

unten). Auf der Rückseite ein Trans-

aktionsdiagramm mit einer Übersicht

über die möglichen Ich-Zustände,

A eine Übersichtskarte mit den

verschiedenen Aufgaben; ingesamt

sind es zwölf verschiedene Heraus-

forderungen,

A sechs Spielkarten, die jeweils für einen

der sechs möglichen Ich-Zustände der

Transaktionsanalyse stehen (siehe

Kasten rechts).

Auf einem Stapel in der Mitte befinden

sich zudem 15 Spielphasen-Karten.

Insgesamt gibt es 60 Karten für vier

Phasen, getestet wird auf dem Petersberg

allerdings nur die erste, die sich auf

einfache Aussagen konzentriert. In

den Phasen zwei bis vier werden auch

Dialoge sowie parallele, gekreuzte und

doppelbödige Transaktionen bearbeitet.

Will man alle in einer Sitzung absol-

vieren, wären drei bis vier Stunden nötig

– deutlich mehr als für das Testspiel zur

Verfügung stehen. Zusätzlich gibt es noch

Joker- und Booster-Karten sowie acht

Transaktionspfeile aus Pappe, die hier

ebenfalls nicht zum Einsatz kommen.

TA-Check

Phase 1 beginnt, nachdem alle An wesenden

eine knappe Einführung in die Theorie

der Ich-Zustände bekommen haben. Die

Spielleitung, die hier die Entwickler

selbst übernehmen – die Gründer der

Planspielmanufaktur Sibylle und Uwe

Schirrmacher und Henning Schulze,

Transaktionsanalytiker und Kommuni-

kationswissenschaftler, –

stellt zunächst die Familie

Schubert vor und erklärt kurz

den Ablauf des Spiels. Dann

geht‘s los.

Zuerst ziehen Spielleiter

oder Spielleiterin eine Karte

vom Stapel in der Mitte.

Sie enthält eine szenische

Beschreibung, die einen der

vier Schuberts involviert. In

unserem Fall ist es der Sohn,

der im dritten Lehrjahr in

einem Industriebetrieb tätig

ist. Er sagt zu einem neuen

Azubi, der zu spät kommt:

„Echt, das hätten wir uns als

Anfänger nicht getraut!“

Nun hat Henning Schulze,

der die Karte für uns gezogen

hat, die Wahl: Er kann

die Aussage einfach selbst

möglichst lebendig vorlesen.

Allerdings besteht dann die

Gefahr, dass er die Spielenden

zu sehr beeinflusst.

Deshalb haben die Spiele-

entwickler Audio-Dateien

vorbereitet: Scannt man

den QR-Code auf der Karte

per Smartphone oder Tablet,

kann man sich jede gezogene

Szene auch von einem Profi-

Sprecher vorlesen lassen.

Dadurch ist garantiert, dass

nonverbale Informationen,

wie z.B. der Tonfall, so

übermittelt werden, wie sie

bei der Entwicklung des Spiels beabsichtigt wurden.

Zudem lassen sich die Sequenzen beliebig oft

wiederholen, ohne dass sich der Tonfall verändert.

Das ist wichtig, wie sich schnell zeigt, denn

nun wird diskutiert. Grundaufgabe für alle

Teams in Spielphase 1 ist es, zu analysieren, aus

welchem Ich-Zustand heraus sich die Person aus

der Schubert-Familie äußert. Dabei wird Schulze

Page 8: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

36 Trainingaktuell | Juni 2019

GROSSGRUPPENFORMAT CONGRESS IN MOTION

Viel Raum fürDynamik

Die Zeiten, in denen Change von oben verordnet wur-de, sind weitgehend vorbei. Heute wird eher auf Betei-ligung gesetzt. Ein gutes Format dafür ist „congress in motion“. Elena Singer und Carmen Windisch erklären, was ihr Großgruppenformat ausmacht.

Interaktion

Erntete man vor einigen Jahren noch ungläubige

Blicke, wenn man als Berater oder Beraterin vor-

schlug, im Rahmen eines Change-Prozesses ein

Großgruppenevent zu planen, so ist das heute fast

Standard. Und das ist gut so. Schließlich haben

Großgruppenveranstaltungen viele Vorteile.

Der wohl zentralste ist, dass sie auf einen

Schlag Transparenz schaffen: Informationen und

Impulse werden gleichzeitig an alle Anwesenden

– aus unterschiedlichen Interessengruppen, Hie-

rarchieebenen und Bereichen – vermittelt. Das

verhindert Verzerrungen und Gerüchtebildung.

Konflikte, divergierende Interessen, unterschied-

liche Sichtweisen werden sofort offenkundig

und können gemeinsam bearbeitet werden.

Interaktion verbindet

Zudem sind Großgruppen effizient: Da viele si-

multan an dem Veranstaltungsthema arbeiten,

entsteht eine Fülle von Ideen, Planungen und

Verabredungen, erhalten die Verantwortlichen

eine geballte Resonanz zu Vorhaben und Zu-

kunftsplänen.

Drittens fördern sie die Entstehung eines

Wir-Gefühls, da in der Großgruppe vielfältige

Kontakte geknüpft, persönliche Beziehungen

aufgefrischt und bereichsübergreifende Netzwer-

ke gestärkt werden. Letzteres gelingt besonders

dann gut, wenn durch interaktives Miteinander

in einem Raum eine mitreißende Arbeitsatmo-

sphäre entsteht, in der jeder und jede Einzelne

die Energie der großen Gruppe erlebt.

Gerade Großgruppenmethoden mit einer leben-

digen Dramaturgie unterstützen so sinnvoll Lern-

und Veränderungsprozesse: Sie stimulieren durch

die Vielfältigkeit ihres Designs unterschiedliche

Lerntypen. Gleichzeitig regen sie die Teilnehmer

Fotos: PfO-Beratungsgesellschaft

Auch sehr gro-ße Gruppen lassen sich durch Inter-ventionen aktivieren: z.B. durch De-sign-Thinking-Materialien (Bild links) ...

SchreibealleDingehier

auf, dieDu nichtmagst!

Mitmachbuch

dislike

... ebenso wie durch individuelle Beteili-gungsmöglichkeiten – z.B. ein Mitmach-buch für jeden Teilnehmer (Auszug im Bild rechts).

Page 9: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Trainingaktuell | Juni 2019 37

Interaktion

an, sich mit differenzierten inhaltli-

chen Aspekten auseinanderzusetzen,

ohne sich selbst gleich schon endgül-

tig festlegen zu müssen. Durch soziale

Kontakte wird das Erlebte und Erfah-

rene zudem stärker emotional gean-

kert. Das wiederum motiviert dazu,

bestimmte Vorhaben im Alltag auch

verantwortlich umzusetzen.

Wenn all dies mit einer sorgfältigen

Prozessplanung kombiniert wird, ist

Großgruppenarbeit zudem sehr nach-

haltig: Gerade interaktive und dyna-

mische Großgruppenveranstaltungen

sind dann keine einmaligen „Events“,

sondern unterstützen – sofern sie auf

die jeweiligen Ziele, Rahmenbedin-

gungen und Entscheidungsspielräume

der Beteiligten abgestimmt wurden

– die Verbindlichkeit und Seriosität:

Entscheidungen und Maßnahmenplä-

ne haben höhere Umsetzungschancen,

wenn sie vor einer großen „Öffent-

lichkeit“ besprochen und festgelegt

wurden.

Kongresse in Bewegung: Großgruppe plus X

Vor diesem Hintergrund hat die PfO

Beratungsgesellschaft eine besonders

interaktive und dynamische Form der

Großgruppenveranstaltung entwi-

ckelt: „congress in motion“. Sie lässt

sich als Start wie als Abschluss von

Veränderungsprozessen einsetzen,

aber auch für die Strategieentwick-

lung, die gemeinsame Arbeit an der

Unternehmenskultur, die

Teamentwicklung oder für

die Informationsvermitt-

lung.

Das Veranstaltungsformat

kombiniert vier zentrale

Elemente zu einem gemein-

samen Ansatz:

A Die Organisationsent-

wicklung, da eine sinn-

volle Einbettung in den

Veränderungsprozess ent-

scheidend ist.

A Traditionelle Großgrup-

penverfahren, wie Open

Space oder World Café.

A Die Erlebnispädagogik,

mit der sich die Veran-

staltungen besonders gut

beleben lassen.

A Das Theater, das in Dra-

maturgie wie auch den

Interventionen zu spüren

ist.

Wie die klassischen Groß-

gruppen kann das Format

für die Arbeit mit bis zu

1 .000 Teilnehmerinnen

und Teilnehmern einge-

setzt werden. Dabei lässt

sich auf eine breite Palette

an Methoden und Tools (sie-

he Kasten rechts und S. 39)

zurückgreifen, die ständig

um neue Ansätze erweitert

wird – zuletzt beispielswei-

se durch Online-Tools und

Design-Thinking-Elemente.

„in motion“-Tools (Teil I)

Es gibt unzählige Interventionen, die bei einem

„congress in motion“ eingesetzt werden. Ein Vor-

schlag zu jedem Schritt:

Schritt 1: SYMBOLE MITBRINGEN

Alle Eingeladenen werden zwei Wochen vor der

Veranstaltung gebeten, einen Gegenstand mitzu-

bringen, der symbolisch für das Thema der Veran-

staltung steht. Das löst meist Neugier, manchmal

Unruhe und oft auch einen angeregten Austausch

vorab aus: Alle beschäftigen sich also mit dem an-

stehenden Projekt. Vor Ort stellen sich die Teilneh-

merinnen und Teilnehmer dann – in vorbereiteten

Runden mit vier bis sechs Stühlen – ihre Symbole

gegenseitig vor. Wer sein Symbol vergessen hat,

muss im Foyer bei der Begrüßung schnell improvi-

sieren und z.B. etwas malen.

Schritt 2: GROSSGRUPPENBINGO

Alle erhalten beim Eintreten einen Stift und eine

Bingo-Karte. Auf der Karte stehen unterschiedliche

Aussagen zu persönlichen Eigenschaften, Hob-

bys, usw. Als Warm-up erhalten alle die Aufgabe,

jemanden zu finden auf den oder auf die eine der

Aussagen zutrifft. Wurde ein Kollege oder eine Kol-

legin gefunden, lässt man sich das entsprechende

Feld auf der Bingo-Karte unterschreiben. Sobald

alle Felder unterschrieben sind, wird die Karte

abgegeben. Die schnellsten Drei haben gewonnen

und erhalten ein kleines Präsent.

Schritt 3: POSTEN. LIKEN. VERNETZEN

Online-Eventtools, also webbasierte Applikati-

onen, die sich über den Webbrowser aufrufen

lassen, ermöglichen die interative Informations-

vermittlung. Per Smartphone oder Tablet können

die Teilnehmer z.B. an Live-Abstimmungen teil-

nehmen, Fragen an die Redner stellen und ihre

Gedanken zur Veranstaltung mit anderen teilen.

Schritt 4: WALK AND TALK

Hier machen sich drei bis fünf Personen gemeinsam

auf den Weg. Ausgerüstet mit Post-its und Stiften

diskutieren sie auf einem Spaziergang die Fragen

aus dem Plenum. Die Ergebnisse werden dann an

den Wänden des Seminarraums aufgehängt.

Page 10: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

44 Trainingaktuell | Juni 2019

WEITERBILDUNGSMARKT

Trainer oder Evangelist?

Viele Akteure in der Weiterbildungsbranche bezeichnen sich heute als Speaker oder gar als Evangelist. Nur Trainer will niemand mehr sein. Marketingexperte Bernhard Kuntz plädiert für mehr Realismus: Lieber ein guter Trainer sein, als bloß davon zu träumen, als Vordenker wahrgenommen zu werden.

Reflexion

wie er früher hieß, der sich heute nach mehreren

Umbenennungen „Berufsverband für Training,

Beratung und Coaching“ nennt.

Aus „Nur“-Trainern werden Trainer, Berater, Coachs

Doch um das Jahr 1995 wollten viele Trainer plötz-

lich keine „Nur“-Trainer mehr sein. Auf ihrer Visi-

tenkarte fügten sie den Begriff Berater hinzu, weil

ihr Selbstanspruch nun lautete: Künftig wollen

wir nicht nur die Mitarbeiter der Unternehmen

trainieren, sondern die Unternehmen und deren

HR-Bereiche auch ganzheitlich und konzeptionell

beraten. Faktisch änderte sich hierdurch zwar oft-

mals wenig. Doch fortan stand auf den Visitenkar-

ten der meisten Akteure im Weiterbildungsmarkt

eben „Trainer und Berater“.

Dabei blieb es, bis um das Jahr 2000 der Begriff

Coaching in Mode kam und das allgemeine Credo

lautete: Künftig werden in der Weiterbildung

und Personalentwicklung individuelle

Fördermaßnahmen eine größere Rolle spielen.

Also fügten immer mehr Akteure im Bildungs-

und Beratungsmarkt auf ihrer Visitenkarte zu

den bereits vorhandenen Begriffen noch das Wort

„Coach“ hinzu, sodass dort nun „Trainer, Berater,

Coach“ stand – obwohl es sich bei den unter dem

Begriff Coaching angebotenen Leistungen oft um

Trainings-on-the-Job handelte.

Niemand will mehr Trainer sein

Danach war im Markt erneut einige Jahre

weitgehend Ruhe, bis ungefähr zur Finanzkrise

2008. Plötzlich träumten viele Trainer, Berater

und Coachs davon, Speaker zu sein – ein Traum,

Keynote Spea-ker, Vordenker, Evangelist – viele Weiterbildner träu-men davon, groß rauszukommen. Nur für wenige wird der Traum aber wahr.

Foto: BrianAJackson/istockphoto.com

Ein Vorzug einer langjährigen Berufs-

erfahrung ist: Man registriert im Laufe

der Jahre gewisse Trends und Entwick-

lungslinien. So hat sich nach meiner

eigenen Beobachtung das Selbstver-

ständnis der Akteure im Weiterbil-

dungsmarkt in den vergangenen Jahren

und Jahrzehnten stark gewandelt.

Vor fast 30 Jahren, also um das

Jahr 1990, waren in diesem Markt

vorwiegend Einzeltrainer und einige

Trainingsinstitute aktiv, deren Namen

fast jeder Marktteilnehmer kannte, z.B.

das Horst Rückle Team, das Team Connex,

das Machwürth Team, die VA-

Akademie ... Und viele dieser

Trainer und Institute waren

Mitglieder in den beiden

Verbänden

A deGefest – Verband der

Kongress und Semi-

nar wirtschaft e.V., der

heute fast nur noch

Tagungshotels und Kon-

gresshallen angehören,

und

A BDVT, dem Berufsverband

Deutscher Verkaufstrainer,

Page 11: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Trainingaktuell | Juni 2019 45

Reflexion

der von der German Speakers

Association (GSA) befeuert wurde, die

sich sehr gekonnt und professionell

vermarktete. Also fügten immer

mehr Berater auf ihren Visitenkarten

bei ihrer Berufsbezeichnung noch

„Vortragsredner“ bzw. „Keynote Speaker“

hinzu. Derselbe Wandel vollzog sich auf

den Webseiten, über die inzwischen

alle Weiterbildner verfügten. Zudem

erschienen die ersten Speaker-Videos im

Netz.

Zugleich verschwand zunehmend

das Wort Trainer von den Visitenkarten

und Webseiten vieler Akteure im

Bildungs- und Beratungsmarkt – nicht

nur, weil vielen Möchtegern-Speakern

das Trainingsgeschäft zu mühsam

wurde, sondern auch, weil ihnen einige

Marketingagenturen ins Ohr flüsterten:

„Wenn du ein Speaker sein möchtest,

dann darfst du dich auf deiner Webseite

nicht zugleich als Trainer präsentieren!“

Als Folge davon preisen heute viele

Weiterbildner auf ihrer Webseite gar

keine Seminare und Trainings mehr an

– zumindest nicht in der Form konkret

entwickelter Produkte. Und wenn dort

vereinzelt doch noch zwei, drei offene

Seminare angeboten werden, dann

primär zu Marketingzwecken. Faktisch

finden von diesen Seminaren etwa 90

Prozent nie statt. Ihr Trainingsgeschäft

promoten immer weniger Anbieter im

Weiterbildungsmarkt ernsthaft.

Kaum ein Anbieter versteht sich noch explizit als Trainingsinstitut

Die Zahl der Weiterbildner, die sich

explizit bzw. primär als Trainer verstehen

und offensiv Seminare anbieten, hat

in den vergangenen Jahren sukzessive

abgenommen. Das heißt nicht, dass es im

Markt keine Anbieter mehr gibt, die dies

können. Doch weil sich inzwischen fast

alle als Speaker/Evangelisten/Vordenker

präsentieren, ist diese Kernkompetenz –

sofern sie existiert – bei den meisten von

ihnen für Außenstehende kaum noch

wahrnehmbar.

Für Unternehmen bedeutet dies nicht

selten: Wenn sie gewisse Skills bei

ihren Mitarbeiter trainieren möchten,

fällt es ihnen schwer, einen passenden

Trainingsanbieter zu finden. Denn

inzwischen lautet die Kernbotschaft

von fast allen Anbietern :„Führung

muss sich verändern“ oder „Verkaufen

muss sich ändern“ oder „Die Kultur der

Unternehmen und das Mindset ihrer

Mitarbeiter müssen sich ändern“. Mag ja

sein. Dass man aber – egal wie das Mindset

aussieht – zum Führen, Verkaufen,

effektiven Zusammenarbeiten auch

gewisse Skills braucht, scheinen viele

Anbieter vergessen zu haben.

Lieber ein guter Trainer sein, als vom Keynote Speaking träumen

Daran tragen oft auch Marke-

tingagenturen eine Mitschuld, die

Weiterbildner beraten. Denn sie

suggerieren ihren Klienten nicht selten,

dass diese, um ihre Ziele zu erreichen

– z.B. wie gewünscht zu wachsen –,

ihr Unternehmen auf das „Next Level“

heben müssen. Viel sinnvoller wäre es

oft, ihnen zu sagen: „Schuster, bleib‘

bei deinen Leisten“ oder – auf die

Weiterbildungsbranche umgemünzt –

„Trainer, bleib bei deinem Flipchart“.

Trainingsanbieter sollten sich besser

auf das konzentrieren, was sie aufgrund

ihrer Biografie und Historie richtig gut

können, und das dann konsequent

vermarkten – sei es, Vertriebler darin zu

trainieren, eine höhere Abschlussquote zu

erzielen, oder Nachwuchsführungskräfte

in Sachen Soft Skills fit zu machen. Oft

bringt das Trainer wesentlich weiter, als

bloß davon zu träumen, ein gefragter

Speaker oder Evangelist zu werden.

Bernhard Kuntz C

Der Autor: Bernhard Kuntz ist Inhaber und Geschäfts führer der Darmstädter PRofilBerater GmbH. Als Marketingexperte ist er auf die Unterstützung von Bildungs- und Beratungsanbietern spezialisiert. Er begleitet seine Kunden in Sachen Marketing und führt ihre Pressearbeit durch. Kontakt: www.die-profilberater.de

Page 12: Training aktuell - 30. Jahrgang Nr. 6/2019 · vernetzen. Einmal im Jahr wirft das Digitalunter-nehmen aus dem Silicon Valley einen Blick aufs große Ganze: den Stand der Personalentwicklung

Jetzt einen Monat für nur 8 EUR testen:

www.trainingaktuell.de/testenoder Tel.: +49 (0)228 977 91-23

Eine Ausgabe Training aktuell

Fachbücher bis 20 % günstiger

trainerbuch.de

Gratis eBook der

Marktstudie 2018

Trainings- konzepte

20 % günstiger

Einen Monat Flatrate auf Tools, Bilder, Inputs und

Verträge

trainerkoffer.de

Training aktuell im AboTesten Sie einen Monat lang für nur 8 EUR

Training aktuell im Jahresabonnement. Monatlich nur 12, 33 EUR, Jahresabonnement mit allen zusätzlichen Services 148 EUR. Nach einem Bezugs-jahr können Sie jederzeit kündigen.