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641 Leider war es bisher nicht moglich, den hochinteressanten Versuch Cavendish’s zum Nachweis des einfachen Gesetzes der Msssenanziehung allgemein einem grosseren Auditorium vorzufuhren. Denn die urspriingliche Form des Cavendishl- when Apparates l) ist nicht fur Demonstrationszwecke geeignet, sondern fur Einzelbeobachtung und Messversuche bestimmt. Ganz besonders hat die Apparatanordnung den Nachteil, dass der beanspruchte Raum zu gross ist. Der Waagebalken von Cavendish’s Apparat hatte eine Lhnge von ungefahr 2 m und war mit Kugeln von je 1,75 Pfund versehen, auf die grosse Kugeln von mehreren hundert Pfund Gewicht wirkten. Bei dem von C. V. Boys angegebenen Apparatea) sind diese Nachteile vermieden. Boys legte mit Recht den Haupt- wert bei der Construction des Apparates darauf, den Ad- hangungsfaden moglichst dunn zu nehmen, um so eine ausser- ordentliche Empfindlichkeit des Systems zu erhalten. Eh ist namlich zu berucksichtigen, dass die Tragkraft eines Fadens rnit der zweiten Potenz des Durchmessers, die Torsionskraft mit cler vierten Potenz das Durchmessers wilchst. Es ist aber erforderlich, dass die Torsionskraft im VerhZiltnis zur Tragkraft moglichst klein ist, woraus folgt, dass der ganze Apparat in moglichst kleinen Dimensionen auszufiihren ist. Die Losung der Aufgabe, ausserordentlich feine Filden herzustellen, die eine fur genaue Messungen und zuverliissige Resultate erforderliche Constanz besitzen , ist nun B o y s gegluckt. Da Glas wegen seiner elastischen Nachwirkung, 1) Cavendish, Gilb. Ann. 2. 1799. 2) C. V. Boys, Nature 40. p. 247. 1889; Zeitschr. f. d. phys. u. chem. Unterr. 1. p. 129. 1888; 3. p. 37. 1890; 8. p. 173. 1895; 10. p. 96. 1897; Zeitschr. f. Instrumentenk. 10. p. 69. 1890. Annalen der Physik. IV. Folge. 6, 42

Transportabler Apparat für Cavendish's Versuch über Massenanziehung

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Page 1: Transportabler Apparat für Cavendish's Versuch über Massenanziehung

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Leider war es bisher nicht moglich, den hochinteressanten Versuch Cavendish’s zum Nachweis des einfachen Gesetzes der Msssenanziehung allgemein einem grosseren Auditorium vorzufuhren. Denn die urspriingliche Form des Cavendishl- when Apparates l) ist nicht fur Demonstrationszwecke geeignet, sondern fur Einzelbeobachtung und Messversuche bestimmt. Ganz besonders hat die Apparatanordnung den Nachteil, dass der beanspruchte Raum zu gross ist. Der Waagebalken von Cavendish’s Apparat hatte eine Lhnge von ungefahr 2 m und war mit Kugeln von je 1,75 Pfund versehen, auf die grosse Kugeln von mehreren hundert Pfund Gewicht wirkten.

Bei dem von C. V. Boys angegebenen Apparatea) sind diese Nachteile vermieden. Boys legte mit Recht den Haupt- wert bei der Construction des Apparates darauf, den A d - hangungsfaden moglichst dunn zu nehmen, um so eine ausser- ordentliche Empfindlichkeit des Systems zu erhalten. Eh ist namlich zu berucksichtigen, dass die Tragkraft eines Fadens rnit der zweiten Potenz des Durchmessers, die Torsionskraft mit cler vierten Potenz das Durchmessers wilchst. Es ist aber erforderlich, dass die Torsionskraft im VerhZiltnis zur Tragkraft moglichst klein ist, woraus folgt, dass der ganze Apparat in moglichst kleinen Dimensionen auszufiihren ist.

Die Losung der Aufgabe, ausserordentlich feine Filden herzustellen, die eine fur genaue Messungen und zuverliissige Resultate erforderliche Constanz besitzen , ist nun B o y s gegluckt. Da Glas wegen seiner elastischen Nachwirkung,

1) Cavendish , Gilb. Ann. 2. 1799. 2) C. V. Boys, Nature 40. p. 247. 1889; Zeitschr. f. d. phys. u.

chem. Unterr. 1. p. 129. 1888; 3. p. 37. 1890; 8. p. 173. 1895; 10. p. 96. 1897; Zeitschr. f. Instrumentenk. 10. p. 69. 1890.

Annalen der Physik. IV. Folge. 6 , 42

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Coconfaden wegen seiner Hygroskopie und Platin wegen seiner Zerbrechlichkeit sich nicht fur ausserordentlich feine Faden eigneten, suchte Boys nach einem geeigneteren Materiale und fand dies im Quarz, da der letzte diese drei Nachteile nicht besitzt und ausserdem den Vorteil bietet, dass er sich zu Faden von bisher unerreichter Feinheit ausziehen lasst , die eine ebenfalls unerreichte Tragfahigkeit besitzen. Die von Boys hergestellten Fiiden besitzen Durchmesser bis zu 0,00025 mrn herab. Fur seinen Apparat fur die Massenanziehung verwandte er Faden von 0,005 mm Durchmesser; das von einem solchen Faden getragene Gewicht betrug 1,944 g (zwei Kugeln zu je. 0,972 g), wahrend die grossen Bleikugeln, die die kleinerr Kugeln beeinflussten, je 653,l g wogen. Ueber die Herstellungs- methode der feinen Quarzfaden sei auf die Originalabhandlung von Boys l) verwiesen.

Ein grosser Uebelstand des Apparates nach Boys besteht darin, dass er nicht transportabel ist, sondern an Ort und Stelle von kundiger und geschickter Hand zusammengebaut und aufgestellt werden muss. Das schliesst aber aus, dass der Apparat allgemein als Demonstrationsapparat zur Ein- fiihrung kommen konnte.

Es ist mir nun gelungen, den erwahnten Nachteil zu be- seitigen und den Boys’schen Apparat transportabel zu gestalten. Der Apparat wird in meinen Werkstatten versuchsfertig her- gestellt, lasst sich ohne jede Gefahr versenden und kann nach Empfang sofort aufgestellt und in Betrieb genommen werden. Im Folgenden gebe ich eine kurze Beschreibung davon: die beiden Figg. 1 u. 2 dienen zur Erlauterung, Fig. 1 zeigt den vollstandigen aufgestellten Apparat, Fig. 2 in etwas grasserem Maassstabe den Waagebalken mit Aufhangung und Schutz- gehause.

Aus Fig. 2 lasst sich erkennen, in welcher Weise der empfindliche Teil des Apparates aufgebaut ist. Auf einem kraftigen Dreifuss mi t Stellschrauben befindet sich ein dreh- bares und feststellbares Saulchen, das ein Glasgehause, ein weites Messingrohr und ein 40 cm langes enges Messingrohr mit Aufhiingevorrichtung tragt. In diesem engen Rohre hangt

1) C. V. Boys , Proc. of the Phys. soc. of London 9. 8. Oct. 1887,

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der Quarzfaden yon ungefahr 0,005 mm Durchmesser. An seinem unteren Ende ist ein leichtes Qehange befestigt, dass einen kleinen Spiegel und den Waagebalken W i t und zum Ted von dem kurzen, weiteren Messingrohr umschlossen ist. Zwei im rechten Winkel zu einander stehende runde Qlas- fenster mit Verschraubung dienen dazu, einen Lichtstrahl a d

Fig. 1.

den symmetrisch zu ihnen stehenden Spiegel auftreffen und fortpflanzen zu lassen. Der Waagebalken selbst besteht aus einem ausserst dunnen Glasstiibchen , das an seinen beiden Enden je eine kleine Messingkugel von 5,5 mm Durchmesser und 0,75 g Gewicht tragt. Der gegenseitige Abstand der Mittelpunkte dieser beiden kleinen Kugeln ist 36 mm gross.

Zum Schutze gegen Luftstrtimungen und raschen Tem- peraturschwankungen ist der Waagebalken, wie die Fig. 2

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zeigt, in ein rechteckiges Glasgehause mit doppelten Wan- dungen eingeschlossen. Durch eine Randelsohraube, die das drehbare Siiulchen durchsetzt, und deren Kopf sich unterhalb desselben befindet, kann die Arretirung des Apparates bewirkt werden. Die Vorrichtung besteht in der Hauptsache aus zwei

halbkugelformigen Lagern, die beim Arretiren die beiden kleinen Kugeln des Waagebalkens in sich aufnehmen, in die Hohe heben und gegen zwei ent- sprechend geformte Widerlager pressen. Hicrmit ist aber auch der Quarzfaden entlastet, und der Apparat transportabel geworden. 1st der Apparat an seinen Aufstellungsort gebracht, so braucht nur die Arsetirung gelost zu werden, urn mit ihm arbeiten zu konnen.

Der Apparat wird, wie Fig. 1 er- kennen lasst, auf ein Wandconsol mit Brett gestellt; dariiber befindet sich, gleichfalls an der Wand befestigt, ein eiserner Rahmen, der zwei Fiihrungs- stangen fur zwei grosse Bleikugeln tragt. Diese Kugeln sind dementsprechend durchbohrt und konnen durch Schnuren mit Rollenfiihrung um 36 mm hin und her verschoben werden, sodass sie in den Endstellungen den kleinen Kugeln das eine Ma1 auf den linken Seiten,

I das andere Ma1 auf den rechten Seiten gegeniiber stehen. Es findet demnach entweder eine Anziehung des ganzen Systems in dem einen oder dem anderen

Sinne statt. Das Gewicht jeder der beiden Kugeln betragt 2978 g , der Durchmesser genau 80 mm, der Abstand der Mittelpunkte einer grossen Kugel und der beeinflussten kleinen Kugel in der Nulllage betragt 53 mm, und demnach der Ab- stand der Llngsaxen der beiden Fiihrungsstangen fiir die Blei- kugeln 106 mm.

Urn nun die Anziehung der Kugeln und die Drehung des

Fig. 2.

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Waagebalkens, die in dem einen oder anderen Sinne erfolgt, einem grosseren Auditorium deutlich zu zeigen, ist es erforder- lich, den erhaltenen Ausschlag der Torsionswaage in ver- grossertem Maassstabe objectiv darzustellen. Zu diesem Zwecke wird durch eine biconvexe Linse das Bild eines erleuchteten Spaltes derart an einer an der Wand befestigten Soda erzeugt, dass die Strahlen von dieser Linse durch das eine Fenster des Apparates eintreten , an dem Spiegel des Waagebalkens reflectirt werden, durch das andere Fenster wieder austreten und auf einen Convexspiegel treffen, von dem aus sie schliess- lich an die Scala gelangen. Namentlich der Convexspiegel dient dazu, dass der Ausschlag stark vergrossert erscheint ; es betriigt der Ausschlag nach jeder Seite ungefhhr 40 cm, wenn sich die Scala ungefahr 10 m vom Convexspiegel entfernt befindet.

An dem Brette des Consols sind zwei Leisten mit Schlitten- fiihrung befestigt, auf denen sich drei Stative verschieben lassen, um eine sichere Einstellung des Spaltbildes zu erzielen. Die Stative tragen die Gliihlampe mit Spaltcylinder, die biconvexe Linse und den Convexspiegel.

Ein genaues Schema zur richtigen Aufstellung, die un- gefhhr 'in einer Hbhe von 2,25 m iiber dem Fnssboden erfolgt, gebe ich jedem Apparat bei. Damit der Apparat bei gelaster Arretirung keinen Schaden erleidet , und die Versuche nicht gestort werden, ist es unbedingt erforderlich, dass die Be- festigung an einer vollig erschiitterungsfreien Mauer erfolgt.

Chemnitz. (Eingegangen 7. August 1901.)