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Kapitel 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen In einer Vielzahl technischer Systeme werden Prozesse mit dem Ziel durchgeführt, bestimmte stoffliche oder thermische Ausgleichsvorgänge ablaufen zu lassen. Eine ganz wesentliche Aufgabenstellung stellt hierbei die Vermischung unterschiedlicher Komponenten dar. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein- oder mehrphasige Systeme handelt. Die mathematische Herangehensweise zur Beschreibung dieser Vorgänge basiert auf den in Abschn. 1.6 erläuterten allgemeinen Energie-, Impuls- und Stoffbilanzen. Ziel dieses Kapitels ist die Erklärung der physikalischen Hintergründe von Ausgleichsvorgängen, ihrer messtechnischen Erfassung und ihrer mathematischen Beschreibung. Zunächst werden mit dem idealen Strömungsrohr sowie dem idea- len Rührkessel Apparate eingeführt, die extreme idealisierte Ausgleichsvorgänge repräsentieren. Die bei realen Apparaten auftretenden Abweichungen von den idea- lisierten Mischvorgängen lassen sich mit verschiedenen mathematischen Ansätzen beschreiben.Von diesen werden das Dispersionsmodell sowie die Kombination idea- ler Apparate detailliert erläutert. Mit der Verweilzeitanalyse wird abschließend eine häufig angewendete Methode zur Charakterisierung des Vermischungsverhaltens technischer Apparate dargestellt. 4.1 Idealisierte Modellapparate Die Grundlagen der Ausgleichsvorgänge sowie der zugehörigen mathematischen Beschreibungsansätze lassen sich anhand idealisierter Modellapparate darlegen. Da in vielen Fällen neben den rein physikalischen Transportvorgängen auch chemische Reaktionen auftreten, ist es üblich, hier von idealen Reaktoren (idealer Rührkessel, ideales Strömungsrohr; s. Abb. 4.1) zu sprechen. Ihre generelle Bedeutung lässt sich anhand folgender Punkte aufzeigen: 1. Die Idealtypen entsprechen den Grundformen technischer Apparate bzw. Re- aktoren und gleichzeitig den Grenzfällen der Strömungsformen (keine oder vollständige Vermischung). Sie können reale Reaktoren häufig hinreichend ge- nau repräsentieren. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass konstruktiv große M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, 107 DOI 10.1007/978-3-642-25149-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

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Kapitel 4Beschreibung von Ausgleichsvorgängenin technischen Systemen

In einer Vielzahl technischer Systeme werden Prozesse mit dem Ziel durchgeführt,bestimmte stoffliche oder thermische Ausgleichsvorgänge ablaufen zu lassen. Eineganz wesentliche Aufgabenstellung stellt hierbei die Vermischung unterschiedlicherKomponenten dar. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein- oder mehrphasigeSysteme handelt. Die mathematische Herangehensweise zur Beschreibung dieserVorgänge basiert auf den in Abschn. 1.6 erläuterten allgemeinen Energie-, Impuls-und Stoffbilanzen.

Ziel dieses Kapitels ist die Erklärung der physikalischen Hintergründe vonAusgleichsvorgängen, ihrer messtechnischen Erfassung und ihrer mathematischenBeschreibung. Zunächst werden mit dem idealen Strömungsrohr sowie dem idea-len Rührkessel Apparate eingeführt, die extreme idealisierte Ausgleichsvorgängerepräsentieren. Die bei realen Apparaten auftretenden Abweichungen von den idea-lisierten Mischvorgängen lassen sich mit verschiedenen mathematischen Ansätzenbeschreiben. Von diesen werden das Dispersionsmodell sowie die Kombination idea-ler Apparate detailliert erläutert. Mit der Verweilzeitanalyse wird abschließend einehäufig angewendete Methode zur Charakterisierung des Vermischungsverhaltenstechnischer Apparate dargestellt.

4.1 Idealisierte Modellapparate

Die Grundlagen der Ausgleichsvorgänge sowie der zugehörigen mathematischenBeschreibungsansätze lassen sich anhand idealisierter Modellapparate darlegen. Dain vielen Fällen neben den rein physikalischen Transportvorgängen auch chemischeReaktionen auftreten, ist es üblich, hier von idealen Reaktoren (idealer Rührkessel,ideales Strömungsrohr; s. Abb. 4.1) zu sprechen. Ihre generelle Bedeutung lässt sichanhand folgender Punkte aufzeigen:

1. Die Idealtypen entsprechen den Grundformen technischer Apparate bzw. Re-aktoren und gleichzeitig den Grenzfällen der Strömungsformen (keine odervollständige Vermischung). Sie können reale Reaktoren häufig hinreichend ge-nau repräsentieren. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass konstruktiv große

M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, 107DOI 10.1007/978-3-642-25149-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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108 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.1 Zeitlicher und örtlicher Konzentrationsverlauf in idealen Reaktoren. (Nach Dialer undLöwe 1975)

Anstrengungen unternommen werden, den Unterschied zwischen realem Reak-tor und dem entsprechenden Idealtyp – z. T. aus Gründen der Temperaturführung– weitestgehend zu minimieren.

2. Laborapparaturen zur Ermittlung kinetischer Daten sind meist hinlänglich ideal.3. Abweichungen vom Idealverhalten lassen sich oft durch einfache mathematische

Korrekturen berücksichtigen.4. Komplexe Strömungsformen können durch Schaltungen der Idealtypen model-

liert werden.5. Schaltungen der Idealtypen, parallel oder in Reihe, sind technisch verwirklicht

(z. B. Rohrbündel, Kaskade).6. Auch in dispersen Systemen entspricht die Strömungsform der einzelnen Phasen

häufig einer Idealform.

4.1.1 Idealer Rührkessel

Ein idealer Rührkessel ist durch die Ortsunabhängigkeit von Konzentrationen undTemperatur gekennzeichnet. Der Kesselinhalt ist demzufolge ideal durchmischt. Da-her kann in den Stoffbilanzen für ein homogenes System sowohl der konvektive alsauch der diffusive Term innerhalb des Behälterinhalts zu null gesetzt werden. AlsBilanzvolumen ist der Kesselinhalt VR zu wählen.

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4.1 Idealisierte Modellapparate 109

Diskontinuierlich betriebener idealer Rührkessel Aus der allgemeinen Bilanzglei-chung (1.84) ergibt sich für den diskontinuierlichen idealen Rührkessel folgenderZusammenhang bei N parallelen Reaktionen:

dci

dt=

N∑

j

νij rj . (4.1)

Hiermit lassen sich in entsprechenden Laborapparaten Reaktionsgeschwindigkei-ten ermitteln. Vorausgesetzt wird in dieser Gleichung, dass keine Veränderungdes Reaktionsvolumens VR erfolgt. (Da es sich i. Allg. hier um Flüssigphasen-reaktionen handelt, kann in der überwiegenden Zahl der Fälle eine nennenswerteDichteänderung infolge der Reaktion ausgeschlossen werden.)

Solange vom großtechnischen Apparat erwartet werden kann, dass er sich (an-nähernd) ideal verhält und entsprechend auch isotherm gehalten werden kann,genügt es, den zeitlichen Konzentrationsverlauf ci (t) einer oder mehrerer Produkt-komponenten aus Laborversuchen zu kennen, um damit die Dimensionierung desGroßapparates vorzunehmen.

Idealer kontinuierlicher Rührkessel ImVergleich zum diskontinuierlich betriebenenRührkessel, der ein typisches geschlossenes System (s. Abschn. 1.6) darstellt, tretenbei kontinuierlicher Fahrweise eines idealen Rührkessels noch zu- und ablaufendeStröme auf. Die vorausgesetzte stoffliche Homogenität eines idealen Rührkesselsbedeutet für den kontinuierlichen Betrieb, dass sich die zur Zeit t = 0 in denkontinuierlichen Rührkessel getrennt eingespeisten Komponenten momentan unterAusgleich sämtlicher Gradienten bis auf die molekulare Ebene vermischen. Stati-stisch gesehen sollen sich in unendlich kurzer Zeit in jedem Volumenelement gleicheVerteilungen einstellen.

Unter dieser Voraussetzung wird dem im Rührkessel vorhandenen Reaktionsge-misch kontinuierlich die Komponente i mit der Konzentration ciα zugeführt, und zwarmit einem Volumenstrom V. Entsprechend verlässt das Fluid mit der im Rührkesselvorhandenen Konzentration ciω das Reaktionsvolumen. Zur Ableitung des Konzen-trationsverlaufs für den idealen homogenen kontinuierlichen Rührkessel kann aufdie allgemeine Bilanzgleichung (1.56) zurückgegriffen werden. Unter Verwendungder mittleren Verweilzeit t = VR/V folgt für ein volumenbeständiges System:

dci

dt= ciα

t− ci

t+ νi r . (4.2)

Diese Gleichung ist der Ausgangspunkt zur Untersuchung instationärer Vorgän-ge im idealen kontinuierlichen Rührkessel. Dazu gehören Anfahren, Umstellen,Verweilzeitverhalten und Stabilitätsfragen. Im stationären Betrieb ist dci/dt = 0.

Das grundlegende Problem einer Reaktorauslegung besteht in der Berechnungdes Reaktionsvolumens für einen bestimmten Produktionsmengenstrom. Dieses Vo-lumen lässt sich aus dem erforderlichen Umsatzgrad sowie der zugehörigen Zeitermitteln. Ein solches Vorgehen ist möglich, da die Reaktionszeit unabhängig vomReaktorvolumen ist. Dies folgt aus der Annahme einer vollständigen Vermischung

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110 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

des Reaktorvolumens. In der Praxis übt die Reaktorgröße allerdings einen Einflussauf die Reaktionszeit aus, da die Umsetzungsgeschwindigkeit durch die unvollstän-dige Vermischung oder Temperaturunterschiede z. B. in der Nähe von Heiz- bzw.Kühlflächen beeinflusst werden kann.

4.1.2 Ideales Strömungsrohr

Im idealen Strömungsrohr ist die Strömungsgeschwindigkeit wz über den Querschnittkonstant. Es liegt eine Pfropfen- oder Kolbenströmung vor. Außerdem findet keineDiffusion oder, allgemeiner ausgedrückt, keine Dispersion oder Vermischung inaxialer Richtung statt. In diesem Modellreaktor liegt gegenüber dem Rührkesselder andere Extremfall einer völlig fehlenden Vermischung vor. Daher ist im idealenStrömungsrohr die Verweilzeit aller Fluidelemente gleich.

Zur Aufstellung des zeitlich-örtlichen Konzentrationsverlaufs des idealen Strö-mungsrohrs wird die Stofftransportgleichung (1.90) herangezogen. Aufgrund desüber den Querschnitt konstanten Konzentrationsprofils gilt ∂ci/∂ϕ = ∂ci/∂r = 0. DaDiffusionsvorgänge ausgeschlossen sind (Di = 0), ergibt sich für den Konzentrati-onsverlauf:

∂ci

∂t= −wz

∂ci

∂z+ νi r . (4.3)

Das vorausgesetzte ebene Profil der Pfropfenströmung ist bei turbulenter Strömungin technischen Apparaten recht gut realisiert (s. z. B. Abschn. 5.1.2 turbulenteRohrströmung).

4.2 Reale Apparate

Der tatsächliche fluiddynamische Zustand und damit auch die entsprechendenAustauschvorgänge sind i. Allg. wesentlich komplexer. Es wird eine Fülle vonAbweichungen vom Idealverhalten beobachtet, die z. B. hervorgerufen werdendurch Kurzschlussströmungen, Zirkulationsströmungen und Totzonen. Reales Strö-mungsverhalten kann in einem technischen System in unterschiedlichen Zonen mitdifferierenden Ausdehnungen erfolgen.

4.2.1 Mischvorgänge1

Im Gegensatz zum idealen Rührbehälter, in dem die Vermischung zweier Kompo-nenten spontan erfolgt, benötigt ein Mischvorgang in realen Mischapparaten (u. a.

1 nach (Hiby 1979).

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4.2 Reale Apparate 111

Abb. 4.2 Zeitlicher Ablaufvon lokalenKonzentrationsdifferenzenbeim diskontinuierlichenMischen

Rührbehälter) stets eine endliche Zeit, die so genannte Mischzeit. Grundsätzlichumfassen Mischaufgaben sowohl ein- als auch mehrphasige Systeme. Die weiterenAusführungen beziehen sich der Einfachheit halber auf die physikalischen Vorgänge,die in homogenen Flüssigkeitssystemen auftreten.

Sind Flüssigkeiten vollständig ineinander, d. h. bis auf die molekulare Ebene,löslich, so ist eine Verteilung der Komponenten bis zu molekularen Abmessungenmöglich. Dies erfolgt zunächst durch die Deformation makroskopischer Substanz-gebiete und abschließend durch die molekulare Diffusion. Das Prozessziel ist dieErreichung eines vorgegebenen Mischungsgrades, also der Abbau zeitlicher undräumlicher Inhomogenitäten einer skalaren Größe (Konzentration, Temperatur) bisauf einen angestrebten Wert. Die Zeit bzw. der Strömungsweg (Rohrstrecke) biszur Erreichung dieses Zustandes wird als Misch- oder Homogenisierzeit θ bzw.als Mischlänge LH bezeichnet. Beide sind von den Prozessbedingungen und demgeforderten Mischungsgrad abhängig.

Bei der Vermischung von zwei ineinander löslichen Flüssigkeiten ist eine Kenn-zeichnung des Zustandes im Mischvolumen erforderlich, die angibt, wie weit dasSystem noch von der Homogenität entfernt ist. Es sei angenommen, dass durchZumischen der Komponente A zu einer Flüssigkeit die Konzentration von A im Ge-misch auf den homogenen Endwert cA∞ gebracht wird. Während des Mischvorgangsschwankt die örtliche Konzentration cA als Funktion der Zeit und des Ortes um denEndwert cA∞, wie dies Abb. 4.2 verdeutlicht.

Die zeitlich abhängigeAbweichung�cA = |cA − cA∞| kann z. B. auf die Endkon-zentration cA∞ bezogen werden und ergibt damit eine relative Abweichung. Für dieBeschreibung der Vermischung von zwei Flüssigkeiten A und B ist es zweckmäßig,den Volumenanteil ϕVA

= VA/Vges zu verwenden. Der örtliche Volumenanteil von Bist demnach 1−ϕVA

.MitA soll die Flüssigkeit bezeichnet werden, die mit dem gerin-geren Volumen bzw. Volumenstrom am Mischvorgang teilnimmt. (ϕVA∞ ≤ 0,5. Diesist die Komponente, deren relative Homogenisierung schwieriger zu erreichen ist, dain den nachfolgend definierten Ausdrücken für die relative Abweichung stets ϕVA∞im Nenner steht.) Während des Mischvorgangs liegt im gesamten Mischvolumen in

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112 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.3 Volumenverteilungsdichte q3 für verschiedene Zeiten; Volumenanteil von A an derMischung ϕVA∞ = 1/3. (Nach Hiby 1979)

jedemAugenblick eineVolumenverteilungsdichte q3 der örtlichen Konzentration ϕVA

vor, die sich als Funktion der Zeit ändert. Dabei bezeichnet q3 dϕVAdenjenigenAnteil

am Gesamtvolumen, dessen örtliche Konzentration zwischen ϕVAund ϕVA

+ d ϕVA

liegt. Das Integral über dieVolumenverteilungsdichte (Wahrscheinlichkeitsdichte fürϕVA

) ist demnach stets:

1∫

0

q3 dϕVA = 1.

Die zeitliche Entwicklung derVolumenverteilungsdichte zeigt qualitativAbb. 4.3. ZuBeginn des Mischprozesses (t = 0) liegen die reinen Komponenten A und B getrenntvor, die örtliche Konzentration ϕVA

in dem Mischapparat beträgt demzufolgeentweder 0 oder 1. Während des Homogenisierungsvorgangs wird die Konzentra-tionsverteilung zunehmend enger. Nach völliger Homogenisierung (t → ∞) liegtim gesamten Mischbehälter die Endkonzentration ϕVA∞ vor; beim Verhältnis derAnfangsvolumina VA/VB = 1/2 in Abb. 4.3 gilt:

ϕVA∞ = 1/(1 + 2) = 1/3.

Zur Beschreibung der Abweichung von der Homogenität bzw. des Mischungsgradszu einem Zeitpunkt t bestehen verschiedene Möglichkeiten. Zwei Definitionen seienhier vorgestellt.

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4.2 Reale Apparate 113

1. Der maximale Betrag der relativen Abweichung:

δmax = �ϕVAmax/ϕVA∞ . (4.4)

Mit �ϕVAsei der Betrag

∣ϕVA− ϕVA∞

∣ bezeichnet; demnach ist bei Annahmeeiner symmetrischen Verteilungsfunktion �ϕVAmax

= ϕVAmax− ϕVA∞ = ϕVA∞ −

ϕVAmin.

2. Der örtlich gemittelte Betrag der relativen Abweichung:

δ = �ϕVA

ϕVA∞= 1

ϕVA∞

1∫

0

�ϕVA q3 dϕVA. (4.5)

Als Mischungsgrad oder Mischgüte definiert man:

M ≡ 1 − δ. (4.6)

Dabei ist anzugeben, welcher Ausdruck δ für die relative Abweichung von derEndkonzentration gewählt wird.

Diese Definitionen besitzen jedoch einen Schönheitsfehler. Sie streben zwar gegenM = 1, zu Beginn des Mischvorgangs gilt jedoch nicht M = 0 bei beliebigen WertenϕVA∞. Ist beispielsweise am Anfang eines Homogenisiervorgangs die Konzentrationvon A im Gemisch ϕVA = 1/6 und wird dann A bis zu einem Mittelwert ϕVA∞ = 1/3zugegeben, so ergibt sich für δmax zu Beginn des Mischvorgangs:

δmax = |1/6 − 1/3|1/3

= 1/2 → M = 1 − δmax = 1/2 �= 0.

Als Mischzeit θM bezeichnet man bei einem diskontinuierlichen Mischungsprozessden Zeitbedarf für eine bestimmte Annäherung an die Homogenität. Der geforderteMischungsgrad kann zahlenmäßig als Index angegeben werden; z. B. wird M = 97 %nach der Zeit θ97 erreicht. Zusätzlich sind nähere Angaben zu machen über dieverwendete Definition der relativen Abweichung sowie über den Ort der Messungim Mischvolumen, z. B. in Rührernähe oder in einem Totraum.

Bei Mischprozessen unter konstanten Bedingungen klingen in der Regel dieKonzentrationsschwankungen exponentiell ab, s. Abb. 4.4. Es gilt:

ln δ = C1 − C2 θM , C1,C2 : Konstanten. (4.7)

In Abb. 4.4 ist C1 gleich null.Aus zwei Mischzeitmessungen für verschiedene M lassen sich demnach alle an-

deren Mischzeiten berechnen. Da bei hohen Mischgüten aufgrund der dann sehrgeringen Schwankungen δ die Messgenauigkeit für θM abnimmt, ist zu empfehlen,bei nicht zu geringen Abweichungen zu messen, sondern etwa mit δ = 0,05 eineMischgüte von M = 95 % anzustreben. Die Abb. 4.4 zeigt, dass zum Erreichen einerMischgüte von 90 % die gleiche Zeit erforderlich ist, wie zur Steigung der Mischgütevon 90 auf 99 % bzw. von 99 auf 99,9 % usw.

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114 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.4 RelativeAbweichung δ inAbhängigkeit vomMischzeitverhältnis �/�99

4.2.2 Kontinuierlich betriebene reale Apparate

Bei der in realen technischen Apparaten üblicherweise vorliegenden turbulentenStrömung wird neben der mittleren Transportgeschwindigkeit eine instationäreSchwankungsbewegung infolge von Turbulenzballen beobachtet. So kommt es zueiner vorauseilenden bzw. verzögerten Bewegung von Fluidelementen in Strö-mungsrichtung. Dieser Effekt führt zusammen mit Geschwindigkeitsunterschiedenim Strömungsquerschnitt zur sogenannten Dispersion2. Ein sich mit der mittlerenStrömungsgeschwindigkeit bewegender Beobachter hat somit den Eindruck, ein vor-auseilendes Volumenelement führe eine Vorwärtsbewegung, ein zurückbleibendesVolumenelement führe eine Rückwärtsbewegung aus.

Die jeweilige Relativbewegung einesVolumenelements ist beendet, wenn es durchdie Wirkung der Querkomponenten anderer Wirbel vermischt und stofflich angegli-chen wird. Mit diesem makroskopischen Ausgleichsprozess hat es seine Individualitätverloren.

Das so genannte Dispersionsmodell ist dann anwendbar, wenn die Vermischungdurch Effekte stochastischer Natur, wie z. B. durch turbulente Diffusion, erzeugtwird. Die modellmäßige Erfassung der Dispersion lehnt sich deshalb an den insta-tionären molekularen Transport einer Komponente i an. Für den eindimensionalenFall gilt bei gleichzeitig vorhandener Konvektion in z-Richtung:

∂ci

∂t= −wz

∂ci

∂z+Di

∂2ci

∂z2. (4.8)

Der durch die Dispersion entstehende Stoffstrom, der durch die Verlagerung endli-cher Stoffmengen infolge von Geschwindigkeitsunterschieden entsteht, weist wie derrein molekulare Transport eine lineare Abhängigkeit vom Konzentrationsgradienten

2 lat.: dispergere „ausbreiten, zerstreuen“

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4.2 Reale Apparate 115

auf. Daher kann unter formaler Einführung des sogenannten axialen Dispersionsko-effizienten Dax der Dispersionsstofffluss in z-Richtung folgendermaßen beschriebenwerden:

(4.9)

Damit ergibt sich für die eindimensionale Stoffbilanz:

∂ci

∂t= −wz

∂ci

∂z+Dax

∂2ci

∂z2. (4.10)

Der Dispersionskoeffizient Dax ist im Gegensatz zum Diffusionskoeffizienten keineStoff- sondern eine Systemgröße, die von der Apparategeometrie und der Fluid-dynamik innerhalb eines technischen Apparates abhängt. Dax beinhaltet aufgrundseiner Definition auch den infolge Diffusion auftretenden Stoffstrom. In den fol-genden Kapiteln werden mathematische Beziehungen für Dax in Rohren (Kap. 5),Festbettapparaten (Kap. 8), Wirbelschichten (Kap. 16) und Blasensäulen (Kap. 12)angegeben.

Abhängig von Geometrie und Strömungszustand tritt die Dispersion nicht nurin einer Koordinatenrichtung sondern generell in allen drei Richtungen auf. Somuss bisweilen die radiale Dispersion in technischen Apparaten ebenfalls be-rücksichtigt werden. Vielfach sind jedoch die Konsequenzen für den Stoffaus-tausch in Strömungsrichtung (zumeist die axiale Richtung in einem Apparat) dieüberwiegenden.

Durch Einführung der dimensionslosen Zeit t∗ = t/t (t: mittlere Verweilzeit,t = L/wz), der dimensionslosen Konzentration ξ = ci/ciα und einer dimensions-losen Länge z∗ = z/L in Gl. (4.10) folgt die dimensionslose Formulierung desDispersionsmodells:

∂ξ

∂t∗= − ∂ξ

∂z∗ + Dax

wz · L∂2ξ

∂z∗2. (4.11)

Die in dieser Gleichung auftretende dimensionslose Größe wzL/Dax wird alsBodensteinzahl3 Bo bezeichnet:

Bo ≡ wz · LDax

. (4.12)

Als Grenzfälle des Dispersionsmodells ergeben sich:

• rückvermischungsfreie Strömung (ideales Strömungsrohr) für Bo → ∞ bzw.Dax → 0

• vollständige Vermischung (idealer Rührbehälter) für Bo → 0 bzw. Dax → ∞.

3 Max Bodenstein 1871–1942, deutscher Physiko-Chemiker, begründete die chemische Kinetik mitUntersuchungen zur Chlor-Knallgas-Reaktion.

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116 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.5 Konzen-trationsverlauf in einemidealen Strömungskanal(Kanal I) und bei Auftretenvon vor- und nacheilendenStoffströmen mit ebenfallsidealem Verhalten (Kanal II)

Zur Erläuterung der Ursachen und der Bedeutung der Dispersion diene folgendesBeispiel. Es werden zwei identische Kanäle mit quadratischem Querschnitt (Kan-tenlänge B) als ideale Strömungsrohre (ohne Dispersion) durchströmt (s. Abb. 4.5).Gleichzeitig laufe eine homogene chemische Reaktion 1. Ordnung r = − k1cA ab. Ka-nal I wird über die gesamte Fläche mit der Geschwindigkeit wz durchströmt, währendKanal II in drei getrennte Teilbereiche jeweils gleicher Querschnittsfläche unterteiltist. Ein Bereich (b) wird mit wz durchströmt, ein Bereich (a) eilt mit 0,5 wz nach undein Bereich (c) eilt mit 1,5 wz vor. Im Mittel wird damit der gesamte Kanal II wieKanal I mit wz durchströmt. Die Eintrittskonzentration betrage in beiden KanälencAα; das Verhältnis k1 · L/wz sei gleich eins.

Der sich einstellende axiale Konzentrationsverlauf wird gemäß Gl. (1.84) (keineDiffusion, Konvektion nur in axialer Richtung, stationärer Zustand) beschriebendurch:

wzdcA

dz= −k1cA. (4.13)

Durch Integration unter Berücksichtigung der Anfangsbedingung z = 0: cA = cAα ,folgt für den dimensionslosen axialen Konzentrationsverlauf:

ξ = cA(z)

cAα= exp

(

−k1 · L

wzz∗)

. (4.14)

Damit folgt für Kanal I und Teilbereich b in Kanal II als Austrittskonzentration:

ξI (z∗ = 1) = exp(−1 · 1) = 0,368.

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4.3 Verweilzeitverteilung 117

Im Kanal II ergeben sich für die beiden Teilbereiche a und c mit 0,5 wz bzw. 1,5 wz

folgende Austrittskonzentrationen:

a : ξ (z∗ = 1) = exp

(

− 1

0,5· 1

)

= 0,135,

c : ξ (z∗ = 1) = exp

(

− 1

1,5· 1

)

= 0,513.

Der gesamte axiale Konzentrationsverlauf ist in Abb. 4.5 dargestellt. Die mittlereAustrittskonzentration des Kanals II ergibt sich durch Summation:

wzB2ξII = (Va · ξa + Vbξb + Vcξc)

= 1

3B2 · 0,5 wz · 0,135 + 1

3B2 · wz · 0,368 + 1

3B21,5 wz · 0,513.

Daraus folgt:

ξII = 0,402 > 0,368 = ξI .

Als Konsequenz der Dispersion, also des Vor- und Nacheilens von Volumenströmenbzw. Volumenelementen, nimmt der Umsatz der chemischen Reaktion in Kanal IIgegenüber dem Kanal I ohne Geschwindigkeitsunterschiede ab.

4.3 Verweilzeitverteilung

Da es in den meisten Fällen nicht möglich ist, die Fluiddynamik und das darausresultierende Vermischungsverhalten technischer Apparaten vorauszusagen oder zubeschreiben, besteht vielfach die Notwendigkeit, vereinfachte Strömungsmodelle zuerstellen und diese mit experimentell ermittelten Daten abzustimmen. Hierzu wird dieso genannte Verweilzeitverteilung verwendet. Die Analyse der Verweilzeitverteilungist ein sehr leistungsfähiger statistischer Ansatz für die Ermittlung der Strömungs-und Vermischungsverhältnisse in technischen Apparaten. Hiermit lassen sich nichtnur Probleme bei bestehenden Produktionsapparaten analysieren, sondern auch z. B.Reaktoren für eine bestimmte Produktionsleistung auslegen. Das Konzept wurdezuerst von MacMullin und Weber (1935) vorgeschlagen, aber erst nach den Arbeitenvon Danckwerts (1953) intensiv genutzt.

Die mittlere Verweilzeit eines strömenden Mediums in einem Apparat oder Reak-tor sagt nichts über die reale Verweilzeit individueller Elemente dieses Stoffstroms,wie z. B. einzelner Moleküle oder dispergierter Teilchen, aus. Mit Ausnahme desidealen Strömungsrohrs ist die effektive Verweilzeit einzelner Elemente in einemApparat unterschiedlich. Für Elemente, die zum gleichen Zeitpunkt in einen Apparateingespeist werden, ergibt sich demzufolge ein ganzes Spektrum von Verweilzeiten.

Die Verweilzeitanalyse betrachtet ein beliebiges Fluidelement nach seinemEintritt in einen Reaktor und seine individuelle Verweilzeit im Apparat. Die Wahr-scheinlichkeit dafür, dass dieses Fluidelement den Reaktor nach einer bestimmten

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118 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.6 Wahrscheinlichkeitfür den Austritt einesFluidelementes aus einemReaktor zu einem ZeitpunktE(t) und in einem ZeitraumF(t)

Verweilzeit wieder verlässt, wird durch eine Verweilzeitverteilungsfunktion ausge-drückt. (Üblicherweise wird bei der mathematischen Beschreibung vorausgesetzt,dass ein einmal in den Reaktor eingetretenes Fluidelement nicht wieder durch dieZulauföffnung, z. B. durch Diffusion oder Dispersion, hinausgelangen kann. Eben-so wird auch für die Ablauföffnung festgelegt, dass ausgetretene Fluidelementenicht wieder in den Reaktor gelangen können. Andere Ansätze sind allerdings auchmöglich.)

Mit der Verteilungsdichtefunktion der Verweilzeit E (t) (s. Abb. 4.6) wird zujedem Zeitpunkt t ≥ 0 die Wahrscheinlichkeit angegeben, mit der ein zum Zeitpunktt = 0 eingetretenes Fluidelement den Reaktor innerhalb des Zeitraums dt verlässt. Zueinem beliebigen Zeitpunkt t repräsentiert die gestrichelte Fläche E(t) dt (Abb. 4.6)den Anteil der Flüssigkeitselemente, die bei t = 0 in den Apparat gelangt sind undihn zwischen t und t + dt wieder verlassen. Die Wahrscheinlichkeit ist also geradeE(t) × dt. Da für t → ∞ das betreffende Fluidelement mit der Wahrscheinlichkeit 1den Reaktor verlassen haben muss, folgt für E(t):

M0 =∞∫

0

E(t) dt = 1. (4.15)

M0 ist die Fläche unter der Verteilungskurve bzw. deren nulltes Moment M0. Mo-mente werden für die Beschreibung der Verweilzeitverteilungsfunktion in Formstatistischer Parameter wie z. B. der mittleren Verweilzeit, der Spreizung der Ver-weilzeiten oder der Schrägheit derVerteilung verwendet. Die Momente sind definiertals

Mk ≡∞∫

0

tkE(t) dt, (4.16)

wobei Mk das k-te Moment bezüglich des Ursprungs darstellt.

Page 13: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

4.3 Verweilzeitverteilung 119

Die mittlere Verweilzeit t ist gleich dem ersten Moment:

t ≡ M1 =∞∫

0

tE(t) dt. (4.17)

Weist der betrachtete Apparat keine Totzonen auf, so entspricht t der rechneri-schen hydraulischen Verweilzeit τ, die sich aus dem Füllvolumen des Apparatesoder Reaktors VR sowie dem zugeführten VolumenstromVdes Fluids ergibt:

τ = VR

V. (4.18)

Die Spreizung der Verweilzeiten wird durch die Standardabweichung σt oder dieVarianz σt

2 beschrieben

σt2 ≡

∞∫

0

(t − t)2E(t) dt = M2 −M1

2 (4.19)

mit:

M2 =∞∫

0

t2E(t) dt. (4.20)

Betrachtet man abermals ein zum Zeitpunkt t = 0 in den Reaktor eingetretenes Ele-ment, so kann die Wahrscheinlichkeit, dass das Element im Zeitraum 0 ≤ t denReaktor verlässt, mit der sogenannten Verteilungssummenfunktion der VerweilzeitF(t) dargestellt werden (Abb. 4.6 unten). Die Wahrscheinlichkeit für den soforti-gen Wiederaustritt ist null, die Wahrscheinlichkeit für einen Austritt im Zeitraum0 ≤ t < ∞ ist eins:

F (t = 0) = 0 und F (t → ∞) = M0 = 1.

Zwischen den Funktionen E und F besteht folgende Beziehung:

F (t) =t∫

0

E(t) dt. (4.21)

Die mittlere Verweilzeit lässt sich demzufolge auch noch anders als durch Gl. (4.17)bestimmen:

t =∞∫

0

tE(t)dt =1∫

0

tdF(t) = −1∫

0

td[1 − F (t)] =∞∫

0

[1 − F (t)] dt. (4.22)

Ein Charakteristikum der Verweilzeitsummenfunktion besteht darin, dass grundsätz-lich die Fläche A1 (s. Abb. 4.6 unten) unterhalb der Kurve F(t) zwischen t = 0 und

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120 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.7 SchematischerVersuchsaufbau derVerweilzeitermittlung mittels eines Stoßsignals (links)mit der resultierenden Verteilungsdichte (rechts)

t = t gleich groß wie die Fläche A2 zwischen der Kurve und dem Wert eins für t > tist. Diese Tatsache leitet sich aus der integralen Massenbilanz ab und stellt ein sehrscharfes Kriterium zur Überprüfung der Genauigkeit experimentell aufgenommenerF(t) Kurven dar.

4.3.1 Experimentelle Bestimmung einer Verweilzeitverteilung

Da sich die einzelnen Elemente eines strömenden Mediums, die zum gleichen Zeit-punkt in einen Reaktor eingespeist wurden aber eine unterschiedliche Verweilzeitaufweisen, nicht unterscheiden, ist eine indirekte Bestimmung der individuellen Ver-weilzeit notwendig. Um den Verlauf von E(t) oder F(t) an einem technischen Apparatzu ermitteln, wird daher in der Regel eine Markierungssubstanz (Tracer) verwendet,die am Eintritt in den Reaktor zugegeben wird. Hierbei handelt es sich beispiels-weise um einen Farbstoff, eine radioaktive Komponente oder eine Salzlösung. AmReaktorausgang wird die Konzentration der Markierungssubstanz mit einem geeig-neten Detektor so lange bestimmt, wie sich Konzentrationsänderungen zeigen. Dieals Funktion der Zeit variierte Konzentration des Tracers am Reaktoreintritt czu(t)bezeichnet man als Eingangssignal, die Konzentration am Austritt c(t) als Antwort-signal des Systems auf das Eingangssignal. Die häufigsten Arten der Zugabe derMarkierungssubstanz werden mathematisch durch eine Stoß- bzw. Sprungfunktionbeschrieben. Auch die Nutzung einer Sinusfunktion ist möglich, die resultierendenZusammenhänge sind allerdings derart komplex, dass für die Erläuterung diesesFalls auf Spezialliteratur (z. B. Kramers und Alberda 1953) verwiesen wird.

Stoßmarkierung Erfolgt die Zugabe, wie in Abb. 4.7 dargestellt, in Form eines kurz-zeitigen Pulses (Stoßsignal), so kann die Verteilungsdichte E(t) auf einfache Weisebestimmt werden. Nach der möglichst kurzzeitigen Zugabe (�tzu) einer bestimmtenTracermenge Nzu wird die denAustritt je Zeiteinheit�t mit demVolumen�V und derKonzentration c(t) verlassende Trancermenge N(t) gemessen. Die VerweilzeitdichteE(t) ergibt sich dann aus der gemessenen Traceraustrittskonzentration c(t) als:

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4.3 Verweilzeitverteilung 121

E(t) = pro Zeiteinheit austretende Elemente

Summe aller zugefuhrten Elemente= N (t)/�t

Nzu

= �V c(t)/�t

Nzu= V c(t)

VR cR0= c(t)

cR0 τ. (4.23)

Die Konzentration cR0 stellt die Anfangskonzentration des Tracers dar, die sich rech-nerisch ergibt, wenn die stoßweise zugeführte Tracermenge Nzu auf das gesamteApparatevolumen (Nzu/VR) bezogen wird.

Eine solche Stoßmarkierung wird immer dann angewandt, wenn der Produkti-onsprozess nicht unterbrochen werden soll. Allerdings werden wegen der großenVerdünnung des Tracers hohe Anforderungen an die Genauigkeit der Konzentrati-onsbestimmung des Tracers gestellt.

Sprungmarkierung Als zweite wesentliche Markierungstechnik wird eine Sprung-funktion verwendet. Der Tracer wird dabei ab dem Zeitpunkt t = 0 kontinuierlich,also in Form eines Stufen- oder Sprungsignals, mit der Konzentration czu zugege-ben. Zu einem Zeitpunkt t ist dann der Bruchteil aller Fluidelemente F(t), derenVerweilzeit kleiner als t ist, mit der Konzentration czu am Austritt des Reaktors. Dierestlichen Volumenelemente 1-F(t) am Austritt weisen keine Markierungssubstanzauf. Zum Zeitpunkt t ergibt sich also für die Austrittskonzentration des Tracers c(t):

c(t) = F (t) · czu. (4.24)

Daher ergibt sich aus dem Konzentrationsverhältnis c(t)/czu bei einer Sprungmarkie-rung unmittelbar die Verweilzeitsummenfunktion.

4.3.2 Verweilzeitverteilung idealer Apparate

Stellt man einen ideal durchmischten Rührkessel einem mit Kolbenprofil durch-strömten idealen Rohrreaktor gegenüber, so erhält man die beiden Grenzfälle,zwischen denen sich alle realen Apparatedurchströmungen bewegen (Abb. 4.8).Im Fall des idealen Strömungsrohrs tritt bei der mittleren Verweilzeit direkt derStoß bzw. Sprung der Markierungssubstanz ohne Veränderung auf. Für den idealenRührkessel lässt sich mittels einer Massenbilanz folgender Zusammenhang für dieVerweilzeitsummenfunktion ableiten:

F (t) = 1 − exp (−t/t) =(

c(t)

czu

)

Sprung

. (4.25)

Für die Verweilzeitdichte ergibt sich demzufolge:

E(t) = dF(t)

dt= 1

texp (−t/t). (4.26)

Eine Kaskade idealer Rührkessel wird häufig für die mathematische ModellierungdesVerhaltens von technischen Reaktoren verwendet. Dabei wird vorausgesetzt, dass

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122 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.8 Stoß- und Sprungantwort eines idealen Strömungsrohrs sowie eines idealen Rührreaktors

Abb. 4.9 Kaskade aus n idealen Rührkesseln

alle Rührkessel gleich groß und ideal durchmischt sind sowie kein Rücktransport vonStoff in einen zuvor durchströmten Kessel möglich ist (s. Abb. 4.9). Da in diesemFall τ = tges wird mit

t∗ = tV

Vges= t

τ= t

tges(4.27)

eine dimensionslose Zeitkoordinate und mit

ξ = c

czu(4.28)

eine dimensionslose Tracerkonzentration eingeführt.Am Ausgang der Rührkesselkaskade (wie auch bei jedem anderen zu untersu-

chenden System) kann bei Aufgabe eines Konzentrationssprungs die Funktion F(t∗)direkt aufgenommen werden:

F (t∗) = ξ (t∗) = c(t∗)

czu. (4.29)

Page 17: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

4.3 Verweilzeitverteilung 123

Damit können E(t∗) bzw. F(t∗) bestimmt werden, die wiederum durchE(t∗) = dF(t∗)/dt∗ verknüpft sind. Hieraus lässt sich ebenfalls folgender Zusammen-hang zwischen E(t) und E(t∗) herleiten:

E(t∗) = E(t) · t . (4.30)

Die analytische Lösung für die zeitabhängige bezogene Austrittskonzentration desTracers an einem einzelnen ideal durchmischten Kessel kann anhand der integralenBilanz

Vgesdc

dt= V (czu − c) bzw.

dt∗= 1 − ξ (4.31)

durch Integration unter Verwendung der Anfangsbedingung c (t = 0) = 0 gewonnenwerden:

ξ (t∗) = 1 − e−t∗ . (4.32)

Löst man die Bilanzen für eine zwei- und dreistufige ideale Rührkesselkaska-de ebenfalls, kann durch Vergleiche der Lösungen auf die Lösung der n-stufigenRührerkaskade geschlossen werden:

F (t∗) = ξ (t∗) = 1 − e(−nt∗)n∑

i=1

(nt∗)i−1

(i − 1)! . (4.33)

Durch Ableitung von F(t∗) nach t∗ ergibt sich die Verteilungsdichtefunktion E(t∗):

E(t∗) = n · e(−nt∗) (nt∗)n−1

(n− 1)! . (4.34)

Die Funktionen E(t∗) und F(t∗) sind in Abb. 4.10 und 4.11 über t∗ für verschiedeneWerte der Rührkesselanzahl dargestellt. Die Grenzfälle n = 1 und n → ∞ geben dieoben diskutierten Strömungsformen ideale Durchmischung und Kolbenströmungwieder.

Die Verteilungsdichte weist ein Maximum für t∗ = (n−1)/n auf. Für die Varianzder E(t∗) Funktion gilt:

σ 2 = σ 2t

t2= 1

n. (4.35)

Technisch bedeutet dies, dass für Prozesse, die eine möglichst enge Verweilzeitver-teilung benötigen, eine Rührkesselkaskade mit einer entsprechend großen Anzahlvon Rührkesseln einzusetzen ist. Alternativ kann grundsätzlich auch ein Strömungs-rohr verwendet werden. Dies ist allerdings nicht immer realisierbar, wie z. B. beiden meisten zweiphasigen Systemen, die sich aufgrund von Dichteunterschiedentrennen.

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124 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.10 Stoßantwort einer idealen Rührkesselkaskade

Abb. 4.11 Sprungantwort einer idealen Rührkesselkaskade

Grundsätzlich kann der Vermischungsvorgang auch mit Hilfe des Dispersionsmo-dells (s. Abschn. 4.2.2) beschrieben werden. Hierzu muss lediglich die differenzielleMassenbilanz

∂ξ

∂t∗= − ∂ξ

∂z∗ + 1

Bo

∂2ξ

∂z∗2 (4.36)

für das jeweilige Eingangssignal gelöst werden. Für ein stoßförmiges Signal (zumZeitpunkt t = 0, am Eintritt z = 0 des Apparates) lässt sich eine analytische Lösung(s. Abb. 4.12) bestimmen.

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4.3 Verweilzeitverteilung 125

Abb. 4.12 Verweilzeitdichte-verteilungen E(t∗) fürverschiedeneBodensteinzahlen

Die vereinfachte Lösung für den Fall Bo > 100 lautet bei einem Fehler kleiner 5 %(Levenspiel und Smith 1957)

E(t∗) = ξ =√

Bo

4πexp

[

−(1 − t∗)2 Bo

4

]

(4.37)

und stellt eine Gaußverteilung dar. Für große Bodensteinzahlen liegt das Maximumvon E bei t∗ = 1. Für kleine Werte von Bo (< 100) verschiebt sich das Maximum zut∗ < 1.

Um experimentell bestimmte E(t∗) Kurven an eine theoretische Kurve anpassenzu können, lassen sich die Varianzen vergleichen. In einem Apparat mit vernach-lässigbaren Einlaufeffekten lässt sich aus der Lösung von Gl. (4.11) die Varianzberechnen (Levenspiel und Smith 1957)

σ 2 = 2

Bo− 2

Bo2 [1 − exp(−Bo)], (4.38)

die sich für Bo > 100 noch weiter vereinfacht zu:

σ 2 = 2

Bo. (4.39)

Die Gegenüberstellung der Gln. (4.35) und (4.39) zeigt, dass das Dispersionsmodellund die Rührkesselkaskade für hohe Bodensteinzahlen ineinander überführt werdenkönnen mittels:

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126 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.13 Beispiele für eine Kurzschlussströmung (A) und Totzonen (B) mit dem zugehörigenE(t)-Diagramm

n = Bo

2. (4.40)

Experimentell bestimmte Verweilzeitverteilungen können zur Identifikation vonFehlfunktionen eines Apparates insbesondere eines Reaktors eingesetzt werden.Zwei typische Fälle werden in Abb. 4.13 illustriert. Wenn im Apparat ein Kurz-schlussstrom vorhanden ist, wird dies bei kurzen Zeiten in der Dichtefunktionerkennbar. Ein signifikanter Anteil der Fluidelemente weist dann eine sehr kurzeVerweilzeit auf (Fall A).

Wenn sich imApparat Totzonen befinden (Fall B), dann ist die mittlereVerweilzeitt aus der Verweilzeitanalyse geringer als die hydraulische Verweilzeit τ = V/V. Stel-len die Totzonen lediglich sehr schlecht durchströmte Bereiche dar, verbleiben einigeFluidelemente wesentlich länger im Apparat als andere, was zu einem verzögertenAbklingen der E(t)-Kurve führt („Tailing“). Auch in diesem Fall ist die gemessenemittlere Verweilzeit geringer als der Wert τ, da Markierungselemente, die erst nachsehr langen Verweilzeiten den Reaktor verlassen, üblicherweise messtechnisch nichtmehr erfasst werden. Wenn im umgekehrten Fall aus dem E(t)-Diagramm eine Ver-weilzeit folgt, die wesentlich länger ist als die hydraulische Verweilzeit τ, erklärtsich dies u. a. durch Adsorptions/Desorptions-Effekte der Tracersubstanz.

Treten zwei oder mehr Phasen auf (z. B. Gas/Flüssigkeits-Systeme), wird dieAnalyse erheblich schwieriger, da die Verweilzeitverteilungen für sämtliche Phasenberücksichtigt werden müssen. Für die kontinuierlichen Phasen ergeben sich hierbeikeine Änderungen im Vergleich zum einphasigen System. Der Vermischungszustandder dispersen Phase hängt dagegen von Koaleszenz- und Zerteilungsvorgängen derTropfen oder Blasen ab. Dabei wird die Koaleszenz nicht nur durch die Kollisions-frequenz der Tropfen bzw. Blasen bestimmt, sondern auch durch das Stoffverhalten.

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4.5 Aufgaben 127

Die Koaleszenzneigung wird neben der Grenzflächenspannung durch oberflächen-aktive Substanzen beeinflusst. Die Zerteilvorgänge werden durch turbulente Wirbelausgelöst und hängen demzufolge von der Turbulenz und damit dem gesamtenStrömungszustand ab.

4.4 Verständnisfragen

1. Welche idealen Reaktoren gibt es und durch welche Eigenschaften sind siegekennzeichnet?

2. Welchen Vorgang kennzeichnet eine Mischzeit und wovon hängt sie ab?3. Skizzieren Sie die zeitliche Entwicklung der Volumenverteilungsdichte während

eines Mischvorgangs.4. Wie sind die relative Abweichung von der Homogenität sowie der Mischungs-

grad definiert?5. Wie hängen Mischzeit und Mischungsgrad bzw. relative Abweichung von der

Homogenität ab?6. Welches Phänomen kennzeichnet die Dispersion, und wie ist der axiale

Dispersionskoeffizient definiert?7. Was kennzeichnet die Bodensteinzahl und welche Grenzfälle werden durch

Bo = 0 bzw. Bo → ∞ erfasst?8. Was versteht man unter einer Verweilzeitfunktion?9. Wodurch unterscheiden sich die Verweilzeitdichtefunktion und die Verweilzeit-

summenfunktion, und wie lautet ihr mathematischer Zusammenhang?10. Skizzieren Sie die Stoß- und die Sprungantwort eines idealen Rührkessels und

eines idealen Strömungsrohrs.11. Leiten Sie dieVerweilzeitsummenfunktion einer idealen Rührkesselkaskade her,

und skizzieren Sie die Lösung.12. Wodurch können Kurzschlussströmungen sowie Totzonen in einer Verweilzeit-

verteilung erkannt werden?

4.5 Aufgaben

1. In einem Membranbioreaktor (s. Abb. 4.14) befinden sich 23 L belebterSchlamm4. Diesem werden stündlich 2 L Abwasser mit einer CSB-Konzentra-tion5 von 4000 mg/L zugeführt. Über die Membran wird das bis auf 400 mg

4 Unter belebtem Schlamm versteht man eine Suspension von Mikroorganismen, die unter BelüftungAbwasserinhaltsstoffe abbauen.5 Der CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf) ist die auf das Flüssigkeitsvolumen bezogene Masse anSauerstoff, die benötigt wird, um organische Stoffe auf chemischem Wege zu oxidieren; er ist alsoein pauschales Maß für die organische Schadstoffkonzentration eines Abwassers.

Page 22: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

128 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

Abb. 4.14 SchematischeDarstellung einesMembranbioreaktors

CSB/L gereinigte, organismenfreie Wasser abgezogen. Täglich werden 500 mLProbe aus dem Reaktor entnommen.Berechnen Sie unter der Annahme, dass es sich um einen ideal durchmischtenReaktor handelt, die Reaktionsstromdichte rCSB.

2. Es sollen ein Rohrreaktor und ein Rührkessel betrachtet werden, in denen eineReaktion erster Ordnung mit einer Reaktionsgeschwindigkeitskonstante vonk = 0,87 × 10−2 1/s abläuft.

a. Wie lang muss die Verweilzeit im Rohrreaktor bemessen sein, wenn derbestimmende Reaktionspartner mit 1,25 kmol/m3 in den Reaktor eintrittund sein Umsatz 80 % betragen soll? Welche Konzentration liegt amReaktoraustritt vor?

b. Wie ändern sich Umsatz und Austrittskonzentration, wenn die gleicheReaktion in einem kontinuierlichen, ideal durchmischten Rührreaktor mitgleicher mittlerer Verweilzeit durchgeführt wird?

c. Wie sind die Unterschiede zu erklären?

3. Für eine zweistufige Kaskade idealer Rührkessel (jeder mit einer Verweilzeit vont/2) soll die Verweilzeitdichte- und die Verweilzeitsummenfunktion hergeleitetwerden.Die Ergebnisse sind mit den Gln. (4.33) und (4.34) zu vergleichen.

4. Es ist zu zeigen, dass für totraumfreie Apparate:

a. die in Abb. 4.6 schraffierten Flächen A1 und A2 stets übereinstimmen undb. die mittleren Verweilzeiten sich berechnen lassen gemäß Gl. (4.22).

5. In einer kontinuierlichen Desodorierungsanlage werden Aromastoffe aus Spei-seölen entfernt.6 Zur Zeit t = 0 wird der Zulauf von Bohnenöl auf Kokosnussölumgestellt. Am Austritt wird die Konzentration mittels Brechungsindexmessungin Abhängigkeit der Zeit bestimmt.

Zeit t in min 30 40 45 50 55 60 65 70 80Kokosnussöl in % 0 5 16,5 34,5 52 70,5 83 92 99

6 nach (Beek et al. 1999).

Page 23: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

4.5 Aufgaben 129

Abb. 4.15 SchematischeDarstellung desStrahldüsenreaktors

Abb. 4.16 Experimentellbestimmte Sprungantwort desStrahlschlaufenreaktors

a. Wie groß ist die mittlere Verweilzeit?b. Wie viele ideale Rührkessel in Reihe würden die gleicheVerweilzeitverteilung

ergeben?c. Wie groß ist die mit dem Dispersionsmodell berechnete Bodensteinzahl?

6. Für einen verfahrenstechnischen Apparat (Abmessungen s. Abb. 4.15), einensogenannten Strahldüsenreaktor, der häufig für Gas/Flüssigkeits-Reaktionen mitkurzerVerweilzeit eingesetzt wird, soll dasVermischungsverhalten bestimmt wer-den. Zu diesem Zweck wird dieVerweilzeitverteilung mit NaCl-Lösung als Traceraufgenommen.Die Salzlösung wird durch Ausnutzung der Selbstansaugung (Prinzip Wasser-strahlpumpe) isokinetisch annähernd als Stoß zugegeben und die Leitfähigkeitim Ablauf als Funktion der Zeit gemessen. Hieraus resultiert die dargestellteSprungantwort (Abb. 4.16).

a. Bestimmt werden sollen:

i) die mittlere Verweilzeit t des Reaktors sowieii) die Standardabweichung σt und die Varianz σ 2

t .

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130 4 Beschreibung von Ausgleichsvorgängen in technischen Systemen

b. Wie vielen Kesseln in Reihe entspricht dieser Reaktor analog zum Modell derKaskade idealer Rührkessel?

c. Wie ist das Mischverhalten des Strahldüsenreaktors zu bewerten?

7. Eine Verweilzeitmessung mit einem Stoßsignal führte zu folgendem Ausgangs-signal des kontinuierlich einphasig betriebenen Apparates:

Zeit t (min) 0 5 10 15 20 25 30 35Tracer Konzentration (g/L) 0 3 5 5 4 2 1 0

a. Es ist der Verlauf E(t) sowie E(t∗) graphisch darzustellen.b. Unter der Annahme, dass das Antwortverhalten mittels des Dispersionsmo-

dells erfasst werden kann, ist die Bodensteinzahl zu bestimmen.

Literatur

Allgemein

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Operation. WileyWesterterp KR (1992) Principles of Chemical Reaction Engineering. In: Ullmann’s Encyclopedia

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Speziell

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Kramers H, Alberda, G (1953) Frequency response analysis of continuous flow systems. Chem EngSci 2:173–181

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