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Traumapädagogik in der Schule – Wie geht das? Dorothea Hüsson Dipl-Sozialpädagogin Personzentrierte Kinder- und Jugendlichentherapeutin, GwG Traumatherapeutin, ZPTN [email protected]

Traumapädagogik in der Schule Wie geht das? · 2016. 6. 16. · lernen •Schulung der Eigenwahrnehmung: Clowngesichter, Gefühle-Uhr (Dino), Bilderbuch (z.B. Gefühle sind wie Farben)

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Traumapädagogik in der Schule – Wie geht das?

Dorothea Hüsson

Dipl-Sozialpädagogin

Personzentrierte Kinder- und Jugendlichentherapeutin, GwG

Traumatherapeutin, ZPTN

[email protected]

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Gliederung 1. Traumatisierung

2. Symptome

3. Traumapädagogik

4. Symptombereiche und Umgang

4.1. Beziehungen

4.2 Affekte

4.3 Aufmerksamkeit und Lernprozesse

4.4 Selbst-Entwicklung

4.5 Körper und Somatisierung

5. Traumapädagogische Haltung

6. Ideale Schule

Literatur

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1. Traumatische Erlebnisse: Verletzung der Seele durch ein Ereignis

außergewöhnlicher Bedrohung

plötzlich, heftig und intensiv oder lang anhaltend/permanent ansteigend Situation, auf die ein Mensch sich nicht (mehr) einstellen oder ihr anpassen und ihr auch nicht entkommen kann , sondern von ihr überrollt wird Angst - Schock- bzw. Verwirrungszustand

Kolk, 2000; Huber, 2007

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• Das Ereignis passt nicht zur bisherigen

Selbst - und Welterfahrung der Person. Es ist nicht erklärbar und erscheint völlig sinnlos (Fischer und Riedesser, 2009).

• Vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungs-möglichkeiten. (Fischer und Riedesser, 2009)

Trauma

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Trauma, Typ I Einmaliges, unerwartetes traumatisches Ereignis • Naturkatastrophen

• Unfälle

• Gewalttat

Trauma, Typ II Serie miteinander verknüpfter Ereignisse, lang andauerndes traumatisches Erleben

• Kindesmisshandlung

• Kindesvernachlässigung

• Sexueller Missbrauch

• Krieg, Flucht, Folter, Geiselnahme

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Folgeschäden sind stärker

• je früher

• je länger und häufiger die traumatische Situation geschah

• je intensiver die traumatischen Handlungen waren

• je stärker die Bindung an eine Täterperson bestand

• Je größer die Betroffenheit der traumatisierten Person war Huber, 2007

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Prozesse im Gehirn während einer Traumatisierung

Bild aus www.schotterblume.de/therapie/trauma-03.jpg

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Traumatische Zange

Trias:

• Überflutende Angst

• Ausgeliefertsein

• Ohnmacht

Traumatische Zange aus Huber, 2007

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Dissoziation

• das Bewusstsein ist nicht mehr in der Lage ist, die Informationen von außen und von innen sinnvoll in Einklang zu

bringen.

• traumatische Erlebnisse, unerträgliche Gefühle, Körperempfindungen, Erinnerungen, Wahrnehmungsinhalte werden vom Bewusstsein weggehalten

• Trennung von Gedanken und Gefühle

• Gefühl 'neben sich zu stehen'

• Erinnerungsausfall

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Trigger

• Triggerreize lösen Wiedererleben aus

• Flashback-Erleben, als ob Trauma hier und jetzt wieder passiert - nicht wie damals

• Im getriggerten Zustand sind Menschen kaum erreichbar und ansprechbar

• Triggerreize werden unbedingt gemieden

Intrusionen / Flashbacks

• Intrusionen sind innere Bilder der Traumaszene

• sie werden als unkontrollierbar und stark ängstigend erlebt

• Flashbacks : Wiedererleben der Gefühle der Traumaszene: stark ängstigend, unkontrollierbar und belastend

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Verarbeitung eines Traumas in drei Phasen

• Schockreaktion (ca. 2 Wochen) (Situation ist beendet

• Einwirkphase

• Erholungsphase

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2. Mögliche Symptome bei Kindern, Jugendlichen nach einem Trauma:

• Niedergeschlagenheit, Trauer, Trennungsängste

• Depression, Hoffnungslosigkeit

• Essstörungen, Bettnässen

• Verändertes Sozialverhalten (Rückzug, Aggressivität)

• Reizbarkeit

• Ängste

• Selbstschädigung (Nägelkauen, Promiskuität, Drogenmissbrauch, SVV)

• Abfall schulischer Leistungen, Konzentrationsprobleme

• Schlafstörungen, Albträume

• Lustloses Spielen

• Desinteresse an Dingen, die vorher Spaß gemacht haben

• Suizidgedanken, -versuche

• Traumatisches Spiel

• Verlust von Zukunftsperspektiven

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Symptombereiche • Veränderungen in der Regulation von Affekten und Impulsen

(Affektregulation, Umgang mit Ärger, autodestruktives Verhalten, Suizidalität, Störungen der Sexualität, exzessives Risikoverhalten)

• Veränderungen in Aufmerksamkeit und Bewusstsein (Amnesien, zeitlich begrenzte dissoziative Episoden und Depersonalisationserleben)

• Veränderungen der Selbstwahrnehmung (Ineffektivität, Stigmatisierung, Schuldgefühle, Schamhaftigkeit, Isolation und Bagatellisierung)

• Veränderungen in Beziehungen zu anderen (Unfähigkeit anderen Personen zu vertrauen)

• Somatisierung (Gastrointestinale Symptome, chronische Schmerzen, Konversionssymptome, sexuelle Symptome)

• Veränderungen von Lebenseinstellungen (Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, Verlust früherer stützender Grundüberzeugungen)

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„Traumapädagogik ist ein Sammelbegriff für die im Besonderen entwickelten pädagogischen Konzepte zur Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern.“ Martin Kühn, 2009

3. Traumapädagogik

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• Das grundsätzliche Problem mit traumatisierten Kindern besteht nicht so sehr in einer fundamental anderen Pädagogik, sondern in den gravierenden Folgen, die durch vermeidbare Fehler ausgelöst werden.

• Es braucht eine traumasensibel ausgerichtete Pädagogik, die einen bewussten und reflektierten Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen pflegt.

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• soziale und emotionale Stabilisierung der Kinder und Jugendlichen

• Aufbau von Vertrauen zu sich selbst und zu anderen

• Erfahren von Sicherheit

• Wissen um Folgen von Traumatisierung und biografischen Belastungen

• Schwerpunkt auf Ressourcen und Resilienz • Verstehen der Überlebensstrategien

Zielsetzung der Traumapädagogik

Grundhaltung:

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4. Symptombereiche • Beziehungen

• Regulation von Affekten und Impulsen

• Aufmerksamkeit und Bewusstsein

• Selbstwahrnehmung

• Somatisierung

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4.1 Beziehungen • Traumatisierte Kinder leben intensive, aber instabile

Beziehungen

• Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit einerseits und große Angst, erneut verlassen, ausgenutzt zu werden

• Schwierigkeiten, einfache zwischenmenschliche Konflikte zu lösen. Selbst geringfügige Gegebenheiten können Erinnerungen an früher erlittene Gewalt hervorrufen.

• Reinszenierung der Traumaerfahrung im pädagogischen Alltag

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Das Kind kann seine traumatischen Beziehungserfahrungen verändern, wenn es gelingt, eine vertrauensvolle dialogische Beziehung aufzubauen, die es dem Kind ermöglicht, neue und positive Entwicklungen zu erschließen. (Kühn, M. 2009).

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• Empathische und Wertschätzende Lehrkräfte

• Hohe Zuverlässigkeit, Präsenz und Authentizität

• Transparenz

• Klaren Umgang mit Grenzen

• Äußere Sicherheit (Sicherer Ort).

Je tragfähiger der emotionale Kontakt zu Lehrkräften, desto sicherer/gelassener kann sich das Kind Lern- und Leistungsanforderungen stellen und neue Erfahrungen zulassen. Blick, 2011

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• Dauerhafte Übererregung des Kindes beeinflusst die Entwicklung der Regulation von Gefühlen.

• Ein falscher Schritt, ein falsches Wort, eine falsche Geste, Handlung oder Reaktion und es kann zu einem Ausbruch von Trauer, Schmerz oder Aggression kommen.

• Nichtausprägung der affektiven Selbstregulation zeigt sich in unbeherrschbarer Angst, Wut, Traurigkeit als Reaktionen auf meist unbedeutende Reize.

4.2 Affekte

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Was ist nötig?

• Zugang zu ihren Gefühlen finden und sie verstehen lernen

• Unterstützung im Umgang und in der Regulierung mit Gefühlen und Affektausbrüchen

• keine Bestrafung

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• Vielfältiger Umgang mit Stressbewältigung: Knetball, Schwimmnudeln

• Entspannungsübungen, innere Helfer (Imaginationen),

• Techniken entwickeln, z.B. sich ablenken lernen

• Schulung der Eigenwahrnehmung: Clowngesichter, Gefühle-Uhr (Dino), Bilderbuch (z.B. Gefühle sind wie Farben)

• Erregungsniveau auf Skala von 1 bis 10 einstufen.

• Auszeit-Raum

Praktische Unterstützung:

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4.3 Aufmerksamkeit und Lernprobleme

• Traumatisierte Kinder brauchen wesentlich mehr Zeit, um sich Wissen anzueignen und wirken oft abwesend.

• Aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen stehen für sie andere Dinge (z.B. der Schutz vor erneuter Traumatisierung) im Vordergrund. Auf das Lernen können sie sich daher nur schlecht konzentrieren.

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Lernprobleme Blick, 2011

• Traumatisierte Kinder sind schnell erregbar, da sie gelernt haben auf Bedrohliches zu achten und zu reagieren.

• Sie missdeuten oft Reize aus der Umgebung oder nehmen sie nicht wahr. Häufig ziehen sich diese Kinder aus Lernprozessen zurück.

• Sie können sich auf einen klassischen Unterricht meist nicht einlassen.

• Gefahr von Ungeduld auf Seiten der PädagogInnen und Überforderung/ Entmutigung auf Seiten der SchülerInnen.

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Was traumatisierte Kinder brauchen

• Möglichkeit des sozial-emotionalen Lernens

• Positive Lernerfahrungen mit positiven Rückmeldungen, Ermutigung, Erfolgserlebnissen

• Fehlerfreundliche Grundhaltung

• Klare Strukturen Zeit – Raum - Beziehung

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Strukturgebende Elemente:

Zeitstruktur

• Klarer Ablauf in der Schule

• Überschaubare Arbeitsaufgaben mit schnellem Erfolg

• Detaillierte Pläne (Stundenpläne, Tagespläne, Wochenpläne)

• Ritualisierter Rhythmus von Stunden, Tagen, Wochen

• Individuelle Pausen

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Strukturgebende Elemente:

Raumstruktur:

• Klar umrissene Räume, Zonen schaffen: Bewegungsräume, Ruhezone, Plätze ohne viel Ablenkung, Spielzonen

• Reizüberflutung im Raum meiden

• Geeigneten Sitzplatz finden: Nähe/Distanz zu anderen – direkten Blickkontakt zur LehrerIn

• Kleinere Klassen

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Strukturgebende Elemente:

Beziehung • Ohne gute Bindung kaum Lernmotivation:

Kinder müssen erleben, dass sie erwünscht, erwartet und positiv gesehen werden

• Präsente Haltung der Lehrkraft • Möglichkeiten, in den LehrerInnen in Kontakt

mit den SchülerInnen treten können, um Bindung aufzubauen

• Eingreifen bei grenzüberschreitendem Verhalten

• Gemeinsame Absprache mit dem Umgang bei auftretenden Konflikten

• Kontinuierliche Beziehungen

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Grenzen

• Traumatisierte Kinder zeigen vermehrt grenzüberschreitendes Verhalten, weil sie selbst in ihrer eigenen "Grenze" verletzt wurden. Dieses grenzüberschreitende Verhalten bringt auch die PädagogInnen schnell an ihre eigenen Grenzen.

• Das grenzüberschreitende Verhalten der Kinder birgt das Risiko, dass man sie zu massiv eingrenzt. Durch strenge Disziplin und harte Strafen kann es zu Kontrollverlust, Ängsten und Rückzug kommen.

• Geregelte Grenzen: Lehrer einig im Regelverständnis Klassenregeln für Unterricht und Pause

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4.4 Selbst-Entwicklung und Selbstwahrnehmung

Die Förderung • des Selbstverstehens • der Selbstakzeptanz • der Selbstregulation • der Selbstwirksamkeit

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Unterstützung zum besseren Umgang mit sich selbst

• Das Begreifen der Symptome in Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte - Das Selbstverstehen fördern = „Ich denke, du machst das jetzt, weil ……“, Weiß, 2011

• Verständnis und Wertschätzung der Verhaltensweisen

• Bildhafte Sprache benutzen (z.B. „Bisherige vertraute Wege sind wie Nutzung einer Autobahn – neue Wege wie ein Trampelpfad“)

• Selbstwertbedrohungen minimieren - Positive Ich-Überzeugungen entdecken und sichtbar machen

• Kontrolle ermöglichen

• Übertragung von Verantwortung

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Manche traumatisierte Kinder befinden sich in einer inneren Starre, die oft verbunden ist mit einer mangelnden Wahrnehmung von sich selbst und anderen. Die innere Starre hat häufig eine mangelnde Beweglichkeit und eine Verringerung von Entwicklungsfortschritten in verschiedenen Bereichen zur Folge.

4.5 Somatisierung

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Sich des Körpers bemächtigen • Körpersignale erkennen

• Positive Körpererfahrungen unterstützen • Selbstregulierende Tätigkeiten erlernen,

z.B. klassische Entspannungsübungen wie Muskelentspannung

• Methoden wie Tanzen, Sport, Kampfsport, Joggen, Klettern ...

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Flashbacks/Rückblenden im Alltag minimieren • Flashbacks/Rückblenden erklären. • Die individuellen Auslöser herausfinden • Achtsamkeit gegenüber Körperteilen, an

denen das Kind/der Jugendliche nicht berührt werden möchte.

• Zeichen vereinbaren, die zeigen, ich brauche Hilfe, es geht los.

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5. Traumapädagogische Haltung

• Respekt vor der (Über-) Lebensleistung der

Kinder. (Überlebensstrategien)

• Ihre Verhaltensweisen sind normale Reaktionen auf eine extreme Stressbelastung.

• Sie haben für ihre Vorannahmen, Reaktionen und Verhaltensweisen einen guten Grund. (Anpassungsbemühungen)

• Unterstützung bei der Entwicklung eines guten Lebens durch Selbstbemächtigung.

• Kinder sind die Experten für ihr Leben.

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6. Ideale Schule: • Unterricht in gleitender Doppelbesetzung mit

unterschiedlichen Berufsgruppen und in kleinen Klassen

• Individuelle Passung: Je nach Lernmotivation unterschiedliche Unterrichtsdauer

• Vom Nachmittagsunterricht allmählich in den Vormittagsunterricht

• Integrierte erlebnispädagogische Angebote

• Große Pausen und individuelle Pausenregelung, SchülerInnen und LehrerInnen verbringen die Pause gemeinsam, Gemeinsame Pausenaufsicht

• Entwickelter Krisenplan (Deeskalationsstrategien, Notfallplan)

• Jederzeit Nutzung eines Gesprächsraumes

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Ideal:

• Fachlichen Austausch, Fallbesprechungen, Gespräche verabreden, nicht spontan im Lehrerzimmer drauflosreden

• Klare Kooperations- und Kommunikationswege

• Vernetzung

• Fortbildung und Zusatzqualifikation

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„Traumapädagogik heißt, diesen Kindern Brücken zu bauen, bis sie allein ins Leben segeln!“ (Martin Kühn)

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Materialien und Artikel

• www.bag-traumapaedagogik.de

• www.ztp.welle.net

• www.kindertraumainstitut.de

• www.kikt.de

• www.mvsv.de

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Literatur • Baierl, Martin; Frey, Kurt (Hg.) (2014). Praxishandbuch Traumapädagogik. Lebensfreude, Sicherheit und Geborgenheit. Göttingen: Vandenhoeck &

Ruprecht.

• Bausum, Jacob. (2009).Traumapädagogik. Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis. Weinheim: Juventa-Verlag

• Bick, Christine. Unterrichtsgestaltung mit beziehungstraumatisierten Jugendlichen. Online verfügbar unter www.erev.de/auto/Downloads/Skripte_2011/2011_14_Bick.pdf, zuletzt geprüft am 08.11.2014.

• Huber, M. (2007). Trauma und die Folgen. Trauma und Traumabehandlung Teil 1. (3. Aufl.).Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung

• Betzel, A. (2006). Zur Relevanz psychotraumatologischer Kenntnisse für pädagogisches Handeln [online]. Verfügbar unter: http://www.traumapaedagogik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=125:zur-relevanz-psychotraumatologischer-kenntnissefuer-paedagogisches-handeln&catid=29:schule&Itemid=53 [14.09.2011]

• Ding, U. (2009). Trauma und Schule. Was lässt Peter wieder lernen? Über unsichere Bedingungen und sichere Orte in der Schule. In J. Bausum, L. Besser, M. Kühn & W. Weiß (Hrsg.), Traumapädagogik. Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis (S. 55-66). Weinheim und München: Juventa

• Fischer, G. & Riedesser, P. (2009). Lehrbuch der Psychotraumatologie. Stuttgart:: UTB.

• Gahleitner, Silke Birgitta (2014). Traumapädagogik in psychosozialen Handlungsfeldern. Ein Handbuch für Jugendhilfe, Schule und Klinik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

• Kolk, v.d.B; McFarlane, A. & Weisaeth, L. (2000). Traumatic Stress: Grundlagen und Behandlungsansätze. Theorie, Praxis, Forschung zu posttraumatischem Stress und Traumatherapie. Paderborn:Junfermann

• Krüger, Andreas (2012). Erste Hilfe für traumatisierte Kinder. Ostfildern: Patmos.

• Kühn, M. (2009). „Macht eure Welt endlich wieder mit zu meiner!“ Anmerkungen zum Begriff der Traumapädagogik. In J. Bausum, L. Besser, M. Kühn & W. Weiß (Hrsg.), Traumapädagogik. Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis (S. 23-35). Weinheim und München: Juventa

• Schmid, Fegert, Petermann (2010) Kindheit & Entwicklung 19 (1) 47-63

• Schmid, Marc (Hg.) (2014): Traumapädagogik und ihre Bedeutung für pädagogische Einrichtungen. Ein Projekt des Universitätsklinikums Ulm mit dem CJD. Erstaufl. Hannover: Schöneworth (Beiträge zu Theorie und Praxis der Jugendhilfe, 6).

• Schulze, Heidrun (2012). Soziale Arbeit mit traumatisierten Menschen. Plädoyer für eine Psychosoziale Traumatologie. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren (Grundlagen der Sozialen Arbeit, 28).

• Weiß, Wilma (2011). Philipp sucht sein Ich. Zum pädagogischen Umgang mit Traumata in den Erziehungshilfen. Weinheim: Basistexte Erziehungshilfen.