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Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen PROJEKTARBEIT der Universität St. Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung des Titels Executive MBA HSG vorgelegt von Johannes Dür / Österreich Dr. Hans-E. Musch / Deutschland Alessandra Wüst / Oberriet SG Genehmigt auf Antrag von Herrn Prof. Urs Füglistaller Mai 2008

Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

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Wie kommunizieren kleine und mittlere Professional Service Firms (PSF)? Mit dieser Frage-stellung beschäftigen sich die Autoren2 in dieser Arbeit und stellen dabei das Kommunikations-verhalten der PSF in den Kontext des Marketing als eine umfassende Unternehmensaufgabe. Es werden vorwiegend strategische Aspekte betrachtet und es wird aufgezeigt, wie die Kommunikationsstrategie von internen Unternehmensfaktoren und externen Informationsbedürfnissen bestimmt wird.

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Treiber der Kommunikation bei

kleinen und mittleren

Professional Service Firms.

Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von

Informationsbedürfnissen und Ressourcen

PROJEKTARBEIT

der Universität St. Gallen

Hochschule für Wirtschafts-,

Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung des Titels

Executive MBA HSG

vorgelegt von

Johannes Dür / Österreich

Dr. Hans-E. Musch / Deutschland

Alessandra Wüst / Oberriet SG

Genehmigt auf Antrag von Herrn

Prof. Urs Füglistaller

Mai 2008

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2

Wir danken

Prof. Urs Füglistaller

für die fachliche Unterstützung und Betreuung

Jeannette und Hans

für das Korrekturlesen der Arbeit

Fränzi

für die Transskription der Interviews

den Interviewpartnern

für ihre Kooperation und Offenheit

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3

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................... 6

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................ 6

Kapitel 1

Einführung .................................................................................................................................... 9

1.1 Problemstellung ................................................................................................................... 9

1.2 Vorgehensweise.................................................................................................................10

1.3 Aufbau und Gestaltung der Arbeit......................................................................................10

Kapitel 2

Begriffsklärungen .......................................................................................................................12

2.1 Marketing ...........................................................................................................................12

2.1.1 Definitionsversuche des Begriffs „Marketing“ .......................................................12

2.1.2 Kernaufgaben des Marketing ................................................................................14

2.1.3 Ebenen der (strategischen) Marketingplanung .....................................................15

2.2 Kleine und mittlere Unternehmen ......................................................................................19

2.2.1 Merkmale und Definitionen ...................................................................................19

2.2.2 Volkswirtschaftliche Bedeutung ............................................................................20

2.3 Professional Service Firms ................................................................................................22

2.3.1 Typische Dienstleistungen von PSF .....................................................................22

2.3.2 Marktcharakteristik ................................................................................................23

2.3.3 Kundenansprüche an PSF ....................................................................................24

Kapitel 3

Ressourcen als Grundlage der Marketingplanung ................................................................25

3.1 Einleitung ...........................................................................................................................25

3.2 Theoretischer Rahmen ......................................................................................................26

3.2.1 Market-based-View ...............................................................................................26

3.2.2 Resource-based-View ...........................................................................................27

3.3 Ressourcen als Grundlage für Wettbewerbsvorteile .........................................................28

3.3.1 Was sind Ressourcen? .........................................................................................28

3.3.1.1 Wettbewerbsvorteile ..............................................................................28

3.3.1.2 Definition von Ressourcen .....................................................................30

3.3.1.3 Anforderungen an Ressourcen ..............................................................30

3.3.2 Gliederung von Ressourcen..................................................................................33

3.4 Empirische Erfolgsfaktoren von KMU ................................................................................35

3.4.1 Die Studien von Shepherd und Wiklund ...............................................................35

3.4.2 Die Begriffe Erfolg und Wachstum ........................................................................36

3.4.2.1 Wahrnehmungs- und Verhaltensressourcen .........................................36

3.4.2.2 Wissens- und Beziehungsressourcen ...................................................38

3.4.2.3 Finanzielle Ressourcen .........................................................................40

3.4.2.4 Bedeutung für die unternehmerische Praxis .........................................41

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4

3.4.3 Die Studie von Sager ............................................................................................43

3.4.3.1 Wahrnehmungs- und Verhaltensressourcen .........................................44

3.4.3.2 Wissens- und Beziehungsressourcen ...................................................45

3.4.3.3 Finanzielle Ressourcen .........................................................................45

3.4.3.4 Bedeutung für die unternehmerische Praxis .........................................45

3.4.4 Hills Studie zum Marketingverhalten .....................................................................47

3.5 Intensität des Marketing .....................................................................................................49

3.5.1 Das Role and Relevance of Marketing Model.......................................................49

3.5.2 Strategische Handlungsoptionen ..........................................................................52

Kapitel 4

Strategien und Instrumente der Kommunikation bei PSF .....................................................54

4.1 Einleitung ...........................................................................................................................54

4.2 Theoretischer Rahmen ......................................................................................................54

4.2.1 Theorien der neuen Institutionenökonomik ...........................................................54

4.2.1.1 Informationsasymmetrie als Geschäftsgrundlage von PSF ..................55

4.2.1.2 Ansätze der Informationsökonomik .......................................................56

4.2.1.3 Ansätze der Transaktionskostentheorie ................................................59

4.2.1.4 Ansätze der Principal-Agent-Theory ......................................................61

4.2.2 Massenkommunikation oder persönliche Kommunikation? ..................................64

4.3 Besondere Aspekte der Kommunikation bei PSF ..............................................................66

4.3.1 Determinanten des Beziehungsmarketing ............................................................66

4.3.1.1 Interaktionssysteme bei Dienstleistungen .............................................66

4.3.1.2 Wahrnehmung und Kommunikation der Qualität einer Dienstleistung ..69

4.3.1.3 Vertrauensbildung als dienstleistungsspezifische Besonderheit ...........70

4.3.2 Handlungsrahmen .................................................................................................71

4.3.2.1 Beziehungsmarketing und Kundenbindung ...........................................71

4.3.2.2 Reputation..............................................................................................71

4.3.2.3 Dienstleistungskultur ..............................................................................72

4.3.2.4 Personalfragen ......................................................................................73

4.4 Externe Kommunikationsinstrumente ................................................................................74

4.4.1 Gliederung kommunikationspolitischer Instrumente .............................................74

4.4.2 Face-to-Face-Kommunikation ...............................................................................76

4.4.2.1 Persönlicher Verkauf .............................................................................76

4.4.2.2 Empfehlungsmarketing ..........................................................................76

4.4.2.3 Client Hospitality und Eventmarketing ...................................................78

4.4.3 Mediale Kommunikation ........................................................................................78

4.4.3.1 Corporate Identity ..................................................................................78

4.4.3.2 Branding.................................................................................................79

4.4.3.3 Klassische Werbung ..............................................................................80

4.4.3.4 Direktmailing ..........................................................................................80

4.4.3.5 Public Relations .....................................................................................81

4.4.3.6 Publikationen .........................................................................................81

4.4.3.7 Virales Marketing ...................................................................................83

4.4.3.8 Online-Marketing ...................................................................................85

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5

4.5 Rechtliche Beschränkungen der Werbung bei freien Berufen ..........................................87

4.5.1 Grundsatz der Werbefreiheit und Systematik gesetzlicher

Werbebeschränkungen .........................................................................................87

4.5.1.1 Möglichkeiten gesetzlicher Beschränkung der Werbefreiheit ................88

4.5.1.2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ................................89

4.5.1.3 Verankerung der Werbefreiheit in den nationalen Verfassungen..........90

4.5.2 Werbebeschränkungen für PSF ............................................................................91

4.5.2.1 Kennzeichen der freien Berufe ..............................................................91

4.5.2.2 Konkrete Werbebeschränkungen für freie Berufe in der Schweiz

am Beispiel der Ärzte und Rechtsanwälte .............................................93

Kapitel 5

Ressourcen und Kommunikation in der Praxis .....................................................................98

5.1 Treiber der Kommunikation im Zusammenspiel

von Ressourcen und Informationsasymmetrie ..................................................................98

5.2 Strukturierte Interviews ......................................................................................................99

5.2.1 Auswahl der Interviewpartner................................................................................99

5.2.2 Interviewführung ....................................................................................................99

5.2.3 Auswertung .........................................................................................................101

5.2.3.1 Selbstwahrnehmung der Unternehmensressourcen ...........................101

5.2.3.2 Einsatz von Kommunikationsinstrumenten ..........................................102

5.3 Interpretation der Resultate .............................................................................................104

Kapitel 6

Schlussbetrachtung .................................................................................................................105

6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................................105

6.1.1 Problemstellung, Einordnung und Abgrenzung des Themas .............................105

6.1.2 Ressourcenbasierte Erfolgsfaktoren für KMU.....................................................105

6.1.3 Strategien und Instrumente der Kommunikation bei PSF ...................................106

6.1.4 Ressourcen und Kommunikation in der Praxis ...................................................107

6.2 Ausblick ............................................................................................................................108

Literaturverzeichnis .................................................................................................................107

Anhang ......................................................................................................................................112

A1 Interview mit KRP – Treuhand .........................................................................................114

A2 Interview mit Atelier WW Architekten SIA AG – Architektur ............................................121

A3 Interview mit MSE Meili – Engineering ............................................................................125

A4 Interview mit Rodiag Holding – Medizin ...........................................................................129

A5 Interview mit einer Rechtsanwaltskanzlei ........................................................................133

A6 Interview mit SCS – Computertechologie ........................................................................139

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6

Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

Art. Artikel

BGBl Bundesgesetzblatt

BGBM (schweizerisches) Bundesgesetz über den Binnenmarkt

BGE (schweizerischer) Bundesgerichtsentscheid

BGer (schweizerisches) Bundesgericht

BGFA BG vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte

BV (schweizerische) Bundesverfassung

BVerfGE (deutsche) Bundesverfassungsgerichtshofentscheidung

BVG (österreichisches) Bundesverfassungsgesetz

CBV Capability-based-View

CCBE Council of Bars & Law Societies of Europe

CFO Chief Financial Officer

EBIT Earnings before interest and tax

EGMRK Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK Europäische Menschenrechtskonvention

Erk. Erkenntnis

Erw. Erwägung

EStG Einkommenssteuergesetz

EU Europäische Union

EuGH Europäischer Gerichtshof

EUV Vertrag über die Europäische Union

FL Fürstentum Liechtenstein

FMH Foederatio Helveticorum Medicorum

GewO Gewerbeordnung

GG (deutsches) Grundgesetz

Gz. Geschäftszahl

IT Informationstechnologie

iVm in Verbindung mit

KBV Knowledge-based-View

KMU Kleine und mittlere Unternehmen

lit. Buchstabe

MBV Market-based-View

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MedBG (schweizerisches) Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe

PSF Professional Service Firm(s)

RA Rechtsanwalt

RBV Ressource-based-View

RL-BA Richtlinien für die Berufsausübung von Rechtsanwälten

ROI Return on Investment

SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern

SMP Strategische Marketingplanung

StGG (österreichisches) Staatsgrundgesetz

SWOT-Analyse Analyse der Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities

(Chancen) und Threats (Gefahren)

US United States

UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

VerfGH (österreichischer) Verfassungsgerichtshof

VfSlg. Entscheidungssammlung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes

VRIO Ressourcenanalyse im Kontext von Value (Wertes), Rarity (Seltenheit),

Imitability (Imitierbarkeit) und Organisation (Nutzung durch die Organisation)

Z. Ziffer

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Determinanten des Absatzmarktes ...................................................................... 12

Abbildung 2: Marktpotenzial-Kompetenzen-Matrix .................................................................... 15

Abbildung 3: Ebenen der strategischen Marketingplanung ....................................................... 16

Abbildung 4: Die logische Kette von Ressourcen hin zu Erträgen ............................................ 29

Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Ressourcen, Fähigkeiten und

Kernkompetenzen ................................................................................................ 30

Abbildung 6: Der Zusammenhang zwischen traditioneller SWOT-Analyse, dem

Ressourcen-Ansatz und den Modellen der Branchenattraktivität ........................ 31

Abbildung 7: Ressourcentypologie nach Hall ............................................................................ 35

Abbildung 8: Performance in Abhängigkeit von der unternehmerischen Einstellung

unter Einfluss externer Faktoren .......................................................................... 41

Abbildung 9: Das Erfolgsmodell von Shepherd und Wiklund, eigene Darstellung. ................... 42

Abbildung 10: Erfolgsmodell von Sager in vereinfachter Darstellung ......................................... 46

Abbildung 11: Role and Relevance of Marketing - Model ........................................................... 51

Abbildung 12: Informationsprobleme zwischen Dienstleistungsanbieter

und -nachfrager .................................................................................................... 56

Abbildung 13: Interaktionsmodell für persönliche Dienstleistungen ............................................ 68

Abbildung 14: Kundenwahrnehmung der Qualität einer Dienstleistung ...................................... 70

Abbildung 15: Ausprägungsformen von Kundenempfehlungen im Internet ................................ 85

Page 9: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

9

Kapitel 1 Einführung

Wie kommunizieren kleine und mittlere Professional Service Firms (PSF)1? Mit dieser Frage-

stellung beschäftigen sich die Autoren2 in dieser Arbeit und stellen dabei das Kommunikations-

verhalten der PSF in den Kontext des Marketing als eine umfassende Unternehmensaufgabe3.

Es werden vorwiegend strategische Aspekte betrachtet und es wird aufgezeigt, wie die Kom-

munikationsstrategie von internen Unternehmensfaktoren und externen Informationsbedürfnis-

sen bestimmt wird.

1.1 Problemstellung

Professional Service Firms sind bei ihrer Tätigkeit in besonderem Masse auf Wissen und Erfah-

rung angewiesen. Es ist daher naheliegend, Erfolgspotenziale auf der Grundlage ihrer spezifi-

schen Fähigkeiten in die Gedankengänge einzubeziehen. Das theoretische Modell des Res-

source-based-View (RBV)4 bildet daher den Bezugsrahmen aus der unternehmensinternen

Perspektive, da das Modell auch die für kleine und mittlere Betriebe typischen Ressourcenbe-

schränkungen berücksichtigen kann.

Professionelle Dienstleistungen sind immaterielle Güter. Eine Beurteilung dieser Leistungen

aufgrund von leicht überprüfbaren Qualitätskriterien wie Design, Zuverlässigkeit und Funktiona-

lität, wie sie für materielle Güter zur Verfügung stehen, ist nicht möglich. Diese Tatsache verur-

sacht beim Nachfrager professioneller Dienstleistungen Verunsicherung, deren Ursachen der

Anbieter verstehen und denen er mit gezielten Kommunikationsstrategien begegnen muss.

Die Theorien der Neuen Institutionenökonomik5 beschäftigen sich mit den Ursachen solcher

Unsicherheiten und bilden den Bezugsrahmen für die Entwicklung von Kommunikationsstrate-

gien für PSF aus der Sicht der externen Informationsbedürfnisse.

Im Fokus der Arbeit steht die Frage, welche Treiber der Kommunikation vor dem Hintergrund

dieser beiden Bezugsrahmen identifiziert werden können.

1 Zum Begriff PSF siehe Kapitel 2.3

2 Personenbezeichnungen stehen im generischen Maskulin, eine Geschlechterdifferenzierung wird nicht

vorgenommen.

3 Zum Begriff des Marketing siehe Kapitel 2.1

4 Zur Theorie des RBV siehe Kapitel 3.2.2

5 Zur Theorie des NIÖ siehe Kapitel 4.1.2

Page 10: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

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1.2 Vorgehensweise

Anhand klassischer Literaturrecherchen erarbeiten die Autoren die theoretischen Hintergründe

der beiden Bezugsrahmen und stellen die grundsätzlich zur Verfügung stehenden Kommunika-

tionsinstrumente überblicksartig vor. Die Analyse mehrerer empirischer Studien dient der Identi-

fikation effektiver ressourcenbasierter Erfolgsfaktoren von KMU 6. Schliesslich werden struktu-

rierte Interviews mit sechs PSF eingesetzt, um einerseits die Anwendbarkeit der identifizierten

Treiber zu prüfen und andererseits einen Einblick in das Kommunikationsverhalten in der Praxis

zu geben. Der Abschnitt über Werbebeschränkungen für freie Berufe basiert auf einer klassi-

schen Literaturrecherche sowie auf der Analyse von verfassungsrechtlichen, gesetzlichen und

standesrechtlichen Bestimmungen und einschlägiger Judikatur. Fallweise wird bei der Beschaf-

fung der Quellen auf Bibliotheksdatenbanken und das Internet zurückgegriffen.

1.3 Aufbau und Gestaltung der Arbeit

Neben der wissenschaftlichen Beantwortung der Frage nach den Treibern der Kommunikation

bei PSF ist es den Autoren ein Anliegen, auch dem fachfremden Leser ein generelles Ver-

ständnis der Kommunikationsaspekte, in Wechselwirkung mit den Ressourcen, zu vermitteln.

Es wird dabei der Anspruch geltend gemacht, dass diese Arbeit für Entscheidungsträger in PSF

auch einen praktischen Nutzen stiften soll. Deshalb räumen die Autoren der Darstellung theore-

tischer Hintergründe relativ viel Raum ein. Dabei wird bewusst in Kauf genommen, dass die

Arbeit streckenweiser Lehrbuchcharakter annehmen kann.

Ziel von Kapitel 2 ist eine Bestimmung des Begriffes Marketing, samt Einordnung wesentlicher

Themen dieser Arbeit innerhalb des Konzeptes einer marktorientierten Unternehmensführung

sowie die Auseinandersetzung mit typischen Abgrenzungs- und Wesensmerkmalen von KMU

und PSF.

Zu Beginn von Kapitel 3 wird der Leser in die theoretischen Grundlagen des Market-based-View

und Resource-based-View eingeführt. Eine vertiefe Auseinandersetzung mit Ressourcen als

Mittel zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen schliesst daran an. Die Analyse mehrerer

empirischer Studien zur Identifizierung von Erfolgsfaktoren bei KMU stützt sich auf das zuvor

erläuterte Forschungsmodell. Basierend auf den eruierten Erfolgsfaktoren werden Ansätze für

strategische Handlungsoptionen entwickelt. Das Kapitel schliesst mit der Vorstellung des Role

and Relevanz of Marketing-Modells zur Bestimmung der notwendigen Marketingintensität.

In Kapitel 4 werden die Anforderungen an die Kommunikationsstrategie von PSF entwickelt.

Dazu stellen die Autoren eingangs die Theorien der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) vor, da

diese das Fundament für das Verständnis der besonderen Kommunikationsanforderungen von

PSF bilden. Eine kurze Gegenüberstellung von persönlicher - und Massenkommunikation sowie

die Rolle von Meinungsführerschaft sollen das Verständnis für die Wirkung unterschiedlicher

Kommunikationsinstrumente ermöglichen. Im Abschnitt „Besondere Aspekte der Kommunikati-

6 Zum Begriff KMU siehe Kapitel 2.2

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11

on bei PSF“ wird die Bedeutung der persönlichen Interaktion zwischen der PSF und den Kun-

den aufgegriffen und daraus auch erste Ansätze für die unternehmerische Praxis abgeleitet.

Eine kurzgefasste Zusammenstellung gängiger Kommunikationsinstrumente dient u.a. der Ori-

entierung des Lesers bei der Interpretation der Ergebnisse der strukturierten Interviews. Da

viele PSF im Bereich der freien Berufe tätig sind und diese rechtlichen Werbebeschränkungen

unterliegen, wird die Systematik solcher kommunikativen Schranken exemplarisch dargestellt.

Die Frage, welche Kommunikationsstrategien und -instrumente vor dem Hintergrund der Be-

zugsrahmen des RBV und der NIÖ zweckmässig sind, und welche Ressourcen und Kommuni-

kationsinstrumente kleine und mittlere PSF in der Praxis tatsächlich anwenden, steht im Mittel-

punkt von Kapitel 5. Dazu werden strukturierten Interviews mit sechs PSF aus verschiedenen

Branchen ausgewertet und interpretiert.

Eine Schlussbetrachtung mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und Emp-

fehlungen zu weiteren Forschungstätigkeiten schliessen diese Arbeit mit Kapitel 6 ab.

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Kapitel 2 Begriffsklärungen

2.1 Marketing

2.1.1 Definitionsversuche des Begriffs „Marketing“

Für das moderne Verständnis von Marketing bestehen zahlreiche Definitionen, die sich sowohl

in der Perspektive als auch in der Gewichtung der Merkmale unterscheiden. In seiner ursprüng-

lichen und engsten Bedeutung beschränkt sich Marketing (zu Deutsch „Absatzwesen“) auf die

optimale Gestaltung und Förderung des Absatzes der Leistungen eines Unternehmens. Wöhe

stellt den Absatzmarkt als Dreieck dar, das durch die Eckpunkte „Bedürfnisse der Nachfrager“,

„eigenes Angebot“ und „Angebot der Konkurrenten“ definiert wird.

Abbildung 1: Determinanten des Absatzmarktes7

Vor allem im deutschsprachigen Raum liegt der Schwerpunkt der Marketingforschung nach wie

vor in der Absatzgestaltung. Nach Wöhe wird der Absatz erst dann für die Unternehmenspla-

nung bestimmend, wenn die Beschaffungs-, Produktions-, Investitions- und Finanzierungsmög-

lichkeiten eines Unternehmens grösser sind als die Absatzmöglichkeiten. In diesem Fall werden

der Absatz zum Unternehmensengpass und das Absatzwesen zum Dreh- und Angelpunkt der

Unternehmensführung.8

7 Quelle: Wöhe, G. (2005), S. 445

8 Vgl. Wöhe, G. (2005), S.447ff

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13

In der Definition der American Marketing Association (AMA) von 1985 kommt der Prozesscha-

rakter des modernen Marketing zum Ausdruck:

"Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, pro-

motion and distribution of ideas, goods and services to create exchanges that sat-

isfy individual and organisational objectives."9

Meffert versteht Marketing nicht mehr nur als gleichberechtigte Unternehmensfunktion, sondern

auch als marktorientiertes Führungskonzept für das ganze Unternehmen und definiert Marke-

ting als

„[…] die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder

marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung […]. In der klassi-

schen Interpretation bedeutet Marketing die Planung, Koordination und Kontrolle

aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivi-

täten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Un-

ternehmensziele verwirklicht werden.“10

Bruhn umschreibt Marketing als

„[…] eine unternehmerische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse,

Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Unterneh-

mensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Unternehmensleistungen am Kun-

dennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung darauf abzielen, ab-

satzmarktorientierte Unternehmensziele zu erreichen.“11

Die American Marketing Association geht in ihrer neuesten Definition12

noch weiter und fügt

einen erzieherischen Aspekt hinzu:

“Marketing is the activity, set of institutions, and processes for creating, communi-

cating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients,

partners, and society at large.”13

Im Sinne der drei letztgenannten Definitionsversuche wird im Rahmen dieser Arbeit Marketing

als integrierte Unternehmensfunktion und als Leitkonzept einer am Kundennutzen orientierten

und marktgerichteten Unternehmensführung verstanden.

9 Brown, S. (1985), S. 1

10 Meffert, H. (2000), S. 8

11 Bruhn, M. (2007), S. 14

12 Veröffentlicht am 14.1.2008.

13 Quelle: Website der AMA, URL: http://www.marketingpower.com/content2653039.php

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14

2.1.2 Kernaufgaben des Marketing

Jedes Unternehmen strebt ökonomische Marketingziele wie Umsatz, Deckungsbeitrag, Markt-

anteil, an. Diese werden durch das Ausschöpfen von Marktpotenzialen erzielt. Zu den Marktpo-

tenzialen zählen sämtliche aktuellen und latenten Bedürfnisse von bestehenden und potentiel-

len Kunden nach bestehenden oder neuen Leistungen. Marktpotenziale können daher weiter in

Kunden- und Leistungspotenziale unterteilt werden.14

Die Nutzung von Kundenpotenzialen kann durch Kundenakquisition oder Kundenbindung voll-

zogen werden. Um solche Kundenpotenziale nutzen zu können muss ein Unternehmen seine

bestehenden wie auch potenziellen Kunden und deren Bedürfnisse (aktuelle wie auch latente)

und deren Kaufkraft kennen.

Die Kernaufgabe Kundenakquisition zielt auf die Gewinnung neuer Kunden ab, es geht

also um die Erschliessung neuer Kundenpotenziale. Dazu stehen grundsätzlich zwei

Strategien zur Verfügung, nämlich die Abwerbung von Kunden der Konkurrenz oder die

Gewinnung von Nichtverwendern.15

Im Rahmen der Kundenbindung werden bereits erschlossene Kundenpotenziale ausge-

schöpft. Dazu zählen die Kundenretention, also das Halten von Kunden, und das Aus-

schöpfen des Kundenpotenzials, etwa durch Sicherstellung von Wiederkäufen. Weiter

geht der Ansatz der Kundenpenetration, der den Ausbau der Kundenbeziehung im Visier

hat.16

Um Leistungspotenziale nutzen zu können muss ein Unternehmen, analog zur Nutzung von

Kundenpotenzialen, eine Leistungsbewertung und Leistungsselektion vornehmen.

Die Leistungsinnovation zielt auf die Erschliessung von Leistungspotenzialen durch

(zumindest aus Sicht des Unternehmens) neue Problemlösungen ab. Dies kann einer-

seits durch echte Innovationen geschehen, d.h. eine echte Marktneuheit, oder durch Imi-

tationen bereits am Markt befindlicher Leistungen. Echte Leistungsinnovationen setzen

unternehmenseigene einzigartige Ressourcen oder Fähigkeiten voraus.17

Bei der Kernaufgabe Leistungspflege werden bestehende Potenziale durch Optimierung

und Verlängerung des Produktlebenszyklus ausgeschöpft. Leistungspflege kann in zwei

verschiedene Stossrichtungen geschehen: Einerseits durch den Erhalt von Leistungspo-

tenzialen, etwa durch kleine Adaptionen oder Face-Liftings (Variation) oder durch den

14

Vgl. Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 129f

15 Vgl. Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 136ff

16 Vgl. Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 138ff

17 Vgl. Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 144f

Page 15: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

15

Ausbau von Leistungspotenzialen etwa durch hier nicht näher erläuterte Strategien wie

Differenzierungen, Up-Selling oder Multiplikation.18

Für nachhaltigen Erfolg ist grundsätzlich Voraussetzung, dass Kompetenzen (Ressourcen)

sowohl für die Nutzung von Kundenpotenzialen als auch von Leistungspotenzialen vorliegen

und eingesetzt werden. Im Rahmen dieser Arbeit beschäftigen wir uns nur mit den Aufgaben

Kundenakquisition und Kundenbindung.

Zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen und zur Sicherstellung eines effizienten Ressour-

ceneinsatzes ist es daher wichtig, Kompetenzen und Marktpotenziale aufeinander abzustim-

men. Dies kann im Rahmen einer Marktpotenzial-Kompetenz-Matrix geschehen, die dann als

Entscheidungsgrundlage für die Nutzung und Entwicklung von Kompetenzen dient.

Abbildung 2: Marktpotenzial-Kompetenzen-Matrix19

2.1.3 Ebenen der (strategischen) Marketingplanung

Wesentlicher Bestandteil einer modernen marktorientierten Unternehmensführung ist eine stra-

tegische Vorgehensweise in der Unternehmens- und Marketingplanung. Damit ist ein systema-

tisch-analytischer Planungsprozess gemeint, der auch langfristige Entwicklungen der Rahmen-

bedingungen mit einbezieht.

Nachfolgend werden die Ebenen der Marketingplanung (siehe Abbildung 3) kurz erörtert, um

dem Leser das Verständnis der Aussagen in den späteren Kapiteln zu erleichtern.

18

Vgl. Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 145f

19 Quelle: Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 149

Page 16: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

16

Abbildung 3: Ebenen der strategischen Marketingplanung20

1. Analyse der internen und externen Umwelt

Am Beginn des Planungsprozesses steht die Analyse der internen und externen Umwelt. Dazu

zählt der Status quo der Marketingsituation sowie sämtliche Faktoren, die einen Einfluss auf

diese haben können. Die externe Umwelt umfasst jene Faktoren, die das Unternehmen nicht

aktiv beeinflussen kann. Dazu gehören neben dem Absatzmarkt und den Nachfragern auch

Wettbewerber, das politische, rechtliche, konjunkturelle und technologische Umfeld, Stakehol-

der sowie die Position des Unternehmens in diesem Umfeld. Bei der internen Analyse werden

die beeinflussbaren Faktoren untersucht. Dabei geht es in erster Linie um die Beurteilung der

Unternehmensressourcen hinsichtlich der Verfügbarkeit und deren Nützlichkeit für das Unter-

nehmen.21

Zur Analysephase gehören auch Prognosen zur zukünftigen Entwicklung wesentlicher Marke-

tingfaktoren und der Entwicklungsmöglichkeiten von Ressourcen. Wertvoll können dabei etwa

20

In Anlehnung an Meffert, H. (2000), S. 14, 62 und Meffert, H. (2003), S. 158

21 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 25

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17

Aussagen über Trends im Kunden- und Konkurrenzverhalten oder zu technologischen Entwick-

lungen sein.22

2. Strategische Unternehmensplanung

Die strategische Unternehmensplanung dient der Festlegung von Unternehmenszweck und -

mission sowie der obersten Unternehmensziele und der strategischen Grundausrichtung (z.B.

Technologieführerschaft oder preiswerter Massenanbieter?). In diesem Rahmen werden auch

die Märkte, in denen das Unternehmen aktiv wird, und die strategischen Geschäftsfelder (bei

KMU nur, sofern dies aufgrund Grösse und Geschäftstätigkeit sinnvoll ist) definiert und die Res-

sourcen zugeteilt. Ebenso ist die Frage des Timings, also etwa über den Eintritt in einen neuen

Markt, Teil der strategischen Unternehmensplanung. Die Entscheidungen der strategischen

Unternehmensplanung sind durchwegs langfristiger Natur.23

3. Strategische Marketingplanung

Im Rahmen der strategischen Marketingplanung werden die Festlegungen aus der strategi-

schen Unternehmensplanung weiter konkretisiert, indem die geeignete Marktbearbeitungsform

(Verhalten am Markt, gegenüber Absatzmittlern und anderen Anspruchsgruppen, bzw. Auswahl

der Vertriebsform) festgelegt und Wettbewerbsstrategien (Verhalten gegenüber Konkurrenten)

definiert werden. Dies umfasst auch die Festlegung der ökonomischen Marketingziele (z.B.

Deckungsbeitrags-, Umsatz- oder Marktanteilsziele) und der Instrumentalstrategie (grundlegen-

de Aussagen über die Arten der eingesetzten Marketinginstrumente). Darunter fällt auch die

strategische Planung der im Rahmen dieser Arbeit vertieft behandelten Kommunikationsinstru-

mente. Der Planungshorizont auf dieser Ebene ist mittelfristig.24

4. Operative Marketingplanung

Die Entscheidungen der operativen Marketingplanung basieren auf den Rahmenvorgaben aus

der strategischen Marketingplanung und sind eher kurz- bis mittelfristiger und taktischer Natur.

Hauptaufgabe der operativen Marketingplanung ist die Festlegung des Marketing-Mix, also die

Entwicklung von Massnahmen der sog. 4Ps:25

Marktleistungsgestaltung bzw. Produkt- und Sortimentspolitik (engl. Product)

Preisgestaltung bzw. Preis- und Kontrahierungspolitik (engl. Price)

Marktbearbeitung bzw. Kommunikationspolitik (engl. Promotion)

Distributionspolitik (engl. Place)

Die Budgetierung dieser Massnahmen ist ebenfalls Teil der operativen Marketingplanung.

22

Vgl. Meffert, H. (2000), S. 15

23 Vgl. Meffert, H. (2003), S. 159; sowie Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 11

24 Vgl. Meffert, H. (2003), S. 159; sowie Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 11

25 Vgl. Meffert, H. (2000) S. 15; sowie Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 11 und 119

Page 18: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

18

5. Implementierung und Kontrolle

In einem letzten Schritt ist die Implementierung der Massnahmen des Marketing-Mix sicherzu-

stellen. Wichtig ist auch die Etablierung eines Kontroll- und Rückkopplungsprozesses, der Ant-

worten auf Zielerreichungsgrad, Gründe für Soll-Ist-Abweichungen liefert und Input für Ziel- und

Massnahmenanpassungen geben soll.26

Planungseinheiten und Besonderheiten bei kleinen und mittleren Unternehmen

Die strategische Marketingplanung ist naturgemäss Aufgabe der Unternehmensleitung. Die

Planung und Implementierung des Marketing-Mix obliegt dem jeweiligen Produkt- und Ver-

triebsmanagement.27

Das aufgezeigte Konzept und der beschriebene Prozess der strategischen Marketingplanung

sind zwar auf Grossunternehmen zugeschnitten. Trotzdem sind sie mit gewissen Abwandlun-

gen für KMU einsetzbar, insbesondere werden die unterschiedlichen Charakteristika und Di-

mensionen der einzelnen Planungsebenen deutlich, die auch in KMU zu berücksichtigen sind.

Je nach Grösse, Organisation, Branche sowie Präferenzen und persönlichen Eigenschaften des

Unternehmers sind Planungsaufgaben auf andere Planungseinheiten verteilt und unterscheiden

sich auch inhaltlich. So fällt etwa in den meisten Kleinunternehmen das gesamte Marketingpla-

nungspensum dem Unternehmer selbst zu und infolge der fehlenden Untergliederung in strate-

gische Geschäftsfelder fällt ein Teil der Planungsaufgaben gänzlich weg.

Die Gruppe der KMU weist – wie im anschliessenden Unterkapitel 2.2 noch aufgezeigt wird - in

sich eine grosse Inhomogenität auf.28

Aus diesem Grund sind allgemeine Aussagen über die

Sinnhaftigkeit oder die ideale Ausgestaltung des Marketingplanungsprozesses praktisch un-

möglich. Tatsache ist, dass in vielen KMU ein systematischer strategischer Marketingplanungs-

prozess nicht stattfindet.29

In diesem Sinne ist der beschriebene Marketingplanungsprozess für KMU als grober Leitfaden

zu verstehen, der die Grundlage für einen an das spezifische Unternehmens- und Marktverhal-

ten angepassten Marketingplanungsprozess bildet. Die Betrachtung eines bestimmten Seg-

ments – wie in dieser Arbeit die Professional Service Firms – erlaubt präzisere Aussagen.

Unter diesen Gesichtspunkten legt die Arbeit legt den Fokus im Sinne der Marketingpyramide

vorwiegend auf die beiden Ebenen der strategischen Unternehmens- sowie Marketingplanung.

26

Vgl. Meffert, H. (2000), S. 15; sowie Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 13f

27 Vgl. Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 15

28 Vgl. Chaston, I. und T. Mangles (2002), S. 15f

29 Vgl. Grothus, T. (2000), S. 18; sowie Håkansson, P.-O. und H. Klandt (2000), S. 32

Page 19: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

19

2.2 Kleine und mittlere Unternehmen

2.2.1 Merkmale und Definitionen

Die Formen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind äusserst divers, was deren

genaue Spezifizierung und Abgrenzung nicht ganz einfach macht. Für eine Definition von KMU

ist es sinnvoll, eine Unterteilung in qualitative und quantitative Merkmale vorzunehmen. Charak-

teristische qualitative Kriterien der KMU sind30

:

Selbständigkeit der Unternehmung.

Prägung des Betriebes durch die Persönlichkeit des Unternehmers und seine Netzwerke.

Unternehmer ist zugleich Eigenkapitalgeber, oberste Führungskraft und Risikoträger.

Persönliche Kontakte des Unternehmers zu den Mitarbeitenden.

Fähigkeit zur Erstellung von Leistungen nach Mass.

Strategische Erfolgsfaktoren in der gelebten

Dienstleistungskompetenz aller Beschäftigten.

Flache Linien-Organisation mit wenigen Hierarchiestufen.

Je kleiner das Unternehmen, desto stärker sind der Unternehmer selbst und seine Familie

operativ in die Leistungserbringung eingebunden.

Begrenzter Formalisierungsgrad: Die persönlichen Kontakte zwischen Unternehmer und

Mitarbeiter und unter den Mitarbeitern herrschen vor.

Tätigkeit meist beschränkt auf einen begrenzten Markt (in Bezug auf Grösse oder Regi-

on).

30

Vgl. Füglistaller, U. (2003b), S. 4f; sowie Fröhlich, E. et al. (1997), S. 11ff

Page 20: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

20

Die Kommission der Europäischen Union definiert KMU wie folgt31

:

Grössenklasse Mitarbeiterzahl

Jahresarbeitseinheit

(JAE)

Jahresumsatz und/oder

Jahresbilanzsumme

Mittleres Unternehmen < 250 ≤ 50 Mio. EUR ≤ 43 Mio. EUR

Kleines Unternehmen < 50 ≤ 10 Mio. EUR ≤10 Mio. EUR

Kleinstunternehmen < 10 ≤ 2 Mio. EUR ≤ 2 Mio. EUR

Tabelle 1: KMU-Definition der Europäischen Union

Kleine Unternehmen werden definiert als Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäfti-

gen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme höchstens 10 Mio. EUR beträgt.

Kleinstunternehmen werden definiert als Unternehmen, die weniger als zehn Personen be-

schäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme höchstens 2 Mio. EUR beträgt.

Die Schweiz hat grundsätzlich die Definition der EU übernommen, wendet aber bezüglich Um-

satz und Bilanzsumme andere Grenzwerte an. Für mittlere Unternehmen gilt ein Jahresumsatz

≤10 Mio. CHF und/oder eine Bilanzsumme von ≤27 Mio. CHF. Für kleine Unternehmen gilt ein

Jahresumsatz ≤7 Mio. CHF und/oder eine Bilanzsumme von ≤5 Mio. CHF. Kleinstunternehmen

sind an keine Höchstwerte gebunden.32

In der EU sind zudem u.a. folgende Unabhängigkeitsanforderungen zu erfüllen33

:

KMU im Sinne der obigen Definition müssen unabhängig sein. Als unabhängig gelten

KMU, wenn sie keine Partner-Unternehmung im unten erläuterten Sinn sind und auch

nicht als Verbundgesellschaft bezeichnet werden können.

Von einer Partner-Unternehmung ist dann die Rede, wenn mehr als 25% der Kapital-

oder Stimmenanteile im Besitz einer oder mehrerer Unternehmungen sind, die keine

KMU sind.

2.2.2 Volkswirtschaftliche Bedeutung

Der Anteil der KMU ist mit einem Anteil von 99.7% der marktwirtschaftlichen Unternehmen be-

achtlich. Sie beschäftigen rund zwei Drittel der Arbeitnehmer in der Schweiz. Dabei machen die

Mikrounternehmen, welche bis zu neun Personen (vollzeitig) beschäftigen, rund 87.7% des

Totals aus und generieren mit 26.4% rund ein Viertel der Arbeitsplätze. Hingegen bieten die gut

0.3% der grossen Unternehmen 33% der Arbeitsplätze an.

31

Quelle: Website der European Commission (2003/361/EG), URL:

http://ec.europa.eu/enterprise_policy/sme_definition/index_de.htm

32 Vgl. Website Bundesamt für Statistik, URL:

http://www.kmu.admin.ch/politik/00100/00102/index.html?lang=de, sowie Travella R. (2003), S4ff

33 Vgl. Travella, R. (2003), S. 4ff

Page 21: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

21

Grösse Marktwirtschaftliche Unternehmen Beschäftigte

0-2 Beschäftigte 176'016 58.92% 315'485 9.90%

3-4 Beschäftigte 46'066 15.42% 207'776 6.52%

5-9 Beschäftigte 39'500 13.22% 316'101 9.92%

10-19 Beschäftigte 19'360 6.48% 303'674 9.53%

20-49 Beschäftigte 11'278 3.78% 388'611 12.20%

50-99 Beschäftigte 34'533 1.16% 272'129 8.54%

100-249 Beschäftigte 2'019 0.68% 346'403 10.87%

250 + Beschäftigte 1'028 0.34% 1'035'353 32.50%

Mikrounternehmen (0-9) 261'582 87.57% 839'362 26.35%

Kleine Unternehmen (10-49) 30'638 10.26% 692'285 21.73%

Mittlere Unternehmen (50-249) 5'472 1.83% 618'532 19.42%

Grosse Unternehmen (249+) 1'028 0.34% 1'035'353 32.50%

TOTAL der KMU 297'692 99.66% 2'150'179 67.50%

Tabelle 2: Nichtlandwirtschaftliche, marktwirtschaftliche Unternehmen nach

Grössenklassen (Zählung 2005)34

Studiert man zudem die Betriebszählungen der vergangenen Jahre (1995-2005) erkennt man,

dass die Gesamtzahl der Beschäftigten und der Unternehmen stabil bleibt.

In der Politik des Bundes sind Unternehmen in der Gründungsphase bedeutend, da sie einen

zentralen Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen und zur Revitalisierung unserer

Wirtschaft beitragen.35

KMU reagieren in zweierlei Hinsicht besonders auf konjunkturelle Veränderungen. Zum einen

treten jeweils Verzögerungen zum allgemeinen Konjunkturverlauf auf (Phasenverschiebung),

zum anderen weisen sie geringere Schwankungen bezüglich der Beschäftigung auf und haben

so eine beschäftigungsstabilisierende Wirkung.36

Aus diesen Betrachtungen - Beschäftigungszahlen, wirtschaftlicher Entwicklungsbeitrag und

Revitalisierung sowie Beschäftigungsstabilisierung - wird erkenntlich, welche enorme Bedeu-

tung den KMU volkswirtschaftlich zukommt. Insofern können KMU als Rückgrat der Wirtschaft

betrachtet werden.

34

Vgl. Website des Bundesamt für Statistik (2005),

URL: http://www.kmu.admin.ch/politik/00100/00101/index.html?lang=de

35 Vgl. Website des Bundesamtes für Statistik (2005),

URL: http://www.kmu.admin.ch/politik/00100/00101/index.html?lang=de

36 Vgl. Website des Bundesamtes für Statistik (2005),

URL: http://www.kmu.admin.ch/politik/00100/00103/index.html?lang=de

Page 22: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

22

2.3 Professional Service Firms

Dienstleistungen sind immaterielle, intangible, nicht lagerfähige oder nicht transportierbare Gü-

ter.37

Vom allgemeinen Begriff einer Dienstleistungsfirma lassen sich professionelle Dienstleis-

tungsunternehmen (im angelsächsischen als Professional Service Firm oder kurz PSF bezeich-

net) vor allem anhand dreier Eckpunkte abgrenzen. Die PSF sind in erster Linie „brain-driven

firms“ oder „knowledge intensive firms”, da ihr Wertschöpfungsprozess in hohem Masse auf

Menschen, deren Wissen und deren Erfahrung basiert. Bei einer PSF handelt es sich im Weite-

ren um ein nicht-öffentliches Unternehmen, das professionelle Dienstleistungen für andere pri-

vate Unternehmen sowie für öffentliche Institutionen erbringt. 38

Der Charakter einer PSF lässt sich anhand einiger spezifischer Eigenschaften der angebotenen

Dienstleistungen beschreiben:

Intangibles Produkt.

Grosse Heterogenität bzw. Variabilität des Produkts.

Kundenindividuelle, wenig standardisierte Leistung mit hohem Grad an Innovation.

Dienstleistung wird meist in Interaktion mit dem Kunden erstellt.

Die ökonomischen Folgen der Dienstleistung sind für den Kunden bedeutsam. 39

Grundsätzlich kann über Dienstleistungen gesagt werden, dass durch die erbrachte Arbeit Wert

geschaffen wird, auch wenn keine materielle Basis vorliegt - so genannte „produktive, immate-

rielle Leistungen“.40

Thakor und Kumar haben in einer Studie41

die Eigenschaften untersucht, aufgrund derer eine

Dienstleistung als professionell wahrgenommen wird. Am professionellsten werden juristische,

danach (zahn-)medizinische Dienstleistungen, gefolgt von den Finanzdienstleistungen betrach-

tet.

2.3.1 Typische Dienstleistungen von PSF

Typische Professional Service Firms sind:

Unternehmensberatungsfirmen (management-, IT-, executive search-,

human resource-, tax-, communication-, engineering-, technologyconsulting)

Wirtschaftsprüfungs- und Wirtschaftsberatungsfirmen

Anwaltsfirmen

Investmentbanken 37

Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 118ff

38 Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 20ff

39 Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 20ff

40 Vgl. Füglistaller U. (2001), S.118ff; sowie M. Alvesson (1995), S. 269ff

41 Vgl. Thakor, M. und A. Kumar (2000)

Page 23: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

23

Werbeagenturen

Versicherungsmakler

Ingenieure

Architekten

2.3.2 Marktcharakteristik

Dienstleistungen als Wachstumsmarkt

Allgemein ist der Dienstleistungssektor ist im stetigen Wachstum begriffen und gilt für PSF

weltweit als Wachstumsmarkt. Ursachen dafür liegen in einer Reihe von Geschäftstrends und

der Internationalisierung von Angeboten. 42

Globalisierung

Durch die anhaltende Globalisierung werden Geschäftsbeziehungen zunehmend verknüpft.43

Die Komplexität dieser Tätigkeiten wächst durch die Vernetzung von unterschiedlichen Ge-

schäftshintergründen, -kulturen, -aktivitäten, -regelungen und -rechte. Dies erfordert eine zu-

nehmende Spezialisierung und eröffnet neue Möglichkeiten für besondere Dienstleister.44

Nachfrageschub durch erhöhten Wettbewerbsdruck

Eine hohe Nachfrage an Beratungsdienstleistungen generiert der permanente Restrukturie-

rungsdruck auf die Abnehmer aufgrund der Globalisierung, Privatisierung und Deregulierung

sowie immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, der Preisdruck auf Märkten, die stets eine

grössere Rolle einnehmende Kosteneffizienz und hohe Qualitätsanforderungen.45

Technologischer Fortschritt

Die Nutzung durch die schnelle technische Entwicklung und die stets breiter werdenden

Einsatzmöglichkeiten von IT und KT fordern für einen immer grösser werdenden Teil der Firmen

eine professionelle Unterstützung.46

42

Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 24

43 Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 24

44 Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 25

45 Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 26

46 Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 27

Page 24: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

24

2.3.3 Kundenansprüche an PSF

Die wichtigsten Erwartungen eines Kunden sind Sachkenntnis, Erfahrung, Unabhängigkeit,

Vertrauenswürdigkeit und Vertraulichkeit. Folgende erweiterte Kundenbedürfnisse bestehen

besonders für international tätige PSFs.

One-stop-shopping

Der Begriff steht für ein umfassendes Leistungsangebot aus einer Hand. Qualitätsmerkmale,

der zu erbringenden Dienstleistung sind das Angebot eines Rundumservices und eines breiten

Netzes von Spezialisten unterschiedlicher Dienstleistungen.

Lokale Verankerung

In einzelnen nationalen Märkten besitzt die Vor-Ort-Präsenz aus Kundensicht ein hohes Ge-

wicht, auch wenn trotz globaler Geschäftstätigkeit ein weltweites Netz des Dienstleistungsan-

bieters in Anspruch genommen wird.

Bestleistung

Führende Anbieter müssen in der Lage sein, in Bezug auf Expertise und Erfahrung eine hervor-

ragende Branchen-/Funktionskompetenz sowie erstklassige Methoden und Technologien zur

Verfügung zu stellen.

Innovative Lösungen und Flexibilität

Die sich häufig verändernden Märkte und die oft leichte Kopierbarkeit vieler Innovationen ma-

chen eine rasche und kontinuierliche Entwicklung notwendig. Flexible, schnell reagierende und

kreative Anbieter werden vermehrt nachgefragt.47

47

Vgl. Müller-Stewens, G. et al. (1999), S. 27ff

Page 25: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

25

Kapitel 3 Ressourcen als Grundlage der Marketingplanung

3.1 Einleitung

Firmen werden gegründet, wachsen, geraten in Krisen und verschwinden wieder vom Markt.

Wenige Firmen wie z. B. Microsoft werden von einem Kleinunternehmen zu einem Industriefüh-

rer mit globaler Bedeutung, die meisten scheitern frühzeitig. Wie ist der unterschiedliche Markt-

erfolg zu erklären? Bestehen nachweisbare Erfolgsfaktoren?

Im Mittelpunkt der strategischen Marketingplanung steht die Erreichung langfristiger Unterneh-

mensziele, wie die Sicherung der Unternehmensexistenz, bestimmte Wachstums- oder Ertrags-

ziele. Der Unternehmer ist bei seinen Überlegungen laufend mit der Frage konfrontiert, welche

Handlungen am besten geeignet sind, um seine Ziele zu erreichen.

Die Wissenschaft hat sich seit Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts intensiv mit

diesen Fragen auseinandergesetzt und zahlreiche Konzepte und Methoden für die strategische

Planung entwickelt.48

Zwei bekannte und intensiv diskutierte Ansätze sind der Market-based-

View sowie der Resource-based-View. In den folgenden Abschnitten werden wir auf beide An-

sätze zurückkommen, das Augenmerk aber auf den Resource-based-View legen, da dieses

Modell die Ressourcenbeschränkungen bei KMU berücksichtigen kann.

Wie bereits im Kapitel 2 angesprochen wurde, funktionieren KMU nicht wie „kleine“ Grossunter-

nehmen. Sie unterstehen eigenen Gesetzmässigkeiten und Rahmenbedingungen, so dass stra-

tegische Konzepte, die vor allem für Grossunternehmen entwickelt wurden, nicht direkt auf

KMU übertragen werden können. Aus diesem Grund werden in Abschnitt 3.4 die Resultate

mehrerer empirischer Studien als Grundlage für strategische Handlungen von kleinen PSF dis-

kutiert.

48

Vgl. Müller-Stewens, G. und C. Lechner (2005), S. 10ff

Page 26: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

26

3.2 Theoretischer Rahmen

Bei der Strategieentwicklung kann man ganz grundlegend von zwei verschiedenen Denkrich-

tungen oder Perspektiven ausgehen:

Die Outside-In-Perspektive: Dieser Perspektive liegt die Annahme zugrunde, dass der

Erfolg eines Unternehmens durch die Attraktivität der Branche dominiert wird. Die

Marketingplanung hat lediglich dafür zu sorgen, dass sich das Unternehmen (inside)

den Marktgegebenheiten (outside) optimal anpasst und dass, falls möglich, das Un-

ternehmen auf das Marktumfeld gezielt Einfluss nimmt. Dieser Ansatz wird als Market-

based-View (MBV) bezeichnet.

Die Inside-Out-Perspektive: Wenn in einer Branche die Performance von Unterneh-

men höchst unterschiedlich ist, dann müssen einige Unternehmen über besondere Ei-

genschaften verfügen, die ihnen Vorteile verschaffen. Nicht die optimale Anpassung

an den Markt, sondern die Ausrichtung der Tätigkeitsfelder aus den inneren Stärken

des Unternehmens heraus, ist die Perspektive des Resource-based-Views.

Wie im weiteren Verlauf gezeigt wird, sind diese beiden Perspektiven keineswegs Substitute,

sondern ergänzen sich komplementär zu einer Gesamtperspektive.

3.2.1 Market-based-View

Die grundlegende Annahme des MBV beschreiben Priem und Butler wie folgt:49

„While resources represent what can be done, the competitive environment

represents what must be done to compete effectively in satisfying customer

needs.“

Der MBV setzt am Umfeld des Unternehmens an. Dementsprechend soll die Marketingstrategie

auf einer Beobachtung des externen Umfeldes der Firma beruhen und zwei Kernziele verfolgen:

Aufspüren einer attraktiven Branche.

Optimale Positionierung des Unternehmens im Rahmen der Potenziale, Chancen und

Risiken der betreffenden Branche.50

Seine Ursprünge hat der MBV in der Industrieökonomik der 50er und 60er Jahre des letzten

Jahrhunderts, die sich mit den Einflussfaktoren beschäftigt, welche die Struktur einer Branche

auf das Verhalten und auf den ökonomischen Erfolg ihrer Mitglieder hat. Porter greift die Ideen

der Industrieökonomik auf und trägt mit seinem Five-Forces-Model51

viel zum Verständnis des

MBV bei. Gemäss diesem Modell wird die Attraktivität einer Branche durch fünf Wettbewerbs-

kräfte bestimmt, die im Rahmen einer Branchenstrukturanalyse untersucht werden können:

49

Priem, R. und J.E. Butler (2001), S. 23

50 Vgl. Rüegg-Stürm, J. (2002), S.44, sowie Kuß, A. und T. Tomczak (2004), S. 58f

51 Vgl. Porter, M. E. (1981)

Page 27: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

27

Brancheninterner Wettbewerb (engl. competitive rivalry within the industry)

Verhandlungsmacht der Abnehmer (engl. bargaining power of customers)

Verhandlungsmacht der Lieferanten (engl. bargaining power of suppliers)

Bedrohung durch Substitutionsprodukte (engl. threat of substitute products)

Bedrohung durch neue Anbieter (engl. threat of new entrants)

Neben der Wahl einer attraktiven Branche wird auch die richtige Positionierung innerhalb der

Branche, d.h. die adäquate Abgrenzung der eigenen Geschäftsfelder und die Definition einer

entsprechend ausgerichteten chancenreichen Wettbewerbsstrategie, für den Unternehmenser-

folg verantwortlich gemacht. Porter entwickelt in seinem berühmten Buch „Competitive Strate-

gy“52

drei, bis heute akzeptierte Normstrategien:

Kostenführerschaft: Ein Unternehmen hat Vorteile, wenn es zu geringeren Kosten als

seine Konkurrenz produzieren kann. Solche Kostenvorteile lassen sich oft auf Skalen-

effekte (Economies of Scales) zurückführen, die bei der Produktion von Massengütern

mit zunehmenden Volumen entstehen können. Auch besondere Produktionsprozesse

oder Erfahrungseffekte können zur Erreichung dieses strategischen Ziels beitragen.

Eng gekoppelt mit der Kostenführerschaft ist ein hoher Marktanteil. Bei PSF spielt die

Kostenführerschaft keine bedeutende Rolle.

Differenzierung: Verfolgt ein Unternehmen das Ziel, Produkte oder Dienstleistungen

anzubieten, die von Kunden als einzigartig wahrgenommen werden, spricht man von

einer Differenzierungsstrategie. Mit einer unverwechselbaren Leistung kann sich das

Unternehmen von der Konkurrenz abheben und eine Preisprämie erzielen, die vom

wahrgenommenen Kundennutzen bestimmt wird.

Nischenstrategie: Konzentriert sich eine Firma auf die Bearbeitung spezifischer Markt-

segmente, kann sie ihre Kräfte bündeln und in diesen Segmenten die Marktführer-

schaft anstreben. Besonders KMU sind in den Nischen erfolgreich, die für grosse Un-

ternehmen für eine gewinnbringende Marktbearbeitung zu klein sind.

Bei kleineren und mittleren KMU sind die Differenzierungsstrategie und die Nischenstrategie

wichtige Bausteine für den Unternehmenserfolg. Die Normstrategien können entsprechend der

Marktsituation weiter verfeinert werden, wie Meffert et al. detailliert darstellen.53

3.2.2 Resource-based-View

Die Ansätze des RBV erklären Wettbewerbsvorteile aus der Innensicht des Unternehmens he-

raus. Im Gegensatz zum MBV, bei der ein Unternehmen als Menge von Produkt- und Marktpo-

sitionen verstanden wird, steht die Analyse der unternehmenseigenen Ressourcen im Vorder-

grund. Der RBV zweifelt die Dominanz umweltorientierter Faktoren an und führt den Unterneh-

52

Porter, M. E. (1980)

53 Meffert, H., C. Burmann und M. Kirchgeorg (2008), S. 265ff

Page 28: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

28

menserfolg auf die spezifische Ressourcenausstattung zurück. In zahlreichen Studien konnte

diese grundlegende Annahme bestätigt werden.54

Der RBV hat seinen Ursprung in einer Publikation von Edith Penrose aus dem Jahr 1959.55

Wichtige theoretische Grundlagen wurden von Wernerfeld, Rumelt, Barney sowie von Diecks

und Cool in den 1980er Jahren entwickelt56

. Bis in die jüngere Zeit ist der RBV Gegenstand der

wissenschaftlichen Forschung.

Im folgenden Abschnitt 3.3 wird auf den Begriff und die Hintergründe des RBV näher eingegan-

gen, weil diese für die Strategieentwicklung gerade bei KMU von grosser Bedeutung sind. Der

RBV hat Weiterentwicklungen im Rahmen des fähigkeitenorientierten Ansatzes, Capability-

based-View, (CBV) und des Knowledge-based-Views (KBV) erfahren, auf die im Rahmen die-

ser Arbeit aber nicht eingegangen wird.57

3.3 Ressourcen als Grundlage für Wettbewerbsvorteile

3.3.1 Was sind Ressourcen?

Der Begriff Ressource ist in der Umgangssprache mit Betriebsmitteln, Geldmitteln, Boden, Roh-

stoffen, Energie oder Personen belegt. Im betriebswirtschaftlichen Umfeld werden Produktions-

faktoren (Arbeit, Umwelt, Kapital) oft als Ressourcen bezeichnet. Auch der RBV versteht unter

einer Ressource ein Mittel, um eine Handlung zu tätigen oder einen Vorgang ablaufen zu las-

sen, misst diese aber an den Wettbewerbsvorteilen, die ein Unternehmen damit erzielen kann.

3.3.1.1 Wettbewerbsvorteile

Peteraf und Barney definieren Wettbewerbsvorteil wie folgt: 58

„An enterprise has a Competitive Advantage if it is able to create more economic

value than the marginal (break even) competitor in its product market.”

Im weiteren Verlauf ergänzen Barney und Clark folgende Definition des Economic Value: 59

„The Economic Value created by an enterprise in the course of providing a good or

service is the difference between the perceived benefits gained by the purchaser of

the good and the economic cost to the enterprise.”

Bei der Betrachtung von Wettbewerbsvorteilen wird in diesen Definitionen von folgenden öko-

nomischen Grundprinzipien ausgegangen:

54

Vgl. Barney, J. E. und D. N. Clark (2007), S. 231

55 Penrose, E. (1959)

56 Vgl. Barney, J. E. und D. N. Clark (2007), S. 17

57 Vgl. Müller-Stewens, G. und C. Lechner (2005), S. 363f

58 Peteraf, M. A. und J. E. Barney (2003), S 314

59 Barney, J. B. und D. N. Clark (2007), S. 25

Page 29: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

29

In einem vollständigen Wettbewerb können Firmen ohne besondere Vorteile nur noch

ihre Grenzkosten erwirtschaften. Firmen, die Erträge über den Grenzkosten erwirt-

schaften, müssen daher über positive Einflussgrössen verfügen, welche sie von ihren

Mitbewerbern unterscheiden.

Der Nutzen für die Firma ist stets als Netto-Grösse zu betrachten, d. h. als Ertrage ab-

züglich der Kosten. Der Umsatz ist kein Kriterium für die Nutzendefinition.

Der Nutzen besteht ferner aus der Bereitschaft von Kunden, einen höheren Preis für

eine Leistung zu bezahlen als den Mitbewerbern. Dabei ist die Wahrnehmung der

Marktleistung durch den Kunden (und nicht ein absolutes Qualitätskriterium) massge-

bend.

Um höhere Erträge als die Mittbewerber zu generieren muss eine Firma effizienter

sein, d.h. sie muss entweder zum gleichen Preis eine als besser wahrgenommene

Leistung oder eine als gleich wahrgenommene Leistung zu einem tieferen Preis an-

bieten. Ein Wettbewerbsvorteil ist somit auf die Fähigkeiten zurückzuführen, eine hö-

here Wertschöpfung bei gleichem Mitteleinsatz als die Konkurrenz zu realisieren.60

Diese besonderen Fähigkeiten einer Firma werden als Ressourcen bezeichnet.

60

Vgl. Barney, J. B. und D. N. Clark (2007), S. 26

Superior critical

resources

Lower cost/

higher benefits

Greater value

(net benefits)

Competitive

advantage

More residual value

for same

delivered value

Rents

Abbildung 4: Die logische Kette von Ressourcen hin zu Erträgen1

Page 30: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

30

3.3.1.2 Definition von Ressourcen

In der Literatur werden zahlreiche Begriffe für Firmenattribute verwendet, welche Wettbewerbs-

vorteile verschaffen können, z. B. Ressourcen, Kompetenzen, Fähigkeiten und Wissen. Diese

im Rahmen einer Wirkungskette als unabhängige Variablen zu betrachtende Eigenschaften

können wir im Sinn von Freiling auch als Inputgüter bezeichnen61

. Eine alle Begriffe umfassen-

de Definition lautet:62

Ressourcen sind alle unternehmensinternen materiellen und immateriellen Güter, Sys-

teme und Prozesse welche zur Schaffung von dauerhaften Erfolgspotentialen beitragen

können und durch die Firma kontrolliert werden.

Die Zusammenhänge zwischen Ressourcen, Fähigkeiten und Kernkompetenzen werden durch

Abbildung 5 verdeutlicht.

Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Ressourcen, Fähigkeiten und Kernkompetenzen63

3.3.1.3 Anforderungen an Ressourcen

Barney und Clark nennen in ihrem VRIO-Framework vier Schlüsselkriterien, die eine Firmenak-

tivität erfüllen soll, um als Ressource bezeichnet zu werden: 64

61

Vgl. Freiling J. (2001), S. 20

62 In Anlehung an Barney, J. (1991), S. 101

63 Quelle: Sager, B. (2006), S. 59

64 Vgl. Barney, J.B. und D. N. Clark (2007), S. 70

combined

simple

Resources

Industry

one many

Resources

Capabilities Core-

Competences

Page 31: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

31

1. Wert einer Ressource

Ressourcen sind dann wertvoll, wenn sie eine Unternehmung befähigen, eine Strategie zu ent-

wickeln oder umzusetzen, die deren Effektivität und Effizienz verbessert. Im Sinne des SWOT-

Modells sollen Ressourcen zur Nutzung von Chancen und zur Abwendung von Gefahren bei-

tragen. Der Wert einer Ressource muss daher auch immer im Wechselspiel zwischen speziel-

len Marktgegebenheiten und der Unternehmensstrategie gesehen werden (siehe Abbildung 6).

Ressourcen, welche nicht wertvoll sind, können Wettbewerbsnachteile nach sich ziehen, da für

ihre Aufrechterhaltung Kosten entstehen.

Abbildung 6: Der Zusammenhang zwischen traditioneller SWOT-Analyse, dem Ressourcen-

Ansatz und den Modellen der Branchenattraktivität65

2. Seltenheit einer Ressource

Eine Ressource sollte selten sein, d.h. nur wenige Unternehmen oder möglichst kein anderes

Unternehmen sollte über die gleiche Ressource verfügen. Dadurch können Ressourcen ein

erhebliches Potenzial an komparativen Vorteilen schaffen. Umgekehrt gilt, dass eine in vielen

Unternehmen vorhandene Ressource keinen Beitrag zu Wettbewerbsvorteilen liefern kann, da

die konkurrierenden Unternehmen ebenfalls diese Ressource nutzen können. Das bedeutet

aber nicht, dass die Ressource nutzlos ist, sondern in einem Markt durchaus notwendig sein

kann, um Chancengleichheit zu schaffen.

65

Quelle: Barney, J. B. und D. N. Clark (2007), S. 50

Strength

Weaknesses

Opportunities

Threats

Internal analysis External analysis

Resource-based

model

Environmental models

of competitive advantage

Page 32: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

32

3. Imitierbarkeit

Wenn Ressourcen leicht von anderen Firmen kopiert werden können, dann können sie keinen

Wettbewerbsvorteil darstellen. Eine schwer zu kopierende Ressource ist Know-how, das über

Jahrzehnte erarbeitet wurde.66

Eine Ressource kann aus drei Gründen schwer imitierbar sein:67

Die Fähigkeit einer Firma die Ressource zu erlangen kann von historischen Umstän-

den abhängen. Jede Firma beschreitet über die Jahre einen bestimmten strategischen

Pfad, in dessen Verlauf sie einzigartige Ressourcen aufbaut. Diese „Pfadabhängigkei-

ten“ können die Imitierbarkeit einer Ressource erschweren.

Häufig sind Ressourcen mit komplexen sozialen Phänomenen verbunden. Solch

komplexe Phänomene sind die Firmenkultur, die Reputation und die Kundenbasis.

Auch spezifische Vorgehensweisen bei der Nutzung von Infrastrukturen können in

diese Kategorie fallen.

Nicht immer wird der Zusammenhang zwischen den dauerhaften Wettbewerbsvortei-

len einer Firma und deren Ressourcen verstanden. In diesem Fall haben konkurrie-

rende Firmen Schwierigkeiten zu entscheiden, welche Ressource sie kopieren wollen.

Paradoxerweise wird die Imitation einer Ressource umso mehr erleichtert, je besser

sie vom kontrollierenden Unternehmen verstanden wird.

Statt Imitation kann auch Substitution eine Ressource entwerten. Hier stellt insbesondere der

technologische Wandel eine Gefahr dar, da sich Unternehmen plötzlich neue Technologien

zunutze machen können und als neue, effizienter arbeitende Wettbewerber auftreten können68

.

4. Organisation

Einzigartige, wertvolle und nur schwer imitierbare Ressourcen tragen nur dann zum Unterneh-

menserfolg bei, wenn sie auch genutzt werden. Die Firma muss daher so gestaltet werden,

dass ihre Mitarbeiter überhaupt zum Erfolg beitragen können, dürfen und wollen.

Die folgende Tabelle 3 ist ein hilfreiches Instrument, um Ressourcen gemäss VRIO-Framework

adäquat einzustufen. Im weiteren Verlauf der Diskussion wird der Begriff Ressource verwendet,

sofern sie den Kriterien 1-3 genügt. Damit lösen wir den Begriff von der Fähigkeit des Unter-

nehmens, eine Ressource als solche zu erkennen und zu nutzen.

Füglistaller et al.69

erweitern den VRIO-Framework, in dem sie die Fähigkeiten der Organisation

durch die Kriterien Realisierbarkeit, hoher Kundennutzen, und Beitrag zu einem Cashflow er-

setzen. Diese Sichtweise erleichtert die Entwicklung von Strategien bei KMU.

66

Vgl. Travella, R. (2003), S. 86

67 Vgl. Dierickx, I. und K. Cool (1989)

68 Vgl. Travella, R. (2003), S. 88

Page 33: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

33

Is a resource or capability ...

Valuable? Rare? Costly

to imitate?

Exploited

by organization?

Competitive

implications

Economic

performance

No − − No

Yes

Competitive

disadvantage

Below normal

Yes No − Competitive

parity

Normal

Yes Yes No Temporary

competitive

advantage

Above normal

Yes Yes Yes Sustained

competitive

advantage

Above normal

Tabelle 3: Der VRIO Framework70

3.3.2 Gliederung von Ressourcen

Immaterielle Ressourcen

Immaterielle Ressourcen, wie z. B. Vertrauen der Kunden, Beziehungen, Markenbild, Firmen-

kultur, Know-how, Mitarbeiter und Managementfähigkeiten, haben grossen Einfluss auf den

Erfolg von PSF. Diese Ressourcen können im Vergleich zu materiellen Ressourcen nur lang-

sam und mit grossen Anstrengungen erarbeitet werden.71

Immaterielle Ressourcen sorgen für

die Anpassungsfähigkeit einer Firma, sie sind gleichzeitig Input und Output der Geschäftsaktivi-

täten und können in vielfacher Art eingesetzt werden. Im Kapitel 4 wird auf ihre Bedeutung

nochmals im Detail eingegangen.

Materielle Ressourcen

Zu den materiellen Ressourcen wird neben den finanziellen Mitteln die Infrastruktur gezählt, d.h.

alle physisch vorhandenen Produktionsmittel, also Anlagen, Maschinen, Immobilien. Zu den

Ressourcen ist die Infrastruktur nur in sofern zu zählen, als sie dem Unternehmen einen Wett-

bewerbsvorteil verschafft. Diese Ressourcen sind nicht unbedingt in der Bilanz zu finden.72

So

69

Vgl. Füglistaller, U et. al (2003a), S. 41

70 Quelle: Barney, J. B. und D. N. Clark (2007), S. 70

71 Vgl. Itami, H. (1987), S. 12

72 Vgl. Travella, R. (2003), S. 96

Page 34: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

34

darf eine PSF mit Büroflächen in bester Repräsentationslage diesen Umstand - gemäss den

Buchhaltungsrichtlinien - nicht in der Bilanz führen.

Finanzielle Mittel haben den Vorteil, dass sie schnell in andere Arten von Ressourcen überführt

werden können. Sie geben dem Unternehmen vor allem strategischen Spielraum. Es ist aber

hier nochmals anzumerken, dass eine Ressource auch durch die Organisation der Firma ge-

nutzt werden muss, um Unternehmenserfolg zu generieren.

Ressourcentypologie

In Abbildung 7 wird die Ressourcentypologie nach Hall dargestellt.73

Aus Sicht einer PSF beru-

hen Wissens- und Beziehungsressourcen auf Fähigkeiten und Wissen, die im Zusammenhang

mit der Erfüllung von Funktionen stehen. Dies sind vor allem explizites und implizites74

Wissen

sowie die zahlreichen Fähigkeiten zur Interaktion mit Nachfragern und Mitarbeitern.

Auch die Wahrnehmungs- und Verhaltensressourcen sind Fähigkeiten, beziehen sich aber auf

die Sicht nach aussen. Das Erkennen von leistungsbezogenen Qualitätsmerkmalen, eine aus-

geprägte Marktorientierung, sowie optimal an Kunden angepasste Leistungssysteme werden zu

dieser Kategorie gezählt.

Positionierungsressourcen entstehen aus den historischen Handlungen des Unternehmens.

Aus Sicht einer PSF werden dazu Bekanntheit, Reputation und Image gezählt. Diese Faktoren

erlauben eine Positionierung am Markt und helfen Nachfragern, die Eigenschaften des Unter-

nehmens zu beurteilen.

Die rechtlichen Ressourcen umfassen Schutzrechte des Unternehmens gegenüber Dritten, wie

z. B. Patente und Markenrechte.

In den folgenden Abschnitten werden wir uns an der Ressourcentypologie nach Hall orientieren.

73

Vgl. Hall, R. (1992), sowie Travella, R. (2003), S. 92-95

74 Siehe auch die Hinweise zu implizitem und explizitem Wissen in Abschnitt 3.4.1.3

Page 35: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

35

Fähigkeitsunterschiede

Personen

bezug

Funktional Kulturell Positions-

bezogen

Regulatorisch

Imm

ate

rie

lle R

esso

urc

en

Pe

rso

ne

na

bh

äng

ig

Ko

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ete

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n

Ve

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ge

nsw

ert

e

Wissens-

und

Beziehungs-

ressourcen

Wahrnehmungs-

und Verhaltens-

Ressourcen

Positionierungs-

ressourcen

Pe

rso

ne

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na

bhä

ngig

Rechtliche

Ressourcen

Ve

rmö

ge

nsw

ert

e

Ma

terie

lle

Ressou

rcen Finanzielle

und infrastruktu-

relle

Ressourcen

Abbildung 7: Ressourcentypologie nach Hall75

3.4 Empirische Erfolgsfaktoren von KMU

Die strategische Forschung postuliert im Rahmen des RBV einen Zusammenhang zwischen

Ressourcen und Wettbewerbsvorteilen. Welche Ressourcen sind nun für KMU wirklich bedeu-

tend? Welche Ressourcen spielen für den Unternehmenserfolg kaum eine Rolle? Wie kann

eine kleine oder mittlere PSF mit einer Aussicht auf Erfolg ihre Strategie gestalten? Anworten

auf diese Fragen liefert die empirische Forschung. Die Mehrzahl der empirischen Studien be-

zieht sich auf grosse Unternehmen und KMU haben erst in den letzten Jahren zunehmende

Beachtung gefunden.

3.4.1 Die Studien von Shepherd und Wiklund

In mehreren umfangreichen Studien haben Shepherd und Wiklund76

Erfolgsfaktoren von unab-

hängigen KMU untersucht. Die Untersuchung beruht auf der Befragung von mehreren Hundert

75

Quelle: Travella, R. (2003), S. 13 in Anlehnung an Hall, R (1992), S. 140

Page 36: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

36

schwedischen Unternehmen aus den Bereichen PSF, Know-how- und arbeitsintensiver Produk-

tion sowie Handel und nimmt umfangreichen Bezug auf den aktuellen Stand der empirischen

Forschung. Der Vorteil dieser Studien liegt im Vergleich zu angelsächsischen Untersuchungen

in der grösseren kulturellen Nähe zum deutschsprachigen Raum, sie beziehen sich aber nicht

exklusiv auf PSF.

3.4.1.1 Die Begriffe Erfolg und Wachstum

In ihrer ersten Forschungsarbeit definieren Shepherd und Wiklund77

Erfolg als Wachstum mit

Aufnahme neuer, potenziell gewinnbringender Geschäftsaktivitäten, einschliesslich Eintritt in

neue oder etablierte Märkte mit einem neuen oder bereits vorhandenen Produkt. Ihre Erfolgsde-

finition bezieht sich somit nicht direkt auf einen höheren Unternehmensgewinn. Diese Abwei-

chung von einer rein ökonomischen Definition des Unternehmenserfolgs (z. B. EBIT oder ROI)

hat aber auf die Kernaussagen nur geringen Einfluss, da Unternehmensaktivitäten, die keinen

Gewinn abwerfen, in der Regel nach einiger Zeit eingestellt werden. In späteren Studien ver-

wenden die Autoren den Begriff Wachstum mehr im ökonomischen Sinn, d.h. als Umsatzwachs-

tum und das Wachstum der Anzahl Vollzeitäquivalente in Relation zu den Mittbewerbern. Der

Begriff Erfolg wird als gewichtete Werte der Umsatzrendite, der Profitabilität und des Cash flows

im Vergleich zu den Mittbewerbern definiert.

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass der Begriff Erfolg auch noch anders interpretiert wer-

den kann. Die persönlichen Zielsetzungen eines Unternehmers können bei der Erfolgsdefinition

Aspekte wie die Generationenfähigkeit, die Nachhaltigkeit, emotionelle Faktoren, eine gute Fir-

menkultur oder auch eine ausgeglichene Work-Life-Balance integrieren.

3.4.1.2 Wahrnehmungs- und Verhaltensressourcen

Unternehmerische Ausrichtung78

Die unternehmerische Ausrichtung eines Unternehmens (Entrepreneurial Orientation) bezeich-

net eine strategische Handlungsweise, bei der gezielt Ressourcen genutzt und Chancen ergrif-

fen werden. Man kann die unternehmerische Ausrichtung auch als Kombination von drei Di-

mensionen bezeichnen:

Innovationsfreudigkeit (innovativeness): Unternehmen, in denen Offenheit gegenüber

neuen Ideen und technologischen Neuerungen besteht, zeichnen sich häufig durch

Freiheit zu Experimenten und kreativen Prozessen aus. Solche Unternehmen können

weit überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweisen. Sie werden auch als „Engine

of economic growth“ bezeichnet.

76

Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005)

77 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 72

78 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 88 und S. 111

Page 37: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

37

Antizipation (proactiveness): Die Antizipation von zukünftigen Entwicklungen und

Marktbedürfnissen kann First-Mover-Vorteile im Markt bringen.

Übernahme von Risiken (risk-taking): Verlässt man bekannte Pfade, sind Projekte

immer mit Entwicklungs- und Absatzrisiken verbunden. Nicht alle Unternehmen sind

bereit, umfangreiche personelle und finanzielle Ressourcen in solche „Abenteuer“ zu

investieren.

Eine unternehmerische Grundhaltung hat signifikant positive Effekte auf das Wachstum von

KMU.79

Unternehmerisches Umfeld80

Das Erreichen von unternehmerischen Zielen ist allgemein gesehen das Resultat von zwei Fak-

toren:

Der Entscheidungs(-frei)raum eines Managers

Die Wahrscheinlichkeit, dass seine Entscheidung zu einem Erfolg führt

Der Entscheidungsraum wird bei einem KMU-Unternehmer kaum durch Hierarchie einge-

schränkt, aber beschränkte Ressourcen im Bereich der Finanzen, des Humankapitals und des

Wissens können und werden seinen Entscheidungsraum einengen. Es ist naheliegend, dass

das unternehmerische Umfeld, insbesondere das Branchenumfeld, einen Einfluss auf die Un-

ternehmensleistung haben muss.

In einem statischen Marktsegment mit stabiler oder abnehmender Nachfrage entwickelt sich

häufig ein Verdrängungswettbewerb.81

Absatzfördernde Massnahmen wie Werbekampagnen,

Produktvariationen und Preissenkungen können leicht von der Konkurrenz nachgeahmt werden

und sind kaum dazu geeignet, Wachstum zu generieren. In dynamischen, sich entwickelnden

Märkten bieten sich dagegen zahlreiche Möglichkeiten, als Nischenanbieter erfolgreich zu sein.

Tatsächlich kann ein positiver Zusammenhang zwischen Marktdynamik und dem Erreichen von

Wachstumszielen nachgewiesen werden. Dabei wirken die Faktoren Wachstumswille, unter-

nehmerische Ausrichtung und ein dynamisches Umfeld verstärkend aufeinander.

Wille zum Wachstum82

Bereits im einleitenden Kapitel haben wir auf die Handlungsfreiheit von KMU-Unternehmern

hingewiesen. Wird ein Unternehmen auf Wachstum ausgerichtet, sind naheliegenderweise sei-

ne Wachstumschancen tatsächlich grösser, als bei einer Ausrichtung auf eine Beibehaltung des

Status quo. Die Stärke des Zusammenhangs zwischen tatsächlichem Wachstum und der

Wachstumsausrichtung hängt aber nicht nur von den Managementabsichten, sondern auch von

79

Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 88 und S. 111

80 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 111

81 Vgl. Meffert, H. (2008), S. 278

82 Vgl. Shepherd, D.A. und J. Wiklund (2005), S. 29

Page 38: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

38

den persönlichen Eigenschaften (wie z. B. Ausbildung, Erfahrungswissen, Fähigkeiten) der

Manager und vom unternehmerischen Umfeld ab.

3.4.1.3 Wissens- und Beziehungsressourcen

Rolle des Humankapitals

Ausbildung83

Der Ausbildungsgrad eines Managers (gemessen in Anzahl Schul- und Studienjahren) hat kei-

nen direkt messbaren Einfluss auf das Wachstum per se. Es besteht aber ein signifikanter Zu-

sammenhang zwischen dem Ausbildungsgrad und dem Erreichen von Wachstumszielen, sofern

solche definiert wurden. Shepherd und Wiklund interpretieren dieses Ergebnis wie folgt:

Je höher der Ausbildungsgrad, desto grösser sind die Opportunitätskosten. Manager

mit hohem Ausbildungsgrad werden daher ein mit Wachstumschancen verbundenes

Risiko höher bewerten.

Bei expliziten Wachstumszielen fördert ein hoher Ausbildungsgrad das Erkennen und

Realisieren von Marktchancen.

Der Ausbildungsgrad wirkt moderierend auf den Willen zum Wachstum, d.h. er wirkt verstär-

kend oder abschwächend auf das Erreichen von Wachstumszielen. Manager mit tieferem Aus-

bildungsgrad können daher durchaus (bei einer hohen Motivation) innerhalb gewisser Schran-

ken ähnliche Resultate erreichen.

Erfahrung84

Der Spruch „Erfahrung hat noch nie geschadet“ bewahrheitet sich auch im Kontext der Unter-

nehmensleitung. Manager mit mehr Erfahrung im Bereich Start-Up haben eine statistisch höhe-

re Wahrscheinlichkeit für Unternehmenserfolge. Dies ist wenig erstaunlich, wenn man bedenkt,

dass mit der Erfahrung Managementfähigkeiten und Effizienz wachsen.

Wissen85

In einer gesonderten Studie untersuchten Shepherd und Wiklund den Zusammenhang zwi-

schen Wissen (Procedural Knowledge) und Unternehmenserfolg. Dabei wurden elf Fragen ge-

stellt, welche die Stellung des eigenen Unternehmens im Vergleich zu den konkurrierenden

Unternehmen in der Industrie bewerten. Die Fragen bezogen sich auf die Bindung der Mitarbei-

ter an die Unternehmensziele, die technischen Kenntnisse, die Produktentwicklung, die Produk-

tivität, die Servicequalität, die Managementfähigkeiten, die Marktstellung und das Marketing.

83

Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 29

84 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 30

85 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 88

Page 39: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

39

Wie für uns intuitiv naheliegend, besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem

gewichteten Bündel verschiedener Wissenskategorien und dem Unternehmenserfolg. Von noch

höherer Signifikanz ist aber der positive Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und

Wissen, moderiert (d.h. multipliziert) mit der unternehmerischen Ausrichtung. Ein hohes Mass

an Wissen verstärkt also den Effekt der Wachstumsausrichtung einer KMU!

Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Ressource Wissen muss darauf hingewiesen werden,

dass „wirtschaftlich Handelnde sich ihres eigenen Wissens nicht in vollem Umfang bewusst sind

bzw. nicht in der Lage sind, ihr vorhandenes Wissen zu artikulieren“.86

Das implizit vorhandene

Wissen (im angelsächsischen als Tacit Knowledge bezeichnet) ist oft an Personen gebunden

und nicht artikulierbar. Es entzieht sich daher auch der Imitation durch Drittparteien, was einen

effektiven Schutz der Ressource darstellt. Bei Organisationen kann Tacit Knowledge im Rah-

men von Anstellungsverhältnissen genutzt werden,87

oder zu einem Bestandteil der Firmenkul-

tur werden.

Dieser Umstand erklärt, warum grosse PSF vor allem junge Mitarbeiter suchen, die sich noch

vollständig in die Firmenkultur integrieren lassen.88

Beziehungsnetz89

Prägung durch den Unternehmer

Für KMU und deren betrieblichen Erfolg spielt der Unternehmer die zentrale Rolle. Er prägt den

Betrieb durch seine Persönlichkeit sowie durch sein Netzwerk und er ist Antriebskraft in der

Unternehmung. Es hat sich gezeigt, dass sein Einfluss bei überdurchschnittlich erfolgreichen

Unternehmen auch überdurchschnittlich hoch ist. Meistens nimmt der Unternehmer auch im

Marketing eine zentrale Stellung ein. Vom ihm wird mitunter von der „Ressource Unternehmer“

gesprochen. Empirische Untersuchungen haben bestätigt, dass KMU ein „Marketing by networ-

king“ betreiben und dass dieser Ansatz gewinnbringend eingesetzt werden kann.90

Bedingt durch die Aufgabenkumulation prägt der Unternehmer das Marketing umso stärker, je

kleiner die Unternehmung ist. Der Erfolg hängt somit stärker von seiner Persönlichkeit und sei-

nem Netzwerk ab. In KMU wird der Unternehmer sehr direkt mit dem Unternehmen identifiziert

und beeinflusst die Positionierungsressourcen Bekanntheit, Image und Ruf entscheidend. Die

genannten Aspekte führen dazu, dass der Unternehmer einerseits als Katalysator wirken, ande-

rerseits aber auch zum Klumpenrisiko oder zum Flaschenhals werden kann.91

86

Freiling, J. (2001), S. 117

87 Vgl. Freiling, J. (2001), S. 118

88 Vgl. Ringlstetter, M., S. Kaiser und T. Kampe (2007), S. 188

89 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 65

90 Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 3.4.3.

91 Vgl. Travella, R. (2003), S.112ff

Page 40: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

40

Netzwerke

Auch wenn Verträge zwischen juristischen Personen geschlossen werden, entstehen Geschäfte

immer zwischen natürlichen Personen. Das Beziehungsnetz eines KMU-Managers ist daher

von mindestens so grosser Bedeutung, wie seine Ausbildung oder Erfahrung. Business Netz-

werke und eine hohe Dichte an sozialen Kontakten sind grundlegende Ressourcen für KMU.

Ein Netzwerk verschafft nicht nur Zugang zu schwierig auffindbaren Ressourcen, sondern un-

terstützt den Unternehmer auch mit Ratschlägen, Informationen und Empfehlungen. Daher

erstreckt sich dieses Beziehungsnetz nicht nur auf formelle Netzwerke.

Die Mitgliedschaft in Unternehmerverbänden, Clubs und ähnlichen Vereinigungen ermöglicht

einen informellen Austausch und schafft Zugang zu Wissen, das anderweitig kaum zu beschaf-

fen, formell nicht darstellbar und Know-how-intensiv ist.

Auch die Pflege von Beziehungen mit staatlichen Stellen hat positiven Einfluss auf den Unter-

nehmenserfolg. Auch hier besteht der positive Effekt im erleichterten Zugriff auf Ressourcen,

wie z. B. von gesetzlichen Regelungen, Unterstützung bei der Mitarbeitersuche und bei der

Finanzierung.92

3.4.1.4 Finanzielle Ressourcen93

Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass das Erreichen von Wachstumszielen über alle

Branchen und Unternehmen hinweg nicht mit der Verfügbarkeit von finanziellen Ressourcen in

Einklang zu bringen ist. Dies deckt sich mit der Tatsache, dass KMU begrenzte finanzielle Mittel

nicht als einen zentralen Nachteil gegenüber grossen Unternehmen anführen.94

Shepherd und Wiklund argumentieren, dass die leichte Konvertierbarkeit von finanziellen Mit-

teln in Produktionsanlagen und Produkte oder in die Gewinnung von hochqualifizierten Mitarbei-

tern mittels grosszügiger Saläre durchaus für einen Zusammenhang zwischen Unternehmens-

erfolg und einem leichteren Zugang zu Kapital spricht. Dieser Zusammenhang könnte aber

durch Wechselwirkung mit anderen Faktoren verdeckt sein.

Anhand der Daten aus 465 Telefoninterviews und Fragebögen konnten die Autoren statistisch

nachweisen, dass zum Unternehmenserfolg die gekoppelten Faktoren unternehmerische Aus-

richtung, Zugang zu Kapital und die Marktdynamik (d.h. das Produkt „Unternehmerische Aus-

richtung“ x „Marktdynamik“ x „Zugang zu Kapital“) wesentlich beitragen. Leichter Zugang zu

Kapital verstärkt also den schon früher diskutierten Effekt, dass auf Wachstum ausgerichtete

Unternehmen in einem dynamischen Umfeld besonders erfolgreich sind. Dies erstaunt nicht,

können doch finanziell grosszügig ausgestattete Unternehmen viel grössere Risiken bei der

Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen in Kauf nehmen ohne die Firmenexistenz zu

gefährden.

92

Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S.48-54

93 Vgl. Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 111

94 Vgl. Travella, R. (2003), S. 67-70

Page 41: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

41

Umgekehrt scheint in einem statischen Marktumfeld die Ausstattung mit Kapital keine besonde-

re Rolle zu spielen. Hier kann unternehmerische Ausrichtung nicht nur den begrenzten Zugang

zu Kapital kompensieren, sondern sogar zu einem Wettbewerbsvorteil führen. Anscheinend

aktiviert die Kombination von stabilem Umfeld und unternehmerischer Ausrichtung die besonde-

ren Fähigkeiten von KMU.

Abbildung 8: Performance in Abhängigkeit von der unternehmerischen Einstellung

unter Einfluss externer Faktoren95

3.4.1.5 Bedeutung für die unternehmerische Praxis

Eine zusammenfassende Darstellung der empirischen Erkenntnisse von Shepherd und Wiklund

findet sich in Abbildung 9. Betrachtet man dieses Modell etwas näher, stellt man fest, dass die

Ressourcentypen Humankapital, Sozialkapital und Kultur bei KMU von der Person des Unter-

nehmers dominiert werden. Daher können die Erfolgstreiber auf drei Hauptdimensionen redu-

ziert werden, nämlich auf externe Einflüsse, die Person des Unternehmers und das prozedurale

Unternehmenswissen:

95

Quelle: Shepherd, D. A. und J. Wiklund (2005), S. 110

Perf

orm

ance

rela

tive to c

om

petito

rs

Entrepreneurial orientation

Low High

Low

High

Stable environment and low access to capital

Stable environment and high access to capital

Dynamic environment and low access to capital

Dynamic environment and high access to capital

Page 42: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

42

Abbildung 9: Das Erfolgsmodell von Shepherd und Wiklund, eigene Darstellung.

Exte

rne

Ein

flussvaria

ble

n

Inte

rne

Ein

flussvaria

ble

n

Hum

ankapital

Know

-how

S

ozia

lkapital

Unternehmerische

Wachstumsausrichtung

Unternehmens-

erfolg

Umweltdynamik

Zugang zu Kapital

Ausbildungsniveau

Erfahrungsschatz

Kultur

Netzwerk

Beziehungsnetz

Mitarbeiterbindung

Technische Expertise

Produktentwicklung

Marketing

Kundendienst

Ma

rkt

Kapital-

ma

rkt

Produkt von zwei Faktoren

Positiver Einfluss eines gewichteten Faktors

Page 43: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

43

Externe Einflüsse

Faktor Unternehmer

Prozedurales Unternehmenswissen

- Umweltdynamik - Unternehmerische Ausrichtung - Technische Expertise

- Zugang zu Kapital - Ausbildungsniveau, Erfahrungsschatz - Produktentwicklungs-Know-how

- Netzwerk, Beziehungsnetz - Marketingwissen

- Mitarbeiterbindung - Kundendienst

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse kommt der Person des Unternehmers eine überra-

gende Rolle zu. Er führt – statistisch gesehen – ein Unternehmen dann zum Erfolg, wenn er

über eine ausgeprägte unternehmerische Ausrichtung, aussergewöhnliche Networking-

Fähigkeiten und viel Erfahrung verfügt. Bedenkt man, dass bei Kleinunternehmen auch das

Unternehmenswissen durch den Unternehmer kontrolliert wird, werden die Ansprüche an das

Können des Unternehmers noch höher. Vereinigt der Unternehmer diese Fähigkeiten, wird er

selbst zur Ressource schlechthin.

Erkennt ein Unternehmer diese Zusammenhänge, wird er bemüht sein, vor allem die Ressour-

cen „eigenes Netzwerk bzw. „Beziehungsnetz“ und „prozedurale Wissensbasis im Unterneh-

men“ zu stärken. Auf das externe Umfeld kann er mit seinem kleinen oder mittleren Unterneh-

men wenig Einfluss ausüben.

Bei den Studien von Shepherd und Wiklund werden vor allem die prozeduralen Fähigkeiten

analysiert. Die Verankerung von strategischen Fähigkeiten in KMU (im Sinn einer organisatio-

nalen Fähigkeit des RBV) war nicht Gegenstand ihrer Analysen. Auf diesen Aspekt werden wir

im folgenden Abschnitt eingehen.

3.4.2 Die Studie von Sager

In ihrer Dissertation untersucht Sager den Einfluss der strategischen Marketingplanung (SMP)

auf den Erfolg von jungen Wachstumsunternehmen. Junge Wachstumsunternehmen sind „sol-

che Unternehmen, die ursprünglich als originäre und selbstständige Unternehmen gegründet

wurden, einer Wachstumsbranche zugerechnet werden können und zwei bis neun Jahre alt

sind“.96

Die 157 untersuchten Unternehmen gehören mehrheitlich (in abnehmender Reihenfol-

ge) den Branchen Informationstechnologie, Industriegüter, Life Sciences sowie dem Maschi-

nen- und Anlagenbau an und können den KMU zugerechnet werden.97

Die ausgeprägte

Wachstumsausrichtung erfordert zum einen eine aktive Ausrichtung der Unternehmen auf dy-

96

Sager, B. (2005), S. 49

97 Vgl. Sager, B. (2005), S. 196

Page 44: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

44

namische Marktgegebenheiten, zum anderen ausgeprägte Managementfaktoren, um das

Wachstum handhaben zu können.98

Sager entwickelt ein zweistufiges Erfolgsmodell, welches folgende Fragen beantworten soll:99

Stufe 1: Welche Faktoren haben Einfluss auf die SMP?

Stufe 2: Welche Wirkung hat die SMP auf den Unternehmenserfolg?

Die SMP-Aktivitäten werden dabei in drei Bereiche gegliedert:

Unter Rationality wird ein analytisches und objektives Vorgehen bei der SMP verstan-

den, d.h. die Entwicklung von Marketingstrategien auf der Grundlage von gesammel-

ten Informationen und deren Analyse.100

Als Comprehensiveness (Umfassendheit) wird ein Vorgehen definiert, bei dem explizit

alle Teilprozesse der Planung in das in das Konzept eingeschlossen werden.101

Die Dokumentation der SMP-Aktivitäten (kein Dokument; Dokumentation der Pla-

nungsergebnisse; vollständiges Planungsdokument mit einer längerfristigen Perspek-

tive) bildet den dritten Bereich der Gliederung.102

Die Ergebnisse ihrer Untersuchung im Sinn von Wirkzusammenhängen sind in Abbildung 10

vereinfacht dargestellt. Die Rationalität der SMP-Prozesse steigt mit der wahrgenommenen

Umweltunsicherheit, der Grösse des Führungsteams, mit der Führungserfahrung und mit den

Veränderungsabsichten des Unternehmens. Umfassende SMP-Pläne werden dann ausgearbei-

tet, wenn die wahrgenommene Umweltunsicherheit gross ist, externe Kapitalgeber vorhanden

sind und erfahrene Manager das Unternehmen führen. Sowohl die Rationalität als auch die

Umfassendheit haben einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg.

Ein Zusammenhang zwischen SMP-Planungsdokumenten und dem Unternehmenserfolg ist

nicht nachweisbar. Eher scheint die grundsätzliche Auseinandersetzung mit SMP-Fragen von

Bedeutung zu sein, als eine umfassende Dokumentation dieser Anstrengungen.

3.4.2.1 Wahrnehmungs- und Verhaltensressourcen

Strategische Marketingplanung hat einen signifikant positiven Einfluss auf den Erfolg von Un-

ternehmen. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der Mehrzahl der SMP-Studien, die Sager in

ihrer Dissertation analysiert hat.103

SMP wird vor allem dann eingesetzt, wenn erfahrene Mana-

ger mit Veränderungsabsichten in einem dynamischen Umfeld (d.h. bei grosser wahrgenom-

98

Vgl. Sager, B. (2005), S. 44

99 Vgl. Sager, B. (2005), S. 13

100 Vgl. Sager, B. (2005), S. 77

101 Vgl. Sager, B. (2005), S. 76

102 Vgl. Sager, B. (2005), S. 74

103 Vgl. Sager, B. (2005), S. 81

Page 45: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

45

mene Unsicherheit) aktiv sind. Diese organisationelle Fähigkeit zur SMP ist nicht bei allen KMU

vorhanden und daher als Ressource zu betrachten.

3.4.2.2 Wissens- und Beziehungsressourcen

Gerade bei KMU mit einer starken Unternehmerpersönlichkeit oder mit einem kleinen Mitar-

beiterbestand sind Managementfunktionen stark konzentriert.104

Daher ist das Ergebnis, dass

die SMP und davon abhängig der Unternehmenserfolg an die Grösse des Führungsteams ge-

koppelt sind, von grosser Bedeutung. Je mehr Mitarbeiter explizit an den SMP-Aktivitäten betei-

ligt werden, desto grösser wird die Erfolgswahrscheinlichkeit! Es sollte daher ein Eckpfeiler der

Firmenkultur sein, dass Wissen und Können der Mitarbeiter aktiv in die Entwicklung von Unter-

nehmensstrategien einzubinden. Der Nachteil von Kleinstunternehmen ist evident und sollte

eine Wachstumsmotivation sein. Zu ähnlichen Befunden kommt auch Walther in einer Studie

zum Erfolg von Innovationsprojekten, die ebenfalls eine positive Wirkung der Teamgrösse

nachweist.105

3.4.2.3 Finanzielle Ressourcen

Sind externe Kapitalgeber vorhanden, verlangen diese in der Regel umfassende Geschäftsplä-

ne. Oft als lästig empfunden, ist dieser Umstand nicht etwa ein Nachteil, sondern die Beschaf-

fung von finanziellen Mitteln auf dem Kapitalmarkt wirkt als Treiber für die Entwicklung erfolgrei-

cher Unternehmensstrategien.

3.4.2.4 Bedeutung für die unternehmerische Praxis

Die Ergebnisse von Sager öffnen im Vergleich zu den Ergebnissen von Shepherd und Wiklund

eine weitere Dimension. Sie deuten darauf hin, dass eine Verankerung der strategischen Mar-

ketingkompetenzen alleine beim Unternehmer nicht von Vorteil sein muss. Eine Organisation,

welche sich auf die Kenntnisse und Fähigkeiten eines mehrere Personen umfassenden Füh-

rungsteams stützt, hat grössere Erfolgsaussichten. Diese Fähigkeit zur Verteilung von strategi-

schen Kompetenzen ist daher im Sinn des RBV als organisationelle Ressource einzustufen.

Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass von einem Managementteam oder partner-

schaftlich geführte KMU, im Vergleich zu einem allein vom Inhaber geführten Unternehmen,

über bessere Erfolgspotenziale im Sinne des RBV verfügt.

104

Siehe auch die Ausführungen zu KMU in Kapitel 2.

105 Vgl. Walther, S. (2004), S. 216

Page 46: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

46

Abbildung 10: Erfolgsmodell von Sager in vereinfachter Darstellung106

106

Vgl. Sager, B. (2005), S. 222; Darstellung der signifikanten Zusammenhänge

Exte

rne

Ein

flussvaria

ble

n

Inte

rne

Ein

flussvaria

ble

n

Wahrgenommene

Umweltunsicherheit

Externe Kapitalgeber

Mitarbeiterwachstum

Zufriedenheit mit der

Unternehmensentwicklung

Unternehmensentwicklung

im Vergleich zum Mittbe-

werber

Kaufmännische

Ausbildung des Mana-

gements

Grösse des

Führungsteams

Führungserfahrung

des Managements

Wachstumsmotivation

(Umsatz)

Wachstumsmotivation

(Mitarbeiter)

Marketing-relevante

Veränderungs-

absichten

SMP-Dokumentation

(Formality)

SMP-Rationality

(Informationsbasiertheit)

SMP Comprehensiveness

(Umfassendheit)

Umsatzwachstum

Positiver Einfluss eines gewichteten Faktors

Page 47: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

47

3.4.3 Hills Studie zum Marketingverhalten

Die zuvor behandelten empirischen Studien von Shepherd und Wiklund sowie von Sager identi-

fizieren mittels statistischer Methoden Erfolgsfaktoren für den Erfolg von KMU, die vor allem

Branchen mit ausgeprägter Wissensorientierung zugeordnet werden können. Hill hat in einer

2001 veröffentlichten deskriptiven empirischen Studie die Marketingaktivitäten von 57 engli-

schen und irischen KMU im Nahrungsmittelsektor im Zeitraum 1995-1999 untersucht.107

Wichtig

für deren Interpretation ist die Tatsache, dass sich die von Hill untersuchten KMU in einem hoch

kompetitiven Marktumfeld tätig waren. Die Studie zeigt auf, dass sich diese Unternehmen viele

der von Shepherd und Wiklund sowie von Sager ermittelten Erfolgsfaktoren zunutze machen.

Ob dies bewusst oder eher intuitiv geschieht, sei vorerst dahin gestellt. Jedenfalls zeigt Hill’s

Arbeit, dass KMU grundsätzlich über die dazu nötigen Ressourcen verfügen können und in

einem schwierigen Wettbewerbsumfeld in der Lage sind, diese entsprechend zu nutzen und

anzuwenden.

Konterkarierend zu vielen früheren Studien zum Marketingverhalten von KMU stellt Hill fest,

dass die untersuchten KMU durchaus bewusst Marketingplanung betreiben.108

Dies geht einher

mit der Einsicht der Unternehmer bzw. Manager, dass Marketingplanung durchaus wertvoll und

nützlich für den Unternehmenserfolg ist. Das wird einerseits auf entsprechende Anforderungen

von Stakeholdern wie Financiers, Banken, Wirtschaftsförderungsbehörden und -institutionen

zurückgeführt, andererseits auf die vermehrte Beschäftigung von Akademikern mit entspre-

chenden theoretischen Kenntnissen. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Marketingpläne der

betreffenden KMU, insbesondere im Bereich der Werbung, vielfach durch Kooperationen mit

Zulieferern und Kunden und deren Marketing beeinflusst werden.109

Obwohl der Fokus der Marketingentscheidungen und -planung auch in den von Hill beobachte-

ten KMU eindeutig auf der operativen und taktischen Ebene liegt, bedeutet dies nicht, dass

keine strategischen Marketingentscheidungen getroffen werden. Sie sind nur weniger offen-

sichtlich, da die strategischen Entscheidungen anteilsmässig einen kleinen Teil ausmachen,

andererseits weil sie nicht bewusst systematisch geplant, sondern oft im Rahmen von Routine-

oder Ad-hoc-Entscheidungen bzw. intuitiv - aufgrund der langjährigen Erfahrung - getroffen

werden.110

Verknüpft man diese Erkenntnisse mit den Ergebnissen der Studie von Sager, so

kann festgestellt werden, dass die von Hill untersuchten KMU noch wesentlich bessere Ergeb-

nisse erzielen können, wenn sie in der strategischen Marketingplanung rationeller, systemati-

scher und umfassender vorgehen würden. Doch auch dies scheinen KMU im harten Wettbe-

107

Vgl. Hill, J. (2001a), S. 192

108 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 220

109 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 221f

110 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 229

Page 48: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

48

werb erkannt zu haben, denn wie Hill aufzeigt, werden Marketingentscheidungen umso rationel-

ler und überlegter getroffen, je höher das involvierte Risiko ist111

.

Die Studie von Sager belegt auch einen Zusammenhang zwischen der Grösse des am Ent-

scheidungsprozess beteiligten Führungsteams und dem Unternehmenserfolg112

. Zwar ist aus

Hill’s Studie die jeweilige Führungsstruktur nicht ersichtlich, aber zumindest bei höheren Risiken

werden Marketingentscheidungen tendenziell nicht durch den Unternehmer alleine, sondern

gemeinsam mit Beratern oder Partnern aus persönlichen Netzwerken oder strategischen Allian-

zen getroffen. Letzteres trifft insbesondere für KMU zu, die in die Vertriebskanäle eines Netz-

werkes oder einer Kooperation eingebunden sind.113

Ein wesentlicher Teil der Studie von Hill beschäftigt sich mit den Marketingfähigkeiten von KMU.

Im theoretischen Teil wird ein für effektives Marketing notwendiges Spektrum an Fähigkeiten

identifiziert.114

Im empirischen Teil bestätigt sich, dass KMU in einem schwierigen Marktumfeld

in der Regel genau über diese Fähigkeiten verfügen. Dabei handelt es sich um die Grundfähig-

keiten Erfahrung, Wissen115

, Kommunikation, Entscheidungsfähigkeit und Intuition, auf denen

dann weitere Fähigkeiten aufbauen, die stark von der Verkaufsorientierung dieser KMU geprägt

sind.116

Die genannten Marketingfähigkeiten sind jedoch nicht als eigenständig zu verstehen,

sondern sind vielmehr Bündel an Fähigkeiten, die sich hochgradig interaktiv verhalten.117

Die Unternehmen, die in Hill’s Studie untersucht wurden, sind stark verkaufsorientiert und fo-

kussieren sich dabei besonders auf den persönlichen Verkauf. Die Verkaufsorientierung stellt

eine grosse Stärke der KMU dar und kann als eigentlicher Kern ihrer Marketingaktivität angese-

hen werden. Aufgrund der Konzentration auf den persönlichen Verkauf hat die Persönlichkeit

des Verkäufers eine herausragende Bedeutung auf den Verkaufserfolg. Hill arbeitet drei Typen

von Verkaufspersonen heraus: die unternehmerische, die karriereorientierte und die langfristig-

serviceorientierte. Demnach sind KMU besonders dann stark verkaufsorientiert und entspre-

chend erfolgreich, wenn der Verkauf von einer unternehmerischen Person geführt und geprägt

ist. Die unternehmerische Verkauforientierung bestimmt einen grossen Teil der Marketingaktivi-

täten und stellt im konkreten Fall der von Hill beobachteten Unternehmen eine wertvolle Res-

source im Sinne des VRIO-Frameworks dar.118

Der Schwerpunkt der Verkaufsorientierung im Marketing findet auch auf Ebene der Marketing-

fähigkeiten ihr Pendant. Hill stellt fest, dass solche Unternehmen über ein spezifisches Fähig-

111

Vgl. Hill, J. (2001b), S. 225

112 Siehe dazu auch die Studie von Sager, Abschnitt 3.4.2.2.

113 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 224ff

114 Vgl. Hill, J. (2001a), S. 186

115 Vgl. dazu die Ausführungen zur Rolle von expliziten und implizitem Wissen in Abschnitt 3.4.1.3.

116 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 212ff

117 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 216

118 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 217f

Page 49: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

49

keitsspektrum für den Verkauf verfügen, das in zwei Bereiche unterteilt werden kann. Im Be-

reich der Kommunikation („relational communication“) zählen dazu Fähigkeiten wie Persönlich-

keit, Knüpfen von Beziehungen, Verlässlichkeit, Empathie, etc. und im Bereich Verpflichtung

(„commitment“) Fähigkeiten wie Motivation, Enthusiasmus, Vertrauen, Aggressivität, etc.; also

Eigenschaften, die üblicherweise einem Unternehmer zugeschrieben werden.119

Hill hat festgestellt, dass formelle und informelle persönliche Netzwerke in der Praxis seiner

Studienobjekte einen wesentlichen Teil des Marketing ausmachen. Die Netzwerke werden ei-

nerseits intensiv für die Absatzförderung genutzt, wobei hier wieder die Fokussierung auf den

persönlichen Verkauf zum Tragen kommt. Andererseits haben persönliche Netzwerke auch

eine grosse Bedeutung für die Informationsbeschaffung, wodurch letztlich die Qualität von Mar-

ketingentscheidungen verbessert werden kann.120

Zu beachten ist, dass diese empirischen Aussagen zum Marketingverhalten im Kontext des

spezifischen Umfeldes und im Besonderen der Branche der untersuchten Unternehmen zu

sehen sind. Angesichts der grossen Heterogenität des KMU Sektors haben diese daher keine

absolute allgemeingültige Aussagekraft, lassen aber doch wertvolle Rückschlüsse auf Tenden-

zen und Charakteristika des Marketingverhaltens von KMU zu. Für diese Annahme sprechen

auch die Erkenntnisse von Glunk und Wilderom, die im Rahmen einer Studie über die Perfor-

mance von PSF zu erstaunlich ähnlichen Resultaten gelangt sind.121

Betrachtet man diese Resultate im Zusammenhang mit dem im nächsten Teil vorgestellten

Modell, ergeben sich daraus wichtige Hinweise auf strategische Handlungsoptionen.

3.5 Intensität des Marketing

Aus dem RBV heraus ergeben sich die strategische Stossrichtungen für die Unternehmens-

und Marketingplanung. Sie geben aber keinen Hinweis auf die notwendige Intensität der Marke-

tingaktivitäten, die, abhängig von den Unternehmenszielsetzungen und vom Marktumfeld,

höchst unterschiedlich sein kann. Diesen Erklärungsbeitrag liefert das Role and Relevance of

Marketing Model.

3.5.1 Das Role and Relevance of Marketing Model

Simpson und Taylor haben um die Jahrtausendwende ein neues Modell zur Beschreibung des

Marketingverhaltens von KMU entwickelt, das sie als Role and Relevance of Marketing Model

bezeichnen. Dieses Modell verknüpft die Rolle des Marketing innerhalb einer Organisation mit

der Relevanz des Marketing.

Die Rolle des Marketing in der Unternehmung wird durch zwei Faktoren bestimmt:122

119

Vgl. Hill, J. (2001b), S. 214ff

120 Vgl. Hill, J. (2001b), S. 222ff

121 Glunk, U. und C. Wilderom (1998)

122 Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 374f

Page 50: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

50

Aufwand für Marketingmassnahmen (z. B. für Marketingplanung, Entwicklung neuer

Dienstleistungen, Marketingkampagnen, Marktforschung, Marketingcontrolling)

Vorhandensein und Ausgestaltung der Marketingorganisation (Marketingpersonal und

-abteilung, Datenbanken, etc.)

Die Relevanz des Marketing beruht auf zwei Faktoren:123

Geschäftsumfeld (garantierte Geschäfte, Wettbewerbsumfeld, Risiken durch Substitu-

tionsprodukte und neue Wettbewerber, etc.)

Ambitionen und Unternehmensziele (Wachstumsziele, Marktanteilsziele, etc.)

Aus der Kombination von Rolle und Relevanz entstehen die folgenden vier Unternehmensty-

pen: 124

In einem Marketing geführten Unternehmen (Marketing Led Organisation – MLO) ist Marke-

ting ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor und spielt auch eine grosse Rolle bei der Festlegung der

Unternehmensstrategie. Typischerweise sind solche Unternehmen in einem hoch kompetitiven

Wettbewerbsumfeld tätig und daher stark Marketing orientiert.125

Bei Marketing dominierten Unternehmen (Marketing Dominated Organisation – MDO) passt

die Rolle, die das Marketing im Unternehmen spielt, insofern nicht mit den spezifischen Marke-

tingbedürfnissen zusammen, als es aufgrund des Unternehmens- und Marktumfeldes in der

eingesetzten Form und Intensität gar nicht benötigt wird. Dies kann beispielsweise bei Unter-

nehmen der Fall sein, die langfristig von einem oder nur ein paar ganz wenigen Kunden leben

(sog. garantierte Geschäfte), aber trotzdem intensive Marketingaktivitäten an den Tag legen.

Marketing ist in der Strategieentwicklung solcher Unternehmen ein wesentlich mitbestimmender

Faktor.126

Marketing schwache Unternehmen (Marketing Weak Organisation - MWO) weisen ebenfalls

eine Diskrepanz zwischen Rolle und Relevanz auf, wobei in diesem Fall Marketing verglichen

mit den Bedürfnissen stark unterrepräsentiert ist. Mit anderen Worten: für die Erreichung der

Unternehmensziele (z. B. Wachstum, Marktanteil, etc.) oder für die Ausschöpfung des vorhan-

denen Marktpotentials wären im gegebenen Marktumfeld intensive Marketingaktivitäten erfor-

derlich; die Marketingbemühungen des Unternehmens sind im Vergleich dazu sehr gering, un-

koordiniert und weisen in der Regel keine systematisch-strategische Komponente auf. 127

Dazu sind drei Szenarios denkbar:128

123

Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 374f

124 Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 372f

125 Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 373

126 Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 373

127 Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 373f

128 In Anlehnung an Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 373f

Page 51: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

51

Die Unternehmensführung ist sich der Bedeutung und der Nützlichkeit von Marketing

in ihrer konkreten Marktposition gar nicht bewusst. In diesem Fall kann vor allem

durch die Einbringung und den Einsatz von qualifiziertem Marketingwissen Abhilfe ge-

schaffen werden.

Die Marketingbemühungen haben in der Vergangenheit nicht die gewünschte Wirkung

erzielt und wurden daher reduziert oder gar eingestellt. Auch hier kann eine Analyse

der Gründe für das Scheitern Optionen für zukünftiges Handeln aufzeigen (z. B. Ein-

bringen von neuem Marketingwissen und Fokussierung sowie Verbesserung der Mar-

ketingaktivitäten),

Die Unternehmensführung verfolgt gar keine Wachstumsziele, obwohl Marktpotenzial

vorhanden wäre. Gründe dafür können etwa im persönlichen Umfeld des Unterneh-

mers liegen (z. B. keine Nachfolger in der Familie, Work-Life-Balance Prioritäten) oder

in strategischen Zielsetzungen (z. B. Verfolgung einer Abschöpfungsstrategie in einem

wenig zukunftsträchtigen Geschäft).

In Marketing unabhängigen Unternehmen (Marketing Independent Organisation -

MIO) entspricht die unbedeutende Rolle des Marketing der geringen Relevanz des

Marketing für das (gegenwärtige) Geschäft. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das

Geschäft aufgrund langfristiger Verträge mit einem oder wenigen grossen Kunden ga-

rantiert ist. Die Gefahr besteht jedoch in der direkten Abhängigkeit des Unternehmens

von ganz wenigen Kunden (Klumpenrisiko). Die Intensivierung von Marketingbemü-

hungen zur Diversifikation der Produkte und /oder der Abnehmerseite könnte in die-

sem Fall eine Handlungsoption sein, um das Klumpenrisiko zu vermindern.129

Rolle

des M

ark

etin

g

(inte

rne P

ers

pektive)

hoch

Marketing-dominiertes

Unternehmen (MDO)

Marketing-geführtes

Unternehmen (MLO)

gerin

g

Marketing-unabhängiges

Unternehmen (MIO)

Marketing-schwaches

Unternehmen (MWO)

gering hoch

Relevanz des Marketing

Abbildung 11: Role and Relevance of Marketing - Model130

129

Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 374

130 Quelle: Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 372

Page 52: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

52

3.5.2 Strategische Handlungsoptionen

Aufgrund der Qualifikation einer KMU anhand des Role and Relevance Models lassen sich

Schlüsse ziehen, inwieweit Handlungsbedarf besteht und in welche Richtung sich das Unter-

nehmen strategisch weiterentwickeln soll. Obwohl dem Modell grundsätzlich der Outside-In-

Gedanke im Sinn des MBV zugrunde liegt,131

ist es unerlässlich, bei der Auswahl und Entwick-

lung einer Strategie die jeweiligen unternehmensspezifischen Ressourcen und Ressourcenent-

wicklungsmöglichkeiten mit einzubeziehen. Dies vorausgesetzt, können grundsätzlich vier stra-

tegische Stossrichtungen unterschieden werden:132

1. Intensivierung der Marketingaktivitäten

Sofern ein kleines oder mittleres Unternehmen nicht bedingungslos der Kategorie MIO zuge-

rechnet wird und nicht spezifische Gründe (z. B. persönliche Präferenzen oder Situation des

Unternehmers oder eine spezielle Strategie) dagegen sprechen, sollte die Unternehmensfüh-

rung das Marketing in Richtung MLO entwickeln. Anlass zu einer Intensivierung des Marketing

können folgende Umstände geben:

Das Marketing ist gemessen an den Anforderungen der eigenen Geschäftstätigkeit

oder der bearbeiteten Märkte unterdimensioniert.

Die Erschliessung neuer Geschäftsbereiche oder Märkte erfordert eine Intensivierung

des Marketing.

In beiden Fällen müssen Ressourcen aufgebaut werden, wie z. B. eine adäquate Marketingor-

ganisation, spezifisches Marketingwissen, Institutionalisierung und Systematisierung des Mar-

ketingplanungsprozesses sowie des Marketingcontrollings. Die Überlegungen zu den Erfolgs-

treibern133

lassen erwarten, dass auch beim Aufbau der Marketingressourcen der Unterneh-

mensspitze eine zentrale Funktion zukommen wird.

2. Beibehaltung der gegenwärtigen Position

Kommt eine Firma zum Schluss, dass sie Marketing in ausreichendem Masse und ausreichen-

der Qualität betreibt, besteht kein Handlungsbedarf. Erkennt sie allerdings neue Marktchancen,

die sie verfolgen will, ist sie mit der Notwendigkeit einer Intensivierung wie oben beschrieben

konfrontiert.

3. Reduktion der Marketingintensität

Es ist möglich, dass ein Unternehmen im Verhältnis zu den Anforderungen seines Geschäftes

zu viel Marketing betreibt. In diesem Fall kann es Sinn machen, die Marketinginvestitionen zu

reduzieren. Analog ist vorzugehen, wenn die Beobachtung der Marktverhältnisse eine Redukti-

on der Geschäftstätigkeit nahelegt (z. B. Rückzug aus bestimmten Märkten wegen schlechter

Rentabilität).

131

Siehe die Ausführungen zum MBV in Abschnitt 3.2.1.

132 Vgl. Simpson, M. und N. Taylor (2002), S. 375ff

133 Siehe dazu auch Abschnitt 3.4

Page 53: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

53

4. Eliminierung des Marketing

Die Eliminierung der Marketingaufwendungen kommt nur dann in Betracht, wenn das beste-

hende Geschäftsvolumen mit grosser Sicherheit garantiert ist und daher Marketingbemühungen

weitgehend sinnlos sind bzw. der Unternehmer kein Wachstum anstrebt. Akzeptabel ist ein

solches Vorgehen auch infolge kurz- bis mittelfristiger Liquiditäts- oder Finanzierungsengpässe

oder im Rahmen einer Abschöpfungs- oder Exitstrategie. Als nachhaltige Unternehmensstrate-

gie, die den langfristigen Erfolg des Unternehmens zum Ziel hat, ist diese Handlungsoption

kaum geeignet.

Page 54: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

54

Kapitel 4 Strategien und Instrumente der Kommunikation bei PSF

4.1 Einleitung

Kommunikation ist der Austausch, die Übermittlung und die Aufnahme von Informationen zwi-

schen Personen. Sie spielt bei der Gewinnung von neuen und bei der Bindung bestehender

Kunden eine entscheidende Rolle. Besonders kleine und mittlere PSF, die ohne professionelle

Marketingabteilung auskommen müssen, stellt die Entwicklung von wirksamen Kommunikati-

onsstrategien als ein Teil des gesamten SMP-Prozesses vor Herausforderungen, die folgendes

Zitat von Konrad Lorenz treffend beschreibt:

„Gedacht heißt nicht immer gesagt, gesagt heißt nicht immer richtig gehört, gehört

heißt nicht immer richtig verstanden, verstanden heißt nicht immer einverstanden,

einverstanden heißt nicht immer angewendet, angewendet heißt noch lange nicht

beibehalten.“ Konrad Lorenz (1903-89), österreichischer Verhaltensforscher, 1973

Nobelpreis

In diesem Kapitel wird daher auf die besonderen kommunikativen Bedürfnisse bei der Vermark-

tung von professioneller Dienstleistung detailliert eingegangen.

4.2 Theoretischer Rahmen

Als Grundlage für das Verständnis der Informationsprobleme zwischen den Nachfragern und

Anbietern von professionellen Dienstleistungen werden die Theorien der Neuen Institutionenö-

konomik in den folgenden Abschnitten kurz vorgestellt. Darauf folgt eine kurze Erläuterung zu

den Wirkungsmechanismen der persönlichen Kommunikation im Vergleich zur Massenkommu-

nikation an.

4.2.1 Theorien der neuen Institutionenökonomik

Der zentrale Ansatz der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) aus Sicht des Marketing ist die

Annahme von Informationsasymmetrien zwischen den Marktteilnehmern.134

Unter dem Begriff

NIÖ wird keine eigene, in sich geschlossene Lehre, sondern eine Bündelung verschiedener

Ansätze verstanden, die Kooperations- bzw. Motivationsprobleme bei der Interaktion von Wirt-

schaftssubjekten aus verschiedenen Perspektiven betrachten.135

Entsprechende Lösungen

134

Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 82

135 Vgl. Walbert, G. (2006), S. 89

Page 55: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

55

werden in von Form von Institutionen erarbeitet, zu denen das Dienstleistungsmarketing als

Mittel zum Abbau von Informationsasymmetrien gezählt wird.

4.2.1.1 Informationsasymmetrie als Geschäftsgrundlage von PSF

Der Markt für professionelle Dienstleistungen beruht grundsätzlich auf Informationsasymmetrien

zwischen Nachfragern und Anbietern136

:

Der Nachfrager sucht eine Lösung für eine unstrukturierte (in der Terminologie von

Ringlstetter als „bösartig“ bezeichnete) Problemstellung.137

Der Nachfrager als prozessauslösendes und –begleitendes Element hat Vorstellungen

zur Ausgestaltung und zum Individualisierungsbedarf während der Dienstleistungser-

stellung (externer Faktor).

Beim Nachfrager bestehen Unsicherheiten bezüglich des Kaufentscheids, weil er un-

ter dem Gesichtspunkt der Immaterialität von Kontraktgütern weder die Kompetenz

noch die Absichten des Transaktionspartners vollständig beurteilen kann.

Die PSF als Anbieter verfügt über einen Informationsvorsprung bezüglich ihrer für die

Dienstleistungserstellung im Rahmen der unstrukturierten Aufgabenstellung einsetz-

baren Potenzialfaktoren wie das Fachwissen, die Erfahrung und die Problemlösungs-

fähigkeit.

Der Nachfrager ist bereit, für den Wissensvorsprung des Anbieters zu bezahlen. Der

Wert dieses Wissensvorsprungs und damit auch der realisierbare Marktpreis hängen

von der Knappheit der Potenzialfaktoren, der wahrgenommenen Qualität und von der

Dringlichkeit des Bedürfnisses beim Nachfrager ab.

Im Lauf der Leistungserstellung erwerben sowohl der Nachfrager als auch der Anbie-

ter zusätzliche Kenntnisse. Verändern sich die Bedürfnisse des Nachfragers über län-

gere Zeit nicht, wird er auf der Grundlage der erworbenen Kenntnisse professionelle

Dienstleistungen extern gezielter beschaffen oder auch intern erstellen. Ein Abbau der

Informationsasymmetrie im Bereich der Potenzialfaktoren kann für den Anbieter nega-

tive Konsequenzen haben.

Für eine Zusammenfassung dieser Informationsprobleme wird auf Abbildung 12 verwiesen.

136

Young, L. (2005), S. 64

137 Ringlstetter, M. et al. (2004), S. 13

Page 56: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

56

Abbildung 12: Informationsprobleme zwischen Dienstleistungsanbieter und -nachfrager138

4.2.1.2 Ansätze der Informationsökonomik

Die Informationsökonomik untersucht die Funktionsweise von Märkten bei Unsicherheit und

asymmetrisch verteilten privaten Informationen. Sie analysiert die Ursachen derartiger Informa-

tions- und Unsicherheitsprobleme, ihre möglichen Konsequenzen und formuliert alternative

Massnahmen, um diese zu beheben.

Im Rahmen der Informationsökonomik wurde eine Typologie von Gütereigenschaften entwi-

ckelt, die auf den folgenden drei grundlegenden Kategorien basiert139

:

Sucheigenschaften (oder Inspektionseigenschaften) sind Qualitätscharakteristika ei-

ner Leistung, die vor Vertragsabschluss durch den Nachfrager ohne grosse Mühen

und Kosten mittels Inspektion oder Informationssuche zuverlässig beurteilt werden

können. Je grösser der Anteil dieser Eigenschaftskategorie ist, umso geringer ist prin-

zipiell die Verhaltensunsicherheit, da Opportunismus grösstenteils ausgeschlossen

werden kann.

Erfahrungseigenschaften sind gegeben, wenn die Qualitätsbeurteilung durch den

Kunden erst nach Vertragsabschluss, d.h. bei Konsum, Nutzung oder Dienstleis-

tungsproduktion widerspruchsfrei möglich ist. Die Gefahr opportunistischen Verhaltens

des Anbieters ist vor Inanspruchnahme der Leistung (tendenziell) gegeben.

138

Quelle: Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 82

139 Vgl. Walbert, G.(2006), S. 95; sowie Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 85

Leistungsfähigkeit

des Anbieters

Immaterialität

der Leistung

Integration des

externen Faktors

Anbieter Informationsprobleme Nachfrager

Informationsangebote

Leistungspotenziale

- Mitarbeiter

- Sachgüter

- Technologien

Probleme der Leistungsbe-

urteilung aufgrund hoher

Erfahrungs- und Vertrau-

enseigenschaften

Probleme der Leistungser-

stellung aufgrund mangeln-

der Kenntnis von Individua-

lisierungsbedarf und Indivi-

dualisierungsfähigkeit

Risikowahrnehmung

Involvement

Einbringung eigener

Beiträge in den Leis-

tungserstellungsprozess

Page 57: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

57

Vertrauenseigenschaften können weder vor noch nach Vertragsabschluss oder zu-

mindest nicht direkt durch den einzelnen Nachfrager evaluiert werden. Der Nachfrager

ist hier den Informationen des Anbieters und damit in besonderem Masse seinem

(möglichen) Opportunismus ausgeliefert. Gründe für die Schwierigkeit bei der Beurtei-

lung der Eigenschaften können auf den Wissensstand des Nachfragers zurückgeführt

werden, auf die zu hohen Kosten der Informationsbeschaffung und/oder auf externe

Einflüsse, die das Ergebnis mit beeinflussen.

Im Rahmen dieser Typologisierung können der Kauf eines Fernsehers als ein reiner Suchkauf,

ein Besuch bei Schönheitschirurgen als Vertrauenskauf und ein Haarschnitt zwischen Erfah-

rungs- und Vertrauenskauf eingeordnet werden. Generell erhöht sich mit steigendem Anteil an

Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften der Grad an Informationsdefiziten und Unsicherheit.

Erschwert wird die Zuordnung von Dienstleistungen zu den drei Kategorien durch mehrere Fak-

toren:

Die Einschätzung hängt nicht von objektiven Kriterien, sondern von der Wahrnehmung

der Marktteilnehmer ab.140

Mit der Dauer der Geschäftsbeziehung verändert sich aus Kundenperspektive die

Einordnung einer Leistung. Mit zunehmender Erfahrung können ursprüngliche Erfah-

rungs- und auch Vertrauenseigenschaften durchaus in Sucheigenschaften transferiert

werden.141

Mit Hilfe von Qualitätssurrogaten können Erfahrungs- und z.T. auch Vertrauenseigen-

schaften tendenziell als Sucheigenschaften aufgefasst werden. Solche Surrogate sind

z. B. Marken, Warentests oder Qualitätssiegel.142

Obwohl eine Dienstleistung in ihrer Gesamtheit gut charakterisiert werden kann, kön-

nen einzelne Leistungsteile unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden. So

können bei Logistikleistungen überwiegende Teile erst nach Inanspruchnahme beur-

teilt werden (Erfahrungseigenschaften), gleichzeitig besteht aber eine hohe Preissen-

sitivität (Sucheigenschaften).143

140

Vgl. Weiber, T. und J. Alder (1995), S. 99f

141 Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006) S. 87

142 Vgl. Schmidt, I. und S. Elsser (1992), S. 59

143 Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 87

Page 58: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

58

Implikationen für die Kommunikation

Die Informationsökonomik geht davon aus, dass die Marktteilnehmer durch Suchen und Ver-

werten von privaten Informationen ihre Informationsdefizite und Unsicherheiten verringern wer-

den.

„Je grösser das wahrgenommene Kaufrisiko, umso stärker wird das Bedürfnis nach

zusätzlichen Informationen.“144

Dabei werden nicht nur die PSF als Anbieter Informationsangebote zur Verfügung stellen, son-

dern Anbieter und Nachfrager werden sowohl Informationen aussenden (Signaling) als auch

suchen (Screening):

Anbieter versuchen mittels Signalen auf ihre besonderen Kompetenzen und Qualitä-

ten aufmerksam zu machen (Signaling). Diese Aktivitäten haben die Funktion, glaub-

würdige Informationen über die Fähigkeiten der PSF zur Problemlösung und zur Integ-

ration des externen Faktors zu übermitteln.

Nachfrager versuchen durch gezieltes Suchen relevanter Informationen ihrem Bedürf-

nis nach Risikominimierung nachzukommen (Screening). Sie werden daher vor allem

bei der erstmaligen Inanspruchnahme einer professionellen Dienstleistung Ver-

gleichsangebote und Referenzauskünfte (Mund-zu-Mund-Kommunikation) einholen.

Während diese beiden Aktivitäten sicherlich in quantitativer Hinsicht dominieren, können die

beiden folgenden Aktivitäten nicht vernachlässigt werden:

Anbieter werden sich über das Branchenumfeld und die individuellen Bedürfnisse des

Nachfragers sowie über dessen Zuverlässigkeit und Bonität zu informieren, um ihrer-

seits hohe Risiken bezüglich der eigenen Reputation und der Honorierung auszu-

schliessen (Screening).

Nachfrager werden ihre konkreten Individualisierungsbedürfnisse den Anbietern

kommunizieren, um eine optimale Lösung für ihre Problemstellung zu erhalten. Ferner

werden Nachfrager daran interessiert sein, selber als zuverlässiger Geschäftspartner

wahrgenommen zu werden, um Top-Anbieter von professionellen Dienstleistungen

anzuziehen (Signaling).

Eine Zusammenfassung der Kommunikationswege beim Signaling und Screening zeigt

Tabelle 4.

144

Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 251

Page 59: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

59

Anbieter Nachfrager S

igna

ling

Information Informationen

für den Nachfrager

Leistungsqualität

Servicegarantien

Reputation/Image

Informationen

für den Anbieter

Zahlungsfähigkeit

Zuverlässigkeit

Kooperationsfähigkeit

Aktivität Klassische Werbung

Direktmarketing

PR/Sponsoring

Liquiditätsnachweis

Persönliche Kommunikation

Selbstbindungen

Scre

en

ing

Information Informationen

über den Nachfrager

Kundenzufriedenheit

Kundenerwartungen/Einstellungen

Kaufkraft/Bonität

Informationen

über den Anbieter

Leistungsfähigkeit

Preis-Leistungs-Niveau

Qualitätszertifikate

Aktivität Klassische Marktforschung

Persönliche Kommunikation

Beschwerdemanagement

Persönliche Kommunikation

Testkäufe/Preisvergleiche

Testzeitschriften

Tabelle 4: Screening und Signaling als Prozess der Marktinformation145

4.2.1.3 Ansätze der Transaktionskostentheorie

Die Transaktionskostentheorie beschäftigt sich mit der Effizienz - ausgedrückt als Kosten - bei

der Koordination ökonomischer Aktivitäten. Transaktionen sind dann als effizient einzustufen,

wenn die Marktteilnehmer diese so organisieren, dass sie im Vergleich zu anderen Organisati-

onsformen die geringsten Transaktions- und Produktionskosten aufweisen.146

Transaktionskosten entstehen nicht nur während der Erstellung einer Dienstleistung, sondern

auch während der Vertragsvereinbarung (Ex-ante-Transaktionskosten) z. B. für:

Informationsbeschaffung über die Preise der Dienstleistung und über die einzusetzen-

den Faktoren.

Suche nach einem Anbieter, sowie Qualitätsbeurteilung des Anbieters.

Aushandlung und Vereinbarung der Vertragskonditionen.

und nach der Leistungserstellung (Ex-post Transaktionskosten) für

Kosten für Kontrollarbeiten.

Durchsetzung nachträglicher Vertragsanpassung und von Garantieleistungen.

Vor allem die Ex-post-Transaktionskosten werden von den Vertragspartnern oft als bedeutsam

angesehen, da Dienstleistungsverträge in der Regel unvollständig formuliert und Vertragsan-

145

Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 91

146 Vgl. Williamson, O. E. (1985), S. 22

Page 60: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

60

passungen zu erwarten sind. Es ist offensichtlich, dass an einer Senkung der Transaktionskos-

ten sowohl der Nachfrager als auch der Anbieter interessiert sind.147

Die Transaktionskosten werden im Rahmen der Theorie durch folgende drei Faktoren massge-

bend beeinflusst:

Faktorspezifität: PSF erstellen hoch spezifische Leistungen, die nur von wenigen

Konkurrenten angeboten werden können. Die ausgeprägte Individualisierung der Leis-

tungen (durch die Integration des externen Faktors) verursacht hohe transaktionsspe-

zifische Investitionen. Daher entstehen im Fall eines Anbieterwechsels im Verlauf der

Leistungserstellungsphase für den Nachfrager zunehmende Kosten, welche die Be-

ziehung zwischen den Vertragspartnern hin zu einer höheren Abhängigkeit vom An-

bieter verschieben. Diese Situation kann sich der Anbieter im Rahmen von opportunis-

tischem Handeln zunutze machen und überhöhte Preise bei Vertragsanpassungen

fordern. Gleichzeitig binden diese spezifischen Investitionen in Humankapital den

Nachfrager, sodass sich der Anbieter bei Verhandlungen für Folgeverträge gegenüber

den Wettbewerbern in einer vorteilhaften Situation befindet.

Unsicherheit: Marktentwicklungen und anderen exogene Faktoren sowie die be-

grenzte Rationalität der Vertragspartner verhindern eine Vereinbarung vollständiger

Verträge. Daher werden in Dienstleistungsverträgen meist Informationspflichten, An-

passungsmechanismen und Garantieklauseln vereinbart, welche das Risiko von op-

portunistischem Verhalten und damit verbundene Transaktionskosten begrenzen sol-

len.

Transaktionshäufigkeit: Mit zunehmender Transaktionshäufigkeit sinken in einer

Geschäftsbeziehung die Transaktionskosten, da grundlegende Informationen aus vor-

hergehenden Transaktionen bekannt sind. Such-, Wechsel-, Informations- und Ver-

tragskosten können bei Folgegeschäften weitgehend vermieden werden.

Implikationen für die Kommunikation

Die Transaktionskosten begünstigen im Dienstleistungsgeschäft bestehende Geschäftsbezie-

hungen, da auf Seiten den Kunden Such-, Wechsel- und Informationskosten vermieden wer-

den.

Wollen PSF in bestehende Geschäftsbeziehungen eindringen und neue Kunden gewinnen,

müssen sie die Transaktionskosten für den Nachfrager gering halten. Neben den im vorherge-

henden Abschnitt genannten Verfahren des Signaling und Screening kommt der Mund-zu-

Mund-Kommunikation eine zentrale Rolle zu.148

Potenzielle Kunden können ihre Transaktions-

kosten senken, da sie sich auf die Leistungserfahrung von Dritten verlassen!149

147

Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 92

148 Siehe Abschnitt 4.2.2

149 Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 93

Page 61: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

61

4.2.1.4 Ansätze der Principal-Agent-Theory

Die Prinzipal-Agent-Theorie untersucht Beziehungen, bei denen die Wirtschaftssubjekte in ihrer

Entscheidungsfindung durch Unsicherheit und Informationsasymmetrien eingeschränkt sind.

Wie in Abschnitt 4.2.1.1 diskutiert wurde, sind Unsicherheiten und Informationsasymmetrien im

Dienstleistungsgeschäft besonders ausgeprägt.

Prinzipal-Agent-Beziehungen beruhen auf Delegationsverhältnissen bezüglich Entscheidungs-

kompetenzen. Probleme innerhalb der Beziehung entstehen aufgrund der unterschiedlichen

Interessen des den Auftrag Delegierenden (Prinzipal, Auftraggeber) und des Ausführenden

(Agent, Auftragnehmer) sowie aus dem diskretionärem Entscheidungsspielraum des Agenten,

der sich aus seiner besseren Informationslage und der unzureichenden Kontrollierbarkeit seiner

Handlungen und Leistungsqualität ergibt.150

Unterstellt man beiden Beteiligten ein Verhalten als

Nutzenmaximierer, besteht für den Prinzipal die Gefahr von Wohlfahrtseinbussen zugunsten

des Agenten. Der Prinzipal wird daher Anreiz- und Kontrollsysteme schaffen, um opportunisti-

sches Verhalten von Seite des Agenten soweit als möglich auszuschliessen.

Im Rahmen der Principal-Agent-Theorie werden verschiedene Grundtypen an Unsicherheiten

postuliert:

Hidden Characteristics sind Verhaltens- und Leistungsmerkmale, die ex ante (vor

Vertragsabschluss) dem Agenten bekannt sind und über die er den Prinzipal nicht in-

formiert. Besonders bei PSF, deren Leistungen einen hohen Anteil an Erfahrungs- und

Vertrauenseigenschaften besitzen und deren Erstellung vorwiegend auf menschlicher

Arbeitskraft beruht, haben diese Merkmale hohe Bedeutung. Für den Prinzipal besteht

die Gefahr einer Negativauslese (Adverse Selection), d.h. das Risiko, aus mehreren

Anbietern einen Kooperationspartner auszuwählen, dessen Verhaltens- und Leis-

tungseigenschaften nicht mit den eigenen Vorstellungen vereinbar sind.

Hidden Actions: Der Prinzipal kann die Erstellung einer professionellen Dienstleis-

tung nicht lückenlos überwachen, noch kann er aufgrund der hohen Komplexität alle

Handlungen des Agenten hinsichtlich Nutzen und Qualität beurteilen. Der Agent kann

in dieser Situation die Beschränktheit des Prinzipals ausnützen und eigennützig han-

deln (Moral Hazard). Hidden Actions setzen nicht voraus, dass die Informations-

asymmetrie aufgelöst wird, d.h. das opportunistische Handeln des Agenten kann

durchaus während der gesamten Interaktionsdauer mit dem Prinzipal unerkannt blei-

ben.

Hidden Intentions: Unter diesem Begriff werden geheime Absichten des Agenten

verstanden, während der Dienstleistungserstellung in der Interaktion mit dem Prinzipal

opportunistisch zu handeln. Im Gegensatz zu Hidden Actions kündigt der Agent seine

für den Prinzipal nachteilige Handlungen offen nach Vertragsabschluss (ex-post) an.

Aufgrund von Bindungspotenzialen (meist in Form von Faktorspezifität) kann die Koo-

150

Vgl. Walbert, G. (2006), S. 113

Page 62: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

62

peration nicht ohne Nachteile aufseiten des Prinzipals beendet werden. Die entstan-

dene Situation wird als Hold-up bezeichnet und beinhaltet das wissentliche und op-

portunistische Ausnutzen von Vertragslücken.

Implikationen für die Kommunikation

Im Dienstleistungsbereich sind alle drei Arten von Informationsasymmetrien von grosser Bedeu-

tung. Ein Anbieter von professionellen Dienstleistungen muss zur Reduktion der Unsicherheiten

eindeutige Signale (Signaling) senden, die von keinem schlechteren Mitbewerber imitiert wer-

den können.151

Da die Leistungen nicht ausreichend kontrollierbar sind, reichen einfache Garan-

tien und Informationen zur Behebung der Informationsasymmetrien nicht aus. Der Agent hat

daher die Aufgabe, langfristig eine Reputation aufzubauen, welche als Mass von akkumuliertem

Vertrauenskapital verstanden werden kann.152

Diese Aspekte werden in Abschnitt 4.3.1 vertieft.

Eine Zusammenfassung der Lösungsansätze aus Sicht der Prinzipal-Agent-Theorie zeigt

Tabelle 5.

151

Vgl. Henkens, U. (1992), S. 102f

152 Vgl. Schmitz, G. (1997)

Page 63: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

63

Informations- asymmetrien

Kriterien

Hidden

Characteristics

Hidden

Actions

Hidden

Intentions

Entstehungszeitpunkt Vor Vertragsab-

schluss;

vor der Interaktion

Nach Vertragsab-

schluss; während

der Interaktion

Nach Vertragsab-

schluss; während der

Interaktion

Grundlage der Unsi-

cherheit

Ex-ante vorgegebe-

ne Eigenschaften

Ex-post nicht beo-

bachtbare (und be-

urteilbare) Aktivitä-

ten des Agenten

Ex-ante verborgene

Absichten des Agenten

Interpretation resp.

Einflussgrössen der

Unsicherheit

Begabung, Talent,

Qualifikation

Anstrengung, Fleiss,

Sorgfalt

Entgegenkommen, Ku-

lanz, Fairness

Problemursache Informations-

ineffizienz

Ressourcen-

plastizität

Ressourceneinmaligkeit;

Spezifität; transaktions-

spezifische Investitionen

Probleme, resultieren-

de Gefahr

Adverse Selection Moral Hazard Hold-up

Lösungsmöglichkeiten,

institutionelles Design

Signaling (z. B.

auch mit Zertifika-

ten); Screening

Anreiz- und Kont-

rollsysteme, Repu-

tation, Marke

Autorität,

Referenzen,

Reputation, Marke

Beispiele Qualifikation des

Personals für Prin-

zipal nicht überprüf-

bar

Mangelhafte Leis-

tungserstellung

Unzureichender Leis-

tungswille des Perso-

nals

Tabelle 5: Zusammenhang zwischen Grundtypen der Informationsasymmetrie,

den daraus resultierenden Problemen und Lösungsansätzen153

153

In Anlehnung an Walbert, G. (1996), S. 119

Page 64: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

64

4.2.2 Massenkommunikation oder persönliche Kommunikation?

Aus den Theorien der NIÖ leiten sich zahlreiche Kommunikationsbedürfnisse ab. Nicht geklärt

ist aber die Frage, welche Form der Kommunikation für PSF grundsätzlich geeignet ist. Daher

werden an dieser Stelle die Wirkungsmechanismen von Massenkommunikation und persönli-

cher Kommunikation verglichen.

Der Erfolg der Kommunikationspolitik hängt davon ab, ob es gelingt, ökonomisch effizient zwi-

schen Anbietern und Nachfragern zu kommunizieren. Vergleicht man die Wirkungen von Face-

to-Face- (persönlicher) Kommunikation mit medialer (Massen-)Kommunikation, erweist sich die

persönliche Kommunikation als überlegen. So postulieren Kroeber-Riel und Weinberg:

„Persönliche Kommunikation ist wirkungsvoller als Massenkommunikation.“ 154

Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern bereits seit Jahrzehnten ist die Wirkung von persönli-

cher und von Massen-Kommunikation Gegenstand zahlreicher Studien. Als wesentliche Ursa-

che für die höhere Effizienz von persönlicher Kommunikation wurden drei Faktoren identifi-

ziert:155

Grössere Glaubwürdigkeit und stärkere soziale Kontrolle des Kommunikators.

Eine bessere selektive Informationsaufnahme durch die Kommunikationsadressaten.

Grössere Flexibilität beim Informationsaustausch.

Die grössere Glaubwürdigkeit und stärkere soziale Kontrolle von persönlicher Kommunikation

trifft allerdings nur auf die Kommunikation von Personen, die nicht dem Unternehmen zuzu-

rechnen sind, zu. Diese Vorteile kommen insbesondere bei der Mund-zu-Mund-Propaganda

und persönlicher Empfehlungen zum Tragen.

Die grössere Glaubwürdigkeit wird auf die nicht kommerzielle Motivation bei privater Kommuni-

kation zurückgeführt. Die Tatsache, dass sich die Gesprächspartner in der Regel wiederholt

begegnen, gibt dem Kommunikator Gelegenheit zu prüfen, ob und wieweit seine Ratschläge

und Empfehlungen übernommen wurden. Aufgrund dieser sozialen Kontrollfunktion fühlt sich

der Kommunikant oft an die Ratschläge und Empfehlungen des Kommunikators gebunden.156

Die selektive Informationsaufnahme ist ein psychischer Schutzmechanismus, der die Aufnahme

und Verarbeitung aller auf den Kommunikanten einwirkenden Informationen verhindert. Er sorgt

für die gezielte Aufnahme jener Informationen, die im Zusammenhang mit den individuellen

Bedürfnissen und der Bewältigung von Aufgaben stehen.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum ein grosser Teil der Massenkommunikation

gar nicht wahrgenommen wird. Persönliche Kommunikation kann flexibel auf die speziellen

154

Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 510

155 Vgl. Kaas, K.-P. (1973), S. 54ff

156 Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 511

Page 65: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

65

Wünsche des Gesprächspartners reagieren und die Aufmerksamkeit gezielt auf die dargebote-

nen Informationen lenken.157

Der Feedback-Mechanismus während des Gesprächs hilft Missverständnisse zu klären und

Unsicherheiten zu reduzieren. Er führt bei geeigneter Gesprächsführung zu einer Individualisie-

rung des Informationsangebots angepasst an die Bedürfnisse des Informationsnachfragers.

Persönliche Kommunikation wird vor allem dann entscheidend, wenn Nachfrager ein hohes

Risiko bei der Kaufentscheidung wahrnehmen. In Situationen grosser Informationsasymmetrien,

welche beim Marketing von professionellen Dienstleistungen charakteristisch sind, bemühen

sich Nachfrager um Informationsgewinnung vor allem mittels persönlicher Kommunikation. Sie

wollen nicht nur ihr Wissen über die Leistungsmerkmale des Anbieters erweitern, sondern ihre

Sicherheit beim Kaufentscheid auch durch Informationen über das Verhalten anderer Nachfra-

ger erhöhen. Kroeber-Riel und Weinberg postulieren daher:

„Konsumenten, die ein hohes Kaufrisiko wahrnehmen, suchen mehr persönliche

Kontakte, um produktbezogene Gespräche zu führen, als Konsumenten mit niedri-

gem Kaufrisiko“. 158

Die Überwindung räumlicher und zeitlicher Distanz bei der Verbreitung von Botschaften mit

Hilfe technischer Mittel an ein disperses Publikum ist der eigentliche Treiber der Massenkom-

munikation. Die Massenkommunikation bedient sich der Massenmedien um eine möglichst

grosse Reichweite zu erzielen, allerdings auf Kosten hoher Streuverluste. Wie Kroeber-Riel und

Weinberg darstellen,159

beträgt die Informationsüberlastung in der BRD 98 %, d.h. 98 % der von

den Medien angebotenen Botschaften werden nicht beachtet!

Im Gegensatz zur persönlichen Kommunikation gibt es zwischen dem Kommunikator und dem

Kommunikanten keine direkten Beziehungen, der Empfänger hat also wenige Rückkopplungs-

möglichkeiten. Ferner kennen sich die Empfänger untereinander meist nicht, was soziale Kon-

trollmechanismen ausschliesst. Trotz dieser Nachteile können Massenmedien bei der Vermitt-

lung von Wissen, der Beeinflussung von Meinungen und Überzeugungen eine wichtige Rolle

spielen.

Meinungsführerschaft

In der persönlichen Kommunikation spielt die Meinungsführerschaft eine wichtige Rolle. Darun-

ter wird in der Fachsprache nicht etwa die Eigenschaft einer Person verstanden („grosse Klap-

pe“, „dickes Ego“), sondern das Phänomen, dass in kleinen Gruppen einige Mitglieder einen

stärken Einfluss ausüben als andere. Diese Meinungsführer werden oft um ihre Ansichten ge-

fragt, sie geben Ratschläge, vermitteln Informationen und beschaffen sich selber aktive Infor-

157

Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 512

158 Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 514

159 Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 588

Page 66: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

66

mationen.160

Meinungsführer entfalten in ihrer persönlichen Kommunikation eine höhere Aktivi-

tät und haben oft Auslösefunktion für die Meinungen und Entscheidungen anderer. Sie sind

daher ein wichtiger Ansatzpunkt in der Kommunikationspolitik von Unternehmen. Bei Überle-

gungen hinsichtlich Marketingaktivitäten sind aber folgende Punkte zu beachten:161

Die Meinungsführerschaft ist ein Prozess, der hauptsächlich horizontal in den sozialen

Schichten verläuft.

Meinungsführer üben nur dann Einfluss aus, wenn sich die Nachfrager mit einem Pro-

dukt oder einer Dienstleistung auseinandersetzen.

Ein Meinungsführer für ein Produkt (oder eine Leistung) ist mit grosser Wahrschein-

lichkeit auch Meinungsführer für andere Produkte (oder Leistungen).

4.3 Besondere Aspekte der Kommunikation bei PSF

4.3.1 Determinanten des Beziehungsmarketing

Dienstleistungsmarketing ist in erster Linie Beziehungsmarketing. Bei PSF sind in diesem Zu-

sammenhang einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die im Folgenden dargestellt werden.

4.3.1.1 Interaktionssysteme bei Dienstleistungen

Gewisse Dienstleistungen (z. B. in der Bildung, im Tourismus oder bei Arztbehandlungen) kön-

nen nur vom Dienstleister höchstpersönlich erbracht werden. Eine Unterscheidung verschiede-

ner Stufen der Wertschöpfungskette (z. B. Produktion und Verkauf) ist dann nicht mehr möglich

und der Kunde muss in der Regel aktiv am Dienstleistungserbringungsprozess teilnehmen.

Findet bei einer Dienstleistung Produktion und Konsum gleichzeitig statt, ist die Leistung er-

bracht, wenn der gegenseitige Kontakt beendet ist. Das Ergebnis kommt einem zwischen-

menschlichen, sozialen Interaktionsprozess gleich.162

Je mehr eine Dienstleistung auf diese

zwischenmenschliche Interaktion ausgerichtet ist, desto mehr kommen individualisierten, sozia-

len Prozessen eine besondere Bedeutung zu.163

Andere zumeist hochkomplexe Dienstleistungsarten sind wesentlich von den ganz spezifischen

Bedürfnissen des Kunden geprägt. Oft sind diese Bedürfnisse zu Beginn des Dienstleistungs-

erbringungsprozesses nicht einmal dem Kunden selbst im Detail klar (Unsicherheitsfaktor). Die

Identifikation der konkreten Bedürfnisse gehört insofern mit zum Leistungsspektrum des Dienst-

leistungserbringers. Als Beispiel können hochspezifische (Beratungs-)Dienstleistungen etwa

160

Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 518

161 Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 524

162 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 225

163 Vgl. Alvesson, M. (1995), S. 262ff; sowie Füglistaller, U. (2001), S. 225f

Page 67: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

67

von Rechtsanwälten, Treuhändern, Architekten oder Ingenieuren genannt werden. Derartige

komplexe Dienstleistungen können nur in einer dauernden wechselseitigen Kooperation (Inter-

aktion) zwischen PSF und Kunde erbracht werden. Die Interaktion ermöglicht der PSF die Ge-

winnung von Informationen über die interne und externe Situation des Kunden, die ihm einer-

seits eine spezifische Leistungserstellung ermöglicht. Andererseits können diese Informationen

auch für die Akquisition von Folgeaufträgen oder zur Bindung des Kunden an das Unternehmen

genutzt werden.164

Sowohl im Fall der höchstpersönlichen Dienstleistungen, als auch im Fall der aufgrund ihrer

Komplexität und Unsicherheit interaktionsorientierten Dienstleistungen ist der Kunde also in den

Leistungsprozess integriert, d. h. er ist als „externer Faktor“ am Erstellungsprozess beteiligt.165

In Bezug auf den Grad der Involvierung des Kunden am Leistungserbringungsprozess gibt es

unterschiedliche Intensitäten, die von industriell-orientierten Dienstleistungen (z. B. Transport-

dienstleistungen) bis zu persönlich-interaktionsorientierten Leistungen (z. B. Beratungsleistun-

gen eines Rechtsanwaltes) reichen.166

Je interaktionsorientierter eine Dienstleistung ist, desto

eher ist die Qualität der Leistungserbringung nicht nur von den Fähigkeiten des Anbieters, son-

dern auch erheblich vom Wissen des Kunden abhängig. Die konkreten Vorstellungen seiner

Bedürfnisse sowie seine Fähigkeit, entsprechend seinen Teil zur Arbeit beizutragen, haben

wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Leistung.167

Wesentliche Akteure eines solchen Interaktionssystems sind neben dem einzelnen Kunden und

dem involvierten Mitarbeiter auch dessen Vorgesetzte bzw. der Unternehmer. Dieser repräsen-

tiert gegenüber den beiden Hauptakteuren das Unternehmen. Ferner sind noch die Interaktio-

nen des Unternehmens und allenfalls des Kunden mit anderen Kunden des Unternehmens zu

berücksichtigen. Durch die gegenseitigen Interaktionen wird jeder Akteur einerseits für die An-

liegen des Gegenübers und andererseits für die eigene Selbstwahrnehmung sensibilisiert.

Durch bewusste Steuerung der Kommunikations- und Interaktionsprozesse können Inhalt und

Form sowie letztlich die Qualität der Kommunikation beeinflusst und verbessert werden.168

164

Vgl. Ringlstetter, M. et al. (2007), S. 181

165 Vgl. Ringlstetter, M. et al. (2007), S. 181

166 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 226

167 Vgl. Alvesson, M. (1995), S. 265f

168 Vgl. Alvesson, M. (1995), S. 262ff; sowie Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 217-223

Page 68: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

68

Abbildung 13: Interaktionsmodell für persönliche Dienstleistungen169

Das innere Beziehungssystem wird im Weiteren durch Kontextfaktoren wie die formale Struktur

des Unternehmens, durch Anreizsysteme und sog. Artefakte (z. B. Ausgestaltung von Räumen,

Architektur und Ritualen) zusätzlich geprägt.170

Für die professionelle Bewältigung der aufgezeigten Interaktionen benötigt ein PSF – insbeson-

dere auf Ebene seiner Frontmitarbeiter und beim Unternehmer selbst – spezifische Interaktions-

fähigkeiten. Umgekehrt entwickelt die PSF während der Interaktionserfahrung neue unterneh-

mensspezifische Interaktionsfähigkeiten, die als Differenzierungspotenzial gegenüber der Kon-

kurrenz genutzt werden können. Sind diese Fähigkeiten in der Kultur und im Image der PSF

verankert, so kann der Gewöhnungseffekte die Kundenbindung verstärken.171

Durch bewusste

Steuerung der Zusammenspiele zwischen dem Personal und dem Kunden kann der Unterneh-

mer oder das Management einer PSF also Wettbewerbsvorteile im Sinne des Ressource-

based-Views generieren.

169

Quelle: Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 222

170 Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 221ff

171 Vgl. Ringlstetter, M. et al. (2007), S. 187, sowie Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 221ff

Vorgesetzter / Unternehmen

Mitkunden Interaktions-fähigkeiten

Kunde

Dienstleister

Anreize

Artefakte Formale

Strukturen

Page 69: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

69

4.3.1.2 Wahrnehmung und Kommunikation der Qualität

einer Dienstleistung

Im Kampf um Wettbewerbsvorteile gewinnt die Qualität der Leistungserstellung als Differenzie-

rungsmerkmal immer mehr an Bedeutung. Die wahrnehmbare Qualität stellt für das Unterneh-

men eine bedeutende Ressource dar und muss dem Kunden vermittelt werden.172

Gerade bei

PSF geschieht ein wesentlicher Teil der Leistungsbeurteilung während der Leistungserbringung

in der Interaktion zwischen Kunde und Dienstleister. Solche Kundenkontakte werden daher

auch als „moment of truth“ bezeichnet.173

Insofern werden die Mitarbeiter wesentlicher Bestandteil des Marketings einer PSF. Für die

Erbringung einer qualitativ guten Dienstleistung muss der Mitarbeiter über fach- und kunden-

spezifisches Wissen verfügen und dieses in eine kundenspezifische Lösung übertragen kön-

nen. Dieses Wissen kann in drei Kategorien unterteilt werden:174

Grundsätzliches Branchenverständnis

Detailliertes Wissen über das Kundenunternehmen

Persönliches Wissen über Schlüsselpersonen im Kundenunternehmen wie Entschei-

dungsträger und Informationslieferanten.

Dieses kundenspezifische Wissen kann nicht nur zur lösungsorientierten Leistungserstellung

genutzt werden, sondern auch für die Darstellung dieser Leistung gegenüber dem Kunden

durch den Mitarbeiter. Der vom Kunden wahrgenommene Wert der gesamten Dienstleistung

entsteht dann aufgrund der Überlagerung von tatsächlicher Leistungsqualität und subjektiver

Wahrnehmung der Leistung.175

Die Erwartungen des Kunden an den gesamten Prozess und an das Unternehmen wirken sich

auf seine Zufriedenheit und seine Zahlungsbereitschaft aus. Mittels Interaktionskultur und

Image können diese Erwartungen durch das Unternehmen wesentlich beeinflusst werden. In

diesem Sinne wird das Image für die PSF quasi zu einem Leistungsträger.176

Die folgende Grafik zeigt auf, welche Faktoren auf die Qualitätswahrnehmung des Kunden ein-

wirken.

172

Vgl. Bürger, B. (2004), S. 141

173 Vgl. Bürger, B. (2004), S. 151, sowie Alvesson, M. (1995), S. 262

174 Vgl. Bürger, B. (2004), S. 144

175 Vgl. Bürger, B. (2004), S. 142

176 Vgl. Alvesson, M. (1995), S. 262ff

Page 70: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

70

Abbildung 14: Kundenwahrnehmung der Qualität einer Dienstleistung177

Eine Möglichkeit zur Qualitätssteigerung stellt ein institutionalisiertes Qualitätsmanagement dar,

dessen Qualitätsansprüche an den Ansprüchen der Kunden ausgerichtet werden.

4.3.1.3 Vertrauensbildung als dienstleistungsspezifische Besonderheit

Wie schon in Abschnitt 4.2.1 eingeführt wurde, konfrontiert die Beschaffung von professionellen

Dienstleistungen Kunden mit grossen Unsicherheiten und Suchkosten verbunden.178

Der Kunde

ist gezwungen, bei der Wahl des Dienstleistungsanbieters diesem ein hohes Mass an Vertrau-

ensvorschuss entgegen zu bringen. Allenfalls kann er sich auf Erfahrungen aus der Vergan-

177

Quelle: Alvesson, M. (1995), S. 267, (leicht geändert nach Alvesson; ct. Gränroos, 1984)

178 Vgl. Neuner, B. (2006), S. 125f

Fachliche Qualität

Technische Lösung,

Verlässlichkeit, Fähigkeit, Leistung, etc.

Interaktive Qualität

Generelle soziale und geschäftliche Beziehung welche zwischen Kunde und Berater entsteht

Unternehmergeist, Kommunikation, Vertrau-en etc.

Funktionale Qualität

Applizierbarkeit der Lösung im Verhältnis zu den Kundenwünschen

Adäquates Niveau der

Lösung

Wahrnehmung (selektive)

Wahrnehmung der Dienstleistung (Service)

Wahrnehmung des Unternehmens

Image

(der Unternehmung)

Bereitschaft für wie-derholten Auftrag

Stärkung/ Schwächung des Verhältnis Unter-

nehmen-Kunde

Page 71: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

71

genheit stützten.179

Bei den Akquisitionsbemühungen von PSF steht daher der Aufbau eines

Vertrauensverhältnisses zu Interessenten und bestehenden Kunden im Vordergrund.180

Einer PSF stehen dazu die Steigerung der wahrgenommenen Qualität der Leistungen durch

den Aufbau eines zuverlässigen Images und einer vertrauenswürdigen Reputation zur Verfü-

gung.181

Ist es einmal gelungen eine Vertrauensbasis aufzubauen, wirkt sich dies in einer hohen Bereit-

schaft zum Wiederkauf und damit in einer erhöhten Kundenloyalität aus. Ein vertrauenswürdi-

ges Image und über Mund-zu-Mund-Propaganda auch eine hohe Leistungsqualität helfen bei

der Akquisition von Neukunden.182

4.3.2 Handlungsrahmen

4.3.2.1 Beziehungsmarketing und Kundenbindung

Eine bewusste Kundenbindungsstrategie bildet ein wichtiges Element des Marketing bei PSF

und geschieht indirekt über den Mitarbeiter.183

Dieser spielt eine wichtige Rolle für die Wahr-

nehmung einer Dienstleistung im so genannten „moment of truth“.184

Aus Unternehmenssicht ist die Beratungsleistung bei einem bekannten Kunden effizienter, da

dem Dienstleister dessen Bedürfnisse, Ansprüche, finanzielle Verhältnisse, Präferenzen etc.

bereits bekannt und die Interaktion etabliert sind. Gerade wenn die Kosten für die Erbringung

einer einzelnen Leistung sehr hoch sind, ist es möglich, durch die Repetition einer Dienstleis-

tung die Profitabilität zu steigern. Langjährige Kunden betreiben zudem durch ihre zahlreichen

Kontakte automatisch Gratiswerbung und generieren dadurch mehr Wert für die Unternehmung.

Demzufolge ist es erstrebenswert, den Weggang von Kunden möglichst tief zu halten.185

4.3.2.2 Reputation

Reputation und Image fungieren im Dienstleistungsmarketing als Träger von für den Kunden

entscheidungsrelevanten Informationen. Aufbau und Pflege einer guten Reputation für PSF

bezweckt die Vermittlung von Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit zur Unterstützung der

Akquisition von Neukunden und zur Steigerung der Kundenloyalität.186

179

Vgl. Neuner, B. (2006), S. 125f

180 Vgl. Neuner, B. (2006), S. 126f

181 Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 220f

182 Vgl. Alvesson, M. (1995), S. 262ff, sowie Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 223f

183 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 243f

184 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 245

185 Vgl. Reichheld, F. und W. Earl Sasser (1990), S. 105ff

186 Vgl. Fichtner, T. (2006), S. 61

Page 72: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

72

Eine hohe Reputation kann das Vertrauen des Kunden in die angebotene Leistung fördern. Er

geht davon aus, dass ein Anbieter nicht umsonst eine gute Reputation besitzt und diese auch

nicht auf das Spiel setzen wird.187

Dem Kunden gibt sie ein Pfand für eine gute Leistungserbrin-

gung in die Hand. Schliesslich wissen beide Seiten, dass reputationsschädigende Sanktionen

der Konsumenten zu Gewinneinbussen für die Firma führen können.188

Eine Unternehmung wird in der Öffentlichkeit durch die Reputation stark mit ihren Fähigkeiten

assoziiert. Eine gute Reputation kann ein negatives Ereignis relativ weich abfedern.189

Umge-

kehrt ist es aber schwierig, sich von einer bestehenden (negativen oder einseitigen) Reputation

zu lösen.190

Reputation und Image können mit Marken verknüpft werden und auch für die Zuverlässigkeit

und Glaubwürdigkeit stehen. Sie werden daher von grösseren PSF wirkungsvoll eingesetzt.191

Sowohl Reputation als auch Marken repräsentieren starke, durch Mitbewerber schwer zu fäl-

schende Signale.192

Der Aufbau einer Reputation erfolgt in erster Linie durch langfristig zuverlässige Leistungs-

erbringung und einheitliche zielgerichtete Unternehmenskommunikation.193

Da Reputation leicht

durch opportunistisches Verhalten einzelner Mitarbeiter zerstört werden kann, ist eine gute Fir-

menkultur wichtig für den Reputationserhalt.

4.3.2.3 Dienstleistungskultur

Unternehmen müssen über eine klare Dienstleistungskultur verfügen, die genau definiert, mit

welchen Normen und Werten, welche Form der Leistung zu erbringen ist und welche Position

dabei der Dienstleistende einzunehmen hat.194

Diese Kultur beeinflusst die Art der Integration

des Kunden in den Dienstleistungsprozess.195

Damit eine Dienstleistungskultur erfolgreich sein

kann und im „moment of truth“ zum tragen kommt, muss sie im Bewusstsein der Mitarbeiter

verankert sein.196

Für die Diffundierung einer Dienstleistungskultur auf allen Ebenen bildet die

187

Vgl. Fichtner, T. (2006), S. 60

188 Vgl. Fichtner, T. (2006), S. 68f

189 Vgl. Müller-Stewens, G., et al. (1999), S. 130f

190 Vgl. Müller-Stewens, G., et al. (1999), S. 130f

191 Vgl. Walbert, G. (2006)

192 Vgl. Meffert, H. und A. Bierwirth (2002), S. 189

193 Vgl. Fichtner, T. (2006), S. 62

194 Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 230

195 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 259f

196 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 260

Page 73: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

73

Vorbildfunktion den entscheidenden Faktor.197

Gerade bei KMU wird diese Kultur erheblich

durch die Unternehmerpersönlichkeit dominiert.

4.3.2.4 Personalfragen

Die Mitarbeiter einer PSF stehen in intensiver Interaktion mit den Kunden. Daher haben Fragen

der Human Ressources und der Mitarbeiterführung durchaus Relevanz für das Marketing. Auf

einige Aspekte wird daher kurzgefasst eingegangen.

Selektion

Die Personalauswahl hat eine besondere Bedeutung für Dienstleistungsunternehmen, denn von

den Mitarbeitern ist ein hohes Mass an Commitment und Involvement gefordert. Es geht damit

in erster Linie um die Abklärung von Fähigkeiten, persönlichen Eigenschaften sowie ein ausrei-

chendes Verantwortungs- und Verantwortlichkeitsgefühl. Im Sinne einer Kultur- und Wertekom-

patibilität muss überprüft werden, wie weit das Wertesystem des Kandidaten mit demjenigen

des Unternehmens übereinstimmt und inwieweit er über die notwendigen Fähigkeiten und Wei-

terentwicklungspotenziale für die Funktionen verfügt.198

Steuerung der persönlichen Interaktion

Mitarbeiter, die durch die Beziehung mit dem Chef und der Organisation ihre Identität festigen

können, sind besser in der Lage, diese wiederum dem Kunden zu vermitteln. Eine erhöhte Mit-

arbeiterzufriedenheit und Motivation resultiert daraus, mit Würde behandelt zu werden und

Ernst genommen zu werden. Diese Zufriedenheit überträgt sich durch die Interaktion auch auf

den Kunden. Es hat sich gezeigt, dass die Mitarbeiterzufriedenheit mit der Kundenzufriedenheit

korreliert.199

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Mitarbeiterzufriedenheit eben-

so die Qualität des Leistungsangebots und schlussendlich auch den Markterfolg positiv beein-

flusst.200

Verantwortungs- und Kompetenzdelegation

Zur Schaffung einer Identitätsbildung ist eine Führungslogik erforderlich, welche das „Commit-

ment und Involvement“ des Mitarbeiters in den Vordergrund stellt. Voraussetzung dazu sind

ausreichende Reaktions- und Handlungsspielräume sowie die Fähigkeiten und der Wille des

Mitarbeiters.

197

Vgl. Füglistaller, U. (2001), S. 267

198 Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 227f

199 Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 225

200 Vgl. Neuner, B. (2006), S.85ff

Page 74: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

74

Gerade bei selbstverantwortlichen Dienstleistungsfunktionen spielt die Übereinstimmung von

Mittelzuteilung und Kompetenz- sowie Verantwortungsdelegation eine grosse Rolle.201

Die

Mitarbeiter müssen im Moment der Dienstleistungserbringung über die notwendigen Kompeten-

zen und Fähigkeiten verfügen, um dem Kunden einen umfassenden Service bieten zu können.

Anreizstruktur

Ein System von materiellen und immateriellen Anreizen ist neben der Schaffung von förderli-

chen Strukturen zur Kundenorientierung eine zusätzliche Motivation.202

Allerdings liegt die Ge-

fahr von simplen mechanistischen Anreizstrukturen für Mitarbeiter darin, dass sie das Verhalten

in einseitige Dimensionen lenken können. Es gilt daher, je grösser der Handlungsspielraum der

Mitarbeiter ist, desto weiter sind die Möglichkeiten in Bezug auf Belohnungen durch den Vorge-

setzten, Teamerfolgsbeteiligungen etc. zu halten.203

Entwicklung und Förderung

In PSF sind neben dem Unternehmer die Mitarbeiter wichtige Träger von Marketingressourcen.

Die Mitarbeiter entwickeln diese Ressourcen durch Lernprozesse ständig weiter und stellen sie

auf eine breitere Basis. Durch die Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter wird die Reprä-

sentationsbereitschaft, die Pflege von Beziehungen, Qualitäts- und Vollzugsnormen in der Leis-

tungserbringung und eine entsprechende Konkurrenz- und Effizienzorientierung gestärkt.204

4.4 Externe Kommunikationsinstrumente

4.4.1 Gliederung kommunikationspolitischer Instrumente

Allgemein stehen Unternehmen eine Vielzahl kommunikationspolitischer Instrumente zur Verfü-

gung. Die Kommunikationsinstrumente können von unpersönlicher bis hin zu höchst individuali-

sierter, persönlicher Kommunikation reichen. Hartley und Pickton205

ordnen die Vielzahl der

potenziellen Kommunikationsinstrumente auf einem Kontinuum zwischen unpersönlicher und

persönlicher Kommunikation ein (siehe Tabelle 6):

Unternehmenskommunikation dient vor allem der Unternehmensdarstellung und ist

durch einseitige, unpersönliche Kommunikation gekennzeichnet.

201

Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 229

202 Vgl. Füglistaller, U. (2001), S.243

203 Vgl. Belz, Ch. und Th. Bieger (2000), S. 231

204 Vgl. Neuner, B. (2006), S.165

205 Vgl. Hartley, B. und D. Pickton (1999)

Page 75: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

75

Die Unterstützung des Verkaufs ist Ziel der Marketingkommunikation. In diesem Be-

reich findet ein Übergang von einseitiger zu zweiseitiger und zu einer höheren Perso-

nalisierung statt.

Massnahmen zur Intensivierung des Kundenkontakts mit den ausgeprägten Verkaufs-

zielen werden zur Dialogkommunikation gezählt. Hier steht der persönliche Kontakt

zwischen Anbieter und Nachfrager im Rahmen von Gesprächen und Direkt-Marketing-

Massnahmen im Vordergrund.

Auffallend ist die organisatorische Stellung im Unternehmen, welche schon aufgrund ihrer

Grösse und der ausgeprägten Personalunion bei KMU nicht realisierbar ist.

Merkmale Unternehmens-

kommunikation

Marketing-

kommunikation

Dialog-

kommunikation

Funktion(en) Prägung des institutionellen

Erscheinungsbildes des

Unternehmens

Verkauf von Produkten

und Dienstleistungen des

anbietenden Unterneh-

mens

Austausch mit Anspruchs-

gruppen durch persönliche

Kommunikation

Zentrale Kommunikati-

onsziele

Positionierung, Goodwill,

Unternehmensimage, Unter-

nehmensbekanntheit

Ökonomische (z. B.

Absatz, Marktanteile,

Umsatz) und psychologi-

sche Ziele (z. B. Image)

Aufbau/Intensivierung des

Dialogs zur Kundenakqui-

se, -bindung, und -

rückgewinnung

Weitere typische

Kommunikationsziele

Aufbau von Vertrauen und

Glaubwürdigkeit, Demonstra-

tion von Kompetenz

Abbau von Informati-

onsasymmetrien, Vermitt-

lung zuverlässiger Pro-

duktinformationen

Vertrauensaufbau, Pflege

von Geschäftsbeziehun-

gen, Informationen über

Leistungsspezifika.

Primäre Zielgruppen Alle Anspruchsgruppen des

Unternehmens

Aktuelle und potenzielle

Kunden des Unterneh-

mens, weitere Entschei-

dungsträger

Aktuelle und potenzielle

Kunden, Kooperations-

und Marktpartnern

Typische

Kommunikations-

instrumente

Institutionelle Mediawerbung,

Corporate Sponsoring, Cor-

porate Public Relations

Mediawerbung, Produkt-

PR, Verkaufsförderung,

Sponsoring, Events

Persönliche Kommunikati-

on, Messen und Ausstel-

lungen, Multimediakom-

munikation, Direkt Marke-

ting

Organisatorische

Stellung im

Unternehmen

Stab bei der Unternehmens-

leitung, Corporate Communi-

cations

Linienstruktur in Sparten-,

Regionen- oder Kunden-

organisation

Spezialisierung im Rah-

men des Marketing, zum

Teil auch Vertrieb

Zusammenarbeit

mit externen

Agenturen

Zusammenarbeit mit CI- und

PR-Agenturen

Zusammenarbeit mit

Werbe-, Promotion-,

Sponsoring-, Event-

Agenturen

Zusammenarbeit mit

Direkt Marketing-, Inter-

net- und CRM Agenturen

Tabelle 6: Charakteristische Merkmale der Unternehmens-, Marketing- und

Dialogkommunikation206

206

Quelle: Bruhn, M. (2007), S. 347

Page 76: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

76

In der folgenden Tabelle wird eine alternative Möglichkeit der Gliederung von Bruhn vorge-

schlagen. In Bezug auf die Art wird auf der ersten Ebene zwischen Face-to-Face Marketing,

das der vorher beschriebenen persönlichen Kommunikation entspricht, und medialen Marke-

tinginstrumenten unterschieden. Unter letzteren versteht man solche Instrumente, bei denen ein

Medium zur Überbringung der Botschaft verwendet wird.

Auf der zweiten Ebene wird jeweils zwischen einseitiger und zweiseitiger Kommunikation diffe-

renziert. Kriterium dabei ist, ob Informationen nur vom Sender an den Empfänger fliessen oder

ob der Informationsfluss wechselseitigen Charakter hat.

Art

Richtung

Direkt (Face-to-face) Indirekt (Medial)

Einseitig Zweiseitig Einseitig Zweiseitig

Extern Verbraucherbezogene

Verkaufsförderung

Handelsbezogene

Verkaufsförderung

Vorträge von Unter-

nehmensvertretern

u.a.m

Persönlicher Verkauf

Event Marketing

Messen/Ausstellungen

Verbraucher-

/Handelsbezogene Ver-

kaufsförderung

Hospitality-Massnahmen

Persönliche Kommunika-

tion

u.a. m.

Anzeigenwerbung, Plakate

Pressemitteilungen

Trikotsponsering

Produkt Placement

Product Publicity

Werbebriefe ohne Antwort-

coupons

Kundenzeitschriften

Online-Werbung

u.a.m

Telefon-Hotlines

Antwortcoupons in Print-

medien

Multimediapräsentationen

Online-Kommunikation

Call Center

Direct-Response-

Massnahmen

u.a.m

Tabelle 7: Kategorisierung von Kommunikationsinstrumenten und -mitteln207

4.4.2 Face-to-Face-Kommunikation

4.4.2.1 Persönlicher Verkauf

Der persönliche Verkauf ist neben der Mund-zu-Mund-Propaganda das effektivste Marketingin-

strument, wie bereits im Abschnitt 4.2.2 ausgeführt wurde. Als Nachteil kann aber der enorme

Zeitaufwand angeführt werden, der dem Einsatz dieses Instrumentes Grenzen setzt.

4.4.2.2 Empfehlungsmarketing

Persönliche Empfehlungen haben, wie durch zahlreiche Studien belegt wurde, einen starken

Einfluss auf die Einstellung und Kaufabsicht von Kunden.208

Wie die theoretischen Überlegun-

gen im Abschnitten 4.1 und 4.4.1 gezeigt haben, sind Empfehlungen sowohl aus Sicht des An-

bieters als auch des Nachfragers ein bedeutendes und effizientes Marketinginstrument. Einige

207

Quelle: Bruhn, M. (2007), S. 353, vereinfachte Darstellung

208 Vgl. Bansal, H. S. und P. A. Voyer (2000)

Page 77: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

77

Autoren gehen so weit, Empfehlungen als das wirkungsvollste und kostengünstigste Marketing-

instrument zu bezeichnen.209

In seiner Dissertation definiert von Wagenheim eine Weiterempfehlung wie folgt:

„...die Abgabe von positiver und negativer Information über wahrgenommene

Merkmale eines Anbieters oder einer Anbieterleistung durch einen nichtkommer-

ziell interessierten Kommunikator an einen oder mehrere Rezipienten.“210

Diese Definition umfasst nicht nur persönliche Mund-zu-Mund-Kommunikation, sondern auch

die Nutzung elektronischer Medien, auf die im nächsten Abschnitt gesondert eingegangen wird.

Die Verbreitung einer Nachricht in einem sozialen System wird von vier Wahrscheinlichkeits-

grössen bestimmt:211

1. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person Kontakt zu einer anderen Person

erhält (Kontaktwahrscheinlichkeit).

2. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person die jeweilige Nachricht von der

anderen Person erfährt (Informationswahrscheinlichkeit).

3. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person die Nachricht akzeptiert

(Übernahmewahrscheinlichkeit).

4. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person die Nachricht weitergibt

(Weitergabewahrscheinlichkeit).

Aus Sicht der Kommunikationstheorie ist Mund-zu-Mund-Werbung deshalb so erfolgreich,212

weil keine kommerziellen Interessen die Glaubwürdigkeit des Kommunikators beeinträchtigen,

Meinungsführer aktiv Kontakt mit ihrem sozialen und beruflichen Umfeld pflegen und somit alle

vier Wahrscheinlichkeiten vergleichsweise hoch sind. Die Gewinnung von Meinungsführern, die

bereit sind, das Unternehmen aktiv weiterzuempfehlen, muss daher bei den Marketinganstren-

gungen von PSF einen hohen Stellenwert haben. Diese Mund-zu-Mund-Werbung (im Engli-

schen als „Word of mouth“ bezeichnet) kann erheblich zu den Markterfolgen kleinerer bis mittle-

rer PSF beitragen.213

Das Sprichwort „Ein zufriedener Kunde ist der beste Verkäufer“ zeigt die grosse Bedeutung

positiver Transaktionserfahrungen mit dem Anbieter und dessen Leistung. Umgekehrt gilt aber

auch, dass ein unzufriedener Kunde seine negativen Transaktionserfahrungen noch intensiver

209

Vgl. Wilson, R. F. (1994), S. 13; Bone, P. F. (1992);

sowie Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 510

210 Vgl. Wagenheim, F. (2003), S. 55

211 Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 507

212 Vgl. Kroeber-Riel, W. und P. Weinberg (2003), S. 506

213 Vgl. Young, L. (2005), S. 273; sowie Wick, B. J. (2005), S. 132

Page 78: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

78

kommuniziert als seine positiven Erfahrungen. Auf die Bedeutung eines guten Beschwerdema-

nagements wird daher immer wieder von vielen Seiten hingewiesen.214

Eine rein passive Haltung bezüglich der Mund-zu-Mund-Werbung würde bedeuten, grosses

Potenzial für die Unternehmensentwicklung zu verschenken. Daher sollte auf den Kunden aktiv

Einfluss genommen werden, in dem z. B. nach erfolgreichem Projektabschluss kommuniziert

wird, dass man sich über Weiterempfehlungen freut. Auch Anreizprogramme können zur

Verbreitung der Mund-zu-Mund-Werbung beitragen.

Neben der nachfrageinduzierten Mund-zu-Mund-Werbung werden unter dem Begriff Empfeh-

lungsmarketing auch anbieterinduzierte Referenzen und Kundenempfehlungen verstanden,

d. h. Auskünfte von aktuellen oder ehemaligen Kunden, auf die sich der Anbieter in mindestens

einer weiteren Transaktion bezieht.

4.4.2.3 Client Hospitality und Eventmarketing215

Die Einladung zu oder Organisation von besonderen Veranstaltungen kann die persönliche

Beziehung zwischen PSF bzw. deren Kundenberatern und Kunden, Interessenten, Meinungs-

führern, Entscheidungsträgern in Firmen oder Absatzmittlern vertiefen. Dazu zählen z. B. die

Einladung des Kunden zum Abendessen, exklusive VIP-Einladungen für Sport- und Kulturer-

eignisse oder die Abhaltung eigener, für den Kunden Nutzen stiftender, Fachseminare.

Für PSF haben diese Formen des persönlichen Marketing besonderen Stellenwert, weil in in-

formeller, ungezwungener Atmosphäre Informationen ausgetauscht werden können und das

gegenseitige Vertrauen gestärkt wird. Professionell durchgeführtes Eventmarketing hat positive

Einflüsse auf Kaufentscheidungen oder auf die Kundenbindung. Im Rahmen solcher Anlässe

besteht die Möglichkeit, durch eine erlebnisreiche „Verpackung“ den Adressat auch auf der

emotionalen Ebene anzusprechen, was die positive Wirkung noch verstärkt.

4.4.3 Mediale Kommunikation

4.4.3.1 Corporate Identity

Aufgrund des hohen Stellenwerts der persönlichen Kommunikation und Interaktion durch die mit

der Unternehmung verbundenen Personen und der damit verbundenen Vertrauensbildung

kommt der Schaffung einer Corporate Identity eine hohe Bedeutung zu. Eine unverwechselbare

Identität bildet die Voraussetzung zur emotionalen Bindung des Kunden an den Anbieter sowie

zur konkurrenzorientierten Profilierung und Abgrenzung. Die zur Unternehmensidentität gehö-

renden Teilbereiche „Corporate Behaviour“ (Unternehmungsverhalten) und „Corporate Com-

munications“ (Unternehmungskommunikation) stehen unmittelbar mit den Personen und damit,

214

Vgl. Meffert, H. und M. Bruhn (2006), S. 456ff

215 Vgl. Young, L. (2005), S. 272f

Page 79: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

79

wie die (Dienstleistungs-) Prozesse ablaufen, in Verbindung. Daraus folgt die Notwendigkeit,

dass die Markt – und Kundenorientierung im Sinne einer Unternehmensphilosophie durch die

Corporate Identity als Gestaltungselement der Unternehmenskultur entsprechende Berücksich-

tigung findet.216

4.4.3.2 Branding

Ähnlich einer Konsumgütermarke muss sich eine PSF zusammen mit ihrem Wachstum einen

„Namen“, das heisst eine Marke, aufbauen und entwickeln. Dadurch kann sie ihren Interessen-

gruppen vermitteln, wofür die Firma steht und in der öffentlichen Wahrnehmung wird sie mit

ihren wichtigsten Methoden assoziiert. Das „Branding“ birgt erhebliche Potenziale, welche durch

den bewussten Umgang mit dem Thema entwickelt werden können. Nicht zuletzt kann sich so

eine Firma von ihrer Konkurrenz abheben. Durch eine gut geführte Marke können zudem Risi-

ken, wie zum Beispiel negative Einzelfälle, verhältnismässig weich abgefedert werden.

Die unterschiedlichen Funktionen einer PSF-Marke:

Über die Marke kann kommuniziert werden, mit welchen „Werten, Einstellungen und

Massstäben“ eine Firma ihr Geschäft betreibt.

Ein gut geführter Markenname fungiert als „Türöffner“, denn er ermöglicht es, vor der

Konkurrenz an einem relevanten Ort präsent zu sein.

Für den Kunden steht die Marke als „Substitut für Einkaufs-Know-how“. Die Abwä-

gung beim Vergleichen alternativer Angebote ist für den Kunden aufgrund der Intangi-

bilität, Informationsasymmetrie und der Heterogenität der Dienstleistung erschwert. In

solchen Fällen leiten etablierte Marken die Entscheidung.

In Fällen, in denen Aufträge lediglich zur Bestätigung einer bereits getroffenen Ent-

scheidung vergeben werden, besitzt die Marke eine „Rechtfertigungsfunktion“. Wenn

derartige Entscheidungen später gegenüber Dritten verantwortet werden müssen, leis-

tet der Verweis auf den Rat einer renommierten Firma bei der eigenen Exkulpation ei-

nen wertvollen Dienst.

Sowohl nach innen als auch nach aussen kann eine Marke als „Bindemittel“ dienen.

Im Idealfall wird sich zwischen Marke und Kunde ein Vertrauensverhältnis entwickeln,

welches im Konkurrenzkampf eine wechselseitige Schutzfunktion übernimmt. Ebenso

ist die Wahrnehmung der Marke in der Öffentlichkeit, für den vom Wettbewerb um-

worbenen Mitarbeiter, als auch für die Firma zur Rekrutierung von Mitarbeitern von In-

teresse. Im Weiteren dient die Marke als juristisches Bindemittel. Sie kann zum Bei-

spiel zusammen mit den Beständen des Knowledge-Managements in eine eigene

Tochtergesellschaft eingebracht und an die Teilgesellschaften rücklizenziert werden.

Bei der Absicht einer solchen Teilgesellschaft den Unternehmensverbund wieder zu

216

Vgl. Neuner, B. (2006), S. 154ff

Page 80: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

80

verlassen, ist diese gezwungen, ihren Geschäftsbetrieb unter einem neuen Namen

fortzuführen.

Unter den PSF versuchen vor allem Beratungsunternehmen die Funktion ihrer Marke

zu intensivieren, indem sie den Namen einer Variante einer aktuellen und populären

Methode als „Warenzeichen“ eintragen lassen.217

4.4.3.3 Klassische Werbung

Unter klassischer Werbung wird der Kauf von Platz oder Zeit in verschiedenen Medien (z. B. in

Zeitungen, Fachzeitschriften, Fernsehkanälen) mit dem Zweck verstanden, eine Botschaft zu

kommunizieren. Im Bereich der PSF gilt Massenwerbung als ineffektiv, da eine signifikante

Wirkung nur mit Einsatz hoher finanzieller Mittel erreicht werden kann. Als weiterer Kritikpunkt

wird die Schwierigkeit genannt, dass potenzielle und existierende Kunden überhaupt (unter

Berücksichtigung der Informationsflut) auf die Kampagne aufmerksam werden. Auch die unzu-

reichende Messbarkeit der Wirkung trägt zur Einstufung als ineffizientes Instrument bei.218

Trotz dieser Kritikpunkte setzen vor allem grosse PSF klassische Werbung extensiv ein. Dabei

wird das Gewicht vor allem auf gut geplante, ins Auge springende Kampagnen - mit Fokus auf

die Markenbekanntheit - gelegt.219

4.4.3.4 Direktmailing220

Direktmailing als mediales Kommunikationsinstrument beinhaltet die direkte (jedoch nicht per-

sönliche!) Kommunikation zwischen Anbieter und Kunden unter Zuhilfenahme eines Mediums.

Als Kommunikationsmittel werden u. a. der klassische Brief, Fax, das Email oder der personali-

sierte Newsletter verwendet. Ein Vorteil von Direktmailing - im Vergleich zur Massenkommuni-

kation - ist die gezielte Auswahl von Adressaten (nach bestimmten Kriterien) und die Personali-

sierbarkeit und Individualisierbarkeit der Botschaften an den und der Angebote für den Kunden.

Damit wird die Leserate gesteigert und die enormen Streuverluste der Massenkommunikation

reduziert. Die Qualität und Effizienz von Direktmailing hängt direkt von der Qualität der Kunden-

datenbank ab, in der persönliche Informationen über Kunden und Interessenten gespeichert

und systematisch abrufbar sind. Bei guter Pflege der Datenbank kann der Kunde gezielt auf

seine persönlichen Bedürfnisse angesprochen werden.

Ausserdem erlaubt Direktmailing einen Rückfluss von wichtigen Informationen vom Kunden an

den Anbieter. Diese dienen der Erweiterung der Informationsbasis und geben dem Anbieter

wertvolle Hinweise für seine eigene Leistungsentwicklung.

217

Vgl. Müller-Stewens, G., et al. (1999), S. 130ff

218 Vgl. Young, L. (2005), S. 269

219 Vgl. Wick, B. J. (2005), S. 137

220 Vgl. Young, L. (2005), S. 270f; sowie Kotler, P. et al. (2007), S. 960ff

Page 81: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

81

Gerade für PSF ist Direktmailing aufgrund der Heterogenität und kundenspezifischen Ausges-

taltung der Leistungen ein wichtiges Kommunikationsmittel im Rahmen des Beziehungsmarke-

ting. Direktmailing wird oft auch in Kombination mit Eventmarketing verwendet, etwa um Kun-

den und Interessenten auf eigene Seminare einzuladen.

4.4.3.5 Public Relations

In seinem Leitfaden definiert Sommer den Begriff Public Relations wie folgt:

„Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, auch „Public Relations“ (PR) genannt, ist das

planmässige, zielgerichtete und kontinuierliche Bemühen, gegenseitiges Vertrauen

und Verständnis zwischen einem Unternehmen und seiner Öffentlichkeit aufzu-

bauen und zu pflegen. PR sucht über den Kanal der Journalisten bzw. Medien,

überwiegend der Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften), den Kontakt zur Öffent-

lichkeit.“ 221

Ziele von PR-Aktivitäten sind weniger in der direkten Verkaufssteigerung, sondern mehr im

Bereich der Entwicklung von Reputation und Markenimage zu suchen. Häufig müssen KMU

PR-Aktivitäten an professionelle Berater oder Firmen delegieren. Diese Praxis wird als „passive

Methode der Geschäftsentwicklung“ eingeschätzt und ist bei PSF nicht sehr verbreitet, da sie

keine Interaktion zwischen potenziellen Kunden und den Mitarbeitern der PSF ermöglicht,222

die

Wirkung kaum messbar ist und vor allem durch Outsourcing hohe Kosten entstehen können.

4.4.3.6 Publikationen

Bücher und Fachartikel

Mit der Publikation von Büchern oder Fachartikeln können PSF sowohl auf die Kernkompeten-

zen ihres Unternehmens aufmerksam machen, als auch ihre Glaubwürdigkeit und Reputation

steigern. Oft werden solche zielgerichteten Publikationsprogramme dem Bereich Meinungsfüh-

rerschaft zugeordnet (im angelsächsischen Bereich als „Thought leadership“ bezeichnet). Der

Aufwand für solche Programme kann enorm sein. Sie können aber, gutes Management voraus-

gesetzt, eine sehr starke positive und langfristige Wirkung entfalten.223

Grosse PSF wie Boston

Consulting Group (BCG)224

, McKinsey225

oder Price Waterhouse Coopers (PWC)226

führen ex-

221

Sommer, A. W. (1999), S. 151

222 Vgl. Wick, B. J. (2005), S. 138

223 Vgl. Young, L. (2005), S. 279

224 Zahlreiche Publikationen können von der BCG Homepage bezogen werden;

URL: http://www.bcg.ch/bibliothek/aktuell/index.jsp.

225 McKinsey publiziert quartalsweise das Journal McKinsey Quarterly, dessen Inhalt kostenfrei über das

Internet bezogen werden kann.

URL: http://www.mckinsey.com/ideas/, Menüpunkt McKinsey Quarterly

Page 82: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

82

tensive Publikationsprogramme in Verbindung mit effektiver PR-Arbeit. Wirksam ist dieses In-

strument vor allem dann, wenn nicht die Fähigkeit selber, sondern deren Nutzen kommuniziert

wird.227

Weblogs

Weblogs – oft auch als Blogs bezeichnet – haben sich in den letzten Jahren in der Unterneh-

menskommunikation zu einem wichtigen und interessanten Kommunikationsinstrument entwi-

ckelt. Weblogs sind einfach aufgebaute Webseiten, bei denen Journal-Einträge (oder auch Ta-

gebuch-Einträge) in umgekehrt chronologischer Reihenfolge angezeigt werden und Lesern die

Möglichkeit geboten wird, diese Einträge zu kommentieren.

Einige Beispiele aus der Vielzahl der Bezeichnungen sollten das Interesse am Phänomen Blog-

ging verdeutlichen:228

Knowledge-Blogs, Flogs, Vlogs, Flash-Blogs, CEO-Blogs, Mitarbeiter-

Blogs, Produktblogs, Podcasts, Themenblogs, Krisenblogs, Moblogs, PR-Blogs, Serviceblogs,

Blams, Voterblogs, CR-Blogs, Excecutiveblogs, Vodcasts, Projektblogs, Kollaborationsblogs,

Podcasts, Splots.

Die auf Blogs spezialisierte Suchmaschine technorati.com verweist aktuell auf 112.8 Millionen

Blogs.229

Da Blogs besonders leicht und in der Regel auch kostenfrei erstellt werden können,

wird weiterhin ein starkes Wachstum dieses Kommunikationsbereichs erwartet. Diese Tatsache

bedeutet nicht, dass die meisten Blogs als erfolgreich bezeichnet werden können. Tatsächlich

werden die meisten Blogs täglich nur von einigen wenigen Lesern besucht und sind schwach

verlinkt.

Blogs haben einige besondere Charakteristika, die zu ihrer starken Verbreitung beigetragen

haben:230

Starke gegenseitige Vernetzung (in Form von Links).

Echtzeitinformation über neue Beiträge mittels Real Simple Syndication (RSS).

Leser können Beiträge kommentieren.

Einfacher und kostengünstiger Betrieb aus technischer Sicht.

Diese Eigenschaften haben dazu geführt dass sich in Blogs eine dynamische, lebendige Dis-

kussion entwickeln kann. Leser werden zu aktiven Mitproduzenten von Nachrichten und können

wirksam Einfluss auf Meinungen nehmen. Unter diesen Gesichtspunkten nehmen Blogs eine

interessante Stellung in der Kommunikationslandschaft ein, da sie die Charakteristik einer per-

226

Zahlreiche aktuelle Studien befinden sich auf der Schweizer PWC Homepage unter dem Link „Publika-

tionen“; URL: http://www.pwc.ch/de/publikationen.html

227 Vgl. Ferguson, C. J. (1996), S. 21

228 Vgl. Fleck, F. et al. (2007), S. 236

229 Stand 9. März 2008, URL: http://www.technorati.com/about/

230 Vgl. Stauss, B. (2007), S. 254

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83

sönlichen Kommunikation in Verbindung mit einem globalen Diffusionspotenzial entwickeln

können.

Neben diesen vorteilhaften Eigenschaften ist der Einsatz von Blogs im Rahmen der Unterneh-

menskommunikation mit nicht unerheblichen Risiken verbunden:

Blog-Kommentatoren erwarten, dass ihre Meinungen Gehör finden. Ignoriert das Un-

ternehmen kritische Beiträge, können sich negative Nachrichten schnell und exponen-

tiell verbreiten.231

Blogs sind ein schnelles Medium und Blog-Leser erwarten regelmässige Neueinträge.

Wird die Aktualisierungsrate gesenkt, wenden sich dem Leser vom Medium ab.232

Effektive Kommunikation mittels Blogs stellt daher ähnliche Anforderungen an die Marketing-

planung und Disziplin des Managements wie konventionelle Instrumente. Im Bereich der PSF

haben Blogs in allen Branchen Einzug gehalten. Es gibt beispielsweise Blogs von Kliniken und

Ärzten233

, Softwareentwicklern

234, Anwälten

235 und Finanzberatern

236. Diese Blogs haben ähn-

lich wie die Publikation von Fachartikeln oder Büchern das Ziel, Kompetenz und Meinungsfüh-

rerschaft zu demonstrieren, aber unter Einsatz geringerer Ressourcen.

4.4.3.7 Virales Marketing

Das Konzept des viralen Marketing beruht auf dem Prinzip der Mund-zu-Mund-Werbung über-

tragen auf das Internet. Wie die Mund-zu-MundWerbung ist auch das virale Marketing eine

Kommunikationsform, die existierende soziale Netzwerke nutzt, um gezielt Aufmerksamkeit auf

Marken, Produkte oder Kampagnen zu lenken, indem Nachrichten sich epidemisch, wie ein

Virus, mit Netzwerkgeschwindigkeit ausbreiten.237

Im Gegensatz zum Empfehlungsmarketing

setzt das virale Marketing keine langjährige Kundenbeziehung voraus, sondern beruht auf Ge-

legenheitsempfehlungen.238

231

Vgl. Stauss, B. (2007), S. 255

232 Vgl. Heuer, S. und X. Fink (2008)

233 Zufällige Beispiele:

URL: http://www.mic-blog.de/, URL: http://www.duesseldorf-blog.de/category/duesseldorf-aerzte/

234 Zufällige Beispiele:

URL: http://ajaxblog.com/, URL: http://msdn2.microsoft.com/en-us/vcsharp/aa336718.aspx

235 Zufällige Beispiele:

URL: http://www.law-blog.de, URL: http://www.jurablogs.com

236 Zufällige Beispiele:

URL: http://www.pvi.ch/, URL: http://finanzblog.kaywa.com/

237 Vgl. Bauer H. H. et al. (2007), S. 64

238 Vgl. Langner, S. (2007), S. 34

Page 84: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

84

Ein bekanntes Beispiel ist das kostenlose Werbespiel Moorhuhn, das ein Marketing-Instrument

der Firma Johnnie Walker war. Das Spiel konnte auf der Internetseite der Firma kostenlos her-

untergeladen werden und wurde zu einem absoluten Hit im Internet. Andere Beispiele sind Gra-

tisangebote von Songs im MP3-Format, die Mercedes-Benz wöchentlich auf ihrer Homepage

anbietet239

oder die Kampagnen zur Einführung des iPhones.

Eine raffinierte Variante hat Microsoft unter dem Titel „Microsoft Most Valuable Professionals“

(MVPs) entwickelt.240

Im Rahmen dieses Programms werden Experten für ihre aktiven und qua-

litativ hochstehenden Beiträge in Communities mit dem MVP-Titel ausgezeichnet. Sie erfahren

Anerkennung als herausragende Meinungsführer und Experten, gleichzeitig profitiert Microsoft

von umfangreichem und kostenlosem Anwendersupport durch 3400 MVPs. Eine Internetre-

cherche zum Begriff „MVP“ liefert 41'700'000 Hits, was den Erfolg dieses Programms eindrück-

lich belegt.

Als Erfolgsfaktoren des viralen Marketing wurden folgende Kriterien identifiziert:241

Wahrnehmbarer Kundennutzen (Imagevorteile, Erlebnis- oder Unterhaltungswert,

einzigartiges Produkt oder Dienstleistung).

Kostenlose Abgabe (begünstigt durch die Kostenstruktur digitaler Produkte).

Müheloser Transfer (vor allem durch Email mit einem Klick).

Wahl der ersten Übermittler bzw. „Träger“ durch Ansprache von Online-

Meinungsführern in der Anfangsphase.

Virales Marketing ist oft mit einem gewissen Erlebnis- oder Spassfaktor verbunden und beson-

ders bei testbaren Produkten erfolgreich.242

Deshalb sind derartige Marketingmethoden im Be-

reich der Professional Services, deren Dienstleistungen in der Regel einen sehr seriösen Cha-

rakter haben, eher ungeeignet.

239

Vgl. Website von Mercedes Benz, URL: http://www.mercedes-benz.com/mixedtape

240 Vgl. URL: http://mvp.support.microsoft.com,

URL: http://www.microsoft.com/germany/community/programme/mvp.mspx

241 Vgl. Bauer H. H. et al. (2007), S. 67

242 Vgl. Morgenthaler, L. (2007), S. 26

Page 85: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

85

Abbildung 15: Ausprägungsformen von Kundenempfehlungen im Internet243

4.4.3.8 Online-Marketing

Der Begriff Online-Marketing umfasst ein breites Spektrum Internet-gestützter Kommunikati-

onswerkzeuge, u. a.:

Websites

Email-Marketing

Suchmaschinen-Marketing

Produktmarketing (z. B. Webshops)

Gegenüber traditionellen Kanälen hat das Internet den Vorteil, ein Medium mit ausgeprägter

Flatrate-Charakteristik zu sein. Im Gegensatz zu klassischen Printmedien entstehen daher kei-

ne nennenswerten Distributionskosten. Da die Informationsübertragung und die Darstellung von

Web-Inhalten standardisiert wurden, können heute Internet-Dienste auf zahlreichen Endgeräten

wie PCs, Fernsehern und Mobiltelefonen genutzt werden.

Websites

Websites sind heute aus der Kommunikationslandschaft nicht mehr wegzudenken. Sie stellen

mehrseitige, oft umfassende Informationen über eine Unternehmung und deren Tätigkeit dem

Benutzer zur Verfügung.

Websites weisen eine ausgeprägte Pull-Charakteristik auf, d. h. der Benutzer kann selbst ent-

scheiden, ob und wann er die angebotenen Informationen abrufen will. Der Kunde ist im Inter-

net-Zeitalter nicht mehr auf die Ansprache des Unternehmens angewiesen, sondern der Dialog

243

Quelle: Bauer, H. H. et al. (2007), S. 64

Kundenempfehlungen

im Internet

Kommunkation zwischen

Kunde(n) und Anbieter

Kommunkation zwischen

Kunden

Internet-

Referenzen

Internet word

of mouth

Page 86: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

86

mit dem Anbieter von professionellen Dienstleitungen kann vom Kunden im Rahmen seiner

Informationssuche initiiert werden.244

Entscheidend für die Wirkung einer Website sind daher folgende zwei Aspekte:

Ausrichtung der Inhalte auf die Informationsbedürfnisse des Zielpublikums (Kunden,

potenzielle Mitarbeiter).

Integration von Rückkoppelungskanälen.

Während die Ausrichtung der Inhalte heute oft gut verstanden wird, ist die Integration von Dia-

loginstrumenten Gegenstand der neuen Web 2.0-Entwicklung.

Web 2.0

Interaktion und Kollaboration sind für das Relationship-Marketing zentrale Themen. Das Internet

hat bis vor einigen Jahren hauptsächlich aus statischen Inhalten bestanden. Seit einigen Jahren

haben technische Neuerungen (z. B. ADSL-Verbindungen mit hoher Bandbreite, CMS, AJAX,

Soap) Grundlagen für neue Dienste gelegt, die eine bessere Integration des Benutzers in den

Informationsfluss ermöglichen. Das Web soll nicht blosser Informationsspeicher mit Distributi-

ons-Charakter bleiben, sondern sich zu einer Plattform entwickeln, in der zahlreiche Dienstleis-

tungen interaktiv und im kooperativen Dialog genutzt werden können. Typische Web 2.0 An-

wendungen sind Blogs, Second Life, Online-Kalender und Online-Fotoalben).

Suchmaschinen-Marketing

Die bestgestaltete Website nützt nichts, wenn diese niemandem bekannt ist. Das Suchmaschi-

nenmarketing befasst sich mit Methoden, einer Website bei den bekannten Suchmaschinen

(z. B. www.google.com, http://www.yahoo.com, http://www.live.com/, www.altavista.com) einen

optimalen Rang zu verschaffen. Dazu können auch bezahlte Angebote eingesetzt werden.

Email-Marketing

Von den meisten Internet-Benutzern werden unerwünschte Emails als Spam angesehen. Ein

Massenversand von Emails ist nicht nur ein unfreundlicher Akt gegenüber den Empfängern,

sondern in den meisten europäischen Ländern auch gesetzeswidrig.

244

Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 30

Page 87: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

87

4.5 Rechtliche Beschränkungen der Werbung

bei freien Berufen

In diesem Abschnitt werden rechtliche Rahmenbedingungen der Werbetätigkeit insbesondere

von PSF behandelt. In einem ersten Teil werden der Grundsatz der Werbefreiheit und deren

rechtliche Verankerung in den Grundrechten sowie die rechtlichen Grundlagen für deren Be-

schränkung für die Schweiz, Österreich und Deutschland überblicksartig dargelegt. Der zweite

Teil geht näher auf standes- und berufsrechtliche Werbebeschränkungen der sog. freien Berufe

ein, die für viele PSF einschlägig sind. Dabei werden stellvertretend die konkreten Werbebe-

schränkungen für Ärzte und Rechtsanwälte in der Schweiz aufgezeigt.

4.5.1 Grundsatz der Werbefreiheit und Systematik

gesetzlicher Werbebeschränkungen

In modernen liberalen Wirtschaftsverfassungen sind die marktwirtschaftlichen Grundprinzipien

der Wettbewerbsfreiheit und des freien Marktzugangs in verfassungsmässig gewährleisteten

Grundrechten verankert. Auch die Werbefreiheit ist heute regelmässig Teil von Grundrechtsin-

halten, die sowohl in nationalem Verfassungsrecht als auch in internationalen Grundrechtskata-

logen garantiert werden.

Für die Werbefreiheit relevant sind in erster Linie Grundrechte über die Wirtschaftsfreiheit und

die Meinungsäusserungs- oder Informationsfreiheit. Von Wirtschaftsfreiheitsrechten ist die Wer-

bung als unternehmerische Funktion des Marketings erfasst. In den Schutzbereich der Mei-

nungsäusserungs- und Informationsfreiheit fällt Werbung als kommerzielle Information, obwohl

zu beachten ist, dass regelmässig für kommerzielle Information weiter gehende Beschränkun-

gen zulässig sind, als für ideelle Informationen.245

In manchen Ländern Europas wie etwa in

Österreich und Deutschland ist die Werbefreiheit zudem durch eine verfassungsmässig gewähr-

leistete Gewerbe- und Berufsfreiheit geschützt.246

Die Werbefreiheit ist grundsätzlich umfassend. Das heisst, die Marktteilnehmer können ihre

Waren und Dienstleistungen zur Unterscheidbarkeit kennzeichnen, ihre Vertriebsarten frei wäh-

len und Umfang, Ort und Zeit ihrer Werbemassnahmen frei bestimmen. Ebenso sind sie in der

Wahl der verwendeten Kommunikationsmedien grundsätzlich frei.247

Der Grundrechtsschutz im

Bereich der Werbefreiheit gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für Personenver-

einigungen und juristische Personen.

245

So etwa der österr. Verfassungsgerichtshof in seiner Erkenntnis vom 27.6.1986, Gz. B658/85 (VfSlg.

10.948/1986).

246 Vgl. Schibli, H. R. (2004), S. 25f

247 Vgl. zur Rechtslage in der Schweiz: David, L. und M. A. Reutter (2001), S. 20f

Page 88: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

88

4.5.1.1 Möglichkeiten gesetzlicher Beschränkung der Werbefreiheit

Eingriffe in Grundrechte (und demgemäss auch Beschränkungen der Werbefreiheit) sind nur

durch den Gesetzgeber und nur gemäss einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung bzw. im

Anwendungsbereich der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aufgrund einer in

dieser selbst verankerten Ermächtigung zulässig (sog. Gesetzes- oder Schrankenvorbehalt).248

Im Schrankenvorbehalt werden regelmässig rechtspolitische Schutzzwecke definiert, deren

Verfolgung prinzipiell Grundrechtseingriffe erlauben. Typische Schutzzwecke für werbebe-

schränkende Gesetze sind der Schutz der Gesundheit, der Schutz des guten Rufes und Rechte

anderer, der Schutz der Moral, der Schutz vertraulicher Daten, die Wahrung der Autorität und

Unparteilichkeit der Rechtsprechung, etc.

Es obliegt letztlich den nationalen Verfassungsgerichten in den einzelnen Staaten, dem Europä-

ischen Gerichtshof (EuGH) auf Ebene der EU und dem Europäischen Gerichtshof für Men-

schenrechte (EGMRK) im Anwendungsbereich der EMRK, die Einhaltung der Grundrechte und

die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen zu kontrollieren. Zur Überprüfung von Werbebe-

schränkungen wird von den Gerichten eine Adäquanzprüfung vorgenommen. Das bedeutet,

dass Werbebeschränkungen zur Erreichung der ins Treffen geführten Schutzzwecke tatsächlich

erforderlich, zur Zielerreichung geeignet und zu dieser in einem adäquaten Verhältnis stehen

müssen. An diesem Massstab werden letztlich auch standesrechtliche Werbebeschränkungen

gemessen249

.

Gesetzliche Einschränkungen erfährt die Werbefreiheit etwa im Rahmen des Wettbewerbsrech-

tes, dort v.a. im Bereich des Lauterkeitsrechtes (nationales UWG). Produktbezogene Beschrän-

kungen finden sich, auch auf Gemeinschaftsrechtsebene, besonders bei Tabakwaren, alkoholi-

schen Getränken und Arzneimittel. Auf derartige Einschränkungen wird im Rahmen dieser Ar-

beit aber nicht weiter eingegangen.

Besondere Werbebeschränkungen bei freien Berufen finden sich in gesetzlichen oder standes-

rechtlichen Berufsordnungen, welche im folgenden Abschnitt näher behandelt werden. Standes-

rechtliche Berufsordnungen können nur aufgrund einer gesetzlichen Delegation der Rechtsset-

zungskompetenz im Rahmen der autonomen beruflichen Selbstverwaltung erlassen werden.

Derartige berufsrechtliche Werbebeschränkungen müssen sich in gleichem Masse wie das

Lauterkeitsrecht auf einen entsprechenden Schrankenvorbehalt berufen und unterliegen letzt-

lich der höchstgerichtlichen Kontrolle betreffend die Vereinbarkeit mit den Grundrechten.

248

So etwa Art. 94 Abs. 4 der schweizerischen Bundesverfassung (BV)

249 Z. B. Lockerung der österr. Richtlinien für die Berufsausübung von Rechtsanwälten (RL-BA 1977)

durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20.6.2001 zu Gz V30/01.

Page 89: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

89

4.5.1.2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

Die EMRK ist ein als völkerrechtlicher Vertrag ausgestalteter Grundrechtskatalog250

, dem bis

heute fast alle europäischen Länder beigetreten sind251

. Die EMRK hat in Deutschland den

Rang eines einfachen Gesetzes252

und in Österreich sogar Verfassungsrang253

. Sie ist in der

Schweiz, wie in den anderen Konventionsländern auch, über Art. 46 EMRK254

verbindlich an-

zuwenden.

Die Werbefreiheit ist in der EMRK über die Meinungsäusserungsfreiheit in Art. 10 gewährleistet:

„Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt

die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördli-

che Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiter-

zugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kino-

unternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie

kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohun-

gen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen

Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unver-

sehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder

zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum

Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbrei-

tung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unpartei-

lichkeit der Rechtsprechung.“

Unter die Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 EMRK fallen nach heute überwiegender

Auffassung auch Informationen kommerzieller Natur. Eingriffe in die freie Meinungsäusserung

sind nur durch gesetzliche Normierungen, die zumindest einem der in Abs. 2 normierten

Schutzzwecke dient, erlaubt. Bei Verletzungen steht jedem einzelnen Betroffenen die Anrufung

des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mittels Individualbeschwerde offen255

.

250

Volltext siehe URL: http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/005.htm

251 Stand der Unterzeichnerländer und Ratifizierungen URL:

http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=005&CM=7&DF=3/11/2008&CL=GER

252 Das dt. Bundesverfassungsgericht hat aber in seiner Entscheidung zu 2 BvR 1481/04 vom 14.10.2004

unmissverständlich klargelegt, dass „die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum

Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Entscheidungen des Europäischen Ge-

richtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zum Grund-

recht der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört.“

253 BVG BGBl. Nr. 59/1964

254 Art. 46 1. Satz EMRK: „Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen

sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.“

255 Art. 34 EMRK

Page 90: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

90

Dessen Entscheidungen sind für die Vertragsstaaten und deren Justiz- und Verwaltungsorgane

verbindlich256

.

Die Europäische Union ist aus rechtlichen Gründen zwar nicht Vertragspartei der EMRK, ist

aber zur Achtung der Grundrechte der EMRK aufgrund der Bestimmung in Art. 6 Abs. 2 des

Vertrages über die Europäische Union (EUV)257

verpflichtet. Daneben gibt es auch innerhalb

der EU Bestrebungen zur Kodifizierung einer eigenen verbindlichen Grundrechtscharta, die

jedoch aufgrund des Nicht-Inkrafttretens des Vertrages von Nizza verzögert wurden.

Weiters ist die Werbefreiheit auf Ebene der Europäischen Union grundsätzlich ein Ausfluss der

Warenverkehrsfreiheit258

und der Dienstleistungsfreiheit259

. Dies insofern, als dass Werbebe-

schränkungen als Massnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschrän-

kungen, die Warenverkehrsfreiheit verletzen können. Ausserdem können Werbebeschränkun-

gen auch den Auffangtatbestand des freien Dienstleistungsverkehrs verletzen, wenn sie in die

Erbringung von Werbedienstleistungen im grenzüberschreitenden Verkehr im Binnenmarkt ein-

greifen.

4.5.1.3 Verankerung der Werbefreiheit in den nationalen Verfassungen

Schweiz: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes fällt die Werbefreiheit in den Gel-

tungsbereich der in Art. 27 Bundesverfassung (BV) normierten Wirtschaftsfreiheit und grund-

sätzlich nicht in den Bereich der Meinungs- und Informationsfreiheit260

. Eingriffe in die Wirt-

schaftsfreiheit durch Bund, Kantone und Gemeinden sind im Rahmen des allgemeinen Schran-

kenartikels und des Verfassungsvorbehaltes in Art. 94 Abs. 4 BV vorzunehmen261

.

Österreich: Die Werbefreiheit ist sowohl über die Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG) als auch über

die Kommunikationsfreiheit garantiert (Art. 13 StGG und Art. 10 EMRK)262

.

Deutschland: Die Werbefreiheit ist über die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit263

sowie

über die Berufswahl und -ausübungsfreiheit264

geschützt.

256

Art. 46 Abs. 1 EMRK

257 Volltext zu finden auf URL: http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/index.htm

258 Art. 28 EG-Vertrag

259 Art. 49 EG-Vertrag

260 BGer 28.3.2002, BGE 128 I 295, S.308, Erw. 5a; BGer 2.11.1999, BGE 125 I 417, S.420f, Erw. 3a.

261 Art. 36 BV; vgl. David L. und M. A. Reutter (2001), S. 24

262 VfGH Erk. 27.6.1986, Gz. B658/85 (VfSlg. 10.948/1986), das jedoch nicht auf Art. 13 StGG abstellt,

sondern auf Art. 10 EMRK.

263 Art. 5 GG; so etwa das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12.12.2000 (BVerfGE 102, 347

(347))

264 Art. 12 Abs. 1 GG; vgl. dazu Breuer, S. (1994), S. 94ff

Page 91: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

91

4.5.2 Werbebeschränkungen für PSF

PSF sind vielfach in den Bereichen der so genannten freien Berufe tätig, welche aufgrund ihrer

besonderen Merkmale, ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit und teilweise auch aus rechtshis-

torischen Gründen besonderen Werbebeschränkungen unterworfen sind.

4.5.2.1 Kennzeichen der freien Berufe

Der Begriff der freien Berufe ist gesetzlich nicht eindeutig definiert und abgegrenzt, sondern ein

soziologischer Fachausdruck. Es handelt sich dabei um eine Reihe unterschiedlicher Berufsar-

ten, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale in der Regel eigene Berufsordnungen haben und

in der Regel nicht den Gewerbe- oder Handwerksordnungen unterliegen (so beispielsweise in

Deutschland und Österreich).

Nach dem Tätigkeitsbereich können die freien Berufe in vier Kategorien265

eingeteilt werden, zu

denen typischerweise die im Folgenden aufgezählten Berufe gehören:266

Freie heilkundliche Berufe: Ärzte, Apotheker, Dentisten, Physiotherapeuten, Psy-

chologen und Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Hebammen, Tierärzte

Freie rechts- und wirtschaftsberatende Berufe: Rechtsanwälte, Notare, Wirt-

schaftstreuhänder, Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer

Freie technische und naturwissenschaftliche Berufe: Architekten, Ingenieurkon-

sulenten, Ziviltechniker

Freie Kulturberufe: Schriftsteller, Journalisten, Musiker, Künstler

Die folgende Definition von freien Berufen beinhaltet essentielle Wesensmerkmale, die für die

Ausgestaltung von Werbebeschränkungen als Begründung herangezogen werden: „Angehörige

freier Berufe erbringen aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation und Kompetenz persön-

lich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistige Leistungen im Interesse ihrer Auf-

traggeber und der Allgemeinheit. Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifischen be-

rufs- und standesrechtlichen Bedingungen nach Massgabe der staatlichen Gesetzgebung und

des von der jeweiligen Bundesvertretung autonom gesetzten Rechts, welche die Professionali-

265

Vgl. Buchinger, S. (1999), S. 13f

266 Die aufgezählten Berufe gelten weder in allen untersuchten Ländern als freie Berufe noch handelt es

sich um eine Aufzählung aller in den untersuchten Ländern vorkommender freier Berufe. Die Aufzäh-

lung soll lediglich einen Überblick über typische freie Berufe geben. Für Deutschland findet sich eine

Aufzählung der freien (Katalog-)Berufe in § 18 Einkommenssteuergesetz (EStG) und im Gesetz über

Partnerschaftsgesellschaften für Angehörige Freier Berufe (PartGG). Für Österreich finden sich Rege-

lungen zur Abgrenzung der freien Berufe in der Gewerbeordnung (v.a. § 2 Abs. 1 Z. 7, und 10f GewO)

und im Einkommenssteuergesetz (§ 22 Abs. 1 EStG). In der Schweiz wird der Kreis der freien Berufe

nicht gesetzlich definiert; eine Abhandlung über die in der Schweiz praktisch anerkannten freien Berufe

findet sich bei Bernhardt, C. (1994), S. 7ff.

Page 92: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

92

tät, Qualität und das zum Auftraggeber bestehende besondere Vertrauensverhältnis (als per-

sönlicher Berater, Vertreter, Helfer) gewährleisten und fortentwickeln.“267

In der Schweiz werden die freien Berufe landläufig als wissenschaftliche Berufsarten bezeich-

net268

und deren Kreis ist demgemäss tendenziell enger gefasst als in Deutschland oder Öster-

reich. Unter wissenschaftlichen Berufsarten werden private Erwerbstätigkeiten verstanden, die

eine Wissenschaft anwenden und denen eine öffentliche Bedeutung zukommt269

.

Charakteristisch für viele freie Berufe ist die Übernahme öffentlich-rechtlicher Aufgabenstellun-

gen (z. B. Notare als Träger der öffentlichen Verwaltung im Rahmen ihrer Funktion als Ur-

kundsperson) oder eine besondere Stellung im Staat durch die Bedeutung ihres Berufs für die

Allgemeinheit (z. B. Ärzte und ihre Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung). Es besteht

daher ein öffentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit dieser Berufe. Als Konsequenz dieser

öffentlichen Bedeutung wird argumentiert, dass diese Berufe nicht dem freien Markt ausgesetzt

werden dürfen.270

Betrachtet man die Beziehung zum Klienten, so stellt man fest, dass der Berufsangehörige auf-

grund des grossen Kompetenzgefälles eine überlegene Stellung einnimmt und, dass der Klient

grosses Vertrauen aufbringen muss. Damit korrespondierend ist für die Berufsangehörigen ein

gewisses Mass an Vertrauenswürdigkeit und Integrität Grundvoraussetzung. Das Vertrauen der

Klienten bedarf eines gewissen Schutzes vor missbräuchlicher Ausnutzung und ist Grund dafür,

dass auch ein gewisses ideelles und uneigennütziges Selbstverständnis nach wie vor zum Be-

rufsbild vieler freier Berufe gehört. Daher muss das Ansehen und die Berufswürde einer Be-

rufsgruppe oder eines Berufsstandes auch entsprechend gewahrt und geschützt werden. Eine

den freien Marktkräften überlassene kommerzielle Ausübung der freien Berufe wäre mit diesen

speziellen Anforderungen unvereinbar, da sie individuell und gesellschaftlich negative Auswir-

kungen hätte. Diese besonderen Eigenarten der und Anforderungen an die freien Berufe dienen

als Rechtfertigung für die weit reichenden gesetzlichen Reglementierungen dieser Berufe.271

267

Definition der freien Berufe, verabschiedet vom Vorstand der Bundeskonferenz der Kammern der Frei-

en Berufe Österreichs am 21.2.1996

268 So auch in Art. 95 BV, wo von „Personen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung“ die Rede ist.

269 Vgl. Bernhart, C. (1994), S. 11

270 Vgl. Buchinger, S. (1999), S. 12f

271 Vgl. Bernhart, C. (1994), S. 21ff

Page 93: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

93

4.5.2.2 Konkrete Werbebeschränkungen für freie Berufe in der Schweiz

am Beispiel der Ärzte und Rechtsanwälte

Einleitung

Die Reglementierung der freien Berufe in der Schweiz erfolgt durch gesetzgeberische Mass-

nahmen entweder auf eidgenössischer, inter-kantonaler oder kantonaler Ebene. Aufgrund der

föderalen Ausgestaltung der Schweiz sind Reglementierungen zu ein und demselben Beruf oft

auf mehreren oder gar auf allen drei Rechtssetzungsebenen vorhanden. So ist etwa das Be-

rufsrecht der Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker und Tierärzte zwar grundsätzlich bundesgesetz-

lich geregelt, doch finden sich weitere Regulierungen wie z. B. Werbebeschränkungen bei Ärz-

ten auf kantonaler Ebene. Sind gemäss Bundesverfassung die Kantone zur Reglementierung

berufen, so kann dies zur Folge haben, dass manche Berufe in bestimmten Kantonen regle-

mentiert sind und in anderen gar nicht oder sie sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich regu-

liert. Zu den gesetzlichen Reglementierungen gehört regelmässig auch die Aufsicht durch öf-

fentlich-rechtlich eingesetzte Organe und Behörden. Eine Aufstellung der reglementierten Beru-

fe in der Schweiz bzw. in den einzelnen Kantonen und der entsprechenden Reglementierungs-

ebenen findet sich in einem Grundlagenbericht der SECO zur Revision des Bundesgesetzes

über den Binnenmarkt (BGBM).272

Zahlreiche Berufsausübungsvorschriften finden sich in den Standesregeln der einzelnen Be-

rufsverbände. Teilweise strittig ist der rechtliche Charakter dieser Standesregeln, da sie grund-

sätzlich nur für die Verbandsmitglieder unmittelbar rechtliche Wirkung entfalten können. Stan-

desregeln können als Rechtsquelle öffentlichen Rechts, als eine Art Gewohnheitsrecht und oder

nur als Ausdruck bestehender Sitten und Anschauungen aufgefasst werden. Folgt man der

letzten Ansicht, haben Standesregeln keine allgemeingültige normative Wirkung sondern kön-

nen lediglich in indikativer Art und Weise als Auslegungshilfen herangezogen werden. Die

rechtliche Qualifikation der Standesregeln hat jedenfalls in einer Einzelfallbetrachtung zu erfol-

gen und kann nicht allgemein vorgenommen werden. Beispielsweise sind Standesregeln einer

Körperschaft oder vereinsrechtlichen Berufsorganisation dann unzweifelhaft Teil des öffentli-

chen Rechts, wenn gesetzlich eine Zwangsmitgliedschaft vorgesehen ist.273

Manche Kantone

weisen den Standesregeln ausdrücklich gesetzlichen Charakter zu, andere machen sie auf

andere Art und Weise direkt verbindlich, wie etwa der Kanton Aargau, der zur Feststellung von

Disziplinarverfehlungen von Rechtsanwälten unter anderem auch auf die Standesregeln ver-

weist.274

272

Vgl. Chambrier, A. (2003), S.33ff

273 Vgl. Bernhart, C. (1994), S. 46ff

274 Vgl. Bernhart, C. (1994), S. 541

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94

Werbebeschränkungen für Ärzte

Die Berufsausübung der Ärzte ist seit 2006 im Bundesgesetz über die universitären Medizinal-

berufe (MedBG) bundesweit einheitlich geregelt275

. Daneben enthalten als Folge der föderalisti-

schen Verfassung der Schweiz auch die kantonalen Gesundheitsgesetze Ausführungsbestim-

mungen zur Berufszulassung und -ausübung universitärer Medizinalberufe.

Das MedBG schreibt vor, dass Ärzte nur Werbung machen dürfen, die objektiv, dem öffentli-

chen Bedürfnis entspricht und weder irreführend noch aufdringlich ist.276

Die Einrichtung ent-

sprechender Aufsichtsbehörden und das Anordnen für die Einhaltung der Berufspflichten nöti-

ger Massnahmen werden durch das MedBG an die Kantone delegiert.277

So ist etwa im Kanton

Zürich die Direktion des Gesundheitswesens278

und im Kanton Sankt Gallen das Gesundheits-

departement279

für die Aufsicht der Ärzte, insbesondere auch bezüglich der Einhaltung ihrer

Berufspflichten, zuständig. Da in der Regel keine weitergehenden Bestimmungen zu Werbebe-

schränkungen für Ärzte in den kantonalen Gesundheitsgesetzen zu finden sind, greifen die

Aufsichtsbehörden auf die Standesregeln der Ärzte zurück:

Die FMH Foederatio Helveticorum Medicorum ist der vereinsrechtlich organisierte Dachverband

der Schweizerischen Ärzteschaft, in dem rund 90% der 30'000 in der Schweiz berufstätigen

Ärzte organisiert sind. Alle Mitglieder sind gleichzeitig Mitglied einer der Basisorganisationen

(u. a. 24 Kantonale Ärztegesellschaften).280

Die Standesregeln der FMH haben für die Werbe-

beschränkungen für die Ärzteschaft der Schweiz insofern ganz wesentliche Bedeutung, als sie

entweder als reine Auslegungshilfe der bundesgesetzlichen Werbebeschränkung herangezo-

gen oder durch Gesetz oder gesetzliche Ermächtigung für allgemein verbindlich erklärt wer-

den281

.

In der Standesordnung der FMH wird grundsätzlich festgelegt, dass Ärzte ihre fachlichen Quali-

fikationen sowie alle anderen, für Patienten oder Kollegen notwendige Informationen, in zurück-

haltender und unaufdringlicher Weise bekannt geben dürfen. Sie haben sich in ihrer ärztlichen

Tätigkeit jeder unsachlichen, auf unwahren Behauptungen beruhenden oder das Ansehen des

275

Der Bund nahm damit seine Gesetzgebungskompetenz betreffend die Ausübung privatwirtschaftlicher

Erwerbstätigkeit nach Art. 95 Abs. 1 BV wahr.

276 Art. 40 Abs. lit. d) MedBG

277 Art. 41 MedBG

278 § 2 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 3 Gesundheitsgesetz ZH

279 Art. 3 Abs. 1 lit b) Gesundheitsgesetz SG

280 Vgl. Website der FMH; URL: http://www.fmh.ch/ww/de/pub/fmh/verbindung_der_schweizer__rzti.htm;

Stand 16.3.2008

281 So ermächtigt z. B. das Gesundheitsgesetz des Kantons Sankt Gallen die Regierung dazu, die Rege-

lungen schweizerischer oder kantonaler Fachorganisationen für die Berufsausübung von medizini-

schen Berufen für allgemein verbindlich zu erklären (Art. 49 Abs. 3).

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95

Arztberufes beeinträchtigenden Tätigkeit zu enthalten. Ausserdem haben sie sich dafür einzu-

setzen, dass nicht ein Dritter zu ihrem direkten oder indirekten Vorteil unzulässige Werbung

betreibt.282

Als für das Publikum notwendige Informationen gelten nach den Richtlinien für Information und

Werbung283

solche, die die Auswahl des geeigneten Arztes erleichtern. Dazu zählen etwa In-

formationen über den beruflichen Werdegang, das Alter und Sprachkenntnisse, über organisa-

torische Belange wie Sprechstundenzeiten oder die Bereitschaft zu Hausbesuchen, über die

Zugehörigkeit zu ärztlichen Vereinen oder auch über spezielle Dienstleistungsangebote (z B.

eigene Physiotherapie, Röntgen).284

Als das berufliche Ansehen beeinträchtigend gelten insbesondere die vergleichende Bezug-

nahme auf andere Berufsangehörige, das Einbeziehen von Referenzen von Patienten, Selbst-

anpreisungen und reklamehafte und aufdringliche Darstellungen der eigenen ärztlichen Tätig-

keit, das Wecken ungerechtfertigter Erwartungen oder Äusserungen und Informationen, die

primär auf einen Werbeeffekt abzielen.285

Zudem enthalten die Richtlinien für detailliert ausge-

führte Beschränkungen für bestimmte Informationsträger (Praxisschilder, Briefpapier, öffentliche

und amtliche Verzeichnisse, etc.).

Zur Öffentlichkeitsarbeit von Ärzten sieht die Standesordnung ausdrücklich vor, dass öffentliche

Auftritte und Mitarbeit in Presse, Radio und Fernsehen erwünscht sind, sofern sie der Aufklä-

rung der Bevölkerung über medizinische und gesundheitspolitische Belange dienen. Dabei hat

jedoch stets die Sache und nicht die Person des Arztes im Vordergrund zu stehen.286

Detaillier-

te weiterführende Bestimmungen finden sich in den Richtlinien für die Medientätigkeit von Ärz-

tinnen und Ärzten287

der FMH. So sollen Ärzte bei ihrer Medienarbeit sich vor Veröffentlichung

das Recht auf Einsicht und Korrektur von Manuskripten und Aufzeichnungen zusichern lassen.

Bei standespolitischen Fragen sind Ärzte verpflichtet, neben ihrer persönlichen Meinung auch

die Grundhaltung der FMH darzulegen.

Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte

Vorschriften zu Werbebeschränkungen der Anwälte finden sich in der Grundsatzgesetzgebung

auf Bundesebene im Anwaltsgesetz (BGFA)288

, als deren Ausführungsgesetzgebung in den

Anwaltsgesetzen der Kantone und in den Standesregeln. Grundsätzlich lassen die im BGFA

normierten Berufsregeln nur Werbung zu, „solange diese objektiv bleibt und solange sie dem

282

Art 20 Standesordnung der FMH idF v. 3.5.2007

283 Anhang 2 zur Standesordnung FMH

284 Pkt. 1 der Richtlinien für Information und Werbung der FMH

285 Pkt. 2 der Richtlinien für Information und Werbung der FMH

286 Art 22 Standesordnung der FMH idF v. 3.5.2007

287 Anhang 3 zur Standesordnung FMH

288 BG vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA)

Page 96: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

96

Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht“289

. Die kantonalen Anwaltsgesetze enthalten

in der Regel Bestimmungen unter anderem zur Aufsicht und zum Disziplinarverfahren und ver-

weisen in punkto inhaltlicher Werbebeschränkungen auf die Berufsregeln des BGFA290

, wobei

die Aufsichts- und Disziplinarbehörden sowie die Gerichte bei deren Auslegung auf die Stan-

desregeln zurückgreifen. Beispielsweise zitiert das Bundesgericht in seiner unter dem Namen

„The largest Swiss law firm“ bekannt gewordenen Entscheidung aus den Standesregeln des

Luzerner Anwaltsverbandes291

:

Auch der Code of Conduct for European Lawyers enthält Bestimmungen zur Werbetätigkeit von

Rechtsanwälten, die jedoch nur subsidiäre Geltung haben und allenfalls bei grenzüberschrei-

tenden Tätigkeiten Relevanz erlangen.292

In den Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbandes ist normiert, dass Anwälte

grundsätzlich für sich werben dürfen, dass die Werbung aber „der Wahrheit entsprechen, das

Berufsgeheimnis wahren und einen sachlichen Bezug zur beruflichen Tätigkeit aufweisen

soll“.293

In der schon erwähnten Bundesgerichtsentscheidung „The largest Swiss law firm“ wird die Wer-

bebeschränkung weiter konkretisiert: „Auf jeden Fall hat die anwaltliche Werbung zurückhaltend

zu sein, darf keine unrichtigen Erwartungen wecken, hat auf sensationelles und reklamehaftes

Sichherausstellen gegenüber Berufskollegen zu verzichten und muss von hohem Informations-

gehalt sein“294

. Rechtsanwälte dürfen grundsätzlich Zeitungsartikel, welche über die Ausübung

ihres Berufes in einem bestimmten Falle berichten, selber verfassen oder das Erscheinen sol-

cher Artikel veranlassen. Dabei haben sie jedoch darauf zu achten, dass ein solcher Artikel

ihren Berufsstand nicht in Verruf bringt, dass er nicht irreführend, kommerziell, vergleichend,

aufdringlich oder marktschreierisch formuliert ist und nicht die Seite ihrer Berufsausübung in

den Vordergrund gestellt wird. Dies gilt generell für Auftritte von Anwälten in den Medien, die

grundsätzlich erlaubt sind, wenn sie einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit dienen, die

Informationen sachlich und objektiv sind und die Person und die anwaltliche Berufsausübung

nur am Rande Erwähnung finden.295

Dies geht so weit, dass schon die Erwähnung eines Anwal-

289

Art. 12 lit. f) BGFA

290 So z. B. Art. 9 AnwG SG, Art. 14 Abs. 1 ZH AnwG

291 Vgl. Bger 12.2.1997, 123 I 12, S. 17, Erw. 2 c) aa)

292 Clause 2.6 und 2.4 des Code of Conduct for European Lawyers des Council of Bars & Law Societies of

Europe (CCBE)

293 Art. 16 der Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbandes vom 10.6.2005

294 BGer 12.2.1997, 123 I 12, S. 17, Erw. 2 c) aa); Fellmann, W. und Sidler, O. (1996), Standesregeln des

Luzerner Anwaltsverbandes, Bern 1996

295 Vgl. BGer 2.11.1999, 125 I 417; BGer 4.10.1961, 87 I 261, S. 265f, Erw. 2

Page 97: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

97

tes als „Spezialist“ in einem bestimmten Rechtsgebiet als unzulässige Anpreisung qualifiziert

werden kann.296

Darüber hinaus haben Rechtsanwälte im Rahmen ihres beruflichen Verhaltens schlechthin (was

die Werbetätigkeit jedenfalls inkludiert) generell die Pflicht, klare Rechtsverhältnisse zu schaf-

fen. Das kann etwa bedeuten, dass ein Anwalt im Rahmen seiner Tätigkeit für eine Beratungs-

firma keine Zweifel offen lassen darf, ob er den anwaltlichen Berufspflichten unterliegt oder

nicht.297

Durch die Neuregelung des Berufsrechtes der Anwälte im BGFA im Jahr 2000 auf Bundesebe-

ne und die daran anschliessenden gesetzlichen Anpassungen in den Kantonen und den Erlass

einheitlicher Standesregeln für die gesamte Schweiz durch den Schweizerischen Anwaltsver-

band haben die Bestimmungen zu den Berufsregeln eine begrüssenswerte Vereinheitlichung

erfahren. Im Zuge dessen sind die Werbebeschränken besonders in den vormals sehr restrikti-

ven Kantonen wie Jura, Waadt, Genf oder Tessin298

deutlich gelockert worden.

296

Vgl. BGer 2.11.1999, 125 I 417, S. 425, Erw. 4 d) cc)

297 Vgl. BGer 12.2.1997, 123 I 12, S. 18, Erw. 2 d)

298 Vgl. Bernhart, C. (1994), S. 58ff

Page 98: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

98

Kapitel 5 Ressourcen und Kommunikation in der Praxis

5.1 Treiber der Kommunikation im Zusammenspiel von

Ressourcen und Informationsasymmetrie

Im Kapitel 3 wurden wichtige Ressourcen als Erfolgstreiber bei KMU identifiziert: Die Ressource

Unternehmer mit seiner unternehmerischen Haltung, seinem Beziehungsnetz sowie die von den

Mitarbeitern getragene Wissensbasis.

Am Markt für professionelle Dienstleistungen treffen nun der Anbieter mit seinen Ressourcen

und der Nachfrager mit seinen Lösungs- und Informationsbedürfnissen aufeinander. Im Kapitel

4 haben wir ausführlich gezeigt, wie der Anbieter auf die Informationsasymmetrie und die dar-

aus resultieren Unsicherheiten reagieren soll:

Mittels persönlicher Kommunikation soll er sich als glaubwürdiger Anbieter in der Wahr-

nehmung des Nachfragers positionieren (Signaling).299

Er soll seine Reputation einsetzen und Vertrauen schaffen, um die Unsicherheiten in der

Qualitätswahrnehmung des Nachfragers zu überwinden.300

Genau hier kommt das Beziehungsnetz des Unternehmers zum Tragen: Im Idealfall generiert er

im Rahmen seines Netzwerkes zahlreiche Gesprächsgelegenheiten, bei denen er auf die Leis-

tungen seines Unternehmens hinweisen kann. Dadurch schafft er Verkaufsgelegenheiten ent-

weder direkt im Netzwerk oder indirekt über Meinungsführer und Mund-zu-Mund-Propaganda.

Als oberster Repräsentant des Unternehmens vermittelt er besondere Glaubwürdigkeit. Das

vom Publikum wahrgenommene Bild des Unternehmens verschmilzt mit der Persönlichkeit des

Unternehmers. Angestellte Mitarbeiter tragen wohl zum Reputationsaufbau wesentlich bei, kön-

nen jedoch im persönlichen Kontakt kaum ein so einheitliches Unternehmensimage aufbauen,

wie der Unternehmer selbst. Unter diesen Gesichtspunkten könnte man die persönliche Kom-

munikation durch den Unternehmer als effektivsten Erfolgstreiber in PSF bezeichnen, der sich

vorwiegend bei der Kundenakquisition auswirkt.

Reputation ist das Ergebnis eines historischen Leistungspfades. Leistungen von hoher wahrge-

nommener Qualität können nur dann kontinuierlich erbracht werden, wenn entsprechende Wis-

sensressourcen vorhanden sind und diese im Rahmen einer angemessenen Firmenkultur ge-

299

Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 4.2.1.2.

300 Siehe dazu die Ausführungen in den Abschnitten 4.2.1.4 und 4.3.2.2.

Page 99: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

99

nutzt und gepflegt werden. Es ist offensichtlich, dass damit – wie im vorigen Kapitel beschrie-

ben – dem Mitarbeiter bei der Leistungserstellung und dem Aufbau von Reputation eine tragen-

de Rolle zukommt. Diesen Prozess kann der Unternehmer durch das Setzen von Qualitätsstan-

dards, mit Leadership und durch gezielte Mitarbeiterselektion fördern.

5.2 Strukturierte Interviews

Die Erkenntnisse im obigen Abschnitt legen nahe, dass kleine und mittlere PSF ein typisches

Spektrum an Kommunikationsinstrumenten nutzen, was wir anhand von strukturierten Inter-

views mit ausgewählten PSF im Ansatz untermauern wollen. Die Interviews werden im Anhang

in Transkription wiedergegeben. Für statistisch gesicherte Aussagen wäre eine quantitative

empirische Studie notwendig, die den Rahmen dieser EMBA-Projektarbeit sprengen würde.

5.2.1 Auswahl der Interviewpartner

Um das Branchenspektrum möglichst gut abzudecken, wurden Interviews mit Firmen aus den

Bereichen Engineering, IT, Medizin, Architektur, Rechtsberatung und Treuhand geführt. Die

Unternehmen weisen unterschiedliche Grössen auf, von einigen wenigen bis zu mehreren Hun-

dert Mitarbeitern. Alle Firmen sind rechtlich unabhängig und werden vom Eigentümer geführt.

5.2.2 Interviewführung

Die Vergleichbarkeit der Aussagen wurde durch eine strukturierte Interviewführung ermöglicht.

Um den Gedankengängen des Interviewpartners genügend Raum zu geben, wurde der Inter-

viewverlauf aber nicht in ein enges Korsett gepresst, sondern es wurde Gewicht auf die Beant-

wortung folgender Fragestellungen in einem möglichst natürlichen Gesprächsablauf gelegt:

Fragen zum Unternehmen

o Wann wurde das Unternehmen gegründet?

o Wie sieht die Eigentümerstruktur aus?

o Wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen heute?

Diversifizierung

o Was ist am Unternehmen besonders (aus interner Sicht)?

o Wo sieht der Unternehmer seine/die besonderen Stärken (Kultur, Kenntnisse,

Netzwerkbildung, Verbände, etc.)?

Marktumfeld

o Persönliche Einschätzung des Marktumfelds (Wachstum, Konkurrenz, etc.).

Instrumente / Wirkungshebel

o Was bezeichnet der Unternehmer in Bezug auf seine Firma als kommunikative In-

strumente?

Page 100: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

100

o Welches sind, abgesehen von konkreten Instrumenten, weitere kommunikativ

wirksame Faktoren (Mitarbeiter, Auftritt, Unternehmer etc.)?

o Welche Kommunikationsinstrumente werden mit welcher Wirkung eingesetzt?

Ex-Post Betrachtung

o Welche Entwicklungsphasen hat die Firma durchlaufen?

o In welchen Stadien ist die Firma besonders stark gewachsen?

o Welches waren die Gründe für das Wachstum?

Marketingwirkung

o Wird die Wirkung von Instrumenten gemessen (z. B. Anzahl Kunden,

Webstatistik)?

Marktauftritt

o Welche Marketingplanungsaktivitäten werden eingesetzt?

o Wie viele Mitarbeiter werden für Marketingaufgaben eingesetzt?

o Wie wird die Leistung des Unternehmens sichtbar gemacht? (Ausgleich der

Informationsasymmetrie, Reputation, USP, Know-how etc.)?

Kunde

o Sind Kunden eine aktive Referenz?

o Wird ein Monitoring gemacht (Kundenanalyse – Beziehungsmanagement –

Kundenbeziehung)?

Zukunftsszenario

o Wo sind Optimierungen vorgesehen, aus welchem Grund?

o Wie sehen sie zukünftige Massnahmen?

Page 101: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

101

5.2.3 Auswertung

5.2.3.1 Selbstwahrnehmung der Unternehmensressourcen

Als ressourcenbasierte Erfolgstreiber stellen alle Interviewpartner Beziehungen, Netzwerke

(einschliesslich der Kooperationen) und das Unternehmens-Know-how in den Vordergrund.

Auch die Rolle des Unternehmers als zentrale Marketingfigur wird betont und ist sogar in einem

grossen KMU wie Kaiser Ritter Partner dominant.

Neben den ausgewiesenen Erfolgstreibern bewahrheitet sich auch der Spruch „zur richtigen

Zeit am richtigen Ort“. Grosse Aufträge werden nicht nur den eigenen Bemühungen, sondern

auch dem Faktor Zufall oder Glück zugerechnet. Da die Wahrscheinlichkeit für bedeutende

Aufträge mit der Anzahl der Dialogsituationen steigt, ist auch bei diesem Punkt das Netzwerk

des Unternehmens als Erfolgsfaktor anzusehen.

Der Aufbau von Reputation wird als wichtiges Element der Vertrauensbildung in der Kundenbe-

ziehung wahrgenommen. Zu den Grundlagen des Reputationsaufbaus zählen die Unternehmen

nicht nur erfolgreich abgeschlossene Projekte, sondern auch ethisch korrektes Verhalten (Kai-

ser Ritter Partner, Supercomputing Systems). Auch die selektive Mitarbeiterrekrutierung wird als

Massnahme zum Reputationsaufbau und zur Pflege der Firmenkultur genannt (Rodiag).

Ein Teil des Erfolgsfaktors Unternehmer macht die Wachstumsausrichtung der Unternehmung

aus. Nicht bei allen interviewten Unternehmen stehen Wachstumsziele im Vordergrund. So

verzichten die Anwaltskanzlei und die Rodiag Holding AG explizit auf weiteres Wachstum. Die-

se Firmen nutzen bewusst ihren Freiraum und setzen andere, eher persönliche oder prozess-

orientierte Ziele.

Die Ergebnisse der Selbstwahrnehmung ausgewählter Ressourcen werden in Tabelle 8 zu-

sammengefasst. Es ist anzumerken, dass die Nichtwahrnehmung eines Ressourcentypus durch

das Unternehmen nicht bedeutet, dass entsprechende Ressourcen nicht vorhanden wären.301

Jedoch ist die Wahrnehmung Voraussetzung für die bewusste Nutzung einer Ressource als

Erfolgsfaktor. Auffallend ist in diesem Zusammenhang der höchst unterschiedliche Grad, mit

dem eigene Ressourcen identifiziert werden, was vermuten lässt, dass sich manche Firmen nur

in geringem Umfang mit diesen Fragen auseinander setzen.

Teil solcher organisationeller Fähigkeiten ist auch ein institutionalisierter SMP-Prozess. Bei den

interviewten Unternehmen entstehen Marketingentscheide vornehmlich top-down, ad hoc und

ungeplant statt und sind kaum institutionalisiert. Dieser Umstand wird zwar als Schwachpunkt

wahrgenommen, aber aufgrund von Ressourcenbeschränkungen nicht behoben.

301

Siehe dazu auch die Ausführungen zu tacit knowledge in Abschnitt 3.4.2.2

Page 102: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

102

Kais

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Beziehungsnetz des Unternehmers W W W W W

Reputation W W W W W

Wissen W W W W

Kultur W

Tabelle 8: Selbstwahrnehmung ausgewählter Unternehmensressourcen

5.2.3.2 Einsatz von Kommunikationsinstrumenten

Die untersuchten PSF verzichten aufgrund ihrer Erfahrungen auf klassische Werbung und set-

zen gezielt auf den persönlichen Dialog mit Kunden und (Netzwerk)-Partnern. Sie sind sich der

hohen Wirksamkeit von aktiven Kundenreferenzen (Mund-zu-Mund-Propaganda) bewusst und

versuchen diese zu kontrollieren (Supercomputing Systems, Kaiser Ritter Partner). Im Rahmen

der Massenkommunikation setzen die Interviewpartner nur die PR als Instrumente zur Erzeu-

gung von Aufmerksamkeit ein. Aggressive Medienkampagnen von Mitbewerbern werden als

unseriös und nicht passend für eine „gute“ Firma eingeschätzt (Atelier WW, Kaiser Ritter Part-

ner). Direktmailing wird vorwiegend als Informations- und nicht als Akquisitionskanal genutzt.

Die Aktivitäten als Meinungsführer und die Gewinnung neuer Meinungsführer im Rahmen von

Publikationen, Konferenzbeiträgen sowie die Veranstaltung von Seminaren werden als wichtige

(aber aufwendige) Massnahmen eingestuft, die zur Kundenakquisition beitragen können (Atelier

WW, Anwaltskanzlei, MSE Meili).

Etwas überraschend ist die Aussage von Supercomputing Systems und MSE Meili, dass die

Teilnahme an Messen- und Ausstellungen faktisch wirkungslos ist. Diese Form der Kommunika-

tion kann durchaus der persönlichen Face-to-Face-Kommunikation zugerechnet werden und

müsste vor dem theoretischen Hintergrund für PSF geeignet sein.

Das Internet wird von den PSF als wichtige Informationsquelle eingeschätzt. Neuere Instrumen-

te wie Blogs oder virales Marketing sind vermutlich gar nicht bekannt und werden auch nicht

genutzt.

Rechtliche Werbebeschränkungen werden sehr wohl wahrgenommen aber von den Interview-

partnern nicht als grosse Einschränkung betrachtet. Der Grund dafür mag darin liegen, dass

sich die Werbebeschränkungen durchaus mit der jeweiligen Auffassung der eigenen Berufs-

ethik decken (Atelier WW, Anwaltskanzlei).

Ein interessanter Aspekt ist der Drang der Technologieunternehmen zur Materialisierung ihrer

immateriellen Leistung. Sobald ein technisches Produkt gezeigt werden kann, wird dieses

Kommunikationsinstrument mit hoher Priorität eingesetzt.

Page 103: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

103

Kais

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Face-to-Face-

Kommunikation

Persönlicher Kommunikation

und Verkauf E E E E E E

Empfehlungsmarketing E E E E

Client Hospitality und

Eventmarketing E E E E E E

Mediale Kommunika-

tion

Corporate Identity E E

Branding

Klassische Werbung – – – – –

Direktmailing E E E

Public Relations E p p

Publikationen Bücher und Fachartikel E E E / p

Weblogs

Virales Marketing Virales Marketing

Online-Marketing Websites E E / p E E E / p

Web 2.0

Suchmaschinen-Marketing

Email-Marketing

Tabelle 9: Einsatz von Instrumenten bei der externen Kommunikation.

Legende: E = aktiver Einsatz,

p = Erkennen von Potenzial,

– = bewusster Verzicht.

Page 104: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

104

5.3 Interpretation der Resultate

Die sechs befragten Unternehmen setzen jenes Spektrum von Kommunikationsinstrumenten

ein, das anhand der Treiber aus Sicht der unternehmensinternen Ressourcen und aus Sicht der

externen Informationsbedürfnisse abgeleitet wurde. Daher kann die Kommunikationsstrategie

der untersuchten Unternehmen grundsätzlich als rational und effizient eingestuft werden.

Der persönliche Kontakt des Unternehmers mit den Nachfragern ist der Ankerpunkt der Unter-

nehmenskommunikation. Er wird ergänzt um Massnahmen im Bereich Client Hospitality und

Eventmarketing, um gezielt zusätzliche, ungezwungene Kommunikationsgelegenheiten zu ge-

nerieren. Auch das Empfehlungsmarketing wird durch die Firmen aktiv und passiv eingesetzt.

Die Instrumente der medialen Kommunikation und der Publikationen können als Ergänzung der

Face-to-face-Kommunikation betrachtet werden. Sie werden je nach Branchenzugehörigkeit zur

Demonstration von Meinungsführerschaft und zur Pflege der Reputation genutzt, werden aber

nicht als Kernstrategie angesehen. Einige Firmen nehmen ein Potenzial bei der PR wahr, wol-

len dieses aber eher erst in Zukunft ausschöpfen.

Das zunehmende Gewicht des Internets in der globalen Kommunikation wird von Unternehmen

wahrgenommen. Die Firmen setzen Websites zur Information ein, berücksichtigen aber nicht

explizit die besonderen Informationsbedürfnisse im Bereich der PSF. In diesem Bereich besteht

Bedarf an Informationsstrategien, die mehr auf den Dialog mit potentiellen oder bestehenden

Kunden ausgerichtet sind (z. B. Web 2.0).

Wenig Beachtung findet bei den untersuchten Unternehmen die Tatsache, dass eine explizite

Planung der Marketingstrategie kaum stattfindet. Die Ergebnisse von Sager zeigen, dass eine

bewusste Auseinandersetzung mit strategischen Fragen einen positiven Einfluss auf den Un-

ternehmenserfolg hat. Im Sinne des RBV kann es durchaus sein, dass die Unternehmen über

ungenutztes Erfolgspotenzial verfügen. Im Sinn des Role and Relevance of Marketing Model

würde dies prima facie bedeuten, dass der Zielstatus als Marketing-geführtes Unternehmen

nicht ganz erreicht ist.

Die Konzentration der Face-to-face-Kommunikation im Rahmen der Akquisitionstätigkeit auf die

Person des Unternehmers ist einerseits effektiv, begrenzt aber allein schon durch die verfügba-

re Zeit den Kommunikationserfolg. Gerade Unternehmen, welche über Jahre gewachsen sind,

sollten sich daher die Frage stellen, ob das bestehende Führungsmodell auf Dauer der Firmen-

grösse und den besonderen Kommunikationsansprüchen bei PSF angemessen ist. Eine Erwei-

terung der Führungsebene gemäss den Erkenntnissen von Sager könnte durchaus angebracht

sein. Eine Auseinandersetzung mit einem partnerschaftlichen Führungsansatz erscheint sinn-

voll.

Page 105: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

105

Kapitel 6 Schlussbetrachtung

6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

6.1.1 Problemstellung, Einordnung und Abgrenzung des Themas

Die Tätigkeit von Professional Service Firms (PSF) hängt in hohem Masse von Wissensres-

sourcen ab und stellt aufgrund der Intangibilität der Leistungen besondere Anforderungen an

die Kommunikation. Daher wird in dieser Arbeit anhand der beiden Bezugsrahmen ressourcen-

basierte Erfolgsfaktoren und besondere Informationsanforderungen nach Treibern der Kommu-

nikation für PSF gesucht. Da diese Problemstellung umfassend aus einer Marketingperspektive

betrachtet wird, erfolgt eine Einordnung der Arbeit in das umfassende Feld der Marketingtheo-

rie. Definitionen der Begriffe KMU und PSF grenzen das Thema der Arbeit ab.

6.1.2 Ressourcenbasierte Erfolgsfaktoren für KMU

In einem ausführlichen Kapitel werden die Ressourcen als Erfolgsfaktoren für KMU betrachtet

und daraus strategische Handlungsoptionen abgeleitet. Der theoretische Rahmen dazu bildet

der Resource-based-View und das dazugehörige VRIO-Framework. Demnach können Res-

sourcen nur dann nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren, wenn sie wertvoll, selten und

schwer imitierbar sind sowie durch besondere organisationelle Fähigkeiten nutzbar gemacht

werden. Ressourcen können nach Fähigkeitsunterschieden in die Kategorien Wissens- und

Beziehungsressourcen, Wahrnehmens- und Verhaltensressourcen, Positionierungsressourcen

sowie rechtliche, finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen unterschieden werden.

Aus der Analyse mehrerer empirischer Studien werden die folgenden auf Ressourcen basie-

renden Erfolgstreiber für KMU identifiziert:

Die unternehmerische Ausrichtung des Unternehmens und der Wille zum Wachstum,

wobei letzterer v.a. als Multiplikator bei Vorliegen anderer erfolgstreibenden Ressourcen

wirkt

Erfahrung und Ausbildung des Unternehmers

Explizites und implizites Wissen des Unternehmers und der Mitarbeiter

Persönlichkeit und Beziehungsnetz des Unternehmers

Organisationelle Fähigkeit zur strategischen Marketingplanung (SMP)

Grösse des Führungsteams

Page 106: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

106

Die Analyse einer deskriptiven Studie zum Marketingverhalten von KMU zeigt auf, dass die

Mehrzahl der untersuchten KMU die erwähnten Erfolgstreiber nutzen. Jedoch geschieht dies oft

nur unbewusst und intuitiv. Die Studie unterstreicht die Bedeutung der ausgeprägten Verkaufs-

orientierung als grosse Stärke von KMU.

Nach der Betrachtung möglicher strategischer Stossrichtungen erfolgt eine Auseinandersetzung

mit der nötigen Marketingintensität bei KMU anhand des Role and Relevance of Marketing Mo-

dels. Demnach hängt die Rolle und Intensität des Marketing einer KMU von der Relevanz des

Marketing, gemessen an den Unternehmenszielen und dem Geschäftsumfeld ab, woraus sich

strategische Handlungsoptionen ableiten lassen.

6.1.3 Strategien und Instrumente der Kommunikation bei PSF

Bei der Vermarktung von professionellen Dienstleistungen sind PSF bei der Entwicklung ihrer

Kommunikationsstrategien mit besonderen Fragestellungen konfrontiert. Grund dafür ist die

dem Geschäftsmodell von PSF zugrunde liegende Informationsasymmetrie zwischen den

Marktteilnehmern und die daraus resultierenden Unsicherheiten für den Nachfrager. Innerhalb

des theoretischen Rahmen der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) werden folgende Aspekte

von Informationsasymmetrien behandelt:

Kategorisierung der Ursachen für die Unsicherheit anhand von typischen Gütereigen-

schaften (Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften).

Die Transaktionskostentheorie beschäftigt sich mit Neben- und Koordinationskosten für

die Geschäftsanbahnung, für den Geschäftsabschluss sowie für die Mitwirkung des Kun-

den bei der und die Kontrolle der Leistungserstellung aufzuwenden sind. Hohe Transakti-

onskosten können die Neukundenakquisition erschweren und die Kundenbindung erhö-

hen.

Die Principal-Agent-Theorie definiert besondere Unsicherheiten seitens des Kunden einer

PSF aufgrund von versteckten Verhaltens- und Leistungsmerkmalen, von versteckten

opportunistischen Handlungen und Absichten des Anbieters (Agent).

Signaling und Screening von Informationen durch Anbieter und Nachfrager gemäss ihren

jeweiligen Informationsbedürfnissen und Zielen sind eine Grundstrategie für den Umgang

mit Informationsasymmetrien.

Eine kurze Gegenüberstellung der jeweiligen Wirkungsmechanismen zeigt auf, dass für PSF

aufgrund der höheren Glaubwürdigkeit eigentlich nur die persönliche Kommunikation geeignet

ist und der Einsatz von Massenkommunikationsinstrumenten wenig Sinn macht. Persönliche

Kommunikation wirkt auch indirekt über Mund-zu-Mund-Propaganda und Meinungsführer.

In einem eigenen Abschnitt werden die besonderen Aspekte des Beziehungsmarketing von

PSF beleuchtet. Wesentliches Merkmal der Leistungserbringung von PSF sind persönliche

Interaktionen zwischen den Akteuren, die ausgeprägte Interaktionsfähigkeiten erfordern. Den

Frontmitarbeitern von PSF kommt daher im Rahmen des Marketing insofern eine tragende Rol-

Page 107: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

107

le zu, als dass sie während der Leistungserstellung die Wahrnehmung der Leistungsqualität

durch den Kunden wesentlich prägen.

Durch die Informationsasymmetrie werden Unsicherheiten bei den Nachfragern verursacht, die

besonders bei der Akquisition von neuen Kunden Relevanz bekommen. Als Massnahmen zur

Bewältigung dieser besonderen Herausforderungen kommen in Betracht:

Ausrichtung des Beziehungsmarketing auf Kundenbindung

Aufbau und Pflege von Reputation und positivem Image

Förderung einer Dienstleistungskultur

Zielgerichtete Personalselektion und professionelle Mitarbeiterführung (z. B.: Interakti-

onssteuerung durch Motivation, Empowerment, Anreizsysteme, Ausbildung und Mitarbei-

terentwicklung)

Im Rahmen des Beziehungsmarketing richten PSF ihre Kommunikationsstrategien vor allem

nach aussen aus. Zwei verschiedene Gliederungsmöglichkeiten erleichtern den funktionalen

Zugang (Face-to-Face, mediale Kommunikationsinstrumente) bei einer Übersicht der einzelnen

externen Kommunikationsinstrumente.

Viele PSF sind im Bereich der so genannten freien Berufe tätig, welche besonderen berufsspe-

zifischen Werbebeschränkungen unterliegen. Zum besseren Verständnis dieser Beschränkun-

gen wird kurz der Grundsatz der Werbefreiheit dargelegt und die grundlegende Systematik von

gesetzlichen und standesrechtlichen Werbebeschränkungen sowie die konkreten Werbebe-

schränkungen für Rechtsanwälte und Ärzte in der Schweiz aufgezeigt.

6.1.4 Ressourcen und Kommunikation in der Praxis

Verknüpft man die theoretischen Erkenntnisse zu ressourcenbasierten Erfolgstreibern für KMU

mit den besonderen Kommunikationsanforderungen bei PSF, so stellt man fest, dass die Er-

gebnisse dieser beiden Perspektiven weitgehend kongruent sind. Insbesondere tritt die überra-

gende praktische Bedeutung der Person des Unternehmers sowie der Kompetenz der Mitarbei-

ter nochmals deutlich zu Tage.

In strukturierten Interviews mit sechs ausgewählten PSF aus verschiedenen Branchen zeigt

sich, dass die in dieser Arbeit identifizierten Treiber in der Praxis auch zur Anwendung gelan-

gen. Auch in der Praxis der interviewten PSF stehen das persönliche Netzwerk des Unterneh-

mers und persönliche Kommunikationsinstrumente im Vordergrund. Ferner deuten die Inter-

views darauf hin, dass kleine und mittlere PSF kaum strategische Marketingplanung betreiben.

Interessant ist auch, dass die meisten der untersuchten PSF wenig Augenmerk auf ihre spezifi-

schen Ressourcen legen und daher nicht in der Lage sind, diese bewusst als Wettbewerbsvor-

teil zu nutzen. Die Zusammenführung der Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil der Arbeit

und die Resultate der Interviewanalysen zeigen somit gewisse Optimierungspotenziale auf.

Page 108: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

108

6.2 Ausblick

Die empirischen Befunde dieser Arbeit stützen sich auf eine kleine Anzahl von strukturierten

Interviews, welche keine Generalsierung im Sinn eines statistisch aussagekräftigen Modells

zulassen. Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse, bietet sich eine umfassendere

Studie mit Fragestellungen an, die einen geschlosseneren Charakter haben, um präzisere Er-

gebnisse zu erzielen. Klärungsbedarf sehen die Autoren insbesondere bei folgenden Fragestel-

lungen:

Wahrnehmung eigener Ressourcen bei kleinen und mittleren PSF

Bewusste Integration der Mitarbeiter in die Kommunikationsaktivitäten

Generell bietet sich die Erweiterung und Vertiefung der Untersuchung auf die Thematik der

Institutionalisierung von SMP und der Erweiterung der daran beteiligten Führungsebene bei

Inhaber geführten PSF an. In puncto Verständnis und Umgang mit der Immaterialität von PSF

Leistungen orten die Autoren gewissen Ausbildungsbedarf.

Page 109: Treiber der Kommunikation bei kleinen und mittleren Professional Service Firms. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund von Informationsbedürfnissen und Ressourcen

109

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Anhang – Interviewtranskriptionen

A1 Interview mit KRP – Treuhand

Firma: Kaiser Ritter Partner / Kaiser Ritter Partner Trust Services Anstalt

Gesprächspartner: Herr Rainer Tschütscher, Marketingverantwortlicher bei KRP

Interviewer: Johannes Dür, Hans Musch, Alessandra Wüst

Datum: 25. Februar 2008

Ort: Zürich

Über das Unternehmen

Kaiser Ritter Partner betreut Privatkunden und deren Fachberater in Bezug auf Wealth Mana-

gement und unterstützen Finanzintermediäre mit Dienstleistungen in Liechtenstein.

Die von Kaiser Ritter Partner angebotenen Dienstleistungen umfassen Wealth Management,

Asset Management und Family Office Dienstleistungen sowie die Gründung und Verwaltung

von Trusts, Gesellschaften und Stiftungen. Spezifische Expertise besteht auch für Unterneh-

mer, Persönlichkeiten aus dem Sport sowie im Kunstgeschäft.

Kaiser Ritter Partner ist das Resultat einer Fusion im Januar 2006 zwischen der Ritter & Partner

Holding und der Fritz Kaiser Gruppe. Die neue Gruppe besteht aus 8 Gesellschaften und ca.

250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Vaduz, Liechtenstein und Zollikon/Zürich, Schweiz.

Davon entfallen ca. 140 Mitarbeiter auf den Bereich Trust Services, der im Interview besonde-

res Augenmerk erhält.

Vorbemerkung des Interviewten

Wir als Treuhandunternehmen sind in einer etwas spezielleren Lage, da die Treuhandbranche

sehr verschwiegen ist und schon aus diesem Grund nicht so viel im Bereich Marketing unter-

nommen wird. Zu vielen Themen werde ich nicht viel sagen können, da wir in gewissen Berei-

chen gar nichts machen oder machen dürfen, wie z. B. Imagekampagnen, usw.

Genau das ist auch ein Thema unserer Arbeit – dass man bestimmte Aktionen gar nicht

machen darf, aus gesetzlichen oder standesrechtlichen Gründen.

Genau

Können Sie uns zum Einstieg vielleicht ein Bild ihre Unternehmens vermitteln; uns würde

etwa die Grösse interessieren, und wann das Unternehmen gegründet worden ist.

Die älteste Firma unserer Gruppe wurde 1931 gegründet, es ist die Präsidial Anstalt. Die jetzige

Gruppe wurde am 1. Januar 2006 aus der Fritz Kaiser Gruppe und der Ritter & Partner Holding

von Herrn Peter Ritter zusammengeführt worden zu Kaiser Ritter Partner. Die Gruppe besteht

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zurzeit aus acht Unternehmen. Die KRP besteht in Privatbesitz, Eigentümer sind Herr Fritz Kai-

ser und Dr. Peter Ritter.

Wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen?

In der ganzen Gruppe inklusive der Kyberna (unser IT-Unternehmen) gibt es ca. 300 Mitarbei-

ter. Auf die Bank entfallen davon ca. 40 – 42 und im Treuhandbereich mit Präsidial Anstalt und

KRP Trust Services sind es ca. 140.

Können Sie uns vorab einen Überblick geben, wo die Stärken des Unternehmens liegen?

Im Besonderen interessiert uns, welche Rolle die Unternehmer selbst spielen, wie die

Netzwerkbildung stattfindet und welche Bedeutung die Zugehörigkeit zu Verbänden, etc.

hat?

Das Treuhandgeschäft, welches von Dr. Ritter in die Gruppe eingebracht wurde, funktionierte

(was Marketing anbelangt) bis anhin sehr einfach; man hat praktisch gewartet, bis die Kunden

zur Türe hereingekommen sind; und die haben uns die Türen förmlich eingerannt; das ist teil-

weise so weit gegangen, dass man Kunden aus Kapazitätsgründen ablehnen musste. Das lief

im Treuhand und Bankbereich bis ins Jahr 2000/2001, als das Land von der OECD auf eine

schwarze Liste von unkooperativen Staaten bezüglich Rechtshilfe und Geldwäscherei gesetzt

wurde. Das bedeutete eine Zäsur für den Finanzplatz FL. Viele Kunden haben Angst bekom-

men. Aber FL handelte damals sehr entschlossen und hat schnell OECD-kompatible Rechts-

grundlagen geschaffen.

Der ganze Treuhandsektor ist sehr stark vom Image des Landes abhängig. Das bedeutet, dass

wenn FL ein Problem hat, haben wir als Firma auch ein Problem, etwa bei der Neuakquirierung

von Kunden. Und wenn wir ein Problem verursachen, hat das ganze Land ein Problem. Der

aktuelle Fall der LGT ist ein gutes Beispiel dafür. Jede Bank, jeder Treuhänder, der ganze Fi-

nanzsektor ist unmittelbar davon betroffen. Das Image, das wir uns aufgebaut haben, ist sehr

schnell wieder zerstört, wenn etwas Derartiges passiert.

Die andere Seite der KRP-Gruppe sind die Unternehmen, die Herr Fritz Kaiser eingebracht hat.

Mit Fritz Kaiser ist eine Persönlichkeit zur Gruppe gekommen, welche voll auf Marketing ausge-

richtet ist. Fritz Kaiser ist ein Marketingmensch, ein Netzwerker, der aber auch Verschwiegen-

heit und Diskretion kennt. Aber sein ganzes Businessmodell und sein Leben sind ganz anders

ausgerichtet gewesen – auf seine Netzwerke, auf Marketing, Vertriebsplanung und die ganze

Kommunikation. Fritz Kaiser ist der Treiber der ganzen Gruppe. Bei ihm geht es nur vorwärts,

es ist wie bei einem Zug, bei dem er die vorauseilende Lokomotive ist.

Da sind gewissermassen zwei Welten aufeinandergeprallt: Im Treuhandbereich hat es bis vor

fünf Jahren weder einen Beamer noch irgendwelche Powerpoint-Präsentationen gegeben, weil

man es einfach nicht gebraucht hat. Hier muss der richtige Mix noch gefunden werden. Früher

sind die Kunden hauptsächlich über Netzwerke und Partnerschaften mit Rechtsanwälten, Ban-

ken, etc. und über Referenzen von bestehenden Kunden zu uns gekommen.

Fritz Kaiser agiert viel aktiver, er hat weltweit sein eigenes Netzwerk mittels verschiedener Ini-

tiativen selbst aufgebaut. Mit der Mentorstiftung etwa, die er mit der UNESCO aufgebaut hat.

Eine etwas neuere Initiative ist der Private Wealth Council, der mit 21inet aufgebaut worden ist

im Zusammenhang mit dem WEF Davos. Da arbeiten Experten von namhaften Universitäten

(Harvard, MIT, Cambridge, etc.) und prominente Persönlichkeiten wie etwa Al Gore mit und es

werden Themen im Bereich Wealth, Vermögen oder Privacy diskutiert. Einer der Aufhänger ist

das Thema „investing on the right side of change“; dabei geht es um nachhaltige Vermögensan-

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lage. Diese Netzwerke und Initiativen gingen von Fritz Kaiser persönlich aus; jetzt geht es dar-

um, wie diese Netzwerke für das Unternehmen nutzbar gemacht werden können.

Im Bereich Kunst hat er die Initiative „88mocca“ was für „Museum of Chinese Contemporary Art“

steht, mitbegründet. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk, das sich mit asiatischer Kunst

beschäftigt. Damit will man Erfahrungen im Kunstbereich sammeln und sich auch als einen

gewissen Namen, v. a. in Asien machen. In erster Linie es ist aber ein persönliches Anliegen

von Fritz Kaiser. Für das Unternehmen bedeutet dies ein Know-how-Gewinn, um auch Finanz-

dienstleistungen im Kunstbereich anbieten zu können.

Ich muss nochmals betonen, dass diese Netzwerke keine Netzwerke des Unternehmens sind,

sondern von Fritz Kaiser persönlich. Man muss jetzt noch die Schnittstellen finden, wie man die

KRP-Gruppe an diesen Netzwerken partizipieren lassen kann bzw. wie die Gruppe daraus kon-

kret Nutzen ziehen kann. Die Netzwerke wurden nämlich nicht in erster Linie unter dem Aspekt

„Marketing“ aufgebaut.

Wie steht die Gruppe in Bezug auf Konkurrenten – ich nehme an, diese bauen auch ihre

Netzwerke auf. Wie ist das Verhältnis der KRP zur Konkurrenz, was macht sie im Ver-

gleich zur Konkurrenz besonders stark?

Das persönliche Engagement von Fritz Kaiser und seine gleichzeitige Eigentümerstellung un-

terscheidet die Gruppe, gerade was das Engagement im Kunstbereich betrifft, deutlich von an-

deren grossen Finanzdienstleistern, wie etwa von der UBS die auch Kunst sammelt und ver-

marktet. Fritz Kaiser ist ein anerkannter Sammler, er macht das schon seit über 12 Jahren. Er

steht auch mit seinem Namen im Logo und setzt damit ein Zeichen setzen, dass er zum Unter-

nehmen steht und es nicht nur als Investition betrachtet. Das ist etwas, was unsere Kundschaft

gerne hat.

Fritz Kaiser bringt Leute zusammen, es ist wie ein kleines WEF, nur gehen die Themen viel

weiter in die Tiefe. Da das Netzwerk auf einer Privatinitiative beruht, wird es anders aufgenom-

men und emotional anders bewertet als wenn etwa die KRP oder irgendeine Bank das Gleiche

versucht.

Diese Privatnetzwerke werden auch strikt vom Unternehmen getrennt, die KRP tritt nicht als

Sponsor für den Council oder andere Initiativen auf. Deshalb ist es auch glaubwürdiger. Jetzt

besteht die Schwierigkeit darin, die Verbindung zu KRP herzustellen und die Netzwerke für die

KRP kommerziell nutzbar zu machen, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Ein wesentlicher Nutzen der Netzwerke für die Gruppe besteht darin, dass Herr Kaiser damit

wichtige Erkenntnisse über Entwicklungen und Tendenzen in der Gesellschaft, der Wirtschaft

und unseren Märkten gewinnt. Die Erkenntnisse fliessen über seine Person und seine Funktion

als CEO in die Strategie der Unternehmensgruppe ein. Diese Netzwerke dienen daher keines-

wegs direkt zur Akquisition von Kunden sondern als Think Tank zur Generierung von Know-how

und als alternatives Marktforschungsinstrument.

Daraus gewann Fritz Kaiser die Erkenntnis, dass wir neue Geschäftsmodelle und Dienstleistun-

gen entwickeln müssen. Das Bankgeheimnis wackelt bis 2015 und dann müssen wir parat sein,

sonst verlieren wir Geschäft und Arbeitsplätze. Die Stiftungsrechts- und Steuerreform muss bis

dann schon lange durch sein, ist Fritz Kaiser überzeugt. Aber er geht bewusst behutsam vor; er

oder wir als Firma wollen uns nicht aufspielen, weil das falsch ankommen würde. Er versucht im

Hintergrund die Leute zu motivieren. In diesem Punkt sind wir sicherlich wesentlich weiter als

die meisten Konkurrenten.

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Bedeutet der Marktforschungscharakter der Netzwerke, dass man aus diesen Erkennt-

nissen neue Produkte ableitet, die Sie dann auf dem Markt anbieten? Wie bringen Sie

dann die Kunden dazu, diese Dienstleistungen zu kaufen?

Hier sind wir noch auf der Suche nach dem richtigen Weg. Es geht darum, die richtigen Dienst-

leistungsprodukte zu entwickeln, dann die geeigneten Kommunikationswege zu erschliessen

und auch entsprechende Distributionskanäle aufzubauen. Viele potenzielle Kunden sind sich

ihrer Bedürfnisse gar nicht bewusst, weshalb wir lernen müssen, wie wir solche Personen errei-

chen und überzeugen können.

Ein Beispiel, wie das funktionieren kann: Fritz Kaiser hatte kürzlich ein Gespräch mit dem CFO

eines sehr vermögenden Russen, der viel in Kunstobjekte investierte. Der CFO wusste nicht

wirklich, wie er mit den wertvollen Kunstgegenständen umgehen soll und wir haben ihm eine

webbasierte Kunstverwaltungslösung und entsprechendes Know-how zur Verfügung gestellt.

Das Know-how haben wir aus der Verwaltung der persönlichen Kunstsammlung von Fritz Kai-

ser, die auch im www aufgeschaltet und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. Wir haben

also dem CFO in seiner täglichen Arbeit geholfen und erhoffen uns nun gute Chancen, den

Russen und seine Familie als neuen Kunden gewinnen und ihn in sämtlichen Vermögensange-

legenheiten beraten zu können.

Ein weiterer Aspekt des Kunstengagements ist die alltägliche Präsenz der Kunstobjekte in un-

seren Büros und Besprechungszimmern, zumindest in den neuen Gebäuden. Mitarbeiter und

Kunden sind ständig von Kunst umgeben.

In puncto Kommunikation ist noch vieles offen. Etwa die Frage, ob und wenn ja, wo inseriert

werden soll; oder ob man mit sog. Roadshows offensiv auftreten soll; diese Themen sind im

Moment bei uns hochaktuell.

Wie sind Sie in der Vergangenheit vorgegangen, um Ihre Dienstleistungen bekannt zu

machen und Kunden zu gewinnen?

Wie gesagt, im Treuhandsektor nichts, was ja auch gar nicht nötig war. Es hat zwar vereinzelt

Inserateschaltungen gegeben (Pearls of Switzerland, IFC-News) aber ohne systematische Pla-

nung. Man hat oft in speziellen Fachmagazinen inseriert, weil man vielleicht Mitglied in der Ver-

einigung war, die das Magazin herausgibt (z. B. STEP - Society of Trust and Estate Practio-

neers) oder weil es andere auch machten und man meinte, auch dabei sein zu müssen. Im

Grunde war es ziemlich egal, ob man das gemacht hat oder nicht.

Ziemlich aktiv war man in verschiedenen Vereinigungen oder auf Fachseminaren und

Workshops, aber eher als passiver Teilnehmer denn als aktiver Präsentator. Aber auch in die-

sem Bereich wurde nicht systematisch geplant. Mitglied waren meist Einzelpersonen aus der

Geschäftsleitung oder der zweiten Führungsebene und es hing vielfach von den persönlichen

Präferenzen dieser Personen ab, wo man mitmachte und wo nicht. Selbstverständlich entstan-

den auf dieser Ebene eine Reihe von kleinen Netzwerken, die entweder für den Know-how-

Transfer oder zur Gewinnung von Kunden nützlich waren. Ob gewonnene Erkenntnisse inner-

halb des Unternehmens weitergegeben wurden, hing meist von der betroffenen Person selbst

ab.

Also wurde in dem Sinn nicht bewusst Marketing gemacht?

Nein, absolut nicht. Ich hab vor ca. 4 Jahren angefangen und bin die erste Person, die bewusst

für das Marketing eingestellt wurde. Sicher fanden gewisse Marketingaktivitäten auf GL- oder

Abteilungsleiterebene statt; das Ganze war jedoch nicht koordiniert und geschah aus dem

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Bauch raus. Es war ja auch nicht nötig, weil einem die Kunden ja die Türen einrannten. Und

darum hat es weder Marktbearbeitung im eigentlichen Sinne gebraucht noch Marktforschung.

Welche Mittel setzen Sie heute ein? Wir haben Netzwerke gehört; sie haben auch er-

wähnt, dass Sie auch anfangen, die Kunstsammlung aufs Internet zu stellen.

Die ist schon seit gut einem Jahr im Internet. Der Effekt ist, dass wir einige Anfragen aus dem

Grund hatten. Es ist für unsere Zielgruppen interessant, dass Kunst auf diesem Wege zugäng-

lich gemacht wird. Dies spricht auch Medien, Mitarbeiter und potenzielle Kunden an, wie schon

einige Anfragen belegen. Wir könnten wohl nicht davon leben, aber man sieht, dass die emotio-

nale Ebene funktioniert.

Wir versuchen dies nun in und mit weiteren Initiativen auszubauen, wie etwa dem erwähnten

Private Wealth Council. Durch den Umstand, dass wir in Privatbesitz stehen, ist Gewinnmaxi-

mierung nicht unser oberstes Ziel. Wir steigern somit unsere Glaubwürdigkeit, etwa wenn es um

verantwortungsvolle nachhaltige Vermögensverwaltung geht.

Responsibility und Verantwortung sind zentrale Aspekte in unserem Geschäft, gerade dann,

wenn sich das Umfeld wandelt oder Turbulenzen auftreten, wie dies gerade aktuell der Fall ist.

Wir müssen uns eingestehen, dass ein wesentlicher Teil unseres Geschäfts früher oder später

wegbrechen wird und darauf richten wir uns jetzt schon aus. Es ist für viele Mitarbeiter schwer

nachzuvollziehen, was da passiert und in welche Richtung es geht. Wir sind fest davon über-

zeugt, dass für unser zukünftiges Geschäft dieses Image von Verantwortung, Vertraulichkeit

und Glaubwürdigkeit enorm wichtig sein wird.

In unserer Weihnachtsaktion 2006 haben wir Bäumchen versendet, weil wir auf das Thema

Klimawandel und verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen aufmerksam machen wollen.

Es ging darum, das Bewusstsein dafür sowohl intern als auch extern zu wecken. Im März dar-

auf haben dann Mitarbeiter in einer Aktion 1000 Bäume in einem Schutzwaldgebiet in FL ge-

pflanzt. Wir bezwecken damit, dass Mitarbeiter lernen, ganzheitliche Verantwortung zu über-

nehmen und, dass sie dies dann auch an den Kunden weitervermitteln. Unsere Kunden setzen

nämlich ein hohes Mass an Vertrauen in uns und unsere Mitarbeiter, korrespondierend dazu

haben unsere Mitarbeiter eine hohe Verantwortung zu übernehmen. Dies wollen wir mit solchen

Aktionen bewusst machen. Dieselbe Aufmerksamkeit schenken wir in diesem Jahr dem Thema

Wasser. Wir wollen mit solchen Initiativen dem Kunden vermitteln, dass wir wissen was wir tun,

dass wir Verantwortung nicht nur im finanziellen Sinn übernehmen, das wir Weitblick haben und

weiter gehen als andere.

Gerade der aktuelle Fall der Datenweitergabe und der damit verbundenen Medienkampagne

und dem politischen Druck auf FL zweigt, wie schnell das Geschäft kippen kann und wohin es

geht. Die derzeitige Lage kann sich schnell zu einer akuten Krise im ganzen Finanzsektor aus-

breiten, auch mit Folgen auf die Arbeitsplätze. Dies wird dann auch den Industriesektor erfas-

sen.

Fritz Kaiser hat schon vor 5 Jahren das, was jetzt passiert, prophezeit. Daraus kam die Er-

kenntnis, dass wir uns verändern müssen und daraus entstand unser ganzheitlicher Ansatz. Wir

müssen dies nun richtig kommunizieren, nicht mit Imagekampagnen sondern dem, was wir tun.

Wir müssen Aktionen setzen und jeden einzelnen Mitarbeiter als Teil des Marketings sehen. Wir

befinden uns in einem Transformationsprozess zwischen dem „alten Geschäft“ als uns die Kun-

den die Türen einrannten hin zu einer bewussten Selektion unserer Kunden.

Wir versuchen auch unsere Strategie darauf auszurichten, indem wir etwa die eigenen Fonds

nicht mehr selber managen. Wir suchen vielmehr für den Kunden das aus, was für ihn das Bes-

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te ist; hat die UBS das bessere Produkt, kaufen wir es für den Kunden bei der UBS, ist dieses

Produkt bei der Deutschen Bank besser, kaufen wir es dort. Das ist der Wandel, der im Moment

stattfindet und wir versuchen, den Kunden ganzheitlich anzusehen und zu beraten.

Haben Sie auch den Eindruck, dass Sie Kunden dazu bringen, eine Art Mund zu Mund

Propaganda zu machen und Kunden anderen Kunden anhand dieser doch sehr positiven

Gestaltungsansätze?

Ja, wir spüren, dass es langsam wirkt. Wir verzeichneten schon eine Reihe von Reaktionen,

auch auf höchster Ebene. Vielfach laufen Anfragen in die Richtung, Kooperationen und Part-

nerschaften zu bilden.

Mundpropaganda war und ist auch zukünftig ein wichtiges Mittel um neue Kunden zu gewinnen.

Das gilt vor allem im Privatkundenbereich.

Wichtig ist, dass uns bestimmte Marketinginstrumente verboten oder aus faktischen Gründen

verwehrt sind. Wir brauchen daher einen anderen Weg im Marketing. Das sind eben die er-

wähnten Initiativen und das ist Mund zu Mund Propaganda. Alle zuvor erwähnten Aktionen und

Initiativen sind genau auf das ausgerichtet.

Haben Sie eine eigene Marketingabteilung, die Sie dabei unterstützt, oder ist das Vorge-

hen eher top-down angelegt, das heisst der Herr Kaiser hat seine Vorstellungen, Sie be-

sprechen das und dann wird umgesetzt?

Ja, zu 70 % ist es so und zu 30 % nehme ich mit nochmals 2-3 Personen Einfluss und generie-

re Ideen. Aber das meiste ist wirklich top-down. Der Input kommt von den Eigentümern, aus

dem Verwaltungsrat, Beirat und dem Netzwerk von Fritz Kaiser.

Betreiben Sie Marketingcontrolling? Messen Sie etwa den Rücklauf aus gewissen Aktio-

nen?

Nein, haben wir nicht. Es ist zwar angedacht, aber wird noch nicht gemacht, weil wir zuerst das

Grundgerüst aufbauen müssen, bevor wir in diese Richtung gehen.

Die generelle Schwierigkeit ist die interne Kommunikation, da Marketing bei uns so personen-

bezogen ist. Das funktioniert nur, wenn die Leute das live mitbekommen, wenn es nachgelebt

wird. Das ist das Marketing, mit dem wir versuchen die Leute mitzureissen, was wirklich sehr

schwierig ist.

Ganz wenige Firmen, wie etwa Helbling, eine Technologie-Consultingfirma aus Zürich,

schalten Inserate, andere setzen überhaupt nicht auf Inserate. Ich frage mich auch ob

Inserate überhaupt wirksam sind. Auf der anderen Seite, wenn man in ihrem Geschäft zu

viel Werbung macht, könnte das Gefühl entstehen, „die sind nicht mehr diskret“?

Ja das ist schon so. Bei Events zum Beispiel stellt sich immer die Frage, wer da überhaupt

kommen soll? Wen wir einladen können? Dies deshalb, da unsere Kunden sehr auf Diskretion

bedacht sind, gerade auch, was ihre Beziehung zu unserem Unternehmen betrifft. Bei Vermitt-

lern, wie Rechtsanwälte, Banken, Vermögensverwalter, etc. stellt dies in der Regel kein Prob-

lem dar.

Aber selbst für diese ist die jetzige Situation sehr heikel. Die Banken brauchen uns und unsere

Strukturierungsdienstleistungen, damit sie ihre Kunden entsprechend beraten und betreuen

können. FL und seine Treuhandunternehmen sind dabei viel exponierter, als die Banken; die

Vorwürfe zielen grossteils nur auf FL ab. Genau dies ist der Grund für viele Banken (darunter

auch namhafte Grossbanken), keine eigene Treuhandgesellschaft in FL zu unterhalten. Die

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Banken können sich dann schnell wieder zurückziehen, wenn die Luft dünn wird. Unter diesem

Aspekt kommen auch neue Kunden zu uns, weil wir einfach vorne gradestehen.

Aber leidet die Marke FL dann nicht darunter?

Ja, dem ist so. Darum freut es mich auch keineswegs, wenn irgendein Konkurrent derartige

Probleme hat. Ich habe effektiv Angst, wenn einem Konkurrenten so was passiert. Weil das alle

betrifft. Wir hängen alle zusammen, wie in einer FL AG. Wir konkurrenzieren uns in diesem

Sinne auch nicht.

Sie haben gerade die Abhängigkeit von einem Imageträger beschrieben. So ist doch Herr

Kaiser eine zentrale Person für die Wahrnehmung von aussen. Haben Sie sich schon

überlegt, was die Auswirkungen sind, wenn alles von dieser einen Person abhängig ist.

Haben Sie sich schon darüber nachgedacht, die Firma selbst als Marke zu etablieren?

Ja, es gibt eine ganz klare Strategie, das Risiko zu verringern. Das läuft darauf hinaus, dass die

Geschäftsleitungen der einzelnen Geschäftsbereiche und infolge die Linie mehr und mehr Auf-

gaben im Marketing und Networking von Fritz Kaiser übernehmen. Er wird aber weiterhin die

treibende visionäre Kraft in der Unternehmensgruppe bleiben. Zudem ist zu erwähnen, dass der

Verwaltungsrat und Beirat mit sehr erfahrenen und erfolgreichen international tätigen Persön-

lichkeiten besetzt ist. Somit ist die Wahrnehmung auf mehrere Personen verteilt. Das Risiko der

Abhängigkeit ist der Preis der damit erzielten Glaubwürdigkeit.

Herzlichen Dank für das Interview.

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A2 Interview mit Atelier WW Architekten SIA AG – Architektur

Firma: Atelier WW Architekten SI AG

Gesprächspartner: Herr Walter Wäschle, Mitglied des VR

Interviewer: Hans Musch, Alessandra Wüst

Datum: 27. Februar 2008

Ort: Geschäftsräume Atelier WW

Über das Unternehmen

Das Büro atelier ww wurde vor über 30 Jahren von drei Architekten gegründet, welche noch

immer in der Firma tätig sind. Das Unternehmen ist in und um Zürich entstanden und gewach-

sen. Später hat es seine Tätigkeiten auf die gesamte Schweiz ausgedehnt und nimmt inzwi-

schen auch an diversen internationalen Wettbewerben teil.

atelier ww ist im klassischen Architekturbereich tätig und bietet keine weiteren Dienstleistungen

an. Realisiert hat es bisher vor allem Wohnüberbauungen, Bürobauten, Geschäftshäuser, Ge-

werbehäuser, Alters- und Wohnheime, Messegebäude und auch Hochhäuser. Sich selbst be-

zeichnet das Büro als spontan, kreativ und oft unkonventionell.

Zuerst habe ich einige grundsätzliche Fragen zu Ihrem Unternehmen. Wie viele Mitarbei-

ter haben sie, wann wurde die Firma gegründet und wer ist Eigentümer?

Gegründet wurde das Unternehmen ca. 1970, das ging so fliessend, jetzt sind wir ca. 60 Mitar-

beiter. Wir waren von Anfang an drei Eigentümer, die zwei Brüder Wüest und ich. Wir sind nun

an der Organisation einer Nachfolgeregelung mit vier Nachfolgern, die auch in der Geschäftslei-

tung sind.

Ganz allgemein, was sehen Sie bei Ihrer Unternehmung als besondere Stärke? Was sind

die Stärken in Bezug auf Kommunikation und Marketing? Was macht den Erfolg aus?

Ein Architekturbüro ist wahrscheinlich von der Marketingseite her immer etwas schlecht. Da

könnte man mehr machen. Es gibt andere Büros, die sind aber zum Teil grösser, die haben

spezielle Angestellte nur für das Marketing. Die leiten auch die ganze PR-Arbeit. Bei wird das

etwas vernachlässigt, haben wir das Gefühl. Aber wir sind auch Architekten und keine Marke-

ting-Leute. Vielleicht sind wir auch eine Stufe zu klein, um eine Person vollzeitig zu engagieren,

die nur das macht. Insofern läuft das Marketing bei uns mehr oder weniger über persönliche

Beziehungspflege, nicht über offensive Werbung.

Das heisst also, Sie greifen auf ein persönliches Netzwerk zurück?

Ja, das konnten wir die letzten 30 Jahre pflegen und wir überzeugen auch mit guten Arbeiten.

Wir konnten vor 5 Jahren unser 30-jähriges Jubiläum feiern und an diesem Anlass durften wir

alle Bauherren begrüssen. Das finde ich super, dass wir nicht Bauherren haben, von denen wir

uns vor Gericht getrennt haben. Das ist wahrscheinlich unser Erfolgsgeheimnis, dass wir zufrie-

dene Bauherren haben, ohne dass man sich zu sehr „anbiedern“ oder zu viele Kompromisse in

der Architektur eingehen muss.

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Also führt letztlich die Zufriedenheit der Bauherren auch immer wieder zu neuen Aufträ-

gen?

Ja, genau.

Spielen bei der Netzwerkpflege vor allem die Eigentümer eine grosse Rolle oder sind

auch noch andere Personen involviert?

Ja, jetzt sind natürlich wir Älteren noch dabei, aber unsere Generation stirbt auch irgendwann

mal aus. Also diese Beziehungsnetze werden langsam etwas gekappt, indem unsere langjähri-

gen Ansprechpartner langsam in Pension gehen. Dann kommen Jüngere nach, und da sollten

dann unsere Nachfolger die Arbeit weiterführen.

Wir haben vorhin schon davon gesprochen, dass es Architekturbüros mit professionel-

lem Marketing gibt. Spüren Sie dort eine grosse Konkurrenz? Wie schätzen Sie Ihr Um-

feld ein?

Ich denke, wir sind weder schlechter noch besser als die anderen. Die beste Werbung ist immer

noch ein gutes Gebäude, welches in der Presse publiziert wird. Werbung für ein Architekturbüro

z. B. an einem Hockey-Match ist wieder eine andere Schublade, das ist eine andere Liga. Wir

spielen in einer seriösen Liga, ohne aggressive Auftritte.

Verstehe ich Sie richtig, Sie bauen also eher auf Ihrem Renommee auf?

Ja, genau, das sollte eigentlich der Schlüssel sein zum Erfolg.

Da sind wir beim Thema, was sind denn die Instrumente bei der Kommunikation nach

aussen?

Es ist ja so, vor ein paar Jahren hiess es vom SIA aus, ein Architekt dürfe keine Werbung ma-

chen, das war verboten. Vergleichbar mit einem Anwalt, der darf auch nicht werben. Das wurde

jetzt etwas aufgeweicht, aber dieser Kodex ist irgendwie immer noch vorhanden. Wenn unsere

Kollegen, welche in der gleichen Liga spielen wie wir, plötzliche riesige Inserate in der Presse

schalten würden, würde uns das doch sehr befremden.

Gehört das also auch zur Kultur unter den Architekten?

Ja, genau. Natürlich hat heute jeder eine Homepage, dort sollte man möglichst aktuell sein.

Dann haben Sie vielleicht gesehen, die Zeitschrift „Hochparterre“ hat eine Bewertung von Ho-

mepages von Architekturbüros gemacht. Das sollten Sie sich mal ansehen. Die haben eine

Rangliste aufgestellt, nach verschiedenen Kriterien.

Sie haben ja auch eine Homepage, ich nehme an, das ist ein wichtiges Instrument für

Sie?

Nun gut, auch das wird etwas vernachlässigt. Niemand hat Zeit, die Homepage zu pflegen, wir

sind alle immer unter Druck. So wird das eher beiläufig, im Stil „man sollte wieder mal…“, erle-

digt. Die Homepage ist nicht so aktuell, wie sie sein sollte.

Was gibt es denn sonst noch für Instrumente, die bei Ihnen eingesetzt werden und funk-

tionieren, ob dies nun bewusst oder unbewusst ist?

Wir haben natürlich verschiedene Kundenanlässe, z. B. ein Golfturnier. Zwei bis drei Mal pro

Jahr machen wir eine WW-Workshow, wenn z. B. ein exklusives oder wichtiges Bauwerk been-

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det ist, laden wir alle unsere Kunden zu einem Besichtigungs-Apéro ein. Dann haben wir auch

eine Edition, die wir herausgeben, da sind alle Publikationen unserer Bauten gesammelt.

Und wie wird das gestreut?

Das wird an Kunden verteilt, an Leute, die wir kennen. Ich glaube, man kann sie sogar bei

Krauthammer kaufen.

Es ist erstaunlich: Trotz Ihrer Aussage, dass Sie keine Werbung machen, unternehmen

Sie doch einiges. Das ist doch bewundernswert.

Ja schon, aber ich glaube, das ist das Minimum. Wir haben keinen Werber, der für uns ein Kon-

zept macht.

Aber wäre das für Sie überhaupt eine Möglichkeit, haben Sie sich das schon einmal über-

legt?

Ja, ja, wir haben uns schon überlegt, dass wir einen geordneten Presseauftritt hätten. Bei uns

schreibt einfach irgendeiner, der mit einem Objekt beschäftigt ist, einen Zeitungsartikel. Da fehlt

natürlich eine durchlaufende Linie. Es wäre schön, wenn man da einen Journalisten hätte, der

etwas offensiver auf die Presse zuginge, damit wir noch mehr und professioneller publizieren

könnten. Es ist ungeschickt, wenn eine Publikation mit einer schlechten Fotografie erscheint,

weil kein erfahrener Fotograf dabei wir, oder wenn der Text nicht mit dem Architekten abge-

sprochen wurde. Da sollten wir etwas mehr Kontrolle darüber haben.

Es wäre also vorteilhafter, wenn Sie selbst die Artikel und Bilder den Zeitungen liefern

könnten?

Das wäre wünschenswert.

Was uns an Firmen auch immer interessiert, ist die Entwicklung, also wie diese Firma

gewachsen ist. Wie war das bei Ihrer Firma, wie und wann ist sie gewachsen, gab es

sprunghafte Erfolge und worauf führen Sie dies zurück?

Wir hatten eigentlich keine Sprünge, wir sind kontinuierlich gewachsen. Natürlich haben wir die

verschiedenen Konjunkturen mitgemacht, aber wir hatten keine Ausschläge, die aufgefallen

sind.

Was oder wer war der Antrieb oder der Grund für diese Konstanz?

Wir hatten natürlich immer die richten Aufträge. Es waren immer ein oder zwei Grossaufträge

dabei. Das ist noch wichtig, dass man nicht nur zehn kleine Objekte hat, sondern dass immer

auch etwas Grosses dabei ist, das über drei oder vier Jahre geht. Damit kann man dann auch

allfällige Durchhänger überbrücken.

Wir haben schon fast über alles gesprochen. Was vielleicht noch interessant wäre: Mes-

sen Sie die Wirkung, die Ihre Marketingmassnahmen erzielen?

Inwiefern messen?

Zum Beispiel, wie viele Internet-Nutzer Ihre Homepage besuchen, oder wie viele Folge-

aufträge Sie von zufriedenen Kunden erhalten?

Da führen wir keine Statistik.

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Bekommen Sie auch viele neue Kunden durch Mund-zu-Mund-Propaganda?

Ja, das schon. Das ist auch wichtig.

Was ist mit Kunden, die einfach so an die Tür klopfen, und mit Ihnen etwas bauen möch-

ten? Gibt’s das auch?

Nein, das eher nicht. Das braucht so eine gewisse Vorlaufzeit. Da muss schon eine Beziehung

da sein oder eine Empfehlung. Das mit dem Anklopfen ist noch nie vorgekommen.

Herzlichen Dank für das Interview.

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A3 Interview mit MSE Meili – Engineering

Firma: MSE Meili – Multiphase Systems Engineering

Gesprächspartner: Herr Dr. Reto Meili, Inhaber und Geschäftsführer

Interviewer: Hans Musch, Alessandra Wüst

Datum: 27. Februar 2008

Ort: Technopark Zürich

Über das Unternehmen

Die Firma MSE Meili entwickelt hochspezifische Messgeräte für Anwendungen im Bereich der

Mehrphasenströmungen. Die Messgeräte werden in grosstechnischen Prozessen zur Optimie-

rung und Kontrolle der Prozessführung eingesetzt und müssen auf die jeweilige Aufgabenstel-

lung angepasst werden.

Obwohl sich die Firma als „Produktentwickler“ versteht, beträgt der Dienstleitungsanteil am

Umsatz mehr als 60 %. Da diese Dienstleitungen auf langjährigem und schwer imitierbarem

Know-how basieren, kann der Dienstleistungsteil der Wertschöpfungskette zu den Professional

Services gezählt werden.

Mit der Anerkennung als „Preferred Supplier“ durch den Lizenzgeber ist es MSE Meili kürzlich

gelungen, bei jedem Anlagenneubau mit dem Verfahren als Anbieter auftreten zu können.

Wann hast du deine Firma gegründet?

Das war ca. 1995.

Wie viele Leute beschäftigst du?

Dreieinhalb plus Freelancer für Buchhaltung, Marketing etc.

Aber die Firma gehört immer noch Dir?

Ja, bis jetzt ist es eine Einzelfirma. Die MSE AG ist in Gründung.

Was sind eure besonderen Stärken?

KMU, Flexibilität, Schnelligkeit, spezifisches Know-how auf unserem Gebiet, spezifische Kon-

takte. Das wärs.

Was vielleicht noch speziell ist: Ich arbeite eng mit meinem Bruder zusammen. Er hat einen

mechanischen Betrieb mit 15 Angestellten. Dort haben wir unser Labor in einem kleinen Raum

und er hat Produktionskapazitäten für 1000 Messgeräte pro Jahr von diesem Typ. Er hat mo-

dernste Werkzeuge, also computergesteuerte Werkzeugmaschinen, und er stellt die ganze

anspruchsvolle Mechanik selber her. Christoph ist nebenan in unserer Werkstatt und Labor,

kontrolliert die Teile und macht die Qualitätssicherung. Dadurch, dass wir die Infrastruktur mei-

nes Bruders benutzen können, kann man die Teile selber nachbearbeiten, wenn es nötig ist.

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Habt Ihr in eurem Marktumfeld knallharten Wettbewerb oder habt Ihr mit eurem Produkt

und dem Dienstleistungspaket, das ihr anbietet – also Kalibrationsdienste, Anpassungs-

dienste etc. – starke Alleinstellungsmerkmale?

Je nach Anwendung sind es sehr starke Alleinstellungsmerkmale. Ich würde sagen, wir sind

weltweit führend, wenn man die Packages richtig definiert. Die Firma Shell z. B. hatte ein eige-

nes Messgerät und wollte zuerst nur die Kalibration haben.

Wir könnten mit den Messgeräten auch Sachen abdecken im Durchflussmessbereich zum Bei-

spiel, wo es eine starke Konkurrenz gibt. Das ist jedoch schwieriger, weil wir zu teuer sind.

In dieser Arbeit, die ich vorhin beschrieben habe, gibt es einen anderen Anbieter, das ist BASF,

die sind jedoch ca. 50 % teurer. Die Frage ist nun, was jetzt passiert. Bis jetzt haben wir immer

gewonnen. Es fragt sich, ob sie nun aus dem Mark rausfliegen und nicht mehr mitmachen, oder

ob sie sich allenfalls nochmals stellen und es so eine Konkurrenz gibt. Das erste Prozessmess-

gerät wird im März ausgeliefert.

Es gibt ja immer das Problem, dass man auf der einen Seite die Kunden, die man hat,

gerne behalten möchte, aber auch möglichst viele neue Kunden anziehen möchte. Wie

macht ihr das? Bietet ihr z. B. Seminare an? Du hast vorher beschrieben, dass ihr ganz

bewusst versucht, bestimmte Prozesse in den Griff zu bekommen. Habt ihr eine klare

Strategie oder ist das Vorgehen eher zufällig?

Es gibt einen Businessplan, es gibt eine Strategie. Diese Strategie sieht vor, mit den For-

schungsgeräten beim Kunden in die Wertschöpfungskette reinzukommen mit der Idee, dass wir

so Zug um Zug in die Produktion hineinkommen. Zurzeit ist das Wachstum vor allem bestehen-

den Beziehungen zu verdanken, ist also eher zufällig.

Für jede Anlage, die der Lizenzgeber verkauft, können wir eine Offerte machen (Anmerkung:

gemeint ist der Lizenzgeber des Polymerisationsprozesses). Und dazu kommt unser Nachhol-

bedarf, aber die Idee des Lizenzgebers ist es, drei bis vier Anlagen pro Jahr zu verkaufen. Das

würde uns die Möglichkeit bieten, dass wir drei bis vier Leute sauber beschäftigen könnten.

Aber die Firma ist somit natürlich ziemlich flamingomässig aufgebaut, also nur auf einem Bein.

Damit stehen wir etwas unsicher da. Die Idee ist natürlich, die ursprüngliche Strategie weiter zu

ziehen und weitere Cash Cows, d. h. weitere Anwendungen zu entwickeln. Beispiele wären

niedermargige Produkte, welche im grossen Stil hergestellt werden. Bei niedermargigen Pro-

dukten, bei welchen die Produktionskosten einen wesentlichen Faktor bilden, hat man mit dem

Kundennutzen-Argument der Prozessoptimierung eine Chance. Wenn man bei der Zementher-

stellung ein oder zwei Prozent der Produktionskosten holen könnte, dann beträgt die zusätzli-

che Marge beim Kunden vielleicht 20 %, weil dort die Margen so klein sind.

Konkret das Marketing betreffend benutzen wir in erster Linie das Web. Wir haben eine zwar

einfache aber sehr funktionale Präsenz. Weil unser Arbeitsgebiet so speziell ist, kann man,

wenn man richtig googelt, auf die erste Seite kommen.

Dann schreiben wir auch Case-Studies für ausgewählte Fachzeitschriften. Aber diese Artikel zu

schreiben ist aus Kapazitätsgründen momentan sehr schwierig.

Und dann versuchen wir natürlich auch zu kommunizieren, dass man uns ernst nehmen kann.

Wenn ich dem Kunden sage, dass wir in der Raffinerie 2 % sparen können, dann ist das auf

dem Papier natürlich sehr viel Geld. Aber der Produktionsleiter dort sagt natürlich, „wenn wir

wegen dir diese Geräte einbauen, dann wird die Anlage zwei Tage nicht laufen, dann haben wir

fast 1 % Verlust deswegen.“ Darum ist die Industrie sehr konservativ und die Anlagen z. B. in

den Raffinerien, laufen zum Teil 50 Jahre. Zum Glück ist es jetzt langsam so weit, dass die

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Industrie wieder etwas macht, etwas investiert. Darum ist es gut, wenn man auf 13 Jahre Erfah-

rung hinweisen kann und man uns damit ernst nimmt. Ich hoffe, es gibt auch positive Rück-

kopplungseffekte aus den bestehenden Aufträgen, sodass man uns Business-Know-how attes-

tiert und dass man uns ernst nimmt.

Gibt es auch Vorgehen, wo Ihr aktiver die Aufmerksamkeit auf Euch lenkt?

Ich war einige Mal auf Messen. Wir haben auch einen Preis gewonnen: Technologiestandort

Schweiz 1995. Das ist allerdings ein bisschen ein Etikettenschwindel, da es ja vor allem über

Sponsoren geht. Ich war an verschiedenen Messen, und auch wenn man guerillamässig vor-

geht, kostet ein kleiner Stand schnell mal CHF 20'000 bis 30'000 mit Spesen. Der direkte Nut-

zen ist nicht so gross, aber ohne Kontakte, die ich damals geknüpft habe, hätten wir heute ver-

schiedene Aufträge nicht.

Besser lief es mit Mailings, die ich am Anfang gemacht habe mit einer Datenbank von etwa 200

Adressen, die ich von Professor Reh erhalten habe. Er war Forschungsleiter und war sehr gut

vernetzt in der Industrie. Da konnte ich dann auch auf ein Netzwerk zurückgreifen und habe es

auch immer gepflegt. So ist z. B. der Shell-Kontakt zustande gekommen, durch eine Doktoran-

din meiner Gruppe. Professor Reh hatte auch einige deutsche Kollegen, einer arbeitet bei

BASF, so habe ich Beziehungen zu verschiedenen Firmen aufgebaut.

Ich habe z. B. mal bei BASF angerufen und gesagt, ich wolle einen Workshop mit dem Messge-

rät machen, und mithilfe eines Bekannten haben wir schlussendlich 10 Personen zusammen-

gebracht. Ich bin dann hingefahren und hatte die Messgeräte im Koffer, und habe mit Reagenz-

gläsern und bescheidensten Mitteln eine Demo gemacht. Das hat dann zu einer Anwendung mit

einem Sprühtrockner zur Vitamin A-Herstellung geführt. Und dieser Fall hat schlussendlich zur

Polymerisations-Geschichte geführt.

Bist du selbst für alle Marketingaktivitäten zuständig?

Es ist geplant, marketingmässig noch jemanden einzustellen, der die Homepage betreut oder

Case-Studies schreibt, allenfalls Presseartikel macht. Es ist relativ anspruchsvoll, weil unser

Gebiet sehr spezifisch ist. Aber es ist auf jeden Fall vorgesehen, mehr zu machen in dieser

Hinsicht, um nicht zu abhängig zu sein von dieser Polymerisations-Geschichte.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann ist das Wachstum, das Ihr jetzt erzielt, nur

durch die Polymerisationsanwendung getrieben?

Ja, das ist richtig.

Setzt Ihr Messinstrumente für eure Marketing-Wirkung ein? Führt Ihr Statistiken über

Internet-Clicks oder Anfragen?

Nicht prozessmässig. Wenn ich Zeit habe, sehe ich mal nach, aber es ist nicht institutionalisiert.

Worauf ich achte ist der Nutzen der Messen, da geht es aber vor allem ums Dabeisein. Es ist

noch schwer messbar. Wenn wir an einer Messe waren, haben wir Statistiken geführt, wie viele

Kontakte, wie viele Anfragen wir hatten. Aber häufig habe ich alleine oder zu zweit gearbeitet,

da war die Kapazität nicht da, ständig zu rapportieren. Da geht man einfach den interessantes-

ten Kontakten nach. Man hat die Kapazitäten nicht, um systematisch nachzufassen. Vielleicht

war darum der Erfolg der Messen auch begrenzt. Ein wirkliches Vertriebsmarketing müsste man

noch erst noch aufbauen.

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Wie tretet Ihr heute den Kunden gegenüber? Ihr habt Euch sicher professionalisiert, ich

sehe da schöne Unterlagen.

Die sind vor allem für die Bank, damit wir Geld bekommen. Ich habe diese Präsentation, die

gibt’s in Deutsch und Englisch, die wird dann angepasst je nach Kunde. Dann ist Verschiede-

nes in Arbeit. Von einem Prospekt hatten wir früher mal ca. 1000 Stück drucken lassen. Aber

dies ist mittlerweile durch die PDF-Dateien auf dem Internet überholt.

Zurzeit haben wir Arbeit, die wird den Umsatz im langjährigen Mittel versechs- oder sogar ver-

zehnfachen. Darum ist bei uns das Marketing momentan praktisch auf dem Nullpunkt. Wir müs-

sen unsere Zeit anders nutzen, sonst können wir die Liefertermine nicht einhalten. Ich bin auch

im Rückstand mit Offerten.

Es ist so, wir sind auf der Lernkurve ganz unten. Es hat darum keinen Sinn, grossartig Mittel für

das Marketing zu stellen, sondern wir müssen das mal durchziehen und die Arbeit und die Pro-

zesse intern genau dokumentieren. Wenn unsere Prozesse einmal standardisiert sind, können

wir mit wenigen Leuten guten Umsatz machen.

Hilft Euch die bestehende Kundenbasis, neue Kunden zu gewinnen?

Auf jeden Fall. Ich habe ja schon aufgezeigt, wie wir über BASF zu anderen Kunden gekommen

sind. Dann ist natürlich auch Name-Dropping immer gut.

Herzlichen Dank für das Interview.

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A4 Interview mit Rodiag Holding – Medizin

Firma: Rodiag Holding AG

Gesprächspartner: Herr Dr. Oliver Afschani, Mitglied der Geschäftsleitung

Interviewer: Hans Musch, Alessandra Wüst

Datum: 10. März 2008

Ort: Zürich

Über das Unternehmen

Die Firma Rodiag Holding betreibt mehrere Radiologieinstitute und ist ein führender Anbieter

von radiologischen Dienstleistungen in der Nord-Schweiz. Das Unternehmen hat sich vor allem

auf Magnetresonanztomografie (MRI) spezialisiert und hat in diesem Bereich eine Pionierrolle

eingenommen.

Zuerst habe ich einige grundsätzliche Fragen zu Ihrem Unternehmen. Wie viele Mitarbei-

ter haben sie, wann wurde die Firma gegründet und wer ist Eigentümer?

Die Firma Rodiag Holding ist ein dezentralisiertes Radiologieunternehmen mit 100 Mitarbeitern.

Unser Unternehmen wurde Mitte der 80-er Jahre von meinem Vater gegründet. In den letzten

20 Jahren sind wir kontinuierlich gewachsen. Wir haben mit einem Institut angefangen und ha-

ben nun 14 Institute. Momentan wollen wir nicht mehr wachsen. Wir wollen das, was wir haben,

konsolidieren, optimieren und die Prozesse verbessern. Eigentümer ist mein Vater.

Was sind die Stärken ihres Unternehmens?

Wir waren die ersten Radiologieinstitute, die sich in Spitäler integriert haben und so auch das

Netzwerk des Spitals genutzt haben, im Sinne von Patienten als zukünftigen Kunden. Ich sehe

aber auch, dass der Patient mit dem Spital immer etwas Positives verbindet, im Sinne von „ich

gehe ins Spital und gehe dort ins MRI“. Es gibt auch einen positiven Input vom Patienten her

und vom Zuweiser. Das ist sicher eine Besonderheit, dass wir es politisch geschafft haben, uns

in Spitäler zu integrieren.

Also geht der Patient davon aus, dass er diese Dienstleistung im Spital bekommt? Nimmt

er wahr, dass Sie eine private Firma sind?

Ja ich denke schon. Schon rein von unserem Logo her. Aber trotzdem assoziieren die Patienten

uns mit dem Spital. Und das gibt vielleicht noch zusätzliches Vertrauen. Der Patient denkt viel-

leicht auch, wenn irgendetwas wäre, und er schon starke Beschwerden hat, er könne dann

direkt in die Notfallabteilung des Spitals gehen. Das könnte auch ein Vorteil sein.

Seht Ihr vor allem Standortvorteil bei eurem Konzept?

Weil wir im Spital drin sind? Ja, absolut! Das ist auf jeden Fall ein Vorteil. Die anderen Institute

haben eigentlich auch sehr gute Standorte, sie sind immer in der Nähe von einem Bahnhof. Da

haben wir schon darauf geachtet, dass wir diese Standortvorteile haben.

Auch das gehört zu den Besonderheiten und ist bei uns ein ganz wichtiger Punkt. Es ist nicht

so, dass wir das überall den Spitalvorteil haben, aber doch an den meisten Standorten.

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Ist das also auch ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz?

Die hat das Konzept zum Teil natürlich auch kopiert. Es ist aber nicht so, dass wir in einer ex-

tremen Konkurrenzsituation stehen, mindestens zurzeit nicht. Dort wo unsere Standorte sind,

haben wir keine starke Konkurrenz. Ausser in einigen Fällen von umliegenden Spitälern.

Besteht nicht das Risiko, dass neue Konkurrenten in eurer Nähe entstehen und die

Standortvorteile verwässern?

Nein, weil wir gezielt diese Standorte ausgesucht haben. Wir haben Regionen vermieden, die

eine sehr hohe MRI-Dichte haben (Stadelhofen, USZ, Hirslanden, Bethanien). Wir haben nicht

probiert, dort noch ein zusätzliches Institut aufzustellen, sondern wir haben uns auf das linke

Zürichsee-Ufer fokussiert mit Horgen und Kilchberg. So haben wir schon unsere Standorte ge-

zielt ausgesucht. Es einfach gewisse Kriterien oder Voraussetzungen, welche bestehen müs-

sen, dass wir uns überhaupt niederlassen. Eine wichtige Voraussetzung ist es, dass die umlie-

gende MRI-Gerätedichte nicht schon sehr hoch ist.

Hat die Konkurrenzsituation unter diesen Umständen eure Strategie mitbestimmt?

Das kann man so sagen.

Besteht nicht das Risiko zunehmender Konkurrenz?

Nicht zwingend. Es ist ja doch so, dass der Bedarf an MRI-Untersuchungen steigt. Dies trotz

TARMED, wo man ein bisschen befürchtet hatte, dass die Zuweisungen abnehmen, weil die

Ärzte vermehrt von der Krankenkasse kontrolliert werden. Dies im Sinne von Kostenverursa-

chung und potenziellen Rückforderungen. Es besteht die Möglichkeit, dass eine Krankenkasse

kommen kann und einem zuweisenden Arzt/Allgemeinpraktiker vorhält, er habe viel zu viel ab-

geklärt und produziere zu viele Kosten. Da könnten schon Rückforderungen auf einen Arzt zu-

kommen.

Wie kommuniziert Ihr gegenüber Patienten oder Ärzten, dass ihr ein Institut eröffnet oder

übernommen habt?

Wenn wir einen Standort neu eröffnen, versenden wir sicher mal ein grösseres Rundschreiben.

Wir haben Broschüren für die Patienten in unseren Wartezimmern aufliegen und wir versuchen,

aktive Netzwerke mit Ärzten zu gründen. Der Begriff Netzwerk ist hier vielleicht etwas übertrie-

ben formuliert, da man sich darunter vorstellt, dass es eine richtige Zusammenarbeit besteht.

Es ist schon eine Zusammenarbeit in dem Sinne, dass der zuweisende Arzt uns Patienten

schickt. Aber es geht nicht so weit, dass der Zuweiser z. B. bei uns beteiligt ist und an unseren

Untersuchungen einen Profit hätte. Sein Profit besteht darin, dass wir eine gute Dienstleistung

liefern aber finanziell hat er keinen Benefit.

Was veranstalten auch Vorträge und Weiterbildungen, bei denen wir die umliegenden Ärzte

einladen. Das sind sicher wichtige Faktoren, um sich bekannt zu machen. Auch wenn ein Spital,

in dem wir eingemietet sind, einen Tag der offenen Türe veranstaltet, machen wir natürlich bei

den Präsentationen mit.

Und welche Wirkung hat die Broschüre?

Ich muss ehrlich sagen, das ist gar nicht einfach zu schätzen. Es ist so, dass der Patient nicht

direkt zu uns kommen kann, d. h. er kann natürlich schon, aber dann zahlt die Krankenkasse

nicht. Bei 99 % der Fälle wird der Patient vom zuweisenden Arzt zu uns geschickt. Aber es gibt

natürlich schon Fälle, wo durch Mund-zu-Mund-Propaganda die Zufriedenheit eines Patienten

weitergegeben wird und der Patient dann beim Arzt den Wunsch anbringt, zu uns zu kommen.

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Aber das sind eher die Ausnahmen. Schlussendlich ist der Entscheidungsträger, wo der Patient

hingeschickt wird, in den meisten Fällen der zuweisende Arzt. So gesehen ist der Arzt unsere

Zielperson im Hinblick auf unsere Marketingstrategien (Werbung dürfen wir ja keine machen).

Wenn Sie zurückblicken, wann und wie ist ihre Firma gewachsen?

Wir hatten längere Zeit ein kontinuierliches Wachstum, weil Bedarf bestanden hat. Wir sind

praktisch Pioniere gewesen in unserem Bereich. Wir waren die Ersten, die dezentralisiert so

stark gewachsen sind. Es war die Regel, dass man nur ein Radiologieinstitut besass, das von

einem Radiologen geführt wird. Wir waren die Ersten, die eine Art Netzwerk im deutschsprachi-

gen Raum aufgebaut haben. Ich denke, das Wachstum war eher kontinuierlich als schubweise.

Wir hätten weiter wachsen können, entschieden uns aber vor ein paar Jahren, dass wir momen-

tan nicht mehr wachsen wollen. Es kann aber durchaus sein, dass wieder ein Wachstum eintritt.

Wir haben pro Jahr mehrere Anfragen, um bestehende Radiologieinstitute zu übernehmen oder

neu in Spitäler zu gehen. Dies haben wir in letzter Zeit abgelehnt.

Seit Ihr mit dem Technologieschub MRI mitgewachsen?

Ja, das ist ganz klar der Fall. Dort wo wir einen Standort haben, sind die ersten Geräte in die

Spitäler gekommen. Früher waren die Geräte qualitativ schlechter. Durch die technischen Inno-

vationen gab es einen rasanten Schub. Und natürlich wurde auch der Umgang mit der MRI-

Technik erst richtig gelernt. Am Anfang wusste man ja noch nicht, was man auf den Bildern

sieht. Da hatten wir immer einen Wissensvorsprung. Wir waren innovativ, wir waren die Ersten,

die ein 3-Tesla-Gerät installiert hatten. Wir mussten unter all den Kinderkrankheiten leiden, aber

wir hatten hinterher einen Vorsprung an Know-how. Wir haben diese Nachteile bewusst auf uns

genommen, um einen Vorsprung zu bekommen.

Würdest Du sagen, dass Ihr auch bezüglich der Qualität einen Vorsprung vor den Kon-

kurrenten gehabt habt oder sogar immer noch habt?

Ich denke, von der Qualität her hatten wir eigentlich immer einen gewissen Vorsprung. Wobei

ich jetzt nicht sagen will, dass wir wesentlich besser sind als unsere Konkurrenten. Die haben

schlussendlich auch gute Geräte. Am Anfang war bei uns der viel bessere Service wichtig. Un-

sere Philosophie und ein wichtiger Punkt in unserem „Daily Business“ war es, dass am Abend

der Befund an den Zuweiser rausgeht, also am gleichen Tag. Wobei dies in der Zwischenzeit

von der Konkurrenz auch kopiert wird.

Ein anderer wichtiger Punkt war, dass der Patient die Bilder immer direkt mitnehmen konnte. Er

musste etwa eine Viertelstunde warten und konnte sie Bilder dann selber mitnehmen. Das ist

den Patienten immer noch wichtig. Da hatten wir sicher einen Vorsprung auf unsere Konkur-

renz, aber das wurde natürlich eingeholt. Es ist auch ein wichtiger Punkt, dass mein Vater ne-

ben dem medizinischen auch ein ökonomisches Denken hat. Die Ärzte und Radiologen muss-

ten erst lernen, dass nebst den guten Bildern auch ein guter Service wichtig ist.

Setzt ihr Instrumente ein, um die Wirksamkeit eures Marketings zu messen?

Nein, das messen wir nicht. Wir haben einige Male Fragebögen den Patienten gegeben, die sie

nach dem Besuch bei uns ausfüllen konnten. Das war das Einzige, das wir gelegentlich ge-

macht haben. Dies war ein Standard-Bogen, den wir übernommen haben. Wir haben ihn einge-

setzt, wenn wir Personal zusammen mit einem Institut übernehmen mussten. Mit dem Fragebo-

gen haben wir kontrolliert, ob wir zu viel oder zu wenig Personal haben, bzw. ob der Service

und die Freundlichkeit des Personals gut sind. Aber unser Marketing messen wir nicht.

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132

Ihr schaut also nicht, wie viele Zuweisungen aus den Netzwerken oder Seminaren

kommen?

Wir schauen natürlich, wie viele Zuweisungen wir erhalten und wir prüfen auch, wer uns Patien-

ten schickt. Wir passen auch auf, ob plötzlich jemand seine Patienten nicht mehr schickt, und

fragen dann nach den Gründen. Aber wir messen unser Marketing nicht in dem Sinne, dass wir

versuchen herauszufinden, ob der Vortrag den wir dort oder dort gehalten haben, zahlenmässig

einen Benefit gebracht hat. Es aber auch sehr schwierig, dies zu messen. Man kann feststellen,

wie viele Patienten man hat. Aber festzustellen, warum schlussendlich der einzelne Patient

kommt oder nicht kommt, ist nicht einfach.

Habt ihr für die Marketingaufgaben Personal oder nehmt Ihr in der Geschäftsleitung die

Marketingaufgaben neben eurer täglichen Arbeit wahr?

En passant mit externen Beratern, die auch Einladungen kreieren. Diese Dinge lagern wir aus

und machen sie nicht selber. Manchmal organisieren wir auch einen Vortrag aus einer sponta-

nen Idee heraus, weil wir es nötig finden, Präsenz zu zeigen. Aber wir haben keine Marketing-

Angestellte bei uns.

Vielen Dank für das Interview.

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A5 Interview mit einer Rechtsanwaltskanzlei

Firma: Rechtsanwaltskanzlei in Liechtenstein (anonymisiert)

Gesprächspartner: Partner der Kanzlei

Interviewer: Johannes Dür

Datum: 10. März 2008

Ort: Vaduz

Über das Unternehmen

Beim Unternehmen handelt es sich um eine renommierte internationale Wirtschaftskanzlei aus

Liechtenstein mit Schwerpunkten in der Prozessvertretung und in der Beratung von Unterneh-

men im Gesellschafts-, Immaterialgüter-, Wirtschafts-, Steuer- und Vertragsrecht.

Vorab würden wir gerne einige Informationen zum Unternehmen erfahren: seit wann gibt

es euch, was macht ihr, wie gross seid ihr?

Die Kanzlei gibt es seit 20 Jahren. Wir sind eine internationale Wirtschaftskanzlei mit Schwer-

punkten im Gesellschaftsrecht, geistiges Eigentum, Prozessführung, Unternehmensberatung,

Steuerrecht und Vertragsrecht. Wir beraten sowohl private als auch institutionelle Kunden aus

dem In- und Ausland. Wir sind 5 Rechtsanwälte, ein Assistent und 2 Sekretärinnen.

Was gibt es Besonderes an eurer Kanzlei, wo seht ihr eure Stärken, insbesondere im

Vergleich zu anderen Kanzleien am Markt?

Vor allem im Markenrecht, hier haben wir sicherlich am meisten Erfahrung am Platz. Hinter-

grund dazu ist, dass dies zu Beginn ein „Hobby“ des Gründers war, obwohl es damals noch

sehr unbedeutend war. Er ist meines Wissens bis heute der Einzige, der zum FL-Markenrecht

einen Kommentar verfasst hat. Jetzt gibt jeder vor, im Markenrecht bewandert zu sein, unsere

Stärke ist aber die langjährige Erfahrung und der Ruf, der uns Kunden mit grossen Namen ge-

bracht hat.

Eine weitere Stärke ist unser internationales Netzwerk. Wir haben über Kooperationen mit ver-

schiedenen Kanzleien mehrere Repräsentanzen im Ausland aufgebaut. Die Kooperationen sind

aus dem persönlichen Netzwerk des Gründers entstanden und bestehen schon seit vielen Jah-

ren. Wir können diese Kooperationspartner mit gutem Gewissen an unsere Kunden weiteremp-

fehlen, eben nicht nur weil sie in der gleichen Anwaltsvereinigung, wie wir sind, sondern weil wir

schon seit Jahren mit ihnen erfolgreich zusammenarbeiten. Somit können wir dem Kunden in-

ternationale und länderübergreifende Rechtsberatung anbieten.

Die Kooperationspartner scheinen auch auf dem Briefpapier auf. Wir haben Partner etwa in

Wien, Vorarlberg, Brasilien, USA. Diese Partner kennt der Gründer schon seit Jahren persön-

lich und werden in internationalen Fällen beigezogen. Besonders im Markenrecht ist ein interna-

tionales Netzwerk wichtig, über das wir verfügen. Dort ist unser US-Partner sehr wichtig, weil es

dort im Markenrecht immer wieder Probleme gibt, etwa aufgrund der FL-Anstalt [Anm.: beson-

dere liechtensteinische Gesellschaftsform].

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Kommen wir zum Marktumfeld: Wie schätzt du das Marktumfeld in euren Wachstums-

phasen und jetzt ein und welche Veränderungen erwartet ihr?

Früher war der Kuchen in FL schön aufgeteilt zwischen den 5-6 grossen Kanzleien. Vielfach

führen Grosskunden einen Beauty-Contest unter den grossen Kanzleien durch. Man hat ein

grösseres Unternehmen also nie exklusiv, die lassen sich nicht an einen binden. Gewisse Auf-

träge bekommt man, manche nicht, obwohl man oft nicht weiss, warum nicht. In puncto Preis

hat sich etwas geändert: Früher hat man den Auftrag für ein Gutachten erhalten und nach Er-

stellung einfach Rechnung gestellt; heute wird vorab der Preis erfragt oder gar ein Pauschal-

preis ausgehandelt, den man dann auch bei höherem Aufwand als erwartet nicht überschreiten

kann.

Mittlerweile ist auch ein Konkurrenzkampf ausgebrochen, der auch auf die Preise drückt. In

gewissem Sinne findet auch Preisdumping statt. Gerade bei Gutachten, wo die Haftung sehr

hoch ist, stellt sich dann die Frage, wie weit man mit dem Preis hinuntergehen kann.

Wachstumsmöglichkeiten sehen wir in der Spezialisierung auf gewisse Bereiche, das Auffinden

von Nischen; etwa war das (internationale) Steuerrecht bis dato in FL kein riesiges Thema; hier

kann mit entsprechender Weiterbildung das Angebot erweitert werden. Kunden wünschen sich

heutzutage allumfassende Beratung. Wir versuchen dies zusammen mit Partnern zu ermögli-

chen, gerade im Bereich Wealth Management können wir aufgrund unserer Grösse nicht alles

anbieten, aber wir können etwa über Kooperationen mit Versicherungen, Immobilienspezialis-

ten, Vermögensverwaltern die richtigen Personen zusammenführen und den Prozess koordinie-

ren und somit im Sinne Family Office „alles aus einer Hand“ – Lösungen anbieten.

Eine aktuelle Frage noch zum Marktumfeld: FL war in letzter Zeit gross in den Schlagzei-

len? Es ist zu erwarten, dass der politische Druck auf FL wächst. Angenommen, dass

das massive negative Auswirkungen auf das Treuhandgeschäft in FL hat, wie schätzt ihr

die Auswirkungen auf euer Geschäft ein? Oder seid ihr immun dagegen?

Unser Geschäft ist vordergründig nicht direkt davon betroffen. Kurzfristig kann das sogar Man-

datszuwächse nach sich ziehen, aufgrund einer steigenden Zahl an Rechtsstreitigkeiten. Lang-

fristig aber sind auch die Kanzleien in gewissem Masse von den Treuhandbüros abhängig, weil

viele Mandate von diesen kommen.

Ich sehe einen Trend bei den Treuhandbüros, dass sie ihre Dienstleistungen erweitern müssen.

Dies fängt damit an, dass Treuhänder mittlerweile eine breite Palette an Gesellschaften aus

verschiedenen Jurisdiktionen anbieten. Damit kann etwa der deutsche Kunde in FL, in seiner

Sprache und in geografischer Nähe bspw. eine Gesellschaft in Singapur errichten. Und es geht

so weit, dass sich mittlerweile schon fast jeder Treuhänder auf die Fahnen heftet, Family Offices

anbieten zu können, wobei die meisten in Wirklichkeit nicht weit über die klassischen Treu-

handdienstleistungen hinauskommen.

Sowohl für Treuhänder als auch Rechtsanwälte in FL wird es im Vergleich zur Vergangenheit

vermehrt notwendig sein, nach aussen zu gehen. Dies im Sinne, dass der Mandant nicht mehr

nach FL kommen muss. Wir bieten etwa den Service an, Mandantenbesprechungen jederzeit in

Zürich oder London abzuhalten. Wir holen dabei den Kunden auch vom Flughafen ab und se-

hen das als zusätzlichen Service am Kunden.

Welche Kommunikationsinstrumente verwendet ihr im Marketing?

Wir verfügen über Standard-Powerpoint-Präsentationen, Präsentationsvorlagen mit einheitlicher

Corporate Identity, welche dann nach Anlassfall spezifisch mit Inhalt gefüllt werden. Es gibt

auch eine Broschüre über die Kanzlei und die Dienstleistungen, die z. B. bei Besprechungen

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überreicht wird. Gerade in Überarbeitung ist unsere Homepage, die dem Kunden einen leichte-

ren Zugang zu mehr Informationen verschaffen soll. Neu sind dabei FAQ, die es auch erlauben,

den Kunden am Telefon auf die Homepage zu verweisen, um weitere Informationen zu holen

oder sich ein genaueres Bild der Kanzlei zu machen.

Ihr seid auch in speziellen Führern aufgenommen, wie bewertet ihr die Wirkung dieses

Mittels?

Es handelt sich dabei um Anwaltsführer in Printform, in denen weltweit Anwaltskanzleien und

deren Tätigkeitsbereiche aufgeführt werden. Logischerweise behaupten die Verleger solcher

Führer immer, dass sie weltweit von den wichtigsten und grössten Firmen gelesen und bei der

Anwaltssuche konsultiert werden. Man erhält dazu auch Unterlagen von den Verlagen über

Reichweite, Wirkung, Erfolge, etc.. Grundsätzlich wird man als eine der wichtigsten Kanzleien

des Landes ohne Kostenfolge eingetragen. Die Informationen dazu werden im Rahmen eines

Interviews gewonnen, die jährlich neu erscheinenden Führer sollen somit aktuell gehalten wer-

den. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, darin Inserate zu schalten. Die Kosten dafür sind aber

sehr hoch und es stellt sich schon die Frage, ob sich das auch rechnet.

Unsere neue Strategie ist es, diese Mittel nun zur Teilnahme an internationalen RA-Meetings

besser einzusetzen. Wir sind Mitglied in mehreren internationalen RA-Vereinigungen, die meh-

rere Veranstaltungen pro Jahr durchführen, auf denen gute Kontakte geknüpft werden können.

Wichtig in unserem Geschäft ist, eine Vertrauensbasis aufzubauen. Dafür ist der persönliche

Kontakt entscheidet, und der ist bei Anwaltsführern eben nicht gewährleistet. Unsere Erfahrung

ist auch, dass der persönliche Kontakt auf solchen Treffen die Hemmschwelle senkt, unsere

Kanzlei zu kontaktieren. Auch wenn dies nur kleine Anfragen sind, können sich aus diesen

durchaus grössere Aufträge ergeben. Hier ist der Effekt sicher viel besser als bei Inseraten oder

dergleichen.

Wir prüfen nun auch, ob wir auf unseren Visitenkarten Fotos von uns aufdrucken sollen, denn

ein Gesicht hinterlässt einen bleibenderen Eindruck als ein Name. Dies kann auf Veranstaltun-

gen, auf denen dutzende Visitenkarten ausgetauscht werden ein grosser Vorteil sein.

Du hast vorher den Kommentar des Gründers zum Markenrecht erwähnt. Welche Rolle

spielen Fachpublikationen in eurer Marketingkommunikation?

Das ist eine gute Möglichkeit, die Stärken und Kompetenzen der Kanzlei aufzuzeigen. Auch die

erwähnten Anwaltsführer reagieren in ihrer Aufnahmepolitik stark auf solche Publikationen. Das

Problem ist der grosse Aufwand, der damit verbunden ist. Wir haben auch Kommentare zum

Gesellschaftsrecht veröffentlicht oder Artikel in Fachzeitschriften wie der Liechtensteinischen

Juristenzeitung. Solche Publikationen, insbesondere Bücher können auch Kunden, etc. über-

reicht oder versandt werden und erzielen einen guten Werbeeffekt.

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Wir haben festgestellt, dass die Persönlichkeit und Netzwerke des Unternehmers in KMU

sehr grossen Einfluss auf das Marketing und die Marketingwirkung haben. Wie schätzt

du die Rolle des Gründers in diesem Zusammenhang für euere Kanzlei ein?

Der Gründer hat ein weitreichendes persönliches Netzwerk und sicherlich die meiste Erfahrung

als RA, er ist daher sehr aktiv im Herstellen von Kundenkontakten; so läuft der Erstkontakt in

den meisten Fällen direkt über ihn. Die Kanzlei trägt seinen Namen, weshalb viele Erstanfragen

direkt an ihn gerichtet werden. Der Gründer hat sicherlich die Hauptrolle in der Akquisition.

Es ist aber angedacht, dass vermehrt auch die anderen Anwälte hinausgehen, um die Konzent-

ration auf den Gründer etwas zu mindern und die anderen Anwälte ihre eigenen Netzwerke

aufbauen können.

In einer Ex-Post-Betrachtung, welches waren die wesentlichen Entwicklungs- und

Wachstumsphasen eurer Kanzlei?

Bei Gründung der Kanzlei vor 20 Jahren war die Konkurrenz sicherlich wesentlich geringer. Der

Gründer hat damals noch sein eigenes Treuhandunternehmen gehabt. Man hat damals einer-

seits mehr Mandate aus dem Treuhandbereich erhalten, andererseits waren die Anwälte da-

mals auch tiefer in das Treuhandwesen involviert. Heute sind alle Anwälte der Kanzlei haupt-

sächlich forensisch tätig. Wenn man damals eine Kanzlei gegründet hat, musste nicht viel in

Richtung Akquisition unternommen werden, die Sache war praktisch fast ein Selbstläufer.

Heute ist der Konkurrenzkampf stärker, die Kuchenstücke sind bedeutend kleiner geworden.

Bezeichnend ist, dass früher ein FL-Anwalt nie gegen einen anderen vorgegangen wäre, das

war praktisch eine Art Ehrenkodex. Heutzutage kommt dies durchaus vor.

Also kann man sagen, dass die Kanzlei kurz nach der Gründung stark gewachsen ist und

danach mehr oder weniger konstant geblieben ist?

Das trifft zu.

Im Anwaltsberuf untersteht man natürlich gewissen Beschränkungen in der Werbung.

Wie sehr fühlt ihr euch dadurch eingeschränkt und wie geht ihr damit um?

Während heute in Österreich Werbung für Anwälte in gewissem Masse erlaubt ist, ist dies in FL

weiterhin nur in sehr begrenztem Umfang möglich, wie etwa in Anwaltsführern, zu gewissen

Anlässen, etc. Selbst wenn das Werbeverbot aufgehoben werden würde, ist es klar, dass

marktschreierische Werbung verpönt bliebe. Die Frage ist, ob wir die Möglichkeiten überhaupt

ausnutzen würden, selbst wenn das Werbeverbot in FL aufgehoben werden würde. Im Endef-

fekt ist unsere Marketingstrategie auf den persönlichen Kontakt und die Netzwerke ausgerichtet

und dies würde sicherlich auch bei Lockerung der Werbebeschränkungen so bleiben.

Wie strategisch betreibt ihr Marketing? Liegt dem ein systematischer Planungsprozess

zugrunde?

Grundsätzlich steht die Strategie schon fest – sie ist auf den persönlichen Kontakt und die

Netzwerke ausgerichtet. Marketingmassnahmen werden aber in Absprache mit dem Gründer im

Einzelfall getroffen. Dies ist z. B. bei den zahlreichen Werbeaktionen und –events, die von

kommerziellen Werbe- und Promotionfirmen angeboten werden, der Fall. Eine systematische

Marketingplanung findet nicht statt, allerdings wird jährlich ein Budget für Werbemassnahmen

erstellt; dabei sind fast nur Fachkonferenzen und regelmässigen Events im Rahmen der er-

wähnten Vereinigungen Fixbestandteil.

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Werden die Wirkungen der Marketingmassnahmen gemessen?

Dies ist sehr schwierig. Wir versuchen aber bei neuen Mandaten festzustellen, wie sie auf uns

gekommen sind, systematische Aussagen sind aber schwer zu treffen. Insbesondere bei den

erwähnten Events und Meetings können sich konkrete Aufträge auch erst Jahre später einstel-

len.

Welche Aussagen lassen sich aufgrund dieser Erkenntnisse über die wirkungsvollsten

Akquisitionsmittel treffen? Aufgrund welcher Faktoren kommen die meisten Neukunden?

Am wichtigsten sind das persönliche Netzwerk, Kooperationen mit anderen Kanzleien und

Mund-zu-Mund-Propaganda oder Referenzen von Kunden. Wenn ein Kunde einen RA weiter-

empfiehlt, so hat dies viel mehr Aussagekraft als ein Inserat o. ä. Dazu muss man sich einen

Ruf erarbeiten, das kommt nicht von heute auf morgen. Deshalb legen wir auch besonderes

Gewicht auf unsere Beratungsqualität und besonderen Service am Kunden.

Die Tendenz in der Branche geht generell in die Richtung Netzwerke und Kooperationen. Das

Angebot an Konferenzen, Meetings, Events, etc. steigt stetig. Man merkt auch, dass grosse

Kanzleien gar nicht mehr in Anwaltsführern inserieren, weil sie es nicht mehr nötig haben oder

aus Kostengründen, u. U., weil dies sogar kontraproduktiv sein könnte. Dies ist so zu verstehen,

dass die Kanzleien sowieso genannt werden und ein Inserat vom Leser – zumindest wenn er

vom Fach ist - falsch interpretiert werden könnte, im Sinne „haben die das trotz ihrer Bekannt-

heit wirklich nötig?“.

Wie bewusst betreibt ihr das Kundenbeziehungsmanagement, besonders von wichtigen

Grosskunden?

Als RA ist man im Grunde Einzelkämpfer, d. h. jeder betreut seine eigenen Mandanten direkt.

Man versucht deshalb grundsätzlich zu vermeiden, dass ein Mandat von mehreren Anwälten

betreut wird. Man ist darauf bedacht, dass der Kunde nicht nur mit der Qualität der Dienstleis-

tungen sondern auch mit dem Service zufrieden ist. So gibt es etwa Vorgaben zu Antwortzeiten

auf Emails oder die Maxime, dass ein Kunde bei kurzfristiger Abwesenheit des RA am Arbeits-

platz gleichentags zurückgerufen wird. Wir sind der Ansicht, dass es nicht sein kann, dass sich

ein Kunde mehrmals telefonisch melden muss, bis er den Anwalt erreicht. Andererseits ist es

aufgrund der Spezialität der Fragen und Sachverhalte vielfach unmöglich, dass ein Kollege den

Anruf entgegennimmt und berät. Der Kunde möchte in der Regel bevorzugt mit seinem Anwalt

sprechen und nicht mit einem Kollegen.

Wichtig ist aber, dass man sich immer nach den individuellen Wünschen des jeweiligen Kunden

richtet – so wollen manche über jeden Schritt informiert werden und andere lehnen dies ab und

interessieren sich nur für Meilensteine oder das Endergebnis. Grundsätzlich informieren wir

aber jeden Kunden über jeden Schritt und leiten ihm auch sämtliche Schriftsätze vor der Einrei-

chung und Gerichtskorrespondenz ohne Verzögerung weiter.

Im Sinne von Kundenservice haben wir auch mit Multimedia ausgerüstete Konferenzräume in

London, Zürich, Chur zur Verfügung, wo jederzeit Besprechungen in angenehmer Atmosphäre

abgehalten werden können. Diese Räume sind nicht einfach nur angemietet; vielmehr ist auch

hier eine längerfristige Kooperation die Basis, die dem Kunden Sicherheit und das Gefühl per-

sönlicher Betreuung vermittelt. Vorteilhaft ist dabei auch, dass man selber dort persönlich be-

kannt ist und einem selber die Umgebung vertraut ist.

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Wo siehst du für euch in der Zukunft noch Optimierungs- und Verbesserungsmöglich-

keiten im Marketingbereich?

Grundlegend ist die kontinuierliche Weiterbildung des Personals, und zwar nicht nur der Anwäl-

te sondern auch der Sekretariatskräfte. Damit kann die Qualität gesteigert werden, was letztlich

mehr Geschäft bedeutet. Was noch verbesserungswürdig ist und wo wir schon dran sind, ist die

Homepage. Wichtig wären auch regelmässige Updates der Inhalte. Schön wären regelmässige

Newsletters, die man aussenden kann. Als kleines Unternehmen haben wir naturgemäss be-

grenzte Ressourcen zur Verfügung, weshalb die Abwägung der Kosten zum Nutzen besonders

wichtig ist.

Was man noch forcieren könnte, wären Fachpublikationen. Hierbei sollten alle Mitarbeiter invol-

viert werden. Dies muss nicht in Form von Kommentaren geschehen, sinnvoll wären auch ver-

mehrte Veröffentlichungen in Fachzeitschriften wie der Liechtensteinischen Juristenzeitung.

Dies wäre noch im bewältigbaren Rahmen.

Wichtig ist es, die Trends im Markt zu erkennen, etwa wo die Entwicklung im FL-Steuerrecht

hinführt; und dann natürlich möglichst als Erster darauf zu reagieren.

Herzlichen Dank für das Interview.

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A6 Interview mit SCS – Computertechologie

Firma: Supercomputing Systems AG

Gesprächspartner: Prof. Dr. Anton Gunzinger, CEO und Gründer

Interviewer: Hans Musch, Alessandra Wüst

Datum: 10. März 2008

Ort: Technopark Zürich

Über das Unternehmen

Die Supercomputing Systems AG (SCS) entwickelt Anwendungen der Computertechnologie in

den Bereichen Sensorik, Embedded Computing, High Performance Computing und Enterprise

Applications. SCS ist ein reines Dienstleistungsunternehmen mit ausgeprägter Know-how-

Orientierung. Es wird von Prof. Gunzinger geleitet, der als Vor- und Querdenker einen heraus-

ragenden Ruf geniesst und eine Professur an der ETH Zürich innehat.

Um welches Unternehmen handelt es sich bei Ihnen, welche Grösse hat es und wie ist

die Eigentümerstruktur?

Das Unternehmen habe ich vor genau 15 Jahren mit einem Partner zusammen gegründet. In-

nert 1 ½ Jahren habe ich allerdings sämtliche Aktien zurückgekauft und bin nun Alleinaktionär.

Unser Unternehmen hat 52 Mitarbeiter und der jährliche Umsatz beträgt etwas mehr als 10 Mio.

CHF. Wir sind heute ein reines Dienstleistungsunternehmen und entwickeln Projekte nach Kun-

denaufträgen. Wir machen Hardware, Software, einfach die ganze Palette von Computer-

Systemen.

Für einen Kunden aus den Medien zum Beispiel, haben wir für das digitale Archiv die ganze

Such-Software gemacht. Dies ist eine sehr grosse Datenbank und entsprechend gross war das

Projekt. Dabei war ein internationales IT-Unternehmen der Generalunternehmer, wir haben die

ganze Software-Entwicklung gemacht.

Ein anderes grosses Projekt war ein Sicherheits-Alarmsystem für eine Bahnunternehmung. Ein

Sensornetzwerk misst an verschiedenen Stellen diverse Eigenschaften der Züge, z. B. die

Temperatur der Achsen. Wird die Temperatur überschritten, besteht der Verdacht, dass ein

Lager nicht in Ordnung ist und es wird ein Alarm ausgelöst. Der entsprechende Zug wird sofort

aus dem Verkehr genommen, um ein eventuelles Unglück zu verhindern.

Was ist an Ihrem Unternehmen speziell, wo liegen Ihre besonderen Stärken?

Charakteristisch ist wohl, dass wir einen sehr grossen und breiten Erfahrungsschatz haben und

darum für die Kundschaft auch aussergewöhnliche Lösungen entwickeln können. Ob dies nun

eine Kartoffelsortierung oder ein Elektronenstrahlbeschleuniger ist. Wir machen Suchsysteme

mit extrem grossen Datenbanken und kommen mit den grössten Datenmengen zurecht. So

haben wir z. B. schon 30 Terabytes pro Sekunde verarbeitet. Die Herausforderung ist einerseits

ein intuitiver, schöpferischer Teil. Andererseits muss dieser schliesslich so zusammengefasst

werden, damit zum Schluss das Ganze funktioniert. Diese beiden Aspekte versuchen wir zu

vereinigen.

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Wenn man das Marktumfeld betrachtet, gibt es da starke Konkurrenz oder Wettbewerb?

In jedem Bereich, in dem wir tätig sind, gibt es Konkurrenten. Dies sind jedoch immer wieder

Verschiedene, welche man natürlich auch als solche spürt. Wenn wir nun im Medienbereich

arbeiten, dann haben wir in diesem Bereich Konkurrenten, wenn wir in einem digitalen Video-

übertragungsbereich tätig sind, dann haben wir andere Konkurrenz. Wir haben keinen Konkur-

renten, der gleich wie wir positioniert ist.

Es gibt jedoch solche, die sind noch vielfältiger als wir. Die machen alles bis zur Unterneh-

mensberatung oder Mechanik - bis zu einer eigenen Architekturabteilung z. B. für Altlastensa-

nierung. Solche Firmen sind viel breiter. Wir konzentrieren uns nur auf Computertechnologie,

dafür viel vertiefter. Das ist für unsere Kunden interessant. Wir haben ohne Weiteres auch

Kundschaft aus dem Ausland, sogar Amerikaner aus dem Silikon Valley, die ab und zu nach

Zürich kommen, um unsere Technologie zu kaufen.

Wie positionieren Sie sich gegenüber Ihren Konkurrenten? Haben Sie ein Netzwerk oder

nutzen Sie Ihren Ruf, den Sie aufbauen konnten?

Ich glaube, ein grosser Teil ist der gute Ruf. Wenn man etwas will, das anspruchsvoll ist und

das funktionieren muss, dann kommen die Kunden zu uns. Daran arbeiten wir und diesem Ruf

versuchen wir treu zu bleiben. Das ist manchmal aber auch schwierig. So arbeiten wir immer

auf Projektbasis und machen zum Beispiel ganz klar kein Bodyleasing. Bodyleasing heisst,

dass wir Personal verleihen z. B. für eine Bank, um dort die Informatik zu machen. Die Aufträge

mit Bodyleasing wären vielfach einfacher zu akquirieren, da viele Firmen kurzfristig mal einen

Informatikexperten brauchen. Wir wollen uns aber so positionieren, dass wir immer einen fixen

Auftrag abwickeln. Unsere Botschaft ist, wir liefern in einer bestimmten Zeit, mit erfüllter Funkti-

onalität und im Budget. Es gibt viele Firmen, die das sehr schätzen und genau das wollen, was

wir besitzen. Es gibt andere Firmen, die hoffen, indem sie mit Masterfirmen zusammenarbeiten,

schaffen sie es auch, können es dadurch sogar besser machen oder kommen günstiger zum

Ziel. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass dies meistens teurer wird, wenn man die totalen Kos-

ten betrachtet.

Haben Sie ganz bewusst die Firma so aufgebaut, um sich gegen die Konkurrenz abzuhe-

ben?

Es gab keinen bewussten Aufbau. Was wir haben, hat sich durch unseren Werdegang so erge-

ben. Wir haben uns überlegt, was wir machen wollen und wie wir integer sein können. Wir wol-

len offen und ehrlich mit dem Kunden umgehen und erwarten das auch von ihm. Bei jenen

Kunden, welche die gleiche Philosophie haben, ist das eine sehr gute Zusammenarbeit. Das

sind Partnerschaften, die über Jahre oder Jahrzehnte halten. Wir arbeiten seit acht oder neun

Jahren mit einzelnen Kunden zusammen. Eine solche Konstanz wollen wir pflegen. Diese Part-

nerschaften können nur dann funktionieren, wenn die gegenseitigen Erwartungen klar sind und

wenn ein ehrlicher, redlicher Umgang miteinander besteht. Wenn nicht alles so läuft wie man

möchte, gibt es natürlich auch mal schwierige Situationen, die man meistern muss.

Es gibt ja den Aspekt der Kunden, die Sie schon haben und jenen der Kunden, die Sie

neu gewinnen wollen. Welches ist die grössere Hürde?

Es ist in der Regel die grössere Hürde neue Kunden zu gewinnen. Wobei es hier immer darauf

ankommt, mit wem man spricht.

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Das Topmanagement der Kunden ist eigentlich immer an einer Partnerschaft interessiert. Es

möchte jemand, dem es eine Aufgabe übertragen kann, auf den es sich verlassen kann und

von dem es genau weiss, dass am Schluss alles funktioniert.

Das mittlere Management hat manchmal eine andere Agenda: Einerseits möchten sie gewisse

Dinge selber machen, andererseits haben sie Freunde und Kollegen, die sie einbinden möch-

ten. Im Weiteren sind wir in gewissem Masse auch Konkurrenten des mittleren Managements.

Es ist für uns nicht immer einfach, mit dieser Situation umzugehen.

Es gibt Firmen, die sagen sie brauchen einen Partner wir uns. Diese können es sich nicht leis-

ten ein System zu haben, welches am Schluss nicht funktioniert. Sie sind auf jemanden mit

denselben Zielen angewiesen und ein Partner, auf den sie sich verlassen können. So wurde

zum Beispiel bei einer Unternehmung ein Messsystem installiert. Kurz vor der Inbetriebnahme

erkannte man ein Problem. Dieses Unternehmen war froh um einen Partner wie uns. Wir haben

alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit am Schluss alles funktioniert. Gerade bei Unternehmen,

die in der Öffentlichkeit stehen, kann dadurch viel schlechte Presse verhindert werden.

Unsere Kunden wissen, dass wir die Komplexität beherrschen und diese auch kanalisieren und

funktionstüchtig machen können. Diese Fähigkeiten sind die ideale Ergänzung.

Sie haben ja auf dem Schweizer Markt die Position eines Stars. Hilft Ihnen dies auch

beim Topmanagement oder beim mittleren Management?

Beim Topmanagement hilft uns das sehr stark, es funktioniert wie ein Türöffner. Ich kann ein-

fach anrufen und die Leute sind relativ schnell auf unserer Seite. Beim mittleren Management

ist es ein Nachteil. Dieses sieht uns bis zu einem gewissen Grad als Konkurrenz. Für das Top-

management ist ein Auftrag an uns eine indirekte Art dem mittleren Management zu sagen:

„Kommt mal in die Gänge.“ Diese versteckte Kommunikation ist für uns nachteilig und macht die

Zusammenarbeit schwieriger. Für uns ist es die grösste Herausforderung, nicht "zwischen

Hammer und Amboss" zu geraten.

Sie haben jetzt von Kunden gesprochen, mit denen Sie schon länger zusammenarbeiten.

Wie kommen Sie an neue Kunden heran, wie funktioniert das? Haben Sie hier Instrumen-

te?

Darin sind wir relativ schlecht. Interessanterweise die Kunden irgendwie auf uns zu. Das kann

sein, dass mich jemand kennt und direkt anruft. Weil wir einen gewissen Ruf auf dem Markt

haben, kommen viele auf diesem Weg. Was auch relativ gut funktioniert, ist Mund-zu-Mund-

Propaganda.

Aus einer guten, erfolgreichen Zusammenarbeit kann auch eine gute Referenz entstehen. Um-

so mehr, wenn eine bestimmte Arbeit für den Kunden selbst nicht attraktiv ist. Das ist eine Zu-

sammenarbeit, die extrem gut funktioniert, da sie ihn sehr wertvoll ist. Dem Kunden bleibt durch

unsere Arbeit ein hoher Added Value. Das ist für mich natürlich eine tolle Referenz.

Ein hervorragendes Beispiel einer guten Zusammenarbeit: Ein Forschungslabor eines grossen

Automobilkonzerns benötigte in einem Einzelfall eine Elektronikentwicklung. Wissenschaftler

des Konzerns arbeiteten an dieser Neuentwicklung. Ihre Standardlieferanten versuchten, dafür

einen möglichst hohen Preis zu verlangen. Die Kosten mussten auf Wunsch des Managements

gesenkt werden. Darauf wollte man die Preise der Standardlieferanten überprüfen. Deshalb

wurden wir damit beauftragt, einen Prototyp dieser Entwicklung zu bauen. Danach konnten die

Preisvorstellungen der Lieferanten dem Preis unseres Prototyps gegenübergestellt werden. Es

zeigte sich, dass die Entwicklung zu einem Bruchteil der Preisvorstellung der Lieferanten

machbar war.

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In diesem Fall haben wir an einem kleinen Ort angefangen. Mittlerweile hat sich unsere Tätig-

keit auf die gesamte Forschungsabteilung des Unternehmens ausgedehnt, ohne dass wir viel

dafür machen mussten. So ist es am schönsten zu verkaufen.

Unsere Lieferanten bilden auch ein erweitertes Netzwerk. Sie wissen, wir beherrschen die Pro-

zessortechnologie. Wenn nun ein Kunde unserer Lieferanten ein Problem hat, werden diese

vielfach zu uns geschickt. Dieses Netzwerk schlägt immer grösser Wellen.

Oft gehe ich auch an Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Technopark-Preis und spreche mit

den Menschen. Dies ist die zweite aktive Massnahme, um Kunden zu akquirieren. Man unter-

hält sich, erfährt was den anderen bewegt und welche Probleme gelöst werden müssen.

Manchmal kann ich dann Vorschläge machen und allenfalls gleich eine Lösung präsentieren.

Wir haben auch schon versucht, an Ausstellungen zu akquirieren. Erfolgreich war dies ehrlich

gesagt nicht. Wir haben für praktisch keinen Nutzen viel investiert.

Sind vor allem Sie für die Repräsentationsaufgaben zuständig oder haben Sie hierfür

Mitarbeiter?

Die Neukundenakquisition liegt vor allem bei mir. Es wäre aber sicher das Ziel, hier Mitarbeiter

nachzuziehen. Durch Ausbildungen lernen meine Mitarbeiter neue Leute kennen und können so

wieder ein eigenes Netzwerk aufbauen. Für uns als Dienstleister ist ein gutes Beziehungsnetz

extrem wichtig.

Den eigentlichen Verkauf machen alle unsere Mitarbeiter. In dieser Beziehung bin ich nicht

mehr tätig. Sobald klar ist, dass ein Projekt zustande kommt, sind die Projektleiter zuständig.

Das funktioniert auch sehr gut so.

Wenn Sie zurückblicken auf die Firmenentwicklung, gab es da Zeiten, in denen ihre Firma

stark gewachsen ist, oder war es eher ein kontinuierliches Wachstum? Können Sie das

mit gewissen Marketingmassnahmen in Zusammenhang bringen?

Einmal hatten wir einen riesigen Wachstumssprung, bei dem wir unsere Grösse in kürzester

Zeit verdoppelt haben. Das war, als wir einen grossen, amerikanischen Computerhersteller als

Kunden gewonnen haben. Der Auftrag brachte uns den halben Jahresumsatz.

Bevor wir diesen Auftrag erhielten, arbeiteten wir für denselben Hersteller in einem Projekt für

eine Hochschule zur Herstellung eines neuen Computers. Wir lieferten das Netzwerk dazu. Der

Projektleiter des Computerherstellers meinte während der Arbeit zu mir, dass wir bei diesem

Projekt bestimmt drauflegen würden. Dies bejahte ich. Er sagte darauf, wir seien schon blöd.

Eine amerikanische Firma würde ein Projekt nie fertigstellen, wenn sie keinen Gewinn machen

könne. Wir beendeten den Auftrag trotzdem, da wir gemäss unserem Prinzip unsere Verspre-

chen einhalten.

Eineinhalb Jahre später kam derselbe Projektleiter mit einem anderen Auftrag zu mir. Dies war

der grösste Auftrag, den wir je gehabt haben. Nur weil wir zuvor ethisch richtig gehandelt ha-

ben, bekamen wir diese Chance. Unser Marketinginstrument war unsere Ehrlichkeit und Red-

lichkeit gegenüber dem Kunden. Das war es, was für den Auftraggeber am Ende gezählt hat.

Aber so schnell es kam, ist dann plötzlich alles auch wieder gegangen. Dieser Hersteller wurde

von einem anderen übernommen und das Topmanagement wurde entlassen. Dadurch haben

wir diesen Auftrag wieder verloren. Trotzdem hat es sich für uns gelohnt, da wir viel mehr ver-

dient haben, als wir investieren mussten.

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Natürlich hat uns das trotzdem in Schwierigkeiten gebracht, weil auf einmal der halbe Jahres-

umsatz weggefallen ist. Mittlerweile macht unser grösster Kunde 15 % des Jahresumsatzes

aus. Wir sind heute also besser abgesichert, weil wir bereiter abgestützt sind. Wenn nicht gleich

mehrere Kunden gleichzeitig abspringen, können wir Weggänge besser auffangen.

Das Wichtigste für uns ist wie erwähnt eine gute Partnerschaft. Wenn man dieses Prinzip treu

verfolgt, bleiben die Kunden über Jahre oder Jahrzehnte. Gewinnt man dann dadurch jährlich

zwei bis drei solcher Partner, ist man auftragsmässig auf der sicheren Seite.

Sie planen also nicht bewusst einen Marktauftritt?

Nein, da ist nichts geplant. Nur etwas unternehme ich, um an Kunden heranzukommen. Das ist

eine "Forschungsreise zur Seele des Unternehmens", welche ich mit Unternehmern mache.

Diese Reise hat sich aus einer Laune heraus ergeben. Einmal machte ich einen Rollentausch

mit einem buddhistischen Mönch. Ein Team einer Tageszeitung hat dieses Vorhaben begleitet.

Von einem Journalisten wurde mir damals die Frage gestellt, was die Seele eines Unterneh-

mens sei. Später stellte ich Kollegen dieselbe Frage. Es wurde mir gesagt, wenn ich mehr dar-

über nachdenken wolle, solle ich sie doch zu einem Gespräch einladen. Daraus ist dann dieser

Event entstanden. Aus einer Kartei mit mittlerweile 100 bis 150 Unternehmen, laden wir mögli-

che Kunden oder Leute, die wir kennen und die unternehmerisch tätig sind, mit Partner/in herz-

lich ein. Wir sprechen dort mit keinem Wort über das Business, sondern wir sprechen nur dar-

über, was das Innerste des Unternehmens ist. Während zwei bis drei Tagen erzählt man sich

von den Sorgen und Freuden, von Nachfolgeregelungen etc. Mit dem Thema "Angst" haben wir

uns auch schon auseinandergesetzt. Ein grosses Thema, wie sich herausstellte. Das Thema

"Grundenergie im Unternehmen" zum Beispiel ist für die Teilnehmer ebenfalls extrem interes-

sant.

Diese "Forschungsreisen" haben sich als äusserst gutes Marketinginstrument herausgestellt.

Obwohl nie als das geplant, entsteht ein sehr gutes Beziehungsnetz. Die meisten Teilnehmer

sind in den obersten Hierarchiestufen ihrer Firma. Hat man irgendein Problem, kann man durch

den bestehenden Kontakt einfach auf sie zugehen und fragen.

Dann kommen da auch Rückmeldungen?

Ja absolut. Aber messen tun wir das nicht.

Wie sieht es mit der Zukunft aus? Haben Sie da etwas geplant, wie Ihr Marketing ausse-

hen soll?

Das Wichtigste für mich ist natürlich eine Nachfolgeregelung. Auf verschiedenen Ebenen ist

dies bereits gelungen. So ist die ganze Projektdurchführung schon heute völlig in den Händen

der Projektleiter. Zurzeit sind wir auch daran, das ganze Bestell- und Offertwesen ebenfalls

über die Projektleiter abzuwickeln. Das ist noch nicht perfekt, aber schon sehr weit gediehen.

Auch strukturelle Änderungen nehmen wir vor. Wir möchten Verantwortliche, welche gleichzei-

tig für mehrere Projekte zuständig sind und dadurch mehr Umsatz erreichen.

Wir wollen die Möglichkeiten schaffen, dass jemand mit interessanten Technologien oder Pro-

jekten zu uns kommt, Projektleiter werden sowie Verkaufs- und Führungserfahrungen sammeln

kann. Ein Mitarbeiter soll sich entwickeln können, in der Hoffnung, dass er 5 bis 10 Jahre bei

uns bleibt. Dies garantiert uns eine gewisse Konstanz.

Vielen Dank für das Interview.

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Zürich, März 2008