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KLIMASCHUTZ UND ÖKO-LANDBAU | SCHWERPUNKT Treibhausgase von der Weide Welche Vorteile bringt die Öko- Rinderhaltung? Treibhausgasemissionen fallen sowohl bei konventioneller als auch bei ökologischer Rinderhaltung an. Welches System schneidet besser ab und welche Einsparungspotenziale gibt es? Eine aktuelle Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur Wien versucht Antworten zu finden. Von Stefan Hörtenhuber und Werner Zollitsch 23 www.soel.de 145, 1/2008 | ÖKOLOGIE & LANDBAU Prof. Dr. Werner Zollitsch Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Nutztierwissenschaften Gregor-Mendel-Straße 33, A-1180 Wien Tel. +43 / 1 / 4 76 54 32 82 E-Mail [email protected] I nnerhalb der Landwirtschaft ist die Rinderhaltung eine der größten Emissionsquellen von Treibhausgasen. Vor allem Methan (CH 4 ) aus der enterogenen Fermentation im Vor- magensystem und aus Wirtschaftsdünger sowie Lachgas (N 2 O) aus Wirtschaftsdünger und dem verfügbaren Bodenstickstoff sind von Bedeutung. Die Emission von Kohlendioxid (CO 2 ) aus fossilen Energieträgern spielt in der Rinderhaltung men- genmäßig eine eher untergeordnete Rolle. In vielen Belangen ist die ökologische Produktionsweise klimaschonender als kon- ventionelle intensive Systeme. Niedrigere Besatzdichten lassen im Öko-Landbau geringere Mengen Wirtschaftsdünger anfal- len. In der Folge treten weniger Emissionen auf. Der Verzicht auf synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel, ein höherer Anteil der Weidehaltung und generell ein bewussterer Umgang mit Treibstoff- und Energiequellen können in der ökologischen Landwirtschaft den Verbrauch an Energie und nicht erneuer- baren Ressourcen um bis zu zwei Drittel pro Flächeneinheit senken (Haas et al., 2001). Trotzdem besteht noch ein beacht- liches Potenzial zur Emissionsminderung. Futterqualität ist entscheidend Treibhausgase werden in der Rinderhaltung in erster Linie durch die enterogene Fermentation im Vormagensystem gebil- det, vor allem durch methanbildende Bakterien und Protozoen im Pansen. Je nach eingesetzten Futtermitteln und deren In- haltsstoffen, besonders je nach Gehalt an Rohfaser und Roh- fett, gedeihen die Pansensymbionten mehr oder weniger gut und produzieren unterschiedliche Mengen des klimaschädli- chen CH 4 . Während Rohfaser diese Kleinstlebewesen fördert, wirkt der Rohfettanteil in den Futtermitteln stark hemmend (Kirchgessner et al., 1993). So wird vor allem für die konven- tionelle Rinderproduktion an Konzepten gearbeitet, mit denen die Methanemissionen durch Zugabe bestimmter Fettsäuren und Öle (etwa Palmöl) oder durch sekundäre Pflanzeninhalts- stoffe (beispielsweise Tannine und Saponine) reduziert werden können. Der Einsatz mancher dieser Futter(zusatz)stoffe wider- spricht jedoch den Idealen und der Systemlogik des ökologi- schen Landbaus. Besonders bedeutsam für ein geringeres Ausmaß an entero- gener Fermentation ist das Erzielen einer guten Grundfutter- qualität mittels einer an die Standortbedingungen angepassten Bewirtschaftungsintensität. Gerade in diesem entscheidenden Aspekt kann die ökologische Landwirtschaft unter Umständen Nachteile gegenüber intensiveren Produktionssystemen haben, wenn nämlich Grundfuttermittel aus extensiver Erzeugung eine geringere ernährungsphysiologische Qualität aufweisen. Infol- gedessen steht eine geringere Produktionsleistung des Systems, zum Beispiel weniger Kilogramm Milch, einem höheren Anfall an Methan gegenüber. Dadurch werden die geringeren N 2 O- und CO 2 -Emissionen der ökologischen Wirtschaftsweise zu- nichte gemacht (Haas et al., 2001). Stefan Hörtenhuber Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Nutztierwissenschaften Gregor-Mendel-Straße 33, A-1180 Wien Tel. +43 / 6 99 / 12 84 78 41 E-Mail [email protected]

Treibhausgase von der Weide I Welche Vorteile - … · Treibhausgase werden in der Rinderhaltung in erster Linie durch die enterogene Fermentation im Vormagensystem gebil - det, vor

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KLIMASCHUTZ UND ÖKO-LANDBAU | SCHWERPUNKT

Treibhausgase von der Weide

Welche Vorteilebringt die Öko-Rinderhaltung?

Treibhausgasemissionen fallen sowohl bei

konventionel ler als auch bei ökologischer

Rinderhaltung an. Welches System schneidet

besser ab und welche Einsparungspotenziale

gibt es? Eine aktuelle Diplomarbeit an

der Universität für Bodenkultur Wien

versucht Antworten zu finden.

Von Stefan Hörtenhuber

und Werner Zollitsch

23www.soel.de 145, 1/ 2008 | ÖKOLOGIE & LANDBAU

Prof. Dr. Werner ZollitschUniversität für Bodenkultur Wien,

Institut für NutztierwissenschaftenGregor-Mendel-Straße 33, A-1180 Wien

Tel. +43 / 1 / 4 76 54 32 82 E-Mail [email protected]

Innerhalb der Landwirtschaft ist die Rinderhaltung eine dergrößten Emissionsquellen von Treib haus gasen. Vor allemMe than (CH4) aus der enterogenen Fermentati on im Vor -

ma gen sys tem und aus Wirtschaftsdünger sowie Lach gas (N2O)aus Wirtschaftsdünger und dem ver fügba ren Bodenstickstoffsind von Bedeutung. Die Emission von Kohlendioxid (CO2)aus fossilen Energieträgern spielt in der Rinderhaltung men -gen mäßig eine eher untergeordnete Rolle. In vielen Belangenist die ökologische Produktionsweise klima schonender als kon -ventionelle intensive Systeme. Niedrigere Besatzdichten lassenim Öko-Landbau gerin gere Mengen Wirt schaftsdünger anfal -len. In der Folge treten weniger Emissionen auf. Der Verzichtauf synthetische Dünge- und Pflanzenschutz mittel, ein höhererAnteil der Weidehaltung und generell ein bewussterer Umgangmit Treibstoff- und Energie quellen kön nen in der ökologischenLandwirtschaft den Verbrauch an Ener gie und nicht erneuer-baren Ressourcen um bis zu zwei Drittel pro Flächeneinheitsenken (Haas et al., 2001). Trotzdem besteht noch ein beacht-liches Potenzial zur Emissionsminderung.

Futterqualität ist entscheidend

Treibhausgase werden in der Rinderhaltung in erster Liniedurch die enterogene Fermentation im Vormagensystem gebil -det, vor allem durch methanbildende Bakterien und Protozoenim Pansen. Je nach eingesetzten Futtermitteln und deren In -halts stoffen, besonders je nach Gehalt an Rohfaser und Roh-fett, gedeihen die Pansensymbionten mehr oder weniger gutund produzieren unterschiedliche Mengen des klimaschädli -chen CH4. Während Rohfaser diese Kleinstlebewesen fördert,wirkt der Rohfettanteil in den Futtermitteln stark hemmend(Kirchgessner et al., 1993). So wird vor allem für die konven -ti o nelle Rinderproduktion an Konzepten gearbeitet, mit denendie Methanemissionen durch Zugabe bestimmter Fettsäurenund Öle (etwa Palmöl) oder durch sekundäre Pflan zen inhalts -stoffe (beispielsweise Tannine und Saponine) redu ziert werdenkönnen. Der Einsatz mancher dieser Futter (zusatz)stoffe wider -spricht jedoch den Idealen und der System logik des ökologi -schen Landbaus.

Besonders bedeutsam für ein geringeres Ausmaß an entero -gener Fermentation ist das Erzielen einer guten Grundfutter -qualität mittels einer an die Standortbedingungen angepasstenBewirtschaftungsintensität. Gerade in diesem entscheidendenAs pekt kann die ökologische Landwirtschaft unter UmständenNach teile ge genüber intensiveren Produktionssystemen haben,wenn näm lich Grund futtermittel aus extensiver Erzeugung einegeringere ernährungsphysiologische Qualität aufweisen. Infol -gedessen steht eine geringere Produktionsleistung des Sys tems,zum Beispiel weniger Kilogramm Milch, einem höheren Anfallan Methan gegenüber. Dadurch werden die gerin ge ren N2O-und CO2-Emissionen der ökologischen Wirtschafts weise zu-nichte gemacht (Haas et al., 2001).

Stefan HörtenhuberUniversität für Bodenkultur Wien,

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Tel. +43 / 6 99 / 12 84 78 41 E-Mail [email protected]

24 ÖKOLOGIE & LANDBAU | 145, 1/ 2008 www.soel.de

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Insgesamt scheinen sich die Mengen an emittierten Treib-hausgasen pro Produkteinheit (Kilogramm Milch oder Fleisch)in der ökologischen Landwirtschaft wenig von jenen in kon-ventionellen Systemen zu unterscheiden. Bei Erzielung sehrgu ter Grundfutterqualitäten und unter Beachtung der anderenFaktoren im Umgang mit Wirtschaftsdünger oder Nutzungs-dauer kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die ökolo -gische Rinderhaltung pro Produkteinheit weniger Emis sio nenan klimarelevanten Schadgasen verursacht, weil die so gehalte -nen Tiere sowohl eine entsprechende Leistung als auch geringeenteroge ne Emissionen aufweisen.

Einfluss von Lebensleistung und Mastdauer

Neben der Futtermittelqualität sollte auch die Nutzungs-dauer und damit die Lebensleistung einer Milchkuh möglichsthoch sein, so dass sich die Emissionen während der Aufzucht -phase auf eine entsprechend hohe Milchmenge verteilen kön -nen (leistungsabhängige Degression). Der Energiebedarf unddaraus folgend auch die Emissionen während der gesamtenAufzucht liegen in einer ähnlichen Größenordnung wie dieWer te für eine Laktation der Kuh.

Die für jedes Kilo gramm Milch emittierten Treibhausgasenehmen theoretisch um rund ein Sechstel (knapp 17 Prozent)ab, wenn eine Kuh bei gleicher Laktationsleistung drei statt

zwei Laktationen erbringt. Deshalb ist für die emittierte Mengean Treibhausgasen pro Ki logramm Milch we ni ger die Milch-leistung pro Laktation als vielmehr die Le bensleistung einerMilch kuh ausschlaggebend (siehe Abbil dung).

In der Fleischproduktion sollten dagegen die Tageszunah -men ein mittleres Leistungsniveau nicht unterschreiten. Je län -ger die Mastdauer ist, desto höher ist der Energieaufwand fürden Erhaltungsbedarf und damit auch die Emission klimarele -van ter Gase. Eine bessere Gesundheit und längere Lebensdauer– Ideale der ökologischen Tierhaltung – können demzufolgedazu beitragen, Emissionen zu mindern.

Gute Futterqualität bringt nicht nur gute Leistung, sondern führt auch zu geringen Methanemissionen aus dem Vormagensystem der Wiederkäuer.Weidehaltung schont zudem das Klima durch geringen Ressourcenverbrauch. (Foto: BLE / Thomas Stephan)

Abbildung: Emissionen pro Kilogramm Milch von vier grünland-basierten Produktionssystemen in Österreich

Es besteht ein beachtliches Potenzialzur Emissionsminderung.

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145, 1/ 2008 | ÖKOLOGIE & LANDBAU

Emissionen aus Wirtschaftsdünger senken

Grundsätzlich bilanzieren die in ökologischen Produktions -systemen noch weiter verbreiteten Festmistsysteme bezüglichder Treibhausgasemissionen deutlich günstiger als Güllesyste -me. Sie weisen zwar höhere Lachgasemissionen auf, insge samtüberwiegen jedoch die Vorteile der aeroben Verhältnisse vonStrohsystemen. Im Vergleich zu Gülle bewirken sie wesentlichge ringere Methanemissionen. Nach Vergleichsrechnungen mitIPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)-Faktorenemittiert Festmist um bis zu 70 Prozent weniger Treibhausgaseals Gülle, wobei allerdings die Emissionen der angefallenenJauche bei Festmist nicht berücksichtigt werden. Zusätzlichkann eine erhöhte Einstreumenge bei Strohsystemen zur wei-teren Reduktion der Treibhausgase führen, ebenso wie eineKompostierung bei guter Durchlüftung; Letztere resultiert dar -über hinaus in einer höheren Qualität des Wirtschaftsdün gers(Amon, 2006).

Nicht zuletzt können auch technische Maßnahmen zur deut-lichen Verminderung von Treibhausgasemissionen aus demWirtschaftsdünger im Allgemeinen und der Gülle im Besonde -ren beitragen. In erster Linie ist hier die anaerobe Umsetzungin Biogasanlagen von Bedeutung, wodurch nicht nur Emissio -nen verhindert, son dern auch fossile Treibstoffe ersetzt werdenkönnen. Positiv wirkt sich auch eine Separation der Gülle infeste und flüssige Bestandteile aus. Für Rindergülle empfiehltsich – anders als bei Schweinegülle – auch eine Belüftung, diezwar zu gesteigerten Lachgasemissionen führt, sich aufgrundhoher Einspa rung an Methan insgesamt aber positiv auswirkt(Amon, 2006).

Alle Ansätze nutzen

Grundsätzlich sind die Umweltwirkungen der Landwirt-schaft nicht auf das Klima beschränkt. Im Hinblick auf zahlrei -che Nachhaltigkeitsfaktoren besitzt die ökologische Landwirt -schaft Vorteile gegenüber einer konventionellen Produktions-weise. Trotzdem sind in der ökologischen Rinderhaltung alleAn sätze zu einer Verminderung der emittierten Treibhausgasezu nutzen. Im Vor dergrund sollten dabei eine Optimierung derGrund futter qua lität sowie eine Erhöhung der Nutzungsdauerbei Milchkü hen stehen. Das Haltungssystem und die Behand -lung von Wirtschaftsdünger stellen weitere Ansatzpunkte dar.Nur wenn ernsthafte Anstrengungen in diese Richtung unter -nommen wer den, können für die ökologische Rinderhaltungauch im Bereich des Klimaschutzes eindeutige Vorteile im Ver-gleich zu konventionellen Produktionssystemen geltend ge -macht werden.

Literatur

Amon, B. (2006): Emissionen umwelt- und klimarelevanter Gase aus derlandwirtschaftlichen Tierhaltung. Habilitationsschrift, Universität fürBodenkultur Wien, Wien

Haas, G., F. Wetterich, U. Köpke (2001): Comparing intensive, extensified andorganic grassland farming in southern Germany by process life cycleassessment. Agriculture, Ecosystems & Environment 83, S. 43–53

Kirchgessner, M., F.-X. Roth, W. Windisch (1993): Verminderung der Stickstoff-und Methanausscheidung von Schwein und Rind durch die Fütterung.Übersichten zur Tierernährung 21, S. 89–120

Raufutter ist wesentlicher Bestandteil der Öko-Rinderhaltung. Es führt tendenziell zu höheren Emissionen und bringt damit gegenüber intensiven Produktions-systemen unter Umständen klimarelevante Nachteile.Wird jedoch eine gute Grundfutterqualität erzielt und werden auch die Faktoren Wirtschaftsdünger und Nutzungs -dauer berücksichtigt, hat die Öko-Rinderhaltung insgesamt eine positivere Bilanz. (Foto: BLE / Thomas Stephan)