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Fuhpark Einbauten B eim Bonner Traditions - unternehmen Univers- Reisen ist manches anders, als man dies sonst in der Branche gewohnt ist – wei- testgehend im positiven Sinne. So leistet sich der Reiseveranstalter mit gleich zwei „Gold Class“ genannten Neoplan Starliner II absolute VIP-Fahrzeuge im High-End- Bereich, die auf 14 m Länge nur 32 Sitzplätze in 2+1-Be - stuhlung aufweisen. „Das sind Türöffner für große Ver- anstaltungen und Großkun- den“, erklärt Geschäftsführer Eberhard Penz. „Damit fährt bei- spielsweise der Kon- zernvor- stand. Doch wenn ich solche Fahrzeuge, die sich an sich nicht rechnen, anbieten und einsetzen kann, dann möchte ich auch den Rest des Unternehmens im Rahmen der Unternehmens- veranstaltung fahren, um beim Beispiel zu bleiben.“ Ein solcher Türöffner ist auch der im September 2009 zuge- lassene und seit 2010 im Ein- satz befindliche, behinderten- gerecht ausgestattete Merce- des-Benz Tourismo (300 kW, Euro 5, 12,14 m Länge) – damals übrigens einer der ersten dieser Baureihe mit automatisiertem, achtgängi- gem Busgetriebe PowerShift als Sonderausstattung. „Von den Umsätzen und den Total costs of ownership her gese- hen trägt sich auch dieses Fahrzeug nicht“, sagt Penz. „Mir ist es aber wichtig, ein solches Auto im Portfolio zu haben.“ Und er fügt nach kurzem Nachdenken an: „Eigentlich ist es reine Lieb- haberei. Es lohnt sich nur dann, wenn man sich mit ihm Zusatzgeschäfte erhoffen kann.“ Neben den üblichen Anschaf- fungskosten mussten näm- lich rund 120 000 in den behindertengerechten Um- und Ausbau gesteckt werden. Denn vom Hersteller, in die- sem Fall Mercedes-Benz, gibt es zunächst nur ein Fahrzeug quasi von der Stange. In der standardisierten Produkti- onsstraße – der Tourismo wird im türkischen Hoşdere gebaut – rechnet es sich für ihn mangels Masse nicht, die aufwändigen Spezialaufträge auszuführen. Dafür hat Daimler drei Partnerunter- nehmen, die die Maßnahmen gemäß den Gewährleistungs- richtlinien der Stuttgarter ausführen. Eines davon ist der Bus- und Sonderfahrzeugspezialist Gebr. Heymann GmbH. Nach Nastätten ging der ohne WC von Werk gelieferte Tourismo für drei Monate. Dort schnitten die Arbeiter den Bus zu nächst auf, um Platz für den hinter einer Klappe befind lichen Hublift inklusive separater Einstiegs- tür darüber für die Rollstuhl- fahrer zu schaffen – alles auf engstem Raum. Dieser schlug alleine mit rund 35 000 zu Buche. Platziert wurde er nicht wie sonst bei behindertengerecht ausgestatteten Bussen üblich im Heckbereich, sondern direkt neben dem Mittelein- stieg. Denn bei einer solchen Anordnung muss kein Roll- stuhlfahrer für den Weg vom Lift zu seinem Platz und zurück im naturgemäß beengten Bus die komplette Ganglänge bewältigen. Verantwortlich für diese ver- besserte Lösung zeichnete Ralf Holtappels, der das Fahrzeug heute meist auch fährt. Er kennt sich in diesem Bereich besonders gut aus, führte er doch zusammen mit Vater und Bruder bis vor einigen Jahren das auf Behin- dertenreisen spezialisierte Busunternehmen Holtappels Reisen aus Alfter bei Bonn. „Nach seinen Vorstellungen wurde das Fahrzeug im End- effekt realisiert“, berichtet sein heutiger Chef. Doch auch so war der Auf- wand für den Lifteinbau groß. Musste doch nicht nur ein Türpfosten eingesetzt werden, sondern nach einer statischen Neuberechnung des Gerippeaufbaus die vor- handene Fahrzeugkonstruk- tion in diesem Bereich mit Knotenblechen und U-Eisen verstärkt werden. Denn auf diese wirken enorme Kräfte, wenn der Hebelarm des Lifts bewegt wird. Der ist nämlich auf Trag lasten von bis zu 500 kg ausgelegt. Natürlich mussten durch den Lift - einbau auch neue Fenster- elemente und Klappen eingebaut werden. 26 BUSMAGAZIN Juli/August 2012 Behindertengerechter Busumbau Türöffner mit Lift Univers-Reisen leistet sich den Luxus eines auf- wendig modifizierten Reisebusses für behinderten- gerechte Touren. BUSMAGAZIN besuchte das Bonner Unternehmen und erfuhr dort Interes- santes über Umbau und Einsatzmöglichkeiten. Spezialist Heymann realisierte den behindertengerechten Umbau t Problemlos bringt der Hublift neben dem Mitteleinstieg die Rollstuhlfahrer in den Bus

Türöffner mit Lift - Busmagazin€¦ · U-Eisen verstärkt werden. Denn auf diese wirken enorme Kräfte, wenn der Hebelarm des Lifts bewegt wird. Der ist nämlich auf Traglasten

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Page 1: Türöffner mit Lift - Busmagazin€¦ · U-Eisen verstärkt werden. Denn auf diese wirken enorme Kräfte, wenn der Hebelarm des Lifts bewegt wird. Der ist nämlich auf Traglasten

Fuhpark Einbauten

Beim Bonner Traditions -unternehmen Univers-

Reisen ist manches anders,als man dies sonst in derBranche gewohnt ist – wei-testgehend im positivenSinne. So leistet sich der Reiseveranstalter mit gleichzwei „Gold Class“ genanntenNeoplan Starliner II absoluteVIP-Fahrzeuge im High-End-Bereich, die auf 14 m Längenur 32 Sitzplätze in 2+1-Be -stuhlung aufweisen. „Dassind Türöffner für große Ver-anstaltungen und Großkun-den“, erklärt Geschäftsführer

EberhardPenz.„Damitfährt bei-spielsweiseder Kon-zernvor-stand. Doch

wenn ich solche Fahrzeuge,die sich an sich nicht rechnen,anbieten und einsetzen kann,dann möchte ich auch denRest des Unternehmens imRahmen der Unternehmens-veranstaltung fahren, umbeim Beispiel zu bleiben.“Ein solcher Türöffner ist auchder im September 2009 zuge-lassene und seit 2010 im Ein-satz befindliche, behinderten-gerecht ausgestattete Merce-des-Benz Tourismo (300 kW,Euro 5, 12,14 m Länge) –damals übrigens einer der

ersten dieser Baureihe mitautomatisiertem, achtgängi-gem Busgetriebe PowerShiftals Sonderausstattung. „Vonden Umsätzen und den Totalcosts of ownership her gese-hen trägt sich auch diesesFahrzeug nicht“, sagt Penz.„Mir ist es aber wichtig, einsolches Auto im Portfolio zu haben.“ Und er fügt nachkurzem Nachdenken an:„Eigentlich ist es reine Lieb-haberei. Es lohnt sich nurdann, wenn man sich mit ihm Zusatzgeschäfte erhoffen kann.“Neben den üblichen Anschaf-fungskosten mussten näm-lich rund 120 000 € in denbehindertengerechten Um-und Ausbau gesteckt werden.Denn vom Hersteller, in die-sem Fall Mercedes-Benz, gibtes zunächst nur ein Fahrzeugquasi von der Stange. In derstandardisierten Produkti-

onsstraße – der Tourismowird im türkischen Hoşderegebaut – rechnet es sich fürihn mangels Masse nicht, dieaufwändigen Spezialaufträgeauszuführen. Dafür hatDaimler drei Partnerunter-nehmen, die die Maßnahmengemäß den Gewährleistungs-richtlinien der Stuttgarterausführen.Eines davon ist der Bus- undSonderfahrzeugspezialistGebr. Heymann GmbH. NachNastättenging der ohneWC von Werkgelieferte Tourismo fürdrei Monate.Dort schnitten die Arbeiterden Bus zu nächst auf, umPlatz für den hinter einerKlappe befind lichen Hubliftinklusive separater Einstiegs -tür darüber für die Rollstuhl-fahrer zu schaffen – alles auf

engstem Raum. Dieser schlugalleine mit rund 35 000 € zuBuche. Platziert wurde er nicht wiesonst bei behindertengerechtausgestatteten Bussen üblichim Heckbereich, sonderndirekt neben dem Mittelein-stieg. Denn bei einer solchenAnordnung muss kein Roll-stuhlfahrer für den Weg vom Lift zu seinem Platz undzurück im naturgemäßbeengten Bus die kompletteGanglänge bewältigen.Verantwortlich für diese ver-besserte Lösung zeichneteRalf Holtappels, der dasFahrzeug heute meist auchfährt. Er kennt sich in diesemBereich besonders gut aus,führte er doch zusammen mit Vater und Bruder bis voreinigen Jahren das auf Behin-dertenreisen spezialisierteBusunternehmen HoltappelsReisen aus Alfter bei Bonn.„Nach seinen Vorstellungenwurde das Fahrzeug im End -effekt realisiert“, berichtetsein heutiger Chef. Doch auch so war der Auf-wand für den Lifteinbaugroß. Musste doch nicht nurein Türpfosten eingesetztwerden, sondern nach einerstatischen Neuberechnungdes Gerippeaufbaus die vor-handene Fahrzeugkonstruk-tion in diesem Bereich mit Knotenblechen und U-Eisen verstärkt werden.Denn auf diese wirken

enormeKräfte, wenn derHebelarmdes Liftsbewegt

wird. Der ist nämlich auf Trag lasten von bis zu 500 kg ausgelegt. Natürlichmussten durch den Lift -einbau auch neue Fenster -elemente und Klappen eingebaut werden.

26 BUSMAGAZIN Juli/August 2012

B e h i n d e r t e n g e r e c h t e r B u s u m b a u

Türöffner mit LiftUnivers-Reisen leistet sich den Luxus eines auf-

wendig modifizierten Reisebusses für behinderten-

gerechte Touren. BUSMAGAZIN besuchte das

Bonner Unternehmen und erfuhr dort Interes -

santes über Umbau und Einsatzmöglichkeiten.

Spezialist Heymann realisierte den

behinderten gerechtenUmbau

t Problemlos bringt der Hubliftneben dem Mitteleinstieg die Rollstuhlfahrer in den Bus

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FuhparkEinbauten

Damit waren die Umbau -arbeiten aber noch langenicht zu Ende. Denn selbst-verständlich braucht einbehindertengerechter Busauch eine befahrbare Heck-toilette mit extrabreiter Tür

und Wendemöglichkeit für den Rollstuhlfahrer. Alle Bedienelemente des WCin Chemieausführung sindzu dem in einer für diesen er -reichbaren Höhe angebracht.Zur Ausstattung gehört auch

ein Triangelgriff über der Toi lettenschüssel. „Einebesondere Herausforderungbestand weiterhin im Kürzender Gepäckablagen im Bereichdes WC“, berichtet MikeHorstmann von Heymann.

Neben der Toilette ist eineHeckküche eingerichtet,deren Bedienungselementeebenfalls in rollstuhlgerechterHöhe platziert sind. Gut er -reichbar und für die „Rollis“zu öffnen ist auch der eben -erdig montierte Kühlschrank.Im Sinne der Behinderten istan alles gedacht: So lässt sichder Wasserhahn zur leichte-ren Bedienung ausziehen.Wie auch beim WC war beimKücheneinbau viel Hand -arbeit gefragt, ein Grund fürdie hohen, aber kalkuliertenUmbaukosten.Da der Hochdecker von Werkaus 150 mm hohe Podestebesitzt, „füllte“ Heymannden Mittelgang mit einerabnehmbaren Erhöhung auf,um einen ebenen Boden zumBefahren mit Rollstühlen zuerreichen. Daneben wurdeein Airline-Schienensystemverlegt, mit denen sich darauf

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p Der Lift ersetzt Tür 2.Rund 120 000 € hat der gesamte Umbau gekostet

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mittels Schnellverschlüssenbefestigte Fahrgastsitze beiBedarf schnell demontierenlassen. Gleichzeitig dient esals Befestigungs- und Rück-haltesystem für spezielleGurte, mit denen die Roll-stühle fixiert werden.Abschließend erfolgten dieWiederherstellung des durch

den Einbau beschädigtenDesigns und des Außenlackssowie die Abnahme durchdie technische Prüforganisa-tion und durch den Fahr-zeughersteller. „Der gesamteUmbau mit der vielen Hand-arbeit war schon sehr auf-wendig“, sagt Penz, der dieArbeiten auch persönlich mit Besuchen bei Heymannin Nastätten begleitete. „Vor allem als der Bus auf -geschnitten vor einem stand,war das wie eine OP am offenen Herzen.“Seit das Fahrzeug fertigge-stellt ist, gilt es nun, es wirt-schaftlich sinnvoll einzusetzen.Mit dem neuen behinderten-gerecht eingerichteten Bushat sich auch das Konzept im Vergleich zu früheren Univers-Zeiten geändert, alsbereits vergleichbare Fahr-zeuge Teil des Fuhrparkswaren. „Wir bieten heute

im Katalog keine speziellenReisen für mobilitätseinge-schränkte Menschen mehran. Wir wollen integrierenund nicht separieren“, be -schreibt der Univers-Chef dieAusrichtung seines Unter-nehmens in diesem Segment.„Außerdem rechnet sich eineigenes Programm für Behinderte nicht.“Deshalb kommt der umge-baute Tourismo in der Regelauf gewöhnlichen Reisenoder dann zum Einsatz,wenn es Einzelanmeldungenbeispielsweise von Rollstuhl-fahrern gibt. Selten liegt dieZahl aber höher als drei odervier. Noch sporadischer sindFahrten ganzer Behinderten-gruppen in der Busanmietung.16 Rollstuhlplätze stehen imFünf-Sterne-Bus dann maxi-mal zur Verfügung. Allerdingskönnen bis zu 36 „Rollis“mitfahren, wenn sie in derLage sind, auf normale Fahr-gastsitze zu wechseln. IhreRollstühle werden in diesemFall im Kofferraum verstaut.„Bei reinen Behinderten-bzw. Rollstuhlgruppen müs-sen wir anders kalkulieren.Dann liegt der durchschnitt -liche Reisepreis etwas höher,um wenigstens einen kleinenTeil der Umbaukosten wiederhereinzuholen“, erklärt Penz.„Nicht so allerdings bei Ein-zelbuchern, denn die möch-ten wir wie jeden anderenPassagier behandeln. Ver-schiedene Reisepreise inner-halb einer Gruppe wärennicht fair.“Univers tauscht normaler-weise seine Fahrzeuge nachrund drei Jahren aus, umtechnisch stets auf dem neuesten Stand zu sein. So ist der gesamte Fuhrparkmittlerweile mindestens auf

Euro-5-Abgasnormniveau.Aufgrund der arbeits- undkostenintensiven Umbau-maßnahmen wird der Tou-rismo jedoch mindestens fünf Jahre im Betrieb bleiben.Länger soll es nicht werden,wenn der Bus sich auchäußerlich nicht vom allge-meinen Auftritt der Univers-Einheiten abheben soll. Allerdings dürfte es schwerwerden, für das Fahrzeug aufdem Gebrauchtwagenmarkteinen akzeptablen Preis herauszuholen, der den Auf-wand für den kostspieligenEinbau der behinderten -gerechten Ausstattungwenigstens ein Stück weitabbildet. Das ist schon beiden „normal“ ausstaffiertenBussen von Univers schwie-rig – Sonderausstattungenwie Ledersitze „zahlt mir niemand“, sagt Penz.Warum er überhaupt ein sol-ches Fahrzeug bei der relativgeringen Buchungszahl vonBehinderten und Mobilitäts -eingeschränkten angeschaffthat. „Weil ich bekloppt bin“,grinst Penz. „Das dürfen sieruhig schreiben.“ Und weil er ein großes Herz für Behin-derte hat, möchte man hin -zufügen, und eine große Leidenschaft für den Bus und das Busreisegeschäft.

Claus Bünnagel

28 BUSMAGAZIN Juli/August 2012

p Je nach Anzahl der Rollstuhl-fahrer lässt sich die Platzge -staltung dank Airline-Schienen-system und Schnellverschlüssenproblemlos und rasch verändern

Ein „ebenerdiger“ Kühlschrank und ein auszieh -barer Wasserhahn erleichtern

den Behinderten die Benutzungder Heckküche u

p In der geräumigen Toilette können die „Rollis“ leicht wen-den. Ein Triangelgriff ermöglichtdas Hochziehen aus dem Rollstuhl

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