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Die Wirtschaft des Nachbarlandes hat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einen rasanten Aufschwung erlebt. Viele internationale Konzerne siedel- ten sich an. Dank HIGHTECH und als Automobilzulieferer behaupten sich tschechische Unternehmen heute auf der ganzen Welt. UNTERWEGS. Für den ersten Teil der trend-Serie Ostchampions war unser Autor in der Tschechischen Republik unterwegs: im westböhmischen Pilsen und im ostmährischen Brünn, zwei Boomregionen des Landes. Tschechische Checker D ie Ziegelmauer ist kilometer- lang, wie ein Burgwall um- schließt sie das alte Fabrik- areal. Von außen sind sie nicht zu sehen, aber innen verlau- fen der Mauer entlang Schienen. Mehrere Paare liegen hier parallel, manche weiter auseinander, manche enger beisammen. Hier im westböhmischen Pilsen befin- det sich das Testareal von Škoda Trans- portation. Gerade testen Ingenieure ei- nen Doppeldeckerzug, mit 200 Stunden- kilometern soll er fahren können, wenn er im deutschen Regionalverkehr einge- setzt wird. Hier kommen aber auch die tschechi- sche Wirtschaftsgeschichte und ihre Zu- kunft zusammen. Der Name Škoda steht schließlich für den großen Aufstieg der Region im 19. Jahrhundert – und dafür, wie es ihren Unternehmen gelang, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Anschluss an die Weltspitze zu finden. PRIVATISIERT, ZERSCHLAGEN. Škoda, damit verbinden wir heute vor allem Au- tos. Diese Sparte des Konzerns wurde 1991 an Volkswagen verkauft, sie produ- ziert in Mladá Boleslav nordöstlich von Prag. In Pilsen, wo Škoda nach wie vor ein eigener Stadtteil ist, nutzen heute unterschiedliche Unternehmen die alte Marke. Es gibt etwa Škoda Electric, Škoda JS, Doosan Škoda Power und eben Škoda Transportation. Sie alle er- zeugen elektrotechnische Ausrüstungen wie Motoren, Turbinen, Generatoren oder Transformatoren. Škodas Geschichte reicht weit in die K.-u.-k.-Monarchie zurück. 1859 von Ernst Graf Waldstein-Wartenberg in Pil- sen als Gießerei und Maschinenfabrik ge- gründet, hat sein Ingenieur Emil Ritter von Škoda das Unternehmen übernom- men und groß gemacht. Es wurde zur wichtigsten Rüstungsfabrik der Donau- monarchie, strukturierte sich nach deren Ende um und fand im Kommunismus seinen Platz als Produzent so unter- schiedlicher Dinge wie Kraftwerksein- richtungen, Lokomotiven und Maschi- nen. Anfang der 1990er-Jahre folgten die Privatisierung und die Zerschlagung. Anders als viele andere Nachfolge- firmen ist Škoda Transportation in der Hand tschechischer Investoren geblieben. Der Neuanfang war schwer: Wartungs- arbeiten für russische Breitspurloks, viel mehr war nicht zu tun. Nur schritt- weise gelang es, die osteuropäischen Pilsen DEUTSCHLAND POLEN ÖSTERREICH SLOWAKEI Brünn Prag Die Tschechische Republik in Zahlen Das Land hat einen großen Auf- holprozess hinter sich. Seine Wirtschaft litt in der Krise, wächst nun aber wieder solide. Einwohner 10,6 Mio. Währung Krone BIP/Kopf (2017, Kaufkraftp.) 26.200 € BIP-Wachstum (2017) 2,6 % Arbeitslosenrate (2017) 3,9 % Staatsschulden (2017) 36,7 % Exportquote (2016) 68 % Quelle: xxx ŠKODA TRANSPORTATION entwickelt und fertigt in Pilsen Züge und Straßenbahnen für internationale Abnehmer. ŠKODA JS ist die ehemalige Nuklearsparte des Škoda-Konzerns. Sie modernisiert Kernkraftwerke und baut Atommüllbehälter. ŠKODA ELECTRIC stellt Elektroantriebe und Traktionsmotoren für Autobusse, U-Bahnen und Straßenbahnen her. DOOSAN ŠKODA POWER gehört zur südkoreani- schen Doosan Group und ist als Maschinenbauer auf Turbinen und Konden- satoren spezialisiert. BILD UND TEXT: REINHARD ENGEL 35 10/2017 | TREND 34 TREND | 10/2017 TREND SERIE OST- CHAMPIONS FOTOS:

Tschechische Checker€¦ · Die Tschechische Republik in Zahlen Das Land hat einen großen Auf-holprozess hinter sich. Seine Wirtschaft litt in der Krise, wächst nun aber wieder

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Page 1: Tschechische Checker€¦ · Die Tschechische Republik in Zahlen Das Land hat einen großen Auf-holprozess hinter sich. Seine Wirtschaft litt in der Krise, wächst nun aber wieder

Die Wirtschaft des Nachbarlandes hat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einen rasanten Aufschwung erlebt. Viele internationale Konzerne siedel-ten sich an. Dank HIGHTECH und als Automobilzulieferer behaupten sich tschechische Unternehmen heute auf der ganzen Welt.

UNTERWEGS. Für den ersten Teil der trend-Serie Ostchampions war unser Autor in der Tschechischen Republik unterwegs: im westböhmischen Pilsen und im ostmährischen Brünn, zwei Boomregionen des Landes.

Tschechische Checker

Die Ziegelmauer ist kilometer­lang, wie ein Burgwall um­schließt sie das alte Fabrik­areal. Von außen sind sie nicht zu sehen, aber innen verlau­

fen der Mauer entlang Schienen. Mehrere Paare liegen hier parallel, manche weiter auseinander, manche enger beisammen.

Hier im westböhmischen Pilsen befin­det sich das Testareal von Škoda Trans­portation. Gerade testen Ingenieure ei­nen Doppeldeckerzug, mit 200 Stunden­kilometern soll er fahren können, wenn er im deutschen Regionalverkehr einge­setzt wird.

Hier kommen aber auch die tschechi­sche Wirtschaftsgeschichte und ihre Zu­kunft zusammen. Der Name Škoda steht schließlich für den großen Aufstieg der Region im 19. Jahrhundert – und dafür,

wie es ihren Unternehmen gelang, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Anschluss an die Weltspitze zu finden.

PRIVATISIERT, ZERSCHLAGEN. Škoda, damit verbinden wir heute vor allem Au­tos. Diese Sparte des Konzerns wurde 1991 an Volkswagen verkauft, sie produ­ziert in Mladá Boleslav nordöstlich von Prag. In Pilsen, wo Škoda nach wie vor ein eigener Stadtteil ist, nutzen heute unterschiedliche Unternehmen die alte Marke. Es gibt etwa Škoda Electric, Škoda JS, Doosan Škoda Power und eben Škoda Transportation. Sie alle er­zeugen elektrotechnische Ausrüstungen wie Motoren, Turbinen, Generatoren oder Transformatoren.

Škodas Geschichte reicht weit in die K.­u.­k.­Monarchie zurück. 1859 von

Ernst Graf Waldstein­Wartenberg in Pil­sen als Gießerei und Maschinenfabrik ge­gründet, hat sein Ingenieur Emil Ritter von Škoda das Unternehmen übernom­men und groß gemacht. Es wurde zur wichtigsten Rüstungsfabrik der Donau­monarchie, strukturierte sich nach deren Ende um und fand im Kommunismus seinen Platz als Produzent so unter­schiedlicher Dinge wie Kraftwerksein­richtungen, Lokomotiven und Maschi­nen. Anfang der 1990er­Jahre folgten die Privatisierung und die Zerschlagung.

Anders als viele andere Nachfolge­firmen ist Škoda Transportation in der Hand tschechischer Investoren geblieben. Der Neuanfang war schwer: Wartungs­arbeiten für russische Breitspurloks, viel mehr war nicht zu tun. Nur schritt­weise gelang es, die osteuropäischen

Pilsen

DEUTSCHLANDPOLEN

ÖSTERREICH SLOWAKEI

Brünn

Prag

Die Tschechische Republik in ZahlenDas Land hat einen großen Auf-holprozess hinter sich. Seine Wirtschaft litt in der Krise, wächst nun aber wieder solide.

Einwohner 10,6 Mio.

Währung Krone

BIP/Kopf (2017, Kaufkraftp.) 26.200 €

BIP-Wachstum (2017) 2,6 %

Arbeitslosenrate (2017) 3,9 %

Staatsschulden (2017) 36,7 %

Exportquote (2016) 68 %

Quelle: xxx

ŠKODA TRANSPORTATION entwickelt und fertigt in Pilsen Züge und Straßenbahnen für internationale Abnehmer.

ŠKODA JS ist die ehemalige Nuklearsparte

des Škoda-Konzerns. Sie modernisiert

Kernkraftwerke und baut Atommüllbehälter.

ŠKODA ELECTRIC stellt Elektroantriebe und

Traktionsmotoren für Autobusse, U-Bahnen

und Straßenbahnen her.

DOOSAN ŠKODA POWER gehört zur südkoreani-schen Doosan Group und ist als Maschinenbauer auf Turbinen und Konden-satoren spezialisiert.

BILD UND TEX T: R E I N H A R D E NG E L

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Märkte zurückzuerobern, es folgten die Türkei, China und punktuell auch die USA.

Zuletzt setzte das Unternehmen mit 5.500 Mitarbeitern 18 Milliarden Kronen (circa 670 Millionen Euro) um. Zdenek Majer, der als Vizepräsident für den Ver­trieb zuständig ist, erzählt stolz: „Vor we­nigen Jahren wurde eine komplett neue Fertigung errichtet, ganze Züge wurden in knappen drei Jahren entwickelt, 800 Ingenieure und Techniker sind hier be­schäftigt und jährlich geben wir zwischen 40 und 50 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung aus.“ Nur so sei dieser Aufstieg zu schaffen gewesen.

SOLIDES WACHSTUM. Dass Škoda Trans portation mit seiner guten Ent­wicklung in der tschechischen Wirtschaft nicht allein dasteht, bestätigen die Statis­tiken. Die Wirtschaftsleistung des Lan­des ist in den Boomjahren nach dem Zer­fall der Sowjetunion rasant gewachsen. Die Ausgangslage war trotz allem viel­versprechend: Es gab Industrie und die Tschechen waren gut ausgebildet. Mit seiner Wirtschaftsleistung pro Kopf von 16.500 Euro pro Jahr liegt Tschechien heute in der Region auf dem zweiten Platz hinter Slowenien, der Abstand zu Österreich (40.000 Euro BIP/Kopf) ist aber nach wie vor groß.

Die tschechischen Staatsfinanzen sind ausgeglichen, mit vier Prozent war die Arbeitslosigkeit so niedrig wie nirgends in der EU (EU­Durchschnitt 2016: 8,5 Pro­zent; siehe Tabelle Seite 35). Heuer soll die in der Finanzkrise angeschlagene tschechische Wirtschaft um 2,6 Prozent

wachsen, was im europäischen Umfeld als dynamisch gilt. Risikofaktoren liegen vor allem außerhalb des Landes: Ver­langsamt sich die Weltwirtschaft, wird Tschechien das spüren. Viele Unterneh­men sind Teil der globalen Lieferkette.

Dass dabei zahlreiche internationale Investoren mitmischen, zeigt sich auch in der Pilsner Innenstadt. Unweit der histo­rischen Stadtmauern riecht es nicht nach Öl oder nach frischem Lack, sondern nach dem süßlichen Malzboden einer Brauerei. Hier erzeugt Plzenský Prazdroj das Pilsner Urquell, das erfolgreichste tschechische Exportbier. Seit 1999 gehör­te es den South African Breweries, die in­zwischen zu SABMiller wurden und das Pilsner wegen kartellrechtlicher Bestim­mungen nun abgeben mussten. Der Ver­kauf an die japanische Asahi­Gruppe wurde bereits unterschrieben.

Japaner und andere Asiaten gehören in Pilsen zu den industriellen Großin­vestoren. Davon zeugen die Logos auf den riesigen Hallen des Industrieparks Borská pole. Begonnen hat es vor 20 Jah­ren mit Panasonic, das hier Flachbild­

fernseher erzeugt. Heute finden sich hier Autozulieferer wie Jtekt Automotive und Fuji Koyo aus dem Toyota­Reich, Yazaki Wirings, Viza oder Lear. Daneben arbei­ten auch Firmen für internationale Flug­zeughersteller, etwa Zodiac Aerospace oder PCC – Precision Castparts. Hisense aus China erzeugt Bildschirme, der Japa­ner Daikin fertigt Klimaanlagen.

„Der wirtschaftliche Wohlstand von Pilsen liegt in einer ausgewogenen Struk­tur von großen sowie mittleren und klei­nen Unternehmen“, sagt Marie Melicha­rová vom Amt für Wirtschaftsentwick­lung der Stadt. Ihre Strategie? „Wir arbeiten an einem schrittweisen Über­gang von materialintensiven Fabriken zu modernen Technologien und Dienst­leistungen sowie mehr Forschung und Entwicklung.“ Das Anwerben größerer Produzenten würde der angespannte Arbeitsmarkt ohnehin nicht gestatten.

Zu den Vorzeigeunternehmen, die schon jetzt für mehr Wertschöpfung sor­gen, zählt zum Beispiel MBtech. Das in­ternationale Entwicklungsunternehmen fräst hier mit gewaltigen CNC­Maschi­nen ganze Eins­zu­eins­Automodelle aus Alublöcken heraus, baut aber auch Proto­typen von Elektrogeräten, Schienenfahr­zeugen oder für Firmen aus den Berei­chen Aerospace und Aeronautics.

ZF Engineering wiederum, eine Toch­ter des globalen Getriebespezialisten aus Deutschland, arbeitet mit 300 Mitar­beitern unter anderem an der Software für Acht­ und Neun­Gang­Automatikge­triebe, Lenksysteme und elektronische Dämpfer. Jedes Jahr stellt ZF etwa 30 neue Absolventen von der lokalen

2015 hatten die österreichischen Exporteure gestrahlt: Plus acht Prozent machte der Zuwachs ihrer Exporte in die Tschechische Republik aus,

während die tschechische Wirtschaft um 4,5 Prozent wuchs. „Wenn es so gut läuft, dann kann man nicht jedes Jahr damit rechnen“, erklärt Wirtschaftsdelegierter Christian Miller. Für 2016 soll das Wachstum bei rund einem Prozent liegen. „Und es gibt auch keinen einheitlichen Trend: 2016 war etwa der Zuwachs bei Kunststoffexporten schwach, jener bei Metall wiederum kräftiger.“ Grundsätzlich sieht Miller vor allem für österreichische Investitionsgüterhersteller nach wie vor gute Chancen, denn die exportorientierten tschechischen Unter - nehmen investieren weiter und brauchen hochqualitative Ausrüstungen und Maschinen.

1.800 Niederlassungen und Tochterunternehmen zählt die Wirtschaftskammer im Nachbarland. Dazu gehören die Erste Bank Group mit ihrer Tochter Ceská sporitelna, Bank Austria und Raiffeisen, die Wiener Städtische Versicherung mit mehren lokalen Töchtern, die Uniqa Versicherung oder die Handelsgruppe Billa. Spar hat sich kürzlich zurückgezogen und an die belgische Ahold-Gruppe verkauft. Im Straßenbild von Brünn oder Pilsen finden sich auch Brands wie Humanic, Oberbank oder Swarovski.

Doch auch eher ungewohnte Investoren haben nach Böhmen und Mähren gefunden. Wer etwa im Brünner Grand Hotel gegenüber dem Hauptbahnhof absteigt, sieht hinter der Rezeptionistin bunte Werbung für die Wiener Konditorei Gerstner. Vor vier Jahren hatte eine Gruppe rund um Gerstner-Chef Oliver Braun und den Wiener Immobilienent-wickler Günter Kerbler von der Uniqa zwölf Austria Hotels International übernommen, darunter das traditionelle Haus in der mährischen Hauptstadt.

Auch eine Reihe österreichischer Industrieller ist im Nachbarland aktiv, oft lediglich knapp über die Nordgrenze Ober- oder Niederösterreichs hinübergewandert. Es sind etwa Fabriken des Landmaschinenherstellers Pöttinger, des Spritzgussmaschinenproduzenten Engel, des Kältetechnik- Spezialisten Hauser oder des Schweißgeräteerzeugers Fronius, die jenseits der Grenze produzieren. Die niederöster-reichische Baustoffgruppe Lasselsberger hat im Jahr 2002 den größten tschechischen Keramikfliesenerzeuger, Rako, übernommen. Vor der Stadteinfahrt von Prag thront auf einem Hügel das Auslieferungslager von AluKönigStahl. Und im südmährischen Mikulov erzeugt Gebauer & Griller Elektrokabel.

Stark präsent1.800 ÖSTERREICHISCHE UNTERNEHMEN haben in der Tschechischen Republik Nieder-lassungen. Ihre Marken finden sich überall.

FUSSGÄNGERZONE PILSEN. Vertraute tschechische Städte: Heimische Banken, aber auch Händler wie Billa sind vor Ort.

PILSNER URQUELL. Das meistexportierte Bier des Landes wurde gerade an die japanische Asahi-Gruppe verkauft.

PANASONIC. Der japanische Riese zählte zu den ersten Investoren in der Tschechischen Republik und produziert Flachbildfernseher.

MBTECH. Das Unternehmen fräst ganze Eins- zu-eins-Automodelle aus Alublöcken und baut Prototypen für verschiedene Branchen.

„Wir arbeiten am Über-gang von materialintensi-ven Fabriken zu moder-

nen Technologien auf Basis von Forschung und

Entwicklung.“MARIE MELICHAROVÁ

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Westböhmischen Universität ein. Deren Vizerektor, Vladimír Duchek, be­tont: „Wir arbeiten laufend mit Industrie­unternehmen zusammen.“

HIGHTECH. Sie sehen aus wie Satelliten vor ihrem Flug ins All. Silber glänzend stehen sie aneinandergereiht in ihrer klinisch sauberen Hightech­Fabrik. Men­schen in weißen Overalls schrauben ihnen weitere Teile an. Auf Monitoren kontrollieren sie den Fortschritt.

Die seltsamen Geräte, die hier bei FEI in Brünn entstehen, sind Elektronenmi­kroskope. Je nach Konfiguration kosten sie zwischen 100.000 und fünf Millionen US­Dollar. Sie gehen an Forschungsein­richtungen und Industrieunternehmen rund um den Erdball, die Exportquote liegt bei 99 Prozent.

FEI Brno ist eine der modernsten der­artigen Fertigungen der Welt. Bis vor Kur­zem gehörte sie zum US­Konzern FEI, einem Spin­off von Philips. Vor wenigen Monaten wurde sie von Thermo Fisher Scientific übernommen, doch die 720 Be­schäftigten in Brünn müssen sich deshalb keine Sorgen machen. FEI ist in den letz­ten Jahren kontinuierlich gewachsen, und so soll es auch weitergehen.

Wachsen, das musste nach 1989 auch FEI erst einmal gelingen. Mit einem Schlag war dem Unternehmen, dessen Technologie zuvor im Osten als führend galt, der sowjetische Markt verloren ge­gangen. Für Exporte in Richtung Westen fehlten Marketing­Know­how und auch das letzte Quäntchen technologische Konkurrenzfähigkeit. Dann kam der nie­derländische Philips­Konzern, erst mit

einer Kooperation, später mit Kapital. Wie für viele Hightech­Unternehmen ist auch FEIs Luxusproblem heute der tsche­chische Arbeitsmarkt, denn der ist für Qualifizierte ziemlich leergeräumt. „Als internationales Unternehmen können wir junge Menschen eine Zeit lang in die Nie­derlande oder in die USA schicken“, sagt Generaldirektor Jirí Ocadlík. Das hilft beim Kampf um die besten Köpfe.

Um diese buhlen auch jene traditio­nellen Maschinenbauer, die das post­kommunistische Fegefeuer überstanden haben. Firmen wie Zetor, vor 1989 eine Erfolgsgeschichte: 4.500 Mitarbeiter, 28.000 Traktoren pro Jahr, Exporte in die ganze Welt.

Auf diesem Ruf können die neuen Ei­gentümer aufbauen. Die slowakische Ge­sellschaft, zu der Zetor seit 2003 gehört, sanierte das Unternehmen und behielt die volle Belegschaft, die davor monate­lang nichts getan hatte, als Anlagen zu warten und Hallen auszukehren. Die Fir­ma erholte sich, dann kam die Krise und kurz darauf noch eine Rezession.

Dennoch schreibt Zetor heute schwar­

ze Zahlen. Im Jahr 2015 liefen 3.900 Traktoren mit zwischen 60 und 160 PS vom Band, darüber hinaus Komponen­ten und Motoren. 680 Menschen haben am Standort Brünn Arbeit. Mittlerweile wird jedes Jahr ein neues Modell vorge­stellt, und trotz Krise wurde das Entwick­lungsbudget erhöht.

Andere Sektoren hat die neue Realität nach 1989 noch härter getroffen: Von der schon in der Monarchie blühenden Textil­industrie ist gerade noch ein Großbetrieb übrig. Nová Mosilana, er gehört der itali­enischen Marzotto­Gruppe.

STRUKTURWANDEL. Die Präsenz inter­nationaler Unternehmen ist auch in Tschechiens zweitgrößter Stadt, Brünn, nicht zu übersehen. Hier produzieren Konzerne wie Siemens und ABB, Bosch Rexroth, Alstom, Poclain oder Honeywell, aber auch mittelständische deutsche Gruppen wie Dieffenbacher oder Heu­nisch Guss. Sie stellen Turbinen für Gas­kraftwerke, elektrische Schalter, Motoren, Hydraulikkomponenten oder Pressen für die Automobilproduktion her.

Bei der regionalen Entwicklungsagen­tur für Südmähren beschreibt man den Strukturwandel so: Nach dem Nieder­gang der Textilindustrie war die Arbeits­losigkeit stark angestiegen, man brauchte schnell Ersatz. Lockmittel für internatio­nale Investoren waren die gute industri­elle Ausbildung und niedrige Löhne. Es kamen Asiaten und Europäer aus unter­schiedlichen Branchen – Maschinenbau, Elektrotechnik, IT –, aber für die Region vergleichsweise wenige Autozulieferer. Einige der Asiaten sind weitergezogen, es

folgten andere Investoren, mit höherer Wertschöpfung und auch oft mit größe­ren Anforderungen.

So betreibt etwa IBM in Brünn das riesige Client Innovation Center Central Europe. 3.000 Beschäftigte aus 80 Län­dern helfen telefonisch bei unterschied­lichen technisch herausfordernden Pro­blemen. Eine ähnliche Einrichtung hat auch der US­Kommunikationsriese AT&T. Und Honeywell betreibt ein großes For­schungs­ und Entwicklungszentrum für Software rund um Avionics, Automotive und Industrieautomation.

Honeywell prangt auch an den Wän­den der Labors und Werkstätten von JIC, dem Südmährischen Innovations­zentrum. Der US­Konzern unterstützt Jungunternehmer, die hier ihre ersten Schritte tun. „Seit der Gründung in den frühen 2000er­Jahren haben wir etwa 200 Unternehmen begleitet“, erzählt Jir í Hudecek, der Geschäftsführer: „Wir woll ten langfristig nicht nur von inter­nationalen Investoren abhängig sein, sondern eigene Stärken entwickeln.“

Es sind vor allem Ingenieure einer der vier lokalen Universitäten, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Brünn, eine Stadt mit 380.000 Einwoh­nern, zählt immerhin 80.000 Studieren­de. Einige zieht es auch in die Forschung.

Unmittelbar neben dem JIC ist im Herbst 2016 das internationale For­schungszentrum CEITEC in Vollbetrieb gegangen. Mehr als 200 Millionen Euro haben der tschechische Staat und die EU investiert. 600 Mitarbeiter forschen in Feldern zwischen Physik und Life Scien­ces, der Schwerpunkt liegt auf Nanotech­nologie. „Etwa 80 Prozent unserer Arbeit macht die Grundlagenforschung aus“, erzählt Jan Procek, Leiter des Büros für Technologietransfer, „den Rest die Zu­sammenarbeit mit Industriepartnern.“

Ein erstes Spin­off kann CEITEC auch schon aufweisen. Jan Neumann war mehrere Jahre während des Aufbaus der wissenschaftlichen Einrichtungen hier beschäftigt. Vor einigen Monaten hat er mit zwei Partnern sein eigenes Unterneh­men gegründet. NenoVision bietet eine Zusatzapparatur für Elektronenmikro­skope an, die im Nanobereich eine bes­sere Oberflächendarstellung ermöglicht. Einen ersten Apparat konnte er bereits verkaufen. Und bei FEI am anderen Ende der Stadt hat er auch schon präsentiert.Lesen Sie in der nächsten Ausgabe TEIL 2: Die Stärken der Slowakei.

FEI BRNO. 720 Mitarbeiter arbeiten in Brünn an hochspezialisierten Elektronenmikro-skopen. Die Exportquote beträgt 99 Prozent.

ZETOR. Im Kommunismus produzierte das Unternehmen 28.000 Traktoren im Jahr. Heute sind es 3.900 – bei schwarzen Zahlen.

CEITEC 200 Millionen Euro wurden in das neue Forschungszentrum investiert. Sein Schwerpunkt: Nanotechnologie.

„Unsere Strategie? Wir wollen langfristig nicht

von internationalen Investoren abhängig sein, sondern eigene Stärken

entwickeln.“JIRÍ HUDECE K

START-UP-ZENTRUM JIC

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