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» KOI KURIER | 4-2015 « 66 » TSUKIYAMA – GELÄNDEMODELLIERUNG AUF JAPANISCH « » BILDER/TEXT: HANS-JOACHIM KLEIMANN TSUKIYAMA GELäNDEMODELLIERUNG AUF JAPANISCH DIE ART UND WEISE BERGE UND HÜGELLANDSCHAFTEN IM GARTEN UMZUSETZEN, IST EINE DER WICHTIGSTEN GESTALTUNGSMERKMALE IN DER JAPANISCHEN GESTALTUNG ÜBERHAUPT. ES GIBT MEHRERE GRÜNDE DAFÜR, AUCH IN EIGENTLICH EBENEM GELÄNDE, DURCH ANSCHÜTTUNG ODER ABGRABUNG BESONDERE TOPOGRAFISCHE VERHÄLTNISSE ZU SCHAFFEN. Steinsetzung innerhalb des Ryoan-Ji-Tempels, umgeben von Moos entsteht eine Insel im Kiesmeer

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66 »Tsukiyama – GeländemodellierunG auf japanisch«

»Bilder/TexT: hans-joachim kleimann

Tsukiyama G e l ä n d e m o d e l l i e r u n G a u f j a p a n i s c h

Die Art unD Weise Berge unD HügellAnDscHAften im gArten umzusetzen,

ist eine Der WicHtigsten gestAltungsmerkmAle in Der jApAniscHen gestAltung

üBerHAupt. es giBt meHrere grünDe DAfür, AucH in eigentlicH eBenem gelänDe,

DurcH AnscHüttung oDer ABgrABung BesonDere topogrAfiscHe VerHältnisse zu

scHAffen.

Steinsetzung innerhalb des Ryoan-Ji-Tempels, umgeben von Moos entsteht eine Insel im Kiesmeer

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rundsätzlich wirkt sich zunächst einmal jede gewölbte Fläche vergrößernd auf die Oberfläche aus. Insbesondere das Anlegen von flächigen Vertiefungen bewirkt eine optische Streckung. Kiesflächen im Trockenlandschaftsgarten (Kare-San-Sui) sind in der Regel in einer Vertiefung angelegt: logisch, da sie Wasser darstellen; eine waa-

gerechte Oberfläche ist dafür zwingend notwendig.

Geländeerhebungen, sogenenannte Tsukiyama (dt.: „künstlicher Hügel“) finden sich überall dort, wo eine besondere Betonung bestimmter Einzelobjekte von Bedeutung ist. Dieses können z. B. Steinset-zungen oder besondere Formbäume sein.

Gerade bei Steinsetzungen ist eine standfeste Fixierung der Steine im Boden wichtig. Aufrecht gestellte müssen kippsicher stehen und damit entsprechend tief eingelassen sein. Durch eine Aufschüttung des anstehenden Bodens im umgebenden Bereich kann somit die Steinhöhe besser ausgenutzt werden. Außerdem lassen sich unschöne „Negativbereiche“, d.h. Stellen an denen sich aufrecht gestellte Steine nach unten verjüngen, sehr gut kaschieren. Nicht zuletzt bewirkt eine er-höhte Umrandung der Stellsteine erst eine Inselwirkung, wie sie gerade im Kare-San-Sui wichtig ist. Es entsteht ein deutlicher Kontrast zur tiefer liegenden Wasserebene. Es lassen sich Geländestruk-turen formen, Bereiche verbinden und eine „Miniaturlandschaft“ anlegen.

Beim Setzen von Solitärpflanzen ist eine erhöhte Stellung besonders ausdrucksvoll. Gerade Form-bäume und Gartenbonsai verzeihen keine zu tie-fe Pflanzung. Oft ist zur Pflanzung die Stellung auf den gelockerten Boden ausreichend, eine Verfüllung mit gutem Substrat um den Ballen ergibt von selbst eine inselartige Aufschüttung, die natürlich noch bodennah begrünt werden muß.

Klassischer Weise kommen hier in Japan Moo-se („koke“) und Schlangenbart („tamaryu“) zum Einsatz. Moos als Begrünung von allerfeinster Textur folgt durch die geringe Wuchshöhe je-der zuvor modellierten Geländestruktur. Aller-dings ist es in unserem Klima durch die geringe Luftfeuchte im Sommer schwierig dauerhaft zu erhalten. Optisch dem Moos ähnliche Boden-

Mooshügel innerhalb eines Bonsaigartens auf Shikoku. Am Kaiserpalast in Kyoto: eine Schwarzkiefer (Pinus thunbergi) in Verbindung mit einer Steinsetzung, durch den Moosbewuchs zu einem Arrangement geworden.

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Bild 4: Eingang zum Ginkakuji-Tempel in Kyoto: aus dem geharkten Kies sind die mit Moos bewachsenen Flächen deutlich erhaben und bieten den grünen Untergrund für andere Pflanzen.

Bild 5: Ebenfalls am Ginkakuji: eine Moosinsel, die den unteren Bereich des aufrecht gestellten Steins kaschiert und nebenbei Platz für eine baumartig geschnittene Pieris japonica (jap. „Asebi“) bietet.

Abbildung 6: Deutlich erkennbar: bepflanzte Bereicheeinschließlich der Steinsetzung befinden sich im erhöh-ten mit Moos bewachsenem Bereich.

Bild 7: Anwendungsbeispiel: durch die erhöhte Pflanzung kommen gerade die unteren Äste dieses extrem breit geformten Ilex crenata-Formbaums besser zur Geltung. Die Bodenfläche ist mit Schlangenbart (Ophiopogon „Kyoto Dwarf“) hügelartig bepflanzt. Basaltsplitt bildet den Übergang zur Terrassenplattierung. Der Fuß der Steinlaterne ist mit schwarzem Schlangenbart bepflanzt, der einen deutlichen Kontrast zum hellen Granit darstellt. (Foto: C. Steinert)

Bild 8: Besonders in Japan ist die Methode verbreitet, Schlangenbart direkt vor der Pflanzung auseinander zu reißen und dicht in vorbereiteten Boden zu pikieren. Gärtnermeister Shuujiro Nishikubo bepflanzt eine Stein-setzung („Sansonseki“-Form).

Bild 9: Der Schlangenbart füllt ebenfalls die durch die beiden versetzt gemauerten Ishizumi-Wände entstande-ne Terrasse aus.

Bild 10: Von oben gesehen wird die exakte Verarbeitung besonders deutlich. Bevor der Granitsplitt aufgefüllt wird, wird der Boden mit Bändchengewebe abgedeckt.

Bild 11: Die fertige Anlage: Tsukiyama-Flächen ausSchlangenbart schaffen grünen Kontrast zwischen demexakten Ishizumi-Mauerwerk und der Bodenfläche ausGranitsplitt. Die Steinsetzung wird besonders betont durch die grüne Umrandung. Die eingestreuten schwar-zen Halme des etwas höher wachsenden schwarzen Schlangenbartes bringen einen naturhaften Effekt.

decker wie Fiederpolster (Cotula dioica), Thymian oder Sternmoos (Sagina subulata) können hier ebenfalls verwendet werden. Schlangenbart ist ebenso geeignet, wächst hervorragend flach und langsam, verträgt gelegentliches Betreten, wenn z. B. ein Baum darin zu schneiden wäre. Er ist geeignet für halbschattige, auch trockene Standorte und muß lediglich über die Wintermonate in sonnigen Lagen mit Reisig geschützt werden.

In Japan wird Schlangenbart sowohl in Töpfen als auch in Matten angeboten. Gerade aber bei der Erstellung von Inselflächen im Kare-San-Sui wird gern auf Material zurück gegriffen, das vor Ort geteilt wird und in die modellierte Bodenfläche Halm für Halm einpikiert wird. Dabei wird über die Pflanztiefe eine in der Oberfläche gleichmäßige Höhe erreicht und durch den Pflanzabstand eine sofort dichte Fläche erzielt. Durch eine Einstreuung einiger schwarzer Halme von Ophiopogon nigre-scens entsteht ein besonders naturnaher Effekt. Farne wie Blechnum oder Polystichum und Gräser wie Hakonechloa können sehr gut eingesetzt werden, um Steine zu akzentuieren.

Gerade in Teich- und Wassergärten entsteht oft eine Menge an ausgehobenen Mutterboden, den es gilt geschickt auf dem Grundstück mit zu verarbeiten, wenn man Entsorgungskosten gering halten möchte. Bei entsprechender Größe der umgebenden Flächen können durch gezielte Geländeformung und gegebenenfalls Einsatz entsprechender Steine besondere Effekte erzielt werden.

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Dabei hat man es im eigenen Garten selten mit derart ausladenden Flächen zu tun, wie sie auf den Bildern nebenstehender Tempelanlagen zu sehen sind. Darum bietet es sich hier auch an, mit beson-derer Sorgfalt vorzugehen, damit die entsprechende Wirkung erzielt wird.

Gerade kleinflächige, in Terrassen eingelassene Beete, wie hier im Anwendungsbeispiel sogar mit neutralem Hintergrund, wirken erheblich harmonischer durch die begrünte Bodenfläche. Die übrigen Elemente wie Steinlaterne, Kies und Stein sind proportioniert und zurückhaltend verwendet und unterstreichen die Wirkung des Formbaumes.

Auf größeren Flächen wie im zweiten Beispiel lassen sich richtige Flächenstrukturen darstellen, die einen optischen Kontrast zu Mauerwerk und Steinsetzung darstellen. Die eingebettete Fläche aus Granitsplitt erhält so eine natürliche, organische Form. Gleichzeitig wird das kunstvoll gestaltete Mauerwerk betont. Nur wenige, möglichst laubabwerfende schwachwüchsige Pflanzen wie Schlitz-ahorne finden im Vordergrund eines solchen Mauerwerks Platz. Eine flache Azaleenpflanzung kann später kissenförmig geschnitten werden („Kokarikomi“).

Gemäß dem gestalterischen Gesetz der Entschiedenheit folgt die gesamte Bodenfläche dem topo-grafischen Verlauf des dominanten Mauerwerks. Es wäre unangebracht, hier durch zusätzliche Soli-tärpflanzen von diesem abzulenken. <<

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