Tulpen sind rot - 9783775154222

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Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, beendet die Jüdin Leesha Rose gerade die Schule in Den Haag. Die Nazi-Invasion 1943 macht nicht nur alle ihre Pläne zunichte, sondern zerstört ihre Familie. Ihre Eltern und beide Brüder werden in Konzentrationslager deportiert. Sie wird sie niemals wiedersehen. Leesha entkommt selbst nur knapp und schließt sich dem holländischen Widerstand an. Codewort: "Tulpen sind rot". Unter neuer Identität hilft sie unzähligen Juden, organisiert Verstecke, Nahrung und Kleidung. Eine wahre Geschichte über Hass, Liebe, Mut und Triumph.

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  • 395422000/1 8278 Rose_Tulpen sind rottyposcript [FP] 08.10.2012 Seite 1 3. Korrektur

    Leesha Rose

    Tulpen sind rotDas versteckte Leben

    der Leesha Rose

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    395422000/1 8278 Rose_Tulpen sind rottyposcript [FP] 08.10.2012 Seite 3 3. Korrektur

    InhaltWidmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    1 Aus heiterem Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    2 Ruhe vor dem Sturm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    3 Gefhrliche Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    4 Traumland Palstina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    5 Beunruhigende Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

    6 Zwischen den Sthlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

    7 Vorwrts oder rckwrts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

    8 Aus dem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    9 Die Krankenschwester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

    10 Auf und davon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

    11 Vater, lieber Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

    12 Eine neue Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

    13 Der erste Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

    14 In der Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

    15 Abtauchen und abwarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

    16 Eine neue Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

    17 Nicht nur zuschauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

    18 Das Haus im Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

    19 Mit ganzem Herzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

    20 Kaum noch zu ertragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

    21 Es reicht nicht mehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

    22 Ein schwerer Schlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

    der deutschen Ausgabe 2012 SCM Hnssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG 71088 Holzgerlingen Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]

    Originally published in English under the title: The Tulips are red der Originalausgabe 1978 Leesha Rose

    bersetzung: p.s. words, Lea Schirra Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen Titelbild: fotolia.com Satz: typoscript GmbH, Walddorfhslach Druck und Bindung: CPI Ebner & Spiegel, Ulm Gedruckt in Deutschland ISBN 978-3-7751-5422-2 Bestell-Nr. 395.422

    Dieses Werk einschlielich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwendung auerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    395422000/1 8278 Rose_Tulpen sind rottyposcript [FP] 08.10.2012 Seite 5 3. Korrektur

    5

    Widmung

    Dieses Buch ist in dankbarer Erinnerung meinen Eltern gewid-met, Yeshayahu und Chanah Bornstein, sowie meinen geliebten Brdern Paul und Jackie, Mrtyrer des Holocaust. Ihre Leben wurden ausgelscht in den Konzentrationslagern in Auschwitz und Sobibor.

    Es wurde geschrieben zu Ehren von Reinier van Kampenhout, Freund und Mentor, der unter Einsatz seines Lebens mutig fr die Rettungsaktionen des Untergrunds und in der Widerstands-bewegung kmpfte. Fnf Monate vor Ende des Zweiten Welt-kriegs wurde er von den Nazis gefangen genommen und zu Tode gefoltert.

    Es ist auch eine Anerkennung fr den Mut und die innere Strke der vielen nichtjdischen Niederlnder, die es riskierten, Juden in ihren Husern zu verstecken, und die Widerstand leis-teten, weil sie es als ihre christliche Verantwortung betrachte- ten.

    23 Einfach durchhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

    24 Entscheidende Begegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

    25 Der Frieden kommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

    Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

    ber die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

    Zur Lage der Holocaust berlebenden in Israel . . . . . . . . . . 316

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    395422000/1 8278 Rose_Tulpen sind rottyposcript [FP] 08.10.2012 Seite 7 3. Korrektur

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    1 Aus heiterem Himmel

    Ein lauter Donnerschlag durchbrach die Stille des frhen Mor-gens. Ich drehte mich im Bett herum und zog die Decke ber die Ohren. Mein Krper, der nach Schlaf verlangte, zitterte bei dem durchdringenden Getse, whrend mich die Angst ergriff und wie elektrischer Strom durch meinen Krper fuhr. Ich kniff die Augen zu und lag angespannt da, in der Hoffnung, dass sich das Gerusch nicht wiederholen wrde.

    Pltzlich ertnte ein gewaltiges Drhnen, gefolgt von einer Reihe kurzer, abgehackter Schsse, die rasch aufeinander folgten. Gleichzeitig hrte ich Stimmen und Rufe von Leuten aus den Grten hinter den Husern.

    Seht mal, dort drben! Schaut. Sie springen aus Flugzeugen! Mein Gott! Was ist das? Fallschirme? Ist das eine bung unserer niederlndischen Armee? Aber warum dann das Flakfeuer?

    Ich sprang aus dem Bett und lief in das Schlafzimmer meiner Eltern. Auch sie waren wach und man sah ihnen den Schreck frmlich an. Mein Bruder Paul, der ebenfalls von dem Lrm wach geworden war, ffnete die Fenstertren zur Terrasse und rannte in den Garten. Wir folgten ihm und die liebliche Luft des Frhlings umgab uns mit ihrem sanften Duft. Mir schien, als wrde an jenem unheilvollen Freitag, dem 10. Mai 1940, die frhe Morgensonne geradezu ausgelscht durch die deutschen Flugzeuge, aus denen hunderte von Fallschirmspringern heraus-sprangen.

    Und wieder waren da die abgehackten Gerusche: pop-pop-pop Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Das war offensichtlich kein Gewitter! Schnell, schaltet das Radio ein!, rief jemand.

    Unsere Nachbarn standen alle in ihren Grten oder auf den Balkonen, zeigten in den Himmel ber Den Haag und unterhiel-ten sich dabei aufgeregt. Die Kinder verfolgten das Spektakel ber ihren Kpfen mit offenen Mndern, whrend die Erwachsenen

    Ein lauter Donnerschlag durchbrach die Stille des frhen Mor-gens. Ich drehte mich im Bett herum und zog die Decke ber die Ohren. Mein Krper, der nach Schlaf verlangte, zitterte bei dem durchdringenden Getse, whrend mich die Angst ergriff und wie elektrischer Strom durch meinen Krper fuhr. Ich kniff die Augen zu und lag angespannt da, in der Hoffnung, dass sich das

    Pltzlich ertnte ein gewaltiges Drhnen, gefolgt von einer

    Danksagung

    Ich mchte meinen Dank gegenber ganz besonderen Menschen zum Ausdruck bringen: Dr. Hyman Frank, dessen Idee es war, meine Erfahrungen whrend des Zweiten Weltkriegs niederzu-schreiben, und fr dessen Untersttzung ich immer dankbar sein werde; meinem guten Freund Herrn Zvi Caspi, dem israelischen Generalkonsul in Montreal, Kanada, fr seine groe Anteil-nahme; Herrn Sam E. Bloch, Verlagsdirektor der Zionistischen Weltorganisation in New York und Generalsekretr des Welt-verbands der Bergen-Belsen-Vereinigung, fr die Bedeutung, die er meinem Manuskript beigemessen hat, und der Yad-Vashem-Gedenksttte in Jerusalem, die mir die Nutzung ihrer Bibliothek gestattete. Am meisten aber bin ich meinem Mann zu Dank verpflichtet, der mir in den vielen schmerzlichen Phasen beim Schreiben dieses Buches zur Seite stand, mich bei der berarbei-tung des Manuskripts klug beraten hat und fr dessen morali-sche Untersttzung und unendliche Geduld ich zutiefst dankbar bin.

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    395422000/1 8278 Rose_Tulpen sind rottyposcript [FP] 08.10.2012 Seite 9 3. Korrektur

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    GegenwehrNach dem ersten Schock ber den Angriff der Deutschen saen wir Tag und Nacht neben unseren Radios, unserer Verbindung zur Welt. In der Nacht hielten wir uns an die Verdunkelungs-pflicht und Ausgangssperre, die von der niederlndischen Regie-rung angeordnet worden war. Das gesamte Land befand sich in Aufruhr. Stndig waren die Gerusche von Geschtzfeuern und Bombardements zu hren. Man warnte uns vor einem mgli-chen Landesverrat durch die NSB der Nationalsozialistischen Partei der Niederlande, die sich als fnfte Kolonne erweisen knnte, und wir sollten nach getarnten deutschen Fallschirm-springern Ausschau halten. Bei all dem Verrat und der Verwir-rung fiel es schwer, irgendwem zu trauen. Es war verboten, mit den Hnden hinter dem Rcken oder in den Taschen zu laufen. Solche Warnungen verstrkten unsere Nervositt zustzlich. Zwischen den Nachrichten wurden Militrmrsche im Radio ge- spielt.

    Soweit es ging, blieben wir im Haus. Die Lebensmittellden waren zwar geffnet, aber die Menschen verrichteten nur die notwendigsten Besorgungen und eilten dann schnell nach Hause zurck. Sie hetzten durch die Straen, zum Schutz immer ganz dicht an den Hauswnden entlang, und tauchten schnell in Haus-eingngen unter, sobald sie deutsche Flieger hrten.

    Alle Theater, Kinos, Schulen, mter und Geschfte waren ge - schlossen. Der Postbetrieb wurde eingestellt. Es fuhren weder Zge, Busse und Straenbahnen noch Taxen. Lediglich rzte, Krankenhuser und Militrangehrige durften telefonieren. Die Zeitungen umfassten nur wenige Seiten und enthielten kaum Informationen. In Abstnden heulten Sirenen auf, um vor dro-henden Luftangriffen zu warnen. Es wurde eine Ausgangssperre verhngt, die von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr dauerte.

    unglubig die Kpfe schttelten. Manche weinten ungehemmt und ihnen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

    Die Nachrichten begannen mit einer Sondererklrung der K - nigin Wilhelmina, die vehement gegen die deutsche Invasion pro-testierte und sie als den ungeheuerlichsten Versto gegen die Verhaltensregeln zwischen zivilisierten Nationen bezeichnete. Der niederlndischen Regierung sei seitens des deutschen Aus-wrtigen Amts wiederholt zugesichert worden, die Neutralitt der Niederlande wrde geachtet.

    Als wir die Nachrichten hrten, wurde uns bewusst, auf was fr eine riesige Tragdie wir zusteuerten. Die Deutschen sind in den Niederlanden einmarschiert! Es ist Krieg und wir wer-den angegriffen. ber das Radio erfuhren wir das Ausma der schrecklichen Neuigkeiten: Deutsche Luftlandetruppen haben Fallschirmspringer ber niederlndischen Flugpltzen abgesetzt und die niederlndische Luftwaffe berwltigt; deutsche Truppen sind ber die sdlichen Provinzen Limburg und Noord-Brabant in Belgien eingefallen und marschieren an Rhein und Maas ent-lang Richtung Rotterdam. Die Durchsage endete mit der nie-derlndischen Nationalhymne, dem Wilhelmus. Wir standen da wie angewurzelt, starr vor Schreck.

    Wo war unsere Gegenwehr? Was ist mit unserer niederlndi-schen Flugabwehr und unseren Kampfflugzeugen? Wie haben die Deutschen es geschafft, das Hindernis der Festung Holland zu durchbrechen, jenen zentralen Teil des Landes, der durch Grben, berflutete Gebiete und befestigte Verteidigungsanlagen gesichert war? Jeder spekulierte und stellte Vermutungen an, doch wir alle wurden von einem Gefhl des Unglaubens bermannt und waren wie gelhmt. So etwas kann hier einfach nicht passieren nicht in den Niederlanden. Wir waren schon im Ersten Weltkrieg neu-tral und wollen es auch jetzt bleiben. Die Niederlande wollen keinen Krieg! Die Deutschen haben uns versprochen, dass sie uns in Frieden lassen. Warum haben sie uns angegriffen? Was haben wir ihnen denn jemals getan?

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    10 11

    Mein Bruder Paul

    Vater erhob den silbernen mit Wein gefllten Kelch und begann wie jeden anderen Freitag auch, den Kiddush zu rezitieren, den Segensspruch zur Erffnung der Feier. Er tat es mit geschlossenen Augen, voller Hingabe und Konzentration. Doch als er die Pas-sage erreichte, in der es heit Ki vahnu vaharta votanu kidash-ta Allmchtiger Gott, du hast uns auserkoren und gesegnet, brach seine Stimme und Trnen liefen ber sein Gesicht. Das war das erste Mal, dass wir Vater weinen sahen, und uns berkam eine Vorahnung und das unheilvolle Gefhl von Leid und Unglck, das uns bevorstand.

    Zum ersten Mal, seitdem ich denken konnte, wurde der Sab-bat nicht von den blichen Gesngen und der sonst so frhli-chen Stimmung begleitet. Unsere Kehlen waren zu sehr durch die Trauer zugeschnrt, als dass wir das traditionelle Sabbatmahl htten genieen knnen. Mein Vater murmelte die Zmirot, die traditionellen Sabbatgesnge, kaum hrbar vor sich hin.

    Als strengglubige Juden schalteten wir unser Radio am Sabbat nicht an, daher berbrachten uns unsere nichtjdischen

    Mein Bruder Jackie

    SabbatZu Hause stieg die Anspannung, wir hatten Angst und befrchte-ten das Schlimmste. Die Synagogen der jdischen Gemeinden in den Niederlanden waren am ersten Sabbat zum Bersten gefllt; die innigen Gebete der Glubigen waren bis auf die Straen zu hren.

    Mit diesem Freitagabend am 10. Mai 1940 htte normaler-weise unser heiliger Ruhetag begonnen, der in Ehren gehaltene Sabbat; der Tag, dem wir die ganze Woche lang entgegenfieber-ten. Doch nun versammelte sich meine Familie in einer ganz anderen Stimmung um den Esszimmertisch: mein Vater, stark und entschlossen, meine zarte Mutter, mein fnfzehn Jahre alter Bruder Paul, mein kleiner Bruder Jackie mit seinen vier Jahren und ich, eine siebzehnjhrige Oberstufenschlerin. Wir waren uns der Gefhle der anderen bewusst und trauten uns nicht aufzu-schauen. Unsere Gedanken behielten wir fr uns, aus Angst, sie knnten unsere Empfindungen verraten.

    Mutter Vater

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    395422000/1 8278 Rose_Tulpen sind rottyposcript [FP] 08.10.2012 Seite 13 3. Korrektur

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    mit ihren Kindern auf einem englischen Zerstrer nach England ber. Der Prinz kehrte umgehend zu den niederlndischen Trup-pen zurck, die in Zeeland kmpften.

    Am 13. Mai teilte General H. G. Winkelman, der Oberbefehls-haber der niederlndischen Streitkrfte, der Knigin mit, dass er nicht lnger fr ihre Sicherheit garantieren knne. Auf ihren Wunsch hin brachte ein weiterer englischer Zerstrer auch sie nach England. Der Regierungsstab folgte ihr im Laufe des Tages.

    Nach ihrer Ankunft in London verffentlichte die Knigin eine Erklrung, in der sie die Grnde fr ihre Flucht aus den Niederlanden darlegte. Von England aus war es ihr am besten mglich, die Interessen ihres Landes zu schtzen. Auerdem blieb ihr hier ausreichend Handlungsfreiheit. Wre sie in die Hnde des Feindes gefallen, wre alles verloren. Sie versprach, dass der Kampf gegen die Invasoren bis zum Sieg von London aus wei-tergefhrt werden wrde. Schlielich erklrte sie London zum Regierungssitz der Niederlande.

    Wir fhlten uns verloren. Am Dienstag, dem 14. Mai, schien die militrische Situation bereits hoffnungslos. Die niederlndi-sche Luftwaffe war nahezu ausgelscht worden. Die britische Luftwaffe war in verzweifelte Kmpfe um Frankreich und Bel-gien verwickelt. Die Deutschen hatten mithilfe von Spionen und ihrer eigenen Luftberwachung unsere Befestigungsanlagen aus-gekundschaftet. Sie hatten die Festung Holland von Belgien abgeschnitten und sich in der Nhe von Rotterdam festgesetzt. Nun drohten sie, alle niederlndischen Stdte, angefangen mit Rotterdam, zu bombardieren, sollten die Niederlande sich nicht ergeben. Die Verhandlungen zogen sich ber das von den Deut-schen gesetzte Ultimatum hinweg. So kam es, dass die deutsche Luftwaffe mit einer Angriffswelle nach der anderen mit ihren Heinkel-Bombern den grten Teil von Rotterdam zerstrte.

    Wir waren schutzlos ausgeliefert, das machte es ihnen ein-fach! Ungehindert flogen die deutschen Bomber tief ber die Stadt hinweg und suchten sich ihre Ziele mit hchster Przision aus. Das Stadtzentrum verwandelte sich auf einen Schlag in eine Feuerhlle voller dicker, schwarzer und orangener Wolken, die

    Nachbarn die neusten Nachrichten: Die niederlndische Armee kmpft tapfer. Dennoch sind die deutschen Truppen im Norden ohne viel Widerstand bis zum Ijsselmeer vorgedrungen. Entlang der Verteidigungslinie an Rhein und Maas sind erbitterte Kmpfe entfacht. Der Kontakt zu Belgien wurde abgeschnitten. Dieser erste Sabbat im Mai 1940 war fr uns alle ein schwarzer Tag.

    Unsere Nachbarin, Frau van Heeren, zeigte uns ein Flugblatt, das die deutschen Flieger abgeworfen hatten. Uns packte das Grauen, als wir lasen: Die Stadt ist von deutschen Truppen umzingelt. Jeder Widerstand ist zwecklos.

    England wird das nicht weiter hinnehmen!, rief Paul w - tend. Die Alliierten wissen, dass sie nun dringend gebraucht werden, um die Niederlande zu retten. Ihr werdet schon sehen, die schlagen so schnell zu, dass die Deutschen gar nicht wissen, was sie getroffen hat!

    Meine Freundin Kitty, die auf der Straenseite gegenber wohnte, kam zu unserem Haus gerannt. Wir waren so froh ei- nander zu sehen, dass wir uns umarmten und weinten. Worte wa - ren berflssig, wir verstanden und teilten die Gefhle der ande-ren. Sie erzhlte uns von einer weiteren Neuigkeit, die sie bei ihrem Nachbarn Herrn Jansen aufgeschnappt hatte: Die Deut-schen haben die drei Flugpltze um Den Haag Valkenburg, Ockenburg und Ypenburg bombardiert und dort unzhlige Fall-schirmjger abgesetzt. Unsere niederlndischen Truppen haben sich ihnen mutig entgegengestellt und sie von den Flugpltzen vertrieben. Diese Schlacht hat Den Haag und die niederlndische Regierung gerettet. Eine der Hauptmissionen der Angreifer war es, am ersten Tag der Invasion die knigliche Familie und die Minister gefangen zu nehmen.

    RegierungskriseAm 11. Mai legte der Ministerrat der Knigin nahe, Sicherheits-vorkehrungen fr die knigliche Familie zu treffen. Am 12. Mai setzten Kronprinzessin Juliana und ihr Ehemann, Prinz Bernhard,