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Geburtshilfe ∕ Frauen-Heilkunde ∕ Strahlen-Heilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen Homepage: www.kup.at/speculum Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche P.b.b. 02Z031112 M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz Tulzer G, Arzt W Progression angeborener Herzfehler in utero Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2002; 20 (3) (Ausgabe für Schweiz), 7-7 Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2002; 20 (3) (Ausgabe für Österreich), 7-13

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Geburtshilfe ∕ Frauen-Heilkunde ∕ Strahlen-Heilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen

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Online-Datenbank mit Autoren-

und Stichwortsuche

P.b.b. 02Z031112 M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21

Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz

Tulzer G, Arzt W

Progression angeborener Herzfehler in utero

Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2002; 20 (3)(Ausgabe für Schweiz), 7-7

Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2002; 20 (3)(Ausgabe für Österreich), 7-13

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20. Jahrgang, 3/2002

Progression angeborenerHerzfehler in utero

Herzfehler sind mit 0,8–1 % die häu-figste Organfehlbildung bei Neuge-borenen und damit 6,5mal häufigerals Chromosomenanomalien und4mal häufiger als Neuralrohrdefe-

fekte [1]. Sie sind für ca. 20 % der perinata-len Todesfälle verantwortlich. Die Beobach-tung des natürlichen postnatalen Verlaufsvon Herzfehlern hat gezeigt, daß nur weni-ge Vitien, wie z. B. der kleine Ventrikel-septumdefekt, im Laufe der Zeit eine Ver-besserung im Sinne einer Verkleinerungzeigen und sich spontan sogar ganz ver-schließen können. Die große Mehrzahl derHerzfehler allerdings zeigt einen stetig pro-gredienten Verlauf, der ohne Interventionzu vorzeitigen Problemen wie Rhythmus-störungen oder Herzinsuffizienz führt.

Postnatale Progression angebore-ner Herzfehler

Dies sei kurz anhand von 3 Beispielen er-läutert.

� Klappenstenosen, wie z. B. Aorten- oderPulmonalstenose, bedingen eine ventri-kuläre Druckbelastung mit Hypertro-phie. Nahezu alle Stenosen zeigen wäh-rend des Wachstums eine Progredienzmit zunehmender Hypertrophie, dieunbehandelt ab einer gewissen Grenzezu sekundären Schäden am Herzmus-kel und dadurch zu einer kürzeren Le-benserwartung führt. Heute gibt es kla-re Grenzen, ab wann (ab welchem Gra-dienten) eine Intervention, sei es durcheinen interventionellen Herzkatheter(Ballondilatation), sei es durch denHerzchirurgen, indiziert ist.

G. Tulzer, W. Arzt*

* Landesfrauenklinik Linz, Department fürPränatal-Medizin.

� Ein sehr großer, nicht drucktrennenderVentrikelseptumdefekt führt neben ei-ner biventrikulären Hypertrophie zurpulmonalen Hypertonie, die bei Beste-henbleiben des Shunts schon bereitsnach 1 Jahr zu irreversiblen Gefäßver-änderungen in der Lunge führen kann.Diese bleibende und unbeeinflußbar fort-schreitende pulmonale Widerstands-erhöhung führt schließlich zur Shunt-Umkehr mit Zyanose (Eisenmenger-Re-aktion), wodurch ein operativer Ver-schluß des Septumdefekts unmöglichgeworden und damit die Lebenserwar-tung stark eingeschränkt ist.

� Eine unkorrigierte Fallot’sche Tetralo-gie (Ventrikelseptumdefekt mit überrei-tender Aorta und Subpulmonalstenose)führt zu einer hochgradigen Rechts-hypertrophie in Verbindung mit einerprogredienten Zyanose. Langzeitbeob-achtungen haben eindeutig belegt, daßlangdauernde Druck- oder Volumenbe-lastung bzw. Zyanose zu Veränderun-gen des Myokards führen, die die Basisfür Rhythmusstörungen bzw. frühzeiti-ges myokardiales Versagen darstellen.Zudem hat der durch die Pulmonal-stenose bedingte, stark reduzierte Flußin das pulmonale Gefäßbett mehrererelevante Folgen: mangelhaftes Wachs-tum der Pulmonalgefäße, reduzierteAnzahl an Alveolen, asymmetrischesWachstum der Lungenarterien, Ausbil-dung von aorto-pulmonalen Kollateral-gefäßen etc., allesamt schlecht bis garnicht korrigierbare sekundäre Verände-rungen.

Operative Therapie

Anhand der Beobachtungen des natürli-chen postnatalen Verlaufs sind daher Krite-rien entwickelt worden, wann therapeuti-sche Eingriffe indiziert sind, um das Risikovon gefährlichen Ereignissen zu vermin-dern bzw. sekundäre Folgeschäden zu ver-meiden. Die großen Fortschritte der Kin-derherzchirurgie bzw. Anästhesie haben esmöglich gemacht, selbst komplizierte Ope-rationen mit der Herz-Lungen-Maschineschon im Neugeborenenalter sicher durch-zuführen. So geht der Trend der modernenKinderherzchirurgie eindeutig in RichtungFrühkorrektur [2]. Ziel ist es, möglichstfrühzeitig unphysiologische Belastungendes Herzens zu beseitigen und normaleFlußverhältnisse wiederherzustellen.

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

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20. Jahrgang, 3/2002

Bei der operativen Behandlung von ange-borenen Herzfehlern unterscheidet manprinzipiell zwischen 3 Methoden, die unter-schiedliche prognostische Bedeutung haben:

1. Biventrikuläre Korrektur, bei der mög-lichst normale hämodynamische Ver-hältnisse hergestellt werden können.Da hier meist keine Druck- oder Volums-belastung mehr bestehen bleibt undeine normale Sauerstoffsättigung erzieltwird, kann mit einer zufriedenstellen-den Langzeitprognose gerechnet wer-den kann.

2. 11/2 Ventrikel-Operation, die bei Vitienmit einem normalen System und einemhypoplastischen pulmonalen Ventrikelin Frage kommt. Auch hier besteht einenormale Sauerstoffsättigung, allerdingswird die Lungenperfusion nicht mehrallein durch den rechten Ventrikel, son-dern auch durch Anlegen eines bi-direktionalen Glenn-Shunts (Anastomosezw. Vena cava superior und Pulmonal-arterie) sichergestellt (Abb. 1).

3. Univentrikuläre Palliation (der TerminusKorrektur ist hier nicht mehr ange-bracht), bei der die Trennung von Lun-gen- und Systemkreislauf (und damitnormale Sauerstoffsättigungen) zwar ineinem mehrstufigen Therapiekonzept(modifiziert nach Fontan = totale cavo-pulmonale Anastomose mit extra- oderintrakardialem Conduit) möglich ist,der singuläre Ventrikel aber nur denSystemkreislauf versorgt, während der

Pulmonalkreislauf ohne Ventrikel aus-kommen muß und nur durch zentralenVenendruck sowie die Saugwirkung desnachgeschalteten Systemventrikels auf-rechterhalten wird (Abb. 2).

Es ist also von ganz entscheidender pro-gnostischer Bedeutung, ob ein Kind mit 2oder nur mit 1 funktionstüchtigen Herzkam-mer geboren wird.

Pränatale Diagnose verbessertdas Outcome

Bei komplexen Operationen von duktus-abhängigen Herzfehlern ist eine rechtzeiti-ge Diagnose von entscheidender Bedeu-tung. Prolongierte Zyanose, Kreislaufver-sagen, präoperative Azidose sind Folge ei-ner zu späten Diagnose. Zahlreiche jüngstpublizierte Untersuchungen dokumentierenden positiven Effekt einer pränatalen Dia-gnose auf das präoperative und chirurgi-sche Outcome [3–5]. Im wesentlichen be-schränkt sich die pränatale Echokardiogra-phie aber bisher auf die rechtzeitige undexakte anatomische und funktionelle Dia-gnostik des Herzfehlers, wodurch vor allemdas gesamte perinatale Management opti-miert werden kann.

Pränatale Physiologie und Patho-physiologie

Da Herzfehler aber nicht erst nach derGeburt hämodynamisch wirksam sind, liegt

1:Bidirektionaler

Glenn-Shunt beihypoplastischem

Linksherz-Syndrom.End-zu-Seit-Anastomose

zwischen Vena cavasuperior und rechter

Pulmonalarterie.

2:ExtrakardialeFontanoperationbei hypoplastischemLinksherz-Syndrom.Das Blut der unterenHohlvene wird durcheinen extrakardialenTunnel zur rechtenPulmonalarteriegeleitet.

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es auf der Hand, daß auch schon vor derGeburt ein Potential für Veränderungen,vor allem aber für Verschlechterungen be-steht. Die modernen, hochauflösendenUltraschallgeräte machten es möglich, denVerlauf von Herzfehlern in utero zu beob-achten. Schon seit der Mitte der 1980erJahre gibt es Publikationen, die über Pro-gression von Herzfehlern in utero berich-ten [6, 7]. Man hat festgestellt, daß schongeringfügige anatomische Veränderungenzu relevanten hämodynamischen Verände-rungen führen können, die nach dem Prin-zip: „no flow – no growth“ oft fatale Folgenauf das Wachstum von Gefäßen, Herzklap-pen oder Ventrikel haben [8] (Abb. 3). Vieledieser Publikationen berichten, daß nacheinem „normalen“ Echokardiogramm umdie 20. Woche bei einer mehrere Wochenspäter erfolgten Routinekontrolle dochgravierende Herzfehler festgestellt werdenmußten. Ein „simpler“ Ventrikelseptum-defekt (VSD) z. B. kann je nach Lage zu hä-modynamischen Veränderungen führen,die wiederum sekundär das Wachstum vonkardialen Strukturen beeinflussen kön-nen. Prinzipiell unterscheidet man soge-nannte inlet-VSDs, Defekte, die zwischenbeiden AV-Klappen in der Einstrombahnder Ventrikel liegen und outlet-VSDs, diesich unterhalb der großen Gefäße in denAusflußbahnen des Herzens finden. Inlet-VSDs führen daher nicht selten zu einerDysproportion der Ventrikel bis hin zuhochgradigen Hypoplasien, während out-let-VSDs Einfluß auf das Wachstum dergroßen Gefäße haben können, bis hin zurkompletten Atresie der Aorta oder Pulmo-nalarterie [9].

Fallbericht

In der 20. Schwangerschaftswoche wur-de bei einer 23jährigen Primigravida einRoutine-Organscreening mit fetaler Echo-kardiographie durchgeführt. Die Herzun-tersuchung, die in sehr guter Qualität beischlanker Mutter durchführbar war, zeigtebei normaler Herzlage einen unauffälligen4-Kammerblick, keinerlei Asymmetrie, nor-male venöse und arterielle Verbindungen.In der routinemäßig bei uns durchgeführ-ten Farbdoppleruntersuchung konntennormale Flußmuster über allen Herzklap-pen dokumentiert werden, die einzige Auf-fälligkeit ergab sich im Bereich der Triku-spidalklappe, wo ein kurzer Farbjet im rech-ten Vorhof, der nur am Beginn der Systoleerkennbar war, auf eine geringe Triku-spidalinsuffizienz hinwies. Ohne Doppler-untersuchung hätte somit keine Auffällig-keit bestanden. Dies war der Grund, eineKontrolle in der 32. Schwangerschaftwo-che zu vereinbaren. Bei diesem Termin er-gab sich folgender Befund: kleiner, hyper-tropher rechter Ventrikel mit verminderterVerkürzungsfraktion, holosystolische Tri-kuspidalinsuffizienz mit einer Geschwin-digkeit von 4,3 m/s, turbulenter beschleu-nigter Fluß über der Pulmonalklappe mit 3m/s. Es hatte sich somit in den 12 Wochenseit der Erstuntersuchung eine hochgradi-ge valvuläre Pulmonalstenose mit supra-systemischen Rechtsventrikeldrücken undTrikuspidalinsuffizienz entwickelt. DieserHerzfehler hat bei einem Neugeboreneneine sehr gute Prognose, da bei ausreichen-der Größe des rechten Ventrikels die Pul-monalstenose mittels Ballondilatationim Herzkatheterlabor beseitigt werdenkann.

Eine Kontrolle nur 2 Wochen späterzeigte jedoch eine wesentliche Verschlech-terung. Es war kein antegrader Fluß mehrüber die Pulmonalklappe nachweisbar undes fand sich ein retrograder Fluß im Duc-tus arteriosus Botalli. Der rechte Ventrikelwar nicht mehr weiter gewachsen, dasCavum hatte sich vielmehr verkleinert undüber die Trikuspidalinsuffizienz konnte einstark erhöhter Rechtsventrikeldruck von110 mmHg gemessen werden. Die Diagno-se lautete somit: Pulmonalatresie mit in-taktem Ventrikelseptum, und dies bedeute-te auch eine wesentliche Verschlechterungder Prognose, da 1) keine suffiziente Pul-monalklappe mehr erhalten werden kannund 2) auch eine biventrikuläre Reparaturin Frage gestellt war.

3: Fetales Echokardiogramm bei einem Feten mit Transposition der großenGefäße und VSD. Durch diesen outlet-VSD ist es aufgrund einer anteriorenVerschiebung des infundibulären Septums zur einer Subaortenstenose unddamit zu einem mangelhaften Wachstum der Aorta gekommen.

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Die Entbindung erfolgte dann geplantvorzeitig in der 38. SSW mittels Einlei-tung. Der anatomische Befund der Rechts-ventrikelhypoplasie hatte sich bis dahinweiter verschlechtert. Postnatal wurde eineTherapie mit Prostaglandin eingeleitet, umden Ductus Botalli offenzuhalten. Am 2. Le-benstag erfolgt eine offene, chirurgischeValvotomie der Pulmonalklappe gemein-sam mit einer Anlage eines modifiziertenBlalock-Taussig-Shunts (Verbindung zwi-schen rechter Arteria subclavia und rechterPulmonalarterie), weil aufgrund der hoch-gradigen Hypoplasie des rechten Ventrikelskeine Aussicht bestand, daß nach Eröff-nung der Pulmonalklappe dieser Ventrikelin der Lage sein würde, den Lungenkreis-lauf zu versorgen. Kurz nach diesem Ein-griff ist das Neugeborene jedoch am Kreis-laufversagen gestorben.

Dieser dramatische Fall demonstriertsehr gut, wie sich aus einem Normalbe-fund, bzw. einem Minimalbefund in der20. Schwangerschaftswoche, bis zur Geburtein extrem schwerer Herzfehler, nämlichin diesem Fall eine Pulmonalatresie mit in-taktem Ventrikelseptum, ein Herzfehler,der eine wesentlich schlechtere Prognosebesitzt als ein hypoplastisches Linksherz,entwickeln kann, wie auch schon früherähnlich in der Literatur beschrieben [10,11].

Hypoplastisches Linksherz-Syndrom

Das hypoplastische Linksherz-Syndrom(HLHS) zählt wohl zu den schwersten Herz-fehlern. Die operative Therapie ist eine gro-ße chirurgische Herausforderung mit zwarständig besseren Ergebnissen, aber nichtunerheblichen Risiken [12]. Da es das häu-figste Vitium mit einem singulären Ventri-kel darstellt und im 4-Kammerblick auchleicht erkennbar ist, findet sich das HLHSbei Statistiken pränataler Diagnosen meistan erster Stelle [13] (Abb. 4). Wenn auchdas perioperative Management und diepostoperativen Ergebnisse immer besserwerden, so wäre es ohne Zweifel dennochwesentlich günstiger, wenn es möglichwäre, die Entstehung dieses Herzfehlers zuverhindern. Es lohnt sich daher durchaus,sich mit der Genese eines HLHS näher zubeschäftigen. Unter dem Begriff HLHS wirdeine Vielzahl von anatomischen Variatio-nen zusammengefaßt. HLHS beschreibtbloß die Hypoplasie des linken Ventrikels

gemeinsam mit der Hypoplasie von Aortaascendens und Aortenbogen. Dahinterverbergen sich anatomische Details wiez. B.:� Aortenatresie mit Mitralatresie� Aortenatresie mit Mitralstenose� Aortenstenose mit Mitralstenose� Mitralatresie mit Aortenstenose und

VSD� Unbalancierter kompletter AV-Kanal

mit Aortenstenose oder Atresie� Double outlet right ventricle mit

hypoplastischem linkem Ventrikeletc.

Alle diese Formen haben aber eine unter-schiedliche Genese, je nachdem welche An-omalie primär vorhanden war [14]. Leichtevalvuläre Aortenstenose können in derFrühschwangerschaft entweder noch einennormalen 4-Kammerblick aufweisen bzw.einen vergrößerten oder verkleinerten lin-ken Ventrikel [15]. Oft ist eine diskret er-höhte Echogenität im linken Ventrikel daseinzige Zeichen [16]. Besteht also auch nureine geringe Obstruktion im Bereich derlinken Herzhälfte, so kann eine Wachs-tumsstörung des linken Ventrikels bis hinzu einem HLHS die Folge sein [17, 18].Aber nicht nur aufgrund von Klappensteno-sen kann ein HLHS enstehen: ein komplet-ter AV-Kanal z. B. besitzt ebenfalls das Po-tential dazu. Prinzipiell stellt der AV-Kanalein sehr gut und mit niedriger Mortalitätund Morbidität korrigierbares Vitium dar,wenn beide Ventrikel ausreichend groß füreine biventrikuläre Korrektur sind. Abereine nur geringe asymmetrische Füllungder Ventrikel durch den AV-Kanal kann dasWachstum des einen oder anderen Ventri-

4: 4-Kammerblick bei einem Feten mit hypoplastischem Linksherz-Syn-drom (Mitralstenose, Aortenatresie).

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kels stören und auch auf diesem Weg zu ei-nem HLHS werden. Auch eine konotrun-kale Anomalie wie z. B. der double outletright ventricle (DORV) kann zu Wachs-tumsproblemen der linken Herzhälfte füh-ren. Ein oft auch unterschätzes Problem –weil nur sehr schwer erkennbar – ist einrestriktives oder gar vorzeitig verschlosse-nes Foramen ovale [19]. Dies führt zu einerReduktion des Rechts-Links-Shunts aufVorhofebene und damit zu einer Reduktiondes Füllungsvolumen des linken Ventrikelsmit all seinen bereits beschriebenen Fol-gen.

Pränatale Interventionenam fetalen Herzen

Die Dokumentation des natürlichen Ver-laufs von Klappenobstruktionen beim Fe-ten haben bereits zu Ansätzen für pränataleInterventionen geführt. Ziel dieser Inter-ventionen ist es, Klappenobstruktionen zubeseitigen und so sekundäre Schäden amfetalen Herzen zu verhindern und damitdie postnatale Prognose zu verbessern [20].Dabei wurde bisher immer ein transabdo-minaler, transthorakaler Zugang zum feta-len Herzen gewählt (Abb. 5). Als idealeKandidaten suchte man Feten mit kriti-scher valvulärer Aortenstenose und gro-ßem linkem Ventrikel aus, eine Gruppe, beider ohne Therapie eine nahezu 100 %igeMortalität besteht. Von 13 derartigen Ver-suchen hat aufgrund von großen techni-schen Problemen, Blutungen, Rhythmus-störungen und der schon meist fortge-schrittenen Ventrikelschädigung langfri-stig nur 1 Kind überlebt. Ende 2000 wurdein Linz weltweit erstmalig eine intrauterinverschlossene Herzklappe durch eine der-

artige Intervention wiedereröffnet [21]. Eshandelte sich dabei um einen Feten in der26. Schwangerschaftswoche, bei dem einePulmonalatresie mit intaktem Ventrikel-septum und – aufgrund eines restriktivenShunts über das Vorhofseptum – eine Herz-insuffizienz bestand. Es gelang uns hierzum erstenmal, erfolgreich die Pulmonal-klappe wiederzueröffnen und damit den be-reits stark hypoplastischen rechten Ventri-kel wieder zum Wachsen zu bringen. Ob-wohl es in der weiteren Schwangerschaftwieder zu einer relevanten Pulmonalsteno-se kam, blieb eine vollständige Atresie aus,wodurch der rechte Ventrikel bis zu einerGröße wachsen konnte, die letztendlich auchstatt einer univentrikulären eine biventri-kuläre Korrektur dieses Herzfehlers mög-lich machte. Hier konnte also zum erstenMal dokumentiert werden, daß ein intra-uteriner Eingriff am Herzen eine Ventrikel-hypoplasie verhindern konnte, wodurchbeim Kind dann eine wesentlich bessereLangzeitprognose zu stellen war.

Dieser Therapieansatz macht nicht zu-letzt auch deshalb Sinn, weil Feten im Ge-gensatz zu älteren Säuglingen, Kindernoder Erwachsenen noch neue Herzmuskel-zellen bilden können, ein Ventrikelwachs-tum intrauterin daher durch Hyperplasieund nicht durch Hypertrophie von Myo-zyten erfolgen kann.

Zusammenfassung

Die Progression angeborener Herzfehlerwährend der Schwangerschaft ist mittler-weile gut dokumentiert [22, 23]. Gerade inder jetzigen Zeit, in der aufgrund des NT-Screenings die fetale Echokardiographie inimmer frühere Gestationswochen vorver-legt wird, muß klar sein, daß ein kardialer„Normalbefund“ im 1. oder Anfang des 2.Trimenons nicht zwingend auch einen Nor-malbefund am Ende der Schwangerschaftbedeutet [24, 25]. Dies ist eine wichtige In-formation, die beim Beratungsgesprächden Eltern nicht vorenthalten werden undden Untersucher dazu veranlassen sollte,eine Kontrolle der fetalen Echokardiogra-phie zu einem späteren Zeitpunkt zu emp-fehlen. Erst durch die Dokumentation desnatürlichen Verlaufs von Herzfehlern inutero ist es möglich geworden, bei einzel-nen Herzfehlern über neue Therapiekon-zepte, wie z. B. die intrauterine Valvuloto-mie, nachzudenken, die völlig neue Wegeeröffnen könnten.

5: Schematische Darstellung des transabdominalen, transthorakalen Zu-gangs für eine intrakardiale Pulmonalklappensprengung.

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G. Tulzer

Medizinstudium an der Universität Wien von 1977–1983, Promotion am 15.4.1983. Turnusausbildung 5/83–5/86 AKH Linz, 5/86 jus practicandi. 1986–1989 Facharztausbildung: Landes-Kinderklinik Linz: all-gemeine Interne, Schwerpunkte Onkologie, Neonatologie und Intensivmedizin, Kardiologie: Aufbau ei-ner kardiologischen Ambulanz, Studienaufenthalte in Wien, Innsbruck, Bonn. 1989–12/90 Studienauf-enthalt am Children’s Hospital of Phildadelphia, Department of Pediatric Cardiology, University ofPennsylvania, USA (Prof. Dr. J. C. Huhta, Prof. Dr. W. I. Norwood). Seit 5/90 Facharzt für Kinder- undJungendheilkunde. 1991 Oberarzt an der Landes-Kinderklinik Linz, Schwerpunkt Pädiatrische Kardiolo-gie. 3/93 Leiter des Departments für Kinderkardiologie an der Landes-Kinderklinik Linz. 11/94 Habilita-tion an der Universität Wien. 1995 Aufbau des trägerübergreifenden Linzer Kinderherzzentrums, ge-meinsam mit dem Herzchirurgen OA Dr. Rudolf Mair.

Korrespondenzadresse:

Univ.-Doz. Dr. Gerald TulzerKinderherzzentrum Linz, A-4020 Linz, Krankenhausstraße 26, e-mail: [email protected], www.kinderherzzentrum.at

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