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Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung im Sterninnern (Vero f f e n t 1 i c h u n g e n d e r S t e r n w a r t e Mii n c he n Bd. 3 Nr. 20) Von F. SCHMEIDLER, Miinchen (Eingegangen 1950 September 27) Es wird die Ansicht vertreten, daB auch bei thermisch stabiler Schichtung, also unteradiabatischen Cradienten irn Innern der Sterne turbulenter Massenaustausch stattfindet und einen Energietransport verursacht, der neben dem reinen Strahlungstransport beriicksichtigt werden muB. Als Ursache sind groBrBumige Stromungen im Stern- innern anzusehen, die in turbulenter Form vor sich gehen. In denjenigen Zonen des Sternes, in denen unter- adiabatische Temperaturgradienten herrschen, wird der turbulente Massenanstausch nicht unterbunden, aber dem Betrag nach reduziert. Es wird die funktionale AbhBngigkeit des Austauschkoeffizienten von dem herrschenden Temperatnrgradienten abgeleitet . In einem Zusatz nach AbschluD des Manuskripts wird ein dem Verfasser erst nachtraglich bekannt gewordener Einwand gegen die Mbglichkeit von Turbulenz bei thcrmisch stabiler Schichtung besprochen. der sich als nicht zwingend erweist. Fur die Theorie des inneren Aufbaus der Sterne war von Anfang an die Frage entscheidend, durch welchen Mechanismus die Energie im Innern des Sterns transportiert wird. Nachdem schon friihzeitig die molekulare Warmeleitung als unzulanglich ausschied, standen mit Strahlung und Konvektion zwei Moglichkeiten zur Verfiigung. Historisch gesehen hat der Standpunkt der Ast ronomen mehrfach ge- wechselt. Im vorigen Jahrhundert hiclt man die Konvektion fur den einzigen wirksamen Vorgang ; dann wies EDDINGTON auf die Bedeutung der Strahlung, die mit der vierten Potenz der Temperatur steigt, hin und begriindete die lange Zeit hindurch giiltige Anschauung. daB die Energie nur durch Strahlung transportiert werde. Erst in der neuejten Zeit haben vor allem UNSOLD und BIERMANN gezeigt, daB mindestens in gewissen Zonen des Sterninneren der Temperaturgradient den adiabatischen iibersteigt und daher Konvektion eintreten mull. In allen denjenigen Zonen eines Sternes, in denen der reine Strahlungstransport der Energie Tempe- raturgradienten bedingen wiirde, die den adiabatischen iibertreffen, muB infolge der thermischen Instabili- tat Konvektion einsetzen. Ahnlich wie in der Erdatmosphare wird in solchen Fallen durch den kleinsten Anfangsimpuls die Schichtung umgestiirzt und infolge vertikalen Massenaustauschs und Konvektion der Temperaturgradient fast auf den adiabatischen herabgedriickt ; er muB diesen noch urn ejnen geringen Betrag iiberschreiten, um den notwendigen Energictransport zu leisten. Nach den Resultaten von BIER- MA" ist dafiir schon hinreichend, daB der wirkliche Temperaturgradient den adiabatischen um weniger als 1% seines Betrages iibersteigt. Fur numerische Rechnungen ist daher in Konvektionszonen die An- nahme einer adiabatischen Schichtung immer ausreichend genau. Die Leistungsfahigkeit des konvektivcn Energietransports ist so enorm, weil die mittlere turbulente Gesthwindigkeit der aufsteigenden Gas- massen hoch (GroBenordnung einige km/sec) und die Mischungswege sehr groB (-1000 km) sind. Der turbulente Warmestrom ist nach auI3en gerichtet, scin h t r a g ist dem UberschuB des Tcmperatur- gradienten iiber den adiabatischcn proportional. Wenn der Temperaturgradient unter den adiabatischen sinkt, miil3te der turbulente Warmestrom nach innen gerichtet sein und der husstrahlung entgegenwirken. Allerdings ware in diesem Fall die Schichtung stabil und die Konvektion konnte nicht mehr stattfinden. Dennoch kann auch in solchen Fallen ein turbuleriter Warmeaustausch existieren und die Verhaltnisse in den thermisch stabilen Schichten eines Sterns erheblich beeinflussen. Turbulenz in Gasmassen braucht durchaus nicht immer thermischen Ursprung zu haben. In der Erdatmosphare ist der vertikale Massenaustausch in erster Linie durch die turbulente Struktur des Windes verursacht. DaB selbst bei denkbar stabilen Verhaltnissen noch ein merklicher Massenaustausch existiert. zeigt in eindrucksvoller Weise die von GEIGER')berichtete Tatsache, daB auch in klaren Winternachten iiber einer Schneedecke ein merklicher hustausch gemessen werden konnte. Der Austausch in der Erdatmosphare ist nicht durch thermische Instabilitat, sondern durch die turbulente Struktur der Luftbcwegungen bedingt. Natiirlich wird der Austausch bei Hinzu- treten einer thermischen Instabilitat erheblich vergroBert. Es ist von TVOMINEN~) in mehreren Arbeiten betont worden, dal3 man mit ahnlicher Turbulenz im Sterninnern auch in denjenigen Schichten zu rechnen hat, in denen der Aufbau thermisch stabil ist. Wenn im Innern eines Sternes groBraumige newegungen existieren, miissen diese unter Urnstinden tur- bulent verlaufen ; denn die fur dynamische Turbulenz maogebliche REYNoLDssche Zahl 1st im Stern- innern stets geniigend grol3. Auf der Sonne sind an der Oberflache derartige grooraumige Stromungen 1) R.GEIGER: Das Klima der bodennahen Luftschicht. 2. Aufl. Braunschweig 1942. p. 44. *) J. TUOMINBN: &r den inneren -4ufban der Trumplerschen Sterne. 2. Astrophysik 22.90 (1942).

Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung im Sterninnern

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Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung im Sterninnern ( V e r o f f e n t 1 i c h u n g e n d e r S t e r n w a r t e M i i n c h e n B d . 3 N r . 20)

Von F. SCHMEIDLER, Miinchen (Eingegangen 1950 September 27)

Es wird die Ansicht vertreten, daB auch bei thermisch stabiler Schichtung, also unteradiabatischen Cradienten irn Innern der Sterne turbulenter Massenaustausch stattfindet und einen Energietransport verursacht, der neben dem reinen Strahlungstransport beriicksichtigt werden muB. Als Ursache sind groBrBumige Stromungen im Stern- innern anzusehen, die in turbulenter Form vor sich gehen. In denjenigen Zonen des Sternes, in denen unter- adiabatische Temperaturgradienten herrschen, wird der turbulente Massenanstausch nicht unterbunden, aber dem Betrag nach reduziert. Es wird die funktionale AbhBngigkeit des Austauschkoeffizienten von dem herrschenden Temperatnrgradienten abgeleitet .

In einem Zusatz nach AbschluD des Manuskripts wird ein dem Verfasser erst nachtraglich bekannt gewordener Einwand gegen die Mbglichkeit von Turbulenz bei thcrmisch stabiler Schichtung besprochen. der sich als nicht zwingend erweist.

Fur die Theorie des inneren Aufbaus der Sterne war von Anfang an die Frage entscheidend, durch welchen Mechanismus die Energie im Innern des Sterns transportiert wird. Nachdem schon friihzeitig die molekulare Warmeleitung als unzulanglich ausschied, standen mit Strahlung und Konvektion zwei Moglichkeiten zur Verfiigung. Historisch gesehen hat der Standpunkt der Ast ronomen mehrfach ge- wechselt. Im vorigen Jahrhundert hiclt man die Konvektion fur den einzigen wirksamen Vorgang ; dann wies EDDINGTON auf die Bedeutung der Strahlung, die mit der vierten Potenz der Temperatur steigt, hin und begriindete die lange Zeit hindurch giiltige Anschauung. daB die Energie nur durch Strahlung transportiert werde. Erst in der neuejten Zeit haben vor allem UNSOLD und BIERMANN gezeigt, daB mindestens in gewissen Zonen des Sterninneren der Temperaturgradient den adiabatischen iibersteigt und daher Konvektion eintreten mull.

In allen denjenigen Zonen eines Sternes, in denen der reine Strahlungstransport der Energie Tempe- raturgradienten bedingen wiirde, die den adiabatischen iibertreffen, muB infolge der thermischen Instabili- tat Konvektion einsetzen. Ahnlich wie in der Erdatmosphare wird in solchen Fallen durch den kleinsten Anfangsimpuls die Schichtung umgestiirzt und infolge vertikalen Massenaustauschs und Konvektion der Temperaturgradient fast auf den adiabatischen herabgedriickt ; er muB diesen noch urn ejnen geringen Betrag iiberschreiten, um den notwendigen Energictransport zu leisten. Nach den Resultaten von BIER- MA" ist dafiir schon hinreichend, daB der wirkliche Temperaturgradient den adiabatischen um weniger als 1% seines Betrages iibersteigt. Fur numerische Rechnungen ist daher in Konvektionszonen die An- nahme einer adiabatischen Schichtung immer ausreichend genau. Die Leistungsfahigkeit des konvektivcn Energietransports ist so enorm, weil die mittlere turbulente Gesthwindigkeit der aufsteigenden Gas- massen hoch (GroBenordnung einige km/sec) und die Mischungswege sehr groB (-1000 km) sind. Der turbulente Warmestrom ist nach auI3en gerichtet, scin h t r a g ist dem UberschuB des Tcmperatur- gradienten iiber den adiabatischcn proportional.

Wenn der Temperaturgradient unter den adiabatischen sinkt, miil3te der turbulente Warmestrom nach innen gerichtet sein und der husstrahlung entgegenwirken. Allerdings ware in diesem Fall die Schichtung stabil und die Konvektion konnte nicht mehr stattfinden. Dennoch kann auch in solchen Fallen ein turbuleriter Warmeaustausch existieren und die Verhaltnisse in den thermisch stabilen Schichten eines Sterns erheblich beeinflussen. Turbulenz in Gasmassen braucht durchaus nicht immer thermischen Ursprung zu haben. In der Erdatmosphare ist der vertikale Massenaustausch in erster Linie durch die turbulente Struktur des Windes verursacht. DaB selbst bei denkbar stabilen Verhaltnissen noch ein merklicher Massenaustausch existiert. zeigt in eindrucksvoller Weise die von GEIGER') berichtete Tatsache, daB auch in klaren Winternachten iiber einer Schneedecke ein merklicher hustausch gemessen werden konnte. Der Austausch in der Erdatmosphare ist nicht durch thermische Instabilitat, sondern durch die turbulente Struktur der Luftbcwegungen bedingt. Natiirlich wird der Austausch bei Hinzu- treten einer thermischen Instabilitat erheblich vergroBert.

Es ist von TVOMINEN~) in mehreren Arbeiten betont worden, dal3 man mit ahnlicher Turbulenz im Sterninnern auch in denjenigen Schichten zu rechnen hat, in denen der Aufbau thermisch stabil ist. Wenn im Innern eines Sternes groBraumige newegungen existieren, miissen diese unter Urnstinden tur- bulent verlaufen ; denn die fur dynamische Turbulenz maogebliche REYNoLDssche Zahl 1st im Stern- innern stets geniigend grol3. Auf der Sonne sind an der Oberflache derartige grooraumige Stromungen

1) R. GEIGER: Das Klima der bodennahen Luftschicht. 2 . Aufl. Braunschweig 1942. p. 44. *) J. TUOMINBN: &r den inneren -4ufban der Trumplerschen Sterne. 2. Astrophysik 22.90 (1942).

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232 F. SCHMEIDLER: Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung im Sterninnern

bekannt; vor kurzem hat der Verfasser') gezeigt, daB sie sich hydrodynamisch zwanglos als Zirkulations- stromung deuten lassen, wenn man annimmt, daB sie infolge turbulenter Struktur der durch den Aus- tausch verursachten Reibung unterliegen. DaB groBrPumige Stromungen auch im Innnern der Sterne anzunehmen sind, haben KROGDAHL~) und CZADA~) auf rein mathematischem Wege gezeigt. Wenn diese Stromungen turbulent sind, ist also im ganzen Sterninnern, auch in den thermisch stabilen Zonen, mit turbulentem Warme- und Massenaustausch ZII rechnen; daher ist auch bei Abwesenheit der durch iiberadiabatische Gradienten verursachten GroBkonvektion nicht unbedingt die Herstellung des Strah- lungsgleichgewichts zu erwarten. Die friiher gestellte Alternativfrage, ob die Energie im Innern der Sterne durch Strahlung oder durch Massenaustausch transportiert wird, ist in dem Sinne .zu beantworten, daB bei stabiler Schichtung mit beiden Transportmechanismen, bei instabiler Schichtung mit Konvektion aUein zu rechnen ist.

Die Tatsache der Existenz turbulenten Warmeaustauschs im ganzen Sterninnern mu0 den Aufbau der Sterne erheblich beeinflussen. Wenn schon ein minimaler OberschuB des Tcmperaturgradienten uber den adiabatischen Wert geniigt, um den gesamten Energietransport zu iibernehmen, mu0 auch ein nur wenig unteradiabatischer Gradient einen grohn, aber nach innen gerichteten Warmestrom verursachen. Nun ist zwar sicher der Austausch bei unteradiabatischen Gradienten, d. h. bei stabiler Schichtung. wesentlich kleiner als im Falle der Instabilitat; da er aber dennoch durch die thermische Stabilitat nicht vollkommen unterbunden wird, mu13 man ihn beriicksichtigen. So hat TUOMINEN gezeigt, daB schon mittlere turbulente Geschwindigkeiten von wenigen Metern pro Sekunde genugen, um die nach dem Maw-Leuchtkraft-Gesetz zu erwartende Gesamthelligkeit eines Sternes merklich zu vermindern; es gelang ihm, mit dieser Hypothese die abnorm niedrige Leuchtkraft der TRuMPLERsChen Sterne zu erklaren. Allerdings kann der turbulente Energietransport nur dann die Masse-Leuchtkraft-Funktion beeinflussen, wenn die Turbulenz auch in den auhrsten Atmospharenschichten des Sterns, die im wesentlichen die Ausstrahlung bestreiten, noch eine geniigende Enetgiemenge transportiert. Das trifft bei den TRUMPLER- schen Sternen moghcherweise zu; auf der Sonne ist es wegen des raschen Abfalls der Dichte nach dem Rande zu nicht der Fall. Die hachsten Atmospharenschichten der Some stehen im Strahlungsgleich- gewicht und erst in einer bestimmten, allerdings sehr geringen Tiefe tritt der Energietransport durch Konvektion in Kraft. Der Aufbau des Sterninnern wird aber in jedem Falle durch Turbulenz mitbestimmt, denn ungeordnete Geschwindigkeiten der Grohnordnung von nur einigen Metern pro Sekunde sind unter allen Verhiiltnissen moglich.

Der durch ungeordne te Turbulenz bewirkte Transport irgendwelcher Eigenschaften wird in summa- rischer Form durch den Austauschkoeffizienten beschrieben. Man stellt sich vor, daB das einzelne Tur- bulenzelement einen mit tleren Weg der Lange Z mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit 5 zuruck- egt, ehees sich mit seiner Umgebung (Dichtee) vermischt, und definiert als Austauschkoeffizient die Griih

A = e v Z Diem A ist aber keine Konstante, sondern im allgemeinen von Ort zu Ort verschieden. Durch den Aus- tausch wird ein WPrmetransport vom Betrage

-

verursacht, der bei unteradiabatischen Gradienten negativ, d. h. von auI3en nach innen gerichtet ist. Der Wert von A ist eine Art statistisches Mittel iiber die einzelnen, individuell nicht erfaobaren Austausch- vorgange und wird durch den allgemeinen turbulenten Zustand der Materie, aber auch durch die sonstigen physikalischen Bedingungen wie Dichte, Temperaturgradient usw. bestimmt ; auch die Dynamik der groflraumigen Stromungen, denen die Turbulenz ihre Entstehung verdankt, muB den Betrag des Aus- tauschkoeffizienten mitbcstimmen. Nach VOGT') miiBte in Gleichung (I) nicht A , sondern eine etwas abweichend definierte Gr6Be 0 stehen, die als Transportkoeffizient bezeichnet wird. Der Unterschied zwischen beiden Grohen beruht darauf, daB ein Turbulenzelement bereits einen Teil seines Mischungs- weges I zuriickgelegt hat, ehe es Warme mit seiner Umgebung austauscht; dieser Unterschied, der im einzelnen kaum erfaBbar ist und wahrscheinlich im statistischen Mittel einen konstanten Faktor bedingt, soll hier vernachlksigt werden. Auch der geringe Betrag kinetischer turbulenter Energie, den der Aus- tausch transportiert, kann unberucksichtigt bleiben; unter diesen Voraussetzungen lautet die Energie- transportgleichung bei Vorhandensein von turbulentem Massenaustausch ')

-- I) F. SCHMEIDLBR: Versuch einer dynamischen Theorie der Sonnenatmosphkre. 2. Naturforsch. 5 a.297 I

a) W. KROCDAHL: Stellar rotation and large-scale currents. Astrophysic. J. 99.191 (1943). a) I. K. CZADA: The differential rotation and the large-scale meridional motion of the stars. Contrib. Kon-

4) H. VOGT: Konvektion im Sterninnern. VerZlffentl. d. Badischen Landessternwarte zu Heidelberg, Bd. 14,

Verbffentl. d. Sternwarte Miinchen, Bd. 3 Nr. 16 (1950).

koly Observatory Budapest Nr. 22 (1949).

Nr. 3 (1940).

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F. SC-IDLBR : Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung im Sterninnern 233

Hier ist E die in der Kugel mit dem Radius r pro &it- und Masseneinheit erzeugte Energie, k die Absorption der stellaren Materie und PR der Strahlungsdruck. Das erste Glied der Gleichung (2) gibt den durch Strahlung transportierten Energiebetrag, das zweite den durch die Turbulenz verursachten Energie- transport wieder und die ganze Gleichung bedeutet, daB die Summe der beiden Betrage gleich dem im Innern der betrachteten Kugel vom Radius Y etwa durch subatomare Prozesse befreiten Energiebetrag sein muI3.

TUOMINEN~) beriicksichtigt in (2) auch die Tatsache, daB durch die groaraumigen Strombewegungen laufend Warme in kinetische Energie verwandelt wird und umgekehrt infolge der turbulenten Reibung wieder kinetische Energie in Warme. Er bezeichnet mit E~ den Betrag, der pro Sekunde aus Warme in kinetische Energie der GroBbewegungen verwandelt wird und mit el die sekundliche Umwandlung von kinetischer Energie in Warme durch Reibung; dann ist dem in (2) gegebenen Ausdruck fur L,, die Energie- menge. die pro Zeiteinheit die Kugelflache mit dem Radiusr iiberschreitet, noch ein Glied

1 (Eg - El ) e 1 2 d r 0

hinzuzufiigen. TUOMINEN~) zeigt ferner, daB im Mittel iiber den ganzen Stern e E g = pt

sein mu& wed letzten Endes alle Energie nur aus den subatomaren Energiequellen im Sterninnern stammen kann. Wenn man annimmt, darj die groSr2umigen Ekwegungen im Sterninnern stationar sind und daher ihre Geschwindigkeits- und Energieverteilung mit der Zeit nicht andern, murj die Gleichheit der Betrage cS und el auch individuell fur jeden Ort und Zeitpunkt gelten und das Zusatzglied (3) zur Energietransport- gleichung kann weggelasscn werden.

Die Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts ist erfahrungsgema8 auch bei turbulent bewegter Materie im Sterninnern in guter Annaherung erfiillt, solange die Geschwindigkeiten nicht sehr groB sind. Zwar verursachen die regellosen turbulenten Geschwindigkeiten der Gase hydrodynamische Druckschwan- kungen. die aber klein gegeniiber dem Gasdruck sind, und nur bei erheblicher Uberschreitung des adia- batischen Gradienten sind Geschwindigkeiten moglich. deren Turbulenzdruck beriicksichtigt werden muI3.

Demnach wird der innere Aufbau solcher Schichten im Sterninnern, die zwar' nicht infolge adia- batischer Gradienten konvektiv geschichtet sind, aber dennoch hydrodynamische Turbulenz aufweisen, durch die folgenden Gleichungen bestimmt :

- = 4 n e r z d M, d r

Im Falle A = o geht das System in die Bedingungen des reinen Strahlungsgleichgewichts iiber. Man ersieht aus (4), daB der innere Aufbau der Sterne durch zwei Dinge, die Verteilung der Energiequellen und das Ausmal3 des turbulenten Austauschs A bedingt ist. Wahrend im Falle des Strahlungsgleich, gewichts die Struktur durch die Verteilung der Energiequellen, also die Funktion E allein gegeben ist spielen im System (4) ,auch die ortlichen Variationen des Austauschs eine Rolle. Das Vorhandensein von Turbulenz kann die fur den Fall von Strahlungsgleichgewicht zustandige Verteilung von Dichte und Temperatur im Sterninnern erheblich verandern.

Die Integration des Systems (4) setzt voraus, daB man die GroBe A als Funktion des Ortes und des physikalischen Zustands kennt. In den Anwendungen begniigt man sich meist damit A als Konstante zu betrachten, da man theoretisch iiber das Verhalten des Austauschs unter verschiedenen Verhaltnissen von Stromung, Druck, Temperatur usw. so gut wie nichts weiI3. Dennoch ist bekannt, daB A erheblich variabel sein kann; z. B. ist es in der Erdatmosphare, mindestens in den bodennahen Luftschichten, eine lineare Funktion der Hohe; auBerdem kommen sprunghafte Anderungen vor. Ferner ist A eine Funktion der Windgeschwindigkeit, in den Sternen also eine Funktion der groflraumigen Stromungen. Die* sind nun ihrerseits wieder teilweise durch den physikalischen Zustand bedingt (etwa durch thermische Auftriebs- krafte infolge ortlich variabler Energieerzeugung) und soweit nicht Krafte anderer (etwa elektromagne- tidcher) Art mitspielen, miiBte es grunddtzlich moghch sein, den Austausch aus der Dynamik der groB- raumigen Stromungen zu bestimmen. Beim heutigen Stand der Theorie ist das aber noch nicht moglich, und es ware in jedem Falle eine sehr schwierige Aufgabe. Hier soll eine sehr wichtige Teilfrage iwliert

1) J. TUOMINBN: ober die Turbulenz in Triimplerschen Sternen. Z. Astrophysik 22.165 (1943).

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betrachtet werden, namlich die Abhangigkeit des Austausches von der Temperaturschichtung. Es ist bekannt, dati thermisch stabile Temperaturschichtung den Austausch vermindert, wahrend bei adiaba- tischer Schichtung alle Gasteilchen frei beweglich sind und daher der Austausch ungehindert vor sich geht.

An einem beliebigen Punkt im Sterninnern herrsche eine turbulente Stromung, infolge der die Gas- teilchen regellose Bewegungen .in allen Richtungen, also auch in der vertikalen, ausfuhren. Von der systematischen Strombewegung soll abgeschen werden, fur den Austausch kommen nur die ungeordneten Zusatzbewegungen in Frage, deren mjttlere Geschwindigkeit V sei. Wenn in der Umgebung des betrach- teten Teilchens genau der adiabatische Gradient herrscht, sind alle Gasmassen frei beweglich und fuhren ihre turbulenten Zusatzbewegungen ungestort aus. Wenn der Gradient den adiabatischen iiberschreitet, tritt Konvektion ein ; die ursprunglich aus dynamischer Turbulenz entstandenen Bewegungen werden durch die thermische Instabilitat erheblich verstarkt ; dadurch entsteht in bekannter Weise eine dauernde Durch- mischung, die praktisch den adiabatischen Gradienten wieder herstellt. Wenn aber in der Umgebung ein unteradiabatischer Gradient herrscht, werden die durch die dynamische Turbulenz verursachten un- geordneten Bewegungen nicht vollig unterdruckt, aber in ihrer Intensitat herabgesetzt; der Betrag des Austauschkoeffizienten wird in diesem Fall verkleinert.

Um die Abhangigkeit des Austauschkoeffizienten von der thermischen Schichtung zu ermitteln, soll das Schicksal eines einzelnen Turbulenzelements wahrend seiner Lebensdauer, d. h. der &it, ehe es sich rnit seiner Umgebung vermischt, naher verfolgt werden. Infolge der vorhandenen dynamiachen Turbulenz erhalten die einzelnen Gasteilchen dauernd unregelmaflige Impulse und das betrachtete Ele- ment moge in einem bestimmten Zeitmoment t = o einen momentanen Anfangsimpuls erhalten; durch diesen werde es veranlaDt, rnit einer Anfangsgeschwindigkeit v aufzusteigen. Diese aufsteigende Bewegung kommt nach einer gewissen Zeit zur Ruhe, und dann vermischt sich das Turbulenzelement mit seiner Umgebung; es hort auf, als selbstandiges Element zu existieren. Es hat bei seinem Aufstieg den ,,Mi- schungsweg" I zuriickgelegt. Die Werte v und I, die ein durchschnittliches Turbulenzelement aufweist. hangen vom allgemeinen Turbulenzzustand der Stromung ab. Wenn die Temperaturschichtung der Umgebung adiabatisch ist, sind alle Teilchen vollkommen frei beweglich und man kann sich folgende Vorstellung der Vorgange, die zum Verbrauch des einem bestimmten Element erteilten Anfangsimpulses fuhren, machen. Die materielle Vermischung des Elements rnit seiner Umgebung setzt schon unmittelbar nach dem Beginn 'seiner Bewegung ein; sie ist dadurch verursacht, dati das Element in Gebiete mit anderen physikalischen Bedingungen (etwa an Druck, Temperatur, Geschwindigkeit usw.) gelangt und das auf kurm Strecken in dieser Weise gegebene Gefalle einen Materie-Austausch in kleinen Dimensioneh hervorruft. Man kann annehmen, dal3 die Intensitat dieser Durchmischung. proportional mit der Ent- fernung aus der Anfangslage wachst, denn alle physikalischen Eigenschaften der umgebenden Materie andern sich innerhalb der kleinen Bereiche, die hier in Frage kommen, nach einem linearen Gesetz. Je starker aber die Durchmischung mit umgebender Materie auf das Element wirkt, um so mehr wird seine Anfangsbewegung gebremst ; denn es werden laufend Gasteilchen aus der Umgebung aufgenommen, die den Anfangsimpuls nicht erhalten hatten. So wird rnit der Durchmischung auch die Bremsung der Anfangsgeschwindigkeit des Elements proportional dem zuruckgelegten Weg anwachsen. Bei dieser Betrachtung ist die molekulare Reibung, die die Umgebung auf das aufsteigende Turbulenzelement aus- ubt, vernachlassigt ; sie ist erfahrungsgemao klein gegenuber dem Effekt der Durchmischung. Die Be- wegungsgleichung eines aufsteigenden Elements ist also

wobei der Index o des a. darauf hinweist, daD eine adiabatische Schichtung vorausgesetzt wurde, h i der die Turbulenz ungestort verlaufen kann. Diejenige Lijsung von (5 ) . die zur Zeit I = o die Werte x o = o und ko = v liefert, ist

F. SCHMEIDLER: Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung im Sterninnern

x = - - .Ox , 0 ( 5 )

I . v . x = - sin a,l.

a0

Die Konstante a. ist charakteristisch fur den allgemeinen Turbulenzzustand in dem zur Diskussion stehenden Gebiet. Ihren Zusammenhang rnit den gebrauchlichen Grol3en der Geschwindigkeit und des Mischungsweges erhalt man durch die uberlegung, daD das Element den Weg I zuruckgelegt hat, wenn

n seine Geschwindigkeit auf Null heruntergegangen ist; das ist nach der Zeit 7 = -- der Fall.

2 a0 Daraus folgt

V l = x ( 7 ) = - . a0

Wahrend des Aufsteigens hatte das Teilchen eine mittlere Geschwindigkeit

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F. SCHMEIDLER : Turbulenz bei thcrmisch stabilcr Schichtung im Sterninncrn 235

Wenn man aiinimmt, daU das bctrachtctc Element geradc cin mittlcres Verhalten reprkentiert, dann erhalt man fur den Austauschkoeffizienten im Fall adiabatischer Schichtung

Uiese Auffassung iibcr das Schicksal eines einzelnen Turbulenzelements ist iiidividuell wahrschcinlich nicht immer richtig, im statistischcn Mittel ergibt sic vcrniinftige Resultatc.

Die bishcrigc Untcrsuchung galt fur adiabatische Tcmperaturschichtung, welchc Hewegungen in der Gasmasse weder verstarkt noch hindcrt. Wenn indes die Schichtung stabil, dcr Tempcraturgradient niedrigcr als der adiabatische ist, kommt cine zusitzliche Hrcmswirkung auf das aufsteigcndc Tcilchcn hinzu. Das Turbulcnzclcment kuhlt sich beirn Aufsteigen adiabatisch a b (sclbstvcrstandlich gilt die ganze Ubcrlcgung in analogcr Wcise, wenn etwa der Anfangsimpuls nach untcn gerichtet ist), wahrend die Tempcratur der Umgebung weniger stark mit der Hohe variicrt; also ist die Tempcratur T' dcs Elc- ments niedriger als die der Umgebung und es wird durch thermischc Kraftc wieder in die Ausgangslage zuriickgcdrangt. Dcr Auftrieb, den ein Gas crleidet, &sen 'l'emperatur T' von der Tempcratur dcr IJmgcbung I' abweicht, ist

7'' . -r - g 1. .

I)ie GroUc 7" - I' ist aber, da wieder mit gendgender Gcnauigkcit lincare Tempcraturverandcrung vor- ausgesetzt wcrden kann,

XI(;;) . d,!i ad d r l

und daher 1st bci nicht-adiabatischcr, Schichtung die Bcwcgungsglcichung (5) dcs 'Curbulepzelements zu crsetzen durch

Die Anfangstwdingungcn fur dic Losung sind wic oben x , 7- o und x, .= v und man crhalt in gleicher Weise

a n a

Vergleicht man den so erhaltenen Austauschkoeffizienten mit dcm bci adiabatischcr Schichtung gidtigen Wcrt A , , dann folgt

Wenn man die fur den ,,frcicn", d. h. durch thermisch stabile Schichtung nicht behinderten Austausch charakteristischen GroDen A , und a, kcnnt, kann man nach (8) den Austauschkoeffizienten bei untcradja- batischem Gradicntcn bestimmen. Natiirlich gilt die Formel prinzipiell auch fur iiberadiabatischc Gra- dientcn, allerdings tr i t t dann bald eine Singularitat ein; die GroDe im Ncnncr wird klein und wcnn der OberschuD uber den adiabatischen Gradicntcn

d r d T -jar) d l ' = 7' a: ad g

wird, crgibt sich der Austauschkoeffizicnt zu uncndlich. Wcnn in der Ableitung von (8) dic molekularc Reibung auch bcrucksichtigt ware, konnte die Singularitat vcrmutlich vcrmieden werdcn. I n dcr Praxis diirfte der Fall nicht vorkommen, dcnn wenn cinmal fur einen Augenblick dcr adiabatische Gradient iiberschritten wird, tritt sofort Konvcktion im groDcm MaBstab ein, die den adiabatischcn Gradienten w i d e r hcrstcllt.

I)cr Ausdruck (8) fur den Austauschkocffizicnten muU in die Energietransportgleichung (2) cin- gesctzt wcrdcn und cbcnso in die erste Gleichung des Systems (4) ; sic lautet dann

Durch Hinzufugung der iibrigen drei Gleichungcn von (4) erhalt man das System, dcsscn Integration den Aufbau solchcr Schichtcn gibt, in dcncn trotz thcrmisch stabiler Schichtung turbulenter Austausch herrscht. Die G r o k n A , und a, in (9) hangen in noch unbekannter Wcisc von den physikalischcn Zu-

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standen, vor allem von der Dynamik der groSraumigen Stromungen im Sterninnern ab. Aber selbst, wenn man sie aus etwa physikalisch begriindbaren Auffassungen oder auch nur um der mathematischen Vereinfachung willen als Konstante betrachtet, bleibt (9) wegen des Auftretens des Differentialquotienten unter der Wurzel noch immer kompliziert ; eine f i u n g durfte nur auf numerischem Wege aussichtsreich sein. In jedem Fall aber hangt der Verlauf der Lijsung a u k von der Vcrtcilung der Energiequellen auch von den lokalen Unterschieden der Turbulenz ab.

F. SCHHEXDLER: Turbulenz bei thermisch stabiler Scbichtung im Sterninnern

Zusatz nach AbschluB des Manuskripts (Einbegangen 1950 Dezembx 2 )

Erst nach AbschluB des vorliegenden Manuskripts wurde dem Verfasser eine Xotiz von BIERMA" 1) bekannt, in der er durch Anwendung eines bekannten aerodynamischen Kriteriums die Anschauung be- begrundet. daB im Sterninnern bei thermisch stabiler Schichtung eine turbulente Stromung unmoglich ist. Das Kriterium beruht darauf, da13 die dimensionslose Zahl

kleiner als 10-1 sein mu& wenn eine vorhandene Stromung turbulent verlaufen SOU. In einer numerischen kbschatzung bezieht BIERMA" den Vertikalgradienten der Stromung u auf die Winkelgexhwindig- keit w als Einheit und setzt

d u d r - * f l W .

Da die Stromungsgeschwindigkeit kleiner als die Rotationsgescbwindigkeit ist, nimmt BIERMANN an , daB f l <I, wahrscheinlich sogar fl< I ist. Dann folgt aus (I) fur die dimensionsloseZah1 Z> I O ~ , also laminare Stromung im Sterninnern bei thermisch stabder Schichtung.

Hier sol1 der Wert vonfl fur die Erdatmosphare abgeschatzt werden, deren mittlere Windgeschwindig- keiten ebenfalls klein gegen die Rotation sind. ErfahrungsgemPS sind in ihr alle Stromungen turbulent, wahrend der Temperaturgradient im Mittel etwas unter dem adiabatischen licgt ; es sei eine Abweichung von 10% des adiabatischen Gradienten angenommen. Setzt man in (I) statt des Vertikalgradienten von u die GroBe f l ~ und nimmt als Wert vonZ den Betrag IO-~, dann folgt fur f l unter Verwendung der nume- rischen M'erte

dT - (z)ad d T = 0.1 (z)ad= d T I grad pro km g - 108cm

w 10-4 sec-l T - 3 . Iozgrad der Betrag fl - 1.8 * I O ~ , das ist etwa drei Zehnerpotenzen mehr als RIERMANN annimmt. Falls f l im Sterninnern ahnlich hohe Werte erreicht, ware das mehr als genug, um den SchluS auf die Unmoglichkeit dynamischer Turbulenz bei thermisch stabiler Schichtung in das Gegenteil zu verwandeln.

NaturgemaB enthalt eine solche Abschatzung keine Aussage uber die wirklichen Verhaltnisse im Innern der Stcrne. Dort herrschen vollkommen andere Bedingungen als in der Erdatmosphare und wir konnen daher a priori keine Aussage machen. Solange wir uber die wirklichen hydrodynamischen Zu- stande im Sterninnern nichts Bestimmtes wissen, sollten wir die Moglichkeit von Turbulenz auch bei thermisch stabder Schichtung nicht grundstitzlich ausschlieBen.

(1948). 1) L. BIHRHANN, Zur Frage der Masse-Lcuchtkraftbeziehung der Triimplerschen Sterne. 2. Astrophysik 25.92