8
18 Architektur für die Wissenschaft umfasst eine Vielzahl unter- schiedlicher Gebäudetypen. Der Grund liegt in der Ausdiffe- renzierung der Forschung, verbunden mit der Notwendigkeit zu disziplinübergreifenden Arbeitsweisen. Natur- und geis- teswissenschaftliche Institute mit Laboratorien, Bibliotheken, Auditorien und Mensen sind ebenso ein Teil der Bauauf- gabe wie astronomische Beobachtungsstationen, Tier- und Gewächshäuser oder Räume für Großgeräte wie Elektronen- mikroskope oder Tomografen. Sie bieten Wissenschaftlern den Rahmen für Experiment und Debatte sowie für Beobach- tung und Recherche. Universitäten, Kollegien, Paläste Zukunftsorientierte Leitbilder setzen einen Blick auf die typo- logische Entwicklung voraus. Moderne Assoziationen wie Flexibilität, Autonomie und Anpassungsfähigkeit finden sich bereits in Beschreibungen zu den Vorläufern der abend- ländischen Universität, den »universitas magistrorum et scholarium« in Bologna und Paris (um 1200). Dieser freie Zusammenschluss von Lehrern und Schülern war zunächst nicht an eine feste Örtlichkeit gebunden, Räume wurden bedarfsgerecht angemietet. Ab dem 14. Jahrhundert entwickelte sich der Bautyp Kolle- gium, der internationale Gültigkeit gewann. Im Gegensatz zu den »universitates« waren die Kollegien von Beginn an institutionell abgesichert. Das wichtigste Beispiel ist das 1365 –1367 erbaute Collegio di Spagna in Bologna. Erst- mals entstand hier auf der Basis eines Raumprogramms im Zusammenwirken von Bauherr und Architekt eine eindeutig funktionale und formale Anlage in Stadtrandlage nach dem Bild einer elitären Exklusivgemeinschaft – klosterähnlich, burgartig von einer Mauer umschlossen, introvertiert. Die verschiedenen Funktionseinheiten waren um einen zentralen, kommunikativen Innenhof angeordnet. Nach 1550 entwickelte sich das Erscheinungsbild der Uni- versitäten – letztlich eine Verschmelzung von »universitates« und Kollegien – tendenziell zu zentralen und repräsentativen Gesamtbauwerken. Im 17. und 18. Jahrhundert dokumentier- ten palastartige Wissenschaftsbauten zunehmend Macht, Fortschritt und Größe und entsprachen damit dem barocken Repräsentationsanspruch der das Gelehrtentum tragenden weltlichen und kirchlichen Mächte. Die Universität wurde zu einer von Autoritäten abhängigen Institution. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts beeinflusste der Geist des Neuhumanismus unter Führung Wilhelm von Humboldts die Entwicklung. Ziel war die Befreiung aus der selbstgefällig erstarrten Exklusivität, aus staatlicher Abhängigkeit. Das Ideal, die Bildung des Charakters durch Beschäftigung mit Wissenschaft zu fördern, setzte sich durch. Als Baustil drückte dies der Klassizismus aus – mit Bezug zum geisti- gen Kosmos der griechisch-antiken Gelehrsamkeit –, gepaart mit dem Bedürfnis nach Repräsentation. In Wien und Paris entstanden Kolossalbauwerke für die gesamte Universität – meist zweibündige, mehrgeschossige Anlagen um Innenhöfe gruppiert. Letztlich erwies sich dieser Weg jedoch als falsch, die Gebäude waren schnell zu klein. Die Zusammenfassung aller Fächer und Funktionen unter einem Dach war typolo- gisch und technisch nicht zukunftsfähig. Ausgruppierung und Separierung von naturwissenschaftlich-experimentellen Laborbauten waren nötig. Bedarfsplanung und Bestimmung von Raumgruppen Den Schlüssel für den Erfolg eines Projekts bildet eine fun- dierte Bedarfsplanung. Basierend auf einem wissenschaft- lichen Konzept sowie auf Finanzressourcen für Personal und apparative Ausstattung werden räumliche Quantitäten und Qualitäten in einem Raumbedarfsplan zusammengefasst. Funktional unterscheiden sich die Nutzungsbereiche wie folgt: •  Primärbereich: Forschung (theoretisch und experimentell) •    Sekundärbereich: Information und Kommunikation (intern  und extern), Verwaltung, Versorgung mit Energie, Material, Dienstleistungen •  Tertiärbereich: Sozialräume, Wohnen, Freizeit Für die Entwurfstypologie ist es wichtig, den Raumbedarfs- plan zu entflechten und Raumgruppen zu bestimmen, die jeweils unterschiedlich konditioniert sind: •    belichtete Räume für konzentriertes, theoretisches Arbeiten  (niedriginstallierte Büros) •    belichtete, installierbare Räume für experimentelles Arbei- ten (hochinstallierte Laboratorien) •    unbelichtete, installierbare Räume für Geräte und Sonder- nutzungen (hochinstallierte Dunkelzonen) Neben den Nutzflächen sind auch die Verkehrs- und Funk- tionsflächen typologisch wichtig und entwurfsrelevant. Die Anordnung der Flure und Erschließungszonen bestimmt die kommunikative Qualität. Anstelle nicht mehr zeitgemäßer großer Hallen sollte eine differenzierte Abstufung von Raum- angeboten für zufällige oder geplante Treffen berücksichtigt werden, um eine angemessene kommunikative Dichte zu erreichen. Ausreichend dimensionierte und leicht erweiter- bare Funktionsflächen in Unter- und Dachgeschoss für Tech- nikzentralen sowie auf den Laborebenen für Verteilerräume Typologie von Forschungsbauten Dieter Grömling

Typologie von Forschungsbauten - bauen.mpg.de · heute übliche strukturierte Laboratorium seit rund 100 Jahren mit einer Standardgröße von ca. 40 m2 Nutzfläche. Tendenzi-elle

  • Upload
    hahanh

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

18

Architektur für die Wissenschaft umfasst eine Vielzahl unter-schiedlicher Gebäudetypen. Der Grund liegt in der Ausdiffe-renzierung der Forschung, verbunden mit der Notwendigkeit zu disziplinübergreifenden Arbeitsweisen. Natur- und geis-teswissenschaftliche Institute mit Laboratorien, Bibliotheken, Auditorien und Mensen sind ebenso ein Teil der Bauauf-gabe wie astronomische Beobachtungsstationen, Tier- und Gewächshäuser oder Räume für Großgeräte wie Elektronen-mikroskope oder Tomografen. Sie bieten Wissenschaftlern den Rahmen für Experiment und Debatte sowie für Beobach-tung und Recherche.

Universitäten, Kollegien, PalästeZukunftsorientierte Leitbilder setzen einen Blick auf die typo-logische Entwicklung voraus. Moderne Assoziationen wie Flexibilität, Autonomie und Anpassungsfähigkeit finden sich bereits in Beschreibungen zu den Vorläufern der abend-ländischen Universität, den »universitas magistrorum et scholarium« in Bologna und Paris (um 1200). Dieser freie Zusammenschluss von Lehrern und Schülern war zunächst nicht an eine feste Örtlichkeit gebunden, Räume wurden bedarfsgerecht angemietet.Ab dem 14. Jahrhundert entwickelte sich der Bautyp Kolle-gium, der internationale Gültigkeit gewann. Im Gegensatz zu den »universitates« waren die Kollegien von Beginn an institutionell abgesichert. Das wichtigste Beispiel ist das 1365 –1367 erbaute Collegio di Spagna in Bologna. Erst-mals entstand hier auf der Basis eines Raumprogramms im Zusammenwirken von Bauherr und Architekt eine eindeutig funktionale und formale Anlage in Stadtrandlage nach dem Bild einer elitären Exklusivgemeinschaft – klosterähnlich, burg artig von einer Mauer umschlossen, introvertiert. Die verschiedenen Funktionseinheiten waren um einen zentralen, kommunikativen Innenhof angeordnet.Nach 1550 entwickelte sich das Erscheinungsbild der Uni-versitäten – letztlich eine Verschmelzung von »universitates« und Kollegien – tendenziell zu zentralen und repräsentativen Gesamtbauwerken. Im 17. und 18. Jahrhundert dokumentier-ten palastartige Wissenschaftsbauten zunehmend Macht, Fortschritt und Größe und entsprachen damit dem barocken Repräsentationsanspruch der das Gelehrtentum tragenden weltlichen und kirchlichen Mächte. Die Universität wurde zu einer von Autoritäten abhängigen Institution.Mit Beginn des 19. Jahrhunderts beeinflusste der Geist des Neuhumanismus unter Führung Wilhelm von Humboldts die Entwicklung. Ziel war die Befreiung aus der selbstgefällig erstarrten Exklusivität, aus staatlicher Abhängigkeit. Das

Ideal, die Bildung des Charakters durch Beschäftigung mit Wissenschaft zu fördern, setzte sich durch. Als Baustil drückte dies der Klassizismus aus – mit Bezug zum geisti-gen Kosmos der griechisch-antiken Gelehrsamkeit –, gepaart mit dem Bedürfnis nach Repräsentation. In Wien und Paris entstanden Kolossalbauwerke für die gesamte Universität – meist zweibündige, mehrgeschossige Anlagen um Innenhöfe gruppiert. Letztlich erwies sich dieser Weg jedoch als falsch, die Gebäude waren schnell zu klein. Die Zusammenfassung aller Fächer und Funktionen unter einem Dach war typolo-gisch und technisch nicht zukunftsfähig. Ausgruppierung und Separierung von naturwissenschaftlich-experimentellen Laborbauten waren nötig.

Bedarfsplanung und Bestimmung von Raum gruppenDen Schlüssel für den Erfolg eines Projekts bildet eine fun-dierte Bedarfsplanung. Basierend auf einem wissenschaft-lichen Konzept sowie auf Finanzressourcen für Personal und apparative Ausstattung werden räumliche Quantitäten und Qualitäten in einem Raumbedarfsplan zusammengefasst. Funktional unterscheiden sich die Nutzungsbereiche wie folgt:•  Primärbereich: Forschung (theoretisch und experimentell)•   Sekundärbereich: Information und Kommunikation (intern 

und extern), Verwaltung, Versorgung mit Energie, Material, Dienstleistungen

•  Tertiärbereich: Sozialräume, Wohnen, Freizeit

Für die Entwurfstypologie ist es wichtig, den Raumbedarfs-plan zu entflechten und Raumgruppen zu bestimmen, die jeweils unterschiedlich konditioniert sind:•   belichtete Räume für konzentriertes, theoretisches Arbeiten 

(niedriginstallierte Büros)•   belichtete, installierbare Räume für experimentelles Arbei-

ten (hochinstallierte Laboratorien)•   unbelichtete, installierbare Räume für Geräte und Sonder-

nutzungen (hochinstallierte Dunkelzonen)

Neben den Nutzflächen sind auch die Verkehrs- und Funk-tionsflächen typologisch wichtig und entwurfsrelevant. Die Anordnung der Flure und Erschließungszonen bestimmt die kommunikative Qualität. Anstelle nicht mehr zeitgemäßer großer Hallen sollte eine differenzierte Abstufung von Raum-angeboten für zufällige oder geplante Treffen berücksichtigt werden, um eine angemessene kommunikative Dichte zu erreichen. Ausreichend dimensionierte und leicht erweiter-bare Funktionsflächen in Unter- und Dachgeschoss für Tech-nikzentralen sowie auf den Laborebenen für Verteilerräume

Typologie von Forschungsbauten Dieter Grömling

4

19

31 2

und Schächte sind unabdingbar. Werden die Dimensionen nicht beachtet, führt dies zu erheblichen funktionalen und wirtschaftlichen Nachteilen im Betrieb. Die Summe aller Raumanforderungen beeinflusst – neben städtebaulichen oder sonstigen auf den Ort oder die Aufgabe bezogenen Ansätzen – den gebäudetypologisch angemessenen Entwurf hinsichtlich Bündigkeit und Geschossigkeit.

Grundbaustein Laboratorium Chemie / Biologie / PhysikDer wichtigste Raumtyp eines naturwissenschaftlichen For-schungsgebäudes ist das Laboratorium, der wissenschaft-lich-experimentelle Arbeitsraum. Grundsätzlich vergleichbar mit einer hoch ausgerüsteten Einbauküche existiert das heute übliche strukturierte Laboratorium seit rund 100 Jahren mit einer Standardgröße von ca. 40 m2 Nutzfläche. Tendenzi-elle Entwicklungen zu größeren Raumeinheiten sind seit rund zehn Jahren zu verzeichnen.Die Raumanforderungen ergeben sich aus der Tätigkeit der Wissenschaftler und den sich hieraus ableitbaren Bedarfs-vorgaben.Wissenschaftler sammeln, analysieren, interpretieren und komprimieren Informationen. Sie schreiben auf, sprechen, diskutieren, streiten – im kleinen Kreis oder in größeren Grup-pen. Für die effiziente Teamarbeit ist in den Räumen eine Mindestdichte an Personen und Arbeitsabläufen erforderlich. Um sie planen zu können, bedarf es folgender Angaben:•  Art und Häufigkeit der Arbeitsabläufe•  Länge und Beschaffenheit der Arbeitstischreihen•  benötigte Medien•  Trassierung und Vorhaltung allgemeiner Medienversorgung•  Anzahl der im Labor beschäftigten Personen•  besondere Apparaturen•  Ansprüche an Licht- und Luftverhältnisse•   Verwendung von Schadstoffen, Bedarf an Abzügen /

Absaugungen•  nötige Schreib- oder Auswerteplätze, Arbeitsplatzcomputer•  Gefährdungsbeurteilung

Dabei werden folgende Labortypen unterschieden:•   chemische Laboratorien: nasspräparativ oder trocken, 

hohe Anzahl von Abzügen (2 – 6 Digestorien) pro 40 m2,

relativ hoher Bedarf an Gefahrstoff-, Kühl- und Tiefkühl-schränken, hoher Raumluftwechsel (Abb. 1)

•   biologische Laboratorien (biochemisch, molekularbiolo-gisch): nasspräparativ oder trocken, 1– 2 Digestorien pro 40 m2, Laborschränke, Gerätestellflächen (Abb. 2)

•   physikalische Laboratorien: »Werkstattcharakter«, wenige oder keine Digestorien, geringe Labormöblierung, Flächen für Versuchsaufbauten und/oder Geräteapparaturen nötig (Abb. 3)

Zonierung und StapelungWegen der spezifischen und kostenintensiven technischen Gebäudeausrüstung, deren Anteil zwischen 40 und 60 % der Gesamtbaukosten liegt, hat bei Forschungsbauten das Zusammenfassen von Räumen mit vergleichbaren Anforde-rungen eine besonders hohe Bedeutung. Dabei unterschei-den sich die Anforderungsprofile hinsichtlich Flächenbedarf, Möblierung, Nutzungsart, Tragfähigkeit sowie technischer Ver- und Entsorgung. Die häufigsten und damit entwurfsprä-genden Raumtypen sind Laboratorien und Büros. Daneben gibt es spezifische »core facilities« (z. B. Sonderlaborato-rien), Sozialräume und Ähnliches. Eine rein nach organisa-torischen Kriterien beliebig durchmischte Zuordnung von Raumtypen wäre extrem unwirtschaftlich. Daher sollten Raumtypen mit vergleichbaren Anforderungen hinsichtlich der Funktion und der haustechnischen Installationsdichte durch Zonierung oder Stapelung in Raumgruppen und Funk-tionseinheiten zusammengefasst werden.Zonierung bedeutet die zusammenhängende Anordnung gleicher Raumtypen, beispielsweise entlang eines Flurs. Die Dimensionen ergeben sich aus bauordnungsrechtlichen

1 Schemagrundriss Chemielaboratorium2 Schemagrundriss molekularbiologisches Laboratorium3 Schemagrundriss Physiklaboratorium4 Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster (D) 2006,

Kresing Architekten Die nach Norden orientierte Laborzone ist weitgehend offen ausgeführt.

390

115

6012

080

9012

3

593

120

675

80

593

675

90157,590

115

90

390

123

9012

012

060

9012

012

060

157,5 90

675

593

390

115

123

8012

015

0

90 157,5 90 90 187,5 60

9090

9012

0

120

90157,590 90 157,5 90

390

115

6012

080

9012

3

593

120

675

80

593

675

90157,590

115

90

390

123

9012

012

060

9012

012

060

157,5 90

675

593

390

115

123

8012

015

0

90 157,5 90 90 187,5 60

9090

9012

0

120

90157,590 90 157,5 90

390

115

6012

080

9012

3

593

120

675

80

593

675

90157,590

115

90

390

123

9012

012

060

9012

012

060

157,5 90

675

593

390

115

123

8012

015

0

90 157,5 90 90 187,5 60

9090

9012

0

120

90157,590 90 157,5 90

8

20

7

6

5

Belangen wie Brandschutz und Fluchtwege (je nach anzu-wendender Bauordnung) sowie aus der wirtschaftlichen Trassenführung haustechnischer Gewerke: Das Gefälle von Sanitärinstallationen und der Durchmesser von Lüftungs-kanälen bestimmen dabei die Flurlänge.Unter Stapelung versteht man die unmittelbar benachbarte, auf allen Geschossen identische Anordnung von Räumen auf mehreren Ebenen. Städtebauliche Überlegungen spie-len hierbei eine Rolle, vor allem aber das haustechnische Schachterschließungskonzept.Als wirtschaftliche Größenordnung haben sich Baukörper-einheiten mit ca. 25 – 30 m Länge und drei bis vier Labor-geschossen bewährt, dazu zusätzlich Untergeschoss und Dachtechnikzentrale.

Baugefüge: Schächte, Dimensionierung, RasterHeutige Forschungsgebäude werden meist als drei- bis viergeschossige Stahlbetonskelettbauten mit Flachdecken ohne Unterzüge ausgeführt. Die Trennung von Tragen und Begrenzen ermöglicht Modularität und Flexibilität sowie Transparenz im äußeren Erscheinungsbild; nachteilig sind allerdings die geringe Speicherfähigkeit und die relativ hohe Erschütterungsempfindlichkeit. Wahl und Dimensionierung der Schächte – die »Haupt-schlagadern« eines Forschungsgebäudes – beeinflussen Installationswege, Geschosshöhen und Brandschutzkon-zeption sowie die Gebäudekubatur. Man unterscheidet:•   Zentralschächte: geringe Anzahl von Brandschutzklappen 

und kleine Dachtechnikzentralen, jedoch lange Leitungs-wege und größere Geschosshöhe

•   Einzelschächte: Vorteil der Minimierung der Geschoss-höhen, kurze Leitungswege und individuelle Versorgung, allerdings hoher Flächenverbrauch, größere Brandschutz-klappen, Deckenaussparungen und Dachzentrale nötig

Bewährt hat sich eine Kombination aus Zentral- und Einzel-schächten mit differenzierter Belegung für Zuluft, Abluft und Medien. Sollen die Geschosshöhen begrenzt werden, etwa aus baurechtlichen Gründen, empfehlen sich Einzelschächte. Hohe Luftmengen, wie sie in chemischen Laboratorien mit vielen Digestorien nötig sind, erfodern dagegen Zentral-schächte.Unter der sichtbaren und als Speichermasse wirksamen Betondecke ist es von Vorteil, die horizontale Trassierung bzw. Leitungsführung ohne Abhängung zu planen. Außer in Sicherheitsbereichen ist dies rechtlich zulässig, setzt aller-dings eine gut koordinierte Planung der Leitungsführung

Einzelschächte

Zentralschächte (außen bzw. mittig)

Mischung Zentralschacht und Einzelschächte

T

TL D B

T

TL L

T

L B

T

L B

*T

L H B

T

TL L H B B

*

B D LT

T

*

11

21

1.20

0

RD

-

T 30

10

9

voraus. Vorteile sind die gute Nachrüstbarkeit, Wartung, Hygiene (keine verdeckten Hohlräume) und Reinigung.Die Rastermaße ergeben sich in der Breite aus funktionalen Bindungen und in der Tiefe durch die Labormöblierung. Als Standardbreite hat sich für Laborzonen ein Ausbauraster von 1,15 m (Spektrum 1,05 –1,30 m; Euroraster: 1,20 m) und ein konstruktives Achsmaß von 6,90 m bewährt. Die Abstände zwischen Laborwerkbänken sind damit optimiert. Weniger Distanz entspräche nicht mehr den Laborrichtlinien, größere Abstände würden unkontrollierbare Abstellflächen erzeugen. Die Laborraumtiefe von üblicherweise ca. 6,00 – 7,20 m wird vom marktüblichen Labormöbelmodul von 0,60 ≈ 1,20 m bestimmt.Angemessene Geschosshöhen liegen bei Laborräumen zwi-schen 3,80 und 4,10 m, bei Büroräumen zwischen 2,90 und 3,40 m. Eine Geschosshöhe von 4 m ist grundsätzlich ange-messen und dauerhaft bedarfsgerecht. Bei Einzelschächten und einer geringen Anzahl von Digestorien kann die Raum-höhe auf 3,80 m reduziert werden. Der mit den Wissenschaftlern vor der Planung verbindlich festzulegende mögliche Abstand zwischen Laboratorien und Büros bestimmt die Typologie des Entwurfs wesentlich. In der Regel sind kurze Wege notwendig und erwünscht. Dies führt zu Baukörpern mit relativ großen Büro raumhöhen, deren Maß von der Laboranordnung diktiert wird. Gegebenenfalls sind akustische und visuelle Maßnahmen in den Büros erfor-derlich. Größere Distanzen ermöglichen eine Gebäudetren-nung in einen bezüglich des Baugefüges jeweils optimierten Laborbau und einen Bürobau. Es ist auch möglich, die Ge -schosshöhen für Labore und Büros zu differenzieren, bei-spielsweise in einem Split-Level-Typus um eine Erschlie-ßungszone.

Technische GebäudeausrüstungGebäude für Forschung und Lehre sind häufig hochinstalliert und entsprechend teuer in Bau und Betrieb. »Technikfreund-lichkeit« schon beim ersten Konzeptansatz ist daher unab-dingbar. Dies bedeutet nicht, dass Technikbelange den Ent-wurf diktieren sollten, sondern dass nur eine die Technik kon-zeptionell integrierende Entwurfsplanung zu überzeugenden und finanzierbaren Gebäuden führt. Intelligent konzipierte, nicht auf Verdacht überinstallierte Technik, nachrüstbar und flexibel betreibbar, eröffnet die Möglichkeit wirtschaftlich zu bauen und schafft dadurch Spielräume für die innere und äußere Raumqualität.Als Leitfaden für Technikkonzepte gilt die Entflechtung, also die kreuzungsfreie und niveaugetrennte vertikale und hori-zontale Trassierung von Installationswegen. Die Gesamter-scheinung von Forschungsbauten bestimmen raumgreifende technische Anlagen, Anlieferzonen, Ver- und Entsorgungs-konzepte, in Teilen vergleichbar mit einem gewerblichen Industriebau. Dazu gehören:•   Raumlufttechnik: Die Anordnung der Zu- und Abluftzen-

tralen, das Schacht- und Trassenkonzept sowie die An -saug- und Ausblasöffnungen beeinflussen Baugefüge und äußere Erscheinung. Die Unterscheidung in mechanisch und natürlich zu belüftende Raumgruppen spielt eine wichtige Rolle. Der Anteil der mechanisch zu belüftenden Räume ergibt sich aus den Wärmelasten und/oder aus gesetzlichen Vorgaben. Das betrifft sämtliche Laborato-rien, innen liegende Räume und solche mit hoher Geräte-dichte oder Personenbelegung. Der vorgegebene Raum-luftwechsel (z. B. achtfach oder vierfach im Labor) sollte in

5 mögliche Baugefüge Laboratorium (L), Büro (B), Dunkelraumzone (D), Technikzentrale (T), Halle oder Außenraum (H), Geschosshöhe Büro nicht an Labor-höhe angepasst (*)

6 mögliche Schachtanordnungen7– 8 Forschungszentrum »caesar«, Bonn (D) 2003, BMBW Architekten +

Partner Zonierung in drei linear angeordnete, über Stege verbundene Baukörper: Eingangsbau mit multifunktionalem Innenraum, Hörsaal, Kantine, Verwaltung und Erschließung; kubischer Laborbau als Zweibund mit Labor und Dunkelzone sowie einbündiger, wellen-förmiger Bürobau

9 Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe, Dresden (D) 2000, PPS- Planungsbüro Prof. Peter Schuck Kammartiges Konzept mit Trennung in einen Büro- und einen Laborbauteil mit zweibündiger und dreigeschossiger Anordnung. Die technische Versorgung erfolgt über Einzelschächte an beiden Flurseiten.

10 –11 Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen (D) 2008, Adam Architekten Der zentrale Laborneubau als neue Mitte des Instituts sowie zur Bündelung hochinstallierter Laborflächen ist ein- bzw. zweibündig aufgebaut und einseitig erschlossen.

13

22

12

Grundrissorganisation Ein Forschungsbau benötigt neben dem öffentlichen Haupt-zugang mit Verteilerfunktion nahe den Gemeinschaftseinrich-tungen wie Seminar-, Bibliotheks- und Cafeteriabereich auch einen technischen Zugang mit allen Ver- und Entsorgungs-funktionen. Hierfür gilt es, auch verkehrstechnische und betriebliche Belange sowie Fragen des Materialtransports schon in der Grundlagenplanung zu erfassen.Die innenräumliche Beziehung zwischen hochinstallierten Laboratorien und niedriginstallierten Büros ist richtungswei-send und bereits zu Beginn einer Planung zu berücksich-tigen. Wissenschaftler wünschen sich häufig kurze Wege oder sogar eine Durchmischung von Labor und Büro. Planer weisen auf wirtschaftliche und technische Vorteile einer Funk-tionstrennung hin – im Idealfall in reine Labor- und Büroge-bäude.Als angemessen erweisen sich häufig zwei- oder dreibündige Anlagen mit einander gegenüberliegenden Laboratorien und Büros und gegebenenfalls einer Mittelzone für Dunkelräume (Abb. 14). Bei vorwiegend biologischer Forschungsausrich-tung führt der Bedarf an Kühl-, Tiefkühl- und Geräteräumen tendenziell zur Dreibündigkeit. Chemische und vor allem physikalische Forschungslabore benötigen hingegen weni-ger Dunkelräume, häufig ist hier der Zweibund anzutreffen.Ausgehend vom Raumprogramm, vom Grundstückszuschnitt, von städtebaulichen Randbedingungen, von weiteren spe-zifischen Funktionseinheiten (beispielweise Groß geräte, Hörsaal, Werkstatt, Bibliothek, Tier- oder Gewächshaus) und vom Maß der Offenheit der Laborzonen sind vielfältige Grundrisstypologien möglich. Künftige Entwicklungen werden beeinflusst sein von:•  knappen Budgets•  Beschleunigung aller Prozesse •  Interdisziplinarität•  internationaler Kooperation, Transparenz, Benchmarking•   wachsender Bedeutung von Energieeffizienz und Nachhal-

tigkeit

In der internationalen Welt der Wissenschaft wird zunehmend die Bauaufgabe »interdisziplinäres, naturwissenschaftlich-experimentelles Forschungsinstitut« entstehen. Die wichtigs-ten Kernkompetenzen für Architekten, Ingenieure, Betreiber und Bauherren, die sich diesen Aufgaben stellen müssen, sind mehr denn je die Themen Bautypologie und Gebäudetechnik.Eine Analyse internationaler Projekte der letzten zwei Jahr-zehnte ergibt vier grundsätzlich unterschiedliche Ansätze bezüglich der gewählten Entwurfskonzeption:

Abstimmung mit Nutzern und Behörden optimiert werden.•   Kälteversorgung: Rückkühlwerke (in der Regel auf dem 

Dach) und Kältemaschinen (normalerweise im Unterge-schoss oder auf dem Dach) sind visuell, akustisch und schwingungstechnisch relevant. Unterschieden wird die Kälteversorgung für RLT-Anlagen und die Prozesskühlung für Experimente. Der Bedarf an Kälteversorgung hat deut-lich steigende Tendenz; dies liegt unter anderem an der dichteren Gerätebestückung.

•   Wasser/Abwasser: In der Regel sind Abwasser und Labor-abwasser als zwei getrennte Systeme installiert. Löschwas-serreservoirs für die Feuerwehr und Versickerungseinrich-tungen für Regenwasser beeinflussen die Gestaltung der Außenanlagen.

•   Heizungsanlagen sind im Gegensatz zu Lüftung und Kälte-technik bei Forschungsbauten ein planungstypologisch eher unkritisches Gewerk.

•   Gase und Medien haben einen nachrangigen typologi-schen Einfluss bezüglich der Trassen und des Raum-bedarfs. Die Stickstoffversorgung sollte frühzeitig geklärt werden, da sich der voluminöse Tank mit Befüll- und Sicher-heitseinrichtung auf Außenanlagen und Ladehof auswirkt.

•   Elektroinstallationen: Steigende Datenmengen, dichte Gerätebestückung im Labor und die Digitalisierung von Arbeitsprozessen erfordern eine frühzeitige Planung von Elektrotrassen. Doppelböden kommen nur in Sonderfällen zum Einsatz; meist sind ein bis zwei Trassen zur Raumver-sorgung nötig.

PräzisionslaboratorienForschungsbauten physikalisch-technischer Ausrichtung, in denen die Wissenschaftler mit ihrer Arbeitsweise und der Gerätegeneration messbar in Nanobereiche (Millionstel Milli-meter) vordringen, stellen neue Extremanforderungen an Temperaturkonstanz und Erschütterungsfreiheit, die in den bisher üblichen Baugefügen und Raumzuordnungen nicht erfüllbar sind. Dies hat grundlegende typologische Konse-quenzen. Bei Neubauten können somit die Prinzipien der Zonierung und Stapelung zweitrangig werden. Laboratorien sind im Idealfall auf einer Ebene angeordnet, direkt mit dem Baugrund verbunden und auf kurzem Weg den Technikzen-tralen zugeordnet, ohne Bedarf an natürlicher Belichtung, die aufgrund des Temperatureinflusses auch störend wäre. Bürobereiche können darüber angeordnet werden. An beste-henden Standorten führt dies zur Auslagerung bestimmter Bereiche in entsprechend den nutzerspezifischen und tech-nischen Anforderungen konzipierte Spezialbauten.

23

15

14

•   Kontext: Als bestimmender Parameter prägt der Kontext den Entwurf. Zu nennen sind hier die städtebaulichen Randbedingungen und der Bezug zur Topografie oder zu einer ganz spezifischen Örtlichkeit, wenn das Projekt Teil eines Forschungscampus ist oder Altbauten mit Neubauten verbindet.

•   Zonierung: Dieser gebäudekundlich-typologische Ansatz leitet sich konzeptionell aus funktionalen Prinzipien der Raumzuordnung und der Zonierung spezifischer Raum-gruppen ab.

•   Kommunikation: Der Entwurf spiegelt eine Gesamtatmo-sphäre wider, die geplante und zufällige Kommunikation ermöglicht und fördert.

•   Form: Die Gebäudeform entspricht der individuellen Inter-pretation des Orts, der Aufgabe sowie des Forschungsthe-mas. Funktion und Technik ordnen sich diesem Prinzip unter.

Eine allgemeingültige typologische Kategorisierung für For-schungsbauten ist aufgrund der unterschiedlichen Aufga-benstellungen und Vielfalt der potenziellen Lösungen nicht möglich. Unter ebenso vereinfachenden wie anschaulichen typologischen Oberbegriffen lassen sich aber folgende Kategorien unterscheiden (Abb. 15): •  lineare Systeme•  Kammsysteme•  Kernsysteme

Diese stehen für eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten, deren Grundprinzipien letztlich immer aus einem Typus-system – bei komplexeren Anlagen auch aus mehreren Typen – ableitbar sind. Randbedingungen wie das Leitbild der Forschungseinrichtung, Grundstück, Baurecht, Raum-programm, Arbeitsumfeld, Installierbarkeit, Budget, Nachhal-tigkeit etc. beeinflussen die Wahl des Grundriss- und des Erschließungskonzepts.Für zukunftsorientierte Forschungsbauten ist davon auszu-gehen, dass sich der Ansatz der Zonierung als wichtigstes konzeptionelles und typologisches Leitbild durchsetzen wird. Er erlaubt durch Optimierung von Technik und Gebäudetypo-logie das Erreichen guter Raumqualitäten unter Einhaltung des Budgets.Nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen wie der Förde-rung von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in Investition und Betrieb, sondern auch aus Gründen der interdisziplinä-ren Kommunikation ist eine Tendenz zu kompakten Kernsys-temen festzustellen.

12 Max-PIanck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden (D) 2001, Heikkinen-Komonen Architects mit Henn Architekten Institutsneubau aus zwei viergeschossigen Laborbauten mit offenen Gruppenlabors (mit integrierten Labor- und Schreibplätzen), dazwischen ein gebäudehoher Eingangsbaukörper mit Erschließung und Aufent-haltsbereichen. Die räumlichen und organisatorischen Randbedingun-gen sollen zu möglichst häufiger Kommunikation anregen.

13 Max-PIanck-Institut für Chemie, Mainz (D) 2011, Fritsch + Tschaidse Architekten Büroturm als Verbindung zwischen den beiden Campusteilen. Der Laborbau ordnet sich um einen Innenhof auf drei Ebenen zweibündig an, mit gegenüberliegenden chemischen Laboratorien und Büros.

14 Bündigkeiten Laboratorium (L), Büro (B), Dunkelraumzone (D), Halle oder Außen-raum (H)

15 typologische Systeme: reine Form und Mischung der Systeme

einbündig

zweibündig

zweibündig

dreibündig

ein- bzw. zweibündig:zweibündig mit Dunkelraumzone/Laboratorien (unten links), Groß-labor mit Dunkelraumzone (unten rechts)

ein- bzw. zweibündig:offene Laborstruktur (unten):  Dunkelraumzone/Kombilabor mit Servicezone, Laborarbeitsplätzen und Schreibzone

lineare Systeme

Kamm-systeme

Kern-systeme

B/L

B/L

B/L

B

L

B

H

D

L

B

D

L

B

H

D

L

18

16

17

24

16 Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen (D), 1. Preis des Wettbewerbs, Carpus + Partner Über einem kompakten Sockelbau mit hochinstallierten Funktions-einheiten (Laboratorien, Reinräume) markiert ein auskragender Bürobaukörper die Eingangssituation.

17–18 Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns, Köln (D) 2012, hammeskrause architekten Dem geschlossenen Äußeren steht im Inneren eine transparente, kommunikative Struktur gegenüber. Um das Atrium liegen offene Kombilabors und Nebenräume, die Büros befinden sich entlang den Fassaden.

19 –20 Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen (D), 1. Preis des Wettbewerbs, Fritsch + Tschaidse Architekten Der streng zonierte, rechteckige Grundriss mit verdunkelbaren optischen Laboren zum Innenhof und Büros an den Außenseiten bietet einen knappen, aber räumlich anspruchsvollen Kommunika-tionsraum.

21–22 Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, Kaiserslautern (D) 2012, Weinbrenner Single Arabzadeh Architekten Die Arbeitsräume sind einbündig um ein Atrium angeordnet.

Interdisziplinarität und Beschleunigung von InformationsprozessenOrte der Forschung müssen nicht nur technisch überzeugen, sie müssen auch motivieren und Kommunikation fördern. Beginnend bei den Schulen der Antike über die Kollegien des Mittelalters bis hin zu den Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert war Kommunikation stets ein wichtiger Teil des Wegs zum Erkenntnisgewinn. In den letzten zwei Jahr-zehnten ist die Geschwindigkeit der Informationsflüsse und der Bedarf an interdisziplinärem Austausch enorm gestiegen. Die Spezialisierung innerhalb der wissenschaftlichen Diszipli-nen und die Komplexität des Forschungsgeschehens erfor-dern zunehmend teamorientierte, interdisziplinäre Koopera-tion. Gebäude und auch Bauteile – bis hin zu Labor- und Bürozonen kleiner Wissenschaftlerteams –, die Gespräche und Begegnungen fördern, gewinnen deshalb immer mehr an Bedeutung. Als Teil der vernetzten Welt treten Institute auch in kommunikativen Austausch mit einer nur mehr virtuel-len Umgebung. Welche räumlichen Ankerpunkte sie künftig benötigen werden und wie sich diese architektonisch ausprä-gen, bleibt offen. Raumtypologisch lässt sich der Anspruch, geplanten und zufälligen Austausch zu fördern, zwischen den Extremen einer überdimensionierten Eingangshalle und rein funktional optimierten Verkehrswegen einordnen.

Öffnung der LaborstrukturenSeit rund zehn Jahren ist bei Neubauten und Umbauten – vor allem von Gebäuden aus den 1970er-Jahren – ein Trend zu größeren, offenen Laborräumen zu beobachten. Schwer-punktmäßig trifft dies auf Bauten für die molekularbiologische und biochemische Forschung zu.Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig. Er erklärt sich aus dem interdisziplinären Verständnis in der Ausbildung von Biologen, Chemikern und Physikern, aus sich annähern-den Arbeitsweisen und Messmethoden sowie aus der Tat-sache, dass Innovation prioritär durch fachübergreifende Kooperation generiert wird. Das Kommunikationsverhalten künftiger Wissenschaftlergenerationen und deren Arbeitsor-ganisation in flexiblen, relativ selbstständigen Gruppenstruk-turen mit flacher Hierarchie spielt neben dem wirtschaftlichen Druck, möglichst effizient zu planen, zu bauen, zu betreiben sowie Geräte und Flächen synergetisch zu nutzen, eine ent-scheidende Rolle.Bei größeren Laborstrukturen sollten – vergleichbar mit Kom-bibüros – die Aspekte Sicherheit, Akustik, Gefährdungs-potenzial, Kommunikation, Raumeindruck und Möblierung berücksichtigt werden. Typologisch führt dies zu größeren Raumtiefen, zur Integration von Schreibplätzen und somit zu einer Minderung des Büro- und Verkehrsflächenbedarfs.Der Trend ist allerdings nicht unumstritten und kann auch nicht als konstant bezeichnet werden, so sind Modifikationen und im Einzelfall unterschiedliche Konzepte zu erwarten. Fachleute sehen bei dieser Entwicklung folgende Nachteile:•   Akustik: Je nach subjektivem Empfinden wird sehr häufig 

der höhere Geräuschpegel, ausgelöst durch Personen und Geräte, als Beeinträchtigung wahrgenommen. Schalldämp-fende Maßnahmen sind möglich, ihre Wirkung ist aber begrenzt.

•   Sicherheit: Die Verantwortlichen für Arbeitssicherheit weisen oft auf das Gefährdungspotenzial durch Arbeits-abläufe und den fehlenden Schutz, den z. B. Raumwände bei kleineren Laboreinheiten bieten, als Problem hin. Hier sind innerbetriebliche Lösungen erforderlich.

19

22

21

25

20

Als Vorteile gelten folgende Aspekte:•   Vereinfachung des Baugefüges und Kosteneinsparung: 

Dies betrifft den Brandschutz (Trassenführungen, Brand-schutzklappen, Abkofferungen) und die Ausbauelemente (Wände, Türen).

•   Flächengewinn und Nutzungsintensivierung durch Integra-tion von Verkehrswegen als indirekte Folge von Umbauten oder als Planungsdatenoptimierung bei Neubauten

•   Flexibilität der Flächen- und Arbeitsplatzzuordnung, der Labor- und auch Schreibplätze

•   Förderung von Kommunikation und effektiven Arbeitsab-läufen, einfache und kurze Wege

•   Synergieeffekte durch gemeinsame Nutzung von Geräten und Serviceplätzen, von Lagerkapazitäten sowie Ver- und Entsorgungseinrichtungen

Insgesamt überwiegen im Vergleich zum standardisierten Laboratorium mit 20 oder 40 m2 die Vorteile von offenen Kombilaborstrukturen. Der Konflikt zwischen den von der Wissenschaft bevorzugten kurzen Wegen einerseits und der aus baulicher Sicht angestrebten Installationsoptimierung andererseits löst sich mit den genannten Vorteilen von offe-nen Laborräumen auf. Allerdings findet die Vergrößerung der Laborstrukturen ihre Grenzen durch Belange der Arbeits-sicherheit und Raumatmosphäre bzw. Schallbelästigung.Die Entwicklung geht hin zu intelligent kombinierten Raum-strukturen mit integrierten, aber akustisch abgeschirmten Schreibzonen zur Dokumentation und Auswertung, mit einer Atmosphäre, die nicht den »Großraum«, sondern das Kombi- oder Gruppenlabor suggeriert. Dies gelingt durch Raumfol-gen, die einen Wechsel von offenen Zonen und geschlosse-nen Raumeinheiten (z. B. Sonderlabor) vorsehen und deren Raumgrößen nicht über 80 –100 m2 hinaus gehen.

Nachhaltigkeit und EnergieeffizienzDie Schlagworte Nachhaltigkeit und Energieeffizienz stehen für eine derzeit breit geführte Diskussion. Abgesehen davon, dass eine professionelle Bedarfsplanung, die Synergien nutzt, das größte Nachhaltigkeitspotenzial bietet, werden die Bauten künftig tendenziell kompakter und von der Material-wahl her massiver werden. Differenzierte Baukörper mit einem hohen Anteil an Glasfas-saden könnten der Vergangenheit angehören. Ein Vergla-sungsanteil von unter 50 % soll den externen Wärmeeintrag reduzieren, hohe Speichermassen sollen das Raumklima ver-bessern und den Energieverbrauch senken. Aktuelle Initiati-ven zum nachhaltigen Bauen, zur Bündelung von Typologie-kriterien, zum Aufbau eines Benchmarking-Katalogs und zur europäisch koordinierten Einflussnahme auf eine angemes-sene Normengebung (z. B. BNB, DGNB, EGNATON) werden diese Trends beschleunigen.Bei den neuen Wettbewerbsergebnissen der Max-Planck-Gesellschaft sind konsequent die Prinzipien der Nachhaltig-keit und Zukunftsorien tierung ablesbar (Abb. 16 – 22). Die im Bau und Betrieb wirtschaft lichen Entwürfe setzen architekto-nische Akzente, haben eine hohe innere Raumqualität und sind optimal installierbar. Eine Analogie mit dem ersten Bau-typus in der Geschichte der Forschungsgebäude, dem Kolle-gium, ist in manch aktuellem Entwurf nicht zu übersehen. Die gelungene Symbiose der komplexen Anforderungen könnte diesem Entwurfstypus, einem kompakten Kernbau mit einfa-chem Baugefüge, eine ähnliche Bedeutung verleihen, wie sie das Kollegium ab dem 14. Jahrhundert erreichte.