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163 - - Umlagerungserscheinungen auftreten, wenn also die basisch erscheinen- den Substanzen sich in bezug auf die daraus entstehenden Salze wie Pseudobasen im Sinne von Decker1) und Hantzsch verhalten. Uberall dort, wo das Wesen dieser Umlagerungserscheinungen genugend erforscht ist, wo man denselben also genugend Rechnung tragen kann, bleiben die ausgesprochenen Regeln in Kraft. Beispiel : die Verwandlung der farblosen benzoiden Carbinolbasen der Tri- phenylmethan-farbstoffe in die farbigen chinoiden Basen und Salze. Es erscheint daher kaum mehr zweifelhaft, dass obigen Regeln die Bedeutung von Gesetzmassigkeiten zuerkannt werden muss. Ihre Giiltigkeit ist unabhangig davon, ob Valenz- oder Koordinationsformeln benutzt werden. Lausanne, Organisches Laboratorium der Universitat, 28. Januar 1922. Uber Beziehungen zwischen Fetten und Kohlehydraten von Hans M1Lller. (23. I. 22.) Die Forschungen der letzten Jahre haben gelehrt, dass fur den Umsatz der K o h l e h y d r a t e gewisse Verbindungen mit drei Kohlen- stoffatomen (Milchsaure, Methylglyoxal usw., Brenztraubensaure) die wiehtigsten sind. Diese Tatsache ist auch darum von besonderer Be- deutung, weil ebenfalls bei den Eiweissstoffen das Alanin (und sub- stituierte Alanine) ein wichtiger Baustein ist, und weil der ubergang von Alanin in Milchsaure ebenso nachgewiesen ist, wie der umgekehrte Vorgang, die Bildung von Alanin aus Brenztraubensaure2). Inter- l) Die Natur der ,,Pseudobasen" ist zuerst von H. Decker, B. 25, 3327 (1893) und besonders J. pr. [2] 47, 223 (1893), Zur Geschichte der sogen. Chinolinium-basen s. a. B. 35, 2589 (1902) bei den Chinolinium-basen erkannt worden, wiihrend die Be- nennung als Pseudobasen von Hantzsch herriihrt. 2, C. Neuberg und L. Langstein, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1913, Suppl., 514. G. Embden, in Gemeinschaft mit Hanni Fellner, K. Kondo und E. Schmitz, Bio. Z. 29, 423 (1910); 38, 393, 407, 414 (1912).

Über Beziehungen zwischen Fetten und Kohlehydraten

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Page 1: Über Beziehungen zwischen Fetten und Kohlehydraten

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Umlagerungserscheinungen auftreten, wenn also die basisch erscheinen- den Substanzen sich in bezug auf die daraus entstehenden Salze wie Pseudobasen im Sinne von Decker1) und Hantzsch verhalten.

Uberall dort, wo das Wesen dieser Umlagerungserscheinungen genugend erforscht ist, wo man denselben also genugend Rechnung tragen kann, bleiben die ausgesprochenen Regeln in Kraft. Beispiel : die Verwandlung der farblosen benzoiden Carbinolbasen der Tri- phenylmethan-farbstoffe in die farbigen chinoiden Basen und Salze.

Es erscheint daher kaum mehr zweifelhaft, dass obigen Regeln die Bedeutung von Gesetzmassigkeiten zuerkannt werden muss. Ihre Giiltigkeit ist unabhangig davon, ob Valenz- oder Koordinationsformeln benutzt werden.

Lausanne, Organisches Laboratorium der Universitat, 28. Januar 1922.

Uber Beziehungen zwischen Fetten und Kohlehydraten von

Hans M1Lller. (23. I. 22.)

Die Forschungen der letzten Jahre haben gelehrt, dass fur den Umsatz der K o h l e h y d r a t e gewisse Verbindungen mit drei Kohlen- stoffatomen (Milchsaure, Methylglyoxal usw., Brenztraubensaure) die wiehtigsten sind. Diese Tatsache ist auch darum von besonderer Be- deutung, weil ebenfalls bei den Eiweissstoffen das Alanin (und sub- stituierte Alanine) ein wichtiger Baustein ist, und weil der ubergang von Alanin in Milchsaure ebenso nachgewiesen ist, wie der umgekehrte Vorgang, die Bildung von Alanin aus Brenztraubensaure2). Inter-

l) Die Natur der ,,Pseudobasen" ist zuerst von H. Decker, B. 25, 3327 (1893) und besonders J. pr. [2] 47, 223 (1893), Zur Geschichte der sogen. Chinolinium-basen s. a. B. 35, 2589 (1902) bei den Chinolinium-basen erkannt worden, wiihrend die Be- nennung als Pseudobasen von Hantzsch herriihrt.

2 , C. Neuberg und L. Langstein, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1913, Suppl., 514. G. Embden, in Gemeinschaft mit Hanni Fellner, K. Kondo und E. Schmitz, Bio. Z. 29, 423 (1910); 38, 393, 407, 414 (1912).

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- 164 - mediare Beziehungen zwischen Kohlehydraten und Eiweissstoffen sind also auf solchem Wege dem Verstandnis zuganglich.

Anders steht es mit den F e t t e n ; sie sind, wenn wir vom Glycerin absehen, d. h. in ihrer Hauptmasse nicht unpaarig (3), sondern paarig aufgebaut ; und doch muss ein einfacher Zusammenhang bestehen, denn nicht nur die Umsetzung von Kohlehydraten in Fette ist sicher nachgewiesen und als synthetischer Vorgang in seiner Reaktionsfolge anschaulich zu ubersehen, sondern auch der umgekehrte Weg ist fur den Tierkorper als sehr wahrscheinlich, fur den Pflanzenkorper als festgestellt anzusehen. Nach der Theorie der P-Oxyda,tionl) sind aber als Oxydationsprodukte der Fette anzusehen : Essigsaure, bezw. Oxal- saure und von beiden fuhrt kein einfacher Weg zu Verbindungen mit drei Kohlenstoffatomen.

Nun ist aber die p-Oxydation wohl nicht als ausschliessendes Gesetz fur den intermediaren Stoffwechsel anziisehen. Verschiedene Grunde chemischer wie biologischer Natur sprechen, worauf kurzlich hinge- wiesen wurde2), dafur, dass neben der P-Oxydation auch eine 6-Oxy- dation statthat, oder einfacher, dass ein paariger Abbau stattfindet, d. h. Abspaltung nicht nur von C,, sondern auch von C,- bezw. C,- Gruppen, $0 dass z. B. auch B e r n s t e i n s a u r e und Buttersaiure als intermediare Produkte des Fettstoffwechsels anzusehen sind.

Die weiteren Schicksale tler letzteren Saure sind vielfach behandelt worden, aber auch auf die erstere ist der Organismus eingestellt ; denn nach den Untersuchungen von Battelli und Stern3), Thunberg u. a. existiert eine Succino-oxydase, die im Sinne der Wieland’schen De- hydrogenisation aus der Bernsteinsaure die F u m a r s a u r e bildet. Von dieser auch im frischen Fleisch von H . Einbeck 4, (bei E. Salkowski) nach- gewiesenen Saure mit vier Kohlenstoffatomen fuhrt nun, wie wir im Laufe einer begonnenen grosseren Arbeit fanden, ein so einfacher Weg zu dem Centralkorper des Kohlehydratstoffwechsels, der Milchsaure 7 , dass der Versuch sich sogar zur Vorlesungsdemonstration eignet. Als decarboxylierendes Agens eignet sich frische Hefe. Versetzt man im Garungsrohrchen eine Losung von fumarsaurem Natrium mit Hefe,

l) Literatur siehe Helv. 4, 459 (1921). 2, Bio. Z. Festband f. Hofmeister. 127, 299 (1922). 3, Bio. Z. 31, 478 (1911). 4, H. 90, 301 (1914). 5 , Damit erklart sich M . Cremer’s Befund der Gluconeogenie aus Bernsteinsaure

und Fumarsaure. Berl. Klin. Wchschr. 50, 1457 (1913).

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so tritt alsbald Kohlendioxydentwicklung ein und in der Garflussigkeit gelingt nach einigen Stunden bei der ublichen Methodik (Wasserdampf- destillatio?, Konzentrierung der Destillate) der Nachweis der Milchsaure : wir haben also einen Prozess vermutlich nach der einfachen Gleichung:

COOH * CH=CH. COOH + H,O = CH, . CHOH * COOH + GO,

Dieser Weg von der Bernsteinsaure zur Milchsaure ist teilweise analog dem, der von der Buttersaure zur 8-Oxybuttersaure, bezw. bei Hinzukommen einer (vermutlich nach dem Fichter’schenl) Schema der Persaurebildung stattfindenden) Oxydation, zu Acetessigsiture und Aceton fuhrt2), also ebenfalls zu einem Korper mit drei Kohlenstoff- atomen, der aber wohl kaum, wie die Milchsaure, als Zwischen- produkt des Kohlehydratstoffwechsels angesehen werden kann. Da eine Acetonbildung, die der aus Fetten entspricht, in genau derselben Weise auch beim Eiweissstoffwechsel nachgewiesen ists), liegt es nahe, auch die obigen Befunde uber Bernsteinsaure und Fumarsaure fur die Fragen des Eiweissstoffwechsels heranzuziehen, zumal ja C. Neuberg (mit M . Ringer) 4, die Bernsteinsaure als Oxydationsprodukt der Glut- aminsaure festgestellt hat.

Im Mittelpunkt des gesamten Zellstoffwechsels (z. B. auch bei der synthetischen Harnsaurebildung) steht ein Drei-Kohlenstoff- S k e 1 e t t , und damit ,ist das physiologisch und klinisch nachgewiesene Miteinander-Verwebtsein des Stoffwechsels der drei Korperklassen auch chemisch anschaulich gemecht, wie folgende kleine Tabelle lehrt :

I . Fettsauren bezw. deren Umsutzprodukte: a) aus Eiweiss: sog. Acetonkorper (iiber Homogentisinsiiure), Bernsteinsaure

(iiber Glutaminsiiure), Keto-, Oxysiiuren und Alkohole aus den zugehorigen Amino- siiuren.

b) aus Kohlehydraten: Synthese aus Brenztraubensiiure bezw. Acetaldehyd.

ZI. Kohleh ydrute bezw. deren Umsutzprod.tckte: a) aus Eiweiss: Glucose aus Aminosiiuren (G. Lusk), Bernsteinskure (Cremer),

Milchsaure aus Alanin, ,, Bernsteinsaure bezw. Glutaminsiiure.

l) Fr. Pichter, Z. El. Ch. 27, 487 (1921). z , E. Friedmnn, Hofmeister’s Beitriige 11, 371 (1908); mit Mochizuki und

9 Vergl. G. Kutsch, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 134, 59 (1920). 9 Bio. Z. 71, 226 (1915); 91, 131 (1918).

illaase, Bio. Z . 55, 443, 450 (1913).

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-- 166 - b) aus Fetten: Milchsiiure aus Bernsteinsiiure.

Glucose LUS Bernsteinsaure und Fumarsiiure.

III. Eiweissspaltprodukte: a) aus Fetten: Alanin aus Bernsteinsiiure (uber Milchsiiure, Brenztrauben-

b) aus Kohlehydraten: Alanin aus Milchshre. saure);

Die Untersuchungen werden fortgesetzt, namentlich auch uber die Natur und Verbreitung der decarboxylierenden Agentien.

Basel, Physiologisch-chemische Anstalt, Januar 1922.

Die elektroohemische Oxydation des Dimethylanilins von

Fr. Fichter und Emil Rothenherger. (28. I. 22.)

In der Literatur findet sich nur eine einzige Notiz iiber die elektro- chemische Osydation des Dimethylanilins, von Walther Lob1) ; er beob- achtete an Platinanoden in schwefelsaurer Losung bei Zuaatz von Chrom- saure die Bildung von Tetramethylbenzidin, die er indes der Wirkung der Chromsiiure zuschrieb. lnfolge der Moglichkeit, ziemlich konzen- trierte Losungen von Dimethylanilin in wassriger Schwefelsaure herzcl- stellen, bietet aber gerade diese Base ein vorzugliches Material zum Studium der Einwirkung des anodischen Bauerstoffs stof arornatischc Korper, von denen so viele in wassrigen Elektrolyten uberhaupt unloslich sind, und es wurde dsrum eine eingehendere Untersuchung der Reaktion durchgefuhrt. Dabei zeigte es sich sofort, dass die Chromsaure vollig iiberfltissig ist, indem sowohl an Platin- wie an Bleidioxpdanoden ein starker Angriff des Dimethylanilins stattfindet ; doch wax es infolge der verwickelten Reaktion und dar zunachst sehr geringen Ausbeuten bei der ersten Bearheitring durch Dr. Jakob AfiilZeP) nicht moglich, den

l) Z. El. Ch. 7, 608 (1901). 2) Diss. Basel 1918; einzelne Angaben daraus sind der Volbtandigkeit halber

mitaufgenommen.