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www.boeckler.de – 2011 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Tim Pixa Perspektiven des Bergbauclusters in NRW: Expertise über vorhandene Beziehungen zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen vor dem Hintergrund der möglichen Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland Abschlussbericht Auf einen Blick… Unternehmen des Bergbauclusters NRW versuchen (u.a. mit Unterstützung der NRW-Landesregierung) seit vielen Jahren neue Auslandsmärkte zu er- schließen. Global operierende Unternehmen der Zulieferindustrie sind in der Regel in der Lage, ihr Kerngeschäft international mit großem Erfolg voranzutreiben. Dies stabilisiert zumindest partiell das Beschäftigungsvolumen an deutschen Standorten; das weltweite Marktpotential wird durch die Global Player unter den Bergbauzulieferern in heimische Wachstums- und Beschäftigungsimpulse umgesetzt. Allerdings zeigen sich mit zunehmender Reduktion des inländischen Absatz- marktes bei gleichzeitigem und verstärktem Aufbau von Geschäftsfeldern im Ausland, auch mittelfristige Gefahren von Arbeitsplatzverlagerungen und da- mit lokalen Beschäftigungsverlusten. Ohne Bergbau versiegen ggf. technologische Innovationen und Entwicklungs- kompetenzen, die bislang ein herausragendes Kompetenzmerkmal im Cluster waren. Das Know-how verlagert sich über Entwicklungspartnerschaften in andere Regionen, um dort Wertschöpfungsprozesse zu initiieren, die für den Wirt- schaftsstandort Deutschland ebenso relevant wären, wie für die Beschäfti- gungssituation im Ruhrgebiet.

Perspektiven des Bergbauclusters in NRW: Expertise über ... · derungen vorhandener Beziehungen zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen vor dem Hintergrund der

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www.boeckler.de – 2011 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Tim Pixa Perspektiven des Bergbauclusters in NRW: Expertise über vorhandene Beziehungen zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen vor dem Hintergrund der möglichen Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland Abschlussbericht

Auf einen Blick…

Unternehmen des Bergbauclusters NRW versuchen (u.a. mit Unterstützung der NRW-Landesregierung) seit vielen Jahren neue Auslandsmärkte zu er-schließen.

Global operierende Unternehmen der Zulieferindustrie sind in der Regel in der Lage, ihr Kerngeschäft international mit großem Erfolg voranzutreiben.

Dies stabilisiert zumindest partiell das Beschäftigungsvolumen an deutschen Standorten; das weltweite Marktpotential wird durch die Global Player unter den Bergbauzulieferern in heimische Wachstums- und Beschäftigungsimpulse umgesetzt.

Allerdings zeigen sich mit zunehmender Reduktion des inländischen Absatz-marktes bei gleichzeitigem und verstärktem Aufbau von Geschäftsfeldern im Ausland, auch mittelfristige Gefahren von Arbeitsplatzverlagerungen und da-mit lokalen Beschäftigungsverlusten.

Ohne Bergbau versiegen ggf. technologische Innovationen und Entwicklungs-kompetenzen, die bislang ein herausragendes Kompetenzmerkmal im Cluster waren.

Das Know-how verlagert sich über Entwicklungspartnerschaften in andere Regionen, um dort Wertschöpfungsprozesse zu initiieren, die für den Wirt-schaftsstandort Deutschland ebenso relevant wären, wie für die Beschäfti-gungssituation im Ruhrgebiet.

 

 

Perspektiven des Bergbauclusters in NRW

Expertise über vorhandene Beziehungen zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen vor dem Hintergrund

der möglichen Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland

Ein Projekt der

PCG - Project Consult GmbH

für die

Essen, Februar 2011

PERSPEKTIVEN DES BERGBAUCLUSTERS IN NRW

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Bearbeitung durch

PROJECT CONSULT GMBH — PROF. DR. KOST & COLLEGEN

Friedrich-List-Str. 2 D-45128 Essen Fon: 0049.(0)201.10592-0 Fax: 0049.(0)201.10592-79 [email protected] www.pcg-projectconsult.de

1 KONTEXT ........................................................................................................................ 5

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1.1 Problemstellung ........................................................................................................... 6

1.2 Ziele, Methodik und Aufbau ......................................................................................... 7 1.2.1 Ziele ........................................................................................................................ 7 1.2.2 Methodik und Aufbau .............................................................................................. 7

2 WIRTSCHAFTS- UND ARBEITSMARKTPOLITISCHE BEDEUTUNG DES BERGBAUS – DER STATUS-QUO ....................................................................................... 10

2.1 Arbeitsmarktpolitische Bedeutsamkeit und aktuelle Herausforderungen ............ 11 2.1.1 Auswirkungen auf direkt Beschäftigte ................................................................... 11 2.1.2 Auswirkungen auf indirekt Beschäftigte ................................................................ 13

2.2 Das Bergbaucluster als Netzwerk von Großunternehmen, Zulieferern, Forschungs- und Ausbildungsinstitutionen ........................................................................ 14

2.2.1 Rohstoffgewinnung an den Bergbaustandorten ................................................... 14 2.2.2 Zulieferer ............................................................................................................... 15 2.2.3 Ausbildung ............................................................................................................ 17 2.2.4 Forschung und Entwicklung .................................................................................. 18

3 ANTIZIPATION DER HERAUSFORDERUNGEN .......................................................... 19

3.1 Erfahrung nutzen – zukunftsfähig sein .................................................................... 19

3.2 Sukzessive Erschließung neuer Märkte mit neuen Produkten .............................. 20

4 BETROFFENHEIT UND REAKTIONEN – DIE VERFLECHTUNG ZWISCHEN BERGBAU, ZULIEFERERN UND HOCHSCHULEN ............................................................ 21

4.1 Bergbauzulieferer ....................................................................................................... 23 4.1.1 Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH .................................. 26 4.1.2 dh mining system GmbH ...................................................................................... 32

4.2 Hochschulen ............................................................................................................... 36 4.2.1 Die historische Entwicklung des Verhältnisses Bergbau/Wissenschaft ................ 36 4.2.2 Exkurs: Hochschulen als Bestandteile des Bergbauclusters ................................ 37 4.2.3 Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen – Lehrstuhl und Institut für Bergbaukunde ................................................................................................................. 39 4.2.4 Technische Fachhochschule Georg Agricola für Rohstoff, Energie und Umwelt zu Bochum (TFH) ................................................................................................................. 41 4.2.5 Ergebniszusammenfassung: Das Verhältnis Steinkohlenbergbau/Hochschulen . 43

4.3 Sockelbergbau und/oder Forschungs-/Referenzbergwerk – Eine Chance für die deutsche Steinkohle? ............................................................................................................ 45

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5 FAZIT UND WEITERER FORSCHUNGSBEDARF ....................................................... 48

LITERATUR ........................................................................................................................... 51

INTERVIEWPARTNER .......................................................................................................... 55

ABBILDUNGEN ..................................................................................................................... 56

ABKÜRZUNGEN ................................................................................................................... 57

ANHANG ................................................................................................................................ 58

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1 Kontext

Von der im Juli 2010 bekannt gewordenen Absicht der EU-Kommission, den subventionier-ten Steinkohlenbergbau der Mitgliedsstaaten schon im Jahr 2014 auslaufen zu lassen, wur-den auch die Planungen des deutschen Steinkohlenbergbaus hinsichtlich des bis dahin gel-tenden Ausstiegsszenarios tangiert. Grundlage für den Ausstieg aus der Kohleförderung bildete bis dato der „Kohle-Kompromiss“ vom 07.02.2007, in dem unter Beteiligung des Bun-des, der Länder Nordrhein-Westfalen (NRW), des Saarlands sowie der Ruhrkohle AG (RAG) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) beschlossen wurde, den Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau bis 2018 sozialverträglich zu vollzie-hen. Zur Überprüfung einer möglichen Veränderung der wirtschaftlichen Situation hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Steinkohle gegenüber ausländischen Anbietern, die durch eine Verteuerung der Rohstoffpreise am Weltmarkt hervorgerufen werden könnte, wurde weiterhin eine sog. Revisionsklausel in die Vereinbarung einbezogen. Diese beinhal-tete die Überprüfung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen subventionierten Steinkohle in 2012 durch den Bundestag. Vor dem Hintergrund des Vorhabens der Wettbewerbsbehörde der Europäischen Union (EU), den Ausstieg bereits im Jahr 2014 vorzunehmen, wurde zusätzlich ein extremer Hand-lungsdruck auf die Akteure des Steinkohlenbergbaus sowie auch auf die Politik ausgeübt. Die Reaktionen auf den möglichen EU-Beschluss fielen jedoch äußerst heterogen aus: wäh-rend die RAG Deutsche Steinkohle AG (RAG/DSK), die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sowie Teile der Opposition im Landtag NRW sowie im deutschen Bundestag die Forderung der EU vehement ablehnten, sahen Teile der Berliner Regierungs-koalition – und hier insbesondere der CDU-Koalitionspartner FDP in Person des zuständigen Wirtschaftsministers Rainer Brüderle, die Chance, aufgrund der möglichen EU-Entscheidung den seitens der FDP schon lange geforderten Ausstieg aus der subventionierten Steinkohl-förderung tatsächlich früher als vorgesehen durchführen zu können. Mit der Entscheidung von Kanzlerin Merkel, den durch Bundestag und Bundesrat gesetzlich legitimierten Fahrplan bis 2018 trotz des Drucks des Koalitionspartners FDP weiter zu verfol-gen, wurde in den Verhandlungen mit der EU eine Richtung eingeschlagen, die den Aus-stiegszeitpunkt aus der subventionierten Steinkohleförderung 2018 zwar weiter beinhaltete, jedoch auch eine mögliche weitere Förderung deutscher Steinkohle über 2018 hinaus aus-schloss. Zu begründen ist diese Aussage durch die Streichung der Revisionsklausel, die als Verhandlungsmasse in die Beratungen gegenüber der EU eingeführt und für die Zustimmung der EU-Kommission zur Förderung der subventionierten deutschen Steinkohle über 2014 hinaus geopfert wurde. Durch die Streichung der Revisionsklausel wurde daraus resultierend der deutschen Politik jedoch auch die Möglichkeit genommen, über eine Förderung über 2018 hinaus abzustimmen.

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1.1 Problemstellung

Betrachtet man die zuvor skizzierten Entwicklungen, deren Inhalte quasi ohne Vorwarnung eine ganze Branche und deren Überleben aufgrund einer möglichen Veränderung der zuvor auf nationaler Ebene getroffenen und gesetzlich legitimierten Entscheidungen per „Feder-strich“ durch die EU-Kommission in Frage gestellt wurde, wird die Fragilität des Beziehungs-geflechts der nationalen Entscheidungsfindung gegenüber der national-übergreifenden Richtlinienkompetenz der EU-Kommission sowie der Abhängigkeiten zwischen Bergbau und den davon abhängigen/zusammenarbeitenden Bereichen deutlich. Diese festzustellende Fragilität bezieht sich nämlich keineswegs nur auf den Kernbereich der subventionierten deutschen Steinkohle, sondern insbesondere auch auf die gegebenen Verflechtungen und Beziehungen der Stakeholder – und hier muss in erster Linie auf die Beschäftigungsvolumi-na in der Zuliefererindustrie hingewiesen werden – insgesamt. Insgesamt werden durch den Steinkohlenbergbau rund 54.000 Arbeitsplätze in NRW gesi-chert (davon knapp 25.000 Beschäftigte im originären Bereich der deutschen Steinkohle1 in NRW inkl. Saarland), davon entfallen ca. 16.000 auf den Bereich Bergbautechnik.2 Zusätz-lich zu den direkten Arbeitsplätzen in den Betrieben des Bereichs Bergbautechnik können weitere vom Steinkohlenbergbau mitfinanzierte Arbeitsplätze eingerechnet werden, die z. B. im Bereich der Forschung und Entwicklung an Forschungseinrichtungen und Hochschulen angesiedelt sind. Zusätzlich wird durch die Bergbauzulieferindustrie eine große Anzahl an Ausbildungsplätzen in NRW bereitgestellt, die jungen Menschen die Möglichkeit geben, zu-kunftsorientierte Berufe zu erlernen. Wie sich die Zahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze vor dem Hintergrund der angekündig-ten Schließungen der Steinkohlenbergwerke entwickeln wird, hängt vor allem davon ab, ob die Bergbauzulieferindustrie neue Märkte erschließen kann und sich aufgrund der vorhande-nen Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur sowie des Innovationspotentials in NRW da-zu entschließt, weiterhin auf den Standort NRW zu setzen. Aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen und der sich daraus möglicherweise er-gebenden negativen Entwicklungstendenzen für NRW als Hochtechnologiestandort insbe-sondere im Bereich des Maschinenbaus, den gerade die Bergbauzulieferer repräsentieren, beauftragte die Hans-Böckler-Stiftung die PCG - Project Consult GmbH mit der Erstellung einer Studie, welche die gegenwärtigen und in Zukunft zu erwartenden strukturellen Verän-derungen vorhandener Beziehungen zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen vor dem Hintergrund der feststehenden Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland untersucht und analysiert. Als Grundlage dient eine arbeitsorientierte Sichtweise im Hinblick auf die Auswirkungen sowohl auf die Zulieferer-industrie und ihrer Beschäftigten als auch auf Hochschulen und Forschungsinstitute.

                                                            1 vgl. hierzu: Steinkohle-Ausstieg bis 2018-Revision ist nicht zugelassen: 1 NTV NACHRICHTENFERNSEHEN GMBH 2010 2 PROGNOS AG 2007; Projekt FIRE-Forschungsbericht der PCG - Project Consult GmbH 2008

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1.2 Ziele, Methodik und Aufbau

1.2.1 Ziele

Ansetzend an der beschriebenen Problemlage, verfolgte das Projekt die vorrangige Zielset-zung, vorhandene Kooperationsstrukturen, die zwischen Steinkohlenbergbau, Bergbauzulie-ferindustrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen bestehen, fallweise zu analysieren und mögliche Auswirkungen der geplanten Schließung der Steinkohlenbergwerke auf Basis von Expertengesprächen abzuschätzen. Die Ergebnisse wurden so aufbereitet, dass daraus in Zukunft mögliche Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Innovation und Beschäfti-gung im Bergbaucluster abgeleitet werden können.

1.2.2 Methodik und Aufbau

Zur Erreichung der gestellten Ziele wurde im Rahmen der Projektbearbeitung folgende Vor-gehensweise gewählt:

• Aufarbeitung des aktuellen Diskussionsstands in der Literatur

• Fallweise Identifizierung von Kooperationsstrukturen und zukünftigen Herausforde-rungen zwischen und für Bergbaubetreiber, Bergbauzulieferindustrie, Forschungs-einrichtungen und Universitäten mit Hilfe von Experteninterviews

• Ergebnissicherung als Grundlage für Transfer und Nachhaltigkeit Die operative Umsetzung der angegebenen Aufgabenstellungen basierte hierbei in erster Linie auf der Berücksichtigung der Herausforderungen und Chancen für die Zielgruppen „Bergbauzulieferer“ sowie „Hochschulen und Forschungsinstitute“. Die zu Projektbeginn formulierten Fragestellungen, die als Richtschnur für die operative Pro-jektbearbeitung im Rahmen des Projektdesigns dienen sollten, können in der Rückschau hinsichtlich der erarbeiteten Projektergebnisse als zielführend und dem Erkenntnisinteresse dienend eingestuft werden. Die Fragestellungen lauteten im Einzelnen:

1. Welche Forschungsrichtungen, Studiengänge und Institute sind im Bereich der Forschung und Entwicklung für die Bergbautechnik aus Sicht der befragten Ex-perten relevant?

                                                                                                                                                                                          

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2. Welche Kooperationen gibt es aus Sicht der befragten Experten bisher zwischen Betrieben aus dem Bergbaucluster, Forschungseinrichtungen und Hochschulen?

3. Wie schätzen die befragten Experten die geplante Beendigung des subventionier-ten Steinkohlenbergbaus für die Zusammenarbeit ein?

4. Welche Auswirkungen sind nach Expertenmeinungen für die betreffenden Hoch-schulen Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Techni-sche Fachhochschule (TFH) Georg Agricola Bochum mit Studiengängen, die auf Bergbau / Rohstoffe spezialisiert sind, zu erwarten?

5. Wie sehr sind die Hochschulen von den Betrieben der Bergbautechnik und dem Steinkohlenbergbau abhängig – auch hinsichtlich einer praxisnahen Ausbildung ihrer Studenten und der späteren Arbeitsaufnahme?

6. Wie sehr sind Betriebe aus dem Bereich Bergbautechnik von den Forschungsein-richtungen/Hochschulen abhängig, um neue Produkte zu entwickeln?

7. Hat die Industrie alternative Produkte entwickelt, die neue Kunden und neue Märk-te akquirieren können? („grüne“ Produkte, Produkte für andere Branchen)

8. Was muss nach Auffassung der Experten getan werden, um die Bergbautechnik (Forschung und Entwicklung, Produktion) auch in Zukunft in NRW zu halten und wie kann man die Technologieführerschaft auf dem Weltmarkt weiter ausbauen? (Forschungs-, Bildungsinfrastruktur, Technologieprogramme, Clean-Coal-Tech-nologie, CO2-Abscheider, Bildungspolitik, Referenzbergwerk usw.)

9. In welchem Umfang kann die Bergbautechnik vom Image des Energielandes NRW profitieren oder dieses stärken? Bergbautechnik ist kein eigenes Kompetenzfeld im Rahmen der ausgewiesenen Cluster des Landes NRW.

10. Welche zu beantwortenden Fragestellungen verbinden sich mit der Diskussion um den Erhalt eines Sockelbergbaus und/oder Gründung eines Referenz- bzw. For-schungsbergwerks?

Grundlage dieses Ansatzes war die Entwicklung einer methodischen Vorgehensweise, die sich aus einem Set von Einzelschritten zusammensetzte und sich verschiedener Methoden der empirischen Sozialforschung bediente.3 Im Einzelnen setzte sich die methodische Vor-gehensweise aus folgenden Modulen zusammen: Über Annahmen zu Wirkungszusammenhängen aus Recherche und explorativen Vor-gesprächen wurden Interviewleitfäden für agierende „Experten“, d.h. VertreterInnen der Wis-

                                                            3 in Anlehnung an: BORTZ/DÖRING 2002, KOPP/LANGENHOFF/SCHRÖDER (2000) und WALLIS/ ROBERTS 1975

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senschaft, des Gesamtverbandes Steinkohle und Unternehmen der Bergbauzulieferer erar-beitet. Dokument- und Literaturanalysen zum Thema ergänzten dabei die Aussagen der Inter-viewten in den explorativen Expertengesprächen. Die halboffene Methode der anschließen-den problemzentrierten Experteninterviews war Ausdruck für einen Forschungsansatz, der sich zwischen der Erörterung von Fallanalysen – insbesondere auf Ebene der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie auf der Ebene der Zulieferbetriebe – und der Er-arbeitung von Handlungsvorschlägen bewegt.

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2 Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Bedeutung des Berg-

baus – der Status-quo

Seit Anfang der 1990er Jahre zählen regionale Branchenkonzentrationen bzw. Cluster zu den „Modebegriffen“ in der wirtschaftsgeografischen und regionalökonomischen Literatur sowie in den Praxisbereichen der Wirtschaftsförderung und Regionalpolitik. Der Begriff Clus-ter bezeichnet dabei nach PORTER4 eine räumliche Konzentration von Unternehmen, Dienstleistern, spezialisierten Zulieferern, Firmen verwandter Branchen sowie Institutionen (u.a. Forschungseinrichtungen), die in einer Wertschöpfungskette miteinander verbunden sind und die in Konkurrenz zueinander stehen. Obwohl die Globalisierung durch technischen Fortschritt und weltweite Liberalisierung voran-schreitet, war in den beiden vergangenen Jahrzehnten die Renaissance von Regionen un-übersehbar. Viele Produkte, Produktgruppen oder sogar Branchen werden demnach auch mit bestimmten Herkunftsregionen und Standorten in Verbindung gebracht – allerdings nicht erst seit jüngerer Zeit.5 Auf räumliche Konzentrationen von Unternehmen gleicher oder verwandter Branchen wiesen Ökonomen, wie Alfred MARSHALL; bereits Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts hin.6 Erst ein Jahrhundert später legte Michael PORTER mit seinem Werk über nationale Wettbewerbsvorteile7 den Grundstein für die Diskussionen über Cluster, welche seitdem zu einem populären Konzept in Wissenschaft, Wirtschaft und auch in der Politik avanciert sind.8 Nordrhein-Westfalen und insbesondere das Ruhrgebiet ist vor allem als Stahl- und Bergbau-standort bekannt. Zwischen diesen beiden traditionellen Industriezweigen hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein enges Geflecht wechselseitiger Beziehungen entwickelt. Wesentliche Bereiche der Wirtschaft orientierten sich an den Wechselwirkungen zwischen Kohlenförde-rung, Kohlenveredelung, Eisen- und Stahlerzeugung sowie -verarbeitung. Folglich sind Wirt-schaftszweige im Ruhrgebiet nur sehr selten aus sich selbst heraus entstanden, sondern haben sich in Wirkungen mit anderen entfaltet. Die Kehrseite des Prozesses dieser wechsel-seitigen Entwicklung ist jedoch unübersehbar: Geraten die traditionellen, großindustriell ge-prägten Branchen in die Krise, so drohen sozio-ökonomische Strukturbrüche, welche die gesamte Regionalwirtschaft und damit auch die lokale Bevölkerung betroffen. In den nachfolgenden Unterkapiteln wird die weiterhin hohe arbeitsmarkt- und wirtschafts-politische Relevanz des Bergbaus verdeutlicht. Darüber hinaus werden Kernelemente der in NRW zweifelsohne vorhandenen Branchenkonzentration, wie die mit dem Bergbau in unmit-

                                                            4 Siehe PORTER 1998 5 KIESE 2008, S. 9 f 6 Siehe MARSHALL 1890 und 1919 7 Siehe PORTER 1990 8 KIESE 2008, S. 9

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telbarer Verbindung stehenden Zulieferer, Forschungseinrichtungen sowie Bildungs-institutionen skizziert.

2.1 Arbeitsmarktpolitische Bedeutsamkeit und aktuelle Herausforderungen

Der fortschreitende Anpassungsprozess innerhalb des deutschen Steinkohlenbergbaus ver-läuft seit Jahrzehnten weitgehend ohne arbeitsmarktpolitische und soziale Brüche. Damit sich dies fortsetzt, haben sich die am Zustandekommen des Steinkohlefinanzierungs-gesetzes beteiligten Akteure (Bund, die Länder NRW und Saarland, RAG AG sowie IG BCE) auf die Einhaltung der Sozialverträglichkeit als wichtigste Prämisse bei der Rückführung der heimischen Steinkohlenförderung geeinigt. Gemäß eines Gutachtens der Wirtschafts-prüfungsgesellschaft KPMG stellt das Jahr 2018 den frühestmöglichen Zeitpunkt für eine Beendigung der subventionierten Steinkohlenförderung in Deutschland dar, bei dem kein Beschäftigter betriebsbedingt in den Arbeitsmarkt entlassen werden muss.9

2.1.1 Auswirkungen auf direkt Beschäftigte

Im Zuge der Anpassung des subventionierten Auslaufbergbaus lag die Förderkapazität im Jahr 2009 in Deutschland bei 13,8 Mio. t (und damit um 4,9 Mio. t unter der des Vorjahres) Die Zahl der Mitarbeiter sank dementsprechend auf ca. 18.500 (siehe Abbildung 1). Abb. 1: Beschäftigungszahlen im Steinkohlenbergbau zum 31.12.2009 Bergwerk Standort Schließung Beschäftigte Prosper-Haniel Bottrop revisionsabh. 4.507

Auguste Victoria Marl revisionsabh. 3.871

RAG Anthrazit Ibbenbüren revisionsabh. 2.339

West Kamp-Lintfort Ende 2012/2013 3.321

Saar Ensdorf 01.07.2012 2.461

Ost Hamm 30.09.2010 (2.121)

Lippe Gelsenkirchen 01.01.2009 -

Walsum Duisburg 01.07.2008 -

Gesamt 18.620

Quelle: eigene Darstellung nach RAG DEUTSCHE STEINKOLHE 2010

                                                            9 GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2010, S. 15

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Diese sinkende ökonomische und arbeitsmarktpolitische Relevanz des Steinkohlenbergbaus ist durch die Stilllegung der Bergwerke Walsum in Duisburg (Mitte 2008) und Lippe in Gel-senkirchen (Anfang 2009) sowie die Förderrücknahme und Teilstilllegung des Bergwerks Saar in Ensdorf im April 2008 zurückzuführen. Mit der Stilllegung des Bergwerks Ost in Hamm am 30.09.2010 setzte sich der Anpassungsprozess auch im vergangenen Jahr fort. Die endgültige Beendigung des Steinkohlenbergbaus im Saarrevier mit dem Auslaufen des Bergwerks Saar am 30.06.2012 bereits beschlossen. Darüber hinaus ist die Stilllegung des Bergwerks West in Kamp-Lintfort zum Jahreswechsel 2012/2013 vorgesehen. Die heimische Steinkohlenförderung wird sich ab 2013 auf nur noch drei aktive Bergwerke in Nordrhein-Westfalen konzentrieren: Prosper-Haniel in Bottrop, Auguste Victoria in Marl und RAG Anth-razit in Ibbenbüren an der Grenze zu Niedersachsen (siehe Abbildung 2). Abb. 2: Steinkohlenbergwerke in Deutschland

Quelle: GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2010, S. 14 Um die Operationalisierung dieser Vorgabe zu gewährleisten, waren und sind zahlreiche Maßnahmenpakete von Seiten des deutschen Steinkohlenbergbaus umzusetzen. Dazu zäh-len verschiedenartige, seit Jahren bewährte personalpolitische Instrumente – von Verlegun-gen auf andere Bergwerke oder in andere Unternehmensbereiche über den Vorruhestand,

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Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bis hin zur Hilfestellung bei der Existenz-gründung – und den Gesamtprozess begleitende tarifvertragliche Regelungen. Nichtsdesto-trotz sind die Bergwerkstandorte aufgrund dieser Entwicklungen von einer hohen personellen Fluktuation gekennzeichnet, die allen Beteiligten ein Höchstmaß an Solidarität und Flexibilität abverlangt. So nehmen Bergleute, die von der Stilllegung „ihres“ Bergwerks betroffen sind, schon seit Jahren immer wieder wechselnde Arbeitsorte in Kauf, in vielen Fällen verbunden mit langen Anfahrtswegen und sogar Umzügen mit der gesamten Familie. Besonders deutlich machen dies 1.700 Mitarbeiter des Bergwerks Saar, die wegen der Still-legung „ihres“ Bergwerks im Jahr 2012 auf die Bergwerke in Ibbenbüren oder an der Ruhr verlegt werden müssen (siehe Abbildung 3). Eine erste Gruppe von 80 Bergleuten aus dem Saarland wechselte bereits im April dieses Jahres auf das rund 460 km entfernte Bergwerk der RAG Anthrazit Ibbenbüren GmbH in Nordrhein-Westfalen. Abb. 3: Mitarbeiterverlegungen der RAG in den Jahren 2010 bis 2013

Quelle: GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2010, S. 15

2.1.2 Auswirkungen auf indirekt Beschäftigte

Geht man davon aus, dass auf jeden Arbeitsplatz im Bergbau 1,3 Arbeitsplätze bei Zuliefe-rern sowie regionalen Dienstleistern und Handwerksunternehmen entfallen, muss man von weiteren Arbeitsplatzverlusten in NRW ausgehen.10 Einer aktuellen Modellrechnung der PROGNOS AG zufolge, führt das Auslaufszenario 2018 bei trendmäßiger Entwicklung zu

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einem Verlust von über 40.000 Arbeitsplätzen in NRW – sofern der Strukturwandel nicht in Richtung auf zusätzliche neue Arbeitsplätze enorm beschleunigt werden kann.11

2.2 Das Bergbaucluster als Netzwerk von Großunternehmen, Zulieferern, For-schungs- und Ausbildungsinstitutionen

Das gesamte Ausmaß der Auswirkungen der Zechenschließungen – auch und gerade be-züglich möglicher Negativeffekte auf das Bergbaucluster bestehend aus Zulieferern, For-schungs- und Ausbildungsinstitutionen – ist noch nicht abzusehen. Sicher ist jedoch, dass bei einer Nichtreaktion der relevanten Akteure in den Kommunen, der wirtschaftsnahen Insti-tutionen, der Politik, der Gewerkschaften etc. hinsichtlich der sich abzeichnenden Entwick-lungen ganze Regionen von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden können, da – wie die nachfolgenden Ausführungen belegen – nicht nur an den Zechenstan-dorten Wertschöpfung stattfindet. Gekennzeichnet wird die Branche Bergbau in NRW vor allem durch Wertschöpfungsprozesse der Zulieferindustrie sowie Produktentwicklung und Know-how-Transfer seitens bergbauaffiner Forschungs- und Ausbildungsinstitutionen.

2.2.1 Rohstoffgewinnung an den Bergbaustandorten

Für die Rohstoffgewinnung an den Bergbaustandorten zeichnet sich die RAG Deutsche Steinkohle AG als Bergbausparte der RAG Aktiengesellschaft verantwortlich. In ihr sind alle in Deutschland aktiven Steinkohlebergwerke (Auguste Victoria, Prosper-Haniel, Saar, West) sowie die Kokerei Prosper in Bottrop gebündelt. Der Unternehmensbereich wird mit ca. 1,5 Milliarden € subventioniert, um etwa 12 Millionen Tonnen Steinkohle fördern und rund 2 Mil-lionen Tonnen Koks herstellen zu können. Die RAG Anthrazit Ibbenbüren GmbH ist die Bet-reiberin des Bergwerks in Ibbenbüren. Die Jahresförderung liegt bei etwa 1,9 Millionen Ton-nen hochwertiger Anthrazitkohle. Die RAG wurde im November 1968 gegründet und besteht nach Abschluss der Umorganisa-tion als Holding der genannten Unternehmensteile RAG Deutsche Steinkohle AG, RAG Anthrazit Ibbenbüren sowie der RAG Montan Immobilien, der RAG Ruhranalytik und der RAG Mining Solutions fort. Zum Jahresende 2007 sind die RAG Aktiengesellschaft und Evonik Industries in den Besitz der RAG-Stiftung übergegangen. Die Unternehmensstrategie 2012 der RAG Aktiengesellschaft war nach den kohlepolitischen Weichenstellungen im Jahr 2007 zu überprüfen und anzupassen. Aus dem kontinuierlichen Beschäftigungsrückgang ergibt sich, dass die Themen Qualifizierung und Know-how-

                                                                                                                                                                                          10 STEDEN/SCHLESINGER 2008, S. 56 11 ebd. 2010

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Sicherung im Unternehmen von besonderer Bedeutung sind.12 Da die Anforderungen seit längerem bekannt waren, begann das Unternehmen bereits pro-aktiv damit, sämtliche Mitar-beiter mit ihren Personalstammdaten, Qualifikationen und Fähigkeiten in zentralen Daten-banken zu erfassen. Diese Datenbasis ermöglicht zu erkennen, welche Mitarbeiter das Un-ternehmen zu welchem Zeitpunkt verlassen und welche Kenntnisse sowie Fähigkeiten mit den Weggängen verloren gehen. Mit Unterstützung der Datenbank kann unternehmensweit nach Know-how und dessen Trägern gesucht werden, um Nachfolgekandidaten zu identifi-zieren. Zur Bewältigung der Abgänge auf der Ebene der Führungskräfte erfolgt ergänzend eine um-fassende Nachfolgeplanung und -organisation. Zunehmend tritt durch den fortschreitenden Personalabbau das Problem auf, dass in der Belegschaft kein unmittelbar geeigneter Nach-folgekandidat vorhanden ist. Dies erfordert neben einer großen Flexibilität in der Belegschaft, andere Aufgaben als bisher zu erfüllen, auch die Bereitschaft neue Fertigkeiten zu erwerben. Für die RAG Aktiengesellschaft bedeutet dies die Herausforderung, die notwendigen Rah-menbedingungen für den Lernprozess zu schaffen und umfassend die notwendigen Qualifi-kationsmaßnahmen anzubieten. Ein wichtiges Element zur Sicherung der flexiblen Einsatzmöglichkeiten innerhalb der Beleg-schaft ist der zum 01.07.2009 in Kraft getretene „Tarifvertrag zur sozialverträglichen Flexibili-sierung des rheinisch-westfälischen und des Ibbenbürener Steinkohlenbergbaus“. Dieser Tarifvertrag und die begleitenden Betriebsvereinbarungen gelten für alle Mitarbeiter, die künftig die Voraussetzungen für den Bezug von Anpassungsgeld erfüllen werden. Er beinhal-tet verschiedene Verpflichtungen für genannten Beschäftigtenkreis, um die notwendigen Maßnahmen zur Flexibilisierung umsetzen zu können. So haben die Beschäftigten z. B. an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und können bundesweit im deutschen Steinkoh-lenbergbau versetzt werden. Sie können ebenfalls zur Arbeitnehmerüberlassung an dritte Unternehmen herangezogen werden. Im Gegenzug bekommen diese Beschäftigten tarifver-tragliche Rechte, die einen erweiterten Kündigungsschutz oder auch Entgeltsicherung ein-räumen.

2.2.2 Zulieferer

Die Vorleistungsbezüge der RAG Deutsche Steinkohle, d.h. die Ausgaben für laufende Be-stellungen und laufende Investitionen, ziehen nicht nur beträchtliche direkte, sondern auch indirekte Effekte im Bergbauzuliefersegment nach sich. Hierbei sind hinsichtlich der wert-schöpfungsinduzierenden Ausgaben Effekte für die unmittelbaren und mittelbaren Vorleis-tungsbranchen zu unterscheiden.

                                                            12 GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2010, S. 24

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Da die Datenlage bezüglich der indirekten Vorleistungssektoren, also der von den Ausgaben profitierenden mittelbaren Vorleistungsbranchen unübersichtlich ist, lassen sich nur belastba-re Zahlen für die direkten Effekte finden. Diese beziehen sich auf die unmittelbaren Vorleis-tungsbranchen und beziffern die Ausgaben für den Bezug von Maschinen (Bergbaumaschi-nenhersteller) ebenso wie für die Leistungen der unternehmensbezogenen Dienstleister hin-sichtlich von Reparaturen und Dienstleistungen aller Art für den Bergbau. So kommt PROGNOS zu dem Ergebnis, dass „der gesamte deutsche Steinkohlenbergbau ein Ein-kaufsvolumen von 2,119 Mrd. € pro Jahr“ aufweist, inkl. DSK Anthrazit Ibbenbüren, Energie und Bergschadensabgeltungen. Weiterhin kommen aktuelle Studien zu dem Fazit, dass neben der bundesweiten Sicherung von Arbeitsplätzen im Bergbau selbst, vor allem das Beschaffungsvolumen des Ruhrberg-baus im verarbeitenden Gewerbe und seinen Vorleistungsbranchen, von außerordentlicher beschäftigungspolitischer Bedeutung ist. Neben den noch derzeit ca. 18.500 Beschäftigten im Bergbau sind allein im Umfeld der Bergbauzulieferindustrie in NRW etwa 21.500 Men-schen in etwa 275 Unternehmen beschäftigt. Dies bedeutet, dass vom Bergbau rund 40.000 Beschäftigte direkt oder indirekt abhängig sind. Entsprechend bildet das Segment der Bergbauzulieferbetriebe einen der wohl wichtigsten Wirtschaftszweige Nordrhein-Westfalens. Bundesweit ist nach Zahlen aus dem Jahr 2005 von ca. 4.000 Unternehmen auszugehen, die das gesamte Spektrum des Vorleistungssek-tors für den deutschen Steinkohlenbergbau abdecken, wobei ein Großteil der Unternehmen in NRW – und hier vor allem im Umkreis der Bergbaustandorte des Ruhrgebiets und des Niederrheins – ansässig sind. Um die regionalwirtschaftliche und beschäftigungspolitische Bedeutung des Wirtschaftszweiges Bergbauzulieferer bewerten zu können, ist dieses Seg-ment im Kontext der Wertschöpfungsprozesse, die durch den Bergbau regionalspezifisch induziert werden, einmal genauer zu betrachten. Vom Beschaffungsvolumen von ca. 2,0 Mrd. € (in 2006!) entfallen auf das Bundesland NRW 86 Prozent (1,7 Mrd. €) und auf das Ruhrrevier 79 Prozent (1,58 Mrd. €). Aufgrund dieser Werte lässt sich erkennen, wie stark der Wirtschaftsfaktor DSK in der Region ist. Eine Erklä-rung hierfür besteht darin, dass viele Vorleistungsgüter wie z. B. Schilde innerhalb Deutsch-lands nur in NRW produziert werden (können). Schrumpft das Auftragsvolumen der DSK, so wirkt sich dies unmittelbar auf die Bergbauzulieferer und mittelbar auf deren Vorleister aus. Extrapoliert auf die vollständige Einstellung des Ruhrbergbaus 2018 würde der Abbau an Arbeitsplätzen im Bergbau, wie er derzeitig mit 6 bis 11 Prozent jährlich durchgeführt wird, zu einem erheblichen Beschäftigungseinbruch vor allem im Produzierenden Gewerbe im Ruhr-gebiet führen. Dies dürfte die Beschäftigungssituation im Ruhrgebiet negativ beeinflussen. Wie dramatisch die Veränderungen sind, lässt sich daran ablesen, dass innerhalb eines Jah-res von 2006–2007 sich das Bestellvolumen der DSK von 1,7 Mrd. € auf 1,6 Mrd. € reduziert hat. Ein um 100 Mio. € geringeres Nachfragevolumen bedeutet letztlich, dass auch das Pro-duktionsvolumen in den nachfolgenden Sektoren der Wertschöpfungskette erheblich ge-

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schmälert wird. Dies schlägt letztlich – vorausgesetzt, dass es sich um eine entsprechend regionale Verdichtung in Form eines Kompetenzstandortes der Zulieferindustrie handelt – bis auf den lokalen Einzelhandels- und Dienstleistungsbereich durch.

2.2.3 Ausbildung

Der Anpassungsprozess im deutschen Steinkohlenbergbau stellt alle Betroffenen vor große Herausforderungen. Bereits bis zum Jahr 2012 werden große Teile der Belegschaft auf allen Ebenen aus der Beschäftigung im Steinkohlenbergbau in den Ruhestand ausscheiden oder in andere Unternehmen wechseln müssen – unabhängig davon, ob am Ende ein Auslaufen der Förderung im Jahr 2018 steht oder aber langfristig ein Steinkohlenbergbau sichergestellt wird. Die ausscheidenden Beschäftigten sind Träger von Wissen und Können. Ihr Know-how ist für die Sicherstellung des Produktionsbetriebs unverzichtbar. Deshalb steht der Stein-kohlenbergbau vor den Aufgaben, dieses Know-how zu erhalten und die verbleibenden Mit-arbeiter und technischen Betriebsmittel weiter effizient einzusetzen. Begleitend sind in noch größerem Ausmaß als bisher, Maßnahmen für einen optimalen Arbeits- und Gesundheits-schutz zu entwickeln und umzusetzen. Abb. 4: Fachrichtungen der Auszubildenden im Steinkohlenbergbau 2010

Quelle: GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2010, S. 16 Betroffen vom Anpassungsprozess ist aber nicht nur die Stammbelegschaft. Trotz der Not-wendigkeit, die Personalzahlen stetig an die geringer werdende Förderung anzupassen, zählt der Steinkohlenbergbau hierzulande doch noch immer zu den größten Ausbildern. Ob-wohl auch in diesem Bereich die Zahl der Stellen zwangsläufig zurückgeht, konnten im Jahr 2010 wieder 280 junge Menschen ihre Ausbildung bei der RAG Aktiengesellschaft beginnen. Das Unternehmen beschäftigt zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres knapp 1.100 Auszu-bildende (siehe Abbildung 4). Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Industriemechani-ker, Elektroniker für Betriebstechnik, Mechatroniker sowie im kaufmännischen Bereich. Da-

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mit kommt der deutsche Steinkohlenbergbau noch immer einer regionalen Verpflichtung nach, wenngleich der Anteil an Arbeitsplätze für geringer qualifiziert Beschäftigte und damit die Sozialfunktion des Bergbaus in den vergangenen Jahren stetig gesunken ist.

2.2.4 Forschung und Entwicklung

Das Vorhandensein von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten ist kennzeichnend für ein Cluster im Sinne von PORTER, aber insbesondere elementar, um über Prozess- und Pro-duktinnovationen den Modernisierungsprozess einer Branche mit zunehmender Reife und Spezialisierung aufrecht zu erhalten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewähr-leisten. Im Falle der Steinkohle zeigt sich, dass die F&E-Kapazitäten und auch die F&E För-derung im gesamten Kohlensektor seit Jahren rückläufig sind. Deutlich wird dies z. B. an der stetig sinkenden Anzahl an Forschungsprojekten, die vom Europäischen Forschungsfonds für Kohle und Stahl für die Kohlegewinnungstechnologie in Deutschland bezuschusst wer-den. 13 Diese rückläufigen Tendenzen drohen sich nach Ansicht des GVSt künftig noch zu verschärfen. Die europäische Koordinierung im Themengebiet der Forschung wird über den europäischen Branchenverband EURACOAL in Brüssel koordiniert. Auf dieser Plattform werden die Interessen der Mitglieder (wie etwa des GVSt) gebündelt, u.a. zur Erlangung von Drittmitteln für die kohlebezogene Forschung. Nach Einschätzung von WODOPIA stehen zukünftig Fragen der rohstofflichen Nutzung von Kohle, vor allem in Hinblick auf Kokskohle und Koks, künftig möglicherweise auch im Verbund mit der chemischen Industrie noch stär-ker im Mittelpunkt der Forschung.

                                                            13 Das Forschungsprogramm des Forschungsfonds für Kohle und Stahl ist ein eigenständiges ergän-zendes Programm zum Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft. Es erstreckt sich auf alle Aspekte von Kohle und Stahl – von der Produktion bis hin zur Anwendung – sowie auf die Nutzung und Umwandlung der Ressourcen, die Sicherheit am Arbeitsplatz und den Umweltschutz. Ziele des Programms sind u.a. die Verbesserung der Wettbewerbsposition der Gemeinschaftskohlle Gesund-heitsschutz und Sicherheit im Bergbau.

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3 Antizipation der Herausforderungen

Durch die Kohlebeschlüsse des Jahres 2007 in Perspektive auf 2018 wurde ein Zeitfenster geschaffen, das es insbesondere den Kommunen, Zulieferern sowie der RAG/DSK und de-ren Kooperationspartnern erlaubt, rechtzeitig die Herausforderungen und Konsequenzen des Auslaufbergbaus für die eigene Handlungsebene zu erörtern und nach Wegen hinsichtlich des Umgangs und der Steuerung des Kohleausstiegs für die eigene Institution zu suchen. Damit schreitet der Strukturwandel im Ruhrgebiet weiter voran. Doch haben die Region und alle Akteure in der Vergangenheit einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit den Her-ausforderungen des strukturellen Wandels aufgebaut, auf den nun wieder zurückgegriffen werden kann. Denn durch die strukturellen Umbrüche im Ruhrgebiet und dem daraus resul-tierenden Handlungsbedarf wurde bereits in der Vergangenheit nach Konzepten und Instru-menten zur regionalen Revitalisierung und nach Lösungen für das „post-montanindustrielle Ruhrgebiet“ gesucht.14 Die eingetretene Situation der zeitlichen Fixierung des „Auslaufbergbaus“, lässt nun einen antizipatorischen und ganzheitlichen (d.h. akteursübergreifend und strategischen) Hand-lungsansatz für die Beendigung der subventioniernten Steinkohlenförderung und mögliche Kompensationsmaßnahmen sinnvoll erscheinen.15 Ein solcher Handlungsansatz muss nicht auf „ad hoc Maßnahmen“ fußen; so wie etwa Politik und Gewerkschaften Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen fordern und entwickeln, wenn auf akute Krisenreaktion wie bei (schein-bar) unvermittelten betrieblichen Restrukturierungen (BenQ, Nokia, AEG Nürnberg etc.) mit hohen Beschäftigungsverlusten und regionalen Kaufkraftverlusten reagiert werden muss.

3.1 Erfahrung nutzen – zukunftsfähig sein

Der Begriff Antizipation stammt aus dem Lateinischen. Das Verb „antecapere“ kann mit „vorwegnehmen“ übersetzt werden und bedeutet von der Begrifflichkeit der Antizipation die individuelle oder kollektive Vermutung im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen oder Ereig-nisse aufgrund

• gemachter Erfahrungen,

• erkannter Gesetzmäßigkeiten und Kausalitäten in Handlungszusammenhängen sowie

• der gedanklichen Vorwegnahme zukünftiger Ereignisse oder Geschehnisse.

Eine Antizipation zukünftiger Ereignisse erteilt allerdings nicht Auskunft über das was ist oder deduzierbar sein wird, sondern zeugt vielmehr von Erfahrungen, dem Wollen und dem Han-deln von Menschen im Umgang mit zukünftigen Entwicklungen – in vorliegendem Fall von

                                                            14 WISSEN/RÖTTGER 2005, S. 217 15 Siehe dazu HEINZE, der ein integriertes und effizientes Standortentwicklungsmanagement im struk-turellen Wandel vorschlägt (ebd. 2006a, S. 154).

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den Herausforderungen durch die Beendigung der Steinkohleförderung in der Bundesrepub-lik Deutschland. Das Vermögen des Menschen zur Antizipation zukünftiger Ereignisse wird von RAUSCHENBACH als wesentlicher Bestandteil der gesellschaftlichen Innovationskraft inter-pretiert.16 Denn die Herausforderungen des Menschen, sich auf veränderte Lebens- und Wirtschaftsbedingungen einstellen zu können und geeignete Lösungen zur Zukunftssiche-rung zu entwickeln, sind für die Entwicklung von Innovationen elementar. Die Fallstudie Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH wird dies später im Text belegen.

3.2 Sukzessive Erschließung neuer Märkte mit neuen Produkten

Im Rückgriff auf den hier eingeführten Begriff der Antizipation erwarten Akteure Ereignisse aufgrund eigener Einschätzungen und Erfahrungen oder auf der Basis von Informationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen und richten ihr Handeln darauf aus. So wie ein erfahrener Torwart sich am Bewegungsablauf und Stellungsspiel der Feld-spieler orientieren und sich für den Schutz seines Tores optimal positionieren kann.

Dieses Antizipationspotential ist (unabhängig von der Affinität zum Fußball) auch in der Re-gion vorhanden. So zeigt das Beispiel des Ruhrgebiets nach den Untersuchungen von KIESE, dass Reifung, Spezialisierung und Innovation in einer Region und in Kompetenzfel-dern von einer kontinuierlichen Erneuerung des Unternehmensbestandes und durch Erfah-rungen sowie durch Offenheit für Kooperationen und Lernprozesse bei Unternehmen und Politik begleitet werden.17 Wichtige Kernelemente des montanindustriellen Kompetenzbesat-zes im Ruhrgebiet konnten in der Vergangenheit durch Spezialisierung und Produktinnovati-on erhalten und profitabel weiterentwickelt werden.18 Spezialstähle, neue Verbundwerkstoffe oder Produkte der Bergbaufördertechnologie sind dafür prominente Beispiele.19

Diese Herausforderungen kommen nun noch stärker auf Unternehmen und Forschungsein-richtungen im Kompetenzfeld Steinkohlenwirtschaft zu, wenn sie ihre Beschäftigungspotenti-ale, ihre Wirtschaftskraft und Technologieführerschaft halten wollen. Vor allem die Unter-nehmen und Beschäftigten der Zulieferindustrie (von technologieorientierten Unternehmen bis zu Handwerksbetrieben und lokalen Dienstleistern) müssen sich auf die Stilllegungsbe-schlüsse ggf. mit Produkt- und Prozessinnovationen und insbesondere der Erschließung neuer Märkte und Kundengruppen einstellen, wenn einer ihrer Schlüsselkunden wegbricht.

                                                            16 RAUSCHENBACH 1972, S. 25f. 17 KIESE 2007, S. 18 18 Interview BARTELS 19 SCHNITZMEIER 2005, S. 5

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4 Betroffenheit und Reaktionen – die Verflechtung zwischen Berg-bau, Zulieferern und Hochschulen

Deutschland und insbesondere NRW verfügen über eine leistungsfähige Bergbau- und Zulie-ferindustrie. Auf der Basis der heimischen Rohstoffgewinnungsbetriebe und der langen mon-tanindustriellen Tradition hat sich eine exportstarke Branche entwickelt. Durch den gegensei-tigen Erfahrungsaustausch und das Zusammenspiel zwischen den Bergbaubetreibern, den Zulieferern und nicht zuletzt den Hochschulen konnte sich eine bergbauliche Kernkompetenz entwickeln, die nach Einschätzung der NRW-INTERNATIONAL weltweit ihresgleichen sucht.20 Agglomerationsvorteile, Netzwerke, Kooperationen und Konkurrenz sowie das ge-samte montanindustrielle Milieu haben diese Entwicklung über Jahrzehnte mitgeprägt. Der Anpassungsprozess im deutschen Steinkohlenbergbau bis 2018 stellt nun alle Betroffe-nen vor große Herausforderungen. Von der Reduzierung der Fördervolumina und dem Ab-bau der Belegschaft der RAG/DSK (siehe Abbildung 5) werden auch die Zulieferer und ver-bundenen Unternehmen tangiert. Abb. 5: Die schrittweise Reduzierung der Fördermengen und Belegschaften

Quelle: Zur Verfügung gestellt von der RAG-Stiftung nach DSK/RAG 2008 Allein das externe Beschaffungsvolumen der DSK/RAG betrug im Jahr 2007 1,28 Mrd. Eu-ro.21 Davon entfielen auf den bergbautechnischen Kompetenzstandort NRW 85 Prozent. Mit

                                                            20 NRW-INTERNATIONAL 2009 21 Siehe dazu WODOPIA 2008, S. 2

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der schrittweisen Reduzierung der Fördermengen und der sukzessiven Stilllegung weiterer Zechen werden sich diese Ausgaben zukünftig massiv reduzieren. Mit dem sich verringern-den Beschaffungsvolumen und der Stilllegung aller Zechen ist davon auszugehen, dass sich Standortnachteile für die Bergbauzulieferindustrie und die Arbeitsplätze der Branche ergeben können. Es ist auch davon auszugehen, dass Impulse für Neugründungen von bergbautech-nischen Unternehmen ausbleiben und mittel- bis langfristig ein bergbautechnischer Kompe-tenzverlust in der Region eintreten wird. Bereits bis zum Jahr 2012 werden große Teile der Belegschaft der RAG/DSK auf allen Ebe-nen aus der Beschäftigung im Steinkohlenbergbau in den Ruhestand ausscheiden oder an andere Standorte bzw. in andere Unternehmen wechseln müssen – unabhängig davon, ob langfristig ein subventionsfreier Steinkohlenbergbau sichergestellt werden bzw. ein Refe-renzbergbau zu F&E-Zwecken weiterbetrieben werden kann. Die Beschäftigten in der ge-samten bergbaulichen Wertschöpfungskette werden als wichtige Kompetenzträger charakte-risiert.22 Ihr Know-how ist daher sowohl für die Sicherstellung des laufenden Produktionsbe-triebs als auch für die Positionierung der Bergbauindustrie mit ihren F&E-Kapazitäten und den Bergbauzulieferern unverzichtbar. Deshalb steht der gesamte heimische Steinkohlen-bergbau vor den Aufgaben, dieses Know-how zu erhalten. Landesinitiative Bergbauzulieferer und die Strategie der Internationalisierung Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unterstützt daher seit vielen Jahren die Aktivitäten der Bergbauzulieferer, neue Auslandsmärkte zu erschließen. Über die Landesinitiative Berg-bautechnik hat Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung von Unternehmen, dem Fachverband Bergbaumaschinen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), der Fachvereinigung Auslandsbergbau und internationale Rohstoffaktivitäten (FAB), Hochschu-len und mit der NRW.International GmbH dazu ein Netzwerk aufgebaut, welches eine opti-male Unterstützung der Unternehmen gewährleisten soll. Zu den Maßnahmen der Landesini-tiative gehören beispielsweise branchenspezifische Messebeteiligungen im In- und Ausland, die Veranstaltung von Symposien und Workshops, die Nutzung von Kontaktbüros und der Abschluss von Kooperationsverträgen in Schlüsselländern der Rohstoffgewinnung. Der Kompetenzerhalt des heimischen Bergbaus wird auch davon abhängen, wie gut es ge-lingt, die vorhandenen Bergbauzulieferbetriebe und deren traditionellen Produkte durch die Hochtechnologien, die in Forschungseinrichtungen und an Hochschulen entwickelt werden, zu ergänzen bzw. aufzuwerten und mit dem Rückgang des heimischen Marktvolumens noch stärker international auszurichten. Ein Beispiel dafür liefert die RAG Mining Solutions GmbH. Seit Mai 2009 ist sie als jüngstes Tochterunternehmen der RAG operativ tätig. Angesichts eines weltweit steigenden Förderaufkommens an Steinkohle und dem damit erhöhten Bedarf an modernem Equipment vermarktet sie international das vorhandene Bergbau-Know-how und Ausrüstung.

                                                            22 GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2010, S. 22

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Doch auch an den Hochschulen und den Forschungseinrichtungen hängt viel von der zu-künftigen Entwicklung der Bergbauzulieferindustrie und ihren internationalen Perspektiven ab. Da die Bergbauzulieferindustrie ein weit verzweigter und hochkomplexer Bereich ist, zu dem u.a. Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik gehören, werden eine Vielzahl von Studiengängen und Institute durch die heimische Bergbautechnik beeinflusst. Dabei geht es neben der wissenschaftlichen Forschung und der akademischen Ausbildung auch um wirt-schaftliche Interessen der Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die auch auf Drittmit-telaufträge angewiesen sind. Zunächst soll der Blick jedoch auf die Bergbauzulieferer gerich-tet werden.

4.1 Bergbauzulieferer

Einen wichtigen Wirtschaftszweig in Nordrhein-Westfalen bildet das Segment der Bergbau-zulieferbetriebe. Bundesweit ist nach Zahlen aus den Jahren 2008/2009 von ca. 4.000 Un-ternehmen auszugehen, die das gesamte Spektrum des Vorleistungssektors für den deut-schen Steinkohlenbergbau abdecken. Rund 80 Prozent der Unternehmen sind in NRW – und hier vor allem im Umkreis der Bergbaustandorte des Ruhrgebiets und des Niederrheins – ansässig.23 Diese Unternehmen bilden mit ihren rund 25.000 Beschäftigten einen zentralen Faktor des „Kompentenzfeldes Steinkohle“ in der Region.24 Der Wirtschaftszweig Bergbauzulieferer kann als sehr heterogen charakterisiert werden. Der dementsprechend weite Begriffsumfang dieser Kategorie lässt es zu, dass technische, tech-nologische, handwerkliche und serviceorientierte Leistungen unterschiedlichster Anbieter und verschiedenster Branchen, die für die Organisation der Produktionsprozesse im Berg-werk erforderlich sind, zu einer abstrakten Einheit zusammengefasst werden können. Grob vereinfacht lassen sich zwei Segmente differenzieren. Zum einen in die Branche der Berg-bauzulieferindustrie und zum anderen in die der unternehmensnahen Dienstleister, zu denen die handwerklichen Dienstleister ebenso gehören, wie die Dienstleister der Facility Branche (Haustechnik, Wartung, Sicherheit), der Ingenieurdienstleistungen oder der Logistik.25 Von besonderer volkswirtschaftlicher, wie ebenso regionaler Bedeutung ist die Branche der Bergbauzulieferindustrie mit ihren Sparten Bergbautechnik, worunter der Maschinen- und Anlagebau, der Stahlbau, aber ebenso auch die Elektrotechnik zu subsumieren sind. Hierzu gehören rund 15.000 Beschäftige, die einem Umsatz von rund 3,5 Mrd. € im In- und Ausland in den nachfolgend genannten Segmenten erwirtschaften:

• Abteuftechnik, • Gewinnungstechnik (Untertage), • Kohlenbrecher,

                                                            23 Siehe hierzu: PROGNOS AG 2007, S.27 und VEREINIGUNG ROHSTOFFE UND BERGBAU e.V. 2009 24 Interview GESSNER/KAISER 25 JOCHUMS 1996, S. 454

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• Tiefbohranlagen, • Antriebsaggregate, • Elektrische Ausrüstungen und Steuerungen, • Bohr- und Vortriebstechnik, • Förder- und Transporttechnik, • Ausbausysteme und Versatztechnik, • Tagebau-Ausrüstungen, • Druckluft- und Hydraulikwerkzeuge, • Messgeräte und Sicherheitseinrichtungen, • Wetterführungstechnik, • Aufbereitungstechnik (Siebe, Waschanlagen etc.) sowie • Pumpen und Verdichter.26

Die in diesen Bereichen agierenden Unternehmen sind zur Weiterentwicklung ihres Portfo-lios stark von ihren eigenen F&E-Kapazitäten und der Kooperation mit Kunden und externen produktionsnahen Dienstleistern abhängig. Sie decken in der Regel ein breites Spektrum an Leistungen und Produkten ab, ihre bergbaubezogenen Sparten befinden sich in einer mehr oder weniger starken Bindung an die RAG/DSK (insbesondere im Hinblick auf die technolo-gische Fortentwicklung ihrer Produkte), sind auch abhängig von deren Vergabevolumen. Nach Einschätzung von WODOPIA war die Abhängigkeit der Zulieferbetriebe vom heimi-schen Steinkohlenbergbau früher sehr hoch, hat aber mit dem Rückgang der Fördervolumen in der Vergangenheit stark nachgelassen. Dennoch besteht dieses Abhängigkeitsverhältnis nach wie vor, insbesondere wenn es um die Entwicklung neuer Produkte geht. Unerlässlich sind seiner Einschätzung nach die teuren Versuchsstände, welche die Entwicklung von neu-en Produkten zunächst kleinmaßstäbig zu realisieren helfen. Gerade hier haben die Hoch-schulen im Verbund mit den Zulieferern über Jahre hinweg hohes Know-how aufgebaut. Soll-te dies durch die Konsequenzen der Stilllegungsbeschlüsse verloren gehen, besteht die Ge-fahr des Verlustes der Technologiefüherschaft in vielen Bereichen, die über den eigentlichen Bergbau hinausgehen. In NRW können ca. 120 überwiegend mittelständische Unternehmen der Sparte Bergbautechnik zugeordnet werden, welche die gesamte Palette der Tief- und Tagebautechnik in allen Bergbauzweigen abdeckt.27 Diese regionale Verdichtung schafft(e) an vielen Standorten Probleme, da das Vergabevolumen der RAG/DSK analog zum Auslauf-prozess stetig reduziert wurde und auch weiterhin zurückgefahren wird.28 Denn Nach Be-rechnungen der RAG/DSK wird sich das Bestellvolumen der DSK von 2,4 Mrd. € im Jahr 2007 auf nur noch 1,1 Mrd. € in 2012 nahezu halbiert haben, so dass mit erheblichen Einbu-

                                                            26 Siehe zum generellen Profil und der Marktentwicklung der Bergbauzulieferer den Bericht der SUSTAIN CONSULT 2005 27 Zahlen nach GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2007, S. 55f. 28 Lünen ist ein solcher Schwerpunkt, in Gelsenkirchen sind allerdings nur noch wenige Zulieferer-betriebe der Branche Bergbautechnik ansässig. die Unternehmen hätten aufgrund der Entwicklung des Steinkohlebergbaus neue Geschäftsfelder erschlossen. Es kommt zu Konzentrationsprozess in einem schrumpfenden Markt.

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ßen für die gesamte Zulieferindustrie zu rechnen ist.29 Die DSK schätzt weiter, dass bis 2012 dadurch 1.200 Betriebe in ihrer Existenz gefährdet seien.30 Abb. 6: RAG/DSK Auftragsvolumina 2008 an NRW Zulieferbetriebe

Einkäufe in NRW

213

132

117

102

98

77

60

53

51

50

31

26

26

16

0 50 100 150 200 250

Übrige

Kreis RE

Essen

Bochum

Dortmund

Gelsenkirchen

Kreis WES

Mühlheim

Kreis UN

Hamm

Duisburg

Oberhausen

Herne

Bottrop

Stand: 2008: Summe NRW = 1.008,8 Mio. Euro (ohne MwSt.)

Quelle: Pressedienst der RAG 2009 Welche tatsächlichen Auswirkungen beobachtbar sind und welche Strategien der Unterneh-men existieren, um die Abhängigkeit vom heimischen Bergbau zu verringern oder sich im Zuge des Auslaufbergbaus aus den Geschäftsbeziehungen mit der DSK allmählich zu lösen, wird noch zu diskutieren sein. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass sich angesichts des weltweiten Roh-stoff- und Energiebedarfs sich auch weiterhin hervorragende Absatzperspektiven für die glo-bal aufgestellten Unternehmen der Bergbauzulieferindustrie bieten. Denn die in den letzten Jahren im heimischen Bergbau erfolgten Fortschritte, insbesondere hinsichtlich der techni-schen Bewältigung von schwierigen Abbaubedingungen in den großen Teufen, räumen die-sen Technologieführern mit ihren innovativen Produkten noch erhebliche Marktchancen ein. Indem die Produkte den Anforderungsprofilen eines effizienten, wirtschaftlichen und sicheren Abbaus entsprechen, ist davon auszugehen, dass diese Unternehmen sich mit entsprechen-den Zuwächsen an Umsatz und auch Beschäftigung in globalen Märkten immer besser auf-stellen werden.31

                                                            29 Siehe TÖNJES 2007 in seiner Stellungnahme zum Steinkohlefinanzierungsgesetz 30 LANDTAG INTERN 2006, S. 16 31 So der „Branchenportrait Bergbaumaschinen“ des VDMA 2008, S. 5 ff.

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Während der Steinkohlenbergbau in Deutschland als „Auslaufmodell“ dargestellt wird, sieht die Situation global völlig anders aus. Die Internationale Energie Agentur (IEA) prog-nostiziert, dass die Energienachfrage weltweit pro Jahr bis 2030 um jährlich 1,8 Prozent zu-nehmen wird. Bis 2030 steigt der weltweite Energieverbrauch in der Summe um voraussicht-lich 55 Prozent. Dies nicht zuletzt aufgrund der beobachtbaren Wachstumstrends in der Energieentwicklung der beiden Wirtschaftsgiganten Indien und China.32 Hinzu kommt, dass angesichts dynamisch steigender Öl- und Gaspreise Kohle als Brennstoff für die Grundlast-stromerzeugung immer wettbewerbsfähiger wird. Bis 2030 werden auf China und Indien vier Fünftel der gesamten Steigerung des Kohleverbrauchs entfallen. Um marktadäquat auf die Situation nachlassender Nachfrage des heimischen Steinkohlen-bergbaus reagieren zu können, schlugen viele Unternehmen den Weg einer strategischen Neuorientierung bereits frühzeitig ein.33 Zwei Strategien können dabei identifiziert werden: Die Entwicklung bergbauunabhängiger Produktlinien und die verstärkte Erschließung inter-nationaler Märkte mit der bergaulichen Kernkompetenz. Vergleichbar mit der nachfolgend noch eingehender zu diskutierenden erfolgreichen Neuori-entierung der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisen Gießerei GmbH, existieren auch eine Vielzahl von Erfolgsgeschichten mittelständischer Unternehmen, die sich als Zulieferer der Bergbautechnik von den Geschäftsverbindungen mit der DSK weitgehend unabhängig gemacht haben, indem sie sich auf andere Märkte ausgerichtet, in Forschung und Entwick-lung investiert und neue Geschäftsfelder entwickelt haben.34

4.1.1 Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH

Die Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik gehört wahrscheinlich zu den traditionsreichsten Unter-nehmen des Ruhrgebiets. Allein die rund 150-jährige Firmengeschichte deutet darauf hin, dass es sich hierbei um ein Unternehmen handelt, dass die Industrialisierung im Cluster von Bergbau, Stahlindustrie und Maschinenbau aktiv mitgestaltet hat. 1864 wurde Eickhoff in Bochum als Eisengießerei gegründet und lieferte für den Bergbau Räder für Grubenwagen. Seine Bergbausparte hat Eickhoff bei allen Diversifizierungsstrategien niemals aufgegeben. Nach wie vor werden im Segment Bergbautechnik Walzenlader, Teilschnittmaschinen und Baggeranbaufräsen hergestellt. Als Marktführer von Bergbaumaschinen der schneidenden Gewinnung bietet Eickhoff ebenso auch robuste Getriebe zum Antrieb von Strebförderern an. Dennoch war – aufgrund der Krisenerscheinungen des Bergbaus und der daraus resul-

                                                            32 INTERNATIONALEN ENGERIE AGENUTUR 2007, S. 3 33 Dazu die Analyse der SUSTAIN CONSULT (Hrsg.) 2005 zur Bergbautechnik NRW 34Siehe IG Metall 2009, insbesondere den Verweis auf die Innovationsfähigkeit der Bergbauzulieferer im Rahmen der „Besser statt Billiger Strategie“

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tierenden schwankenden Nachfrage- und Absatzlage – Eickhoff auch stets bemüht, seine Abhängigkeit von nur einem Großkunden zu minimieren.35 So versuchte Eickhoff schon Mitte der 1970er Jahre die enge Bindung an den Bergbau mit Produkten für andere Wirtschaftzweige, wie etwa der Produktion von Verpackungs-maschinen zu reduzieren. Dieser Strategie – sich vom Produktportfolio her möglichst breit aufzustellen, zugleich jedoch das traditionelle Kerngeschäft operativ weiterzuführen – ist Eickhoff bis auf den heutigen Tag treu geblieben. Hierzu Heinrich DENNINGER (2005), Betriebsratsvorsitzender von Eickhoff Bochum bei ei-ner Veranstaltung der IG Metall: „Für uns sind zwei Dinge entscheidend gewesen: Als Berg-bauzulieferer auch auf neue Märkte zu gelangen und einen permanenten Verbesserungs-prozess in Gang zu halten.“36 Im Laufe der letzten 20 Jahre musste sich die Firma Eickhoff entscheidend verändern, bzw. ihre Geschäftsfelder und damit auch ihre Unternehmensorganisation restrukturieren. Denn noch vor „20 Jahren hat Eickhoff 100 Prozent Bergbau geliefert. Und davon ging die Hälfte ins Inland. Das Inland ist nun fast völlig weggefallen.“37 so Geschäftsführer RHEINLÄNDER (2007) im Interview im Deutschlandradio. Im Expertengespräch mit dem Betriebsrat DENNINGER verwies dieser auf eine verbleibende heimische Nachfrage von nur noch 4,5 Prozent für das Jahr 2010. Diese Zahl macht den Veränderungsprozess deutlich, den Eick-hoff erfolgreich durchlaufen hat. Im Hinblick auf die seit Jahren rückläufigen Marktaussichten im heimischen Bergbausegment wurde die Eickhoff-Gruppe 2002 neu strukturiert. Die Eickhoff Maschinenfabrik und Eisen-gießerei GmbH agiert nunmehr als übergeordnete Administrationseinheit von vier operativen Gesellschaften. Bei den operativen Gesellschaften handelt es sich um die

• Eickhoff Bergbautechnik GmbH mit den Geschäftsfeldern Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von Wal- zenladern und Teilschnittmaschinen für den Berg- und Tunnelbau sowie die • Eickhoff Maschinenfabrik GmbH

Gerade an dem Geschäftsfeld Antriebstechnik wird deutlich, dass Eickhoff mit dieser Kern-kompetenz ein breites Branchenspektrum anzielt, indem kundenspezifische Getriebelösun-

                                                            35 VDMA 2008, S. 75 36 Zitiert nach IG METALL Bezirk NRW 2005 vom Vortrag von DENNINGER, Heinrich, Betriebsrats-vorsitzender Gebr. Eickhoff GmbH in Bochum auf der IGM Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Bergbautechnik am 9.11.2005 in Hamm. 37 Zitiert nach DEUTSCHLANDFUNK 2007

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gen für nahezu alle industriellen Anwendungen entwickelt werden – verbunden mit einem umfassenden Antriebsengineering (insbesondere für Windkraftanlagen!).

• Eickhoff Gießerei GmbH Produktion von Gussteilen in Einzel- und Serienfertigung, für Anwendungen im Maschinenbau, der Ölhydraulik, bei der Antriebstechnik, im Armaturen- und Pumpenbau, aber ebenso auch im Segment Bergbau- und Kunststoffmaschi-nen.

• Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH Positioniert sich als Weltmarktführer für emissionsvermeidende Technologien im Segment Kokereibedienungsmaschinen und Spezial-Schienenfahrzeugen. Hierzu ist es erforderlich, innovativen Maschinenbau mit Elektrotechnik zu ver-binden, um somit den technologischen Vorsprung weiterhin auszubauen.38

Angesichts der schwächeren heimischen Nachfrage nach bergbauspezifischen Produkten ist Eickhoff derzeit in diesen unterschiedlichen Nischenmärkten tätig, wobei – wie der Ge-schäftsführer betont – die einhergehende Diversifikation der Risikominimierung dient, aber auch das Kerngeschäft erfolgreich neu ausgerichtet wurde. Spezialmaschinen für den Berg- und Tunnelbau waren und bleiben Kernkompetenzen von Eickhoff. Die erforderliche Diversifikation, um mehr Sicherheit durch eine breitere Aufstellung in ver-schiedensten Nischen zu erlangen, gelang Eickhoff vor allem in der Windkrafttechnologie. Hierbei spielte die Erfahrung aus 140 Jahren Bergbautechnik eine Erfolgstreiberrolle. Die Produktion von Industriegetrieben – eines der Hauptgeschäftsfelder im Bereich Bergbau-technik – stand hierbei Pate. Seit Mitte der 1990er Jahre beliefert Eickhoff die führenden Hersteller von Windkraftanlagen mit Getrieben, welche die Kraft der Rotoren in die Stromer-zeugung umsetzen. Damit konnte Beschäftigungsverlust im Bergbau-Segment mehr als ausgeglichen werden. Mittlerweile stieg die Anzahl der Beschäftigten bei Eickhoff von 650 (1995) auf rund 1.100 Mitarbeiter an und insbesondere der international zukunftsträchtige Markt Windkraftanlagen ermöglicht es Eickhoff, in dem Geschäftsfeld Windkraftgetriebebau erhebliche Gewinne zu erwirtschaften. Fast die Hälfte des gesamten Unternehmensumsat-zes wird heute mit diesem Geschäftsfeld erwirtschaftet.39 Der Aufbau eines solch effizienten strategischen Geschäftsfeldes mit einer zukunftsorientier-ten internationalen Ausrichtung, konnte insbesondere aufgrund der engen Kooperation zwi-schen Betriebsrat und Geschäftsleitung gelingen. Die Gründe hierfür liegen auch in dem Leitbild des Unternehmens, dass seine Mitarbeiter als wichtigstes Kapital auffasst. Es gelang

                                                            38 Siehe dazu das detailierte Firmenprofil unter EICKHOFF 2008 39 IG Metall NRW 2005 Dokumentation Strukturwandel Bergbautechnik – Zukunft von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Branche Berg-bautechnik am 09.11.2005 in Hamm, IGM Bezirk – Betriebsrat Eickhoff

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Eickhoff seit 1997 einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu initiieren, so dass sich der Zeitaufwand einiger Montageprozesse sogar um 50 Prozent verkürzte.40 Darüber hinaus ermöglicht die Organisation der Geschäftsfelder, dass sie in einem Leis-tungsverbund bei der Erstellung der unterschiedlichen Produkte zusammenwirken können. Dies schafft für die Eickhoff GmbH Synergien, so dass eine kosteneffiziente Produktion von Einzelteilen über Baukomponenten bis hin zu kompletten Anlagen möglich wird. Auch hierbei dominiert das tragende Prinzip der Kundenorientierung, alles aus einer Hand anzubieten.41 Ein weiteres entscheidendes Moment der erneuten Wettbewerbsfähigkeit, nach den durch die Bergbaukrise verursachten Einbrüchen, wird dadurch realisiert, dass die Kernkompeten-zen systematisch auf Exportmärkte ausgebaut werden konnten und in verschiedenen Berei-chen eine hohe Fertigungstiefe existiert.42 Indem Zwischenprodukte im unternehmens-eigenen Leistungsverbund hergestellt bzw. auf einer tieferen Produktionsstufe vorgefertigt werden, gelingt es in der Regel, über die erforderliche Wertschöpfungskette den auf den einzelnen Stufen realisierten Mehrwert zu sichern. Doch dazu sind auch Kooperationen mit externen Partnern wie Forschungseinrichtungen erforderlich. RHEINLÄNDER, Geschäftsführer der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH 2007 hierzu: „Wir müssen mit diesen kürzeren Entwicklungszyklen mithalten. Dabei bauen wir sehr stark auf unsere externe Vernetzung. Zum einen sind dies Forschungsinstitu-te, mit denen wir zusammenarbeiten und zum anderen Zulieferer, die als Technologietreiber fungieren. Es wird immer wichtiger, Partnerschaften zu bilden, auch international, denn viele High-Tech-Produkte, die eingesteuert werden, kommen inzwischen aus dem Ausland.“43 Enge Verknüpfungen bestehen nach Aussage von DENNIGER im Gespräch 2010 zwischen Eickhoff und Hochschulen wie der Technischen FH Bochum und der RWTH Aachen. Die guten Beziehungen dokumentieren sich auch an der jährlichen Auslobung des Eickhoff-Preises für Absolventen der Ingenieurswissenschaften. DENNINGER geht vor dem Hinter-grund der zunehmenden Internationalisierung des Bergbaugeschäftes davon aus, dass die existierenden Verbindungen zwar auch in Zukunft gebraucht werden, derlei Kooperationen aber auch mit z. B. chinesischen Universitäten denkbar sind. Da sich im Rahmen globalisierter Märkte viele Technologietreiber im Ausland befinden, ist es entscheidend, dass auf diesen Märkten und vor Ort die Entwicklungstendenzen aufgegriffen und die Anforderungen eruiert bzw. definiert werden, so dass sie in den Konstruktionsbereich

                                                            40 IGM NRW 2005. Dokumentation Strukturwandel Bergbautechnik – Zukunft von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Branche Bergbau-technik am 09.11.2005 in Hamm 41 ebd. 42 IG METALL Bezirk NRW 2005 und dort DENNINGER, Heinrich, Betriebsratsvorsitzender Gebr. Eickhoff GmbH in Bochum auf der Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Bergbautechnik am 9.11.2005 in Hamm 43 RHEINLÄNDER zitiert nach MASCHINENMARKT 2007a

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einfließen können. Überdies – so RHEINLÄNDER – „setzen wir auf die permanente Entwick-lungsschleife: Entwicklung – Konstruktion – Produktion – Service. Sie ist letztlich entschei-dend, um gute Produkte herzustellen. Dieser Kreislauf wird zunehmend internationaler, ob-gleich wir in Deutschland oft die besten Konstruktionsingenieure haben ...Unser Haus ist sehr technisch getragen, d.h. unsere Ingenieure sind permanent draußen beim Kunden vor Ort. Dadurch werden Entwicklungen, auf die es zu reagieren gilt, sehr rasch wahrgenom-men“.44 Dass die Bergbaumaschinen von Eickhoff weltweit so gefragt sind, liegt zum einen an dem technologisch führenden Standard des Marktführers, zum anderen jedoch an der kundenori-entierten Produktion. Eickhoff fertigt seine Abbaumaschinen passgenau für Anforderungen der jeweiligen Kunden. „In Russland wollen sie eine Maschine besonders robust haben. Sie soll unter allen Umständen laufen können. In Australien beispielsweise wird sehr viel mehr Elektronik eingesetzt zur Automatisierung der Betriebe.“45 Doch die erfolgreichen Exportakti-vitäten verweisen wiederum darauf, dass der heimische Bergbau sowohl für Eickhoff, als auch für andere Unternehmen, die ihre Kernkompetenzen in der Bergbautechnik haben, von wesentlicher Bedeutung ist. RHEINLÄNDER hierzu: „Ohne den heimischen Bergbau fällt der entscheidende Technolo-gietreiber weg. Denn High-Tech im Kohlebergbau ist ohne die Entwicklungspartnerschaft mit der DSK kaum denkbar. Wir haben bisher mit der DSK sehr interessante Entwicklungen be-trieben, die dann auch an den Weltmarkt rausgingen. Doch mit dem endgültigen Auslaufen der heimischen Steinkohleförderung wird eine Gefahr verbunden. RHEINLÄNDER: „Darüber hinaus fällt ein wichtiges Erprobungsfeld weg. Es ist sehr viel einfacher, einen Prototypen in der Entfernung von 20 Kilometern zu erproben als eben in Australien oder China. Die logisti-schen Leistungen und die Hilfe, die im Engineering von solchen Betreibern kommt, ist fast unersetzbar.“46 Die Vergabe des RAG-Forschungspreises 2009 verdeutlicht diesen Agglomerationsvorteil eindrucksvoll: Das ausgezeichnete Projekt ist der Walzenlader SL 750, der unter Tage auf dem Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop eingesetzt wird und sich zuvor auf Auguste Victoria in Marl in der Erprobung bewährt hat. Die Maschine erkennt selbstständig Hindernisse und die Grenzen zwischen Kohle und Gestein. Leistungsfähige Rechner und Kommunikations-systeme sowie modernste Sensorik, wie Infrarotkameras, Radar und Schwingungsmesser ermöglichen einen effektiven und materialschonenden Abbau von Steinkohle unter Tage. Die Entwicklung dieses Walzenladers steht exemplarisch für die enge Kooperation zwischen Universitäten, Unternehmen und Anwendern in NRW. Im vorliegenden Fall sind die Koopera-tionspartner der eigentliche Maschinenhersteller, die Firma Eickhoff Bergbautechnik GmbH,

                                                            44 RHEINLÄNDER zitiert nach MASCHINENMARKT 2007b 45 RHEINLÄNDER, Geschäftsführer der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH, zitiert nach DEUTSCHLANDRADIO 2007 46 RHEINLÄNDER 2007 zitiert nach MASCHINENMARKT 2007

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der Maschinenbetreiber, die RAG – Deutsche Steinkohle, das Institut für Maschinentechnik der Rohstoffindustrie (IMR) der RWTH Aachen und ein „Spin-Off“ der RWTH, ein junges Un-ternehmen für industrielle Radartechnologie, die indurad GmbH.47 Die Entwicklung einer derart innovativen Untertagemaschine ist aber nur ein erster Schritt bevor die Produktinnova-tion weiter getrieben werden kann. Denn bei Eickhoff als Hersteller sind rund 145 Beschäftigte in der Konstruktion (und damit eng mit F&E-Aufgaben) damit betraut, bestehende Maschinen weiter zu entwickeln oder technologische Innovationen (Sensorik etc.) zu integrieren. Erprobungsaufträge für Neuent-wicklungen werden daher nur im Einzelfall an befreundete Forschungseinrichtungen wie dem IMR vergeben. Der gesamte Innovationsprozess zur Entstehung dieser Maschine wird als ein gelungenes Beispiel für gute Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit zwischen Kunde und Her-steller betrachtet. Der RAG-Vorstand lobte bei der Vergabe des Preises insbesondere die guten und eingespielten Teamstrukturen zwischen den verschiedenen Fachbereichen der RAG/DSK48 und die Fachkompetenz und das Engagement der Firma Eickhoff (besonders die Konstruktionsabteilung Elektronik). Ohne diese Zusammenarbeit wäre die Entwicklung der Maschine nicht möglich gewesen, die nun auch von Eickhoff international vermarktet wird.49 Nach Aussage des Betriebsratsvorsitzenden DENNINGER muss man sich allerdings vor Augen führen, dass die Entwicklungsphasen für den deutschen Markt (insbesondere in Ko-operation mit DSK/RAG) schon deutlich vor 2018 auslaufen werden und Eickhoff sich für weitere Forschungs- und Entwicklungsfortschritte noch Ersatz für den „Innovationstreiber inländischer Markt“ suchen muss. Zudem werden nach Einschätzung von DENNINGER bis-lang bestehende Vorteile von Eickhoff gegenüber den ausländischen Mitbewerbern zukünftig wegfallen (Standortnähe zu Bergwerken der RAG und die synergethische Entwicklung und Erprobung vor Ort). Entwicklungspartnerschaften mit ausländischen Bergwerksbetreibern werden zukünftig verstärkt eingegangen werden müssen. Das Beispiel kann als Hinweis dienen, dass nach dem vollständigen Wegfall des Bergbaus in Deutschland sich Eickhoff und andere technologieorientierte Zulieferer aus Forschungs- und Entwicklungsgründen ggf. einen Referenzbergbau in Kundennähe suchen werden. Denn schon heute entsprechen manche Bedingungen, die bei ausländischen Kunden berücksich-tigt werden müssen, nicht mehr in vollem Umfange den Parametern, die im heimischen Bergbau vorhanden sind. Insofern könnte sich über die Jahre hinweg eine Tendenz zur allmählichen Standortverlage-rung von Bergbauzulieferern in Kundenregionen ergeben, da dort authentische Anforde-

                                                            47 Die Indurad GmbH entwickelt Radarsteuerungssysteme für unter- und übertätige Bergbaumaschi-nen (siehe RWTH Aachen 2009). 48 Etwa die Bereiche Elektrotechnik und Sensorik unter Tage und die Fachleitung des Bereiches Un-tertägiger Betrieb.

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rungsbedingungen existieren, die beim Wegfall des heimischen Bergbaus kaum noch zu simulieren wären. Allerdings ist insbesondere das Know-how im Ingenieur- und Facharbei-terbereich bei Eickhoff so groß und thematisch gebunden, dass dies nach Aussage des Be-triebsratsvorsitzenden DENNIGER zumindest in mittelfristiger Perspektive nicht zu erwarten ist. Die Kooperationsbeziehungen zwischen den Serviceteams von Eickhoff vor Ort bei auslän-dischen Kunden und der Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung in Bochum werden aber weiter intensiviert werden müssen, denn bislang werden 90 Prozent der Produktweiterent-wicklung im eigenen Haus realisiert. Diese Größenordnung soll nach Aussage des Betriebs-rates beibehalten werden. Die Zielerreichung erfodert aber vor dem Hintergrund der wachs-endenden Auslandsmärkte eine noch intensivere Koordinierng der Teams. Denn die berg-baulichen Grundprodukte des Hauses werden stets zusammen mit dem Kunden abgestimmt und angepasst, da es im Bergbau aufgrund unterschiedlicher Abbaubedingungen keine „Standardmodelle“ gibt. Die Besonderheit und der Marktvorteil der Maschinen von Eickhoff liegen nach Einschätzung des Gesprächpartners darin, dass diese auch beim und mit dem Kunden noch angepasst und erweitert bzw. nachgerüstet werden können.

4.1.2 dh mining system GmbH

Die Ursprünge der dh mining system GmbH liegen in der Firma C.Deilmann Bergbauunter-

nehmung Dortmund, welche 1888 gegründet wurde. In seiner Historie führte das Unterneh-

men verscheidenartige Schachtbau- und Gesteinsarbeiten zur Erschließung von Boden-

schätzen durch und war sowohl national als auch international tätig. Im Jahr 2007 geriet die

Deilmann-Haniel Holding GmbH aufgrund der rückläufigen Nachfrage seitens der DSK –

verantwortlich dafür waren die Schrumpfungsprozesse im deutschen Steinkohlenbergbau

sowie die zunehmende Auftrsgvergabe an osteuropäische Dienstleister – in eine Liquiditäts-

krise und beantragte Insolvenz.

Unter Berücksichtigung der drohenden Beendigung des subventionierten Steinkohlen-

bergbaus in Deutschland entwickelte das Unternehmen Strategien, um weiter am Markt be-

stehen zu können. Auslandsbergbauaktivitäten wurden von der Aton GmbH erworben, aus

dem insolventen Unternehmen ausgegliedert und als dh mining system GmbH fortgeführt

(siehe Abbildung 7). Mit der Ausgliederung ging auch die Auslagerung bzw. der Verkauf von

unrentablen Geschäftsfeldern einher. Der Bereich „Interoc“ (Bohrwagen und Bohrzubehör für

den Spezialtiefbau) sowie das Segment der Baulogisitik wurden verkauft. Unternehmenstei-

le, für die kein Käufer gefunden werden konnte (z. B. die Sparte der Produktion von Elektro-

                                                                                                                                                                                          49 RAG DEUTSCHE STEINKOHLE 2008a

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leuchten) wurden aufgegeben. Tätigkeiten, die mit hohen Opportunitätskosten verbunden

sind, wurden ausgelagert und fortan von externen Unternehmen eingekauft. Einzelteile für

die Maschinen werden z. B. von ThyssenKrupp Schulte GmbH in Dortmund produziert, die

äußerst zeitintensive Dokumentation der Produktionsabläufe wurde an die arvarto services

GmbH ausgelagert.50

Abb. 7: Unternehmensstruktur und Anteilseigner der dh mining system GmbH

Quelle: DEILMANN-HANIEL SHAFT SINKING 2011

Auslagerung, Verkauf und Aufgabe einzelner Geschäftsbereiche führten einerseits zu Um-

satzeinbußen und entsprechendem (sozialverträglich ausgestaltetem) Stellenabbau, in des-

sen Rahmen die Belegschaft von 350 auf 170 Mitarbeiter reduziert wurde. Der Umstrukturie-

rungsprozess erfolgte seitens der Unternehmensführung in Abstimmung mit dem Betriebsrat.

Andererseits wurde auf diese Weise die Fokussierung auf das Kerngeschäft der Konstrukti-

                                                            50 Interview GEHRKENS/NEUMANN

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on, Produktion und Vermarktung von Maschinen möglich, welche dem Unternehmen die

Marktführerschaft in der konventionellen Vortriebstechnik einbrachte.

Für die Zukunft plant das Unternehmen die Kompetenzen bei Bohr- und Ladewagen für den

Tunnelbau zu nutzen, eine fortlaufende Diversifizierung der Kundenstruktur auf globaler

Ebene ist festzustellen. Produkte und Dienstleistungen werden vermehrt im Ausland angebo-

ten. In Russland wurde bereits ein Tochterunternehmen gegründet. Aktuelle Projekte in der

Ukraine, den USA, in China, Südostasien sowie Südamerika deuten auf eine stete Interna-

tionalisierung hin. China ist ein enorm wichtiger Markt im Bereich der Bergwerktechnik, da

die Energieversorgung des Landes zu 66 Prozent auf dem Energieträger Kohle basiert.51

DH mining system entwickelt zudem viele Innovationen, welche die Effizienz und Qualität der Bergbauausrüstung erheblich verbessern. Beispiele sind elektronisch gesteuerte Ventile un-ter explosionsgeschützten Bedingungen oder die Entwicklung eines freiansaugenden Kom-pressors für den Steinkohlenbergbau, welcher nicht mehr mit Luft von über Tage versorgt werden muss.52 Das Unternehmen kooperiert intensiv mit der RAG Deutsche Steinkohle und fungiert nach Ansicht der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Christiane GERKENS als „Technologieträger der RAG Deutsche Steinkohle“. Vor dem Hintergrund gebirgsmechanischer Erfordernisse in Deutschland entwickelten RAG Deutsche Steinkohle und dh mining system ein alternatives Spülverfahren für das Spreng- und Ankerbohren. Ziel war es dabei, mit einem möglichst geringen Wasseranteil sowie Werkzeugverschleiß einen schnellen Transport des Bohrkleinaustrags zu erzielen. Erste Bohrwagen, welche mit Hilfe von Druckluft und Wasser Bohrklein53 austrugen, wurden be-reits 2002 entwickelt. Der Spülwasserverbrauch konnte dabei von rund 60l/min. auf ungefähr 6l/min. reduziert werden. Um diese Technik anschließend auf die Sprenglochbohrwagen der RAG übertragen zu kön-nen, erstellte die dh mining system GmbH als Hauptlieferant von Bohrwagen für den deut-schen Steinkohlenbergbau in Zusammenarbeit mit der RAG Deutsche Steinkohle ein ent-sprechendes Konzept. Dieses beinhaltete technische Innovationen, mit deren Hilfe die vor-handene Druckluft von 4 auf etwa 12 bar nachverdichtet werden konnte. Im zweiten Quartal 2003 wurde der erste zweiarmige Bohrwagen, der mit einem Nachverdichter ausgestattet war erfolgreich im Bergwerk Lohberg in Dinslaken eingesetzt. Durch die gebirgsschonende Arbeitsweise der Luft-Wasser-Spültechnik erhöhte sich die Stabilität der Ortsbrust gegenüber der reinen Wasserspültechnik älterer Bohrwagen. Heute sind bei der RAG alle eingesetzten Spreng- und Ankerlochbohrwagen mit dieser Technik ausgerüstet. Zusammen mit der Esse-ner Firma Sandvik Mining and Constructing Central Europe GmbH wird dieses Verfahren seit dem Jahr 2007 ebenfalls auf Ankerplattformen von Teilschnittmaschinen eingesetzt. Ziel ist

                                                            51 RITTER 2010, S.1 52 VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN- UND ANLAGENBAU E.V. 2006, S. 15

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es, als Systemlieferant tätig zu sein, damit sich das Unternehmen auf sein Kerngeschäft fo-kussieren und Kostenvorteile gegenüber Konkurrenten erzielen kann. Im Bereich von Forschung und Entwicklung arbeitet das Dortmunder Unternehmen auch mit

dem Institut für Maschinentechnik der Rohstoffindustrie (IMR) an der RWTH Aachen zu-

sammen. Unter der Leitung von Professor Karl Nienhaus führt das Institut, welches 2009

durch die Zusammenlegung der beiden Institute IBH (Institut für Bergwerks- und Hüttenma-

schinenkunde) und BGMR (Betriebsmittel für die Gewinnung mineralischer Rohstoffe) ent-

standen ist, unter anderem Berechnungen für die Konstruktion der Maschinen durch. Die

wichtigsten Forschungsfelder des Instituts liegen im Bereich der Rohstoffgewinnung und

Schwermaschinentechnik. Insgesamt arbeiten dort etwa 90 Mitarbeiter.

Weitere bedeutsame akademische Forschungseinrichtungen sind z. B. das Institut für Berg-

bau an der TU Clausthal mit der Fachabteilung Maschinelle Betriebsmittel und Verfahren im

Bergbau unter Tage. Die TU Bergakademie Freiberg gehört ebenfalls zu den Institutionen,

welche Unternehmen im Bereich Berg- und Maschinenbau in Sachen Forschung und Ent-

wicklung unterstützen und wissenschaftliche Untersuchungen zur Bestimmung von Bohrpa-

rametern, wie Andruck, Drehzahl, Drehmoment, Schlagzahl/Schlagfrequenz und Einzel-

schlagenergie zur Erhöhung des Bohrfortschrittes durchführen.

Darüber hinaus bestehen Kooperationsbeziehungen auch zwischen den Bergbaumaschinen-

herstellern. Im Jahr 2010 wurde das Produktportfolio um eine die Teilschnittmaschine dh

R75 erweitert. Diese zeichnet sich durch extreme Robustheit, geringen Energie- und Res-

sourcenverbrauch sowie ihre hohe Technisierung aus. Ein Großteil der Funktionen wird voll-

automatisch ferngesteuert. Als Basis für die Maschine dient die Teilschnittmaschine ET 200

der Firma Eickhoff (siehe Kapitel 4.1.1), welche mit innovativer Technologie für die heutigen

Bedürfnisse in der Bergwerktechnik ausgerüstet worden ist.

Eine besondere Form des Austauschs zwischen Bergbaumaschinenherstellern und Wissen-schaft stellten im letzten Jahr die unter dem Leitbild Future Mining veranstalteten Tagungen dar. Im März 2010 startete die Veranstaltungsserie auf Initiative des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) an der RWTH Aachen, um die Führungsposition der deutschen Hersteller zu sichern bzw. zu fördern.

                                                                                                                                                                                          53 Dabei handelt es sich um beim Gesteinsbohren anfallende feinkörnige Gesteinspartikel.

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4.2 Hochschulen

Analog zu den beschriebenen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Unternehmen der Bergbauzuliefererindustrie, sind ebensolche engen Kontakte zwischen den, quasi aus dem „Bergbaubedarfen“ entstandenen (Fach-)Hochschulen und Instituten, festzustellen. Neben der TU Clausthal und der technischen Universität/Bergakademie zu Freiberg sind hier insbe-sondere die TFH Georg Agricola in Bochum sowie das Institut für Bergbaukunde der RWTH Aachen zu nennen, die eine große Affinität sowohl im technisch-organisatorischen Bereich als auch in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten, dem Wesen des Bergbaus und seiner Akteure immanenten „Kultur“ aufweisen. Um die Eigenschaften dieses Beziehungsgeflechts verstehen zu können, werden im Folgen-den die gemeinsamen historischen Wurzeln des deutschen Steinkohlenbergbaus und den heutigen Hochschulen kurz skizziert und ihre Inhalte beleuchtet. Darüber hinaus wird in ei-nem Exkurs im Rahmen der Clusterbegriffs kurz auf das Zusammenspiel zwischen Bergbau, Bergbauzulieferern und Hochschulen eingegangen. Schließlich werden die Reaktionen der als Fallbeispiele untersuchten Hochschulen TFH Georg Agricola Bochum und dem Institut für Bergbautechnik I der RWTH Aachen auf den in 2007 gefassten Beschluss des Ausstiegs aus dem subventionierten deutschen Steinkohlenbergbau bis 2018 beschrieben. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird dann ein Resumeé der aufgefundenen heutigen Beziehungen zwischen deutschem Steinkohlenbergbau und Hochschulen sowie deren Reaktionen auf das „Ausstiegsszenario 2018“ gezogen.

4.2.1 Die historische Entwicklung des Verhältnisses Bergbau/Wissenschaft

Die älteste dauerhaft existierende Montanuniversität ist die technische Universität/ Bergaka-demie zu Freiberg in Sachsen-Anhalt. Schon im Jahr 1765 wurde sie als Bergakademie, d.h. als montanwissenschaftliche staatliche Einrichtung, gegründet. Zweck war einerseits die Verbindung von theoretischem und praktischem Lernen vor Ort, andererseits aber auch der pragmatische Hintergrund, mit gut ausgebildeten Experten die Erzförderung zu erhöhen, um so die abzuleistenden Reparationszahlungen nach dem verlorenen Siebenjährigen Krieg mit Hilfe der Erzförderung erfüllen zu können. Zugleich hatte der wirtschaftliche Aufschwung nach den Kriegsjahren einen wesentlichen Anteil daran zu tragen, dass sich verstärkt auf die Verbesserung der Abbaumöglichkeiten im Erzsektor konzentriert wurde. 1899 wurde die Bergakademie Freiberg mit einer technischen Hochschule gleichgestellt und erlangte im Jahr 1905 das Promotionsrecht. Heute bestehen enge Kooperationsbeziehungen mit der RWTH Aachen und der TU Clausthal. Auch an der TU Clausthal war der Gründungszweck die Verbindung zwischen Theorie und Praxis, da die Oberharzer Region zur Gründungszeit der Bergschule eines der größten In-

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dustriegebiete mit einer großen Anzahl von Hüttenwerken in Deutschland darstellte. So kam es im Jahr 1755 zur Gründung der heutigen TU Clausthal in Form einer Bergbauschule, in der Arbeiter für die verschiedenen Bereiche des Steinkohleabbaus geschult wurden. Zu Zei-ten des zweiten Weltkriegs wurde sie als Rüstungsbetrieb eingestuft, da Forschungsvorha-ben nur für die Wehrmacht realisiert wurden. Aufgrund dieser Zusammenarbeit wurde die TU Clausthal mit Beendigung des zweiten Weltkriegs durch die Alliierten geschlossen. Kurze Zeit später wurde sie mit neuer personeller Struktur wiedereröffnet. Auch an der TU Claus-thal kam es in Folge der Kohlekrise zu einer Neuausrichtung der Studiengänge – so wurden Ingenieurwesen und Naturwissenschaften eng miteinander verknüpft. Des Weiteren kam es zu einer Erweiterung des Lehrangebots in verschiedene Fachrichtungen. Die RWTH Aachen besitzt mit dem Institut für Bergbaukunde eine mit dem Steinkohlen-bergbau historisch verbundene Institution, die darüber hinaus weltweit anerkannt ist. Die Gründung des Instituts datiert aus dem Jahre 1880. Ausgangspunkt für die Gründung war die damals erkannte Notwendigkeit, im Aachener Revier, eines der ältesten Steinkohlerevie-re Europas, eine Ausbildungsstätte zu schaffen, die technische Weiterentwicklungen für den Steinkohleabbau vorantreiben sowie auf den Steinkohleabbau spezialisierte Studiengänge vorhalten sollte. Die Aufgabenstellungen, die seit Gründung bis in die heutige Zeit bearbeitet werden, beinhal-ten letztendlich als Ziel die Rohstoffgewinnung – dies bedeutet die Untersuchung von Lager-stätten, ihre Bewertung bis hin zum „Design“ von Bergwerken hinsichtlich ihrer Technik und Organisation, wobei sich jedoch diese Aufgabenstellungen aufgrund des Strukturwandels immer weiter von der Anwendungsorientierung für den deutschen Steinkohlenbergbau ent-fernt haben. Die TFH Georg Agricola in Bochum, wie auch das Institut für Bergbaukunde der RWTH Aa-chen wurde ebenfalls als Bergbauschule gegründet – dies vor dem Hintergrund, das techni-sche Wissen der Arbeiter Untertage zu verbessern. Jedoch war auch hier ein wesentlicher Bestandteil, Theorie mit praktischen Arbeiten zu verbinden. Anfang der 1960er Jahre kam es auch an der TFH Georg Agricola zu einer Neuausrichtung des Lehrangebots, wie auch zu einer Umbenennung der Schule in „Ingenieurschule für Bergwesen“. Der Fachhochschulsta-tus wurde der TFH Georg Agricola einige Jahre später verliehen.

4.2.2 Exkurs: Hochschulen als Bestandteile des Bergbauclusters

Wie in Kapitel 2 ausgeführt, gewinnen Cluster aufgrund des sich durch die Globalisierung verstärkenden Konkurrenzkampfes zwischen Regionen zunehmend an Bedeutung – dies auch und insbesondere in der Regionalpolitik. Diese Entwicklungstendenzen sind in NRW im Bereich des Bergbaus erkennbar. Rund 80 Prozent der überwiegend mittelständischen Un-ternehmen sind nach Informationen des Außenwirtschaftsportals Nordrhein-Westfalen in NRW angesiedelt. Eine hohe Konzentration von Unternehmen des Bergbauclusters ist dabei

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in der Metropolregion Ruhrgebiet zu finden. Die Betriebe der Bergbauzulieferindustrie sind in vielen Bereichen Weltmarktführer und halten einen Weltmarktanteil von 40 Prozent.54 Um die Unternehmen des Bergbauclusters weiter zu fördern, unterstützt das Ministerium für Mittelstand, Wirtschaft und Energie (MWME) in Nordrhein-Westfalen mit der „Landesinitiative Bergbautechnik“ Betriebe der technologierorientierten Zulieferindustrie bei deren Internatio-nalisierung. Als eigener Kompetenz- und Förderschwerpunkt ist Bergbau/Bergbautechnik aber nicht unter den 16 Landesclustern geführt, obwohl hier weit mehr Beschäftigungseffekte zu verzeichnen sind als in ausgewiesenen Clustern wie der Bio- oder Nanotechnologie. Da-rin dokumentiert sich möglicherweise ein Paradigma der innovationsorientieren Clusterpolitik, dass so genannten scheinbaren „Altindustrien“55 in Deutschland – obwohl diese sehr oft hoch innovativ und produktiv sind, in der Debatte um regionale Modernisierung und sektora-ler Entwicklungsstrategien ausgeklammert werden. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es aber auch Ausnahmen. Für die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Hochschulen kann in diesem Zusammenhang auf die Untersuchung von FRITSCH/HENNING/SLAVTCHEV et al. hingewiesen werden, welche die Bedeutung der Hochschulen für Innovationsaktivitäten auf regionaler Ebene am Beispiel der vier Untersuchungsregionen Dresden, Jena, Halle und Rostock aufzeigt. Hier wird anhand empirischer Erhebungen die direkte Kooperation von Hochschulen und Unternehmen und deren Auswirkung auf die regionale Entwicklung darge-stellt.56 Die Bedeutung von F&E-Einrichtungen und Universitäten für Cluster und regionale Innovationssysteme belegt auch die Arbeit von FROMHOLD-EISEBITH.57 Auch die von der PCG - Project Consult GmbH im Vorfeld der Studienerstellung durchgeführ-ten Recherchen deuteten darauf hin, dass fruchtbare Kooperationen zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen im Bereich Bergbau und Bergbautechnik beste-hen. Beispielseise wird in Pressemitteilungen auf die gemeinsame Entwicklung von Berg-baumaschinen hingewiesen. Darüber hinaus werden in Referenzlisten, wie z. B. die des In-stituts für Bergwerks- und Hüttenmaschinenkunde der RWTH Aachen, Kooperationspartner namentlich genannt.58, 59 Auf die Struktur der Zusammenarbeit zwischen Steinkohlenberg-bau, Bergbauzulieferindustrie, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, sowie die wirt-schaftliche und technologische Bedeutung dieser Kooperationen wird jedoch in besagten Referenzlisten nicht eingegangen.

                                                            54 GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2007 55 Ein ausführlicher Diskurs zur Leistungsfähigkeit der vermeintlichen „Altindustrien“ findet sich bei PCG - PROJECT CONSULT GMBH 2007 56 Siehe ebd. 2007 57 Siehe ebd. 2006 58 GESAMTVERBAND STEINKOHLE 2008 59 RWTH AACHEN 2009b

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4.2.3 Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen – Lehrstuhl und Institut für Bergbaukunde

Basierend auf den sich darstellenden strukturellen Entwicklungstendenzen und den neuen Rahmenbedingungen die unter unter dem Gesichtspunkt „Szenario 2018“ subsumiert wer-den können, veränderte sich das Lehrangebot des Instituts unter einem antizipativen Aspekt schon frühzeitig Dies bedeutete die Abkehr von bergbauaffinen Studiengängen der Stein-kohleförderung hin zu anderen Lehrinhalten. So bietet das Institut gegenwärtig in erster Linie Vorlesungen an, die sich hauptsächlich an Studierende der geo- und rohstoffwissenschaftli-chen Studiengänge der Fakultät Georessourcen und Materialtechnik richten. Hierzu gehören Einführungsveranstaltungen in die Rohstoffwirtschaft sowie weitere Angebote der untertägi-gen Rohstoffgewinnung und -wirtschaft. Die Angebotspalette des Instituts verdeutlicht, dass weiterhin ein Markt für die „Produkte“ des Instituts – d.h. Ausbildung von Studierenden für Arbeitsmarkt und Wissenschaft – be-steht, dies jedoch für den “deutschen Markt“ der Steinkohleförderung nicht mehr große Rele-vanz besitzt. Vielmehr dienen die Ausbildungsgänge – hier insbesondere die Angebote der untertägigen Rohstoffgewinnung und -wirtschaft – als Folge der strukturellen Veränderungen im deutschen Steinkohlenbergbau u.a. für den Einsatz im Kali- und Salzbergbau, dem Ein-satz in dem Bereich Steine/Erden, dem Nachsorgemanagement sowie mit Einschränkungen in ausländischen Steinkohlebergwerken. Um jedoch einem drohenden Know-how Verlust in dem Bereich „Steinkohle“ entgegenzuwirken, werden trotz der Erneuerung der Studiengänge weiterhin zur Grundlagenvermittlung Vorlesungen über den Steinkohleabbau abgehalten. Dies soll auch zukünftig ein Angebot des Instituts bleiben. Diese Entwicklungstendenzen, die eine immer größere Abkehr vom klassischen Steinkoh-lenbergbau hin zu einer weiter reichenden Ausbildungspalette beinhalten, wird hauptsächlich dadurch dokumentiert, dass der klassische Studiengang der Ausbildung zum Steinkohlein-genieur nicht mehr existiert.60 Die Entscheidung hierfür basierte einerseits auf einer immer geringeren Nachfrage der Studierenden, die wiederum auf die ungewisse Zukunft des deut-schen Steinkohlenbergbaus zurückzuführen ist. Andererseits reagierte das Institut schon frühzeitig auf die diskutierten Ausstiegsszenarios mit der Entwicklung zukunftsorientierter und attraktiver neuer Studiengänge. Hierzu MARTENS, Leiter des Instituts für Bergbaukunde auf die Frage, ob sich die Entwicklung im deutschen Steinkohlenbergbau auf die Attraktivität des Studienangebotes niederschlagen könnte: „Nein. Bergbau ist nicht gleich Steinkohle. Wir bilden sogenannte "Rohstoffingenieure" aus, Fachleute für den Abbau von Stein- und Braunkohle, von Industriemineralien wie Kalisalz, von Baurohstoffen, Kies, Sand, aber auch Fachleute für die Erdöl- und Gas-Fördertechnik. Mehr als 50 Prozent unserer Absolventen gehen gar nicht in den engeren Bergbau. In der Steinkohleindustrie finden schon seit Jahren nur noch sehr wenige ihre Stelle. Viele gehen

                                                            60 Interview MARTENS

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auch zu Banken, in die Beratung oder die Verwaltung. In der Braunkohleförderung ist Deutschland immer noch weltweit die Nr. 1, bei Kalisalz Nr. 4, bei Baurohstoffen einer der wichtigsten Produzenten. Die Steinkohle ist viel in den Medien, aber für uns einer von meh-reren Bereichen in Forschung und Lehre.“61 Daraus resultierend wird die Bedeutung der Neujustierung hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der RAG als Synonym für den deutschen Steinkohlenbergbau als zwar beachtenswert, jedoch nicht als „lebensbedrohend“ für das Institut eingestuft. Als Grund hierfür wird in Rich-tung RAG die schon an anderer Stelle beschriebene „Autarkie“ der RAG angeführt62. Zwar ist die RAG z. B. im Rahmen der Finanzierung einer Promotionsstelle pro Jahr für das Institut ein wichtiger Kooperationspartner, jedoch ist eine allein von der RAG abhängige Zusam-menarbeit in finanzieller Hinsicht – z. B. im Rahmen von Forschungsaufträgen oder anderer Drittmittel-Akquisition – nicht gegeben. Hier wurde festgestellt, dass zwar eine Reihe von Forschungsvorhaben direkt aus dem Steinkohlenbergbau an das Institut weitergegeben wur-den, dass jedoch die meisten Forschungsvorhaben im Rahmen einer eigenen RAG Strategie durchgeführt wurden und werden, wobei als Treiber der Innovationen nach MARTENS im Sinne der Ideenentwicklung die RWTH Aachen und die RAG als Auftraggeber fungierten.63 Jedoch werden vor diesem Hintergrund „weiche Faktoren“, die außerhalb der pragmatischen Sichtweise z. B. des Finanzierungsvolumens von Forschungsaufträgen stehen, bei einem Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung negativ beeinflusst werden. Gemeint ist hier einerseits die derzeit praktizierte Besetzung von Dozentenstellen bei der RWTH Aa-chen durch RAG-MitarbeiterInnen, die dann wegfallen würde. Andererseits wird aber auch das „Umfeld des Wohlwollens“64 der RAG gegenüber der RWTH Aachen, dass der Beset-zung des RAG-Vorstandes geschuldet ist, der sich zum Teil aus Absolventen der RWTH Aachen zusammensetzt, fehlen. Auch in der Zusammenarbeit mit den Bergbauzulieferern wird sich aufgrund der sich ab-zeichnenden Entwicklungen ein Wandel ergeben, der sich einerseits schon mit dem Rück-gang der Fördermengen und dem damit verbundenen geringeren Absatz der Zulieferer ab-zeichnete, andererseits daher auch zu einer geringeren Vergabe von Forschungsaufträgen führte. Dies auch insbesondere dadurch, als dass die Bergbauzulieferer für die Entwicklung über eigene F&E-Einrichtungen verfügen und sich relativ autark in der Produktentwicklung bewegen, so dass die Hochschule erst später in die Produktentwicklung mit einbezogen wurde. Dies betrifft insbesondere die Nutzung der universitären Technikums-Anlagen als Möglichkeit der Ersterprobung von Maschinen und Verfahren, wobei dadurch jedoch der Einsatz in dem realen Umfeld „Steinkohle“ nicht substituiert werden kann. Dazu MARTENS: „Es ist schon

                                                            61 TAXACHER 2007 62 Interview MARTENS 63 ebd. 64 Interview MARTENS

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höchst bedauerlich, wenn man (die deutschen Zuliefererbetriebe, d. Verf.) nicht mehr im ei-genen Vorgarten experimentieren kann. Das lässt sich auch am Beispiel Kernenergie zeigen: Wenn man einmal aus Vorzeigeprojekten ausgestiegen ist, wird es schwieriger, Kunden von den eigenen Produkten zu überzeugen. Es wird für die deutsche Zulieferindustrie für den Untertage-Bergbau schwieriger werden, ihre Produkte zu erproben. Und gerade in dieser Branche ist NRW weltweit führend.“65 Und weiter: „Die Zuliefererindustrie wird sich den Markterfordernissen anpassen. Wenn tat-sächlich in Deutschland 2018 die letzte Steinkohlenzeche schließt, hat man zehn Jahre Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Das wird auch einschließen, dass manche Firmen ihre Pro-duktion ins Ausland verlagern. Aber es gibt auch Gegenbeispiele: Die Deutschen sind welt-weit Marktführer bei der Herstellung großer Tagebaubagger, die hierzulande gar nicht einge-setzt werden. Es wird also keinen schlagartigen Einbruch geben.“66

4.2.4 Technische Fachhochschule Georg Agricola für Rohstoff, Energie und Umwelt zu Bochum (TFH)

Für eine starke Verbundenheit mit der deutschen Steinkohle steht ebenso die TFH Georg Agricola Bochum. Als private, staatlich anerkannte Fachhochschule zählt zu ihren Trägern das Land NRW mit einem Anteil von 80 Prozent sowie die RAG mit einem Anteil von 20 Pro-zent. Gegründet als Bochumer Bergschule im Jahre 1816, ist ihre Entwicklung bis hin zur heutigen TFH aufs engste mit den Entwicklungen des deutschen Steinkohlenbergbaus verbunden. Dies beinhaltete aufgrund der Trägerstruktur mit der operativ arbeitenden RAG auch eine intensive Zusammenarbeit mit der RAG und den Schachtanlagen im Rahmen von gemein-samen Forschungsvorhaben, die sich – neben anderen Themengebieten – in erster Linie auf Fragestellungen des Abbaus der Steinkohle, wie z. B. die Verbesserung der Automatisierung und Kommunikation im Untertagebau, fokussierten. Vor dem Hintergrund der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbau 2018 wur-den auch an der TFH zielgerichtete Reaktionen hinsichtlich der Neuausrichtung des Studi-enangebotes durchgeführt. In diesem Sinne wandelte sich die TFH von einer rein auf den Steinkohlenbergbau zentrierten Hochschule zu einer Technik-Hochschule mit einem breiten Lehrangebot. Mit Lehr- und Entwicklungsschwerpunkten wie Geoingenieurwesen, Maschi-nenbau, Zukunftsenergien, Umwelttechnik, Energietechnik oder Informationstechnologie wurde auch hier antizipativ dem Strukturwandel Rechnung getragen. Mit der Einführung neuer Studiengänge ging auch die Neuausrichtung der in der Vergangen-heit vorgehaltenen, auf den Steinkohlenbergbau fixierten Studiengänge einher. Wie auch bei

                                                            65 TAXACHER 2007 66 ebd.

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der RWTH Aachen, wurde die Ausbildung zum klassischen Steinkohleingenieur aufgegeben und der Studiengang insgesamt mit neuen Inhalten unterlegt, die sich in erster Linie mit den Themenfeldern „Steine und Erden“, „Tagebau“ und „Industriemineralien“ beschäftigen. Darü-ber hinaus wurde der Studiengang „Geotechnisches Nachsorgemanagement“ entwickelt, der Management und Organisation von stillgelegten Schachtanlagen zum Inhalt hat. Die gewählte Strategie einer Neujustierung des Lehrangebotes wird von DAUBER als erfolg-reich beschrieben67. Vor diesem Hintergrund verweist er als ein Indiz hierfür auf die weiter steigenden Immatrikulationszahlen von Studierenden. Ungeachtet dieser Entwicklungsten-denzen versteht sich die TFH jedoch auch als Bewahrer, um einem möglichen Know-how-Verlust für den Bereich des Steinkohlenbergbaus entgegenzutreten und einen denkbaren Wissenstransfer aufgrund des weltweit vorhandenen Bedarfs an Steinkohle durchführen zu können. Um diesen Anspruch genügen zu können, werden die Strukturen der Studiengänge und deren Inhalte kontinuierlich überdacht und angepasst. Eine weitere erfolgreich verfolgte Strategie der TFH einer zukünftigen erfolgreichen Positio-nierung ist – wie auch bei der RWTH Aachen praktiziert – die zunehmende Internationalisie-rung durch Zusammenarbeit und Netzwerkbildung mit ausländischen Hochschulen und Un-ternehmen. So kooperiert die TFH z. B. seit 1989 mit der „Moskauer Staatlichen Bergbau Universität“ mit dem Ziel, Gastaufenthalte von Studierenden und Wissenschaftlern in der jeweiligen Partnerhochschule zu ermöglichen um somit Wissenstransfer zu generieren und z.T. auch potenzielle Arbeitsplätze für deutsche Absolventen zu erschließen. Trotz dieser Umsteuerungsmaßnahmen befindet sich die TFH in einer extrem schwierigen Lage, da davon ausgegangen wird, dass mit dem Auslaufen der subventionierten Steinkohle-förderung auch die RAG als Institution obsolet werden wird. Mit dem wahrscheinlichen Ende der RAG 2018 werden damit auch die von der RAG vertraglich festgelegten jährlichen Fi-nanzmittel, die an die TFH fließen, nicht mehr genutzt werden können. Um die Weiterführung der TFH sichern zu können, die ohne eine neue Organisations- und Trägerstruktur nicht ge-währleistet wäre, werden als mögliche Modelle einer zukunftsfähigen Weiterführung der TFH derzeit folgende Varianten diskutiert:

• Überführung in die vollständige Trägerschaft durch das Land NRW, somit die Überführung in den Status einer staatlichen (Fach)Hochschule

• Anbindung an die RAG-Stiftung sowie • Fusion mit einer anderen Hochschule

Den im Vorfeld diskutierten Ansatz der Übernahme der RAG-Anteile durch private Investoren wurde vom Land NRW abgelehnt. Über den finanziellen Ansatz hinaus, werden zusätzlich die – neben dem Wegfall des Koope-rationspartners RAG in Forschung und Entwicklung für den Steinkohlesektor – zwischen RAG und TFH gemeinsam betriebenen Bildungskonzeptionen, wie z. B. „Ausbildung plus

                                                            67 Interview DAUBER

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Studium“ (ApS) mit einer engen Zusammenarbeit mit Personal- und Ausbildungsleitung der RAG zur Nachwuchsgewinnung von Fach- und Führungskräften für Unternehmen der RAG und für die RAG selbst oder auch die Besetzung von Dozentenstellen durch RAG-Beschäftigte – wie bei der RWTH Aachen – vermutlicherweise negativ betroffen sein.

4.2.5 Ergebniszusammenfassung: Das Verhältnis Steinkohlenbergbau/Hoch-schulen

Nach der Analyse der durchgeführten Experteninterviews kann konstatiert werden, dass Ko-operationen zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen/Hochschulen und der deutschen Steinkohle, die durch die RAG repräsentiert wird, insbesondere im Bereich „Forschung“ so-wohl in der jüngeren Vergangenheit als auch derzeit nicht in dem angenommenen großen Maße bestanden bzw. bestehen. Dies ist umso überraschender, da aus historischen Grün-den eine enge Verbundenheit mit den Hochschulen, deren Gründung als klassische Berg-bauschulen ja in erster Linie aufgrund des Bedarfs des Bergbaus an Arbeitern, Wissen-schaftlern und neuer Technologie vollzogen wurde, festgestellt werden kann. Einer der Hauptgründe hierfür ist die äußerst stark einzuschätzende Autarkie der RAG Deut-sche Steinkohle AG (RAG) bzw. deren Vorgängerorganisationen gegenüber äußeren Ein-flüssen, die nur schwer in den abgeschlossenen Bereich „Kohle“ Eintritt finden können. Be-gründet werden kann dies durch die festgefügten Verhaltensnormen und vorhandenen Men-talitäten der Beschäftigten sowie durch die Einstellungen des Managements hinsichtlich ei-ner eigenen Kultur, deren Werte und Inhalte stark mit der historischen Entwicklung und der Bedeutung des „Kumpels“ und seinem Beitrag zum wirtschaftlichen Aufbau der Bundesre-publik Deutschland verbunden sind. Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass der Bereich „Kohle“ bis in die heutige Zeit gekennzeichnet ist durch eine überdurchschnittliche Abgrenzung gegenüber anderen Wirt-schaftsbranchen außerhalb der eigenen Unternehmungen, wobei intensive innerbetriebliche Teamentwicklungsprozesse auf allen Ebenen aus der bergbaulichen Tradition heraus nach-weisbar sind, die gleichzeitig eine identitätsstiftende Klammer bilden.68 Diese Charakterisie-rung lässt sich somit in erster Linie durch die soziokulturellen und geschichtlichen Entwick-lungen erklären: Nach Kriegsende 1945 – im Ruhrgebiet am 17. April 1945 – war sowohl die industrielle Pro-duktion als auch die Zivilgesellschaft zusammengebrochen. Die alliierte Verwaltung und die neuen deutschen Behörden waren der völlig außer Kontrolle geratenen Lage kaum gewach-sen. Die Verkehrsinfrastruktur und fast die Hälfte des Wohnungsbestandes waren zerstört, fast keine Wohnung war unbeschädigt. Im wirtschaftlichen Bereich wurde zuerst die Kohle-produktion aufgenommen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Kohlen sicherzustellen.

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Die Zerstörungen im Bergbau waren naturgemäß geringer als die in der übrigen, zu den vor-rangigen Zielen der Bombardements gehörigen Bereichen der Stahlindustrie. Durch die Präferierung der Kohleproduktion konnte bereits am 7. Mai 1945 auf „Consol“ in Gelsenkirchen erneut Kohle gefördert werden. In den nächsten beiden „Hungerwintern“ wird die Kohle zum Überleben unentbehrlich, und die Bergleute an der Ruhr erwerben sich als Lebensretter der Nation einen geradezu legendären Ruf, der bis heute das Selbstverständnis prägt – dies in dem Sinne, als dass sich die Organisation und Unternehmenskultur noch im-mer als ein sehr homogenes und fast abgeschlossenes Gebilde darstellt. Diese interne Sichtweise bedingt auch die seit jeher zu beobachtenden Tendenzen, die für die deutsche Steinkohle wichtigen Fragestellungen oder Themengebiete in eigener Regie anzugehen und zu lösen. Dies betrifft auch und insbesondere Forschungsvorhaben, die auf-grund des beschriebenen Selbstverständnisses mit RAG-eigenen Bordmitteln in aller Regel ohne Zusammenarbeit mit den Hochschulen und Instituten allein durchgeführt wurden und werden. Die über die gemeinsam durchgeführten Forschungsvorhaben hinausgehenden vorhandenen Kooperationen bestehen in erster Linie in der Aufnahme von Absolventen der Hochschulen in Einrichtungen der RAG sowie in der Gestellung von MitarbeiterInnen der RAG an die Hochschulen als Dozenten. Jedoch wurden die gemeinsamen Schnittmengen der Zusammenarbeit zwischen Steinkohl-bergbau und Hochschulen im Rahmen der operativen Forschung sowie auch im Bereich der Lehre in den letzten Jahren bis heute sukzessive reduziert. Neben der oben erläuterten Re-duktion der Vergabe von Forschungsaufträgen an die Hochschulen sind insbesondere die Gründe die verminderte Absolventenaufnahme nach Meinung der befragten Experten einer-seits in der Vorbereitung der RAG auf den Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlen-bergbau 2018 zu sehen, der eine Übernahme von Hochschulabsolventen in originären Berg-bau-Tätigkeiten innerhalb der RAG immer weniger sinnvoll erscheinen lässt. Andererseits streben immer weniger Hochschulabsolventen aufgrund der absehbar zeitlich begrenzten Möglichkeit der Berufsausübung unter dem Dach der RAG eine Anstellung bei der RAG an, da hier kein attraktiver und zukunftssicherer Arbeitsbereich angeboten werden kann. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen des Strukturwandels reagierten die betreffen-den Hochschulen mit Umstrukturierungen in ihrem Lehrangebot, dass sich in immer größe-ren Maße z. B. in den Bereich der „Steine und Erden/Tagebautechnik“ (Technische Fach-hochschule Georg Agricola Bochum), zu anderen Fachdisziplinen (u.a. Wirtschaft, Chemie, Physik in der Technischen Universität Bergakademie Freiberg) verschob oder sogar die Ab-schaffung von Studiengängen der originären Bergbau-Studiengänge (z. B. Steinkohleingeni-eurwesen, RWTH, Technische Fachhochschule Bochum) mit sich brachte.

                                                                                                                                                                                          68 Interview TERHEYDEN

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Darüber hinaus wird durch beide Hochschulen Studenten, die derzeit noch in Studiengängen vertreten sind, welche dem originären Bereich der Steinkohleförderung zuzurechnen sind, die Möglichkeit geboten, durch Vermittlung der Hochschulen einen Teil ihres Studiums in außereuropäischen Ländern durchführen zu können, in denen eine Steinkohlenförderung noch aktiv betrieben wird. Ziel dieses Angebots ist die eigene Akquisitionstätigkeit zur Erlan-gung eines Arbeitsplatzes vor Ort.

4.3 Sockelbergbau und/oder Forschungs-/Referenzbergwerk – Eine Chance für die deutsche Steinkohle?

Die oben beschriebenen Reaktionen sowohl der Unternehmen der Bergbauzulieferer-industrie als auch die der Hochschulen wurden originär auf Basis des Ausstiegsszenarios des subventionierten deutschen Steinkohlenbergbaus abgeleitet. Jedoch ist hier angesichts steigender Energiepreise, politischer Unwägbarkeiten (so z. B. die derzeitigen Unruhen in einer Reihe erdölproduzierender Länder) sowie weiterhin steigender weltweiter Nachfrage nach Energie die Frage zu stellen, unter welchen Bedingungen und in welcher Form möglicherweise die Förderung deutscher Steinkohle auch über 2018 hinaus gesichert werden könnte. Nach Einschätzung von WODOPIA könnte ein Referenzbergwerk unter F&E Zwecken noch über Jahre hinaus dazu beitragen, den Standort Deutschland als Forschungs- und Entwick-lungsstandort für Bergbautechnik zu erhalten. Seiner Einschätzung nach sind internationale Kunden sehr anwendungsorientiert und lassen sich besonders aus der Praxis heraus von Neuerungen überzeugen. Ein Grund, warum deutsche Bergbautechnologie es zu Weltmarkt-führerschaft gebracht hat, da diese im Hinblick auf die schwierigen Abbaubedingungen hier-zulande, hervorragende Referenzen genießt. Die unter diesen Gesichtspunkten in der interessierten Öffentlichkeit und der Politik geführte Diskussion um die Aufrechterhaltung eines Sockelbergbaus, der insbesondere die Versor-gungssicherheit festigen könnte, wird aus Hochschulsicht sowohl von MARTENS als auch von DAUBER als positive Idee wahrgenommen. Überraschenderweise werden jedoch die Hauptargumentationen, nämlich nicht-subventionierte Förderung von deutscher Steinkohle aufgrund gestiegener Weltmarktpreise für Steinkohle (Energiekosten) sowie die Versor-gungssicherheit als nicht ausschlaggebend eingeschätzt, da einerseits weiterhin ausrei-chend „billige“ Kohle am Markt angeboten werden wird, andererseits durch langfristige Ver-tragsgestaltung die Versorgung Deutschlands sichergestellt ist. Nach Meinung der Experten wäre es vielmehr sinnhaft, im Rahmen des vorgehaltenen Sockelbergbaus Universitäten und Unternehmen die Möglichkeit zu bieten, weiterhin Forschung zu betreiben und damit einem Know-how Verlust, der als ernstzunehmende Gefahr für die weitere Marktführerschaft der

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Unternehmen der Bergbauzuliefererindustrie sowie für die Qualität der wissenschaftlichen Forschung und Lehre angesehen wird, entgegenzuwirken. Demgegenüber wird die Alternative der Aufrechterhaltung zumindest eines Referenzberg-werkes von beiden Experten nicht unterstützt. Die Begründung hierfür liegt in der schwieri-gen Umsetzung dieses Modells: neben dem Argument der hohen Kosten ist es notwendig, in einem ersten Schritt zu definieren, was ein solches Bergwerk leisten müsste. Die Form des Referenzbergwerks würde auf die Möglichkeit für die Bergbauzulieferer abzielen, unter rea-len Bedingungen Produkte zu entwickeln, zu erproben und evtl. auftretende Fehler zu erken-nen und zu beheben. Dies wird jedoch der Breite der Produkte der Bergbauzulieferer nicht gerecht, da ein einzelnes Bergwerk spezifische Rahmenbedingungen aufweist, die in dieser Form nur an diesem Standort aufzufinden sind. Dies bedeutet, dass sich Produktentwicklun-gen der Bergbauzulieferer einzig auf diese Rahmenbedingungen ausrichten können, um zutreffende Ergebnisse im Versuch und Betrieb von Maschinen und Anlagen erhalten zu können. Verfolgt man diesen Gedanken weiter, wird klar, dass eine umfassende Hilfestellung für die Unternehmen der Bergbauzuliefererindustrie bei Erprobung und Referenz mehrere Schachtanlagen in Deutschland mit jeweils verschiedenen Rahmenbedingungen weiter be-trieben werden müssten – ein aus finanzieller Sicht auswegloses Unterfangen, das dazu politisch – zumindest unter den heutigen Bedingungen – nicht durchgesetzt werden könnte. Hingegen vertritt DENNINGER die Meinung, dass die Chancen für einen Referenz-bzw. So-ckelbergbau eng mit der weiteren Entwicklung der Kohlepreise korrespondierten. Die Chine-sen kaufen derzeit die Bestände „seltener Erden“ auf. Wenn sich eine Entwicklung abzeich-net, die bei der Kohle ähnlich sein könnte, wird der Preis steigen. Sobald dieser hoch genug ist, wird sich die Frage nach einem Referenzbergwerk in Deutschland neu stellen. Die Ak-zeptanz für solch ein Vorhaben ist zur Zeit noch gering, könnte sich aber ändern.69 Auch bei der Möglichkeit, im Rahmen eines Forschungsbergwerks, das sich auf reine For-schungsmöglichkeiten für Hochschulen und Institute fokussieren könnte, wird von den Exper-ten als nicht realistisch eingeschätzt. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang die Fi-nanzierungsproblematik genannt, wobei zusätzlich darauf hingewiesen wird, dass die eigent-liche Forschungsarbeit in erster Linie in den Hochschulen geleistet wird und nur nachrangig in die Rahmenbedingungen einer Forschungszeche implementiert werden könnte. Die oben angeführten Meinungen der Hochschulexperten werden vom Gesamtverband Steinkohle e.V. so nicht geteilt. WODOPIA verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass „… ein Referenzbergwerk zu F&E Zwecken … noch über Jahre dazu beitragen [könnte], den Standort Deutschland als Forschungs- und Entwicklungsstandort für Bergbautechnik „made in Germany“ zu erhalten.“ Und weiter: „Internationale Kunden sind i.d.R. sehr anwendungs-

                                                            69 Interview DENNINGER

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orientiert und lassen sich immer gerne aus der Praxis heraus von Neuerungen überzeugen. Es sind allerdings eine Reihe von Fragen der praktischen Umsetzung zu klären.“70 Die hier von WODOPIA entwickelte Argumentationskette spiegelt die unterschiedliche Auf-fassung des GVSt und den befragten Hochschulexperten wider, deren Meinungen sich auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der Nutzung eines Referenzbergwerkes durch die Unter-nehmen der Bergbauzulieferer unterscheiden. WODOPIA hierzu: „Ohne heimische Entwick-lungs-, Erprobungs- und Referenzbasis droht, dass ein großer Teil der Bergbauzulieferer-unternehmen ihren Standort oder zumindest wesentliche Kapazitäten ins Ausland verlagern. Gleichzeitig droht ein Wegfall von Ausbildung, Lehre und Forschung. Die entsprechenden Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte gehen verloren.“71 Dies wird auch aus Sicht der IG BCE unterstrichen, in dem die Notwendigkeit hervorgehoben wird, einen Referenzberg-bau vorzuhalten, um Know-how-Verlust – unabhängig von den politischen Rahmenbedin-gungen – zu vermeiden.72 In diesem Sinne argumentieren auch GERKENS/NEUMANN, die herausstellen, dass die Chancen der Bergbauzulieferer in den verschiedenen gegebenen morphologischen Unter-schieden der jeweiligen Schachtanlagen lagen und auch zukünftig liegen, d.h. die Möglich-keit zu haben, für die denkbaren Voraussetzungen die passgenauen Produkte anbieten zu können.73 Aus diesen Gründen wird auch hier auf der Notwendigkeit von mehreren Refe-renzbergwerken hingewiesen wobei hier die Auffassung vertreten wird, dass eine Beteiligung der Industrie an den vorzuhaltenden Schachtanlagen als nicht realistisch einzuschätzen ist. Für das Szenario eines vollständigen Ausstiegs aus der Steinkohleförderung sehen GERKENS/NEUMANN einen immensen Kosten- und Zeitaufwand beim Test der Produkte voraus, die in ausländischen Bergwerken erfolgen müssten.74 Angesichts der verschiedenen Meinungsbilder über die Chancen und Risiken von Sockel-bergbau, sowie Referenz- oder Forschungsbergwerk(en) fällt auf, dass alleine schon die Definitionsvariationen der Begriffe Fragen aufwerfen, die im Rahmen einer entweder/oder Antwort nicht beantwortet werden können. Vielmehr bleibt festzuhalten, dass an dieser Stelle die Notwendigkeit besteht, im Rahmen einer tiefer gehenden Diskussion Antworten zu gene-rieren, die die jeweiligen Argumente berücksichtigen und zusätzlich mögliche zukünftige Szenarien, welche die Versorgungssicherheit und die zu erwartenden steigenden Energie-preise beachten müssen. Erst wenn dies mit großer Sorgfalt geleistet wurde, können grund-legende und auf einer verifizierbaren Basis stehende Entscheidungen getroffen werden.

                                                            70 Interview WODOPIA 71 ebd. 72 Interview TERHEYDEN 73 ebd. 74 ebd.

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5 Fazit und weiterer Forschungsbedarf

Global operierende Unternehmen der Bergbauzulieferindustrie sind in der Regel in der Lage, ihr Kerngeschäft – ständig innovierend – international mit großem Erfolg voranzutreiben. Sie verfügen über ausreichend Eigenkapital, Wirtschaftinformationen, Technologie- und Entwick-lungspotenzial und qualifizierte Mitarbeiter, um in neue Absatzmärkte vorzudringen und sich aufgrund ihrer erworbenen und im globalen Geschäft weiter ausgebauten Technologiefüh-rerschaft profitabel zu positionieren. Dies stabilisiert wenigstens partiell das Beschäftigungsvolumen an den deutschen Standor-ten, denn das weltweite Marktpotential wird durch die Global Player unter den Bergbauzulie-ferern in heimische Wachstums- und Beschäftigungsimpulse umgesetzt. Allerdings zeigen sich mit zunehmender Reduktion des inländischen Absatzmarktes bei gleichzeitigem und verstärkten Aufbau von Geschäftsfeldern im Ausland, auch mittelfristige Gefahren von Ar-beitsplatzverlagerungen und damit lokalen Beschäftigungsverlusten und Know-how-Transfer ins Ausland. Ohne Bergbau versiegen möglicherweise technologische Innovationen und Entwicklungs-kompetenzen, die bislang ein herausragendes Kompetenzmerkmal im „Cluster Steinkohle“ waren. Das Know-how verlagert sich über Kooperations- und Entwicklungspartnerschaften in andere Regionen, um dort Wertschöpfungsprozesse zu initiieren, die für den Wirtschafts-standort Deutschland ebenso relevant wären, wie für die Beschäftigungssituation im Ruhr-gebiet. Nach der Analyse der Experteninterviews muss jedoch schon heute festgestellt werden, dass Kooperationen zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen/Hochschulen und der deut-schen Steinkohle, die durch die RAG/DSK repräsentiert wird, sowohl in der jüngeren Ver-gangenheit als auch derzeit nicht im angenommenen Umfang gegeben waren bzw. sind. Dies scheint überraschend, da eine enge Verbundenheit aus historischen Kontexten mit den Hochschulen, deren Gründung als klassische Bergbauschulen in erster Linie aufgrund des Bedarfs des Bergbaus an Arbeitern, Wissenschaftlern und neuer Technologie vollzogen wurde, konstatiert werden kann. Einer der Hauptgründe für das bestehende Kooperationsdefizit ist die äußerst stark einzu-schätzende Autarkie der RAG/DSK bzw. deren Vorgängerorganisationen gegenüber äuße-ren Einflüssen, die nur schwer in den abgeschlossenen Bereich „Kohle“ Eintritt finden kön-nen. Begründet wird dies durch die festgefügten Verhaltensnormen und vorhandenen Menta-litäten der Beschäftigten sowie durch die Einstellungen des Managements hinsichtlich einer eigenen Kultur, deren Werte und Inhalte stark mit der historischen Entwicklung und der Be-deutung des „Kumpels“ und seinem Beitrag zum wirtschaftlichen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind.

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Vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklungen sowie des anhaltenden Struktur-wandels in NRW haben die betreffenden Hochschulen frühzeitig in Form von Umstrukturie-rungen des Lehrangebots reagiert, dass sich in immer größeren Maße z. B. in den Bereich der „Steine und Erden/Tagebautechnik“ (Technische Fachhochschule Georg Agricola Bo-chum), zu anderen Fachdisziplinen (u.a. Wirtschaft, Chemie, Physik in der Technischen Uni-versität Bergakademie Freiberg) verschob oder sogar die Abschaffung von Studiengängen der originären Bergbau-Studiengänge (z. B. Steinkohleingenieurwesen, RWTH, Technische Fachhochschule Bochum) mit sich brachte. Trotz dieser Anpassungsmaßnahmen befindet sich die TFH in einer schwierigen Lage, da davon ausgegangen wird, dass mit dem Auslaufen der subventionierten Steinkohleförderung auch die RAG als Institution obsolet werden wird. Mit dem Ende des subventionierten Stein-kohlenbergbaus im Jahr 2018 könnten auch die von der RAG vertraglich festgelegten jährli-chen Finanzmittel, die an die TFH fließen, nicht mehr genutzt werden. Um die Weiterführung der TFH sichern zu können, die ohne eine neue Organisations- und Trägerstruktur nicht ge-währleistet wäre, werden jedoch bereits heute verschiedene Modelle einer zukunftsfähigen Weiterführung der TFH, wie z. B. die Überführung in die vollständige Trägerschaft durch das Land NRW, diskutiert. Die Unternehmen des Bergbauclusters NRW versuchen – u.a. mit Unterstützung der NRW-Landesregierung – seit vielen Jahren neue Auslandsmärkte zu erschließen. Über die Lan-desinitiative Bergbautechnik hat Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung von Unternehmen, dem Fachverband Bergbaumaschinen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), der Fachvereinigung Auslandsbergbau und internationale Rohstoffaktivitäten (FAB), Hochschulen und mit der NRW.International GmbH wurde zu diesem Zwecke ein Netzwerk aufgebaut, welches eine optimale Unterstützung der Unternehmen gewährleisten soll. Neben Internationalisierungs- werden auch Produktdiversifizierungsstrategien von Sei-ten der Unternehmen verfolgt. So versuchte z. B. Eickhoff bereits Mitte der 1970er Jahre die enge Bindung an den Bergbau mit Produkten für andere Wirtschaftzweige, wie etwa der Produktion von Verpackungsmaschinen, zu verringern. Dieser Strategie – sich vom Produkt-portfolio her möglichst breit aufzustellen, zugleich jedoch das traditionelle Kerngeschäft ope-rativ weiterzuführen – ist das Unternehmen bis auf den heutigen Tag treu geblieben. Auf Unternehmensseite konnte im Rahmen der vorliegenden Studie jedoch nicht eruiert wer-den, wie kleinere Zulieferbetriebe, z. B. lokale Handwerksbetriebe mit dem Schließungssze-nario umgehen (müssen). Ausgehend von der Problemstellung, dass die sozio-ökono-mischen Auswirkungen von betrieblichen Restrukturierungen generell nur schwer zu quanti-fizieren sind, sollte im Hinblick auf die Entwicklung möglicherweise notwendiger arbeits-marktrelevanter und regionalwirtschaftlicher Kompensationsmaßnahmen ein Toolkit für Im-

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pactanalysen geschaffen und angewendet werden, mit deren Hilfe mögliche Negativeffekte75 quantitativ beurteilt werden können.  Zu untersuchen wäre darüber hinaus, inwiefern es Unternehmen sowie Hochschulen ermög-licht werden kann, auch im Falle eines eintretenden Schließungsszenarios weiterhin For-schung zu betreiben. Nach Expertenmeinung ist es sinnvoll, einem Know-how Verlust, der als ernstzunehmende Gefahr für die weitere Marktführerschaft der Unternehmen der Bergbauzuliefererindustrie sowie für die Qualität der wissenschaftlichen Forschung und Leh-re angesehen wird, im Rahmen eines vorgehaltenen Sockelbergbaus entgegenzuwirken. Da ein einzelnes Bergwerk grundsätzlich mit singulären standortspezifischen Rahmen-bedingungen verbunden ist, wird der mögliche Erhalt eines(!) Bergbaustandortes nach Ex-pertenmeinung jedoch der Breite der Produkte der Bergbauzulieferer nicht gerecht. Produkt-entwicklungen der Bergbauzulieferer müssen sich stattdessen grundsätzlich an verschie-denartigen Rahmenbedingungen orientieren, damit zutreffende Ergebnisse im Versuch und Betrieb von Maschinen und Anlagen generiert werden können. Es wird deutlich, dass eine umfassende Hilfestellung für die Unternehmen der Bergbauzuliefererindustrie bei Erprobung und Referenz mehrerer Schachtanlagen in Deutschland mit jeweils verschiedenen Rahmen-bedingungen weiter betrieben werden müssten – ein aus finanzieller Sicht scheinbar aus-wegloses Unterfangen, das dazu politisch – zumindest unter den heutigen Rahmenbedin-gungen – nicht durchgesetzt werden könnte. Interessant erscheint folglich die Diskussion der Fragestellung, unter welchen Rahmenbe-dingungen und Prämissen es einen nicht subventionierter Steinkohlenbergbau in Deutsch-land geben könnte. Ein bedeutsamer Standortfaktor für einen subventionsfreien Steinkoh-lenbergbau würde nach heutigem Erkenntnisstand die Schachtanlage der DSK Anthrazit Ibbenbüren GmbH in Ibbenbüren sein, welche als einziger Steinkohlenbergbaustandort in Deutschland jährlich 300.000 t Steinkohle subventionsfrei verkauft. Neben einem hoch mo-dernen Kohlekraftwerk, welches jährlich circa 1,4 Mio. t Steinkohle verstromt, verfügt Ibben-büren zudem über eine qualitativ sehr hochwertige Steinkohle, die weiterhin stark nachge-fragt wird. Neben der Standortfrage ist jedoch darüber hinaus zu diskutieren, unter welchen Bedingungen (u.a. Entwicklung des Weltmarktpreises bzw. des weltweiten Energiebedarfs) und Parametern die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Steinkohle gewährleistet wäre.

                                                            75 Die Analyse der PROGNOS AG aus dem Jahr 2007 beinhaltet ausschließlich eine Quantifizierung positiver Effekte des Bergbaus in beschäftigungspolitischer und ökonomischer Hinsicht.

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HEINZE, Rolf (2006b) : Das Ruhrgebiet im Standortwettbewerb – Modellregion für Innovatio-nen? Vortrag vom 24.Mai 2006 bei der RAG Immobilien/MGG HEINZE, Rolf; HILBERT, Josef et al. (1996): Strukturpolitik zwischen Tradition und Innovati-on. NRW im Wandel. Opladen IG METALL (Hrsg.) (2009a): Mit Früherkennung und Innovation in die Offensive. (= Arbeit und Innovation 01_2009) IG METALL (Hrsg.) (2009b): Initiative Arbeit durch Innovation. www.arbeit-durch-innovation.de/index.php?url=44,0,46,0,1 [03.06. 2009] IG METALL BEZIRK NRW (Hrsg.) (2005): Dokumentation Strukturwandel Bergbautechnik – Zukunft von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Die Dialogveranstal-tung für Betriebsräte der Branche Bergbautechnik. Dokumentation der Veranstaltung vom 09.11.2005 in Hamm INTERNATIONALE ENERGIE AGENTUR (Hrsg.) (2008): World Energy Outlook 2008. China and India Insight. Paris KIESE, Matthias (2008): Stand und Perspektiven der regionalen Clusterforschung. In: Matt-hias KIESE und Ludwig SCHÄTZL (Hrsg.): Cluster und Regionalentwicklung. Theorie, Bera-tung und praktische Umsetzung. S. 9-50, Dortmund KIESE, Matthias (2009): Policy-Transfer und institutionelle Lernprozesse in der Clusterpolitik. Aus: SCHMID, Josef; HEINZE, Rolf; BECK, Rasmus (Hrsg.): Strategische Wirtschaftsförde-rung und die Gestaltung von High-Tech-Clustern. Baden-Baden, S. 40- 58 KIESE, Matthias; SCHÄTZL, Ludwig (Hrsg.) (2008): Cluster und Regionalentwicklung. Theo-rie, Beratung und praktische Umsetzung. Dortmund KOPP, Ralf; Georg LANGENHOFF und Antonius SCHRÖDER (2000): Methodenhandbuch. Angewandte empirische Methoden. Erfahrungen aus der Praxis. Dortmund LANDTAG INTERN: Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen. Der Präsident des Landtages Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): 37. Jahrgang, Ausgabe 4 vom 15.03.2006. Düsseldorf MARSHALL, Alfred (1890): Principles of Economic: An Introductory Volume. London MARSHALL, Alfred (1919): Industriy and Trade. A Study of Industrial Technique and Busi-ness Organization, and of their Influences on the Conditions of Various Classes and Nations. London MASCHINENHANDEL (Hrsg.) (2007): Branchennews: Codelco setzt auf deutsche Technik. http://www.maschinen-handel.de/branchennews-Weltgroesster-Kupferkonzern-Codelco-setzt-auf deutsche-Technik [10.07. 2007] MASCHINENMARKT (Hrsg.) (2007a): Interview mit ALT vom VDAM. Maschinenbauer und Neuorientierung der Zulieferer in NRW. http://www.maschinenmarktonline.de/index [03.06. 2007] MASCHINENMARKT (Hrsg.) (2007b): Sonneck, Martin zu Innovationsleistungen der Berg-bauzulieferer. http://www.maschinenmarktonline.de/index. [03.06.2007]

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MELLER, Eberhard; MILOJCIC, George und WODOPIA, Franz-Josef (2008): Jahrbuch der europäischen Energie- und Rohstoffwirtschaft. Essen N-TV NACHRICHTENFERNSEHEN GMBH (Hrsg.) (2010): Steinkohle-Ausstieg bis 2018. Revision ist nicht zugelassen. http://www.n-tv.de/politik/Revisoin-ist-nicht-zugelassen-article1951546.html [17.11.2010] PCG - PROJECT CONSULT GMBH (Hrsg.) (2007): Altes Eisen – Altindustrie? Assoziationen und Wahrnehmungen rund um Hightech-Unternehmen der anderen Art. Essen PORTER, Michael (1990): The Competitive Advantage of Nations. New York PORTER, Michael (1998): On Competition, Harvard Business School Press, Boston PROGNOS AG (Hrsg.) (2007): Endbericht – Regionalökonomische Auswirkungen des Stein-kohlenbergbaus in Nordrhein-Westfalen. Studie im Auftrag des GVSt. Berlin & Bremen. RAG AKTIENGESELLSCHAFT (Hrsg.) (2009): RAG-Forschungspreis 2009: Gewinnungs-maschine kann sehen, hören und fühlen – Technik unter Tage revolutioniert die Arbeit. http://www.rag.de/index.php?siteID=63&newsID=365 [11.11.2009] RAG DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2008a): Fördereinstellung auf dem Bergwerk Wal-sum. http://www.rag-deutsche steinkoh-le.de/news.php?newsid=2231&id=&lang=de&sq1=wasserhaltung&sq2=&sq3 [26.06. 2008] RAG DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2008b): Bericht „Zukunft braucht Kohle“ gemein-sam mit dem GVSt. http://www.rag-deutsche-steinkohle.de/medien/pdf/T-1170329454.pdf. [02.05. 2008] RAG DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2007): Ausbildung: Perspektive für junge Men-schen. http://www.rag-deutsche-steinkohle.de/news.php?newsid=2157 [06.06. 2007] RAUSCHENBACH, Brigitte (1972): Antizipation und Prognose. Frankfurt a.M. RITTER, Klaus (2010): Energiemarkt China. http://eitep.com/de/pdf/press_energiemarkt_china.pdf [04.2011] RWTH AACHEN (Hrsg.) (2009a): Infrarotthermografie. Automation mittels Infrarotsensorik. http://www.imr.rwth-aachen.de/forschung/automatisierung/infrarotsensorik--thermografie/index.php [o.J.] RWTH AACHEN (Hrsg.) (2009b): Forschungs- und Kooperationspartner. http://www.ibh.rwth-aachen.de/ibh/produkte_loesungen/produkte_loesungen.html [19.01.2009] SCHNITZMEIER, Jürgen (2005): Industriestandort Mülheim an der Ruhr. In: Mülheim Busi-ness Journal. Ausgabe März 2005. S. 4-8 STEDEN, Philip und Martin SCHLESINGER (2008): Regionalwirtschaftliche Bedeutung des Ruhrbergbaus – Ergebnisse einer Modellrechnung. In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen. Zeitschrift für Energiewirtschaft, Recht, Technik und Umwelt. 58 Jg. (2008), Heft 1/2. Essen SUSTAIN CONSULT(Hrsg.) (2005): Bergbautechnik NRW – Profil und Marktentwicklung. http://www.besser-zukunft.de/_uploads/news/33_SUSTAIN%20CONSULT_Bergbautechnik_2005-11-09_Handout.pdf [16.11.2005]

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TAXACHER; GEORG (2007): Deutsche Bergbautechnik auch ohne Steinkohle. Gute Zeiten für Bergbau-Ingenieure. Interview mit Prof. Dr. Per Nicolai MARTENS. http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/steinkohle/interview_martens.jhtml [29.01.2007]? VDMA (Hrsg.) (2008): Handbuch der Investitionsgüterindustrie. Darmstadt VDMA (Hrsg.) (2008): Pressekonferenz 2008. www.allaboutsourcing.de/de/keine-talfahrt-bei-bergbaumaschinen/ [20.11.2008] VDMA (Hrsg.) (2009): Branchenbarometer 2008/2009. www.vdma.org/wps/portal/Home/de/Branchen/B/BBM/Wirtschaft/Int_Maerkte_und_Konjunktur. [02.05.09] VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN- UND ANLAGENBAU E.V./DEUTSCHE STEIN-KOHLE AG/GESAMTVERBAND DES DEUTSCHEN STEINKOHLENBERGBAUS (Hrsg.) (2006): Bergbautechnik aus Deutschland – Kooperation bringt Vorsprung. o.O. WALLIS, Allen und Harry ROBERTS (1975): Methoden der Statistik. Hamburg WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLE RUHR GMBH (Hrsg.) (2009): Regionalkunde Ruhrgebiet. Verbundwirtschaft der Montanindustrie. www.ruhrgebiet-regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/index.php?p= [01.01.2009] WISSEN, Markus und Bernd RÖTTGER (2005): (Re)Regulationen des Lokalen. In: FREY, Oliver; KESSL, Fabian; MAURER, Susanne et al. (Hrsg.): Handbuch Sozialraum. S. 207-225, Wiesbaden

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Interviewpartner

Dr. Ralf BARTELS (Ressortleiter Bergbau und Energiepolitik der IG BCE Hauptverwaltung, Hannover) am 05. November 2010 Prof. Dr. Christoph DAUBER (Wissenschaftsbereich Geoingenieurwesen, Bergbau und Technische Betriebswirtschaft an der Technischen Fachhochschule Georg Agricola für Roh-stoff, Energie und Umwelt zu Bochum) am 04. Dezember 2010 Heinrich DENNINGER (Betriebsratsvorsitzender der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH, Bochum) am 11. Dezember 2010 Christine GERKENS (stellvertende Betriebsratsvorsitzende der dh mining system GmbH, Dortmund) Tim NEUMANN (Chief Marketing Officer) am 02. Februar 2011 Michael GESSNER (Leiter der Abteilung Energie, Kerntechnik, Bergbau im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen), Ulrich KAISER (Referat 422 Bergbau) am 16. Dezember 2010 Prof. Dr. Per Nicolai MARTENS (Institut für Bergbaukunde I an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen) am 10. Dezember 2010 Klaus TERHEYEN (Gewerkschaftssekretär der IG BCE Landesbezirk Westfalen) am 17. Januar 2011 Prof. Dr. Franz-Josef WODOPIA (Hauptgeschäftsführer des Gesamtverband Steinkohle e.V., Herne) am 18. Februar 2011

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Abbildungen

Abb. 1: Beschäftigungszahlen im Steinkohlenbergbau zum 31.12.2009 11

Abb. 2: Steinkohlenbergwerke in Deutschland 12

Abb. 3: Mitarbeiterverlegungen der RAG in den Jahren 2010 bis 2013 13

Abb. 4: Fachrichtungen der Auszubildenden im Steinkohlenbergbau 2010 17

Abb. 5: Die schrittweise Reduzierung der Fördermengen und Belegschaften 21

Abb. 6: RAG/DSK Auftragsvolumina 2008 an NRW Zulieferbetriebe 25

Abb. 7: Unternehmensstruktur und Anteilseigner der dh mining system GmbH 33

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Abkürzungen

Abb. Abbildung

bzw. beziehungsweise

CDU Christlich Demokratische Union

d.h. das heißt

DSK Deutsche Steinkohle

ebd. ebenda

EU Europäische Union

F&E Forschung und Entwicklung

FAB Fachvereinigung Auslandsbergbau und internationale Rohstoffaktivitäten

FDP Freie Demokratische Partei

GmbH Gesellschaft mit bedingter Haftung

Hrsg. Herausgeber

IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

IEA Internationale Energie Agentur

IMR Institut für Maschinentechnik der Rohstoffindustrie

Mio. Millionen

Mrd. Milliarden

NRW Nordrhein-Westfalen

RAG Ruhrkohle AG

RWTH Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule

t Tonnen

TFH Technische Fachhochschule

TU Technische Universität

VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau

u.a. unter anderem

z.B. zum Beispiel

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Anhang

Erstellt durch die:

PROJECT CONSULT GMBH — PROF. DR. KOST & COLLEGEN

Anschrift: PCG PROJECT CONSULT GmbH – Prof. Dr. Kost & Collegen

Friedrich-List-Straße 2

45128 Essen

Telefon: 0201/ 10 59 2-0

Fax: 0201/ 10 59 2-79

Internet: www.pcg-projectconsult.de

E-mail: [email protected]

Die Erstellung der Studie wäre ohne die Unterstützung durch die Hans-Böckler-Stiftung, Referat For-schungsförderung 1 nicht möglich gewesen. Insbesondere gilt unser Dank dem Leiter des Referats, Herrn Dr. Marc Schietinger für die von ihm geleistete Unterstützung.