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Z. anorg. allg. Chem. 631 (1985) 82-88 J. A. Barth, Leipzig ffber Chalkogenolate. 162 [I] Umsetzungenvon Hydrarin rnit Kohlenstoffdisulf id 1. Darstellung und Eigenschaften von 1.2-Hydrazin-bis- (dithioformiaten) G. GATTOW" und S. LOTZ Main z, Institut fur Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Universitit In ha1 t sii bersic ht. Die hergestellten 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiate) M2[S,C-NH--NH-CS,] mit M = Na, K wurden mit chemischen Methoden sowie rnit Elelrtronenabsorptions-, Infrarot-, Kernresonanz- (1H und I3C) und Massenspektren charakterisiert. On Chaleogenolates. 162. Reactions of Hydrazine with Carbon Disulfide. 1. Synthesis and Properties of 1,2-Hydrazine-bis(dithioformates) M2[S2C-NH-NH-CS2] with M = Na, K Abstract. The prepared l,'L-hydrazine-bis(dithioformates) have been characterized with chemical methods as well as by means of electron absorption, infrared, nuclear inagnetic resonance (lH and W), and mass spectra. Durch direkte Reaktion von Hydrazin mit Kohlenstoffdisulfid konnten CURTIUS und HEIDENREICH [a, 31 erstmals 1894 das Hydraziniunisalz der Di- thiocarbazidsaure herstellen. Die analoge Umsetzung in Gegenwart von Hilfs- basen MOH fuhrt zu den entsprechenden Dithiocsrbazaten M[S,C-NH-NH,], die sich verestern lassen [4]. Die Darstellung der Dithiocarbazidsiiure gelang ANTHONI u. Mitarb. [5]. Inzwischen ist diese Verbindungsklasse weitgehend cha- rakterisiert worden ; vgl. den Ubersichtsartikel [ 61. Da Hydrazin aufgrund seiner Koiistitution als eine bifunktionelle Aminkom- ponente anzusehen ist, erfolgt mit Kohlenstoffdisulfid auch eine zweiseitige Insertion, die zu 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiaten) [S,C-NH-NH-CS2]2-, die auch als 1,2-Hydrazin-bis(dithiocarboxylate) bezeichnet werden, fuhrt. Be- schrieben wurden die Dsrstellungen des Dinatrium- [ 7, 81 und Dikaliumsalzes [S, 91, vgl. auch [lo]. MATTES und FUSSER [a] haben kiirzlich uber die Synthese vonTrinatrium- und Trikalium-I, 2-hydrazin-bis(dithiocarboxylat) M,[S,C -NH - N= CS,] aus Hy- drazin, Kohlenstoffdisulfid und dem entsprechenden Ethoxid berichtet ; vgl. auch [Ill.

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Z. anorg. allg. Chem. 631 (1985) 82-88 J. A. Barth, Leipzig

ffber Chalkogenolate. 162 [I]

Umsetzungen von Hydrarin rnit Kohlenstoffdisulf id 1. Darstellung und Eigenschaften von 1.2-Hydrazin-bis- (dithioformiaten)

G. GATTOW" und S. LOTZ

M a i n z , Institut fur Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Universitit

I n ha1 t sii bers ic ht. Die hergestellten 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiate) M2[S,C-NH--NH-CS,] mit M = Na, K

wurden mit chemischen Methoden sowie rnit Elelrtronenabsorptions-, Infrarot-, Kernresonanz- (1H und I3C) und Massenspektren charakterisiert.

On Chaleogenolates. 162. Reactions of Hydrazine with Carbon Disulfide. 1. Synthesis and Properties of 1,2-Hydrazine-bis(dithioformates)

M2[S2C-NH-NH-CS2] with M = Na, K A b s t r a c t . The prepared l,'L-hydrazine-bis(dithioformates)

have been characterized with chemical methods as well as by means of electron absorption, infrared, nuclear inagnetic resonance (lH and W ) , and mass spectra.

Durch direkte Reaktion von Hydrazin mit Kohlenstoffdisulfid konnten CURTIUS und HEIDENREICH [ a , 31 erstmals 1894 das Hydraziniunisalz der Di- thiocarbazidsaure herstellen. Die analoge Umsetzung in Gegenwart von Hilfs- basen MOH fuhrt zu den entsprechenden Dithiocsrbazaten M[S,C-NH-NH,], die sich verestern lassen [4]. Die Darstellung der Dithiocarbazidsiiure gelang ANTHONI u. Mitarb. [5]. Inzwischen ist diese Verbindungsklasse weitgehend cha- rakterisiert worden ; vgl. den Ubersichtsartikel [ 61.

Da Hydrazin aufgrund seiner Koiistitution als eine bifunktionelle Aminkom- ponente anzusehen ist, erfolgt mit Kohlenstoffdisulfid auch eine zweiseitige Insertion, die zu 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiaten) [S,C-NH-NH-CS2]2-, die auch als 1,2-Hydrazin-bis(dithiocarboxylate) bezeichnet werden, fuhrt. Be- schrieben wurden die Dsrstellungen des Dinatrium- [ 7, 81 und Dikaliumsalzes [S, 91, vgl. auch [lo].

MATTES und FUSSER [a] haben kiirzlich uber die Synthese vonTrinatrium- und Trikalium-I, 2-hydrazin-bis (dithiocarboxylat) M,[S,C -NH - N= CS,] aus Hy- drazin, Kohlenstoffdisulfid und dem entsprechenden Ethoxid berichtet ; vgl. auch [Ill.

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I. Darstellung von Dinatrium- und Dikalium-l,2-hydrazin-bis (dithioformiat) Die Darstellung des Dinatrium- und Dikaliumsalzes der 1,2-Hydrazin-bis-

(dithioameisensaure) erfolgte in Anlehnung an die Methode von JAKUBOVICH und GINSBURG [ 71 durch Umsetzung von Hydrazinhydrat mit Kohlenstoffdisulfid in waljrig-alkalischem Medium, wobei zu beachten ist, da13 das in der Arbeitsvor- schrift von [ 71 angegebene molare Verhaltnis der Ausgangskomponenten nicht richtig ist und somit nicht zum gewiinschten Produkt fuhren kann.

Arbei t svorschr i f t M,[S,C-NH-NH-CS,] m i t M = Na, K. Unter Argon als Schutzgas werden 0,204 mol NaOH bzw. KOH, gelost in 1 2 cm3 Wasser, und 16 g (0,21 mol) CS2 vorgelegt und die Temperatur der Mischung auf etwa 15 "C eingestellt. Unter heftigem Riihren tropft man 5, l g (0,102 mol) H,N-NH, . H,O (99yoig), gelost in 10 em3 Wasser, hinzu, wobei die Temperatur der Reaktionsmischung langsam ansteigt. Gegen Ende des Zutropfens (nach etwa 35 min) erreicht die Temperatur etwa 45 "C und fallt dann auf Raumtemperatur ah. Die orange gefarbte Losung wird dann so Iange auf 40 "C erwarmt, his die Farbe nach gelb umschlagt (Dauer etwa 30 min). Man kuhlt auf - 20 "C a b und fiigt 30 cm3 auf - 35 "C gekiihltes Aceton hinzu, wobei sich ein orangegefgrbtes 0 1 abscheidet, das sorgfaltig abgetrennt wird. Wenn keine Phasentrennung eintritt, gibt man wenig Diethylether (-35 "C) hinzu. Das 01 wird nochmals in entsprechender Weise mit Aceton behandelt und danach bei etwa 0 "C mit Ethanol verriihrt, wobei es in eine pulverige Form iibergeht. Man saugt iiber eine Umkehrfritte ab und wascht mit wenig eiskaltem Methanol und Ethanol nach. Restliches Losungsmittel wird im Vakuum entfernt. Ausbeute etwa 47% der Theorie fiir die Dinatrium- und 64% fur die Dikaliumverbindung, bezogen auf die eingesetzte Menge an Hydrazinhydrat.

Umkr is ta l l i sa t ion . Wahrend sich das Dinatriumsalz bei der Umkristallisation zersetzt, kann das Dikaliumsalz wie folgt umkristallisiert werden: Zu einer Suspension der Verbindung in Ethanol (35 "C) gibt man his zur vollstandigen Auflosung Methanol und versetzt die Losung mit Petrolether (Siedebereich 40- 60 "C) his zur bleibenden Triibung. Nachfolgende Abkiihlung auf -30 "C fiihrt zur Kristallisation. Kristallisiert man ails Methanol unterhalb 40 "C um, dann entstehen methanolhaltige Kristalle, die auRerhalb der Losung innerhalb weniger Sekunden Methanol abgeben und ihren Kri- stallhabitus verlieren. Aufgrund einer Rontgenstrukturanalyse geben [S] die Zusammensetzung der methanolhaltigen Kristalle mit Kz[S2C-NH-NH-CS,] . 4 CH,OH an.

Analysen. Die Bestimmung der C-, H- und N-Gehalte erfolgte nach den Rblichen Methoden, die S-Gehalte wurden nach dem von SCIIONIGER [l2] beschriebenen Verfahren ermittelt. C 10,08 (her. 10,52); H 1,27 (0,88); N 11,96 (1P,27); S %,S2 (56,20)% €ur Na,[S,C-NH-NH-CS,]. C 9,OO (her. 9,21); H 0,91 (0,77); N 11,15 (10,75); S 49,02 (49,24)% fur Kz[S2C-NH-NH-CS2].

11. Eigenschaften der 1,2-Hydrazin-bis (dithioformiate) Das Dinatrium- und Dikalium-1, 2-hydrazin-bis(dithioformiat) sind farb- und

geruchlose, kristalline Substanzen, die bei Raumtemperatur nur begrenzt haltbar sind. Sie zersetzen sich unter H,S-Abspaltung, wobei das Dinatriumsalz erheblich schneller als das Dikaliumsalz zerfiillt . Beide Verbindungen besitzen keinen Schmelzpunkt, sonderii zersetzen sich langsam bei Temperaturen > 170 O C , bis sich bei weiterer Temperaturerhohung der Festkijrper bei etwa 290 O C verflussigt (300OC nach [9] fur die K-Verbindung). Ihre nach der Schwebemethode (Te- trachlorkohlenstoff/Bromoform-Gemische) bei 20OC bestimmten Dichten und Molvolumina betragen d:' = 1,782(10) g/cm3 und Vij = 128,08 cm3/mol fur Na,[S,C-NH-NH-CS,] und d;' = 1,841(10) g/cm3 und Vg: = 141,49 cm3/mol fur K,[S,C-NH - NH - CS,] .

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keide 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiate) sind unter Zersetzung (s. Kapitel I1,l.) sehr gut in Wasser und Methanol loslich. Sie losen sich gut in Dimethylsulfoxid und weniger gut in Ethanol. Praktisch unloslich sind sie in Petrolether, Chloroform und Diethylether.

1. Verhalten in waBriger Losung

Die hergestellten 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiate) zersetzen sich in Wasser. Die Kinetik der Zersetzung wurde durch Ermittlung der Extinktion der Absorp- tionsbande bei 288,5 nm (s. Kapitel 11, 2.) waI3riger Losungen von K,[S,C-NH-NH-CS,] (Konzentration 7,68 * mol!l) als Funktion der Zeit (6-30 min) bei 2OoC untersucht. Unter der Annahme, daI3 es sich bei der Zer- setzung um eine Reaktion 1. Ordnung handelt (infolge des groI3en H,O-Ober- schusses kann die Konzentration des Wassers als konstant angesehen werden), ergibt sich fur die mittlere Geschwindigkeitskonstante der Zersetzung k = 5,26 - 10-4 s-1; die Halbwertszeit des Zerfalls betrtigt tl,2 = 22,O min.

2. Elektronenabsorptionsspektrum

Im sichtbaren und UV-Bereich (200-700 nm) zeigen w&Grige Losungen der 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiate) bei 20 O C drei Absorptionsbanden bei 253, 288,5 und 363 nm, deren Extinktionskoeffizienten mit der Zeit abnehmen. AuBerdem werden noch Absorptionen bei 204,5 und 330 nm registriert, deren Intensitaten mit der Zeit zunehmen und die von Zersetzungsprodukten stammen. Die auf die Zeit t = 0 extrapolierten molaren Extinktionskoeffizienten von Dikalium-I, 2- hydrazin-bis(dithioformiat) sind zusammen mit den entsprechenden Daten von Kaliumdithiocarbazat, das nach [13] hergestellt wurde, der Tab. 1 zu entnehmen.

Tabelle 1 Elektronenabsorptionsspektren wiifiriger Losungen von Kz[SZC-NH--NH-CSZ] und K[S,C-NH--NHZ]

&[S& -NH -NH- CSZ]") I [nm] E [I . mol-' cm-I] 3, b m l e [I . mol-l . cm-l]

K[SZC - NH - NHZlb)

253 6,5l . 10.3 252,5 7 3 2 . 103 288,3 1,786. 10' 2778 9,789. 103 363 2,47.104

") Nahere Einzelheiten s. Text. b, Zusatzlich treteri noch Absorptionsbqden bei 202 und 325 nm auf, die von Zersetzungsprodulrten stammen.

'Die Zuordnung der elektronischen ifbergange ist durch Vergleich mit Literaturdaten [GI von Dithiocarbamaten moglich. Aufgrund der Bandenlage und der molaren Extinktionskoeffizienten konnen folgende Zuweisungen getroffen werden: Bei 253 nm n + n*-Ubergang, bei 288,5 nm n + a*-ubergang und bei 363 nm n + n*-Ubergang.

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3. Infrarotspektrum

K,[S2C-NH-NH-CS,] treten Absorptionsbanden auf, deren Maxima mit ver- suchsweisen Zuordnungen in Tab. 2 wiedergegeben sind . Das Spektrum stimmt im wesentlichen mit den Angaben von MATTES und FGSSER [8] uberein, so daB auf eine ausfuhrliche Diskussion verzichtet werden kann.

Im Infrarotspektrum (Bereich 4000- 250 em-l ; KBr-Preoling) von

Tabelle 2 Infrarotspektruma) voii I)ikalium-l, Z-hydraziii-bis(dithioformiat) ~~

K&3,C-NH--NH -CSJ KJSzC-NH-NH -CSJ [cm-'1 Mogllche Zuordnung [cm '1 Miigliche Zuordnung

3120s v(N--H) 720 m 295ow 2900 ni-s

} v(N-H.. . S) 690 m 650w-m 622 m 570 m r(NCS,)

] 8(N-H) 1475 w, sh

1305 m 1 535 w 1 1460 m

500 w 475 w

} v(C-N) 1240 w, sh 1215 m

425 w 2 x 570? 350 w

1195m J 1145w 1025 vs 290 w

995m-s 255 w 950 w V(N--N)

a) ES bedeuten: 9 Valenzschwingung, 6 = i.p. Deformationsschwingung, y = 0.0.p. Deformationsschwingung, v = rocking-Schwiiigung, T = twisting-Sciiwinguiig. GeschBtzte relative Intensitaten der Absorptionsniaxima : vs = sehr stark, 6 = stark, m = mittel, w = schwach, sh = Schulter.

Aufgrund der Kenntnis der Kristallstruktur von K,[S,C-NH-NH-CS,] [I41 ordnen wir jedoch die Banden bei 2 950 und 2 900 cm-l den Valenzschwingungen der NH-Gruppen zu, die durch Ausbildung von Wasserstoffbrucken N--He - .S eine Niederfrequenzverschiebung erlangen, Damit im Einklang steht auch die Aufspaltung von Absorptionsbanden der Schwingungsmoden vas(CX,), vs(CS,) und

Die zahlreich auftretenden y(C-N)-Schwingungen im Bereich 1305 bis 1195 cm-l lassen sich durch Kopplung mit v(CS,) und in gewissem Umfang auch mit d(N- H) erklaren, vgl. dam die Normalkoordinatenrechnung an K[S,C-NH-NH,] [I51 sowie das Infrarotspektrum von K[S,C-NH,] [16].

Aus dem Infrarotspektrum kann im Zusammenhang mit der Kristallstruktur [I41 geschlossen werden, daB sich fur die elektronische Struktur der S,C-N- Gruppierungen in K,[S,C - NH - NH - CS,] eine Beteiligung delokalisierter n-Elektronen ergibt.

d(N-H).

Bemerkenswert ist die Hochfrequenzverschiebung der v,,(CS,)-Schwingung yon K2[SZC-NH-NH--CS2] im Vergleich zum K[S,C-NH-NH,] [lS, 171 um etwa 50 cm-l und ziim

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K[S,C-NH,] [16] um etwa 100 cni-l. Diese Verschiebung geht einher mit einer riiumlichen Aus- dehnung des konjugierten n-Systems.

4. Kernmagnetische Resonanzspektren

Ini lH-NMR-Spektrum (80,17 MHz) von in Dimethylsulfoxid-d, (1O%ige Losung) gelostem Dikalium-l,2-hydrazin-bis(dithioformiat) tritt bei 3OoC ein Singulett mit einer gegen TMS (innerer Standard) gemessenen chemischen Ver- schiebung von S,(NH) = 10,63 ppm auf.

Das 13C-NMR-Spektrum (20,15 MHz, breitbandentkoppelt, 20%ige Losung in Dimethylsulfoxid-d,) weist bei 30 O C ein Resonanzsignal bei d,(CS,) = 197,5 ppm auf (relativ zu TMS).

Zum Vergleich sollen die noch nicht bckannten 13C-Resonanzen von in D,O gelosten Dithio- carbazaten sufgefiihrt werden: 6,(CS,) = 207,8 ppm fur I<[S,C-NH-NH,] und 6,(CS,) =

306,3 ppm fur [H2N-NH3][S2C-NH-NH,].

5. Massenspektrum Im Massenspektrum (ElektronenstoBionisation, 70 eV, Temperatur der Ionen-

quelle 100°C, Probentemperatur 100OC) von K,[S,C-NH-NH-CS,] werden Fragnientionen registriert, die in Tab. 3 aufgelistet sind. ErwartungsgemaB tritt der Peak des Molekulions nicht auf, als Basispeak wird CSf beobachtet. Als Prirnarschritt des Zerfalls kann eine Abspaltung von CS, angenonimen werden. Die Bruchstucke zerfallen dann weiter und treten teilweise in ihren protonierten Formen auf. Unsicher bleibt die Zuordnung der Massenpeaks m/e = 48 und 47 zu SN-Fragmenten.

Tabelle R Massenspcktrum") von K,[S2C-NH--NH-CS2]

mle Yo relative Fragmention mle yo relative Fragmention Haufigkeit Haufigkeit

7G 82,8 CS2+ 47 17,2 SNH+( ?), CS++3H 74 7,o SC -NH-NH' 46 44,s CSf + 2H 64 12,5 s2+ 46 47,7 CS+ + 1H 60 14,8 SC-NHf + 1H 44 100,0 cs+ 48 11,7 SNH,+(?)

") Die durch das Isotop 34S hervorgerufenen Peaks sind nicht angegeben. Aufgefuhrt sind nur die Peaks mit ciner relativen Haufigkeit > 6%.

6. Verhalten gegen Schwer- und Ubergangsmetallionen sowie gegen Oxydationsmittel

Aus wd3rigen oder alkoholischen Losungen von I, 2-Hydrazin-bis(dithio- formiaten) lassen sich mit Schwer- und ubergangsmetallionen schwerlosliche, zumeist farbige Niederschlage ausfallen. Wie man Tab. 4 entnehmen kann, sind die Farben der Niederschlage weitgehend spezifisch fur ein. bestimmtes Metallkation. Diese Erscheinung beobachtet man auch bei Dithiocarbazaten und Dithiocarbamaten, die zum groBten Teil andere Farben zeigen (vgl. Tab. 4).

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Tabelle 4 gleich zu den entsprechenden Dithiocarbazaten und Dithiomrbamaten

Farben einiger Schwer- und ~bergangsmetall-l,2-hydrazin-bis(dithioformiate) im Ver-

Kation [S2C--NH--NH-CS2]2- [SZC-NH -NH& [S&-NH,]-

Ag+ TI+ Pb2+ Zn2f co2+ Ni2+ cu2+ BY>+

orange

orangerot farblos dunkelbraun hellbraun rotbraun rotbraun

gelb gelbgriin hellgelb blaBgelb farblos hellbraun rot dunkelgriin gelborange

schwarz5) gelb farblos farblos griin griinschwarz gelbbraun orange

") Sulfidbildung

Die Oxydation von Dithiocarbamaten [6, 181 oder Dithiocarbazaten [6,19] zu Thiuramdisulfiden 2[S,C-"R,]- - 2e- --z (R,N-CS-S-), ist seit langem be- kannt und geschieht vorzugsweise durch Verwendung milder Oxydationsmittel. Analog dazu sollte die Oxydation von 1,2-Hydrazin-bis(dithioformiaten) zum noch nicht beschriebenen N, N-Dihydro-I, 2,4,5-dithiadiazin-3,6-dithion

S-CS-NH-NH-CS-S oder zu polymeren Produkten (- S - CS -NH-NH-CS - S - )x fuhren.

Wird Dikalium-I, 2-hydrazin-bis(dithioformiat) unter verschiedenen Bedin- gungen (Temperatur, Losungsmittel, mit und ohne Verdunnungsprinzip) mit Iod oder Wasserstoffperoxid (30/,ig) umgesetzt, konnen nach Extraktion mit Di- ethylether oder Chloroform init Elektronenanregungsspektren sowie mit massen- spektroskopischen und infrarotspektroskopischen Methoden als Reaktionsprodukt neben polymeren Substanzen elementarer Schwefel und 1,3,4-Thiadiazolidin-

2,5-dithion $--CS-NH-NH-CS, das auch als ,,;Bismuthiol" bekannt ist, nach- gewiesen werden.

Elektronenabeorptionsspektren. Schwefel in Diethylether zoigt Absorptionen bei 222 nm ( F = 9,29 . lo3 I . mol-l . cm-l), 262 nm (4,EC;. lo3) und 278 nm (4,46 lo3). ,,Bismuthiol" in Ethanol be1 260 und 335 nm in ubereinstimmung mit [20].

Mitssenspektren. Auftreten.der Schwefelionen S,+ bis S,+. Massenpeak des Molekulions von ,,Bismuthiol" bei m/e = 150 mit hoher relativw HIufigkeit sowie die erwarteten Bruchstiicke.

I n f r a r o t s p e k t r u m . Das Infrarotspektrum stimmt mit dem von GLANFRANCO [all fur dits , ,Bismuthiol" angegebenen uberein.

Die Untersuchungen zeigen, dal3 die Oxydatioli von Dikalium-I, 2-hydrazin- bis(dithiof0rmiat) zunachst zum N, N'-Dihydro-I, 2,4,5-dithiadiazin-3,6-dithion fuhrt. Schon wahrend der Oxydation wird jedoch ein S-Atom abgespalten, wobei sich 1,3,4-Thiadiazolidin-2,5-dithion (,,Bismuthiol") bildet.

7. Versuche zur Darstellung der 1,2-Hydrazin-bis(dithioameisensaure)

Wird in eine eisgekuhlte, wahige Losung von K,[S2C-NH-NH-CSz] kalte 1 N Salzsaure getropft, fiillt ein feiner, farbloser Niederschlag aus, der schnell

I I

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uber eine gekuhlte Fritte abgesaugt wird. Jedoch tritt untsr diesen Bedingungen Zersetzung unter Abspaltung von Schwefelwasserstoff ein. Auch bei -40 OC ist die Substanz nicht unzersetzt haltbar. Es kann angenommen werden, da13 unter den gegebenen Versuchsbedingungen die 1,2-Hydrazin-bis(dithioarneisens~ure) entstanden ist, die sich jedoch wegen ihrer geringen Stabilitat zersetzt. Die Ver- suehe werden fortgefuhrt.

Dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir fur die Bereitstellung von Hilfsmitteln.

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Bei der Redaktion eingegangen am 8. April 1985.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. G. GATTOW und Dip1.-Chem. S. LOTZ, Inst. f. Anorg. Chemie u. Analyt. Chemie d. Univ., Johann-Joachim-Becher-Weg 24, D-6500 Maim